Wie viel Wasser enthält gebrannter Gips?

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Festk�rperchemieDOI: 10.1002/ange.200900726

Wie viel Wasser enth�lt gebrannter Gips?**Horst Weiss und Michael F. Br�u*

Schon in der Antike wurde Gips als Baumaterial verwendet.Bis heute findet er Anwendung als Bindemittel in Putz, Est-rich, Spachtelmassen und vielen weiteren Produkten. MitGips bezeichnet man CaSO4·2 H2O, das in der Bauchemiemeist Dihydrat genannt wird. In verschiedenen Brennver-fahren wird CaSO4·2 H2O �ber 100 8C erhitzt, wobei es einenTeil des Kristallwassers abgibt und gebrannter Gips, so ge-nanntes Halbhydrat CaSO4·0.5 H2O, entsteht. Als seltenesMineral Bassanit kommt Halbhydrat nat�rlich vor.[1] Auch inder belebten Natur findet es sich. So nutzen z.B. Tiefsee-quallen einzelne Kristalle zur Orientierung.[2] Brennt manGips bei h�heren Temperaturen, so entsteht totgebrannterGips, der unter dem Namen Anhydrit bekannt ist. In derNatur finden sich sowohl Gips als auch Anhydrit in großenLagerst�tten, die industriell abgebaut werden.[3] Die meistengroßtechnischen Produkte werden pauschal als Gips be-zeichnet, wobei es sich aber meist um Halbhydrat handelt.Halbhydrat ist diejenige anorganische Verbindung, die welt-weit in der gr�ßten Menge hergestellt wird, daher sind dieStruktur und der Wassergehalt von enormem wirtschaftli-chem, aber auch wissenschaftlichem Interesse.[4]

Zur Symmetrie und Struktur des Halbhydrats gibt es eineVielzahl von Publikationen und Datenbankeintr�gen. Dieersten Beitr�ge zur Struktur des Halbhydrats lieferte Galli-telli 1933,[5] der anhand von Weissenberg-Aufnahmen das bisheute g�ltige Strukturmodell vorschlug. Er erkannte richtig,dass die trigonale Symmetrie nur wenig durchbrochen ist undkam so zu P3121 als Raumgruppe. In der Folge besch�ftigtesich eine Reihe von Publikationen mit der Symmetrie desHalbhydrats. Einen �berblick gibt Tabelle 1.

Die Grundstruktur des CaSO4 wird in allen Modellen gutwiedergegeben. Diskussionen werden aber bis heute gef�hrt,ob und wie die Wassermolek�le in der Struktur ausordnen.W�hrend die Strukturanalysen mittels Rietveld-Verfeinerungan pulverf�rmigen Proben gute Strukturmodelle liefern, be-reiten die Einkristallstrukturanalysen wegen der hexagonalenPseudosymmetrie Schwierigkeiten. In den teilbesetztenStrukturmodellen m�ssen f�r die Besetzung der Wassermo-lek�le freie Parameter verfeinert werden, die auf Anteile von

Kristallwasser > 0.5 pro Summenformel schließen lassenk�nnen. Ein experimenteller Beweis, dass in die Strukturtats�chlich mehr als 0.5Wasser pro Formeleinheit aufge-nommen werden, konnte bisher nicht erbracht werden.

Aus einem technischen Prozess zur Herstellung vonHalbhydrat konnten mehrere gut ausgebildete Kristalle ent-nommen werden. Deren Messungen an einem Einkristall-Bildplattendiffraktometer zeigen �hnliche Reflexmuster,sodass die im Folgenden beschriebene Symmetrie systema-tisch ist.

Bei der Betrachtung des aus einer Einkristallmessungrekonstruierten reziproken Raumes erkennt man die pseu-dohexagonale Symmetrie (Abbildung 1). Eine Indizierunggelingt zun�chst mit einer hexagonalen Zelle a = b = 6.9 �,c = 12.6 �, mit der etwa 50% der beobachteten Reflexe er-fasst werden. Alle Reflexe lassen sich mit einer in a und bverdoppelten hexagonalen Zelle indizieren. Abbildung 1zeigt einen Schnitt durch den reziproken Raum, in dem dieVektoren der beiden hexagonalen Zellen eingezeichnet sind.Deutlich erkennt man die ungew�hnlichen Ausl�schungen,die mit keiner Raumgruppe zu vereinbaren sind. Wie bereitsfr�her berichtet, l�sst sich der reziproke Raum mit dreipseudoorthorhombischen Zellen a = 12.0 �, b = 6.9 �, c =

12.6 �, a = b = g = 908 indizieren,[12] deren Vektoren in Ab-bildung 1 dargestellt sind. Diese Aufstellung erf�llt nur mo-nokline Symmetrie, und die richtige Raumgruppe, in der sichdie Struktur verfeinern l�sst, ist I2. In dieser Arbeit wurde dieStruktur in der Standardaufstellung C2 mit a = 17.559(3) �,b = 6.9619(7) �, c = 12.071(2) �, b = 133.56(1)8 verfeinert.

Tabelle 1: Literatur�bersicht der bisher publizierten Strukturvorschl�ge.Angegeben sind jeweils der Anteil an Wasser, der in der Publikation be-schrieben wurde, bezogen auf die Summenformel CaSO4·x H2O (H2O), dieZellkonstanten, Raumgruppe (RG), Jahr und Literatur.

H2O a [�] b [�] c [�] b [8] RG Jahr Lit.

0.5 6.84 = a 12.72 P3121 1933 [5]0.5 6.82 = a 6.24 P3̄m1 1936 [6]0 6.99 = a 6.34 P6222 1952 [7]0.5 6.85 11.88 12.60 �90 I2 1965 [8]0.67 12.028 6.927 12.674 90.21 I2 1982 [9]0.5 6.977 = a 12.617 P3112 1982 [10]0.52 13.865(1) = a 12.718(2) hex. 1982 [11]0.48 12.061(2) 6.933(1) 12.670(2) orth. 1982 [11]0.8 6.968(8) = a 6.410(4) P3121 1982 [12]0 6.9694(8) = a 6.3033(4) P6222 1984 [13]0.5 12.0275(4) 6.9312(3) 12.6919(5) 90.18(1) I2 1987 [14]0.66 13.8615(3) = a 12.7391(6) P3121 1987 [14]0 6.9719(2) = a 6.3124(4) P6222 1987 [14]0.53 12.0275(4) 6.9312(3) 12.6919(5) 90.18(1) I2 1993 [15]0 12.0777(7) 6.9723(4) 6.3040(2) C222 1995 [16]0.5 12.0317(1) 6.9272(2) 12.6711(3) 90.27(1) I2 1995 [16]0.5 12.0350(5) 6.9294(3) 12.6705(4) 90.266(3) I2 2001 [17]

[*] Dr. M. F. Br�uBASF Construction Chemicals GmbHDr.-Albert-Frank-Straße 32, 83308 Trostberg (Deutschland)Fax: (+ 49)8621-5085-281E-Mail : michael.braeu@basf.com

Dr. H. WeissBASF SE, Polymer Research – Polymer Physics67056 Ludwigshafen (Deutschland)

[**] Wir danken der Firma Knauf f�r eine Probe von CaSO4·0.5H2Osowie Dr. Manfred Zabel, Uni Regensburg, f�r die Messzeit amEinkristalldiffraktometer.

Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unterhttp://dx.doi.org/10.1002/ange.200900726 zu finden.

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3572 � 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2009, 121, 3572 –3576

Zur Strukturl�sung wurde eines der drei monoklinen In-dividuen integriert, die Struktur gel�st und verfeinert. ImStrukturmodell in Abbildung 2 sind die Kan�le zu sehen, indenen die Differenzfouriersynthese noch vier Restelektro-

nenmaxima ergibt. Diese lassen sich gut mit vier teilbesetztenSauerstoffatomen besetzen. Die Verfeinerung liefert aberschlechte R-Werte, und die anisotropen Auslenkungspara-meter aller Lagen werden zu unsinnigen Werten verfeinert.Zur Einf�hrung der Verzwillingung m�ssen die Reflexe er-mittelt werden, die einen Streubeitrag von mehreren Indivi-duen haben. Diese werden dann mittels der Zwillingsmatri-zen umindiziert und mehrfach in der Reflexdatei aufgelistet.Mit dieser Datei im hklf5-Format kann ein Drilling mitSHELX97[18] verfeinert werden. Die anisotropen Auslen-kungsparameter der am CaSO4-Ger�st beteiligten Lagenwerden nun zu sinnvollen Werten verfeinert. Zur Beschrei-bung der Restelektronendichte in den Kan�len sind aberweiterhin vier Sauerstofflagen notwendig, die teilbesetzt sindund sich nicht anisotrop verfeinern lassen.

Zur genauen Betrachtung des Symmetrieproblems wirdder Symmetrieabbau von der h�chst m�glichen Symmetriehin zur tats�chlichen monoklinen Symmetrie in einem B�r-nighausen-Stammbaum verfolgt (Abbildung 3).[19] Nimmt

man allein das CaSO4-Ger�st und sieht �ber kleine Abwei-chungen hinweg, so erf�llt dieses die Symmetrie der Raum-gruppe P6422 (Nr. 181). In drei Schritten k�nnen die Sym-metrieelemente bis zur Raumgruppe C2 (Nr. 5) abgebautwerden, wobei zwei translationengleiche und ein isomorpher�bergang notwendig sind.[20] Außer diesem hier dargestelltenSymmetrieabbau sind noch weitere denkbar, die sich etwa ausdem Bilbao Crystallographic Server einfach recherchierenlassen.[21] Translationengleiche �berg�nge deuten immer aufVerzwillingung hin, und in diesem Fall ist die partiell mero-edrische Verdrillingung bereits im Beugungsbild gut zu er-

Abbildung 1. Aus einer Einkristallmessung rekonstruierte Schichtdurch den reziproken Raum, hk1, nach der pseudohexagonalen Auf-stellung der Basiszelle (B). Die �berzelle (S) indiziert alle beobachte-ten Reflexe, zeigt aber ungew�hnliche Ausl�schungen. Die Basisvekto-ren dreier pseudoorthorhombischer Zellen (O) ergeben eine sinnvolleIndizierung des reziproken Raumes.

Abbildung 2. Ausschnitt aus der Struktur von CaSO4·0.5H2O. Die SO4-Tetraeder (gestrichelt) bilden zusammen mit den Ca-Atomen alternie-rend S�ulen, die sich in einem trigonalen Muster anordnen. Das Kris-tallwasser ordnet sich in den freien Kan�len aus. Anisotrope Auslen-kungsparameter f�r die Atomellipsoide sind mit 80% Aufenthaltswahr-scheinlichkeit gezeichnet.

Abbildung 3. B�rnighausen-Stammbaum des Symmetrieabbaus inCaSO4·0.5H2O.[19] Die hexagonale Pseudosymmetrie l�sst sich �berdrei Schritte hin zur tats�chlichen monoklinen Symmetrie abbauen.[20]

Die translationengleichen �berg�nge t2 und t3 f�hren dazu, dass dieStruktur als Zwilling eines Drillings, also als Sechsling verfeinertwerden muss. Gut zu verfolgen ist die Auftrennung der Sauerstoff-lagen in den Kan�len OW. Zur besseren �bersicht wurde die Lagenfort-f�hrung f�r die Ger�statome kondensiert dargestellt.

AngewandteChemie

3573Angew. Chem. 2009, 121, 3572 –3576 � 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

kennen, was in gutem Einklang mit dem t3-�bergang vonP3121 hin zu C2 ist. Der t2-�bergang aber von P6422 zu P3121ist noch nicht in der Verfeinerung abgebildet. Der Zwillingeines Drillings l�sst sich in diesem Fall als Sechsling verfei-nern. Die Orientierungsmatrizen der zus�tzlichen Individuenwerden durch Invertierung jedes Individuums erhalten. Beider Lagenfortf�hrung in Abbildung 3 l�sst sich gut die Auf-spaltung der m�glichen Atomlagen f�r das Wasser in denKan�len betrachten. Zur Verfeinerung m�ssen alle Reflexe,die von mehreren Individuen stammen, entsprechend mehr-fach umindiziert und aufgef�hrt werden. Mit der Reflexdateiim hklf5-Format lassen sich nun die Anteile der sechs Indi-viduen verfeinern. Dabei l�st sich schnell die Splitbesetzungder Sauerstoffatome in den Kan�len auf, und es bleiben zweivoll besetzte Lagen zur�ck, die sinnvolle anisotrope Auslen-kungsparameter zeigen. So l�sst sich die Diskussion �ber dieSplitbesetzungen in den Kan�len auf eine �bersehene Ver-zwillingung zur�ckf�hren. Details der Verfeinerung sind inLit. [22] angegeben.

Die Verfeinerung als Sechsling liefert ein geordnetesStrukturmodell von CaSO4·0.5 H2O. Missachtet man dieVerzwillingung, so erh�lt man ein Modell, in dem mehrereSauerstofflagen in den Kan�len teilbesetzt werden. Verfeinertman die Besetzung dieser Lagen frei, so k�nnen auch Sum-menformeln CaSO4·xH2O mit x> 0.5 erhalten werden. Of-fensichtlich war dies in Lit. [15] der Fall. Bisher konnte nichtexperimentell belegt werden, dass die Struktur wirklich mehrals 0.5Wasser pro Formeleinheit aufnehmen kann. Bei denmeisten Herstellungsverfahren entsteht das Halbhydrat sehrfein und mit großer Oberfl�che, an der erhebliche MengenWasser adsorbieren k�nnen, was eine gravimetrische �ber-pr�fung schwierig macht. Dagegen gibt Halbhydrat dasKristallwasser beim vorsichtigen Erhitzen leicht ab, ohne sichin die Anhydritstruktur umzuwandeln. Diese gut l�sliche,aber wasserfreie Form wird auch Anhydrit III oder l�slicherAnhydrit genannt.

Zur Kl�rung der genauen Position der Wasserstoffatomeund der Orientierung der Wassermolek�le in den Kan�lenwurde die Elementarzelle unter Verwendung dreidimensio-naler periodischer Randbedingungen mittels Dichtefunktio-naltheorie geometrieoptimiert.[23] Zur �berpr�fung der Ge-nauigkeit der gew�hlten Methode (Funktional, Pseudopo-tentiale, Zahl der ebenen Wellen, Plane wave energy cutoff)wurden die gut bekannten Strukturen von Gips und Anhydritgeometrieoptimiert. Die Konvergenz des Ebene-Wellen-Ab-schneidekriteriums (cutoff) wurde durch unabh�ngige Test-rechnungen mit 70, 80, 100 und 120 Ry �berpr�ft. Die Re-sultate f�r Anhydrit sind in Tabelle 2 aufgef�hrt.

Die �bereinstimmung der Zellparameter ist schon beieinem Cutoff von 70 Ry ausgezeichnet. Der Fehler im be-rechneten Volumen liegt bei 1%. Bei 100 Ry ist die Rechnungkonvergiert, die Abweichung liegt unter 0.2%. Bemerkens-wert sind die Abweichungen bei den Bindungsl�ngen. Hierwird die Beschreibung der Ca-O-Bindung mit steigenderQualit�t immer besser. Der Fehler bei 120 Ry (0.021 �) istbesser als bei 70 Ry (0.036 �). Dagegen wird der S-O-Ab-stand auf allen Niveaus �bersch�tzt. Bei 70 Ry ist er nur um0.009 � l�nger, w�hrend die Bindung bei 100 Ry mit 0.029 �l�nger berechnet wird. Die sehr gute �bereinstimmung der

berechneten Zellparameter spiegelt die Fehlerkompensationdieser beiden Effekte wider.

Als Startparameter f�r Gips wurden die Strukturdateneiner Arbeit von Cole und Lancucki entnommen.[25] Die�bereinstimmung zwischen Dichtefunktionalrechnung undExperiment ist wieder sehr gut, die Volumenabweichung bei100 Ry liegt bei 0.163% (Tabelle 3). Der Fehler in den Bin-dungsl�ngen ist vergleichbar zur Rechnung des Anhydrites.

Die weiter oben aus experimentellen Daten vorgeschla-gene Struktur des Halbhydrats ergibt bei der Rechnung etwasweniger Abweichung als die beiden vorher berechneten. DieErgebnisse sind in Tabelle 4 zusammengefasst.

Da die Rechnungen keine Annahmen �ber Symmetrienund Morphologien machen, und alle Zellparameter frei va-riierbar sind, stellt die sehr gute �bereinstimmung der Zell-parameter eine unabh�ngige Best�tigung der vorgeschlage-nen Struktur dar.

Tabelle 2: Ergebnisse unabh�ngiger Testrechnungen an der Struktur vonAnhydrit. Verglichen werden die Startstrukturdaten, entnommen vonKirfel und Will,[24] mit den Ergebnissen der DFT-Rechnung (BLYP) nachdem entsprechenden Cutoff.

Lit. [24] 120 Ry 100 Ry 80 Ry 70 Ry

a [�] 7.006 6.998 6.994 6.975 6.952b [�] 6.998 6.997 6.994 6.975 6.952c [�] 6.245 6.244 6.241 6.224 6.203b [8] 90 90 90 90 90Volumen [�3] 306.18 305.76 305.29 302.82 299.75Abweichung [%] 0.137 0.154 0.809 1.013d(Ca-O) [�] 2.471 2.45 2.448 2.44 2.435d(S-O) [�] 1.472 1.503 1.501 1.492 1.481

Tabelle 3: Optimierung der Struktur von Gips nach einer DFT-Rechnung(BLYP) mit einem Cutoff von 100 Ry. Die Strukturdaten wurden Lit. [25]entnommen.

Lit. [25] 100 Ry

a [�] 5.670 5.680b [�] 15.201 15.203c [�] 6.533 6.520b [8] 118.6 118.4Volumen [�3] 494.37 495.18Abweichung [%] 0.163d(Ca-O) [�] 2.471 2.439d(S-O) [�] 1.472 1.505

Tabelle 4: Optimierung der Struktur von Halbhydrat mit einer DFT-Rechnung (BLYP) nach einem Cutoff von 100 Ry verglichen mit derStruktur aus der Zwillingsverfeinerung der vorliegenden Arbeit.

100 Ry

a [�] 17.559 17.561b [�] 6.962 6.963c [�] 12.071 12.072b [8] 133.56 133.55Volumen [�3] 1069.23 1069.67Abweichung [%] 0.04d(Ca-O) [�] 2.471 2.462d(S-O) [�] 1.472 1.503

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3574 www.angewandte.de � 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2009, 121, 3572 –3576

Vergleicht man die berechnete Struktur mit der aus Ein-kristalldaten bestimmten, so stimmen sowohl das Ger�st ausCalcium- und Sulfationen als auch die Lage und Orientierungder Wassermolek�le in den Kan�len �berein. Mithilfe derDFT-Rechnungen lassen sich aber die Bindungsl�ngen derWasserstoffatome zu den anderen Atomen im Kristall mit dergleichen Genauigkeit von besser als 0.03 � bestimmen, wasbei der Berechnung aus R�ntgendaten wegen der geringenElektronendichte an den Wasserstoffpositionen der Wasser-molek�le nicht m�glich ist. Die kristallchemische Diskussionder Struktur, insbesondere der Bindungsverh�ltnisse in denwasserhaltigen Kan�len, muss also anhand der mittels DFToptimierten Struktur erfolgen. Aus den Abst�nden zwischenden einzelnen Wassermolek�len wird deutlich, dass es keinedirekte Wechselwirkung zwischen ihnen gibt. Zudem sind dieWasserstoffatome nicht auf die Sauerstoffatome des n�chstenWassermolek�ls gerichtet (Abbildung 4).

Die Abst�nde zwischen den Wassermolek�len sind aberklein genug, dass sich keine weiteren Wassermolek�le mehreinf�gen lassen. Jedes Wassermolek�l ist fest in den Kanaleingebunden. Dies �ußert sich in relativ kleinen Abst�ndenvon jedem Sauerstoffatom der Wassermolek�le zu einemCalciumatom an den R�ndern des Kanals (Abbildung 5). DieAbst�nde d(Ca-OWasser) liegen bei 2.3–2.4 �, was einer koor-dinativen Bindung entspricht. Dar�ber hinaus zeigen dieWasserstoffatome der Wassermolek�le auf die n�chstliegen-den Sauerstoffatome der Sulfationen. In Abbildung 5 sind dieWasserstoffbr�cken zwischen den Wasserstoffatomen derWassermolek�le und den Sauerstoffatomen der Sulfatein-heiten eingezeichnet. Die Abst�nde variieren von 1.95 bis2.40 �.

Abschließend kann gefolgert werden, dass in der Strukturdes Halhydrates genau 0.5 Wassermolek�le pro Formelein-heit eingelagert sind. Diese sind fest an das Calciumsulfat-ger�st koodiniert. Darum muss angenommen werden, dass esnicht m�glich ist, mehr Wasser in den Kan�len unterzubrin-gen, und Subhydrate mit einem Anteil an Kristallwasser > 0.5pro CaSO4 scheinen unwahrscheinlich.

Experimental SectionDie untersuchten Kristalle entstammen einem technischen Prozesszur hydrothermalen Herstellung von gut kristallinem Halbhydrat. Ingroßen Autoklaven wird zu por�sen Formk�rpern gepresstes Dihy-drat auf Temperaturen von 120–1808C erhitzt. Dabei entstehen sehrgut ausgebildete, bis zu einigen Millimetern große Kristalle. Ausdiesem technischen Produkt wurden besonders gut ausgebildeteKristalle der ungef�hren Gr�ße 0.05 � 0.05 � 0.1 mm unter einemLichtmikroskop ausgew�hlt und an einem STOE IPDS I vermes-sen.[22]

Eingegangen am 6. Februar 2009Online ver�ffentlicht am 6. April 2009

.Stichw�rter: Bassanit · Calciumsulfat · Gips ·Strukturaufkl�rung · Verzwillingung

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[4] Die Weltvorr�te von nat�rlichem Gips werden auf einige Bil-lionen (1012 t) Tonnen gesch�tzt. J�hrlich werden mehr als100 Millionen Tonnen (Mtpa) Gips und Anhydrit gef�rdert.Dazu kommen 150 Mtpa aus der Phosphors�ureherstellung,45 Mtpa aus Rauchgasentschwefelungsanlagen und bis zu25 Mtpa aus anderen industriellen Verfahren. Dagegen liegt diej�hrliche Produktion von Zement mit etwa 2500 Mtpa zwar weith�her, Zement besteht aber aus einer Mischung verschiedenerMineralien, unter denen auch gebrannter Gips mit 1 – 5 Gew.-%ist. Zahlen entnommen aus The Economics of Gypsum & An-hydrite, Roskill Information Services, 9. Aufl., 2004.

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Abbildung 4. Blick senkrecht auf die Wassermolek�le in einem Kanalder optimierten Struktur. Da die Struktur ohne Symmetrierestriktionenoptimiert wurde, variieren die Abst�nde d(OWasser-OWasser) �ber den Zell-inhalt zwischen 5.08 � und 3.98 �, das Mittel ist 4.30 �. Gelb S, grauCa, blau O, rot H.

Abbildung 5. Die Sauerstoffatome der Wassermolek�le zeigen zu denCalciumatomen, w�hrend die Wasserstoffatome Wasserstoffbr�cken zuden Sulfateinheiten bilden. Der mittlere Abstand d(OWasser-Ca) liegt bei2.37 �, der minimale Abstand bei 2.34 �, der maximale bei 2.39 �.Zum Vergleich ist der mittlere Abstand d(OSulfat-Ca) mit maximal 2.49 �und minimal 2.35 � nur wenig gr�ßer. Die Wasserstoffbr�cken sind imMittel d(OSulfat-H) = 2.05 �, mit starken Bindungen von 1.95 � bis zuschwachen Bindungen von 2.40 �. Gelb S, grau Ca, blau O, rot H.

AngewandteChemie

3575Angew. Chem. 2009, 121, 3572 –3576 � 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

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[22] Die Messung erfolgte an einem Stoe IPDS I mit MoKa-Strah-lung. Zur Analyse, Integration und Darstellung des reziprokenRaums wurde das Programmpaket X-Area 1.35 von Stoe ver-wendet. Die Integration erfolgte in der hexagonalen �berzelle,anschließend wurden alle Reflexe entsprechend in die sechsIndividuen umindiziert und gegebenenfalls mehrfach aufge-f�hrt. Wegen der komplexen Verzwillingung und des geringenAbsorptionskoeffizienten f�r CaSO4·0.5H2O von 2.23 mm�1

konnte auf eine Absorptionskorrektur verzichtet werden. DieVerfeinerung mit einer Reflexdatei im hklf5-Format erfolgte mitSHELX97.[18] Die Wasserstofflagen wurden aus Lit. [16] ent-nommen und nicht verfeinert. Weitere Einzelheiten zur Kris-tallstrukturuntersuchung k�nnen beim Fachinformationszen-trum Karlsruhe, 76344 Eggenstein-Leopoldshafen (Fax: (+

49)7247-808-666; E-Mail: crysdata@fiz-karlsruhe.de), unter derHinterlegungsnummer CSD-380286 angefordert werden.

[23] DFT-Rechnungen[26] mit einem gradientenkorrigierten Aus-tausch-Korrelationsfunktional nach Becke-Lee-Yang-Parr(BLYP)[27] wurden mit dem periodischen Car-Parrinello-Pro-gramm[28] CPMD 3.9.1[29] durchgef�hrt. F�r Calcium kamenNorm-konservative Pseudopotentiale nach Troullier-Martins[30]

mit „semi core states“ zur Verwendung. Dabei werden die 3s-und 3p-Zust�nde des Calciums als Valenzzust�nde behandelt.Ebene-Welle-Basiss�tze mit Energie-Abschneidekriterien von70–120 Ry (siehe Tabellen 2, 3 und 4) wurden f�r die Entwick-lung der Valenzzust�nde verwendet. F�r die Entwicklung derWellenfunktion wurde ein Monkhorst-Package[31] mit einer K-Punkt Aufteilung von 2 � 2 � 2 verwendet. Die Strukturen undZellparameter konnten mittels „steepest descent“-Minimierungohne Zwangsbedingungen geometrieoptimiert werden. DieOptimierungen wurden bis zur Stationarit�t des Drucks in derZelle < 1 MPa durchgef�hrt.

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von J. Hutter, P. Ballone, M. Bernasconi, P. Focher, E. Fois, S.Goedecker, D. Marx, M. Parrinello, M. Tuckerman, MPI f�rFestk�rperforschung und IBM Zurich Research Laboratory.

[30] N. Troullier, J. L. Martins, Phys. Rev. B 1991, 43, 1993 – 2006.[31] H. J. Monkhorst, J. D. Pack, Phys. Rev. B 1976, 13, 5188 – 5192;

H. J. Monkhorst, J. D. Pack, Phys. Rev. B 1977, 16, 1748 – 1749.

Zuschriften

3576 www.angewandte.de � 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2009, 121, 3572 –3576

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