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Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 1
Diese Artikelfassung entspricht nicht vollständig dem in der Zeitschrift veroffentlichen
Artikel. Dies ist nicht die Originalversion des Artikels und kann daher nicht zur Zitierung
herangezogen werden.
Achtsamkeit und Akzeptanz.
Grundlagen und Perspektiven eines neuartigen Ansatzes sportpsychologischen Trainings
für den Leistungssport
Kathrin Heinz1, Thomas Heidenreich
2, Franziska Wenhold
1 & Ralf Brand
1
1Universität Potsdam,
2Hochschule Esslingen
Kontaktadresse:
Kathrin Heinz
Exzellenzbereich für Kognitionswissenschaften, Professur für Sportpsychologie
Am Neuen Palais 10, Haus 12
14469 Potsdam
E-Mail: [email protected]
Dieses Projekt wurde mit Forschungsmitteln des Bundesinstituts für Sportwissenschaft gefördert
(Fördernummer IIA1-071001/09-10).
veröffentlicht im Jahr 2011, in:
Zeitschrift für Sportpsychologie, 18, 145-154, doi: 10.1026/1612-5010/a000056
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 2
Zusammenfassung
„Achtsamkeit und Akzeptanz“ beschreiben die individuelle Fähigkeit, im Alltag
auftretende (im sportpsychologischen Kontext z. B. leistungseinschränkende) Emotionen und
Gedanken bewusst wahrzunehmen und als solche an zunehmen, ohne sie zu bewerten
(Heidenreich, Michalak & Eifert, 2007). Der Artikel stellt den Ansatz und seine
Einsatzmöglichkeiten im Kontext Leistungssport vor. Dazu werden zunächst die Begriffe
definiert sowie der derzeitige Forschungsstand zu Wirkmechanismen und
differentialpsychologischen Aspekten abgebildet. Darauf aufbauend wird der Ansatz
wissenschaftlich bewertet. Anschließend wird die Vorgehensweise eines für den
Leistungssportkontext adaptierten Interventionsansatzes (des Mindfulness-Acceptance-
Commitment-Approaches nach Gardner und Moore, 2007) an einem Beispielfall illustriert.
Abschließend wird eine Wirksamkeitserwartung für achtsamkeits- und akzeptanzbasierte
Ansätze im Anwendungsfeld Leistungssport formuliert.
Schlüsselwörter: Achtsamkeit, Akzeptanz, Sportpsychologisches Training
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 3
Abstract
Mindfulness and acceptance describe the skill to experience emotions and thoughts (e.g.
performance-interfering cognitions) consciously and without judging them (Heidenreich,
Michalak & Eifert, 2007). This article introduces the mindfulness and acceptance approach and
its potential in the context of competitive sports. Definitions as well as research results related to
mechanisms of action and differential psychological aspects will be given. On this scientific
basis, the approach will be reviewed. Afterwards, the rationale and implementation of the
mindfulness-acceptance-commitment approach (Gardner & Moore, 2007), an approach adapted
for performance enhancement, will be illustrated. Finally, evidence from psychotherapy research
will be presented, and a recommendation for the use of mindfulness and acceptance in the
context of competitive sports is given.
keywords: mindfulness, acceptance, psychological skills training
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 4
Achtsamkeit und Akzeptanz.
Grundlagen und Perspektiven eines neuartigen Ansatzes sportpsychologischen Trainings
für den Leistungssport
Die Leistungsfähigkeit eines Athleten im Wettkampf hängt nicht nur von dessen
körperlich-athletischem Zustand ab, sondern ganz entscheidend auch von seiner Fähigkeit, mit
aktuellen Störungen umzugehen (Gardner & Moore, 2007; Weinberg & Gould, 2007). Eine
solche aktuelle Störung könnten beispielsweise sorgenvolle Gedanken sein, die den Athleten von
der eigentlichen sportlichen Aufgabe ablenken. Eine erfolgreiche Bewältigung solcher
leistungsbeeinträchtigenden Störungen ermöglicht Psychologisches Training (PT), das der
Entwicklung und Stärkung von psychischen Ressourcen dient und somit zur Optimierung der
allgemeinen Leistungsfähigkeit beiträgt (Beckmann & Elbe, 2008). Es existiert eine Vielzahl
unterschiedlicher Trainingsverfahren, die durch die Praxis im Leistungssport hoch nachgefragt
sind und die sich in der sportpsychologischen Betreuung von Athletinnen und Athleten als
nützlich erwiesen haben (z.B. Aktivierungsregulation, Konzentrations- oder Motivationstraining;
Stoll, Pfeffer & Alfermann, 2010).
Die explizite Auswahl der im jeweiligen Fall angewandten Trainingsverfahren basiert
meist auf dem Ausbildungshintergrund des betreuenden Sportpsychologen oder der
Sportpsychologin, fast alle „gängigen“, in der Sportpsychologie etablierten PT-Maßnahmen
(Stoll et al., 2010, Weinberg & Gould, 2007, z.B. Selbstgesprächsregulationstechniken oder
Entspannungstrainings) entstammen allerdings der verhaltenstherapeutischen Schule. Sie legen
den Schwerpunkt der Intervention auf eine direkte, aktive Veränderung von Gedanken und
Gefühlen (z.B. der Wettkampfangst einer Athletin oder eines Athleten) und lassen sich demnach
dem klassischen kognitiv-behavioralen Interventionsprogramm zuordnen (Heidenreich,
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 5
Michalak & Eifert, 2007). Eine Sportlerin würde zum Beispiel lernen, einen
Wettkampfangstzustand möglichst schon im Entstehen zu erkennen, sich diesem aktiv
zuzuwenden und ihn unter Einsatz gelernter Techniken direkt zu verändern. Frühe
Interventionen der Verhaltenstherapie (in Deutschland ca. seit den 60er-Jahren von Bedeutung)
basierten ausschließlich auf klassischen behavioristischen Lernmodellen wie klassischer und
operanter Konditionierung und waren damit durch einen Fokus allein auf das beobachtbare
Verhalten geprägt (z.B. Wolpe, 1958). Die darauf folgenden kognitiv-behavioralen
Interventionen (in Deutschland ca. ab den 80er-Jahren aufgegriffen) nehmen verstärkt auch die
Veränderung von verhaltensantezedenten und -nachfolgenden Kognitionen und Emotionen in
den Blick. Beiden liegt die oben bereits erwähnte Veränderungsorientierung zu Grunde. Für
aktuelle Interventionen (die teilweise auch als „dritte Welle“ der Verhaltenstherapie bezeichnet
werden, vgl. Heidenreich et al., 2007), die in Deutschland erst seit wenigen Jahren (etwa seit der
Jahrtausendwende) intensiver rezipiert werden, ist charakteristisch, dass Klienten zunächst
lernen sollen, ihr inneres Erleben (z.B. ihre Angst) nicht direkt zu verändern, sondern dieses als
Teil ihrer selbst zu akzeptieren. Schlussendlich steht natürlich auch bei solchen Therapieansätzen
die Veränderung dysfunktionalen Denkens und Erlebens im Vordergrund. Jedoch wird der Fokus
auf die Akzeptanz der eigenen Gedanken und Gefühle gelegt (z.B. „Vor einem wichtigen
Wettkampf wie diesem aufgeregt zu sein, ist völlig OK“). Die dementsprechende innere Haltung
(manchmal auch: Einstellung) soll dann indirekt eine Veränderung des Verhaltens bewirken
(Heidenreich et al., 2007).
Im Rahmen dieser dritten Welle der Verhaltenstherapie entstanden alternative
Betrachtungsweisen von dysfunktionalen kognitiv-affektiven Prozessen und darauf aufbauende
innovative Interventionstechniken (Gardner & Moore, 2006). In der klinisch-psychologischen
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 6
Forschung gewannen vor allem die Konzepte Achtsamkeit und Akzeptanz deutlich an Interesse
(Didonna, 2009). Der Unterschied zwischen klassisch kognitiv-behavioralen Interventionen und
achtsamkeits- und akzeptanzbasierten Verfahren liegt vor allem im Objekt der Veränderung: die
kognitive Verhaltenstherapie versucht, dysfunktionale Gedankeninhalte zu verändern,
achtsamkeitsbasierte Konzepte zielen demgegenüber darauf ab, die zu Grunde liegenden
kognitiven Prozesse zu verändern, so z.B. den Umgang mit dem Inhalt der subjektiven Erfahrung
(Roemer & Orsillo, 2003, vgl. auch Baer, 2003; Segal, Williams & Teasdale, 2002).
Sportpsychologische Beiträge zu Achtsamkeit und Akzeptanz existieren erst seit
kürzester Zeit und sind wahrscheinlich deshalb noch sehr selten in der Praxis anzutreffen
(Gardner & Moore, 2007). Unserer Einschätzung nach bietet das Konzept eine
erfolgversprechende, den bereits etablierten kognitiv-behavioralen PT-Ansatz nützlich
ergänzende Interventionsmöglichkeit. Das Ziel des vorliegenden Beitrags besteht darin, diesen
für die Praxis des Leistungssports genauso wie für viele Sportpsychologinnen und
Sportpsychologen noch neuartigen Ansatz genauer vorzustellen und sein Potenzial im
leistungssportlichen Kontext einzuordnen.
Achtsamkeit und Akzeptanz
Theoretische Grundlagen
Definition. Unter Achtsamkeit (engl. mindfulness) wird im hier vorliegenden Kontext
nicht die allgemeingebräuchliche Bedeutung des Wortes „bedacht“ oder „überlegt “ verstanden.
Vielmehr ist eine besondere Form der Aufmerksamkeitslenkung gemeint, bei der „der
augenblickliche Moment (...) bewusst und nicht wertend wahrgenommen wird“ (Heidenreich et
al., 2007, S. 478). Achtsamkeit wird von Kabat-Zinn (1990) als die absichtsvolle, nicht-wertende
und bewusste Wahrnehmung des aktuellen Moments definiert. Eine achtsame Haltung zeichnet
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 7
sich dadurch aus, dass Körperempfindungen, Gefühle und Gedanken in jedem Augenblick ganz
absichtlich und ganz bewusst wahrgenommen werden. Anschaulicher wird diese Definition,
wenn man achtsames Handeln als Gegensatz zum so genannten „Autopiloten-Modus“ (Kabat-
Zinn, 1990) betrachtet. Der Autopiloten-Modus beschreibt den Zustand, in dem man handelt, bei
Ausführung dieser Handlung gedanklich allerdings mit vergangenen oder zukünftigen
Ereignissen beschäftigt ist. Alltägliche sportliche Handlungen wie Aufwärmen oder Dehnen
werden oft nicht als bewusste Handlungen ausgeführt. Insbesondere Handlungsroutinen werden
nebenbei absolviert, vielleicht nur, um sie „abgehakt“ zu haben. Werden solche Handlungen
demgegenüber achtsam, also bewusst, absichtsvoll und nicht-wertend ausgeführt, werden sie
zum Selbstzweck: Man dehnt sich des Dehnens willen.
Akzeptanz (engl. acceptance) bezieht sich auf eine nicht-wertende Grundhaltung in der
Wahrnehmung der eigenen Emotionen und Gedanken. Es ist die Bereitschaft gemeint,
„Ereignisse und Erlebnisse ohne innerliche oder äußerliche Ablehnung oder Vermeidung
zuzulassen – so wie sie sind und als das, was sie sind – und sich dabei nicht in deren Bewertung
zu verstricken“ (Heidenreich et al., 2007, S. 478). Gedanken und Erlebnisse sollen bewusst nicht
als angenehm oder unangenehm bewertet, sondern so wahrgenommen werden, wie sie sind.
Grundlage dafür ist die Annahme, dass in Situationen, in denen Emotionen empfunden werden,
diese immer einen Zweck und daher auch ihre eigene Existenz-Berechtigung haben. Sie können
auf die persönliche Relevanz einer Situation hinweisen oder auch Gefahr signalisieren. Daraus
resultiert, dass Akzeptanz nach Heidenreich und Michalak (2009) als „eine Haltung zu verstehen
[ist], die Ereignisse oder Situationen aktiv und offen aufnimmt, im Gegensatz dazu, sie
vermeiden zu wollen“ (S. 15).
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 8
Die beiden Konzepte Achtsamkeit und Akzeptanz lassen sich nicht immer klar
voneinander abgrenzen: Hayes, Strosahl & Wilson (1999) gehen etwa davon aus, dass
Achtsamkeitsübungen einen zentralen Weg zum Erreichen von Akzeptanz darstellen. Die
Fähigkeiten, achtsam und akzeptierend zu sein, führen gemeinsam zu einer festen Verankerung
des Subjekts im Momenterleben und tragen zu einer selbstregulierten
Aufmerksamkeitsfokussierung bei. Verhaltensbeeinträchtigende Emotionen und Gedanken
werden bewusst – und soweit möglich ohne sie zu bewerten - wahrgenommen (Heidenreich et
al., 2007). Da Bewertungsprozesse jedoch sehr automatisiert ablaufen, ist in der Praxis zunächst
von großer Bedeutung, die ablaufenden Bewertungsprozesse achtsam wahrzunehmen.
Die Wurzeln des psychologischen Interventionsansatzes von Achtsamkeit und Akzeptanz
liegen in buddhistischen Traditionen und Werthaltungen (siehe z.B. Nhat Hanh, 2006). In
etablierten Therapieansätzen finden sich allerdings eine Reihe von Haltungen, die sich als
achtsamkeits- und akzeptanz-analog beschreiben lassen, z.B das Prinzip der gleichschwebenden
Aufmerksamkeit in der Psychoanalyse oder die Präsenz in der personzentrierten Psychotherapie
(vgl. Heidenreich & Michalak, 2009). Einige Autoren schlagen vor, Achtsamkeit als einen, wenn
nicht den, gemeinsamen Faktor zwischen allen Psychotherapieschulen zu benennen (Shapiro,
Carlson, Astin & Freedman, 2006). Die hier vorgestellten Konzepte und Interventionen sind
allerdings klar der verhaltenstherapeutischen Tradition zuzuordnen, da Achtsamkeit der
wissenschaftlichen Öffentlichkeit vor allem im Kontext verhaltenstherapeutischer Programme
zugänglich wurde. Darüber hinaus konnte die Psychotherapieforschung in den vergangenen
Jahren etliche empirische Befunde sowohl zu den zugrundeliegenden Wirkmechanismen als auch
zur Wirksamkeit beigetragen (vgl. Hofmann, Sawyer, Witt & Oh, 2010).
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 9
Wirkmechanismen. Von der grundsätzlichen Wirksamkeit achtsamkeitsbasierter
Interventionen darf angesichts vielfältiger wissenschaftlicher Untersuchungen ausgegangen
werden (Bohus & Huppertz, 2006). Die Forschung zu den zugrundeliegenden Wirkmechanismen
steht demgegenüber noch am Anfang (Baer, 2009). Bereits zur Mitte der vergangenen Dekade
wurde eindringlich gefordert entsprechende Forschung voranzutreiben. So haben Shapiro und
Kollegen (2006) mit dem „reperceiving modell“ ein erstes Modell zu Wirkmechanismen erstellt.
Reperceiving wird dabei beschrieben als ein metakognitiver Prozess, der Perspektivwechsel hin
zu einem sich selbst betrachtenden Blickwinkel fördert. Vier sekundäre Mechanismen führen
innerhalb des Modells direkt zur Veränderung von Verhalten und mediieren die positiven
Outcomes der achtsamkeitsbasierten Interventionen. Diese vier zugrundliegenden
Wirkmechanismen nennen sie (1) Selbstregulation (self-regulation), (2) Werteklärung (values
clarification), (3) Flexibilität von Kognitionen, Emotionen und Verhalten (cognitive, emotional,
and behavioral flexibility), und (4) Exposition (exposure). Diese Wirkmechanismen werden
durch neuere empirische Befunde belegt. Vor allem liegen Studien vor, die deren mediierende
Rolle illustrieren (z.B. Carmody, Baer, Lykins & Olendzki, 2009).
Selbstregulation und Werteklärung. Selbstregulation und Werteklärung sind zentrale
Aspekte des weiter unten vorgestellten Interventionsprogramms ACT (Acceptance-Commitment
Therapy) von Hayes, Strosahl & Wilson (1999). Hayes und Kollegen betonen die Bedeutung
einer Orientierung des Verhaltens an den eigenen Werten und Zielen einer Person. Personen
werden durch ihr eigenes Beobachten in die Lage versetzt, aus der Familie oder Gesellschaft
entstandene Werte in Frage zu stellen und herauszufinden, was für ihr eigenes Leben von
Bedeutung ist. Diese Klärung wiederum führt dazu, dass adaptive, zur Zielerreichung
notwendige Verhaltensweisen gezeigt und maladaptive, der Zielerreichung schädliche
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Verhaltensweisen, vermieden werden können. Auch dies ist aber wiederum nur möglich, wenn
die eigenen Vermeidungsstrategien und Verhaltensschemata vorher durch achtsame
Selbstfokussierung bewusst gemacht wurden.
Flexibilität von Kognitionen, Emotionen und Verhalten. Unter den kognitiven und
emotionalen Faktoren wird in der Literatur zu psychischen Erkrankungen besonders die
Rumination immer wieder als maladaptiver Faktor genannt (Watkins, 2008). Rumination steht in
starkem Zusammenhang zu negativen Emotionen (Mor & Winquist, 2002) und wirkt sich meist
negativ hinsichtlich einer Chronifizierung psychischer Erkrankungen aus. Ein achtsamer
Selbstfokus scheint einen positiven Einfluss im Sinne einer Verminderung ruminativer Gedanken
zu haben, weil die nicht-reaktive Beobachtung der Gedanken (nichtbewertend, ohne darauf
reagieren zu müssen), die repetitiven, analytischen Prozesse ruminativer Gedankengänge
verhindert (Baer, 2009). Daher profitieren Patienten mit psychischen und psychosomatischen
Erkrankungen, in denen Rumination eine verstärkende Rolle spielt (z.B. Depression, Borderline-
Störung, chronische Schmerzen), besonders von achtsamkeitsbasierten Interventionen (Kabat-
Zinn, 1990, Linehan & Dexter-Mazza, 2008).
Exposition. Die gängigen Publikationen zu achtsamkeitsbasierten Interventionen nennen
Exposition als einen der wichtigsten Wirkfaktoren und fordern ein aktives, bewusstes Sich-
Auseinandersetzen mit allen, besonders aber den negativen Emotionen (z.B. Kabat-Zinn, 1990).
Nur wenn die Teilnehmenden lernen, ihre eigenen negativen Emotionen und Gedanken nicht-
wertend wahrzunehmen und sich ihnen bewusst auszusetzen, ohne sie zu vermeiden oder zu
unterdrücken, führt dies langfristig zu Desensibilisierung und somit zu einer Reduktion von
emotionaler Reaktivität und Vermeidungsverhaltensweisen (Baer, 2009; Bohus & Huppertz,
2006; Shapiro et al., 2006).
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Insgesamt betrachtet, steht die wissenschaftliche Forschung zu den Wirkmechanismen
noch am Anfang, in den letzten Jahren wurden jedoch zunehmend methodisch anspruchvolle
Studien publiziert.
Differentialpsychologische Aspekte. Die differentielle Psychologie untersucht seit
einiger Zeit Achtsamkeit als Persönlichkeitsmerkmal („dispositional mindfulness“): Achtsamkeit
wird dabei als relativ stabile Disposition konzipiert, die mittels psychometrischer Verfahren
erhoben werden kann. Die bisher vorlegten Skalen (z. B. die Mindful Attention Awareness
Scale, MAAS; Brown & Ryan, 2003; und das Kentucky Inventory of Mindfulness Skills, KIMS;
Baer, Smith & Allen, 2004) weisen gute Kennwerte für Reliabilität und Validität auf.
In verschiedenen Studien konnten positive Korrelationen von Achtsamkeit und
Wohlbefinden sowie Lebenszufriedenheit aufgezeigt werden (z. B. Brown & Ryan, 2003).
Außerdem liegen substanzielle Korrelationen mit den „Big Five“ Persönlichkeitseigenschaften
vor (vgl.Meta-Analyse von Giluk, 2009): Es zeigte sich über alle Studien hinweg ein
substanzieller negativer Zusammenhang zum Faktor Neurotizismus (r=.-45). Stärker als erwartet
fällt der positive Zusammenhang zwischen Achtsamkeit und dem Faktor Gewissenhaftigkeit aus
(r=.32). Sowohl achtsame als auch gewissenhafte Personen verfügen über ein hohes Maß an
Selbstdisziplin und Selbstregulationsfähigkeit. Des Weiteren wurde über verschiedene
Untersuchungen hinweg ein moderater Zusammenhang mit dem Faktor Verträglichkeit gefunden
(r=.22). Zusammenfassend liegen zwar gemeinsame Varianzanteile mit den „Big Five“ vor, die
jedoch numerisch nicht so hoch liegen, dass dispositionelle Achtsamkeit lediglich als eine
Facette der bekannten Merkmale gelten kann.
Achtsamkeits- und akzeptanzbasierte Verfahren in der Klinischen Psychologie
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 12
Im Rahmen neurer Entwicklungen der Verhaltenstherapie wurden bereits einige
Interventionsprogramme vorgestellt. Im Folgenden werden die zwei wichtigsten, mit Blick auf
die Ergebnisse aus korrespondierenden Effektstudien, kurz zusammengefasst (siehe auch
Michalak, Heidenreich & Bohus, 2006).
Mindfulness-based Stress Reduction (MBSR). Das von Jon Kabat-Zinn in den 70er
Jahren entwickelte MBSR (vgl. Kabat-Zinn, 1990, für eine ausführliche Darstellung) ist eines
der durch die Psychotherapieforschung am sorgfältigsten untersuchten achtsamkeits- und
akzeptanzbasierten Interventionsverfahren. Es handelt sich dabei um ein störungsunspezifisch
einsetzbares achtwöchiges Programm zur Stressreduktion. Das Ziel des MBSR-Trainings besteht
darin, Achtsamkeit einerseits durch konkrete Techniken situationsspezifisch zu erlernen,
andererseits das Gelernte aber immer gleich auch auf das Alltagsleben zu übertragen. Während
aller Übungen soll ein mögliches gedankliches Abschweifen bewusst wahrgenommen werden
und die Gedanken sollen nicht-wertend in den aktuellen Moment zurückgeführt werden.
Die Effektivität des MBSR-Trainings ließ sich vielfach sowohl für Stichproben aus der
Normalbevölkerung als auch störungsspezifisch für eine ganze Reihe psychischer Störungen
nachweisen (für einen Überblick siehe Baer, 2003; Bishop, 2002; Grossman, Niemann, Schmidt
& Walach, 2009; Hofmann et al., 2010). Meta-Analysen führten zu Effektstärkeschätzungen
zwischen d = 0.15 und d = 1.65 (Baer, 2003) oder d = 0.50 und d = 0.56 (Grossman et al., 2009)
und belegen die positiven Auswirkungen des MBSR-Trainings auf das körperliche und
psychische Wohlbefinden sowie besonders für den Umgang mit Stress.
Acceptance and Commitment Therapy (ACT). Der akzeptanzbasierte Ansatz der
Acceptance and Commitment Therapy (ACT) von Hayes et al. (1999) hat zum einen die
Vermittlung einer achtsamen und akzeptierenden Haltung zum Ziel, zum anderen sollen sich
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 13
Klienten über ihre persönlichen Werthaltung bewusst werden und diese aktiv in ihr alltägliches
Handeln übernehmen (commitment). ACT basiert auf der Relational Frame Theory (Hayes,
2004b): diese nimmt an, dass abstrakte innere Regelsysteme (z.B. „Angst ist unangenehm und
deshalb sollte man keine Angst haben“) zu rigidem Verhalten führen, das fast immer
vermeidende Züge trägt. Auf diese Weise werden unangenehme Erfahrungen und Emotionen
unterdrückt oder mühsam zu kontrollieren versucht, was psychischer Erkrankung Vorschub
leistet (Heidenreich et al., 2007). ACT schult die Akzeptanz von negativen Emotionen und trägt
so zu einer Reduzierung der damit einhergehenden Symptome bei. Die Bewusstwerdung der
persönlichen Wertvorstellungen und deren aktive Umsetzung in werteorientiertes Verhalten,
befähigt Klienten, die eigenen Lebenswege konsequenter zu verfolgen. Die Wirksamkeit dieses
Ansatzes ist ebenso in mehreren Studien empirisch nachgewiesen (zum Überblick siehe Hayes,
2004a). In kontrollierten Effektstudien erreicht das Programm Effektstärken zwischen d = 0.48
und d = 0.83 (siehe Michalak et al., 2006).
Wissenschaftliche Bewertung von achtsamkeitsbasierten Interventionen
Ingesamt lässt sich die Ergebnislage zur Evidenz achtsamkeits- und akzeptanzbasierter
Interventionen im klinischen Anwendungsfeld als zufriedenstellend bezeichnen. Das
wissenschaftliche Interesse an dem Thema hat spätestens seit ungefähr dem Jahr 2000 stark
zugenommen und die Anzahl wissenschaftlicher Publikationen wächst exponentiell (Didonna,
2009). In der Bewertung von psychologischen Interventionen erfüllen einige der
achtsamkeitsbasierten Interventionen die Kriterien von „gut-etablierten Interventionen“
(Chambless & Ollendick, 2001). Die Interventionen können daher als für bestimmte klinische
Patientengruppen wirksam klassifiziert werden. Aber die aktuelle Forschungslage besteht nicht
nur aus Interventionsstudien, die die Wirksamkeit belegen, vielmehr hat besonders in den letzten
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 14
Jahren auch grundlagenwissenschaftliche Forschung zu Wirkmechanismen, differentiellen
Unterschieden und Vergleichen zu anderen Interventionen (z.B. Hofmann, Heering, Sawyer &
Asnaani, 2009) stark zugenommen. Da die Interventionen aber nicht die psychischen
Erkrankungen an sich, sondern zugrundeliegende emotionale und kognitive Funktionsweisen
verbessern (z.B. Rumination, Emotionsregulation, Aufmerksamkeitsregulation), ist es
wahrscheinlich, dass besonders auch subklinische Stichproben vom Einsatz
achtsamkeitsbasierter Interventionen profitieren können. Daher erfolgte in den letzten Jahren die
Übertragung der Interventionen in viele verschiedene Kontexte. Besonders Schul- und
Arbeitspsychologen haben die vorteilhaften Effekte im Zusammenhang mit Konzentrations- und
Leistungsfähigkeit untersucht und empfehlen den Einsatz von achtsamkeitsbasierten
Interventionen in ihren Anwendungsbereichen (z.B. Franco, Mañas, Cangas & Gallego, 2011).
Auch im Kontext sportlicher (Höchst-) Leistung spielen Faktoren wie Aufmerksamkeits- und
Emotionsregulation eine entscheidende Rolle. Der Einsatz achtsamkeitsbasierter Interventionen
könnte hier eine sinnvolle und nützliche Ergänzung im bereits etablierten Repertoire der
Sportpsychologie bieten. Eine Adaptation auf den sportpsychologischen Kontext, mit
einhergehender wissenschaftlicher Überprüfung, erscheint daher überfällig.
Neben den genannten Chancen, die mit einer Implementierung achtsamkeitsbasierter
Interventionen verbunden sind, lassen sich allerdings auch Grenzen benennen: Die in Meta-
Analysen berichteten Effekte sind zwar substanziell (vgl. oben sowie z. B. Hofmann et al.,
2010), in einzelnen Störungsbereichen (z. B. soziale Ängste) lassen sich jedoch mit anderen
Interventionen höhere Effektstärken erzielen (vgl. z. B. Stangier, Heidenreich & Peitz, 2009).
Darüber hinaus dürften achtsamkeitsbasierte Ansätze nicht alle Patienten, Klienten und Sportler
in gleichem Maße ansprechen (vgl. Bishop, 2002): Während sich manche Menschen stark durch
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 15
die entsprechenden Ansätze angesprochen fühlen, stellen diese für andere eher irritierende
Phänomene dar. Auch ist davon auszugehen, dass die Anwendung achtsamkeitsbasierter
Interventionen bei Menschen mit einzelnen Störungen (z. B. Psychosegefährdung)
kontraindiziert ist.
Achtsamkeits- und akzeptanzbasiertes Arbeiten in der Sportpsychologie
Im Folgenden wird eine Adaptation entsprechender Interventionen für den Kontext
Leistungssport vorgestellt. Dazu stellen wir einen Beispielfall voran, an dem das Vorgehen im
sportpsychologischen achtsamkeitsbasierten Interventionsprogramm kurz illustriert werden kann.
Tabelle 1
Der in Tabelle 1 beschriebene Beispielfall beleuchtet die Situation einer Tennisspielerin,
die über Symptome von Wettkampfangst berichtet. Unter Wettkampfangst wird eine aktuelle
emotionale Reaktion auf eine bedrohliche oder als bedrohlich empfundene Wettkampfsituation
verstanden, die in eine somatische Komponente und eine kognitive Komponente unterschieden
werden kann (vgl. Ehrlenspiel, Graf, Kühn & Brand, 2011). Während die somatische
Komponente das aktuell wahrgenommene Ausmaß physiologischer Erregung von Athleten
abbildet, verweist die kognitive Komponente auf die Intensität von aktuell erlebten Sorgen und
Selbstzweifeln. Die Äußerungen der Tennisspielerin lassen vermuten, dass der begleitende
Sportpsychologe (z.B. mit Hilfe des Wettkampf-Angst-Inventars, WAI; Brand, Ehrlenspiel &
Graf, 2009) eine erhöhte Beanspruchung in beiden Wettkampfangstkomponenten diagnostizieren
und daraus ableiten könnte, dass zumindest in einem ersten Zugriff sportpsychologische
Trainingsverfahren zur Aktivationsregulation zu nutzen wären. Nach klassischem kognitiv-
behavioralen Vorgehen würde versucht solche Gedanken und Gefühle direkt zu verändern.
Beispielweise könnten Entspannungsverfahren (z.B. Atemregulation) und Selbstinstruktionen
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 16
(z.B. „Konzentriere dich jetzt auf deinen Aufschlag“) trainiert werden, um die negativen Gefühle
und Gedanken gar nicht erst aufkommen zu lassen oder im auftretenden Moment zu verändern.
Im achtsamkeitsbasierten Ansatz wird demgegenüber trainiert, diese Gedanken, Gefühle und
Körperempfindungen zunächst ohne Vorbehalt anzunehmen. Es wird angenommen, dass eine
dementsprechend akzeptierende Grundhaltung eine wichtige Voraussetzung für den Umgang mit
Störungen während des Wettkampfs ist.
Der Mindfulness-Acceptance-Commitment Approach (MAC)
Mit dem Mindfulness-Acceptance-Commitment Approach (MAC) existiert seit kurzem
ein speziell für Sportlerinnen und Sportler entwickeltes achtsamkeitsbasiertes
Interventionsprogramm (Gardner & Moore, 2007). MAC integriert die oben skizzierten
Konzepte aus MBSR und ACT. Es wird davon ausgegangen, dass die Leistungsfähigkeit der im
Beispiel beschriebenen Tennisspielerin davon abhängt, inwieweit es ihr gelingt,
1. unangenehme internale Zustände (Gedanken, Gefühle) als natürlich vorkommend zu
akzeptieren,
2. trotz dieser Zustände an den sportlichen Momentzielen festzuhalten,
3. und insbesondere den Aufmerksamkeitsfokus im aktuellen Momenterleben zu halten.
Entscheidend ist dabei nicht die An- oder Abwesenheit negativer Empfindungen und
Kognitionen, sondern das Ausmaß, in welchem sie bereit ist, diese nicht wertend zu akzeptieren.
Unsere Tennisspielerin würde durch MAC dazu angeleitet, ihre Aufgeregtheit als
Selbstverständlichkeit zu nehmen, die nichts mit ihren eigentlichen Werten (z.B. erfolgreich
Tennis zu spielen) und den aktuell im Vordergrund stehenden Aufgabenzielen (sich auf den
Return vorbereiten) zu tun hat.
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 17
Von besonderer Bedeutung ist es zu erkennen, dass es im MAC-Ansatz explizit nicht
darum geht, einen internalen Aufmerksamkeitsfokus während der sportlichen Aufgabe
herzustellen, denn eine Reihe bewegungswissenschaftlicher Studien zeigt, dass dies mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu Leistungseinbußen führt (z.B. Wulf, 2007). Vielmehr wird eingeübt, die
internalen Vorgänge und Empfindungen (gemeint sind hier besonders Emotionen und Gedanken,
weniger Bewegungsempfindungen) überhaupt erst wahrzunehmen, sie dann zu akzeptieren, und
dann den Aufmerksamkeitsfokus gezielt und aktiv wieder auf die relevanten externalen Reize zu
lenken. Ziel ist die Herstellung eines aufgabenorientierten Aufmerksamkeitsfokus (Gardner &
Moore, 2007). Unsere Tennisspielerin würde deshalb durch Achtsamkeitsübungen zunächst
einmal lernen müssen wahrzunehmen, wann ihre Aufmerksamkeit nicht mehr auf der Aufgabe
ausgerichtet ist, sondern mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt ist. Erst wenn sie das Abdriften
ihrer Aufmerksamkeit bemerkt hat, ist sie in der Lage, sie bewusst wieder auf die Aufgabe zu
lenken.
Das MAC-Interventionsprogramm besteht aus sieben Modulen. Besonders wenn mit
Einzelpersonen (und nicht in Gruppenkontakten) gearbeitet wird, können und sollten bei Bedarf
die Module über mehrere Termine hinweg bearbeitet werden. Im Rahmen eines Projekts des
Bundesinstituts für Sportwissenschaft (Fördernummer IIA1-071001/09-10) wurde das bislang
nur englischsprachig publizierte MAC-Interventionsprogramm spezifiziert und deutschsprachig
manualisiert (Tabelle 2).
Tabelle 2
Im MAC-Interventionsprogramm wird der Tennisspielerin zunächst der Zusammenhang
zwischen Leistungsversagen und dysfunktionalen Emotionen und Kognitionen (im Idealfall
durch die Rekonstruktion und Reflektion eigener Erfahrungen) verdeutlicht. Unserer
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 18
Tennisspielerin würde klar werden, dass nicht ihre Aufgeregtheit an sich die Leistungsfähigkeit
beeinträchtigt, sondern die Tatsache, dass sie sich von ihren Gedanken von der Aufgabe
ablenken lässt. Darauf aufbauend werden Techniken zur Entwicklung einer achtsamen Haltung
in Situationen des Sports und alltäglichen Lebenszusammenhängen vermittelt. Über diverse
Achtsamkeitsübungen (z.B. Zentrierungsübungen) wird die achtsame Haltung im Training und
im Alltag eingeübt. Dazu zählen einerseits meditative Übungen, andererseits wird ganz bewusst
das achtsame Ausführen einfacher sportlicher Handlungen erarbeitet. Begonnen wird hierbei mit
einfachen Übungen, etwa achtsamem Dehnen.
Neben den Achtsamkeitsübungen werden akzeptanzfördernde Techniken eingeübt und
trainiert. Zu diesen zählt insbesondere das Erarbeiten einer Haltung, die kognitive Defusion
erlaubt (Hayes et al., 1999). Kognitive Defusion bedeutet, dass Gedanken nicht mehr als
handlungsleitende Realität, sondern eben nur noch als Gedankeninhalte wahrgenommen werden
sollen. Ziel ist es, die Bedeutung der Gedanken für die eigene Handlung zu relativieren. Der
Gedanke (!) unserer Tennisspielerin „Ich kann jetzt nicht vernünftig aufschlagen“ muss nicht
stimmen. Denn in vielen Situationen sind solche Gedanken lediglich etwas, das „das Gehirn dem
Sportler erzählt“. Der Tennisspielerin wird in diesem Kontext beigebracht, dass ihre Gedanken,
die um den weiteren Verlauf des Spieles kreisen, keine handlungsleitende Funktion haben
müssen. Denn Gedanken wie beispielsweise „Wenn ich das Spiel nicht mehr in den Griff
bekomme, werde ich verlieren, und dann steht meine Karriere auf dem Spiel“ haben erstmal
keine Bedeutung für den aktuellen Moment. Sie sind auf die Zukunft gerichtet und zur Lösung
der augenblicklichen Aufgabe irrelevant.
Besonderer Schwerpunkt wird im weiteren Vorgehen auf das Erarbeiten der
Wertvorstellungen und Leistungswerte der Tennisspielerin gelegt, um vermeidendes,
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 19
emotionsgeleitetes Verhalten zu erkennen und entgegengesetztes, von Werten geleitetes
Verhalten zu verstärken. Unsere Tennisspielerin sagt ein wichtiges Match ab (Vermeidung der
angstbesetzten Situation), weil dieses Frustrationspotenzial birgt und schon der Gedanke an eine
Niederlage Angst auslöst. Diese negative Emotion wird vermieden. Hierbei handelt es sich
selbstverständlich um ein Extrembeispiel, oftmals setzen Sportler und Sportlerinnen viel
subtilere Formen von Vermeidungsverhalten ein: Sie trainieren beispielsweise nur bereits präzise
beherrschte Techniken, die Ihnen Spaß bereiten, anstatt derjenigen, deren saubere Ausführung
sie sich erst mühsam erarbeiten müssen. So wird dann zwar eine Emotion (z.B. Angst,
Frustration) vermieden, allerdings kommt die Tennisspielerin ihrem wertbesetzten Ziel, z.B.
stetig entwicklungsbereit bleiben zu wollen, aber nicht näher. Mit der Tennisspielerin könnte
zum Beispiel erarbeitet werden, welche Werte Ihrem sportlichen Engagement zugrunde liegen
(z.B. „Ich möchte eine ehrgeizige, leistungsbereite und erfolgshungrige Sportlerin sein“). Es
wird alltagsnah besprochen, welches Verhalten die Athletin zeigen muss, welche Hindernisse sie
überwinden muss, und wie sie ihr bisheriges Vermeidungsverhalten (z.B. die Absage des
wichtigen Matches) abstellen kann, um ihre Werte leben zu können. Insgesamt soll das
mehrwöchige MAC-Training zu einem tieferen Verständnis der Zusammenhänge zwischen der
aktiven Entscheidung zu wertegeleiteten Verhalten und sportlicher Leistungsfähigkeit führen.
Schließlich geht es noch darum, neu gelernte Verhaltensweisen zu stabilisieren und zu
habitualisieren. Der Fortschritt der Tennisspielerin wird mittels eines Achtsamkeits-
„Trainingsplans“ festgehalten und langfristig in ihren Trainings- und Lebensalltag integriert. Es
würde erarbeitet, welche Achtsamkeitsübungen sie in welchen Situationen praktizieren kann
(z.B. Zentrierungsübung im Bus auf dem Weg zum Training, Atemübung abends im Bett) und
welche sportartspezifischen Achtsamkeitsübungen sie in ihren Trainingsalltag integrieren kann
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 20
(z.B. achtsames Dehnen). Beides würde in einem möglichst exakten Übungsplan (Übungszeiten,
Übungshäufigkeit) festgehalten.
Zur Wirksamkeit des MAC-Interventionsprogrammes im Kontext Leistungssport liegen
derzeit noch keine ausreichenden empirischen Belege vor. International liegen nur wenige
Studien minderer methodischer Qualität und einige Einzelfallbeschreibungen vor (vgl. Gardner
& Moore, 2006).
Diskussion
Zu sportpsychologischen achtsamkeits- und akzeptanzbasierten Verfahren, speziell auch
zum hier kurz skizzierten MAC-Ansatz, liegen aussagekräftige empirische Effektstudien noch
nicht vor. Jedoch legen Fallgeschichten und vor allem eine breite bestätigende empirische
Befundlage aus der nicht-sportbezogenen Psychotherapieforschung den Schluss nahe, dass
achtsamkeits- und akzeptanzbasierte Interventionen auch im Leistungssportkontext (besonders
im Bereich der Wettkampfangst) erfolgversprechend sein könnten.
Zur fairen Bewertung des Ansatzes gilt es vor allem das Missverständnis zu vermeiden,
dass es sich hier sich um einen im Vergleich zu den etablierten Herangehensweise besseren
Ansatz handele. Es ist lediglich so, dass sich die verhaltenstherapeutischen Herangehensweisen
zwischen achtsamkeits- und akzeptanzbasierten und gängigen sportpsychologischen Ansätzen
wesentlich unterscheiden. Kurz zusammengefasst bestehen diese wesentlichen Unterschiede
darin, dass achtsamkeitsbasiertes Training kognitive Prozesse an sich zu beeinflussen versucht
(so z.B. die Haltung und den Umgang mit dem Inhalt subjektiver Erfahrungen). Demgegenüber
zielen die meisten der in der Sportpsychologie bereits etablierten PT-Interventionsansätze auf die
Veränderung dysfunktionaler Gedankeninhalte ab (Roemer & Orsillo, 2003). Dieser
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 21
Wesensunterschied könnte für manche Athletinnen und Athleten „eingängigere“
Argumentationen und damit einen effektiveren Ansatzpunkt zur Weiterentwicklung bieten.
Natürlich sind diesem Ansatz auch in der sportpsychologischen Betreuung Grenzen
gesetzt. So bedingen Achtsamkeit und Akzeptanz eine deutliche Aufgabenfokussierung, die
inkompatibel zu bestimmten anderen Zielsetzungen sportpsychologischen Trainierens sein kann.
Zum Beispiel basiert mentales (oder besser: idiomotorisches) Training auf dem bewussten
Einsatz von Vorstellungstechniken. Hier wird der aktuelle Moment absichtlich verlassen, um
zukünftige Aufgaben zu antizipieren und mental vorzubereiten. Und auch in
Teambildungsprozessen spielen ganz andere Faktoren, zum Beispiel interpersonale Konflikte
eine entscheidende Rolle, die mit den oben erläuterten Wirkweisen von Achtsamkeit und
Akzeptanz nicht beeinflussbar sind. Hier muss auf andere sportpsychologische Techniken
zurückgegriffen werden.
Des Weiteren ist auch noch nicht geklärt, ob besonders die achtsamkeitsbasierten
Interventionen in besonderen Fällen auch zu Leistungsminderungen führen könnten. Eine
Problematik könnte zum Beispiel in der „falschen“ Anwendung der Achtsamkeit im
sportbezogenen Kontexten liegen: Im MAC-Protokoll ist der Einsatz der Achtsamkeit auf das
Ziel ausgerichtet, den Zeitpunkt des automatisches Wechseln von einer Aufgabenorientierung in
den Zustand der Selbstfokussierung bewusst zu bemerken. Nur wenn dieser Moment bewusst
erlebt wird, gelingt es dem Athleten seine Aufmerksamkeit schnellstmöglich wieder zur
eigentlichen Aufgabe zurückzuführen. Athleten könnten die Rolle von Achtsamkeit in diesem
Prozess missverstehen und sie so einsetzen, dass sie über die Maßen (und zu lange)
selbstfokussiert bleiben. Dies könnte sich im Sinne eines dann entstehenden internalen
Aufmerksamkeitsfokus leistungseinschränkend auswirken (siehe oben).
Running head: ACHTSAMKEIT UND AKZEPTANZ IN DER SPORTPSYCHOLOGIE 22
Zwar versuchte bereits Jon Kabat-Zinn die Anwendung von Achtsamkeit und Akzeptanz
im Leistungssport in den 80er Jahren voranzutreiben (er arbeitete mit der amerikanischen
olympischen Rudermannschaft, allerdings ohne die Resultate zu publizieren), jedoch waren
Gardner und Moore (2006) nun die ersten publizierenden Wissenschaftsakteure, die den Einsatz
des Ansatzes im Sport für längst überfällig halten. Sie formulieren die Tatsache, dass
Achtsamkeit und Akzeptanz in der Sportpsychologie bisher kaum eine Rolle spielen,
ausgesprochen drastisch:
„It appears that the field of sport psychology simply not noticed the recent advances in
behavioral psychology [...] . The literature in applied sport psychology has remained
largely fixed on the early second-wave skills-based conceptualizations of human
performance and its dysfunction; performance enhancement interventions have gone
practically unchanged“ (p. 8).
Eine Adaptation von sportpsychologischen Interventionen hin zu Ansätzen aus der dritten
Welle der Verhaltenstherapie steht somit im amerikanischen, besonders im deutschsprachigen
Raum noch aus. Für Problemstellungen im Bereich des besseren Umgangs mit Drucksituationen,
dysfunktionalen Gedanken oder der als belastend empfunden Wahrnehmung von Emotionen
scheint besonders die MAC-Intervention (Gardner & Moore, 2007) eine erfolgversprechende
Alternative zu sein. Sie stellt auf jeden Fall eine Intervention dar, die das Repertoire der
sportpsychologischen Experten erweitern könnte.
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Anmerkungen
Dieses Projekt wurde mit Forschungsmitteln des Bundesinstituts für Sportwissenschaft gefördert
(Fördernummer IIA1-071001/09-10).
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Tabelle 1
Beispielfall
Wettkampfangst einer Tennisspielerin
Eine Tennisspielerin tritt mit der folgenden Problembeschreibung an ihren Sportpsychologen
heran: Immer wieder habe sie zuletzt die Erfahrung gemacht, dass es ihr in wichtigen Matches
nicht mehr gut gelinge ruhig zu bleiben. Sie sitze beim Seitenwechsel auf ihrer Bank und merke
wie ihre Hände zu zittern und ihr Herz zu rasen beginne. Sie beschäftige sich in solchen
Situationen dann auch kaum mehr mit der Vorbereitung auf das nächste Aufschlagspiel, ihre
Gedanken würden vielmehr ständig um die Frage kreisen, was wohl passieren würde, wenn sie
das Spiel nicht schnell wieder in den Griff bekomme. Sie mache sich in diesen Situationen
Gedanken um ihre möglicherweise scheiternde Karriere und die damit einhergehende
Enttäuschung des Trainers und der Eltern. Manchmal ginge das so weit, dass sie vor Aufregung
an der Grundlinie kaum noch den Schläger ruhig halten könne und entsprechend schlecht spiele.
Außerdem schlafe sie vor wichtigen Matches nur schlecht, weil sie sich sehr starke Sorgen um
das Spiel und ihre Zukunft mache. Diese Angst habe schon dazu geführt, dass sie ein wichtiges
Match abgesagt habe, weil sie sich nicht in der Lage sah, mit der Aufgeregtheit umzugehen. Sie
versuche, diese Aufregung mit den Methoden „in den Griff zu kriegen“, die sie bisher von ihrem
Trainer gelernt habe, dies sei aber bisher erfolglos. Daher suche sie jetzt sportpsychologische
Betreuung.
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Tabelle 2
Modulbeschreibungen der MAC-Intervention
Modulbezeichnung Inhalte
1 Psychoedukation Vermittlung des theoretischen Grundprinzips (inkl.
Kopplung an Erfahrungen der Teilnehmenden)
2 Achtsamkeit und Kognitive Defusion Einführung in Achtsamkeit
Einführung in das Konzept der kognitiven Defusion
(Entkopplung von Gedanken als handlungsweisende
innere Befehle)
3 Werte und wertegeleitetes Verhalten Erarbeitung der (Leistungs-)Werte der Athleten
Unterscheidung von emotions- vs. wertegeleitetem
Verhalten
4 Akzeptanz Zusammenhang zwischen Vermeidung und
emotionsgeleitetem Verhalten
Darstellung von Akzeptanz als Alternative zu
vermeidendem Verhalten
5 Commitment Erweiterung von wertegeleitetem Verhalten
(Commitment zu eigenen Werten und Zielen)
6 Konsolidierung von Achtsamkeit,
Akzeptanz und Commitment
Zusammenhänge der verschiedenen Konzepte
werden endgültig hergestellt
7 Aufrechterhaltung von Achtsamkeit,
Akzeptanz und Commitment
Erarbeitung eines „Trainingsplans“