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Studien zu den BoÁazköy-Texten Herausgegeben von der Kommission für den Alten Orient der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz Band 52 Investigationes Anatolicae Gedenkschrift für Erich Neu Herausgegeben von Jörg Klinger, Elisabeth Rieken und Christel Rüster 2010 Harrassowitz Verlag . Wiesbaden

„Die Adresse ist: poste restante Yozgat Asie Mineure“ – Momentaufnahmen der Grabungskampagne 1907 in Boğazköy, in: J. Klinger, E. Rieken, C. Rüster (Hrsg.) Investigationes

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Studien zu den BoÁazköy-TextenHerausgegeben von der Kommission für den Alten Orient

der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, MainzBand 52

Investigationes AnatolicaeGedenkschrift für Erich Neu

Herausgegeben vonJörg Klinger, Elisabeth Rieken

und Christel Rüster

2010

Harrassowitz Verlag . Wiesbaden

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ISSN 1613-5628ISBN 978-3-447-06383-8

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”Die Adresse ist:

poste restante Yozgat Asie Mineure“

Momentaufnahmen der Grabungskampagne 1907in Bogazkoy

Jurgen Seeher

Uber hundert Jahre sind vergangen seit den spektakularen ersten großen Aus-grabungen in Bogazkoy, bei denen auch Tausende von Keilschrifttafelfragmentenans Tageslicht kamen und bald die Basis bildeten fur die Entwicklung der He-thitologie. Inzwischen gibt es eine Reihe von Publikationen, die sich mit denwissenschaftshistorischen Aspekten dieser fruhen Feldforschungen beschaftigt ha-ben:1 Die Auswertung von Veroffentlichungen, Briefen, Tagebuchaufzeichnungenund sonstigem Archivmaterial hat zahlreiche Antworten gebracht auf die Frage

”Wie war das damals?“. Die in den Grabungspublikationen gezeigten Fotos

tragen dazu jedoch nur wenig bei, weil sie kaum mehr als Grabungsbefundezeigen. Im folgenden werden einige bislang unbekannte Fotos aus dem Nachlassvon Otto Puchstein mit Szenen aus dem Grabungsalltag vorgestellt.2

Diese Aufnahmen wurden seinerzeit ausgesondert, weil sie fehlerhaft oder furdie Publikation nicht passend waren. Heute sind es jedoch Zeitzeugen, die inVerbindung mit diversen Zitaten der damaligen Akteure die Atmosphare jenesSommers im Jahr 1907 in Bogazkoy zumindest erahnen lassen. Sie sind inzwi-schen verblasst und hier und da beschadigt, aber mit Hilfe der Computertechnikließ sich vieles wieder richten. Ich verbinde mit diesem Beitrag Erinnerungen anmanches anregende Gesprach mit Erich Neu, mit dem die Grabung Bogazkoyallzu fruh einen lieben Mitarbeiter verloren hat.

1 Am umfassendsten Alaura 2006, mit alterer Literatur; jetzt auch Klengel 2008.2 Die Fotos sind heute im Besitz von Otto Puchstein, einem Urgroßneffen des Ausgrabers,

und wurden von Lars Petersen im Rahmen einer Sichtung und Bearbeitung des Nachlassesvon Otto Puchstein identifiziert. Beiden Herren sei fur die Uberlassung der Fotos herzlichgedankt.

254 Jurgen Seeher

Ein Reisewagen

Wie allgemein bekannt, war 1906 die erste Kampagne in Bogazkoy von demAssyriologen Hugo Winckler und Theodor Makridi, Kurator des OsmanischenMuseums in Istanbul, allein durchgefuhrt worden. Im folgenden Jahr stießeine Forschergruppe im Auftrag des Kaiserlich Deutschen ArchaologischenInstituts dazu – die Architekten Heinrich Kohl und Daniel Krencker, der klas-sische Archaologe Ludwig Curtius sowie Otto Puchstein, Generalsekretar desArchaologischen Instituts, und sein Neffe Erich Puchstein.

Der Grabungsort war in jenen Tagen nicht leicht zu erreichen: So konntenWinckler und Makridi 1906 mit der Anatolischen Eisenbahn zwar bis nach Ango-ra fahren, aber dort mussten sie dann fur die Fortsetzung der Reise Pferde undAusrustung kaufen und sich auf einen beschwerlichen funftagigen Ritt machen:

”Als Sattel dienten uns die orientalischen Marterwerkzeuge, welche zweifellos

in Europa einen Platz in der Folterkammer beanspruchen konnten“.3 Im Jahr1907 versuchte man dann offensichtlich, dieses Martyrium etwas abzukurzen:Gemeinsam mit Krencker und Curtius reiste Winckler

”von Angora, der letzten

Eisenbahnstation, halb zu Pferde, halb zu Wagen“.4

Abb. 1 zeigt einen solchen Wagen auf dem Platz vor dem Grabungshaus –es handelt sich um eine leichte gefederte Kutsche, die ublicherweise von zweiPferden gezogen wurde. Auf Abb. 3 erkennt man zwei solche Kutschen an der-selben Stelle im Gelande stehend (im Bild rechts oberhalb vom Grabungshaus).Neben dem Kutscher sitzt ein bewaffneter Gendarm; der Passagier ist angesichtsseiner Lederstiefel vermutlich ein Mitglied der Grabungsmannschaft, aber nichtsicher zu erkennen.5 Im Sommer, wenn die Wege trocken und passierbar waren,konnte man mit diesen Gefahrten weite Strecken zurucklegen, und auch vieleandere Reisende haben sich dieses Hilfsmittels bedient: 1907 kam auch derbritische Archaologe John Garstang so nach Bogazkoy,6 Kurt Bittel reiste inden dreißiger Jahren damit an,7 und Friedrich Karl Dorner schrieb dazu

”Kreuz

und quer bin ich zu Pferd oder mit dem landesublichen Reisewagen, in dem manhalb liegend, halb sitzend durcheinandergeschuttelt wird, durch den NordenKleinasiens gezogen“.8

3 Winckler 1913, 16–17.4 Puchstein 1912, 3.5 Außer den genannten war auch noch der Franzose Riberon als Dolmetscher und Arbeiter-

aufseher vor Ort (Puchstein 1912, 4).6 Garstang 1910, Pl. LXIII, oben.7 Bittel–Naumann 1952, Taf. 61, a.8 Dorner 1981, 62 und Abb. 4.

”Die Adresse ist: poste restante Yozgat Asie Mineure“ 255

Abbildung 1: Zweispannige Kutsche auf dem Platz vor dem Grabungshaus. Rechts imHintergrund eine Reihe von abgestellten Schubkarren und am Horizontdie Nordspitze von Buyukkale.

Das Grabungshaus von 1907

Uber das Grabungshaus der Expedition von 1907, das rund 40 m sudostlichund oberhalb vom Haus am Hang errichtet wurde, gibt es wenig Informationen.In der Publikation von Puchstein ist es nur einige Male im Hintergrund vonFotos zu erkennen.9 Die hier nun in Abb. 2–4 wiedergegebenen Fotos habenauch ihre Unzulanglichkeiten, aber in der Kombination bieten sie doch einenbesseren Eindruck von dem Anwesen: Das leider unscharfe Foto Abb. 2 zeigtdas Haus von Tempel 1 aus, genauer gesagt vom Haupttor des Tempelbezirksaus gesehen (am unteren Bildrand sind die oberen Teile der steinernen Torlai-bungen zu erkennen).10 Am Hang dahinter liegen die Grabungsschnitte, dieWinckler und Makridi 1907 am Haus am Hang anlegen ließen und in denensie in diesem Jahr schon auf erste Tafelfunde stießen.11 Abb. 3 bietet einenBlick von Sudosten auf das Grabungshaus. Dieses Foto, das im Original einen

9 Puchstein 1912, Taf. 3; Taf. 7, oben; Taf. 36, unten; Taf. 40, unten.10 Das Foto Puchstein 1912, Taf. 40 unten ist fast vom selben Standplatz aus aufgenommen.11 Puchstein 1912, 172; Alaura 2006, 126 und Anm. 395.

256 Jurgen Seeher

Abbildung 2: Grabungshaus vom Eingang in den Tempelbezirk aus gesehen.

großeren Bildausschnitt zeigt, wurde von einem Felsen nordlich der Nordspitzevon Buyukkale und oberhalb von Ambarlıkaya aus aufgenommen. Und Abb.4 schließlich zeigt eine Szene im Hof vor dem Haus und lasst einige weitereBaudetails erkennen. Ein Kommentar von Otto Puchstein zu dieser Unterkunftwar deutlich:

”Wir leben in einem sehr großen Konak“ [= turk. herrschaftliches

Landhaus]”mit vielen Leuten, den Makridy mit etwas Großspurigkeit gebaut

hat, und die Verpflegung ist recht uppig“.12 Man muss jedoch diesen Bau auchvor dem Hintergrund der Verhaltnisse der ersten Grabungskampagne im Jahr1906 sehen: In jenem Jahr war eine Unterkunft im Dorf im Konak des Zia-Bey,wo auch die fruheren Expeditionen nach Bogazkoy untergekommen waren, of-fensichtlich nicht moglich bzw. vielleicht von den Ausgrabern auch nicht gewollt.Daher schlug man ein Lager im Ruinengelande, direkt oberhalb des Haus amHang und auf dem spateren Bauplatz des Grabungshauses, auf. Wie bei jedemneuen Grabungsprojekt stand auch diese erste Kampagne in Bogazkoy unterErfolgsdruck, und so wurden auch hier die knappen Resourcen an Zeit und Geldnicht in die Schaffung einer angemessenen Infrastruktur investiert. Das Lagerwar außerst bescheiden, wie die folgenden Zitate aus einem 1910 von Winckler

12 Brief von O. Puchstein an A. Conze vom 28. 7. 1907 (nach Alaura 2006, 138).

”Die Adresse ist: poste restante Yozgat Asie Mineure“ 257

Abbildung 3: Blick vom Buyukkale-Hang auf das Grabungshaus und den GroßenTempel.

verfassten Text zeigen:13”Eine Laubhalle bot der Kuche Unterkommen, in der

ein Koch bulgarischer Abstammung weniger recht aber recht schlecht seinesAmtes waltete“;

”Eine zweite Laubhutte mußte mir den Schatten fur meine

Tontafelstudien geben“;”Der ganze Lagerplatz war mit einem aus Laubwerk

geflochtenen hohen Zaun umgeben, der zugleich den notigsten Windschutz ab-gab“;

”Eine Strecke davon, etwas tiefer war eine großere Laubhutte eingerichtet,

welche funf Wesen beschirmte, die wohl nie bessere Tage in ihrem Dasein gesehenhaben – unsere Pferde! Sie haben ihr Brot fast ausschließlich mit Nichtstunverdient“; Winckler und Makridi ubernachteten im Zelt:

”Das bescheidene

Zelt, das uns beiden genugen mußte, bot unter der brennenden Tagessonnedie Temperatur, welche man im turkischen Bade nicht unangenehm empfindet,die aber fur eine Mittagsruhe nicht gerade das ist, was erquickend wirkt. Baldnach Sonnenuntergang macht sich eine starke Abkuhlung der Luft bemerklichund darauf pfeift von den kahlen Bergen ein starker Abendwind, der zu einerNacht uberleitet, in der schon zwingende Grunde wirken mussen, um einen zumVerlassen des warmenden Lagers zu uberreden. So saßen wir des Abends imheulenden Wind vor unserem Zelte, um unsere Mahlzeit zu verzehren, wahrend

13 Winckler 1913, 27–28.

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der Mantel sich blahte. Dann war man in der Regel abgekuhlt genug, um ohneallzu ausgedehnte Formlichkeiten in das Zelt zu kriechen, das gerade fur zweiMann Raum bot“.

Dieses spartanische Leben scheint Winckler nicht besonders beruhrt zu haben,denn fur ihn standen die taglich zu Dutzenden und mehr gefundenen Keil-schrifttafelfragmente im Mittelpunkt:

”Ich habe seine Streiche [gemeint sind

die Leistungen des Kochs] mit Gleichmut hingenommen, denn ich bin stetsauf Reisen mit dem Gedanken gegangen, daß das Vergnugen nicht allzuweitgesucht werden soll. Aber mein armer Macridi hat den Arger fur uns doppeltund dreifach geschluckt und er konnte sich nicht an Tontafeln schadlos halten“.

Tatsachlich hat Makridi dann dafur gesorgt, dass in der zweiten Kampagne dieVerhaltnisse besser wurden. Er reiste bereits Mitte April 1907 nach Bogazkoy,um die Grabung vorzubereiten und ein ordentliches Haus bauen zu lassen.14

Auch Winckler registrierte dies dankbar und schrieb einen Tag nach seinerAnkunft am 28. Mai:

”Das Befinden aller Teilnehmer ist gut und wir sind

diesmal so gut untergebracht – oder fast besser – als es den Verhaltnissen nachnur sein kann“.15

Nach Schatzung der heute im Gelande noch sichtbaren Spuren und dem aufdem 1912 publizierten Plan von Bogazkoy16 eingezeichneten Grundriss maßdas Haupthaus etwa 16 m auf 16 m, und separat davon lag auf der Hangseitedahinter ein 30 m auf 8 m messender zweiter Trakt, der moglicherweise als Stall,Depot u. a. diente (auf den Fotos nicht sichtbar). Eingefasst war das ca. 32 mauf 40 m messende Anwesen von einer hohen Mauer, die in der Nordostseite eingroßes uberdachtes Hoftor besaß. Das Haus war auf der Vorderseite mit einerVeranda, die sich uber zwei Drittel der Frontseite erstreckte, ausgestattet. Wiedie Uberreste im Gelande zeigen, gab es im Gebaude einen zentralen Korridor,von dem aus zu beiden Seiten hin Zimmer abgingen. Gedeckt war das Haus miteinem Satteldach, unter dem im zentralen Bereich sogar ein zweites Stockwerklag, erkennbar an der Gebaudehohe und der Fensteroffnung unter dem Dachfirstauf der Ruckseite (Abb. 3). Neben dem Konak des Zia Bey (in Abb. 3 obenlinks erkennbar) und der neuen Moschee war dies im Dorf vermutlich das einzigeBauwerk, das nicht mit einem Lehmflachdach, sondern mit Satteldach undgebrannten Dachziegeln ausgestattet war. Und auch bescheidener Bauschmuckwie die in Abb. 4 erkennbaren Sagearbeiten an den Windbrettern des Ortgangs(= die zum First hinauffuhrenden Bretter an der Giebelkante) und am unterenRand der Bretterverkleidung des Giebels fehlte nicht. Das alles spricht dafur,dass Makridi dieses Haus nicht nur als Ersatz fur das vorjahrige Zelt- undLaubhuttenlager gebaut hat, sondern in der Aussicht auf eine umfangreiche undvieljahrige Grabung – nach dem nun aus Deutschland kommenden Geldsegen

14 Puchstein 1912, 3.15 Brief von H. Winckler an B. Guterbock vom 29. 5. 1907 (nach Alaura 2006, 122). Aus

diesem Brief stammt auch der als Uberschrift fur diesen Beitrag gewahlte Satz.16 Puchstein 1912, Taf. 1.

”Die Adresse ist: poste restante Yozgat Asie Mineure“ 259

und dem Engagement des Kaiserlich Deutschen Archaologischen Instituts wardas ja durchaus wahrscheinlich.17

Abbildung 4: Front des Grabungshauses. Im Hof davor Heinrich Kohl mit einemBarbier, einem Helfer und dem Gendarmen aus Abb. 1.

17 Auch Puchstein schrieb gegen Ende der Kampagne 1907 an Halil Edhem:”Es sind noch

mehrere Campagnen notig, um Boghaskoi zu erledigen“ (nach Alaura 2006, 142). In einemBrief an R. Schone, Generaldirektor der Koniglichen Museen in Berlin, im November 1907hort es sich allerdings anders an:

”Nach uns bleibt vielleicht nur eine Nachlese und hie und

da eine Vertiefung unserer Studien und Aufnahmen ubrig“ (nach Alaura 2006, 148). Zuden Bemuhungen um die Fortsetzung der Grabungen nach 1907 vgl. Alaura 2006, 152–166.

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Dieses erste Grabungshaus in Bogazkoy wurde spater noch in den Kam-pagnen von 1911 und 1912 genutzt, blieb danach aber verlassen. Fur Kurt Bittelbot sich zu Beginn der neuen Grabungen im Jahr 1931 dieses Bild:

”Da das

Dach des Expeditionshauses von 1907/12 eingefallen und die Wande zum Teilsogar umgesturzt waren, so daß nur noch einige Zimmer notdurftig bewohntwerden konnten, kam dieses Gebaude leider fur unsere Unterbringung nicht inFrage. Dagegen entschlossen wir uns, die aus Alisar zu erwartenden Arbeiterdort einzuquartieren, weil zu diesem Zwecke keinerlei Reparaturen notwendigwaren“.18 Die Grabungsmannschaft fand fur 100 Turkische Pfund Quartierim Konak des Zia Bey, und das alte Grabungshaus ist dann 1932

”von der

Regierung, deren Eigentum es war, ganz abgetragen und das noch verwendbareHolz zum Bau einer Schule in Sungurlu benutzt worden“.19

Auf dem Foto Abb. 3 ist ubrigens auch der Endzustand der Grabungen 1907im Bereich der Unterstadt zu erkennen – das Bild ist am Ende der Kampagne inden ersten Septemberwochen aufgenommen worden, da die im Hintergrund sicht-baren Felder abgeerntet und teilweise schon gepflugt sind. In der Bildmitte siehtman den großen Tempel und die umgebenden Magazine, die einen zerwuhltenEindruck machen:

”Krencker und Curtius . . . hatten bei Besichtigung des Rui-

nenfeldes sofort den großen Tempel als das Hauptobjekt fur die Arbeit erkanntund sich dessen Untersuchung gewidmet. Sie gruben ihn jedoch bei dem voraus-gesehenen Zeitmangel nicht vollstandig frei, sondern legten zum Teil nur dieMauerkanten und Turschwellen bloß, und bei der Grabung in den ausgedehntenMagazinen gingen sie nur so weit, als zum Verstandnis der Gesamtanlage notigwar“.20 Die großen Abraumhalden im Vordergrund neben den Sudostmagazinendes Tempels21 stammen zum Teil von diesen Untersuchungen, zum Teil aberauch von den Grabungen Makridis. Er hatte bereits im Mai 1907 einen langenSchnitt quer durch die Magazinraume gelegt22 und nach Wincklers Ankunftdann besonders den Bereich der Raume 10–12 auf der Suche nach Keilschriftta-feln grundlicher untersucht. Diese

”fast 4000 cbm umfassenden Schutthalde vor

der Sudostfront der Tempelmagazine 1–14“ ist erst 1969 entfernt worden undhat noch einmal rund tausend Keilschrifttafelfragmente, die wahrend der altenGrabungen ubersehen worden waren, geliefert.23

Abb. 5 ist ebenfalls im Hof vor dem Grabungshaus aufgenommen. Sie zeigtden damals gerade dreißigjahrigen Architekten und RegierungsbaumeisterHeinrich Kohl24 mit zwei Einheimischen. Auf der linken Seite ist das Eingangstorzu ahnen – auf Abb. 2 und 3, vor allem aber auch auf einigen anderen sehr viel

18 Bittel 1998, 206.19 Bittel 1933, 160–161.20 Puchstein 1912, 4.21 Vergl. Puchstein 1912, Taf. 32.22 Die Aufnahme dieses Schnitts bei Garstang 1910, Pl. LXII ist Ende Mai aufgenommen

worden (s. Garstang 1908, 1–2.)23 Bittel–Neve 1970, 6.24 Ein Nachruf findet sich in Kohl–Watzinger 1916, III–V (frdl. Hinweis A. Hoffmann).

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schlechter erhaltenen Bildern aus dem Nachlass ist es als großes doppelflugeligesHolztor mit einer breiten satteldachformigen Abdeckung, die ebenfalls mit Zie-geln gedeckt war, identifizierbar. Links neben dem Tor erkennt man einige derHolzkisten, mit denen am Ende der Kampagne Ausrustungsgegenstande undFunde, vor allem aber die nach tausenden zahlenden Keilschrifttafelfragmentenach Istanbul geschafft worden sind. Kohl war nicht nur fur die Grabungen undDokumentationen an den Bauwerken und Befestigungsanlagen in der Oberstadtverantwortlich, sondern stellte auch eine Messtischaufnahme des Stadtgelandesher. Dabei wurde er unterstutzt von dem Kammergerichtsreferendar ErichPuchstein, den sein Onkel Otto Puchstein

”aus privaten Grunden“ mit auf die

Expedition genommen hatte (Abb. 6).

Abbildung 5: Heinrich Kohl im Hof des Grabungshauses mit dem Barbier aus Abb. 4(rechts) und dem Kutscher aus Abb. 1.

Der auf diese Weise entstandene”Kohl’sche Plan“ ist dann bis in die neunziger

Jahre Grundlage der Arbeiten in Bogazkoy geblieben. Bei der Neuvermessung

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Abbildung 6: Erich Puchstein bei der Messtischaufnahme. Im Hintergrund der Felsenvon Ambarlıkaya.

des Gelandes durch Hans P. Birk, diesmal mit Hilfe von elektronischen Tachy-metern und Computern, zeigte sich noch einmal sehr deutlich, wie genau Kohldieses komplizierte Gelande in nur wenigen Wochen erfasst hat. Durch seineArbeiten vor Ort, aber auch dadurch, dass er nach Puchsteins Tod 1911 dieAufgabe ubernahm, das provisorische Manuskript fur die Endpublikation zuerganzen und zu redigieren,25 ist Kohl sicher zum wichtigsten Mitarbeiter derKampagne von 1907 geworden.

Die Dorfbewohner und Grabungsarbeiter, die auf dieser und den anderen Ab-bildungen zu sehen sind, sind ubrigens noch in ihre traditionelle Tracht gekleidet:eine weite Hose (salvar), ein kragenloses weites Hemd (gomlek) und darubereine kurze Weste (yelek). Um den Bauch ist ein großes Tuch als Bauchbindegeschlungen (kusak), und an den Fußen tragt man Ledergaloschen (carık). Aufdem Kopf sitzt eine hohe Filzkappe mit oder ohne Quaste (fez ), um die ebenfallsein Tuch geschlungen ist. Nur knapp zwei Jahrzehnte spater verschwanden dieseKleidungsstucke dann fast vollig: Nach Ataturks Kleiderreform im Jahr 1925verbreiteten sich auch in den Dorfern bald Anzugjacken, -hosen und -westen

25 Puchstein 1912, Vorwort von H. Kohl.

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nach westlicher Mode, und auf dem Kopf trug man nun eine Schieber- oderBallonmutze oder einen Hut mit Krempe.26

Arbeiten am Konigstor

Unter den Fotos aus dem Nachlass Puchsteins sind auch einige unveroffentlichteAbbildungen des Konigstors. Bereits im Jahr 1906 hatte Makridi die Außen-seiten des Lowentors und des Konigstors frei graben lassen. Dass dabei dasKriegerrelief, das sich ja am inneren Tordurchgang des Konigstors befand,tatsachlich noch verborgen geblieben war, belegt folgende Aussage von Winck-ler, die auf eine Beschreibung des Lowentors folgt:

”Ein anderes Tor – an der

Sudostseite – war ebenfalls aus grossen Blocken hergestellt, hatte aber keinenSkulpturenschmuck“.27 Die Ausgrabungen am Konigstor wurden dann im Fol-gejahr

”vervollstandigt und zum Teil auch auf die Ruckseite nach der Stadt zu

ausgedehnt“28 – wobei auch das Relief entdeckt wurde. Puchstein schrieb uberdieses Kunstwerk:

”Es ist zweifellos die beste und bedeutendste Skulptur, die

wir aus dem alten Kleinasien besitzen, von monumentalem Charakter wie dasTor, das sie schmuckt. Wir haben daher auch nicht gezogert, sie wieder mitErde und Steinen zu bedecken, um sie, soviel an uns lage, vor Beschadigung zubewahren“.29

Genau dieser Moment, die erneute Verbergung des Reliefs, ist festgehaltenauf den Fotos Abb. 7 und 8 – gerade wird eine runde Steinmauer hochgezogen,die eine dicke Erdschicht auf dem Relief umfangt.

Aber es lag naturlich nahe, dass die Einheimischen diesen Schutzmantelbald wieder abraumten, um das Relief Reisenden zu zeigen. So berichtet IsabelF. Dodd, Lehrerin am amerikanischen Madchen-College in Istanbul, die 1909Bogazkoy besuchte:

”This Eastern gate has long been known and is of grand

proportions, but it is only since the archaeologists left here, in 1907, that theworkmen discovered, almost by accident, on the inner side post, a remarkablebas-relief“.30

Die Angabe, dass das Relief nach Abreise der Archaologen entdeckt wordensei, mutet zunachst wie eine Legende an, mit der die einheimischen Fuhrerversuchten, die Bakschisch-Zahlung der amerikanischen Besucherin in die Hohezu treiben. Es scheint aber doch ein Stuck Wahrheit darin enthalten sein: Esfallt auf, dass in den vielen von Silvia Alaura zitierten Briefen, die Winck-ler und Puchstein wahrend der Grabungskampagne 1907 von Bogazkoy aus

26 Das zeigen auch Bilder vom Dorfleben in Bogazkoy in den Jahren 1931–1939 in Bittel –Naumann 1952, Taf. 61–63.

27 Winckler 1906, 25.28 Puchstein 1912, 64.29 Puchstein 1912, 71.30 Dodd 1910, 116–117. Die Abbildung auf S. 116 zeigt, dass die Puchstein’sche Abdeckung

vor dem Relief vollstandig entfernt ist (nur rechts neben dem Torlaibungsblock stapelnsich die Steine).

264 Jurgen Seeher

Genau dieser Moment, die erneute Verbergung des Reliefs, ist festgehalten auf

den Fotos Abb. 7 und 8 – gerade wird eine runde Steinmauer hochgezogen, die eine dicke

Erdschicht auf dem Relief umfängt.

Abb. 7 Königstor. Die Arbeiter schichten vor dem Relief einen Schutzwall aus Steinen und Erde auf.

Aber es lag natürlich nahe, daß die Einheimischen diesen Schutzmantel bald

wieder abräumten, um das Relief Reisenden zu zeigen. So berichtet Isabel F. Dodd,

Lehrerin am amerikanischen Mädchen-College in Istanbul, die 1909 Boğazköy besuchte:

„This Eastern gate has long been known and is of grand proportions, but it is only since

the archaeologists left here, in 1907, that the workmen discovered, almost by accident, on

the inner side post, a remarkable bas-relief“30.

30 DODD 1910, 116-117. Die Abbildung auf S. 116 zeigt, daß die Puchstein’sche Abdeckung vor dem Relief vollständig entfernt ist (nur rechts neben dem Torlaibungsblock stapeln sich die Steine).

12

Abbildung 7: Konigstor. Die Arbeiter schichten vor dem Relief einen Schutzwall ausSteinen und Erde auf.

abschickten,31 das Konigsrelief nicht erwahnt wird. Erst in einem Schreiben,das Puchstein am 20. September 1907, also nach Abschluss der Kampagneund auf der Durchreise in Istanbul, an Halil Ethem32 verfasste, heißt es:

”. . .

wenn ich ihnen die Photographien schicke werden Sie eine deutliche Vorstellungvon der neugefundenen Relieffigur erhalten“.33 Das spricht dafur, dass dasRelief erst nach dem offiziellen Grabungsende und der Abreise von Makridiund Winckler am 15. August ausgegraben wurde. Makridi bzw. Halil Edhemhatte dem Team des DAI gestattet, noch bis zum 11. September Dokumen-tationen durchzufuhren.34 In dieser Zeit hat H. Kohl neben den Arbeiten am

31 Alaura 2006, 122–146.32 Halil Ethem (Eldem), jungerer Bruder, Mitarbeiter und ab 1910 Nachfolger des Istanbuler

Museumsdirektors Osman Hamdi Bey.33 Alaura 2006, 149.34

”Die große Grabung ist am 13. Aug. sistiert worden; jetzt handelt es sich nur noch um

”Die Adresse ist: poste restante Yozgat Asie Mineure“ 265

Abbildung 8: Blick durch die Torkammer des Konigstors auf den gerade entstehendenSchutzwall fur das Kriegerrelief.

topographischen Plan hauptsachlich die Befestigungen erforscht35 und wohl erstdabei auch die stadtwartige Seite des Konigstores ausgegraben. Damit wirdauch verstandlich, warum im ansonsten ausfuhrlicheren Vorbericht zu dieserKampagne die Auffindung des Konigsreliefs nicht als eine besondere Sensationdargestellt wurde. Puchstein bemuhte sich offensichtlich, diesen

’nachtraglich‘

gemachten Jahrhundertfund nicht besonders hervorzuheben und begnugte sichmit einer knappen Beschreibung von gerade mal acht Zeilen, um dann aber dochhinzuzufugen:

”Diese Konigsfigur und die Lowen am Osttor sind die kunstlerisch

bedeutendsten und feinsten Skulpturen, die wir bisher von den alten Hethiternkennen; man wird mindestens Gipsabgusse davon einmal in die europaischenMuseen bringen mussen“.36

Ein solches Vorhaben konnte dann allerdings nicht so schnell in die Tatumgesetzt werden. Wahrend der Kampagnen 1911 und 1912 in Bogazkoy gabes zunachst einiges Hin und Her um die Herstellung des Abgusses, der nach

Schurfungen“, Brief von Puchstein an A. Conze vom 18. 8. 1907 (nach Alaura 2006, 144).35 Puchstein 1912, 4.36 Winckler–Puchstein 1907, 69–71.

266 Jurgen Seeher

Deutschland geschafft werden sollte.37 Das Original sollte dagegen ins Archao-logische Museum nach Istanbul gebracht werden:

”Halil bey machte es namlich

zur Bedingung, dass der’Konig‘ – die englische Amazone38 – von uns nach

Konstantinopel geschafft wurde. Das kostet ein betrubliches Stuck Geld, denAbguss kann dann aber haben, wer will. Der Wagen wird gebaut, der Konigin diesen Tagen eingesargt . . . “.39 Das Transportproblem erwies sich jedochals erheblich, denn Winckler schrieb gut einen Monat spater:

”Der

’Konig‘ ist

eingepackt und man ist auf der Suche nach einem Wagen, der ihn nach Samsunzu tragen vermag“.40 Tatsachlich endete die Reise der Relieffigur in jenem Jahrschon im Hof des Grabungshauses, wo sie bis zum Herbst 1932 verblieb, umdann nach Ankara geschafft und dort in eine Mauer vor dem EthnographischenMuseum eingemauert zu werden.41

Aus den trockenen Erwahnungen Wincklers geht nicht hervor, was in jenenTagen unter Makridis Aufsicht am Konigstor geschah: Um das Relief vomTorlaibungsblock abtrennen zu konnen mussten zunacht die beiden großenBlocke, die noch in situ auf diesem saßen, heruntergeholt werden. Abb. 8 istdas einzige Foto, das den Originalzustand von der Torinnenseite aus gesehenaus der Nahe zeigt. Hier erkennt man auch sehr deutlich, dass ursprunglich nurder oberste Block oberirdisch frei lag und bereits der darunter liegende Block– genauso wie sein Pendant auf der anderen Seite des Durchgangs – zu zweiDritteln in der Erde steckte. Aus diesem Grund ist das Konigstor auch erstviel spater entdeckt worden als das Lowentor, dessen außerer Eingang immerteilweise offen lag.

Um das Relief nicht zu gefahrden, wurden die beiden aufsitzenden Blocke inden Torinnenraum gesturzt: Zunachst der obere Block, der dann unten nochRichtung Toraußenseite geschoben wurde, und dann der großere untere Block– so liegen sie noch heute. Danach wurde der Laibungsblock mit dem Reliefzur Seite hin, d. h. in den Tordurchgang, umgelegt und mit der Trennarbeitbegonnen. Am in Bogazkoy verbliebenen hinteren Teil des Blocks (Abb. 9) lassensich die Arbeitsschritte nachvollziehen: Zunachst wurde im Abstand von etwa 60–

37 Alaura 2006, 167 und 179.38 Diese Bemerkung bezieht sich auf die Identifizierung des Reliefs als Darstellung einer

Kriegerin, die die schon genannte I. F. Dodd publik machte und der sich zeitweise einigeForscher anschlossen, s. Puchstein 1912, 71.

39 Brief von H. Winckler an B. Guterbock vom 21. 6. 1912 (nach Alaura 2006, 184).40 Brief von H. Winckler an B. Guterbock vom 29. 7. 1912 (nach Alaura 2006, 189).41 Bittel 1937, 5. Ein ahnliches Schicksal einer langen ,Zwischenlagerung‘ haben auch die

Reliefblocke vom Sphinxtor von Alacahoyuk uber sich ergehen lassen mussen: Sie warenbereits 1906 von Makridi demontiert und auf einer Wiese in der Nahe des Tors furden Abtransport nach Istanbul bereit gelegt worden. Bei einem Besuch des Ortes imSeptember 1931 zusammen mit H. H. von der Osten, K. Bittel und M. Schede wurdeder Generaldirektor der Antiken, Hamit Zubeyr Kosay, auf dieses Problem aufmerksamgemacht (Bittel 1998, 202). Vermutlich veranlasste er nach dieser Reise, dass diese Blockezusammen mit dem Relief vom Konigstor in Bogazkoy im folgenden Jahr nach Ankaratransportiert wurden.

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70 cm von der Frontseite mit Meißeln eine tiefe Rinne begonnen. Moglicherweisehatte man zunachst vor, den Block nur mit Hilfe dieses Schnitts zu teilen –am Anfang (= der obere Bereich am aufrecht stehenden Block) durchschneidetdiese Rinne bis zu zwei Drittel der Breite des Steins. Das Vorhaben wurde dannaber aufgegeben und die Rinne nur noch mit einer Tiefe von 20 cm fortgesetzt.

Bei homogenen Gesteinen kann man durch Einschlagen von Keilen in einesolche enge kunstliche Rinne eine glatte Spaltung des Blocks bewerkstelligen.Davor schreckte man jedoch hier angesichts des relativ inhomogenen, teilweisebrekzieartigen Kalksteins zuruck und bediente sich eines anderen Verfahrens,das heute kaum noch bekannt ist: Am Boden der Rinne ansetzend, schlugman in Abstanden von 10–15 cm mit Hilfe eines Bohrmeißels Locher mit einemDurchmesser von 4–5 cm durch den Stein – nur zwei Bohrungen blieben im Steinstecken, die anderen neun durchschlugen den Block. Diese Schlagbohrtechnikwar fruher vor allem im Tunnel- und Bergbau sowie im Steinbruch ublich, umBohrlocher fur die Ladung mit Sprengmitteln zu erzeugen. Solche Locher wurdenmit einem schweren Hammer und einem langen Meißel, der nach jedem Schlagleicht gedreht wurde, erzeugt. Durch die Drehung trifft die Meißelschneideimmer wieder auf eine neue Stelle und schneidet so ein rundes Loch in den Stein.Bohrtiefen von 1 m und mehr sind mit dieser Technik kein Problem.

Auf diese Weise wurde also eine durchgehende Sollbruchstelle erzeugt, undvermutlich hat man dann durch das Einschlagen von keilformigen Holzern indie Locher endlich die Spaltung des Blockes erreicht. Allerdings war auch jetztdas Gewicht des Reliefteils fur den Transport noch zu groß. Also wurde dieRuckseite mit Meisseln flachig abgeschlagen und so die Dicke der Platte (ohneRelief) auf etwa 20–25 cm reduziert.42 Die so entstandene Ruckseite war of-fensichtlich so glatt, dass K. Bittel in seiner Bearbeitung der Funde der altenGrabungen schrieb, das Relief sei vom Block gesagt worden43 – er hatte diePlatte Anfang der dreißiger Jahre noch beim alten Grabungshaus liegen sehen.Seinen 1945 niedergeschriebenen Memoiren zu den ersten Grabungsjahren istaber zu entnehmen, dass er spater offensichtlich die Spuren des Trennvorgangsan dem am Konigstor liegen gebliebenen Laibungsblock naher untersucht unddas Bohrverfahren erkannt hat.44

Vermutlich hat Makridi damals damit gerechnet, dass das Konigstor spatermit einem Abguss des Reliefs restauriert werden wurde. Ansonsten hatte ervermutlich nicht die muhsame und riskante Spaltung des Blocks veranlasst,sondern einfach den ruckwartigen Teil sukzessive abmeißeln lassen. Das war injener Zeit durchaus ublich an anderen Grabungsplatzen zur Gewinnung vonSchauseiten von Architekturelementen, die so leichter ins Museum zu transpor-tieren waren. Aber es dauerte dann noch bis 1967, bis die Rekonstruktion des

42 Foto bei Bittel 1937, Taf. 2,2.43 Bittel 1937, 5.44 Bittel 1998, 190.

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Abbildung 9: Spuren der Abtrennung des Kriegerreliefs am linken Laibungsblock desinneren Durchgangs des Konigstors. Zunachst wurde eine tiefe Rinneeingemeißelt (links am Block) und dann von dort aus Bohrlocher, die denBlock fast alle durchschlugen (vergl. Beschreibung im Text). Aufnahme1995, vor Anbringung einer neuen Kopie des Reliefs.

inneren Durchgangs des Konigstors Gestalt annahm:45 Der Rest des gespaltenenLaibungsblocks wurde wieder aufgerichtet und das anschließende Mauerwerk,also die stadtseitige Front des NO-Turms des Tores, auf einer Breite von gut2 m vollstandig neu errichtet – die originalen Steinblocke waren im Lauf derJahrzehnte zum großten Teil verschwunden. Da der Abguss des Reliefs, der hiermontiert werden sollte, im linken Bereich, also hinter dem Rucken des Kriegers,kurzer war als das Original, mussten die neuen Steinblocke entsprechend ange-passt werden. Dieser Abguss hat dann lange Jahre das Konigstor geschmuckt,ist spater aber durch Verwitterung im rauen Hochlandklima und durch mutwil-

45 Neve 1969, 56.

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lige Beschadigungen immer unansehnlicher geworden. Im Jahr 1995 ist erschließlich durch eine neue Kopie ersetzt worden (Abb. 10).

Abbildung 10: Montage eines Abgusses des Kriegerreliefs am Konigstor, 1995. DieReliefplatte ist etwa im richtigen Abstand vom Originalblock fixiert.

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