View
226
Download
3
Category
Preview:
DESCRIPTION
Diese Ausgabe enthält Texte und Arbeiten, die vor Pascal Richters Zeit entstanden sind. Deshalb trägt sie die Nummer „0“.
Citation preview
1Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
The great Escape
Pascal Richter
Fibel für die Ahnungslosen Band #0 www.pascalrichter.de
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de2
3Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
The great Escape
Pascal Richter
Fibel für die Ahnungslosen Band #0 www.pascalrichter.de
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de4
8
6
Inhalt
Diese Ausgabe enthält Texte und Arbeiten, die vor Pascal Richters Zeit
entstanden sind. deshalb trägt sie die Nummer „0“.
Vollkommen entgegengesetzte Philosophie - Claas Greite
Dallas I Texas - Bernd LaCage
Parque del buen Retrio de Madrid - Till Greite
1000 Mal berührt, 1000 ist nichts passiert - Marius Schmidt
Hilferuf an ein vorsichtiges Rußland - Claas Greite
Dinge, die man nach ein paar Zywiec nicht mehr schreiben sollte - Till Greite
Save as unsent items - Till Greite
Marktclown Futur II - Claas Greite
Paint it, Black - Claas Greite
Sehr geehrte Max Planck Gesellschaft, ... - Marius Schmidt
Badezimmer - Bernd LaCage
16
14
22
20
26
24
30
40
32
5Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de6
Vollkommen entgegengesetzte Philosophie - Claas Greite1.1
Ich bewundere die Schönheit eines gut gearbeiteten Gewehrs
mehr als die eines Gedichts –
„Hollywood“ ist der Name einer Firma für gekochten Mais,
am Paul-Lincke-Ufer wird Boccia gespielt, dazu liegen in einer Papiertüte grüne Weintrauben,
diese drei Dinge ergeben zusammen einen Code, der nicht geknackt werden kann,
wer etwas Anderes erzählt, lügt,
die Anderen, die lügen, sind jene Anderen, die sich die Zähne mit der anderen Zahnpasta
putzen und auch die andere Zahnbürste verwenden, die eine andere Borstenstellung aufweist,
diese andere Borstenstellung mag auf den ersten Blick kaum auffallen, ist aber sehr wichtig,
da sich dahinter eine vollkommen andere Philosophie, eine
vollkommen entgegengesetzte Philosophie
verbirgt, und wir wollen keine Tomaten bürsten, wir wollen
FEIERN,
sagt mir mein Großvater, der nun wirklich etwas vom Wiederaufbau verstand,
bedenke nur: ein einziger Strich kann dich ins Unglück stürzen –
what do you expect from me?
Ist doch völlig falsch gestellt, die Frage
als ob ich irgendwas –
Vollkommen entgegengesetzte Philosophie
Claas Greite
7Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de8
Dallas l Texas
loginer streichelt
ihre blonden
haare
und sagt
ich liebe dich
ganz doll
log er
locker
no go area
für mich
für dich
für alle
wohin sollen
wir auch
gehen?
Dallas I Texas - Bernd LaCage2.1
Bernd LaCage
9Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
öffentlichschreiben
vielleicht auch käse
reiben oder...
jedenfalls hose
runter macht munter
seitensprung bei den bundesjugendspielen
1000 meter
auf ehrenurkunde
runterstürzen
Horror: die falsche SMS nach dem ersten Date
Gut geschissen?
Ich habe mir gerade einen Burger gekauft.
;-)
shoppingmarsch
knick knack
knick knack
eins zwei knick
und knack und back
quatdratisch
praktisch
gut
das knick-pack
steinigung
die zarteste versuchung
seit es schokolade gibt
Dallas I Texas - Bernd LaCage2.2
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de10
liebesleben
nur sie
wollen
rest nicht
mehr
H5N1
laut
ist es seitdem
das Singen
der Vögel
durch einen
elektronischen Verstärker
im Wald
sirrt
loslassen
wir liebten uns
intensiv
einseitig
dein gesicht
wurde brei
meine faust
wurde weniger hart
as time goes by
bye bye
junimond
JFK
andere
aber
auch
Dallas I Texas - Bernd LaCage2.3
11Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
L.A.
Sterne liegen
auf dem Boden
freunde vom land
bier
bier
bier
auto
auto
auto
wir
wir
wir
1933
kindheit
heit
heiter
war sie
kind war
glücklich oft
kind
kinder
sind auch
nur monster
heil
heiler
könnte sie
schon gewesen sein
Dallas I Texas - Bernd LaCage2.4
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de12
Blechweiß
kannst du
auch oft
wenn Wolken
trommeln
auf Hautsorgen
mit Engwalzen
ihren Namen
noch reinziehen
bis es quetscht:
dünn aber
lechz
Al Capone
der Sache
auf den
Grund
mit
Beton
Jack the Ripper
du
machst
zu
er
macht
auf
Diskussion
der da ist noch
mehr meiner Meinung
als ich
Dallas I Texas - Bernd LaCage2.5
13Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
sein
alles ist
neu
alles ist
alt
so ist es
halt-
bar
ernüchterung
meine küche
klebt
ich muß
putzen
Selbstfindung
igitt
i geil
ich geil
nähe
du bist
auf
endlich
...und ich breche weiter
Dallas I Texas - Bernd LaCage2.6
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de14
One of Us Must Know (Sooner or Later): Im Prinzip hast du recht, das genügt, dem ist nichts
hinzuzufügen.
One of Us Must Know (Sooner or Later): im Prinzip hast du recht, das genügt, dem ist nichts
hinzuzufügen. Eines sei nur erwähnt, denn schließlich verdanke ich eine wichtige Einsicht in
deinen so geschätzten Lieblingspark, beziehungsweise in deine Lieblingsstelle in deinem Lieb-
lingspark, dem Parque del buen Retiro, einem jungen Mädchen im Kleid, das auf den Stufen am
Teich hockte und gerade damit beschäftigt war allerhand Tierarten mit Brotstücken zu versor-
gen. Der Übersicht halber habe ich deine besagte Stelle im El Retiro in einem Tableau unterge-
bracht, dabei habe ich versucht – zwecks besserer Übersicht – Klassen (gemäß der Taxonomie)
zu finden, falls du den Text nur schnell überfliegen solltest; du musst dir das ganze Ensemble
daher wie auf einem blankweißen Operationstisch liegend vorstellen, so solltest du keine Pro-
bleme bekommen, das nun folgende zu verstehen, insofern du dir dazu immer ein Und, falls
möglich gelegentlich ein In, aber meistens ein Auf denkst. Hier also deine Parkstelle im Parque
del buen Retiro, nur für dich beschrieben:
a) Teich mit Wasserfontäne in dessen Mitte, die unaufhörlich sprudelt, b) Treppen, nahtlos
ins Wasser geführt, im Teichwasser vergehend, c) allerhand Tierarten, unter anderem kleine
Schildkröten, Goldfische und Brandenten, d) kleines Mädchen mit Brottüte, e) Gattungen wie
Reptilien, Vögel und Fische, f) kaum kindshoher schmaler Grottengang am rechten Teichufer
zum leise Hindurchgehen, g) alles, was ich bis dahin gesehen hatte, h) mit Wasser vollgeso-
gene Brotstücke, um die sich Schildkröten, Fische und Enten miteinander balgen, ohne dass
das Mädchen im Kleid auf den Treppen, der ich dies alles hier verdanke, das gewollt hätte, i)
Gekrakele auf unserer gemeinsam in Paris gekauften Zeitung, Gekrakele, von dem ich noch
Parque del buen Retrio de Madrid
Parque del buen Retrio de Madrid - Till Greite3.1
Till Greite
15Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
entziffern konnte: „alle drei Tiergattungen, sprudelnde Fontäne, Kindsgrotte mannshoch, das
Kind auf der Schwelle füttert“, worüber – ich erinnere mich noch sehr genau – meine Reise-
begleitung, Ch. Marlats, deine einzige französische Freundin, schon leicht verächtlich die Nase
zu „rümpfen“ begann, j) Chantal, eine französische Spieltheoretikerin, Zeitung lesend, k) ein
Glaspalais aus höchstwahrscheinlich Glas und Stahl, der mich unmittelbar an den Londoner
Crystal Palace denken ließ, l) Kristallpalast, dem Londoner Crystal Palace bis ins letzte Detail
nachempfunden, der, zerlegbar in seine Einzelteile, nach der Weltausstellung von 1851 demon-
tiert und in Sydenham, im Süden Londons wieder aufgebaut, 1936 durch einen verheerenden
Brand zerstört wurde, m) neunzehn Meter langes Narrenschiff, das unter den Schildkröten
treibt, und dessen zurückgelassene Passagiere sich auf offenem Meer verloren glauben, jene,
die Die Gesellschaft (die damalige des sechzehnten Jahrhunderts) vorerst nicht mehr wollte, n)
dein schwarzer Marinemantel, der verdächtige Ähnlichkeit mit meinem hat.
Mir leuchtet unmittelbar ein, dass ich deine Lieblingsstelle im Parque del buen Retiro natür-
lich nicht unkommentiert stehen lassen kann, insofern dies – so einmal erst belassen – keine
zulässige Antwort auf deinen Brief darstellen würde. Zuerst einmal daher erhellendes zum
Namen: El Retiro. Denke an: von glatt nach rau, sowie Grünes und vereinzelt Gelbes, seltenste
Malvengewächse, wenig Luft zirkuliert darin, auslaufende Flächen mit leichtseidiger Steigung.
Nun zu den Tierarten, drei an der Zahl, auf dessen runden, strahlenden Tiergesichtern ich erst
einmal nichts als 1) Wappen, 2) Charaktere, 3) Chiffren sehen konnte, um die die Fontäne
in ihrer Mitte mannshoch sprudelte; Chantal, deine Freundin, sagte dazu nur – ich erinnere
mich wie sie dabei zum ersten Mal leicht verächtlich die Nase zu „rümpfen“ begann: „dunkle
Worte, ohne Vokale, ins seichte Wasser gebrummt“. Folglich hinter uns also: besagter Crystal
Palace. Beziehungsweise genau gesprochen: geschrumpfte Reproduktion des 1936 verbrannten
Londoner Glaspalais’; in seinem Inneren: mehrere im Raum liegend tableauartig angeordnete
Holzscheite, in Stapeln übereinander geordnet und durchklassifiziert; kurz zu erwähnen aber:
die eigentliche „Ausstellung“ im Inneren des Palais’ war an diesem Nachmittag für den Besu-
cherverkehr nicht zugänglich. Nun zum schwierigsten: neunzehn Meter langes Narrenschiff, unter
den Schildkröten treibend, dessen zurückgelassene Passagiere sich auf offenem Meer verloren
glauben, jene, die Die Gesellschaft (die damalige des sechzehnten Jahrhunderts) vorerst nicht
mehr wollte; demnach also: Narrenschiffe, die einen zum Besten halten, eventueller Schiffbruch
mit anschließender Robinsonade, hölzerne Narrenschiffe, die man nur von weitem her belas-
ten konnte, wie allenthalben Brotstücke zwischen Schildkröten, Fischen und Enten, das Holz
voll von Wasser gesogen, dazu leichtseidig zum Bug auslaufende Schiffsplanken und statt eines
Taufnamens unleserliches Gekrakele in Arkansprache geschrieben, von dem ich noch entziffern
konnte: „One of Us Must Know (Sooner or Later): im Prinzip hast Du recht, das genügt, dem ist
nichts hinzuzufügen“, sagte schließlich a) an diesem Nachmittag die französische Spieltheore-
tikerin, das junge Mädchen im Kleid, die b) Tiere fütternd und Zeitung lesend (im Parque del
buen Retiro, gerade an deiner Lieblingsstelle), dabei c) deinen schwarzen Marinemantel trug,
der verdächtige Ähnlichkeit mit meinem hat. Dem ist d) nichts mehr hinzuzufügen.
Parque del buen Retrio de Madrid - Till Greite3.2
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de16
1000 Mal berührt, 1000 Mal ist nichts passiert ...
Marius Schmidt
1000 Mal berührt, 1000 Mal ist nichts passiert ... - Marius Schmidt4.1
17Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
1000 Mal berührt, 1000 Mal ist nichts passiert ... - Marius Schmidt4.2
Don‘t let the sun go down on me
I can‘t light no more of your darkness
All my pictures seem to fade to black and white
I‘m growing tired and time stands still before me
Frozen here on the ladder of my life
Too late to save myself from falling
I took a chance and changed your way of life
But you misread my meaning when I met you
Closed the door and left me blinded by the light
Don‘t let the sun go down on me
Although I search myself, it‘s always someone else I see
I‘d just allow a fragment of your life to wander free
But losing everything is like the sun going down on me
I can‘t find, oh the right romantic line
But see me once and see the way I feel
Don‘t discard me just because you think I mean you harm
But these cuts I have they need love to help them heal
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de18
1000 Mal berührt, 1000 Mal ist nichts passiert ... - Marius Schmidt4.3
19Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de20
Aus einem längst nicht mehr so vernünftigen, man könnte sagen, besonnenen Wien, das nachts
gelegentlich in einem klick-klack-Intervall gelb blinkt, aus runden Lampen –
kein Zeichen, sondern eine schöne Selbstverständlichkeit, klar und bekömmlich wie Frischluft
aus Dosen in einem Londoner Hotel, das seine Lobby mit Kultgegenständen aus West-Samoa
schmückt, kleinen Perlenketten und so –
Bronislaw Malinowski, der Argonaut des westlichen Pazifik, kam mit der freien Sexualität entge-
gen seiner Theorie doch nicht klar, solches geht aus den unlängst veröffentlichten Tagebüchern
hervor, womit die Theorie der Teilnehmenden Beobachtung, participant observation, in eine
ernste Krise gerät.
Die Krise weitet sich auch auf andere Bereiche aus, und es ist letztlich nur die Frage, wo sie
zuschlägt: links, rechts oder in der Mitte, wo ein Zerbrechen des Holzbodens von Schreien
begleiteterweise sicherlich den größten Skandal des ehemals größten Riesenrades der Welt
hervorrufen würde, damals erbaut von einem Engländer ohne Höhenangst, der jetzt sicherlich
werweißwo herum klettert –
Sieht mich nicht von oben, daher keine berüchtigte Kreisstruktur, also: Ende dort, Anfang hier,
hier unten also mit Tee, Zeitung und einem Hilferuf an ein vorsichtiges Russland.
Hilferuf an ein vorsichtiges Russland
Claas Greite
Hilferuf an ein vorsichtiges Rußland - Claas Greite5.1
21Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de22
Dinge, die man nach ein paar Żywiec nicht mehr schreiben sollte
Warschau dämmert
Meerjungfraublaues Warschau zwischen Pałac Kultury und der Pasaż Śródmiejski dämmert sich gen morgendliche Ausnüchterung, die Stadt dabei ihr nächtliches, von kleinsten Leuchtdioden angetrie-benes elektrisches Lichterkleid beim ersten klaren, mit bloßem Auge erkennbaren Lichtstrahl scham-los herabsinken lassend; man selbst wie im Krebsgang den Weg der Stadt in umgekehrter Richtung kreuzend; zusammen mit neuer Bekanntschaft namens Marek, der sich vehement wehrte, dass man so einfach die Zeche prellen wollte; ihm nun im Gegenzug dafür vor depressionsgotischer Vorabend-krimikulisse Rammsteins Mutter mit der Süffisanz von polnischem Fassbier vorgesummt und seinen Geschichten über saisonal bedingte Feldarbeit in Niedersachsen gelauscht; beim ersten Anflug von in barer Dämmerung bedürftig daliegenden Ausnüchterungszellen Warschauer Ordnungsämter die Rolltreppe der Pasaż Śródmiejski, Arm in Arm, hinuntergerollt, sowie mit eigenhändig erworbenem Żubrówka wieder hinaufgerollt, dem ersten mit bloßem Auge erkennbaren Lichtstrahl, dem entstell-ten messianischen Licht mit der Klarheit von Kartoffelschnaps entgegengelacht; unmittelbar, ganz aus der Fühlung mit den Gegenständen, an Dinge gedacht, die man nach circa acht Bier dringend, einmal frei nach Stille Post, weitersagen und oder -verfolgen sollte, wie etwa sich die Peies genannten Schläfenlocken wachsen lassen, um sie traditionsgerecht bei Tony and Guy’s in London/Liverpool Street bei Zeiten richten zu lassen, Friseure, die in all’ ihren Filialen eigene Fernsehprogramme laufen lassen, Programme, bei denen nur noch ein Satz im Schrifttyp Franklin Gothic Medium silbergolden und hauchzart magentafarben umrandet auf sämtlichen Bildschirmen aufleuchten wird, nämlich: Ihr sollt eure Haare nicht rundherum abschneiden; sowie selbstverständlich auch: rituellen Schlachtun-gen in abgelegenen Hinterhöfen des Ruhrgebiets mit rußgeschwärzter Industrieromantik beiwohnen, das Tier mit der Collane des Ordens vom Goldenen Vlies, dem güldenen Lämblein von Burgund
Dinge, die man nach ein paar Zywiec nicht mehr schreiben sollte - Till Greite6.1
Till Greite
23Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
geziert, in einer Hand das Schwurkreuz, dabei das verängstigte Tier zwischen Beuge des einen Armes und Oberarm des anderen haltend und sanft wie bei einem Einschlaflied mit den Worten von Aber hier leben, nein danke wiegend; darüber hinaus sich ernster und ohne rechte Vorurteile auf das Gewissen-hafteste über Falun Gong informieren, die Flyer großzügig entgegennehmen, es versuchen die fünf harmonischen und leicht zu erlernenden Übungen in mein alltägliches Leben zu integrieren, jedoch Kontaktaufnahme mit Falun Dafa auf das Entschiedenste vermeiden, jedwede Verbindungen zu dieser Seite hin im Keim ersticken, jedwede Überzeugungsversuche, wenn nötig, auch mit physischer Gewalt abwehren; des weiteren Wochenendtouristen, näherungsweise aus jenem Ort in Utah, wo sich Union Pacific Railroad und Central Pacific Railroad trafen und die Vereinigung beider Schienenwege mit dem goldenen Gleisnagel, dem last spike, der alles zusammenhält, feierten, diese Amerikaner aus Salt Lake City und Umgebung durch zerbombte mittelgroße Altstädte im Gebiet des rheinischen Sprachfächers führen, immer an der Grenze der Zweiten Lautverschiebung entlang, unterdessen aus Jörg Friedrichs Der Brand vorlesend, lasse sie ungewürzte Spreewaldgurken aus Lübbenau essen, versuche ihre Gesichter im Moment der maximalen Anspannung mit einer Polaroidkamera zu pho-tographieren und ordne diesen Bildern, an eine Pinwand geheftet, Farbadjektive zu – abgesehen von Magenta und Cyan; bei Einbruch der Dunkelheit beziehen sie Bleiben für die Nacht in Herbergen der Deutschen Burschenschaftengemeinschaft, bestens ausgestattete Duschräume mit in mattem Chrom gehaltenen Haltegriffen für solide installierte Kotzbecken – plus morgendlichen Regattafahrten samt allen militärischen Ehren, das messianische Morgenlicht beim Salut auf Backbordseite fällt in das kartoffelschnapsgefärbte Gesicht am physischen Anschlag, die Hand zum Gruß und dreiunddreißig Salvenschüsse zurück; sowie fünftens selbst eine Flagellantenbewegung in der Tradition Mittelitali-ens des 12. Jahrhunderts gründen; man lerne die wichtigsten Gebete im Gefühle eines Laienpredigers auf jene Weise auswendig, dass sie im leichten freirhythmischen Sprechgesang, wie Bach-Stücke aus der Kunst der Fuge, auch im Krebsgang und über Kreuz für mich Sinn zu machen beginnen. In diesem Sinne und auf all’ das trinkend, kreuzt man mit Marek Żubrówka gefüllte Gläser, blinzelt aus dem Augenwinkel ein letztes Mal dem nur noch in letzten Zügen beleuchteten, Leuchtdioden betriebenen Schlafrock Warschaus entgegen – die schiffbrüchige Meerjungfrau an der Weichsel ohne Hafen und Trockendocks; man grüßt, bevor die ersten mit bloßem Auge erkennbaren Lichtstrahlen, unzähligen Sonden zur Durchleuchtung von noch so entfernten Körperhöhlen gleich, ihre Risse und Schründe bis auf den letzten versetzten Stein bloßlegen.
Dinge, die man nach ein paar Zywiec nicht mehr schreiben sollte - Till Greite6.2
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de24
Save as unsent items II - Till Greite7.1
Arabeskenwissen/Waldeinsamkeit…
Aölsharfen spielen auch nicht von allein.
Wann schmeckt ein Wein eigentlich „elegant“?
Aber ist hier vielleicht ein Zirkel?
Vergiss das Unverständliche, das war das Gestern – und lügt – und das Heute ist
war.
Ruf’ mich in der Arbeit an [Templates]
Ruf’ mich später an [Templates]
Ich liebe Dich! Wir sehen uns später! [Templates]
Ich treffe Dich:
A.
Habe es mir jetzt so erklärt, auch wenn der Vergleich für Dich etwas hinken mag:
Das allseits mich umzäunende Glück,
und Innere Immigration ist auch keine Lösung/Puppenheim.
Hab ich Dir schon vom Kriechstrom erzählt?
Betriebsbahnhof als Teilwahrheit,
Salamitaktik bedingungslos zersägen,
Wo Lachen anfängt, endet die Christdemokratie.
Da war es zehn vor fünf,
Die zerbrechliche Einrichtung unserer Binzer Glasmarmeln,
Ich schreibe in einem dringenden Anliegen.
Verfasst im Sony Ericsson T610
Saved as unsent item IIsms memory over 80% full
Till Greite
25Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de26
Marktclown Futur II
Immer, wenn man einen Magneten gewaltsam zerteilt, erhält man zwei neue Magneten; so hatte
ich das gelernt und behalten, gestern Nacht allerdings muss diese physikalische Grundregel eine
gewisse Zeit lang außer Kraft gewesen sein, so dass es möglich war dass ich, ohne da einen
tieferen Sinn zu sehen, als einzelner Plus- oder Minuspol, von unsichtbaren Feldern gedrückt
oder geschoben, gegen meinen Willen und mit ungeahntem Schwung in mein Zimmer, auf mein
Bett zurück geworfen wurde. Der Abend hatte eigentlich gerade erst begonnen, und nun stand
ich da und schwankte noch etwas und fand ich mich nicht zurecht in dem Dunkel; im ersten
Moment dachte ich daran, dass ich nur nicht die Porzellanballerina kaputt schmeißen dürfe, die
mein Großvater heilig schätzte, weil er die ja von diesem halb blinden und halb tauben Typen im
Rollstuhl geschenkt bekommen hatte, als es richtig so ein bisschen diplomatisches Tamtam gab
als der aus dem Flugzeug stieg, ich meine, gerollt kam. Wie angewurzelt blieb ich, das gedacht
habend, in der Mitte des Raumes stehen, wirklich ziemlich genau in der Mitte, bis es mir dann
doch noch einfiel: dass mein Großvater ja um diese Zeit selig im Himmel ruhte, während die
schöne Figur, in der sich übrigens eine Spieluhr befand, die sich aufziehen ließ, worauf sich das
Porzellanmädchen dann ganz alleine und immer und immer und noch einmal weiter und wieder
und noch einmal zur Musik im Kreis herum drehte, diese Figur war ja aber gar nicht bei mir,
sondern natürlich noch zuhause, wo die wilden Wellen wohnen, auf einer Teakholzkommode,
wo sie vermutlich, ganz sicher noch mit elegant ausgestreckter Hand, auf jemanden wartete, der
sie zur Dame macht.
Ich knipste dann das Licht an, und was als nächstes kam, war, dass ich mir tatsächlich noch die
Zähne putzte, worauf ich mir meine Fußnägel schnitt, zumindest teilweise, so dass heute morgen
drei gekrümmte Hornstreifen umgeben von sehr gelben Urin in meiner Kloschüssel liegen, drei
Marktclown Futur II - Claas Greite8.1
Claas Greite
27Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
ins Nichts weisende Pfeile, die der Umgebung trotzen wie die wenigen letzten gesunden Blätter
der Palme, die ich letztes Jahr von meinen Eltern zum Geburtstag bekommen habe. Armes Ding,
alles getan, und das hat man nun davon, wahrscheinlich zu viel des Guten, vielleicht zu wenig,
weder noch, hier ein kleiner gelber Beipackzettel an den Besitzer: Pflanzen benötigen zur Pho-
tosynthese und also zur Herstellung unserer Atmosphäre Licht, vor allem Licht, nicht Wasser
sondern zuerst LICHT, sprach Gott, Besitzer hört aber nicht, kann gerade nicht, jetzt lass doch
mal, in Mutters Decke eingerollt und nur Harfenklänge bzw. Hafenlärm herein lassend, sowie
bestimmte, nur für ihn bestimmte Morsecodes, die direkt zugestellt werden. Ständig präsent
ist dem Liegenden, das geht schon vorbei, war dem Liegenden hierbei einzig und allein eine
Sache, und zwar, dass es Sonntag war, wie in einem Jugendbuch. Ein Tag, der just in jenem
Moment einen kleinen Jungen in Freiburg im Breisgau, einen elfjährigen Jungen aus Freiburg
im Breisgau, der mit seinen Eltern erst vor drei Jahren hergezogen ist, weil der Vater, aber das
tut nichts zur Sache, das Leben vorzüglich schmecken ließ, als er an diesem Sonntag Morgen,
die alte Dorfgasse, die sogenannte Semmelgasse, geschichtlich nicht völlig unbefleckt, da hier
bis weit in die sechziger Jahre hinein unter Decknamen ein gewisser, hinuntersausend, also der
Junge, atmend, seine noch teerlosen Jungenlungen mit Fahrradfahrtwind füllte – da merkte er
was, dieses gewisse na-ihr-wisst-schon, und wie kam das? Weil dieser Sonnentag seinem Namen
alle Ehre macht natürlich, so dass an anderer Stelle eine italienische Reisegruppe in Rüdesheim
am Mittelrhein UNESCO-Weltkulturerbe verzückt und verwundert zugleich auf die Weinhänge
blickt, die gegenüber in sattem Grün, neon-golden erstrahlen, die Hälfte dieser Mittfünfzige-
rinnen und Mittfünfziger sowie Mittsechzigerinnen und Mittsechziger, welche Mitglieder der
ehrenwerten Gesellschaft, ich meine: Gewerkschaft sind, die also in diesen Zeiten begreifli-
cherweise, wenn sie dort am Kai des Rheins stehen und auf den Niedrigwasser führenden Fluss
blicken, also die Hälfte dieser Damen und Herren aus Bologna sind nun zum ersten Mal in
Deutschland, und genau in diesem Moment also, so weit wir von Genauigkeit sprechen können,
scheint hier heute hier bei uns nun mal wirklich überall ZDF die Sonne, gerade auch in und aus
der Hauptstadt, diesem Wüstendorf, dieser Ansammlung von, na ja, keine Ahnung, jedenfalls
scheint in ein ganz bestimmtes, wußt-ichs-doch: Altbau-Fenster IKEA-stofflich feingefiltert
zur Krönung die Sonne, mitten hinein, gerade so hinein, wie sie das sonst um diese Jahreszeit
eigentlich nur an diesem Felsen bei Gibraltar tut, dort wo John Lennon und Yoko Ono gehei-
ratet haben und das, das Scheinen, tut sie den ganzen Tag schon wie ein nicht mitgeschnittenes
Konzert auf Radio Eins, Radio France Radiowecker, frère Jacques, frère Jacques, und es ließen
sich EU-weit geltende, genaue Messungen vornehmen; einziger offiziell gesicherter Schnipsel
im Protokoll bleibt jedoch, in dem Zimmer mit der Palme, eine Schere und es wäre endlich
getan, folgender Satz:
„Marktclown Futur zwei“.
Das zumindest gab ich offenbar um 7 Uhr 21 als Notiz in mein Handy ein und schlief danach
wieder ein, vermutlich nur für ein paar Minuten, welche aber ausreichten, mich den Zusam-
menhang völlig vergessen zu lassen.
Jetzt wäre ich eigentlich so weit, den ganzen Rest zu erwähnen, der hier eigentlich den Haupt-
teil bilden sollte. Als da wären: mein Geburtstag, und zwar der 25. Dann eine ganze Reihe
Gespräche und eines davon auf dem Balkon, Alkohol und als Geschenk einen Traum von einer
Marktclown Futur II - Claas Greite8.2
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de28
Marktclown Futur II - Claas Greite8.3
Rasierklinge, alter Schulfreund und das gleich mehrmals, auf die alten Tage zusammen, und
natürlich habe ich dann auch eine bestimmte Person wieder getroffen. Wir haben über das
Berliner Studentendings geredet und über den Kirchentag, und über Berlin, die einzige Stadt,
die, und dann wieder darüber, wie schade alles ist, z.B. auch, dass das mit unserer Reise nicht
mehr geklappt hat. Wir wollten ja nach Rügen, aber damit kann ich jetzt natürlich nicht mehr
kommen. Wir könnten aber mal zusammen in die Nationalgalerie gehen. Oder an den Heili-
gensee nach Potsdam fahren. Typisch deutsch, diese ganzen Nackten. „Jetzt geht der Zirkus
wieder los“, dachte ich, und das war eigentlich die Idee: Also ich meine: altes Zelt, neue Vor-
stellung, bzw., alte Vorstellung, neuer Ort. So ähnlich zumindest. Aber ganz im Ernst, das war
gestern, und seit wir darüber geredet haben, geht mir das Ganze schon wieder nicht mehr, keine
Sekunde mehr aus dem Kopf. Du weißt schon. Und die ganzen Geschenke, von Verwandten
etc., die habe ich noch nicht einmal ausgepackt.
29Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de30
Roy Black, der Schlagersänger, der immer Rolling-Stones-Lieder singen wollte, sich jedoch
selbst daran hinderte und daran gehindert wurde, bis er mehrmals von der Bühne fiel, vor seinem
überalterten Publikum, sehr wahrscheinlich in Heilbädern, Urlaubs- und Erholungsorten mit
Bindestrichen –
der Regen an der Scheibe, Fäden, die in der Sonne glänzen, von mir betrachtet und getrennt
durch zwei Hüllen und eine Luftschicht, die für ideales Klima sorgt – die Innenhaut aus dünnem
Stoff, gehalten von gelben Streben wie in Science- Fiction-Filmen mit stark geschminkten
Frauen in knappen Kleidern, dazu ein Ventilatorengeräusch aus dem PC fünf Plätze weiter
– Teilgebiete der Orthopädie, nicht jedoch nach Plastiksubstanzen riechende Skelette, von
hundert Kinderfingern betastet, auch keine morschen Holzbohlen und kein Keller unter dem
Schulgebäude, nur Roy Blacks Abschied: eine winkende Knochenhand, winkend in Dunkelheit
und Stille, da nicht paint it black ertönt und die Hand nichts hält, nur winkt und dabei grün
leuchtet wie Phosphor, oder eher ein Kindertatoo, Aufkleber für den Bettpfosten, and when
in 1912 I came back to New York, I was thrilled to find America so rich with so many motives
to be translated, eine neue Welt aus Lichtern und Stahl, Röntgenplatten ohne finsteren Kern,
jetzt Schnee, die Rasenfläche bald ausgemalt und das alles, trotz des Grüns, ohne hässlichen
Vorschulgeschmack–
Paint It, BlackAuf die Philologische Bibliothek der FU Berlin
Claas Greite
Paint It, Black - Claas Greite9.1
31Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de32
Sehr geehrte Max Planck Gesellschaft, ... - Marius Schmidt10.1
Sehr geehrte Max Planck Gesellschaft, ...
Marius Schmidt
33Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de34
Sehr geehrte Max Planck Gesellschaft, ... - Marius Schmidt10.2
35Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
Sehr geehrte Max Planck Gesellschaft, ... - Marius Schmidt10.3
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de36
Sehr geehrte Max Planck Gesellschaft, ... - Marius Schmidt10.4
37Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
Sehr geehrte Max Planck Gesellschaft, ... - Marius Schmidt10.5
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de38
Sehr geehrte Max Planck Gesellschaft, ... - Marius Schmidt10.6
39Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de40
I Routine im Spiegel
morgens
erkennst Du
Dich wieder einmal
nicht
II Überraschung im Spiegel
morgens
erkennst Du
Dich
III Kreislauf im Spiegel
morgens
erkennst Du Dich
erkennst Du Dich
erkennst Du Dich
etc.
Badezimmerwähle Wolke sieben
Badezimmer - Bernd LaCage11.1
Bernd LaCage
IV Duell im Spiegel
erkennst Du Dich
V Fernsehen im Spiegel
morgens
wünschst Du Dir
VI Beschlagen der Spiegel
morgens
nach dem Duschen
41Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de42
43Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
HerausgeberPascal Richter e.V.
Elbestraße 30
12045 Berlin
RedaktionTill Greite
tg@pascalrichter.de
GestaltungMarius Schmidt
ms@pascalrichter.de
Werbung / VertriebTimo Laubenberger
tl@pascalrichter.de
TextbeiträgeBernd LaCage, Till Greite,
Claas Greite
BildbeiträgeMarius Schmidt
CoverfotoMarius Schmidt
Jack the RipperDumachst zu.
Er macht auf.Bernd LaCage, Berlin 2006
www.pascalrichter.de
www.issuu.com/pascalrichter
Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de44
Erscheint am 22. Juli 2010:
45Pascal Richter #0 „The great Escape“ www.pascalrichter.de
Paradise CityPascal Richter
Ausgabe #1 Juli_2010 www.pascalrichter.de
Recommended