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Die neue Ausgabe des Film-Dienst, ab 10. Mai am Kiosk.
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Alle Kinofilme vom 10.5. und 17.5. Alle Filme im Fernsehen
Offene Sichtweisen / Heidi Specogna Neue griechische Welle / GoEast
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ATTENBERG
REIHE „OFFENE SICHTWEISEN“ (Ort: Kino Atlantis) Donnerstag, 17. Mai 14.30 h Shahada 17.00 h Endstation der Sehnsüchte 21.00 h Crossing the Bridge Freitag, 18. Mai 14.30 h Sascha 17.00 h Geliebtes Leben 21.00 h Almanya – Willkommen in Deutschland Samstag, 19. Mai 14.30 h Das Sandmännchen – Abenteuer im Traumland 17.00 h Ayla 21.00 h The Green Wave REIHE „KIRCHLICHE PREISTRÄGER“ (Ort: Kino Odeon) Donnerstag, 17. Mai 17.00 h Von Menschen und Göttern 21.00 h Meek’s Cutoff Freitag, 18. Mai 17.00 h Blinder Passagier 21.00 h Bein Hashmashot Samstag, 19. Mai 17.00 h Parked 21.00 h Post für Pater Jakob
REIHE „ACROSS THE BORDERS“ (Ort: Cinema Quadrat) Donnerstag, 17. Mai, 21.00 h Nathan der Weise Freitag, 18. Mai 21.00 h Sonnensystem Samstag, 19. Mai 21.00 h Das Turiner Pferd „Offene Hörweisen“: JAZZ-KONZERTE Donnerstag, 17. Mai, 20 h LebiDerya Oriental Jazz Impressions Freitag, 18. Mai, 20 h Dieter Ilg & Wolfgang Muthspiel: „Duets“ Samstag, 19. Mai, 20 h Angelika Niescier SUBLIM
Der FILM-DIENST präsentiert (in Zusammenarbeit mit dem Film-
festival Mannheim-Heidelberg sowie dem Katholischen Filmwerk)
ein speziell für den 65. Katholikentag in Mannheim kuratiertes
Filmprogramm. Die ausgewählten Filme kreisen um eine lebendi-
ge Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen, ethischen
und spirituellen Themen. „Offene Sichtweisen“ präsentiert er-
frischende Perspektiven auf „Integration“ und „Multikulturalität“
– mit Filme junger deutscher Regisseure, die sich zwischen un-
terschiedlichen Kulturkreisen bewegen. „Kirchliche Preisträger“
zeigt Filme, die auf Filmfestivals ausgezeichnet wurden; „Across
the Border“ befasst sich mit dem „Kino als Grenzerfahrung“ und
zeigt Filme, die auch formal die Grenzen des gewohnten Filmse-
hens sprengen. Im Vorprogramm sind Kurzfilm aus dem Pro-
gramm des Katholischen Filmwerks (Frankfurt) zu sehen
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D A S F I L M P R O G R A M M
I N H A L T 1 0 / 2 0 1 1
ALLE NEUEN KINOFILME VOM 10.5. UND 17.5.2012
4 magazin thema: Offene Sichtweisen 6 Bunte Republik Deutschland Das Deutsche Kino und die Vielfalt der Kulturen Von Rüdiger Suchsland 10 Zehn „deutsch plus“-Filmemacher Von Rüdiger Suchsland 10 Ali Samadi Ahadi 11 Pia Marais 12 Emily Atef 13 Aylin Tezel 13 Cho Sung-hyung 14 Ana-Felicia Scutelnicu 15 Sophie Heldmann 15 Stipe Erceg 16 Sarika Hemi-Lakhani 16 Cyril Tuschi kino 18 Afrika im Nirgendwo Aktuelle Spielfilme über den „schwarzen Kontinent“ Von Marcus Seibert politik 20 Halbe Wahrheit Deutscher Filmpreis 2012 Von Horst Peter Koll veranstaltung 22 Vor dunklen Landschaften Das 12. GoEast Festival Wiesbaden Von Wolfgang Hamdorf
34 21 Jump Street 50 Abrir puertas y ventanas (kino schweiz) 38 Archipelago 35 Attenberg 52 Ausgerechnet Sibirien 39 Carte Blanche 46 Die Farbe des Ozeans 40 Die Kunst zu lieben 41 Frankfurt Coincidences 40 Hanni & Nanni 2 52 Das Hochzeitsvideo 37 Jean Tinguely 42 Kill me please 53 Lachsfischen im Jemen 44 Lockout 43 Marley 36 Noordzee, Texas 48 Our Idiot Brother 49 Schildkrötenwut 45 Sound it Out 44 The Lucky One – Für immer der Deine 46 The Substance – Albert Hofmanns LSD 50 Die Vermissten
aus hollywood 24 Zwischen Prometheus und Batman Der Sommer wirft seine Schatten voraus Von Franz Everschor kino 26 Zähne zeigen Das neue griechische Kino Von Esther Buss animationsfilm 29 Mit Monstern auf Augenhöhe Nicht nur Kinderkram: Europäische Animationsspielfilme Von Rolf Giesen dokumentarfilm 30 Der zweite Blick Die Dokumentaristin Heidi Specogna Von Fritz Wolf 32 personen 34 neu im kino 50 kino schweiz 54 neu auf dvd 56 literatur/dvd 57 impressum NEU AUF DVD 54 Enemies of the People 54 Trust 54 Die Zeit, die uns noch bleibt
„The Fall“
„Marley“
10 film-dienst 10/2012
THEMA
Schluss mit lustig! Der Regisseur Ali Samadi Ahadi
Culture Clash könnte man
das nennen, was die Filme
von Ali Samadi Ahadi ver-
bindet. Aber das klänge fast zy-
nisch. Denn Ahadi ist es zwar
gelungen, dass man im Kino end-
lich auch einmal über Multikulti
lacht und nicht nur betroffen
dreinblickt oder irritiert den Kopf
schüttelt; andererseits hat er ei-
nen der schockie rend sten Filme
über die „Grüne Revolte“ 2009
im Iran gedreht sowie einen sehr
traurigen Film über Kindersol-
daten in Afrika. Hochinteressant
sind alle diese Filme, aber sie las-
sen sich nicht über einen Kamm
scheren. Ahadi ist kein 08/15-Fil-
memacher. Schon seine Biografie
ist ungewöhnlich: Mit 13 Jahren
floh er, der 1972 in Täbris im
Iran geboren wurde, aus seiner
Heimat – allein! Die Eltern hat-
ten ihn geschickt, denn Mitte
der 1980er-Jahre, auf dem Höhe-
punkt des iranisch-irakischen
Kriegs, zog man auch Halb-
wüchsige zwangsweise ein. In
Hannover machte er das Abitur,
studierte dann Sozialwissen-
schaft, Design für Elektronische
Medien und als Gaststudent Vi-
suelle Kommunikation mit
Schwerpunkt Film und Fernse-
hen an der Kunsthochschule Kas-
sel. 1997 brach er alle Studien
ab und begann als freier Re-
gisseur, Drehbuchautor und Cut-
ter zu arbeiten. Da gab es bereits
die ersten eigenen Kurzfilme:
„Leipziger Allerlei“ (1992), „Ge-
burtstag mit der Omi“ (1996)
und „Goodbye Matze“ (1998).
Es folgten zwei Dokumentarfil-
me: „Culture Clan“ (2003) über
die Musikszene in Afrika und
„Lost Children“ (2004), der die
Schicksale von vier Kindersol-
daten aus Uganda verfolgt. „Lost
Children“, Ahadis erster Lang-
film, lief im „Panorama“ der
„Berlinale“. Es folgte sein Spiel-
filmdebüt „Salami Aleikum“
(2009) über einen Metzgerssohn
aus Köln, der iranischer Ab-
stammung ist, kein Blut sehen
kann und in die Ex-DDR reist.
Der Film, beim Publikum über-
aus erfolgreich, war dabei auf
subtile Weise sehr politisch: In-
tegrations- und Ostalgie-Ko mödie
zugleich. Dann folgte erneut eine
Kehrtwende: „The Green Wave“
handelt von der manipulierten
Präsidentschaftswahl im Iran im
Juni 2009 und der darauf folgen-
den „Grünen Bewegung“: ein
politisch wie ästhetisch
unkonventionel ler, mutiger Film,
der Archiv material mit State-
ments von Zeitzeugen, Bloggern
und mit langen Animations-
film-dienst 10/2012 11
Das innere Afrika Die Regisseurin Pia Marais
D as wilde Denken, das Chaos, das auf festgefügte Strukturen
trifft und sie verändert, haben es Pia Marais offenkundig be-
sonders angetan. Das habe mit ihrer Herkunft zu tun, räumt
sie freimütig ein. Zwar ist die Kindheit, von der sie in „Die Uner -
zogenen“ (2007) erzählt, noch um einiges anarchistischer als ihre ei-
gene, aber auch ihre Eltern teilten die Erfahrungen jener Generation,
die 1968 die Welt neu erfinden wollte. Pia Marais wurde in den
1970er-Jahren in Johannesburg geboren, als Tochter eines südafri-
kanischen Schauspielers und einer Schwedin, und verbrachte dort Tei-
le ihrer Kindheit. Ansonsten wuchs sie in Schweden und Spanien auf.
Drei Sprachen, drei sehr verschiedene Kulturen. Man merkt ihr und
ihren Filmen diesen Reichtum an Erfahrungen an. Bereits ihr Debüt-
film, der autobiografisch inspirierte „Die Uner zogenen“, wirkte nicht
wie eine der üblichen Studentenarbeiten: ein reifer, überlegter, sehr
facettenreicher Film, der in Rotterdam den „Tiger Award“ gewann
und danach noch weitere Preise erhielt.
Die Erfahrung in Afrika habe sie geprägt, sagt Marais, und erzählt
von der Landschaft, von einer Freiheit, die man sich nicht vorstellen
kann, wenn man in Europa aufwächst. Freiheit prägte auch ihren
weiteren Weg: Pia Marais besuchte eine Waldorfschule und studierte
dann zunächst Bildhauerei und Fotografie in London, Amsterdam und
an der Düsseldorfer Kunstakademie: „Dort stieß ich auf die syn-
taktische Filmklasse. Erzählungen haben mich immer am stärksten in-
teressiert.“ Hier lernte sie auch Deutschland besser kennen und
schätzen. Es folgten die Entscheidung fürs Kino und das Regiestu -
dium an der dffb in Berlin. Produziert hat sie ihre Filme mit der Köl-
ner Firma Pandora, für die sie zuvor schon als Casterin gearbeitet hat-
te, etwa beim wunderbaren deutsch-japanischen Real-Märchen „The
Stratosphere Girl“ von MX Oberg. Ihr zweiter Spielfilm „Im Alter von
Ellen“ schaffte es in den Wettbewerb von Locarno. Jeanne Balibar
spielt die Titelrolle einer sehr individuellen Person, die ihr Leben ver-
ändern will, aber noch nicht weiß, wie, und verschiedene Lebens-
formen gewissermaßen wie Kleider in einer Boutique anprobiert. Ihre
Figur der Ellen vereint Schönheit mit Intelligenz, Komplexität und
Verletzlichkeit mit Stärke. Am Ende des Films ist sie in Afrika und
scheint fast in der Landschaft zu verschwinden, eins zu werden mit
der Natur – ein tiefromantisches Bild. In Afrika spielt auch Marais’
neuer Film, dessen Dreharbeiten gerade beendet wurden. „Layla Fou-
rie“ erzählt von einer jungen, alleinerziehenden Mutter in Südafrika,
die in ein Gewebe aus Misstrauen, Lügen und Angst verwickelt wird.
Wie alle Figuren von Pia Marais zieht es auch diese in ihr ganz per-
sönliches Herz der Finsternis.
passagen mischt, die in ihrer
Machart an „Waltz With
Bashir“ erinnern. Der Film
schaffte es ins deutsche Kino
und zuvor in den Wettbewerb
des Sundance Filmfestivals.
Der Iran lässt Ahadi nicht los,
auch wenn er längst einen deut-
schen Pass hat und mit Frau und
Kind in Köln lebt. Die Annähe-
rung der Filme an seine per-
sönliche Geschichte ist offen-
kundig: „Eine verlo ren ge-
gangene Heimat kann man nur
wiedererlangen, wenn man sie
sich neu erschafft“, sagte Ahadi
anlässlich von „Salami Aleikum“.
Im Juni 2009 lebte er „zwei Wo-
chen im Ausnahmezustand“ und
verfolgte ununterbrochen die Re-
volte im Iran – wie viele Exil-
Iraner (allein im Raum Köln le-
ben 9.000) via Fernseher und In-
ternet. Für Ahadi sind seine Fil-
me auch nicht mit der Premiere
vorbei: Nach „Lost Children“
gründete er eine Hilfs-
organisation, die dem Flüchtlings-
lager im Filme zu Gute kommen
soll. Seit „The Green Wave“ ist
er eine viel gehörte Stimme der
in Deutschland lebenden ira-
nischen Emigration. Er tritt öf-
fentlich für verfolgte Künstler
ein, etwa den Regisseur Jafar Pa-
nahi. Momentan ist er einer der
„Artists in Residence“ am Käte-
Hamburger-Kolleg „Recht als Kul-
tur“ in Bonn. Dort beschäftigt er
sich mit „Demokratischen Bewe-
gungen in der islamischen Welt“.
O F F E N E S I C H T W E I S E N
„The Green Wave“
24 film-dienst 10/2012
AUS HOLLYWOOD
Zwischen Prometheus und DER KINOSOMMER WIRFT SEINE SCHATTEN VORAUS
Im November wird in den USA ein neuer
Präsident gewählt – oder der bisherige
für weitere vier Jahre im Amt bestätigt.
Je nachdem. Schon im Vorfeld haben die
Kandidaten ihr Bestes getan, um politischen
Karikaturisten und Late-Night-Komikern un-
freiwilliges Futter zu liefern. Die Zeiten, als
Hollywood die Präsidentschaftswahlen noch
ernst nahm, sind lange vorbei. Heutzutage
straft man sie entweder mit Nichtbeachtung
oder setzt den Verhöhnungen der Fernsehpa-
rodisten noch eins obendrauf. Statt Henry
Fonda, Anthony Hopkins und Charlton Hes-
ton tummeln sich Will Ferrell und Zach Gali-
fianakis im Weißen Haus und äffen Sarah Pa-
lin in Männerhosen nach. Hollywoods Bei-
trag zur diesjährigen Wahl heißt „The Cam-
paign“ und scheint so ziemlich der Boden-
satz aller Präsidentenfilme zu sein; es ist
aber der einzige Film, der zu dem Thema
überhaupt etwas beiträgt. Nun ist es keines-
wegs ungewöhnlich, dass die Filme der Som-
mermonate Abstand zu aktuellen Konflikt-
stoffen halten. Staatspräsidenten fungieren al-
lenfalls als historische Stichwortgeber für Ko-
mödien und Horrorfilme, wie auch in dem
von Tim Burton produzierten „Abraham Lin-
coln: Vampire Hunter“, dessen Regisseur Ti-
mur Bekmambetov stolz behauptet, es sei der
erste Film, in dem eine reale historische Fi-
gur gleichzeitig ein Superheld ist. Wer etwas
von dem wirklichen Abraham Lincoln sehen
will, muss bis zum Winter warten. Dann
nämlich kommt Steven Spielbergs Lincoln-
Biografie mit Daniel Day-Lewis in die Kinos.
Von Tim Burton gibt es auch anderes: „Dark
Shadows“ hat er selbst inszeniert und sich
Johnny Depp als kassenstarken Vampir ausge -
sucht. Es ist ein nicht ganz genrekonformer
Vampir, den Depp hier zu spielen hat, und
Burton nimmt die zugrunde liegende Kultse-
rie der 1960er-Jahre eher von der komischen
Seite. Damit legitimiert sich „Dark Shadows“
für einen Platz zwischen der dritten Auflage
von „Men in Black“ und der in Stop-Motion-
Technik gedrehten Zombie-Invasion „Paranor -
man“. Apropos dritte Auflage: Längst gibt es
keinen Kinosommer mehr ohne Franchise-
Filme und Fortsetzungen alter Erfolge. 2012
macht da keine Ausnahme. Von „The Ama-
zing Spider-Man“ über „The Bourne Legacy“
und „Total Recall“ reicht die Palette bis zu
„The Expendables 2“ und „Madagascar 3:
Europe’s Most Wanted“. Ob von diesen auf-
gewärmten Heldenstorys mehr zu erwarten
ist als von ein paar neuen, noch unbewähr -
ten Action-Mustern wie „The Avengers“ und
„Battleship“, bleibt abzuwarten. Neugier er-
wecken eigentlich nur die Projekte von Rid-
ley Scott und Christopher Nolan, die ihren
alten Stoffen und Figuren ebenfalls treu blei-
ben, aber Variationen versprechen, von de-
nen man vielleicht Ausflüge in andere fantas-
tische Dimensionen erwarten kann.
Neugier auf Scott und Nolan
Ridley Scotts „Prometheus“ war ursprünglich
als Vorgeschichte zu „Alien“ gedacht, wurde
jedoch im Lauf der Drehbuchentwicklung
und eines Wechsels der Autoren zu einer ei-
genständigen Story, die – laut Scott – nur
noch „an die DNA von ,Alien‘ erinnert“. Die
Handlung ist im Jahr 2085 angesiedelt, also
30 Jahre vor der „Alien“-Geschichte, und
folgt der Mannschaft des Raumschiffs Prome-
theus, das ausgeschickt wurde, um eine
hochentwickelte außerirdische Zivilisation zu
erforschen, deren Existenz sich jedoch als Be-
drohung für die Menschheit entpuppt. Wie-
der spielt eine Frau eine tragende Rolle, ne-
ben der die Figur eines Androiden, der eine
Art außerirdische Perspektive ermöglichen
soll, am interessantesten erscheint. Noomi
Rapace aus „The Girl With the Dragon Tat-
too“ und Michael Fassbender spielen die bei-
den Hauptrollen. Im Übrigen hüllen sich der
Verleih und auch Ridley Scott in Schweigen,
was die Mythologie von „Prometheus“ an-
geht. Sogar mehrere Trailer, die inzwischen
für den Film werben, geben kaum Aufschluss
über den Hintergrund der Story. „Alien“-Fans
können ihnen allenfalls einen beziehungs-
reichen Hinweis auf den „Space Jockey“ vom
Anfang des ersten „Alien“-Films entnehmen.
Ganz im Gegensatz zu „Prometheus“ lässt
Warner Bros die Werbung für den nächsten
und letzten Batman-Film „The Dark Knight
Rises“ schon lange auf vollen Touren laufen.
Das Internet ist geradezu überfüllt mit Aus-
schnitten aus dem Film; es gibt gleich meh-
rere Trailer; sogar die ersten sechs Minuten
des Films wurden schon zugänglich gemacht:
grundverschiedene Methoden, um das Inte-
resse der Fans anzuheizen. Doch bei Licht
betrachtet, bleiben die Informationen an der
Oberfläche stecken. Keine vollständige Ant-
wort lässt sich etwa auf die Frage finden,
„Prometheus“
42 film-dienst 10/2012
KINO
41 063
Kill me please Kill me please Kill me please Schwarz-weiß. Frankreich/Belgien 2010 Produktion OXB/LA Parti Prod./Les Amateurs/RTBF/ Minds Meet/Mollywood Produzenten Olias Barco, Didier Brunner, Philippe Kauff mann, Guillaume Malandrin Regie Olias Barco Buch Olias Barco, Virgile Bramly Kamera Frédéric Noirhomme Schnitt Ewin Ryckaert Darsteller Aurélien Recoing (Dr. Krueger), Benoît Poel voorde (M. Demanet), Muriel Bersy (Muriel), Nicolas Buysse (Luc), Ingrid Heiderscheidt (Sylvie), Jérôme Colin (Bob), Ewin Ryckaert (Chaffeur), Stéphane Malandrin (Steve), Virgi le Bramly (Virgile) Länge 96 Min. FSK ab 16; f Verleih Neue Visionen
In einer Sterbeklinik hilft das Personal unter Anleitung seines Chefarztes den todessehn-süchtigen Patienten bei ihrem letzten Weg. Das Bemühen, den Lebensmüden einen wür-devollen Abgang zu ermöglichen, wird aller-dings durch eine Reihe ungeplanter Todesfälle konterkariert. In Schwarz-Weiß-Bildern, die dem Film einen surrealen, distanziert-ver-fremdeten Zugriff auf seinen makabren Stoff verleihen, wird eine Farce entworfen, in der noch im Angesicht des Todes menschliche Ei-telkeiten und Egoismen das Zusammenleben prägen; den Versuch der Figuren, die Wildheit des Todes medizinisch und durch (Selbst-)In-szenierungen des Sterbens einzudämmen, lässt der der Film grandios scheitern, wobei er mit unvorhersehbaren Wendungen immer wieder überrascht.
E s ist sicher kein Zufall, dass
diese schwarze Komödie
mit einem Filmemacher be-
ginnt: Der Regisseur Demanet
will sterben. Also führt der vor-
geblich unheilbar an Krebs er-
krankte Mann eine Art Bewer-
bungsgespräch mit Dr. Kruger,
dem Leiter einer staatlich geför-
derten Sterbeklinik. Doch Dema-
net ist nicht krank, sondern nach
dem Aus seiner Ehe nur depri-
miert. Der allwissende Chefarzt
bringt ihm deshalb schonend bei,
dass der eingebildete Kranke den
Ort seiner erhofften Erlösung
ganz herkömmlich mit dem Taxi
verlassen muss. Es wird dann
doch ein Sarg sein, denn „Kill
me please“ beginnt mit einer
blutigen Verzweiflungstat. Nach
eigenen Aussagen wollte sich
sein Regisseur Olias Barco nach
seinem ersten Film tatsächlich
umbringen. Sein späterer Co-
Autor Stéphane Malandrine riet
ihm dann aber, lieber einen wei-
teren Film zu machen.
Die grausige Selbstmordfantasie
am Anfang gibt einen Vor-
geschmack auf den folgenden
Film, in dem bloß ein einziges
Mal nach Plan gestorben wird:
Ein sterbewilliger Herr trinkt,
während eine hübsche Studentin
ihn liebkost, ein Glas Cham-
pagner, im dem sich eine tödli-
KINOSTART 17.5.2012
che Dosis Pentobarbital befindet.
So ungefähr mag man sich eine
„Freitodbegleitung“ vorstellen,
wie sie der Schweizer Verein
Dignitas anbietet. Bei der Klinik
des Dr. Kruger – ein prächtiges
Schloss am Waldrand – handelt
es sich dagegen um eine erfunde-
ne Institution in einem fiktiven
Staat mit entsprechender Gesetz-
gebung. Der Film bietet sich je-
doch kaum als ernsthafte Dis-
kussionsgrundlage zum Für und
Wider von Sterbehilfe an. Viel-
mehr inszeniert Barco um das
heikle Thema herum ein ab-
surdes, mitunter bitterböses
Theater, ein Endspiel in einem
tief verschneiten, durchaus jen-
seitig wirkenden Ort. Und er
führt vor, dass die Todessehn -
sucht seiner Charaktere keines-
wegs das Ende von Eitelkeit und
Egoismus bedeutet.
Ganz uneigennützig scheint auch
Klinikchef Kruger sein Lebens-
werk nicht voranzutreiben. Als
ungebetener Gast stellt die Steu-
erfahnderin Evard Nachfor schun -
gen an. Ihr ist aufgefallen, dass
viele der Verstorbenen den Ster-
behelfer in ihrem Testament
großzügig bedacht haben. Be-
reichert sich Kruger mit voller
Absicht am Erbe seiner Patien-
ten? Die (ziemlich idiotische)
Frage, ob sich der Wert eines
Menschen in Geld beziffern lässt,
kommt mehrmals auf und bildet
sozusagen den ethischen Rahmen
des Films. Doch Barco urteilt
nicht abschließend über die Figu-
ren, auch wenn die moralische
Integrität des Doktors zuneh-
mend fragwürdig wird. Mit Aure-
lien Recoing hat Barco einen
großartigen Darsteller für Kruger
gefunden. Wenn der Doktor in
seinem schwarz-weißen Jogging-
dress durch den Schnee stapft,
wirkt er wie ein leibhaftiger Kno-
chenmann. Die herausragenden
Schwarz-Weiß-Bilder von Frédéric
Noirhomme verleihen dem Gan-
zen eine unwirklich-distanzierte,
teils surreale Qualität. Um Re-
coing herum versammelt sich ei-
ne vorzügliche Darstellerschar:
Bouli Landers als Vidal, der seine
Frau als Wetteinsatz beim Poker
verlor, sowie Saul Rubinek, der
den moribunden Kanadier Brei-
man spielt. Zazie de Paris ver-
körpert die Opernsängerin Ma-
dame Zaza, die ihr Ableben zum
künstlerisch vollendeten Schwa-
nengesang stilisieren möchte. Vir-
gile, gespielt von Virgile Bramly,
hätte es gerne brutal. Er träumt
vom Heldentod inmitten einer
inszenier ten Schlacht. Solchen
Extravaganzen schiebt Dr. Kruger
allerdings einen Riegel vor: In
seiner Klinik wird ordentlich und
würdevoll gestorben.
Das Konzept beginnt zu schei-
tern, als im Schloss ein Feuer
ausbricht, bei dem einer der Pa-
tienten verbrennt. Mit dia-
bolischer Lust lässt Barco nun
die ganze Sterbewirtschaft aus
dem Ruder laufen. Die Lebens-
mittelvorräte sind verkohlt, ein
entnervt abreisender Klient wird
auf dem Weg zum Bahnhof er-
schossen. Der mysteriöse Atten-
täter schlägt ein zweites Mal zu,
als die Finanzbeamtin Evard
zwei Patienten ein Geheimnis
anvertrauen will. Das große Plus
dieser Farce ist die Unberechen-
barkeit ihrer Handlung. Die Wen-
dungen sind schlicht unvorher-
sehbar, wie im wirklichen Leben.
Der Sensenmann – Barcos Film
bestätigt diesen Verdacht am En-
de vollauf – lässt sich von der
ärztlichen Konkurrenz nicht ins
Handwerk pfuschen.
Jens Hinrichsen
11/2012 erscheint am 24. Mai
58 film-dienst 10/2012
ARTIKEL Martina Eisenreich Oberhausen Morgan Freeman Nyon REZENSIONEN Dark Shadow Tabu Der Diktator Ein ruhiges Leben Lebe wohl, meine Königin
Romy Schneider
Am 29. Mai 1982 starb Romy Schneider in Paris. Doch die Fas-
zination dieser Schauspielerin, von der goldigen „Sissi“ ihres
Karrierestarts bis zur erotisch-unberechenbaren-tragischen He-
roine ihrer späteren Arbeiten im europäischen Autorenkino, hat sie
überlebt. Der Sender 3sat ehrt die Darstellerin anlässlich des 30. To-
destags ab Pfingstmontag, 27. Mai mit einer Filmreihe aus acht Spiel-
filmen und zwei Dokumentationen, die verschiedene Aspekte ihres
Lebens und Arbeitens beleuchten. Vom 1957 produzierten, bittersü-
ßen Liebes-Meldodram „Monpti“ von Helmut Käutner bis zum letzen
Film der Schneider, „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“ von
Jacques Rouffio, lassen sich in der Hommage verschiedene Karriere-
stationen und Facetten der Actrice bewundern. fd
NIFFF
D ie 12. Ausgabe des Neuchatel Fantastic
Film Festival (NIFFF) vom 6.-14.7.
steht erneut ganz im Zeichen des Gen-
refilms. Ein besondere Schwerpunkt ist dabei
das Verhältnis von fantastischem Film und
Musik. Eine Retrospektive mit dem Titel
„When Musical Rocks! Vertonte Subversion“
spürt der Erneuerung des in den 1930er-
Jahren populär gewordenen Genres nach,
dessen Codes und Konventionen unter dem
Ansturm lauter Gitarrenriffs zu beben be-
gannen. Anlässlich des 30. Jahrestages der
„Rocky Horror Pictures Show“ erlebt auch de
Kultfilm eine effektbeladene Wiederauf-
führung. Außerdem wird die restaurierte Fas-
sung von „Metropolis“ gezeigt, mit der Hup-
pertzschen Originalmusik, live interpretiert
vom Nouvel Ensemble Contemporain. fd
Scorsese dreht
N ach der mit fünf „Oscars“
prämierten Kinderbuch-
Adaption „Hugo Cabret“
will der 69-jährige amerikanische
Regisseur Martin Scorsese das
Spielfilmprojekt „The Wolf of
Wall Street“ nach den Memoiren
des Börsenmoguls Jordan Belfort
in Angriff nehmen. Warner Bros.
und Paramount Pictures stritten
schon vor vier Jahren um die
spektakuläre Geschichte vom
Aufstieg und Fall des legendären
Finanzspekulanten; Ridley Scott
galt als Favorit für die Regie.
Nun sollen die Dreharbeiten mit
Leonardo DiCaprio in der Titel-
rolle im August dieses Jahres in
New York beginnen. Das Dreh-
buch zu der im Drogen-, Pros-
tituierten- und Mafiamilieu ange-
siedelten Biografie hat Terence
Winter („The Sopranos“, „Board-
walk Empire“) geschrieben. Der
Ex-Börsenhändler saß wegen
massiver Finanzmanipulationen
in den 1990er-Jahren 22 Monate
im Gefängnis. Scorsese und Di-
Caprio fungieren in ihrer fünften
Zusammenarbeit als Co-Pro-
duzenten. 2013 soll der Film in
die Kinos kommen. J.N.
Helmut Dziuba
Der DEFA-Regisseur Helmut Dziuba, der
am 19.4. gestorben ist, war „ein güti-
ger Mensch, dessen leiser, ver-
schmitzter Humor jeden Gesprächspartner
bezauberte“, schreibt Ralf Schenk in seinem
Nachruf auf den Filmemacher, dessen Kunst,
Kinderdarsteller zu eindringlichem Spiel an-
zuleiten, beispielhaft war. Eine ausführliche
Würdigung von Dziubas Werk erscheint in
der nächsten Ausgabe fd 11/2012. fd
Helden
D ie aktuelle Sonderausstellung der Deutschen Kinemathek in
Berlin widmet sich dem Heldenmythos. Zielgruppe sind Kinder
von 4 bis 14 Jahren. Auf den drei Etappen „Aufbruch“, „Ini-
tiation“ und „Rückkehr“ geht es nicht nur um die filmische (Re-)Kon-
struktion von Versatzstücken von Heldenmythen, sondern auch um
eine Reise zum „wahren Helden“ in einem selbst. Am Ziel können
die kleinen Besucher testen, ob sie das Zeug zum Helden haben oder
lieber ein Antiheld sein möchten. In der Begegnung mit dem „Helden
von nebenan“ treffen sie auf mutige Kinder, beispielhaft präsentiert in
den Fernsehserien „Stark“ und „Fortsetzung folgt“. Eine Heldenwerk-
statt zeigt, wie Helden „gemacht“ werden, was Merchandising und
Vermarktung bei der Genese medialer Heros für eine Rolle spielen,
wie man ein Stuntkid oder Kostümbilder wird und warum diese Be-
rufe gerade bei Filmen über Helden so wichtig sind. fd
www.deutsche-kinemathek.de
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