Grundlagen Sucht - ZI: ZI Mannheim · Häufigkeit von Alkoholproblemen 1,3 Mio. Riskanter Konsum...

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Prof. Dr. med. Derik Hermann

Klinik für Abhängiges Verhalten

und Suchtmedizin

Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI),

Mannheim

Grundlagen Sucht

Themen

Diese Vorlesung:

– Grundlagen

– Behandlung der Sucht

– Cannabis

Häufigkeit von Alkoholproblemen

1,3 Mio.

Riskanter Konsum

Schädlicher Gebrauch

Alkohol-Abhängigkeit

D

2 Mio.

6 Mio.

Gesamtsumme von ca 10 Mio. Betroffener oder Gefährdeter

Erreichbarkeit von Personen mit

substanzgebundenen Störungen

• Alkohol: 1,3 Mio. Abhängige 405.000 Behandlungen = 31,2%

• Hypnotika und Sedativa: 380.000 Abhängige 9.000 Behandl. = 2,4%

• Cannabis: 220.000 Abhängige 25.800 Behandlungen = 11,7%

• Andere Drogen:180.000 Abhängige 95.000 Behandlungen = 52,8%

• Opiate:138.000 Abhängige vs 103.000 Behandlungen = 74,6%

• Prozentsatz derjeniger, die eine Abhängigkeit entwickeln, nachdem sie

jemals eine Substanz konsumiert haben (Hall et al. 2015):

Küfner H (2010) Cannabis 9%

Nikotin 32%

Heroin 23 %

Kokain17%

Alkohol 15%

Stimulantien 11%

Riskanter Alkohol-Gebrauch

zukünftige Gesundheitsschädigung wahrscheinlich

- aktuell noch keine Schädigung

- WHO: Frauen ≥ 20g Alk./Tag, Männer ≥ 30g Alk./Tag

Berechnung:

- Alkohol wird in Volumenprozent angegeben, z.B. Bier 5%, d.h. 1 L Bier = 50 ml reiner Alkohol.

- Alkohol ist leichter als Wasser (80% des Gewichts)

- 50 ml reiner Alkohol minus 20% = 40 g Alkohol/1L Bier

Wann ist Trinken ein Risiko?

Ein „schädlicher Gebrauch“ (F10.1) liegt vor bei

Gesundheitsschädigungen infolge Alkoholkonsums

Psychische Gesundheitsschädigung

• (z.B. kognitive Störung oder depressive Episode)

Physische Gesundheitsschädigung

• (z.B. Gastritis oder Pankreatitis)

• Kriterien einer Abhängigkeit werden nicht erfüllt.

Abhängigkeit Drei oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig

während der letzten zwölf Monate erfüllt.

6. Anhaltender Alkoholkonsum trotz schädlicher Folgen

5. Einengung auf den Alkoholkonsum, Verlust anderer Interessen

2. Verminderte Kontrolle über den Alkoholgebrauch

1. Starkes Verlangen / Zwang, Alkohol zu konsumieren

3. Toleranzentwicklung

4. Körperliches Entzugssyndrom

Vereinbarung zwischen Kranken- u. Rentenversicherung:

• Eine akute körperliche Entgiftung wird von der Krankenkasse

übernommen (<5 Tage)

• Eine qualifizierte Entzugsbehandlung (incl.körperliche Entgiftung

+ psycholog. Programm) wird ebenfalls von der Krankenkasse

übernommen (21 Tage)

• Die Behandlung der Abhängigkeit erfolgt als Reha durch die

Rentenversicherung = Langzeittherapie = Entwöhnungsbehandlung

(4 Monate stationär) (Pat muss entgiftet kommen)

• Problem: Reha-Antrag kompliziert, kann nur durch Sozialarbeiter

einer Suchtberatungsstelle gestellt werden, mit Sozialbericht,

ärztlichem Bericht, Lebenslauf

• Suchtberatungsstelle in jeder Stadt/Gemeinde

• Antragstellung dauert 2-4 Wo, Bearbeitung Rentenversicherung 1-3

Monate, Wartezeit bis Aufnahme 1-4 Wo, Summe mind. 2 Mon

Behandlungspfade

Körperl. Entgiftung <5d

Suchtberatungsstelle Entwöhnungsbehandlung =

Langzeittherapie

Qualifizierte Entzugsbehandlung =

Körperl. Entgiftung + psycholog.

Programm, 21d stationär

Suchttagesklinik

Selbsthilfe

gruppen

Hausarzt

Psychotherapie

Die körperliche Entgiftungsbehandlung

• Im Zentrum der Behandlung steht die Akutbehandlung des

Abhängigkeitssyndroms und möglicher Komplikationen

• Alkoholrelevante Begleit- und Folgeerkrankungen werden behandelt

Ziele der Behandlung:

Langzeiteffekte der körperlichen Entgiftungsbehandlung

Wieser und Kunad (1965):

nach 5 Jahren 95% rückfällig

Fleischmann (2001):

nach 600 Tagen 95% rückfällig

Shaw et al., (1998):

nach sechs Monaten 88% der Patienten rückfällig

Loeber et al. (2009):

77% der Patienten nach 2 Monaten rückfällig

Die körperliche Entgiftungsbehandlung

6 Monate

1.410

67%

Stationäre Entwöhnungs-

behandlung

4 bis 6 Monate

(21 Kliniken)

1 Jahr

3.060

60%

Stationäre Entwöhnungs-

behandlung

6 Monate

Abstinenzrate

Anzahl der

Patienten

der Zeitpunkt

Nachuntersuchung

Behandlung

Stationäre Langzeittherapie

Küfner & Feuerlein 1989

Stationäre

Langzeittherapie

Zemlin et al. 1999

K. Mann Deutsches Ärzteblatt (2002)

Ergebnisse nach stationärer

Entwöhnungsbehandlung I

Sozialmedizinischer Verlauf zwei Jahre nach

stationärer Rehabilitation BfA 1999 Reha-Indikationen im Vergleich (n=255.625),

Anteil der im Erwerbsleben Verbliebenen

79%

64%

75%81% 83%

89%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

1 2 3 4 5 6Alle BfA-

Rehab.

Karzinom-

Maßnahmen

Kardiol.

Reha

Psych. Reha Orthopäd.

Reha

Sucht

Bei der Qualifizierten Entzugsbehandlung

gibt es keine

• Selektion

• abwehrenden Aufnahmeprozeduren

• abwertende Konfrontation

• motivationsprüfende Schwellen

Dauer 3 – 6 Wochen, stationär, teilstationär, ambulant.

Woche 1: Themenbereich „Die Entwicklung der Abhängigkeit“ • Informationsgruppe: Abhängigkeitsentwicklung

• Gruppentherapie 1: Individuelle Entwicklung der Abhängigkeit: Lebenslinie

• Gruppentherapie 2: Konsequenzen des Konsums / der Abstinenz

• Kompetenztraining: Ein typischer Suchttag

Woche 2: Themenbereich „Die abstinente Zukunft“ • Informationsgruppe: Abwehrmechanismen

• Gruppentherapie 1: Abstinente Zukunft: Positive Veränderungen/Probleme • Gruppentherapie 2: Stärkung der Veränderungsmotivation • Kompetenztraining: Erste Schritte zur Vermeidung von Rückfällen

Woche 3: Themenbereich „Veränderungsressourcen“ • Informationsgruppe: Therapieschritte

• Gruppentherapie 1: Persönliche Stärken zur Veränderung

• Gruppentherapie 2: Zufriedene Lebensbereiche als Ressourcen

• Kompetenztraining: Verhalten nach einem Rückfall

Inhalte der psychotherapeutischen Gruppen im stationären Bereich

Die qualifizierte Entgiftungsbehandlung

Veltrup

1995

Stetter & Mann

1997

Bauer &

Hasenöhrl 2000

Behandlung 6 Wochen

Suchtstation

3 Wochen

Suchtstation

4.8 Wochen

Suchtstation

Nachunter-

suchung 8 Monate 8 Monate 28 Monate

Patienten 196 529 92

Durchführung persönlich telefonisch postalisch

Abstinenz erreichte

Patienten 58 % 52 % 51 %

Abstinenz alle

Patienten 38 % 46 % 32 %

Ergebnisse nach Qualifiziertem Entzug I

K. Mann Deutsches Ärzteblatt (2002)

24.10.2016

Studie „Predict“ des Ba-Wü Suchtforschungsverbundes, Mann et al. 2012

1 Jahr

Ein Vergleich der qualifizierten Entzugsbehandlung (QE) mit einer

herkömmlichen körperlichen Entgiftungsbehandlung (KE)

(Loeber et al. (2009)

SHG APT TSB/SB0

20

40

60

80

100

QEKE

****

*Pro

zen

t

Die qualifizierte Entgiftungsbehandlung

Selbsthilfegruppe

Ambulante

Psychotherapie

Suchtberatung

Etablierte Behandlung von Alkoholproblemen für alle

Altersgruppen (Meta-Analyse Miller et al. 2003)

1. Kurzintervention

2. Motivationsverstärkende Therapie

3. Acamprosate

4. Community Reinforcment

5. Self-change manual

6. Naltrexone

7. Behavioral self-control training

8. Behavior contracting

9. Social skills training

10. Behavioral marital therapy

Was ist das? • keine Psychotherapie i.e.S.

• beratender Charakter, mehr als einfacher Ratschlag

• Motivation zur Verhaltensänderung

Wirksamkeit - Info, Aufklärung und Ratschlag bis 30 Min Dauer:

50% reduzieren Alkoholkonsum

- Kurzintervention / brief intervention:

Effekte nach 48 Monaten noch nachweisbar

Übersicht: Küfner H: Ergebnisse von Kurzinterventionen und Kurztherapie bei Alkoholismus – ein Überblick.

Suchtmedizin 2000; 181-192

Ärztliche Kurzintervention

brief intervention

Cannabis

Cannabis und Abhängigkeit

• Weitgehend unbestritten, Kriterien siehe ICD-10 und DSM-IV

• In USA von 1993 bis 1999 Anzahl der Cannabisabhängigen

verdoppelt auf N = 232.105

• Prävalenz der Cannabisabhängigkeit in Deutschland ca 0,5%

der 18-64 Jährigen (epidem. Suchtsurvey 2012, Kraus et al. Sucht 2013)

• Ca 10% der täglichen Cannabiskonsumenten sind abhängig (Murray et al. 2007)

• Prozentsatz derjeniger, die eine Abhängigkeit entwickeln, nachdem sie

jemals eine Substanz konsumiert haben (Hall et al. 2015)

Cannabis 9%

Nikotin 32%

Heroin 23 %

Kokain17%

Alkohol 15%

Stimulantien 11%

Cannabis

Blüten (Grass, Marihuana) des indischen Hanfs (Cannabis sativa),

oder Harz (Haschisch)

1964 Identifizierung von Delta-9-Tetrahydro-cannabinol (THC)

zweithäufigster nicht psychotroper Inhaltsstoff: Cannabidiol

Entdeckung der CB1-Rezeptoren (1988; Gehirn) und CB2-

Rezeptoren (1993; hämatopoetischen Zellen und Milz)

Entdeckung der endogenen Cannabisrezeptorliganden Anandamid

(1992) und 2-AG (Arachidonylglycerol; 1995)

Wie wirkt Cannabis im Gehirn?

Glutamat ist der häufigste

Neurotransmitter im Gehirn

Zu viel Glutamat

im synaptischen

Spalt schädigt

Nervenzellen

(Excitotoxizität)

Endocannabinoide

• von der Postsynapse ausgeschüttet

• wirken retrograd

• präsynaptischen Hemmung der Ausschüttung von anderen

Neurotransmittern

• hemmen die Nervenzellübertragung (Wilson & Nicoll 2001 in Nature)

• Durch Reduktion des synaptischen Glutamates ev. neuroprotektiv?

• Hemmung von inhibitorischen GABAergen Neuronen ev. erregende

Gesamtwirkung

Wirkung von Cannabis

Endocannabinoide schützen das Gehirn vor Übererregung

Forschung zu Neuroprotektion bei ischämischem Schlaganfall,

M.Parkinson, Multiple Sklerose, Neurodegenerative Erkrankungen

Verlangsamung zentralnervöser Vorgänge, Sedierung, „High“-

Gefühl, Antriebsminderung, Gleichgültigkeit, psychomotorische

Hemmung, Feinmotorikstörung

Reduzierter Speichelfluss, niedriger Blutdruck, Herzrasen,

Schmerzreduktion (z.B. Calignano et al. 1998 in Nature)

Erhöhte Aktivität Hungerzentrum ("Heißhunger“) (DiMarzo et al.

1998 in Nature)

Endocannbinoide vermitteln Schlaf-Induktion (Mechoulam et al.

1997 in Nature)

Löschen von unangenehmen Erinnerungen: Könnte hilfreich sein

bei Traumata, Schmerzen, Depressionen (Marcicano et al. 2002)

Gesundheitsschäden durch Cannabis

Was ist neu? – aktuelle Studienergebnisse

• Psychose

• Neuropsychologische Defizite

• Abhängigkeit

• Angsterkrankungen

• Unfälle

• Tabakbedingte Schäden: Lungenfunktion, kardiovaskuläre Erkrankungen

• Gesundheitsschäden abhängig von Dosis, Frequenz, THC- und Cannabidiol Gehalt, Beimischungen

Was ist eine Psychose?

Was ist eine Psychose?

Was ist eine Psychose?

Was ist eine Psychose?

Leitsymptome Psychose:

• Akustische Halluzinationen (Stimmenhören)

• Wahn (z.B. Verfolgungswahn)

• Formale Denkstörungen (z.B. Gedankenabreißen)

Cannabiskonsumenten entwickeln häufiger eine

Psychose als Nicht-Cannabiskonsumenten

Aus Murray et al. Nature Reviews Neuroscience 2007

Problem: Gemeinsame psychosoziale Risikofaktoren

für Psychose, neuropsycholog. Defizite und Cannabis

• Niedrige Bildung, niedriges Einkommen

• Arbeitslosigkeit, keine Ausbildung

• Hoher Mediengebrauch, wenig Sport

• Körperliche und psychische Erkrankungen

• Gewalterfahrung, Psychische Traumata in der Kindheit

• Konsum von Alkohol, Tabak und Drogen

→ Höheres Risiko für Cannabiskonsum

→ Höheres Risiko für Psychose

→ Höheres Risiko für neuropsychologische Defizite

→ Hohe Anfälligkeit für politisch liberale oder konservative Verzerrung

→ Ist Wissenschaft objektiv und neutral?

Problem: Gemeinsame psychosoziale Risikofaktoren

für Psychose, neuropsycholog. Defizite und Cannabis

Systematischer Review zum Thema Cannabis und Psychose

(Moore et al. Lancet 2007)

• 35 Studien

• 60 potentielle Einflussfaktoren wurden kontrolliert

• 41 % erhöhtes Risiko für Psychose, falls jemals Cannabis

konsumiert wurde

Cannabis und Psychose: Genetik

AKT1-Gen und Cannabis-Psychose (Van Winkel, Arch Gen Psychiatry 2011, Di Forti et al. Biol

Psychiatry 2012)

Cannabis und Psychose: kausaler Zusammenhang?

Aktuelle Studie von Power et al. 2014 (Mol Psychiatry):

Dieselben Gene, die das Risiko für Psychose erhöhen, erhöhen auch die

Wahrscheinlichkeit, überhaupt Cannabis zu konsumieren und größere

Mengen Cannabis zu konsumieren (jedoch nur kleine Varianzaufklärung).

Nicht: „Cannabis führt zur Psychose“, sondern „Psychose-Risiko führt zu

Cannabiskonsum“

Etwa die Hälfte der Patienten mit Cannabis-

induzierter Psychose entwickeln Schizophrenie

N = 18.478 Patienten wegen einer Cannabis induzierten

Psychose von 1987-2003 stationär in Finnland behandelt und

je acht Jahre nachverfolgt:

• 46% entwickelten eine Schizophrenie

Zum Vergleich:

• Bei Amphetamine-induzierter Psychose waren es 30%,

• Bei Alkohol-induzierter Psychose 5%

Niemi-Pynttäri et al. J Clin Psychiatry. 2013

Macht Cannabis dumm? (Wie kann man das nachweisen?)

• N=1037 Personen des Geburtsjahrgang 1972/73 nachverfolgt

• Cannabiskonsum erhoben in Interviews im Alter von 18, 21, 26, 32, und 38

• Intelligenztests im Alter von 13 J. und 38 J

Meier et al. PNAS 2012

• Alter

• Ausbildung

• Muttersprache

• Mediengebrauch

• Stress

• Einkommen

• …..

Neuropsychologische Defizite durch Cannabiskonsum

Beginn als Jugendlicher Beginn als Erwachsener

Aktuell: Aktuell:

Neuropsychologische Defizite durch Cannabiskonsum Meier et al. PNAS 2012

• Fortgesetzter Cannabiskonsum war assoziiert mit Verminderung kognitiver

Leistungen (IQ)

• Defizite nur bei frühem Beginn (< 18 J.), die sich bei andauerndem Konsum

weiter verschlechterten und sich bei Abstinenz nicht völlig zurückbildeten

• Keine Defizite bei Beginn des Cannabiskonsums im Erwachsenenalter

• „In fact, adult-onset cannabis users did not appear to experience IQ decline as

a function of persistent cannabis use.“

Einteilung des Cannabiskonsums in nie, weniger als monatlich, mehr als monatlich,

mehr als wöchentlich, täglich

Tägl. Cannabiskonsum vor 17 J. erhöht das Risiko

• des Schulabbruchs um 64%,

• einer Cannabisabhängigkeit um Faktor 18

• einer Abhängigkeit von anderen Drogen um Faktor 8

• von Suizidversuchen um Faktor 8

Zusammenfassung von 3 longitudinalen Studien (N=3765) aus

Australien und Neuseeland (Silins et al. Lancet Psychiatry 2014)

Einteilung des Cannabiskonsums in nie, weniger als monatlich, mehr als monatlich,

mehr als wöchentlich, täglich

Tägl. Cannabiskonsum vor 17 J. erhöht das Risiko

• Schulabbruch bei 63% (von N=48, versus 20% Schulabbruch bei Nie-Cannabis)

• einer Cannabisabhängigkeit um Faktor 18 (55% von N=42 versus 4% bei Nie-Can.)

• Gebrauch anderer Drogen um Faktor 8 (31% von N=49 versus 9% bei Nie-Can.)

• von Suizidversuchen um Faktor 8 (4% von N=45 versus 2% bei Nie-Can.)

Problem: Nur N=50 täglicher Cannabiskonsum, Ca. N=190-230 wöchentlich oder

öfters;

• des Schulabbruch bei 53% (statt 63%)

• einer Cannabisabhängigkeit um Faktor 9 (statt18)

• Gebrauch anderer Drogen um Faktor 4,7 (statt 8)

• von Suizidversuchen um Faktor 4 (statt 8)

Zusammenfassung von 3 longitudinalen Studien (N=3765) aus

Australien und Neuseeland (Silins et al. Lancet Psychiatry 2014)

Junges Alter bei Beginn des Cannabiskonsums als

Risikofaktor für Psychosen

Arseneault et al. 2002 BMJ

• N=759 Personen,

• Häufiger Schizophrenie im Erwachsenenalter, wenn Cannabiskonsum mit 15 J.

begonnen wurde im Vergleich zu 18 J.

Schimmelmann et al 2011, Schizophr Res

• N=625 first-episode psychosis (FEP) patients

• Nur Cannabiskonsum vor dem Alter von 14 J. war mit einem früherem Auftreten

von Psychosen assoziiert

Gründe, warum Cannabiskonsum bei Jugendlichen

schädlich ist

Umbau des Gehirns während der Pubertät wird durch Endocannabinoide

gesteuert

• Bildung, Reifung und Wanderung neuer Nervenzellen im Gehirn

• Wachstum von Axonen

• Entwicklung der Glia

• Positionierung inhibitorischer GABAerger und exzitatorischer

glutamaterger Neurone

Cannabiskonsum stört diesen fein gesteuerten Umbauprozeß

Pfeilspitze: hier wird eine der

folgenden 3 Substanzen appliziert

DMSO = dimethyl sulfoxide:

Kontrollsubstanz ohne Einfluss auf

Wachstum eines Nervenzellausläufers

BDNF = brain derived neurotrophic

factor: Wachstumshormon für

Nervenzellen

WIN = synthetic CB1 Rezeptor agonist

WIN55,212-2

Berghuis et al., Science 2007

Folgerung: Cannabiskonsum ist mit

gesundheitlichen Risiken verbunden

Ziel: Cannabiskonsum so gering halten wie möglich, darüber

besteht Einigkeit bei Befürwortern und Gegnern einer

Legalisierung

Forderung: Jugendschutz muss gewährleistet sein

Fragen: Führt der jetzige Umgang mit Cannabis zu weniger

Gesundheitsschäden als ein kontrollierter legaler

Verkauf?

Wird ein Jugendschutz besser durch legalen Verkauf von

Cannabis gewährleistet oder durch ein Verbot?

Hypothese: Verbot fördert gesundheitsschädliche

Konsumformen von Cannabis.

Cannabis-Konsumtrends

• höheres THC und niedrigeres Cannabidiol in neueren Cannabissorten

• pseudo-legale synthetische Cannabinoide in „Spice“-Produkten

• Meldungen von mit Blei gestreckten Cannabisprodukten

Deutsches Ärzteblatt 31.10.2008

Cannabidiol (CBD) kompensiert die Wirkung von THC

• CBD nicht psychotrop wirksam, aber neuroprotektive Eigenschaften

• CBD zeigt antipsychotische, anxiolytische und antidepressive

Eigenschaften

• Eine Vorbehandlung mit CBD verhinderte die Induktion psychotischer

Symptome durch THC (Bhattacharyya et al. 2010).

• Hippocampus Schrumpfung bei Cannabiskonsum: Je höher THC, je

niedriger CBD

Demirakca, …, Hermann et al. Drug and Alc Dep 2011 EMCDDA Paper Award 2012

THC/CBD

neg Korrel.

CBD pos.

Korrel.

Höheres THC und niedrigeres Cannabidiol in neueren

Cannabissorten

Volkow et al. NEJM 2014

USA

PIJLMAN et al. Add Biol 2005

%

Höheres THC und niedrigeres Cannabidiol in neueren Cannabissorten

Höheres THC und niedrigeres Cannabidiol in neueren

Cannabissorten

Seite 53

Italien

Zamengo et al 2014

Cannabis-Konsumtrends: Räuchermischungen

• 2008 Aufkommen von Räuchermischungen mit synthetischen

Cannabinoiden („Spice“)

• Regelmäßige Verbote durch Aufnahme ins BtmG, aber jeweils rasch

neue Produkte mit anderen synthetischen Cannabinoiden

• Enthalten kein Cannabidiol, daher potentiell schädlicher als Cannabis

• Kein Nachweis im Urin in üblichen Drogentests möglich

• Preise entsprechen in etwa den Schwarzmarktpreisen für Cannabis

• Meist 4-8-fach stärkere Wirkung als Cannabis, aber einzelne Produkte

mit mehr als 100-facher Wirkstärke

• Mehr Überdosierungen

Cannabis-Konsumtrends: Räuchermischungen

• 24.08.13 - 19.09.13 wurden 76

Patienten mit Intoxikation eines

synthetischen Cannabinoids

(„Black mamba“) in die

Notaufnahme in Denver und Aurora

eingeliefert,

• 7 Patienten mussten auf die

Intensivstation aufgenommen

werden

4 Fälle mit Psychose, Aggression, Koma, Erbrechen, epileptische

Anfälle – Behandlung auf Intensivstation notwendig

Cannabis-Konsumtrend hin zu mehr gesundheits-

schädigenden Cannabisprodukten

Höherer THC-Gehalt

Niedriger Cannabidiol-Gehalt

Synthetische Cannabinoide

Gesundheitschädliche Beimischungen (Blei)

Folgen der Prohibition ?

Analogie zur Alkoholprohibition: Whiskey statt Bier ?

Folgerung: Cannabiskonsum ist mit

gesundheitlichen Risiken verbunden

Ziel: Cannabiskonsum so gering halten wie möglich, darüber

besteht Einigkeit bei Befürwortern und Gegnern einer

Legalisierung

Forderung: Jugendschutz muss gewährleistet sein

Prohibition verstärkt gesundheitsschädliche Konsumformen

(Hoher THC Gehalt, wenig CBD, Verunreinigungen,

synthetische Cannabinoide)

Contra Legalisierung

„Durch das Verbot von Cannabis wird die

Verfügbarkeit reduziert“

Kosten - Nutzen: Wahrgenommene Verfügbarkeit

60

Quelle: Eurobarometer Juni 2014

0 20 40 60 80 100

Heroin

Kokain

XTC

Cannabis

NPS

2014

2011

Verfügbarkeit als

Leicht oder sehr

leicht eingeschätzt

(15-24 Jährige)

Folie übernommen von Roland Simon, EMDCCA

Contra Legalisierung

„Cannabis ist gesundheitsschädlicher als

Alkohol“

Einschätzung der Gefährlichkeit verschiedener

Substanzen durch Experten

Amsterdam et al. EurAddRes 2010

Vergleich Alkohol Cannabis

74.000 Todesfälle (DHS) ev. 2 Todesfälle

Hirnatrophie mit neurologischen Defiziten und Ataxie, FAS

Polyneuropathie, Wernicke-Korsakov Syndrom,

Abhängigkeit, Alkoholhalluzinose, Suizide,

Aggression, Unfälle (Frakturen, Hirnblutungen),

Kardiomyopathie (art. Hypertonie, Herzinsuffizienz)

Herzrhythmustrg. (z.B. VHF)

Pankreatitis (Diabetes mell), Gastritis, GI Blutung

Leberzirrhose, ev. Ösophagusvarizen, Gerinnungsstrg

Knochenmarksdepression (Anämie, Panzytopenie)

Arteriosklerose, Psoriasis, Karzinome z.B. HNO

Bereich

Risiko für Autounfälle um Faktor 6-11 erhöht

Psychose

Neuropsych. Defizite

Abhängigkeit

Unfälle

Tabakbedingte

Schäden:

Lungenfunktion,

kardiovaskuläre

Erkrankungen

Risiko für Autounfälle

um Faktor 2 erhöht

Risikoeinschätzung Bevölkerung (15-24 Jahre)

64

0 20 40 60 80 100

Alkohol 1-2 Mal

Alkohol regelmäßig

Cannabis 1-2 Mal

Cannabis regelmäßig

2014

2011

Quelle: Eurobarometer 401 (2014)

Folie übernommen von Roland Simon, EMDCCA

Akzeptanz der Verbots (15-24Jährige)

65

In der EU sollten verboten sein ….

Quelle: Eurobarometer

0 20 40 60 80 100

Heroin

Kokain

XTC

Cannabis

Tabak

Alkohol2008

2011

2014

Folie übernommen von Roland Simon, EMDCCA

Contra Legalisierung

„Abschreckende Wirkung des Strafrechts

reduziert den Konsum von Cannabis;

Höhere Strafe = weniger Konsum“

(Quelle EMCDDA Jahresbericht 2012/ Statistical Bulletin)

Kosten – Nutzen: Strafandrohung und Cannabiskonsums

Strafe reduziert Strafe erhöht

Jahre vor/nach Änderung

Folie übernommen von Roland Simon, EMDCCA

EMCDDA, European Monitoring Centre for

Drugs and Drug Addiction

ALICE RAP

(Addictions and Lifestyles in Contemporary Europe –

Reframing Addictions Project)

Five‐year €10‐million co‐financed EU project

Ziele

1. Wissenschaftliche Erkenntnisse in die Politik bringen, um

Diskussionen zu befruchten

2. Aktuelle und zukünftige Ansätze zur Drogenpolitik

debattieren

3. Entwicklung effektiver Interventionen

Zusammenfassung

• Cannabis-Risiken umfassen Psychosen (abhängig v. individ.

Risiken/Genen), Abhängigkeit (10% bei tägl. Konsum) und kognitive

Defizite (bei Beginn als Jgl.) Cannabis ist nicht harmlos

• Risikanter Trend zu hohem THC-Gehalt, niedrigem CBD-Gehalt und

synthetischen Cannabinoiden Prohibition fördert

gesundheitsschädliche Konsumformen

• Cannabis ist vor allem schädlich, wenn der Konsum vor Abschluss

der Hirnentwicklung begonnen wird Kann Jugendschutz durch

staatlich kontrollierten Verkauf besser gewährleistet werden?

• Ziel: Konsum gering halten

• Können Gestaltungsmöglichkeit einer möglichen Legalisierung

unter Public Health Aspekten genutzt werden?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!