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No. 56 | Sommer 2014
Große Gala
Das Jubiläums-Jahr des Vorder-hauses fand im Theater Freiburg einen würdigen Abschluss
Abschied vom Siebdruck
Nach 35 Jahren in der FABRIK wurde die Graphik & Siebdruck-Werkstatt geschlossen
FABRIK RUND BRIEF
Dem EEG zum Trotz
Die FABRIK setzt weiter auf Solarstrom und baut eine zweite, größere Solaranlage
Herausgeber
FABRIK für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V.
Habsburgerstraße 9
79104 Freiburg
Tel. +49 (0)761.50365-30
eMail: buero@fabrik-freiburg.de
Internet: www.fabrik-freiburg.de
Redaktion
Regina Leonhart, Ute Lingg, Hans Schmid,
Martin Wiedemann, Jule Wottke
Fotos & Illustrationen
© AMICA (S.12-13), Rafael Auer (28), Yasemin Aus dem
Kahmen (20-23), BAGAGE (27), dm-drogerie markt (31),
Felix Groteloh (1/2, 14-15, 27, 40), Georg Hallmann (29),
Bernhard Kratz (5), Regina Leonhart (24), Bernd Obrecht
(7), Hans Schmid (4, 6, 16), Albert Josef Schmidt (7-11,
17, 20-23, 27), Annette Schwarte (5), Wolf-Dieter Winkler
(10-11), übrige: FABRIK-Archiv
Satz & Layout
Regina Leonhart, Hans Schmid
Druck
schwarz auf weiss
Papier
100% Recycling
Auflage
2.500 Exemplare
Erscheinungsweise
halbjährlich (in der Regel Juli & Dezember)
Impressum
Fast schon wie ein Gemälde von Ralph Fleck: Publikum bei der Abschluss-Gala zum 25-jährigen Jubiläum des Vorderhauses im Großen Haus des Theater Freiburg,fotografiert von Felix Groteloh
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Inhalt
„Welche sozietären Formen gewährleisten für eine gegebene Gesell-schaft und darüber hinaus für die Menschheit im allgemeinen die größte Summe an Glück ...? Welche Formen der Gesellschaft erlauben dieser Summe an Glück, qualitativ und quantitativ zu wachsen und sich zu ent-wickeln, d.h. vollständiger und allgemeiner zu werden?“
Diese Frage hat sich der russische Anarchist Fürst Pjotr Alexejewitsch Kropotkin selbst beantwortet. Gegenseitige Hilfe, die Solidarität der Gleich berechtigten in einer Assoziation der Freien war für ihn die Lösung.
Von gegenseitiger Hilfe, vom Streben nach Würde und Glück, ist in unserem Sommer-Rundbrief einiges zu lesen. Es mag pathetisch klingen, aber Solidarität, dieser große Begriff, hat in der FABRIK immer eine zen-trale Rolle gespielt. Untereinander auf dem Gelände, aber auch darüber hinaus in der Wirkung nach außen, in der Organisation von Unterstützung und Hilfe zur Selbsthilfe. Wenn viele sich zusammenschließen, um ein ge-meinsames Ziel zu erreichen, dann entsteht eben mehr als die Summe der Kräfte.
Das schildert der Beitrag von AMICA an einem persönlichen, betroffen machenden Schicksal, davon erzählt die Arbeit der SolidarEnergie und vor allem die der Initiativen, die durch sie gefördert werden. Der Förderkreis für das Vorderhaus ist ein Beispiel aus der Kultur und der Rückblick auf die letzten dreißig Jahre stellt das Tun in der FABRIK in den politischen Rahmen Freiburgs.
Dass zum Glück eine intakte Umwelt, gehört ist selbstverständlich. Auch das ist eine Traditionslinie in der FABRIK und führt uns zu einem großen Bauprojekt, der Dachsanierung und der Investition in eine neue Photovoltaik-Anlage.
Aber was wären alle Investitionen in Steine, Balken und Paneele, wenn sie nicht verbunden sind mit dem Bemühen, Menschen in die Lage zu ver-setzen, ihre Belange zu erkennen und zu vertreten? Darum geht in einem weiteren großen Projekt im Bereich Kulturelle Bildung, das wir vorstellen.
Und es geht, mitten im Heft, um das „Wir“, um alle die Menschen, die auf dem Gelände beschäftigt sind und Tag für Tag auf ihre eigene indi-viduelle Art am Gemeinsamen arbeiten. Wir stellen rund 130 von ihnen vor - alle arbeiten sie auf dem Gelände, aber engagiert sind sie weit über ihre Gehaltsabrechnung hinaus. Denn auch in der FABRIK geht nichts ohne Ehrenamt!
die Rundbrief-Redaktion
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
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03 | Editorial
04 | NachrichtenKleine Mitteilungen aus der FABRIK
09 | Willkommensfest für FlüchtlingeHerdern zeigt Herz und Engagement
12 | Frauen und Krieg - ein PortraitAMICA beschreibt ein bosnisches Schicksal
14 | Vorderhaus-Jubiläums-Gala im TheaterEin Nachklang in Bildern
16 | 35 Jahre Siebdruck in der FABRIKEine Hommage von Dietrich Roeschmann
20 | MomentaufnahmeDie FABRIK hat viele Gesichter
24 | Dem neuen EEG zum TrotzDie FABRIK baut eine weitere Photovoltaikanlage
25 | Das neue EEG torpediert die EnergiewendeEin Kommentar von Bernward Janzing
26 | Kinder bilden. Erziehende fortbilden Das Angebot der Kinderkultur soll erweitert werden
28 | Die Ziellinie ist erreichtDer Förderkreis hat jetzt 200 Mitglieder
29 | Ausgezeichnetes Engagement Die vierte Preisvergabe der SolidarEnergie
30 | Abenteuer Kultur Die Azubis des dm-drogerie markts im Vorderhaus
32 | Damals, vor 30 Jahren in der FABRIK ... Eine Erinnerung an das Jahr 1984
36 | „Sand im Getriebe“Zur aktuellen Situation der Wagengruppe
37 | Kleinkunstpreis für StudierendeEin Wettbewerb zur Nachwuchsförderung
38 | Zum Beispiel SockenschwundEine Kolumne von Else Buschheuer
39 | Adressen & Kontakte
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014 Nachrichten
Ökologischer Offset-DruckMit neuer Technik spart schwarz auf weiss viel Wasser
Peter proudly presents: das neue Plattenentwicklungsgerät
www.fahrradwerkstatt-freiburg.de➔
Das Druckgewerbe ist nun mal, das lässt sich auch nicht ändern, eine Ener-
gie fressende Sparte. Deshalb ist es uns, der Druckerei schwarz auf weiss,
wichtig, überall wo es nur geht umweltschonend zu arbeiten. Recycling-
Papier oder auch der Einsatz lösungsmittelfreier Chemikalien im Druck-
prozess sind da die Stichpunkte.
Wir haben nun einen weiteren Schritt in diese Richtung getan und un-
sere Druckplattenherstellung auf prozesslose Offsetdruckplatte umgestellt.
Wurden früher die nichtdruckenden Teile einer Druckplatte mit Hilfe einer
starken Lauge entfernt und anschließend mit sehr viel Wasser gewaschen,
können wir nun darauf gänzlich verzichten.
Hausmeister Alf wird beim nächsten Ablesen der Wasseruhr erstaunt
feststellen, dass unser Wasserverbrauch nahe gegen Null geht. Die absolute
Null ist nicht drin, auf Klo gehen müssen auch Drucker.
Die Beschichtung unserer neuen Druckplatte ist ein wasserlösliches
Polymer. Erst im Plattenbelichter wird dieses mit einem Infrarot Laser an
den druckenden Stellen in eine unlösliche Struktur umgewandelt. Die nicht-
druckenden Stellen werden anschließend mit einem Gemisch aus Wasser
und Gummiarabikum ausgewaschen. Hierbei ist aber kein Frischwasser
nötig, das Waschwasser verbleibt in einem geschlossenen Kreislauf, ver-
braucht sich langsam und wird nach 300 qm Offsetplatte ausgetauscht.
Zurück bleibt ein Rest von 5 Liter stark eingefärbtem Waschmittel, welches
von einem Recycling-Unternehmen entsorgt wird. Auch dieser Rest ist un-
giftig, manche Stadtwerke genehmigen sogar, je nach Auslegung ihrer Klär-
anlagen, die Einleitung in die Kanalisation.
Alles in allem ein großer Schritt, auch die Mannschaft in der Druck-
vorstufe ist begeistert, entfällt doch der unangenehme und gefährliche
Umgang mit der Lauge und das aufwendige Reinigen der Entwicklungs-
maschine.
Peter Wortelkamp / Druckvorstufe schwarz auf weiss
Wer schon einmal in der Fahrradwerkstatt im Hin-terhof der FABRIK war, wird beim nächsten Besuch merken, dass im Empfangs- und Verkaufsbereich eini-ges umgebaut wurde: die neuen Regale und die neue Lichtgebung würden von anderen Fahrradbetrieben zum Einkaufserlebnis stilisiert, aber zum Glück tickt unsere Fahrradwerkstatt anders.
Wichtiger als die ins Auge springenden Umbauten sind die Veränderungen hinter den Kulissen, sprich: die der Rechtsform. Über viele Monate hinweg hat das Kollektiv gemeinsam diskutiert, sich beraten und beraten lassen, wie die künftige Rechtsform des Be-triebs aussehen soll. Denn es war klar geworden, dass eine schlichte GbR (= Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) sowohl den unternehmerischen wie den kol-lektiven Anforderungen nicht mehr gerecht wurde. Geboren wurde letztlich, anders als zunächst gedacht, keine Genossenschaft, sondern eine Kommanditgesell-schaft, die „DRABIM KG“. Unkomplizierter als eine Genossenschaft oder eine GmbH ist die KG sehr wohl kollektivtauglich, und so besteht das Besondere dieser KG auch darin, dass elf der vierzehn festen Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter an der KG beteiligt sind. Aber keine Sorge: auch umgebaut zur KG bleibt sie, was sie schon immer war: die Fahrradwerkstatt in der FABRIK (und die in Freiburg).
Von der GbR zur KGDie Fahrradwerkstatt hat (sich) umgebaut
Äußerlich und innerlich neu aufgestellt: die Fahrradwerkstatt
Bei Sonne wie bei Regen: mit einer kleinen Kaffeepause wird der Samstag noch schöner
Wochenmarkt in der FABRIK:
jeden Samstag von 9 bis 14 Uhr
www.keramikwerkstatt.fabrik-freiburg.de
Offene Werkstatt: Di 16-20 und Fr 17-21 Uhr
➔ ➔
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Nachrichten FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
Schauen und ProbierenTag der offenen Tür in der Keramikwerkstatt
Wachsender WochenmarktNeue Anbieter erhöhen die Attraktivität
Am 8. und 9. März bot die Keramikwerkstatt spannende Einblicke
Auch dieses Jahr beteiligte sich, nun schon zum dritten Mal, die Keramikwerkstatt in der FABRIK am Tag der offenen Töpferei. Dieser findet bundesweit jährlich immer am zweiten März-Wochenende statt.
In Freiburg und der Region öffneten 52 Werkstätten und Ateliers ihre Türen und gewährten interessierten Besucherinnen und Besuchern einen Blick hinter die Kulissen.
An diesen zwei Tagen ließen sich auch Annette Schwarte und Nona Otarashvili-Becher bei ihrer Arbeit über die Schul-tern schauen. Sie boten reichlich Gelegenheit dazu, das kunst-volle Handwerk des Töpferns näher kennenzulernen und bei Neugierde selbst Hand an den Ton zu legen.
Bei Kaffee, Kuchen und Sekt konnte man moderne Objekte mit ganz besonderem Stil und Design ebenso bewundern wie klassische Stücke, Vasen und Schmuck. Auch das Töpfern für Kinder fand großen Anklang und zahlreiche kleine Besucher drängten sich begeistert um die Tische.
Das umfangreiche und vielseitige Kursprogramm sorgt dafür, dass die Töpferei immer gut besucht und bei Jung und Alt sehr gefragt ist. In der regelmäßig stattfindenden „Offenen Werkstatt“ sind jenseits der Kurse alle, egal ob Anfänger oder Fortgeschritte, auch Menschen mit Behinderungen, herzlich willkommen und eingeladen, sich im selbständigen kreativen Arbeiten auszuprobieren.
Lange haben wir nichts mehr von unserem samstäglichen Wochen -
markt berichtet, wohl weil der Markt zu einer festen und geschätz-
ten Einrichtung auf dem Gelände der FABRIK geworden ist.
Von Anfang an dabei – das heißt: seit 2007 – sind die Gemüse-
stände vom Wonnentäler Bauernladen, von Bio-Witt und der
Familie Lapp, sowie die Metzgerei Salb und Imker Ernstfried Weber
(welcher derzeit krankheitsbedingt fehlt – gute Besserung an
dieser Stelle!).
Die „Stiftung 100“ verkauft weiterhin 14-tägig Wein und Sekt
der Weingüter Rinklin und Wassmer zugunsten ihrer Projekte
in der Dritten Welt. Für die Backwaren sorgt inzwischen die
Traditions bäckerei Haberstroh aus Sexau, während der Bio-Käse
vom Breitenweger Hof aus Eichstetten kommt.
Neu hinzugestoßen sind in diesem Jahr vier weitere Stände:
die Gärtnerei Beiermeister aus Denzlingen bietet Blumen und
Topfpflanzen, „mediterra“ aus Emmendingen hat jede Menge Oli-
ven und andere südländische Spezialitäten im Programm und die
beiden Kaffeestände von „Per voi“ und „Gässle-Café“ verlocken im
wöchentlichen Wechsel zur kurzen Rast mit Espresso & Co („Per
voi“ auch mit Sekt). Seit kurzem dabei ist „Timbiss“, ein vegeta-
rischer Imbiss-Stand, der Süßes und Deftiges, heiß oder kalt, sowie
frische Fruchtsäfte offeriert.
Und für alle, die beim Markteinkauf richtig hungrig geworden
sind: ab 12 Uhr sorgt das Vorderhaus für bewährtes Mittagessen.
Keine Frage also: es lohnt sich, mal wieder auf dem Wochen-
markt der FABRIK vorbeizuschauen!
Ein Schritt in künstlerisches und organisatorisches Neuland bedeutet diese erste eigene Bühnenproduktion für Kinder ab fünf Jahren zu den Themen „Strom, Energie und Umwelt“.
Das Team des Kulturbüros freut sich sehr darauf, diese Inszenierung federführend und verantwortlich zu realisieren. Nistete die Idee zu einer Eigenproduktion der Kin-derkultur doch schon länger in den Köpfen.
Im März diesen Jahres baten wir ausgewählte Schauspieler und Autoren, Ensembles und Figurentheater aus ganz Deutschland, sich mit diesem Thema kreativ auseinander zu setzen. Erreicht haben uns fünf wunderbare Exposés, die es allesamt verdient hätten inszeniert zu werden. Vom spaßhaften Streit zwischen Teufel und dem Kasper, weiter zur Besetzung eines Kohlekraftwerks durch eine unausgeschlafene Faultier-Dame und einen musikalischen Eisbären bis hin zu einem futuristischen Superhelden-Szenario. Großartige Ideen, Stoffe und tolle Dramaturgien.
Die Auswahl fiel der Jury, bestehend aus Eva Stegen, Stromsparfachfrau bei der EWS, sowie Karola Mohr, Martin Wiedemann und Ute Lingg für die FABRIK, dann auch entsprechend schwer. Ausgesucht haben die vier letztendlich das Cargo Theater aus Freiburg mit dem Stück „Dynamo“, frei nach dem erfolgreichen Kinder- und Ju-gend-Roman „Der Junge, der den Wind einfing“ von William Kamkwamba. Das Stück soll in zwei Sprachen, in einer deutschen und einer französischen Version inszeniert werden. Spannend!
Die Kinderkultur und mit ihr die ganze Kulturgruppe freut sich auf diesen weiteren Schritt in Neuland: die Produktion eines Stücks von der Vergabe des Schreibauftrags über Proben und Inszenierung bis zur Vermarktung. Und natürlich auch auf die vielfach bewährte Zusammenarbeit mit dem Cargo Theater.
Die Premiere wird voraussichtlich im Mai 2015 im Vorderhaus stattfinden und könnte der Startschuss zur geplanten Ausweitung des Kinderkultur- und Bildungsange-bots in der FABRIK sein.
Der „Förderverein für umweltfreundliche Stromverteilung und Energieerzeugung Schönau im Schwarzwald - FUSS“ unterstützt die Kinderkultur finanziell und beratend bei der Produktion dieses Stückes. Dafür unseren herzlichen Dank!
Nachdem zum Jahresende 2013 die Graphik & Siebdruckwerkstatt aufgelöst worden war (siehe auch Seite 16), stand in den ersten Monaten diesen Jahres die Renovierung der seit 35 Jahren un-veränderten Räumlichkeiten an. Wie in den ersten Jahren der FABRIK üblich, waren damals nahezu alle Arbeiten in Eigenarbeit, das heißt: im Wesentlichen in laienhafter Selbsthilfe ausgeführt worden: die Wände nicht immer kerzengerade, der Putz rustikal rau, die Elektrik planlos, aber sichtbar.
Bei der jetzt fälligen Erneuerung wurde fast alles neu und von Fachfirmen gemacht. Erhalten blieben lediglich der Zuschnitt der Räume und, als Reminis-zenz an die Fabrik-Vergangenheit, die alten unentwegt leistungsfähigen Lamel-lenheizkörper.
Die Spielraumgestalter von bagageArt fühlen sich wohl in den neuen freund-lichen und hellen Räumen, zumal sie von Anfang an bei der Planung durch FABRIK- Architekt Swen Osterloh mit involviert waren. Beste Voraussetzun-gen also, um weiterhin mit guten Ideen schöne Spiel- und Freiräume zu planen.
In Arbeit: „Dynamo“Die erste Eigenproduktion der Kinderkultur in der FABRIK – vom Schreiben bis zu den Aufführungen
In neuen RäumenbagageArt ist vom Hinterhaus ins Hauptgebäude umgezogen
Die Räume der ehemaligen Graphik & Siebdruck-Werkstatt wurden komplett neu hergerichtet Aus diesem Buch wird ein Theaterstück für Menschen ab 5 Jahren
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014 Nachrichten
In dem kleinen Dorf Eygalayes am Mont Ventoux im Südosten Frank-reichs, fand am 22. Februar 2014 zum 70. Mal eine Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Ermordung von 35 Résistance-Kämpfern durch Nazi-Besatzungsgruppen statt.
Unter den Opfern des Massakers war auch ein Deutscher jüdischer Herkunft. Alfred Epstein, der aus Kenzingen im Breisgau stammte, war vor den Nazis nach Frankreich geflohen und hatte sich später der Resi-stance angeschlossen. Er war damit einer von ca. 3.000 Deutschen, die in französischen Widerstandsgruppen aktiv waren.
Vor dem Hintergrund, dass Alfred Epstein aus der Region stammte, entschlossen sich Mitglieder des deutsch-israelischen Arbeitskreises in Kenzingen, des Motorradclub Kuhle Wampe in Freiburg, der Amis de la Fondation pour la Mémoire de la Deportation / Freunde der Stiftung zum Andenken an die Deportation aus dem Elsass und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) zusammen zur Gedenkfeier nach Eygalayes zu reisen.
Dort versammelten sie sich vor der Gedenkstätte und machten ge-meinsam mit französischen Anti-Faschisten durch ihre Trauergeste deut-lich, dass es ihnen ein Anliegen ist, sich am internationalen Gedenken an die Widerstandskämpfer der Gruppe Maquis Ventoux und die jüdischen Opfer zu beteiligen und Anteil zu nehmen.
Hoch die Internationale Solidarität!Der Motorradclub Kuhle Wampe in Südfrankreich
Gegen alte und neue Nazis – die Kuhle Wampe gedenkt der ermordeten Partisanen
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Nachrichten FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
Konstant gute ZahlenAuch wirtschaftlich konnte die FABRIK mit dem Jahr 2013 zufrieden sein
Anders als im „FABRIK-Jahresbericht“ sollen im
„FABRIK-Rundbrief“ Zahlen und Statistiken zwar nicht
im Mittelpunkt stehen, aber auch nicht fehlen. Darum
hier in aller Kürze ein kleiner Rückblick auf den Haushalt
des vergangenen Jahres:
Bei einem Volumen von rund 1 Million Euro brachte
2013 dem FABRIK-Verein – ganz wie geplant – einen klei-
nen Überschuss von 3.700 Euro. Größere Abweichungen
vom Haushaltsplan gab es keine, bemerkenswert war
ein deutlicher Umsatz-Zuwachs in der Keramikwerkstatt
(rund 20%).
Gut 25.000 Zuschauer verzeichnete die Vorderhaus-
Kultur, die Teilnehmerzahl bei allen Kursen auf dem Ge-
lände stieg von 21.000 auf 24.000 an.
Allein die Eintrittserlöse des Vorderhauses beliefen
sich auf eine Viertel Million Euro. Der Förderkreis und
die Sponsoren des Vorderhauses steuerten über 80.000
Euro (= 9% mehr als 2012) zum Haushalt bei. Knapp ein
Drittel der 670.000 Euro, die für die Kulturveranstal-
tungen als Kosten anfielen, deckten die öffentlichen Zu-
schüsse von Stadt und Land, so dass der FABRIK-Verein
aus seiner Vermögensverwaltung nur noch 120.000
Euro zuschießen musste.
Da 2013 keine größeren Investitionen zu tätigen
waren (anders als jetzt in 2014), konnten 90.000 Euro
bei den Schulden abgebaut werden, so dass sich die
langfristigen Verbindlichkeiten der FABRIK auf 71% des
Anlagevermögens reduzierten.
Prägnanter Rückblick in Worten, Bildern und Zahlen: der „FABRIK-Jahresbericht 2013“
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014 Nachrichten
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Ein Amt, das Ehre machtOhne ehrenamtliches Engagement würde in unserer Gesellschaft vieles nicht funktionieren
Seit der Antike gehört der individuelle Beitrag zum allgemeinen
Wohl unverzichtbar zu einem sinnerfüllten Leben. Schon im alten
Griechenland war es Sache jeden männlichen Bürgers, sich für das
Gemeinwesen zu interessieren, für dessen Wohl zu engagieren und
in den Versammlungen über die Belange der Stadt zu diskutieren.
Wer an solchen Versammlungen nicht teilnahm und sich auch den
Angelegenheiten des Gemeinwesens verweigerte, war ein idiótes,
ein Privatmensch.
Zum Glück kann man heutzutage Privatmensch und ehrenamt-
lich tätig sein und zum Glück ist das Ehrenamt nicht mehr nur Män-
nersache, ganz im Gegenteil, Frauen engagieren sich immer mehr
und vor allem im sozialen Bereich.
Auch auf dem FABRIK-Gelände gibt es viele ehrenamtlich
tätige Menschen. Fangen wir beim Vorstand der FABRIK an. Acht
Männer und Frauen treffen sich jeden zweiten Montag, um sich um
Vereinsinternes zu kümmern. Dazu kommen vier jährliche Mitglie-
derversammlungen, die als oberstes Organ des Vereins die grund-
legenden Entscheidungen treffen. Daneben gibt es verschiedene,
themenbezogene Arbeitsgruppen: Die „AG Soziales Miteinander“
trifft sich regelmäßig, um gemeinsame Aktivitäten wie Mittagessen,
Beachparties, Lesungen oder, aktuell, das diesjährige FABRIK-Fest
zu planen. Die „AG Bau und Visionen“ ist visionär unterwegs. Sei es
die Aufstockung des Vorderhauses oder der Garagen, eine Terrasse
über dem Veranstaltungssaal, neue gewerblich, nutzbare Flächen
oder die Schaffung eines Tagungsraumes, den Ideen sind erst mal
keine Grenzen gesetzt. Bis vor kurzem traf sich auch regelmäßig
die „AG Transparenz und Integration“. Aus ihr ging das FABRIK-
Forum und ein FABRIK-Leitfaden hervor. Um die Zukunftsplanung
der FABRIK kümmern sich die Steuerungsgruppe sowie derzeit
rund dreißig Aktive beim „Projekt 2020“. Für eine besondere
Veranstaltung wurde im letzten Sommer die „AG FABRIK-Tag“ ins
Leben gerufen. Der FABRIK-Tag war ein „interner Tag der offenen
Tür“ und findet in diesem Jahr ein weiteres Mal statt.
Aber auch andere Einrichtungen auf dem FABRIK-Gelände
sind auf Ehrenamtliche angewiesen. Die Arbeit von AMICA wäre
ohne ehrenamtliche Unterstützer so nicht möglich. Oder die friga-
Sozialberatung und ihr Vorstand, die sich mit wenig Geld und viel
ehrenamtlicher Arbeit über Wasser halten. Die Keramikwerkstatt
macht nicht nur Kunst aus Ton, oder bietet Kurse für Kinder und
Erwachsene an, es gibt auch den „Club“, der sie unterstützt. Und
der Mittagstisch in der KiTa ohne die Eltern ist eigentlich nicht vor-
stellbar.
Im Mittelalter war das Ehrenamt tatsächlich noch mit Erwerb
von Ehre verbunden. Adlige oder Bürger mit hoher Bildung konn-
ten durch ein Amt ihr Ansehen und ihren Reichtum noch erhöhen.
Heute macht das Ehrenamt nicht mehr im Geldbeutel, aber auf
andere Art reich. Denn vieles, was uns lieb und wertvoll ist, gäbe es
nicht ohne das Engagement der Ehrenamtlichen. Sie machen nicht
sich, sondern das Leben reicher, und irgendwo aktiv mitzugestalten
und anzupacken macht darüber hinaus auch noch großen Spaß.
Ehrenamtliche Arbeit geschieht ganz oft hinter den Kulissen und bleibt für andere unsichtbar. Das gilt gerade auch für die Sorge um das leibliche Wohl der Ehren-amtlichen. Darum hier zwei Versorgungsbilder: Schnittchen für das Plenum bei „FABRIK 2020“ und Simon Menzel beim Kochen für die große Runde.
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Willkommensfest FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
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Als im letzten Jahr die Stadt Freiburg bekannt gab, dass im Frühjahr 2014
im Schlangenweg, ganz oben in Herdern am Hungerberg, provisorisch Container aufgestellt würden, um dort einen Teil der 500 Flüchtlinge unterzubringen, die Frei-burg in diesem Jahr insgesamt aufnehmen wird, fand sich unter Federführung des Bürgervereins Herdern sehr schnell ein „Runder Tisch“ zusammen. Nicht um, wie anderswo, zu protestieren, sondern um den Flüchtlingen in ihrer neuen Lebenssitua-tion zu helfen. Überraschend viele Herder-mer zeigten ihr Mitgefühlt und engagieren sich für Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten und jetzt in ihrer Nach-barschaft leben.
65 Menschen sind es, die derzeit im Schlangenweg untergebracht sind, viele davon Familien. Sie kommen aus Syrien und dem Irak, aus Mazedonien und Ser-bien, aus Kenia, Nigeria und Togo. Alle haben Schlimmes durchgemacht, sind vor Krieg und Diskriminierung geflohen, ha-ben die eigene Heimat aufgegeben, um in einem fremden Land Sicherheit und Zu-kunft zu finden.
Die Welle der Hilfsbereitschaft in Herdern ist groß, und viele machen mit beim Runden Tisch, der alles koordiniert. Haushaltswaren, Kinderspielzeug, Bettwä-sche, Fahrgutscheine wurden gespendet, Begleitung, Kinderbetreuung, Malen und
Gärtnern werden angeboten – und ein er-ster Deutschunterricht. Schulplätze gibt es nämlich erst ab Herbst in der Internationa-len Schule im Römerhof.
Betreut werden die Flüchtlinge vom Deutschen Roten Kreuz, vor Ort von Sozial arbeiterin Tinna Leutert, die sich, zusammen mit Kollegin Elfriede Dieterle, mit ungeheurem Engagement und Eifer nahezu rund um die Uhr um alles küm-mert. Und Tinna ist es auch, die am Vor-abend des Willkommensfests mit einem Dutzend „ihrer“ Frauen das Essen für das Fest vorbereitet und Dreh- und Angel-punkt für das Kochen und Backen in der Hausküche der FABRIK ist.
Herdern heißt Flüchtlinge willkommenDas Willkommensfest in der FABRIK hat allen große Freude gemacht
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FABRIK-Rundbrief |Sommer 2014 Willkommensfest
Es war die Idee des Runden Tisches gewesen, ein Willkommensfest für und mit den Flüchtlingen im Schlangenweg zu ver-anstalten, als Zeichen der Verbundenheit und als Gelegenheit, sich kennenzulernen, Herdermer und Flüchtlinge, Flüchtlinge untereinander. Die Idee stieß sofort auf große Zustimmung, die Freiburger Bür-gerstiftung bot zudem an, ihren jährlichen Flohmarkt zu Gunsten der Flüchtlinge mit dem Fest zu verbinden. Frage war bloß: wo? Herdern hat für solch ein Fest nicht viele Möglichkeiten. Bürokratische und technisch-organisatorische Hürden taten sich auf, bei Gemeindesälen ebenso wie bei den Schulen. Schnell wurde auch
klar, dass es mit den Räumlichkeiten al-lein nicht getan wäre, es brauchte auch die tatkräftige Unterstützung am Ort des Geschehens selbst. Und so lag es bei-nahe auf der Hand, nicht nur weil der AMICA-Verein und der FABRIK-Verein beim Runden Tisch schon involviert wa-ren, dass dieses Willkommensfest in der FABRIK stattfinden würde und zwar am Samstag, den 10. Mai.
Allen zahlreichen Helfern aus den Reihen der FABRIK voran, organisierte Hausmeister Alf Sczersputowski am Frei-tagnachmittag mit einem Trupp junger Männer aus dem Schlangenweg die In-frastruktur für das Fest, während oben die Frauen in der Küche den ganzen Abend lang wirbelten. Am Samstag star-tete dann das Fest mit dem Flohmarkt der Freiburger Bürgerstiftung, die neben unzähligen Kisten voller Flohmarktartikel
auch das gute Wetter mitgebracht hatte. Gegen Mittag wurde es immer voller auf dem Gelände. Alle Flüchtlinge, wirklich alle, waren aus dem Schlangenweg in die Habsburgerstraße gekommen, niemand war im Wohnheim geblieben. Viele Her-dermer kamen, und auch die Besucher des Wochenmarkts und die Teilnehmer des Töpferkurses mischten sich unters gut gelaunte Volk.
Essen gab es in Hülle und Fülle. Der Grill war natürlich Männersache und fest in serbischer Hand. Die vier Männer lie-ßen sich auch nicht ablösen, sondern stan-den stundenlang im Rauch, das kannten
sie noch von zuhause aus der Gießerei, in der sie gearbeitet hatten, erzählten sie lachend. Die Frauen waren derweil stän-dig unterwegs und schleppten Platten und Schüsseln mit vielerlei landestypischen Köstlichkeiten an, die sie abends zuvor fabriziert hatten. Die Motorradler der FA-BRIK hatten nicht nur ihren großen Grill zur Verfügung gestellt, sondern auch ihren Tischkicker, der fast den ganzen Tag über in Betrieb war. Im Hinterhof wurde ge-schminkt, im Café-Raum wurden Bilder gemalt, erstaunlicherweise auch von vielen jungen Männern. Helfende Hände gab es zuhauf, beim Transportieren und Richten, beim Spülen und Aufräumen.
Die vielen strahlenden Gesichter zeig-ten nicht nur, dass alle mit Freude und Spaß bei der Sache waren, das Lächeln war auch die einfachste Art miteinander zu kommunizieren. Denn wer von den Her-
Flüchtlinge und Herdermer hockten bunt gemischt
Internationales Gruppenfoto: mittendrin Bürger-meister Ulrich von Kirchbach, Werner Hein vom Amt für Wohnraumversorgung und Sigrid Leder-Zuther vom Deutschen Roten Kreuz
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Willkommensfest FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
dermern spricht schon Serbokroatisch oder Arabisch? Manche der Flüchtlinge konnten ein bisschen Englisch, die Afrikaner zum Teil Französisch, und dann blieben nur noch Hände und Füße und eben das Lächeln. Tinna Leutert verriet, wie sie das im Wohnheim macht: selbst von zuhause aus Türkisch sprechend, weiß sie, wer im Wohnheim Türkisch und gleichzeitig Arabisch kann, und wer Arabisch und Französisch. Und dann läuft die Botschaft halt um zwei Ecken, bis sie ankommt ...
Für 14 Uhr war der offizielle Teil des Willkommensfestes anberaumt. Die Bigband des Droste-Hülshoff-Gymnasiums spielte auf, Ingrid Winkler vom Bürgerverein begrüßte, Sozial- und Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach überbrachte die Grüße der Stadt, und auch DRK-Geschäftsführer Wolfgang Schäfer-Mai stimmte ein ins allgemeine Lob. Alle dankten den vielen arbeit-samen Mitwirkenden, den Flüchtlingen selbst, den vielen engagierten Herder-mern, der FABRIK und nicht zuletzt den Mitarbeitern von Stadt und DRK, die für die Flüchtlinge mehr als nur ihren Job machten. Einen besonderen Beifall bekam als letzter Redner ein junger Syrer, der sich, leicht aufgeregt und in ge-brochenem Deutsch, im Namen aller Flüchtlinge für die herzliche Aufnahme bedankte.
Dann gab es noch Geschenke. Der Bürgerverein hatte, international und aktuell denkend, Fußbälle für die Flüchtlinge mitgebracht, die Fahrradwerkstatt der FABRIK spendierte vier Fahrräder, die Vorderhaus-Gaststätte die komplet-ten Getränke für das Fest. Die Beschicker des FABRIK-Markts schenkten 200 Freitaler und die Druckerei schwarz-auf-weiss die Spenden für die Schreib- und Malblöcke, die sie zum Mitnehmen ausgelegt hatte.
Es war ein rundherum gelungenes, zu Herzen gehendes Willkommensfest, bei dem sich erst gegen 18 Uhr die Letzten vergnügt und zufrieden auf den Heimweg machten.
Und jetzt, zwei Monate später? Noch im Juli werden die Flüchtlinge ihr pro-visorisches Zuhause im Schlangenweg wieder verlassen. Sie ziehen dann in das neue Wohnheim an der Mooswaldallee, in der Hoffnung, in Deutschland bleiben zu können, und darauf wartend, irgendwann eine Wohnung oder gar Arbeit zu bekommen. Nur wenige Flüchtlinge haben das Glück, in Herdern bleiben zu können: ein Privatmann vermietet der Stadt sein komplettes Wohnhaus an der Habsburgerstraße. Wäre das nicht schön, wenn noch ein paar Herdermer und andere Freiburger diesem Beispiel folgen würden?
Ingrid Winkler vom Bürgerverein Herdern bei ihrer Begrüßungsrede, daneben Astrid Starke-
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014 AMICA in Bosnien
Frauen und Krieg– ein Porträt
78 Jahre nach dem Attentat von Sarajevo herrschte erneut Krieg in Djulici. Am
1. Juli 1992 trieben Soldaten die Dorfbewohner zusammen, trennten sie voneinan-
der. Die Frauen und Mädchen wurden aus ihren Häusern verjagt, viele vergewaltigt
und gefoltert. 700 Männer verschwanden spurlos, darunter auch der Mann von
Suvada Selimovic. Was mit ihm geschehen ist, erfuhr Suvada erst 16 Jahre später,
als seine sterblichen Überreste gefunden wurden.
Leben auf der Flucht
Ihre Kinder waren zu diesem Zeitpunkt sechs, fünf und ein Jahr alt. Suvada floh
mit ihnen, die Familie lebte bis 1996 in einer Flüchtlingsunterkunft in Slowenien.
Zu dieser Zeit betrieb AMICA das erste Projekthaus in Tuzla, eine Anlaufstelle für
intern Vertriebene, mit gynäkologischer Ambulanz, psychosozialer Betreuung,
Kinderbetreuung und Maßnahmen zur Existenzsicherung. Viele Frauen, die in das
Zentrum zu uns kamen, stammten aus der Region an der Drina.
Bis heute zählt die Region zu den strukturschwächsten in Europa. Ein „Dorf“
sind nur mehr ein paar verstreute Häuser, oft ohne geteerte Straße, Telefonleitun-
gen oder Busverbindung in die nächste Stadt. Die meisten Familien leben bis heute
am Rande des Existenzminimums. Geführt werden sie häufig von alleinstehenden
oder verwitweten Frauen, die besonders unter den wirtschaftlichen Schwierig-
keiten leiden. Es fehlen Arbeits- und Ausbildungsplätze, Absatzmärkte für die
landwirtschaftlichen Produkte, Schulen, es fehlen Perspektiven.
Nach ihrer Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina kam Suvada mit ihren Kindern
bei den Eltern in Sapna unter, etwas mehr als 7 km von Djulici entfernt. Im Jahr
In diesen Tagen blickt die Welt
nach Sarajevo.
Vor hundert Jahren führte dort
das Attentat auf den Thronfolger
von Österreich-Ungarn,
Erzherzog Franz Ferdinand,
und seine Gemahlin Sophie
zum Ausbruch des ersten Weltkriegs.
Gut zwei Stunden
von der Hauptstadt der
Föderation Bosnien-Herzegowina
und des Kantons Sarajevo entfernt
liegt der Ort Djulici.
Er gehört zur Region Zvornik
am Fluss Drina.
Suvada Selimovic
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AMICA in Bosnien FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
2002 begann die offizielle Rückkehr der Flüchtlinge und intern Vertriebenen in ihre
Heimat. Was sie vorfanden, waren Ruinen: ausgebombte, ausgebrannte Häuser,
eingerissene Brücken, verwüstete Felder. Die Frauen aus Tuzla baten AMICA e.V.,
sie bei der Rückkehr zu begleiten und ihnen zu helfen, in ihren Dörfern Selbsthilfe-
Zentren aufzubauen. So lernten wir Suvada, heute 49, kennen.
Ihr Haus war vollständig zerstört, sie hatte keine Lebensgrundlage mehr. Der
Bankkredit war zu klein, um die Ruinen wieder aufzubauen. Mit ihren Kindern
richtete sich Suvada notdürftig in einem Zimmer ein, baute Obst und Gemüse an,
zog die Kinder groß. Mit der Zeit schaffte sie es sogar, ein neues Haus zu bauen.
Ein neues Leben aus Ruinen
2005 wurde sie Leiterin des „Clubs“ in Djulici, wie die Selbsthilfegruppen
genannt werden. Seitdem prägt sie das soziale Leben und die Entwicklung der
Dorfgemeinschaft in Djulici. Die Clubs schaffen landwirtschaftliche Geräte und
Gewächshäuser an, vermitteln Wissen über Anbau und Vermarktung, organisie-
ren Saatgut, Pflanzen oder Hühner. Außerdem sorgen sie für die psychosoziale
Begleitung der Menschen, die den Krieg überlebt haben – „die Wunden der Seele
heilen“, so nennen sie es.
Im April startete AMICA e.V. ein neues Projekt, um Frauen wie Suvada, aber
auch junge, qualifizierte Arbeitslose aus der Region stärker zu vernetzen, sie fort-
zubilden und langfristig mit den Frauen der sehr erfolgreichen Kooperative Krushe
e Madhe im Kosovo bekannt zu machen. Doch dann kam, im Mai 2014, die Flut in
Südosteuropa. Wassermassen wälzten sich auch durch das Drinatal, überspülten
Straßen, rissen Häuser mit sich fort und überschwemmten Felder. Große Teile des
Getreideanbaus wurden vernichtet, der Boden ist nun übersät mit Steinbrocken
und Schlamm. Die Anbauflächen müssen erneut bepflanzt werden, doch daran ist
in diesem Jahr kaum mehr zu denken. Den Menschen ist nur geblieben, was sie
für den Eigenbedarf brauchen.
Dennoch lassen sich Suvada und die Frauen in Djulici nicht entmutigen. Sie
säubern ihre Felder, schaufeln den Schlamm, den die Flut zurückgelassen hat,
aus den Gewächshäusern, und denken bereits über neue Einkommensquellen
nach. Eine Pilzzucht könnte die Dorfgemeinschaft über das Jahr retten, auch ein
„Gemüsebus“, der als mobiler Kiosk von Markt zu Markt fährt, könnte das Einkom-
men der Familien aufbessern.
Wie stark Suvada ist, zeigt sich auch an einer anderen Stelle. Fünf Jahre lang
nahm sie als Zeugin an einem Kriegsverbrecher-Tribunal teil und reiste zwei Mal
nach Den Haag. Dort verhandelt der internationale Strafgerichtshof für das ehe-
malige Jugoslawien seine Fälle. In Kürze wird Suvada auch in einem Prozess in
Sarajevo aussagen, denn Gerechtigkeit, so sagt sie uns, sei das Wichtigste für die
Frauen, die den Krieg überlebt haben.
AMICA bittet um Spenden zur Unter stützung
der Frauen aus der Region Zvornik
in Bosnien-Herzegowina
Spendenkonto:
Volksbank Freiburg
IBAN DE15 6809 0000 0002 1001 00
BIC GENODE61FR
➔ Bild oben: Suvada im Kreis ihres „Clubs“ in Djulici Bild mitte: Suvada vor ihrem neuen Haus, dahinter das neue GewächshausBild unten: Dasselbe Gewächshaus im Mai 2014 - alles ist von Wasser und Schlamm überflutet
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014 25-Jahres-Gala
VORDERHKULTUR IN DER F
JUBILÄUMGALA Klaus BäuMatthias DJess JochimSascha BenGeorg SchraVolkmar StaSchroederFrank SauerDie GiselasMartin WangleLes SaxofousPeter W. Herma
25 Theater Freiburg 13. März 2014 19.30 Uhr
25 Jahre VorderhausJubiläums-Gala im Freiburger TheaterZum großen Geburtstagsfest ein ausverkauftes Großes Haus. Das begeisterte Publikum feierte 30 Freiburger Künstler und das Team des Vorderhaus. Ein rauschender Bühnen abend und ein großes Fest. Kulturarbeit kann so schön sein!
Fotos: Felix Groteloh
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25-Jahres-Gala FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
HAUSFABRIK
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014 Graphik & Siebdruck-Werkstatt
Man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass Dinge sich ändern. Ludwig Dörr jedenfalls ahnte schon seit lan-
gem, dass es irgendwann eng werden würde für ihn und die Werk-statt. Das Telefon war öfter stumm geblieben in den letzten Jahren, und wenn es dann doch einmal klingelte, dann war nur noch selten wie früher ein neuer Kunde in der Leitung, dem irgendjemand begeistert seine Nummer zugesteckt hatte, weil keiner in Freiburg so gut war und so sehr für sein Handwerk glühte wie Dörr, dieser Perfektionist am Siebdrucktisch. Doch manchmal ändern sich die Voraussetzungen, auch wenn die Leidenschaft überlebt. Was dem studierten Kunstlehrer am Ende blieb, war eine Handvoll treuer, hoch zufriedener Stammkunden – und die ernüchternde Erkennt-nis, dass der beste Ruf nichts nützt, wenn es keinen Bedarf mehr für die Arbeit gibt, der er gilt.
Anhaltspunkte dafür gibt es reichlich. Bereits 2011 wurde im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung im Druckgewerbe der Beruf des Siebdruckers aus dem Ausbildungsregister der Hand-werkskammer gestrichen – wie zwölf Jahre zuvor der Schriftsetzer. Heute heißen Menschen, die an Sieben stehen, Medientechnolo-gen und statt Plakaten oder Künstlereditionen drucken sie mei-stens funktionale Beschichtungen auf Leiterplatten und Tasta-turfolien und manchmal auch schräge Designs auf Geschirr und T-Shirts oder Schriften auf Gerätegehäuse. Auch in der Kunst spielt das Siebdruckverfahren heute kaum noch eine Rolle. Groß-formatige, leistungsstarke Tintenstrahldrucker haben die analogen Drucktische, an denen die Pop Art der uralten Technik in den Sechzigern zu neuem Glamour verhalf, fast vollständig aus den Künstlerateliers und Kunstdruckereien verdrängt. Ein Revival ist nicht in Sicht.
35 Jahre Siebdruckin der FABRIK
Eine Hommage von Dietrich Roeschmann
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Graphik & Siebdruck-Werkstatt FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
Deshalb machte Ludwig Dörr Anfang 2014 als Letzter das Licht aus in der Graphik & Siebdruck-Werkstatt der FABRIK, die er Ende der Siebziger zusammen mit Hans Schmid, Martin Linz, Karl-Hans Walbert und Bernhard Müller gegründet hatte und seit Beginn der Nullerjahre, nachdem die anderen nach und nach ausgeschieden waren, in Eigenregie weiter betrieb.
Die Werkstatt wurde aufgelöst, der Drucktisch für ein paar Euro an eine Freiburger Künstlerin verkauft, andere Teile der technischen Austattung ging an den BBK Südbaden und ein paar Freunde. Der Rest wurde verschenkt. Bis auf das, was man das Gedächtnis der bewegten, 35-jährigen Geschichte dieses inzwi-schen historischen Ortes nennen könnte: Dutzende von Mappen voller Plakate, Kunstdrucke und Comicserigrafien, sauber abge-legt nach Entstehungsdatum, oft signiert von den Künstlerinnen und Künstlern selbst.
Ein Teil dieser Arbeiten wurde Ende Juni nun bei einer Auk-tion in der FABRIK versteigert. Angesichts des stillen Endes hätte das eine traurige Veranstaltung werden können. Stattdessen wurde ein fröhliches Fest daraus, zu dem viele kamen, die mehr mit der Siebdruck-Werkstatt verband als bloße Nostalgie oder die Liebe zu satten Farben. Mit gutem Grund: Siebdruck wurde hier nie nur als grafisches Medium verstanden, sondern immer auch als Instrument des politischen Kampfes. Als Dörr, Linz, Walbert und Schmid 1976 anfingen, an einem WG-Küchentisch in der Bleichestraße Farbe mit Speckbrettchen durch Siebe zu drücken, war das AKW Fessenheim gerade ans Netz gegangen und die Besetzung des Dreisamecks stand kurz bevor. Auch wenn an eine professionelle Werkstatt damals noch kaum zu denken
war, hatte die Gruppe schon klare Vorstellungen vom Sinn ihrer Küchen-Experimente. „Siebdruck war billig, flexibel und schnell, dadurch konnte man spontan auf vieles reagieren, was in der Stadt passierte“, sagt Ludwig Dörr. „Wir waren überzeugt davon, dass wir als Siebdrucker mit unserer Arbeit politisch etwas bewirken können.“ Nur die technischen Bedingungen standen dem gesell-schaftlichen Fortschritt noch im Weg: Der Drucktisch, mit dem sie ihre erste Werkstatt in einem Hinterhaus an der Schwarzwald-straße bezogen, war ein abenteuerlicher Eigenbau, die Ablage zum Trocknen der Plakate ein wackliges, mit Wäscheklammern gespicktes Gestänge an der Wand. Als das Gebäude abgerissen wurde, kamen sie kurzzeitig in der Spechtpassage unter und zogen 1978 schließlich als eine der ersten selbstverwalteten Gruppen in die gerade gegründete FABRIK für Handwerk, Kultur und Ökologie.
Damit war die Zeit der Experimente definitiv vorbei – auch, weil es mit der Bundschuh-Druckerei (später schwarz auf weiss) einen weiteren Betrieb im Haus gab, der für die Szene druckte, anders als die Siebdrucker allerdings im Offset-Verfahren. Die Folge war eine überaus produktive Arbeitsteilung: Während im Erdgeschoss hochauflagige Flugblätter, Polit-Broschüren oder Programmflyer auf der Walze rotierten, mischten die Siebdrucker im Obergeschoss ihre Farben für Veranstaltungsplakate alternati-ver Kulturgruppen, und immer öfter auch für Aufkleber, die – als zeitgeistiges Bekennermedium No. 1 – von der Autoheckklappe über den Ampelpfosten bis zur Kneipenklotür sämtliche Oberflä-chen des Szenealltags tapezierten. Die selbstklebenden Slogans erweiterten die Reichweite der Gegenöffentlichkeit. Politische For-derungen der Szene blieben in der Stadt sichtbar, auch lange nach-dem die Demo vorbei und die Flugblätter verteilt waren. Martin Wiedemann vom Kulturbüro der FABRIK umschreibt das heute als „Politik der Ikonographie“, die nicht nur nach außen Wirkung zeigte: „Legendäre Aufkleber wie ‚Hände weg vom Schwarzwald-hof‘ oder das fliehende Exit-Männchen vor dem AKW Fessenheim wurden zu identitätsstiftenden Signets der Szene.“ Und das wa-ren nur zwei von Hunderten Motiven, die in den Achtzigern die Siebdruck-Werkstatt verließen. Überdauert haben die wenigsten von ihnen. Das Sticker-Archiv jedenfalls landete bei einer späteren Aufräumaktion versehentlich im Müll.
Ludwig Dörr, 2003
Nahezu vollständig aufbewahrt wurden hingegen die Plakate, von denen eine große Auswahl bei der Auktion im Juni versteigert wurde. Als Dokumente der Geschichte der freien Kultur in Frei-burg erzählten sie an diesem Abend zugleich von der fortschreiten-den Professionalisierung des Siebdrucks in der FABRIK. Während Hans Schmid und Bernhard Müller in der frisch eingerichteten Grafik-Werkstatt die ersten Plakate für das Kommunale Kino oder das Kinder- und Jugendtheater druckten, jobbten Ludwig Dörr, Martin Linz und Karl-Hans Walbert abwechselnd in Stuttgart bei Hans-Peter Haas, der damals zu den wichtigsten Kunstdruckern in Deutschland gehörte. „Eine bessere Schule hätten wir nicht haben können“, sagt Dörr heute. „Hier wurdest du jeden Tag mit neuen technischen und künstlerischen Fragestellungen konfron-tiert, auf die du eine Antwort finden musstest.“ Die Freiburger lernten schnell – das richtige Ablegen, die perfekte Kopie für Halb-tonfilme, das Mischen der Farbe auf den Punkt, das passgenaue Einrichten. Nach ein paar Monaten ließ Haas den Jobber Dörr auch alleine an den Drucktisch – für eine Künstleredition von Christos „Running Fence“.
Dieser Hunger nach Verfeinerung der Technik und der Schär-fung des Auges war nur konsequent. Seit Gründung der Sieb-druckwerkstatt spielte die Verbindung von Kunst und Handwerk, von Fantasie und Präzision hier eine zentrale Rolle für die gemein-same Arbeit. In den Achtzigern entstanden so neben politischen Plakaten und Aufklebern zahlreiche eigenständige Kunstdrucke, die auf Fotografien von Hans Schmid und Martin Linz basierten oder auf Zeichnungen und Collagen von Bernhard Müller, Lud-wig Dörr und Karl-Hans Walbert. Die Siebdrucker machten damit nicht nur in der Freiburger Szene Furore. Mehrfach kürte das bundesweit erscheinende Branchenblatt „Der Siebdruck“ einzelne Arbeiten aus der Werkstatt als „Druck des Monats“ – und stellte dafür jedes Mal das komplette Cover zur Verfügung.
Als Bernhard Müller, Martin Linz und Karl-Hans Walbert die Werkstatt dann Mitte der Achtziger verließen, rückte die Kunst im-mer stärker in den Fokus: Der Freiburger Feinkosthändler Stähle, der ein paar Jahre lang über seinem Käseladen in der Schuster-straße einen Kunstraum betrieb, gab Editionen seiner Künstler in Auftrag, der junge Comicladen x für u grelle Motive von renom-mierten Zeichnern. Günter Brockhoff, ein Maler aus dem Saar-land, ließ einen aufwendigen 50-Farben-Druck herstellen. Und Joachim „Uhuru“ Uhl – Musiker, Jazz-Fan und Pionier der Urban Art in Freiburg – realisierte gemeinsam mit den Siebdruckern legendäre Mini-Serien von Plakaten für John Coltrane, die er Jahr für Jahr pünktlich zum Todestag seines Helden in der Stadt ver-klebte. Einfach so, aus Dankbarkeit für eine prägende Erfahrung: „Ich hielt die Welt lange für erklärbar“, sagte er später einmal, „bis zu dem Tag, an dem ich Coltrane das erste Mal spielen hörte“.
Noch heute kann sich Ludwig Dörr für solche Geschich-ten begeistern. Auch weil sie zeigen, dass diese Werkstatt immer mehr war als nur eine Werkstatt: sie war Kreativlabor, Sehschule,
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014 Graphik & Siebdruckwerkstatt
Serigraphien:Joachim „Uhuru“ Uhl, Coltrane †, Plakat 1983Hendrik Dorgathen, Jojo, 1991Hans Schmid, Mülleimer, 1981Ludwig Dörr, Hornisse, 1985
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Graphik & Siebdruckwerkstatt FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
Denkfabrik, eine Anlaufstelle für Bildersüchtige. Hier wurde kein Auftragsbuch abgearbeitet, sondern gemeinsam mit den Künstlern nach perfekten Lösungen gesucht, nach Wegen, das Unmögliche möglich zu machen. Das sprach sich herum, vor allem bei Künst-lern aus Freiburg und der Region, die konkret-konstruktivistisch arbeiteten. Seit Beginn der Neunziger, als auch Hans Schmid lang-sam ausschied, kamen sie immer öfter, und es war klar: Da hatten sich die Richtigen gefunden – Dörr und die Konkreten. Berüchtigt für ihre präzise, fast pedantische Behandlung von Farbe, Fläche und Kontrast trafen sie hier auf jemanden, der nichts lieber tat, als am Drucktisch die Grenzen des Machbaren auszutesten. „Diese scheinbar so einfachen, klaren Kompositionen der Konkreten wa-ren in Wirklichkeit auf brutale Weise fehlerintolerant“, sagt Dörr. Jede Passerungenauigkeit, jedes Staubkorn, jede Schwankung der Luftfeuchtigkeit konnte diese Drucke zunichte machen.
Dörr zieht eines der Blätter aus der Mappe und beugt sich über das tiefschwarze Quadrat, an dessen Seitenrändern ein roter und ein violetter Balken glühen. „Herrlich“, flüstert er und lässt sich in die Stuhllehne zurückfallen. „Das ist eine der schönsten Arbeiten überhaupt, die Peter Staechelin bei uns hat drucken lassen“. Der konkrete Maler, Grafiker und langjährige Kunstpro-fessor an der PH Freiburg war irgendwann einer der treuesten Kunden der Siebdruckwerkstatt geworden. Ohne ihn, bei dem Dörr in den Siebzigern noch studiert hatte, wäre der Betrieb in den Neunzigern und Nullerjahren wohl anders gelaufen – und nicht unbedingt besser. Staechelin vermittelte Dörr mit Kollegen aus Freiburg und Karlsruhe und mit dem Sulzburger Galeristen Martin Wörn, der wiederum über Jahre regelmäßig Editionen internationaler Künstler aus seinem Programm in der FABRIK drucken ließ. Aus der einstigen Plakat- und Stickerschmiede der linken Szene war eine professionelle Kunstdruckerei geworden. Der Sprung ins digitale Zeitalter gelang ihr leider nur einmal, und zwar analog – mit einer Serie von Computergrafiken des Karls-
ruher Künstlers und Mathematikers Erwin Steller, die Dörr ganz klassisch mit Rakel und Farbe durch das Sieb strich.
Bei der Auktion im Juni, die als Finissage dieser langen Bildergeschichte gefeiert wurde, kamen übrigens 35 Sieb-drucke unter den Hammer. Zu jedem einzelnen erzählte Ludwig Dörr eine kurze Geschichte, bevor Auktionator Michael Bögle das Bieten eröffnete. Nach zwei Stunden waren alle Mappen leer und die Zuschlaglisten voll. Die Top-Lose des Abends waren: Eine minimalistische Komposition von Peter Staechelin, ein Comicdruck von Hendrik Dorgathen und das Plakat zur Marlene-Dietrich-Retrospektive, mit der das Kommu-nale Kino 1982 in seine neue Zukunft im Alten Wiehrebahnhof startete. Auf schöne Weise spiegelte sich in diesen Höchstgeboten noch einmal die ganze Bandbreite des Schaffens, mit dem in der Siebdruckwerkstatt über drei Jahrzehnte an der Verbindung von Handwerk, Kunst, Kultur und Leben gearbeitet wurde.
Dietrich Roeschmann ist freier Journalist und lebt in Freiburg
Serigraphie links oben: Carlos Cruz-Diez, Paris, o.T., 2008Serigraphie rechts oben: Peter Staechelin, Freiburg, o.T., 2000
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Beate Pilz
Bernd Obrecht
Mario Ricigliano
Yoganathan Thangarase
Jonas Rottmüller
Hannah Jochum
Zeki Hamza
Anna Shumaylova
Uli Tauss
Turhan Sakalikaba
Melanie Beck
Magdalena Eckhoff Rainer Brühl Felix Johner Lena Oser
Jürgen Parpart Nicole Lapp
Dagmar Schulz-Stadelmann
Barbara Hass
Joachim Schiffl
Günther Zembsch
Torsten Kreuzer
Astrid Fiebich
Matthias Wörne Thomas Ackermann
Herbert Pirkl Benno Enderlein Bernhard Kratz
Alexander Butz
Bernd Jörger
Heike Behrend
Ludwig Dörr
Mo|ment|auf|nah|mebezeichnet allgemein das Festhalten einer kurzen Zeitspanne,
eines Augenblicks oder eines (besonderen) Moments,
beispielsweise im Gedächtnis. Oder durch Fotografie.
Rund 150 Menschen arbeiten in der FABRIK und prägen täglich
das Bild des Geländes.
Fotos: Albert Josef Schmidt | Yasemin Aus dem Kahmen
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Uwe Sütterlin
Kim Kerkhoff
Yasemin Aus dem Kahmen
Nona Otarashvili-Becher
Sabine Bammert
Jan Caesar
Sandro Nocita
Beate Froese
Susanne Ostmann
Thomas Schmuckle
Dieter Pfeiffer
Dorothea Hiller Lorenz Vollmer Balthasar Becker Michael Abbey, Zoe, Mia
Annette Klarmann
Sascha Knobel
Peter Rist
Valentina Pavicic
Mark-Ingo Thielgen
Sylvia Rombach
Thomas Klarmann
Michael Bühn
Widu Wittekindt
Ute Derksen
Karl-Heinz Debacher
Colette Donadio
Ulrike Klahn
Bettina Tschuwana
Laura Fernandez
Andreas Hansen
Ralf Bühler
Birgit Lüdke-Brücker
22
Jens Katzmarzik Natalie Schott Islam Rasiti Renzo Valencia Pia Rauber Udo Lange
Sebastian Hintzen Ute Lingg Gerlinde Schuster Eva-Maria Österle Valentin Pietsch Christa Rösch
Dirk Scherer
Thomas Stadelmann
Daniela Nevulis
Lisa Hunsicker
Gertrud Schröder
Thomas Bethmann
Markus Kessler
Andreas Förderer
Tim Siebert
Alf Sczersputowski
Hans Schmid Inge Zeller Joachim Herb
Bernadette Albrecht
Michael Patzelt
Ricardo Moulinho
Jochen Seidel
Judith Kramer Hartmut Lempp Christoph Daub Sandra Takács Renate Bölstler
23
Ralph Brender
Regina Leonhart
Simon Menzel Jule Wottke
Bernd Zeller
Lars Wulfmeier Christian Miess
Bianca Rebel
Siegfried Wernet Steffen Heisch Rainhard Sohn
Joachim Mast Karin Hönes Jutta Ohrem Stefan Adam
Werner Altmann
Feride Lipovica
Sebastian Ziegler
Klaus Wörner
Torsten Glaser
Daike Neumann
Ally Dolle
Tatjana Adobatti
Jonas Merkel
Annette Schwarte Claudia Nussbaumer
Ellen Seßar-Karpp Franz Christian Schubert
Martin Wiedemann Nils Riegler
Nicht alle Fototermine haben geklappt, nicht alle
wollten ihr Bild im Rundbrief sehen.
Deshalb fehlen rund 20 Portraits – im Rundbrief,
aber nicht in der FABRIK.
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014 Energiewende
Wir müssen uns den Altbaubesitzer als
glücklichen Menschen vorstellen! Albert
Camus hat die FABRIK nicht gekannt, sein
Satz war auf die Aufgabe des Sisyphus be-
zogen. Aber wir fühlen uns von ihm vollstän-
dig verstanden. Vor 36 Jahren sind wir hier
eingezogen und seither sehen wir uns in der
Verantwortung für den Erhalt der schönen
alten Fabrikgebäude.
Renoviert, saniert, gebaut haben wir
von Anfang an. Immer mit großer Lust und
Kreativität, mit großem Respekt vor der
bestehenden Bausubstanz und mit großer
Unterstützung unserer Darlehensgeber. Und
immer war natürlich der ökologische Ge-
danke sehr wichtig bei allem Sanieren und
Neubauen. Wir haben deshalb das Gelände
nicht nur unter ästhetischen Gesichtspunk-
ten gestaltet, sondern auch umweltverträg-
lich investiert und saniert. Sei es das erste
Blockheizkraftwerk in Freiburg, die Photo-
voltaik-Anlage auf dem Dach des neu gestal-
teten Hinterhauses oder die energetische
Sanierung unserer 200 Fenster, die wir in
diesem Jahr weitgehend abgeschlossen ha-
ben. Um nun erneut auf einem Dach zu lan-
den, diesmal auf dem des Hauptgebäudes.
Das aus Well-Eternitplatten bestehende
Dach hat seine besten Jahre hinter sich,
ist schlecht isoliert und damit nicht mehr
auf dem ökologischen Stand der Zeit. Eine
neue Dämmung bedeutet bessere Wär-
medämmung und Energieeinsparung im
Winter und kühlere Raumtemperaturen im
Sommer. Wir werden auf 30 Jahre gesehen
348 Tonnen CO2 einsparen, das ist 30%
mehr Einsparung als durch die Energieein-
spar-Verordnung verlangt wird. Daher wird
diese Maßnahme auch über das CO2–Min-
derungsprogramm des Landes gefördert.
Und, für uns genauso wichtig, die „geerb-
ten“ asbesthaltigen Platten werden fachge-
recht entsorgt.
Wir sind seit Anfang an bestrebt, mög-
lichst viel von dem Strom und der Heiz-
energie, die wir auf dem Gelände verbrau-
chen auch hier zu erzeugen. Was liegt also
näher, als die Dachsanierung mit dem Bau
einer zweiten Photovoltaik-Anlage zu ver-
binden. Die neue Anlage wird in etwa eine
Leistung von 80 kWp haben, zum Ver-
gleich: die Anlage auf dem Hinterhaus hat
eine Leistung von 17,5 kWp. Wir planen die
neue Anlage als Eigenverbrauchsanlage
und speisen die Überschüsse ins Netz ein.
Die Angebote für die Dachsanierung und die
Solaranlage liegen vor. Zusammen mit un-
serem Energieberater Jörg Grotefendt und
dem Architekten Swen Osterloh arbeiten
wir im Augenblick an der Auftragsvergabe.
Baubeginn soll Ende August sein, wenn die
KiTa-Kinder in Ferien sind. So begegnen sich
weder Gerüstbauer und Kinder auf dem
Spielplatz im Hinterhof, noch sind die Kin-
der da, wenn die asbesthaltigen Platten von
einer Fachfirma Anfang September entsorgt
werden.
Geht alles nach Plan, fängt die neue An-
lage auf dem Hauptgebäudedach dann Mitte
Oktober die Sonnenstrahlen eines hoffent-
lich goldenen Altweiber-Sommers ein.
Dem neuen EEG zum Trotz!Die FABRIK baut auf dem Dach ihres Hauptgebäudes eine weitere Photovoltaikanlage
Nach der Dachsanierung blicken hier Solarpaneele in die Sonne
➔ Darlehen gesucht!
Da unsere liquiden Mittel dieses Jahr gerade für die Kosten der Dachsanierung (gut 100.000 Euro) reichen werden, wollen wir die Kosten der Photovoltaikanlage (je nach Größe 70 – 100.000 Euro) in bewährter Form mit privaten Darlehen finanzieren. Wie schon seit 30 Jahren (siehe dazu hier S. 32) sind uns viele kleine Darlehen (1.000 – 10.000 Euro) lieber als wenige große. Beim Zinssatz sind wir gehalten, uns am aktuellen allgemeinen Zinsniveau zu orientieren. Daher bieten wir für unbefristete, jederzeit wieder abrufbare Dar-lehen bis zu 1 %, bei Festlegung auf mehrere Jahre bis zu 2 % Zinsen an.Die Absicherung der Darlehen erfolgt über die Sammelgrundschuld unseres Treuhänders (im – rein theoretischen – Fall eines Zwangsverkaufs der FABRIK würden unsere Darlehensgeber damit ihr Geld vor allen anderen Gläubigern erhalten).Wer also aktuell etwas Geld übrig hat und uns beim Bau unserer zweiten PV-Anlage unterstützen möchte, möge sich bitte melden bei: Hans Schmid, Tel. 0761-50365-52 oder per Email: schmid@fabrik-freiburg.de
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Energiewende FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
ist die Erkenntnis, dass es irgendwann an Einnahmen zum Un-terhalt des Stromnetzes fehlen wird, wenn jedes Haus einen Teil seines Stroms selbst erzeugt – denn Netzentgelte werden heute von Privatkunden allein pro Kilowattstunde bezahlt. Doch statt Eigenstrom zu verteuern, wäre eine Bereitstellungsgebühr für je-den Stromanschluss die logische und faire Lösung; ein Fixbetrag je nach Anschlussleistung.
Und auch an dem sozialpolitischen Argument, das gerne zitiert wird, ist was dran: Wer ein großes Dach hat, kann einen Teil seines Stroms billig selbst erzeugen, wer im Hochhaus wohnt, tut sich hingegen schwer. Aber auch das ist, nüchtern betrachtet, kein Grund, eine Sonnensteuer einzuführen. Denn wer umverteilen will, und jene Bürger stärker zur Kasse bitten will, die im Einfami-lienhaus wohnen, hat dafür das Instrument der Grundsteuer zur Hand. Wer sie erhöht, trifft schließlich exakt jene, die in großen Häusern leben, aber blockiert nicht die Energiewende.
Doch eben diese Blockade ist ja gewollt. In ihr sehen die Stromkonzerne, die immer noch an der Kohle hängen, ihre letzte Rettung. EU-Energiekommissar Günther Oettinger sagte jüngst, Deutschland sei „unterwandert“ von Solar- und Windkraftbetrei-bern – eine entlarvende Formulierung, die allzu deutlich macht, warum es nun in Deutschland eine Sonnensteuer gibt.
Mit einer Sonnensteuer gegen die Energiewende Ein Kommentar zum neuen EEG von Bernward Janzing
Bis 2009 entsprach die Summe der vereinnahmten EEG- Umlage auch der Summe der ausbezahlten Vergütungen. Ab 2010 driften die Summe der von den (kleinen) Strom-verbrauchern bezahlten Umlagen und die Summe der ausbezahlten EEG-Förderungen immer mehr auseinander. In 2014 wird die Summe der Umlagen das 2,5-Fache der Förderungen ausmachen. Kann man das anders als Betrug nennen?
Der Gegenschlag der fossilen Energielobby war absehbar: Kaum ist die Photovoltaik so billig geworden, dass sie auf eigenen Füßen stehen kann, führt die Bundesregierung eine Sonnensteuer ein – wer Strom vom eigenen Dach verbraucht, muss künftig für jede Kilowattstunde bezahlen.
Das ist, als würde der Staat für Obst aus dem eigenen Garten Mehrwertsteuer erheben, weil jeder eigene Apfel die Steuerein-nahmen mindert. Das ist, als müsste man Sozialabgaben zahlen, wenn man seine Küche selbst streicht und den Kindern die Haare selbst schneidet, weil dadurch die betreffenden Berufsgruppen jeweils weniger verdienen.
Natürlich gibt es solche Abgaben hierzulande allesamt nicht – um die Energiewende zu bremsen ist jedoch kein Instrument absurd genug. Dabei ist es schon vom Grundsatz her aberwitzig, Ökostrom einerseits mit einer Umlage zu belasten um mit dem Geld an anderer Stelle wiederum Ökostrom zu fördern. Ähnlich, als würde man Mineralwasser besteuern um mit dem Geld Kam-pagnen gegen Alkoholmissbrauch zu finanzieren.
Und doch war die Solarsteuer absehbar. Denn wer beobachtet hat, wie die Lobby der alten Stromwirtschaft stets eine Kürzung der Einspeisevergütungen forderte, musste ahnen, dass sie was neues ausheckt, sobald der Solarstrom von den Vergütungen un-abhängig ist. Genau an dem Punkt sind wir heute: Wer sein Dach mit Modulen belegt und den Strom selbst verbraucht, muss im Idealfall nicht eine einzige Kilowattstunde mehr einspeisen. Solar-strom rechnet sich damit ohne Förderung – riesiger Fortschritte in der Photovoltaikforschung und -entwicklung sei Dank.
Dadurch aber verändert sich natürlich die gesamte Strom-wirtschaft, wie die Bundesregierung zurecht erkennt. Nur zieht sie mit der Sonnensteuer die falschen Konsequenzen. Korrekt
Bernward Janzingist Journalist und freier Autor aus Freiburg. Von ihm stammt u.a. das Buch „Solare Zeiten“, erschienen im Picea-Verlag.
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Die „gigs für kids“, das Theaterangebot für Kinder im Vorderhaus,
werden mit konstanten Besucherzahlen seit Jahren gut angenom-
men. Programmatisch liegen die Schwerpunkte hauptsächlich beim
Figurentheater mit Gastspielangeboten aus dem gesamten deutsch-
sprachigen Raum, bei Gastspielen aus anderen theatralischen Berei-
chen sowie bei Aufführungen und Premieren von Freiburger Thea-
tergruppen. Der Spielplan umfasst pro Spielzeit rund 50 Vorstel-
lungen, gewöhnlich am Samstagnachmittag und Sonntagmorgen.
Zu diesen Vorstellungen kommen rund 6.000 Besucher jährlich.
Herausragend dabei sind die „Figurentheater Tage“, ein einwöchiges
Festival im Frühjahr.
Bei den „Figurentheater Tagen“ wird bereits eine pädagogische
Nachbereitung angeboten. Über dieses Angebot hinaus wurde im
Lauf der Jahre eine Kooperation mit Kindergärten, Kindertagesstät-
ten und Grundschulen aufgebaut. Diese Kooperation wollen wir in
den nächsten Spielzeiten verstärken und inhaltlich weiterentwickeln.
Dazu wollen wir mit Einrichtungen, die in der FABRIK bereits seit
längerem Kurse für Kinder, Pädagogen und Pädagoginnen anbieten,
zusammenarbeiten.
Kurse für Kinder an, die im Jahr von rund 1500 Kindern be-
sucht werden. Hier lernen die Kinder, kognitive und sinnliche
Eindrücke zu verarbeiten und mit Händen und Phantasie diese
Erfahrungen „greifbar“ zu machen. Getöpfert wird alleine oder
in der kommunikativen Gruppe rund um den großen Tisch. Diese
didaktischen Formen sollen für die Nachbereitung der Theater-
stücke genutzt werden.
bietet Kurse für Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren an.
Vermittelt wird in den Kursen stabilisierendes Verhalten mit
den Lernzielen: Eigene Fähigkeiten zu entdecken, Grenzen zu
erfahren und zu erweitern, soziale Kontakte mit anderen zu
gestalten, Lernen durch Bewegung. Die Themen sollen den je-
weiligen Theaterstücken angepasst werden.
-
gage“ regelmäßige Fort- und Weiterbildungen für Erzieherin-
nen und Erzieher in den verschiedensten Themenfeldern an.
Gefördert werden pädagogische und künstlerisch-schöpferische
Erkenntnisse und Ansätze mit dem Ziel, die eigenständige Iden-
tität von Kindern zu bewahren und anzuerkennen.
Ziele einer erweiterten Konzeption zur theater-pädagogischen Bildung mit Kindern und Erziehenden
Wir verstehen kulturelle Bildung nicht singulär als Vor- oder
Nachbereitung eines Theatererlebnisses, sondern als ein Erlebnis
mit allen Sinnen. Die in der FABRIK vorhandenen Erfahrungen und
Kenntnisse zur Schulung und Entwicklung dieser kognitiven wie
sinnlichen Bildung wollen wir unter dem Motto „Kulturelle Bildung
Krativ“ bündeln. Von seinen Arbeitsergebnissen sollen sowohl
Kinder, als auch Eltern und Pädagogen profitieren.
Im Mittelpunkt steht die Förderung der kreativen Entwicklung
von Kindern als eigenständigen Persönlichkeiten, die zum Erleben
und Verarbeiten von kulturellen Angeboten befähigt werden sollen.
Dazu bieten wir kognitive Formen in der pädagogisch-kulturellen
Vermittlung sowie gestalterische und verhaltensbetonte Ansätze.
Ausgehend von den Erfahrungen der Kinder als Theaterbesucher,
die mit drei Jahren die ersten gemeinsamen Bühnenerlebnisse er-
fahren und verarbeiten, sollen neben der Förderung der Kinder auch
Erwachsene, Eltern, aber gerade auch in pädagogischen Berufen
tätige Menschen in die Lage versetzt werden, die kulturelle Bildung
und Entwicklung von Kindern zielgerichtet zu unterstützen.
„Kinder bilden. Erziehende fortbilden.“
Das Kindertheaterangebot in der FABRIK soll ergänzt und erweitert werden
FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014 KInderkultur
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Kinderkultur FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
Projekte in dieser ganzheitlichen Form und für diese Alters-
gruppe gibt es in Freiburg unseres Wissens noch nicht. Durch die
beschriebene Vernetzung gehen wir einen neuen Schritt für die
FABRIK und schaffen neue Angebote für die Menschen in Freiburg,
insbesondere für die Kinder.
Umsetzung der Konzeption Diese Konzeption wollen wir unter Federführung des FABRIK e.V. in
drei Schritten umsetzen:
1. Etablierung eines zusätzlichen regelmäßigen Veranstaltung-
sangebotes für Kindergärten und Grundschulen während
der Woche. Zentrales Angebot ist der Besuch eines Theater-
stückes, der theaterpädagogisch begleitet wird.
2. Damit verbunden die Etablierung eines vielfältigen Angebotes
zur Vor- und Nachbereitung unter Einbeziehung der verschie-
denen in der FABRIK ansässigen Partner. Dieses Angebot gilt
für Kinder wie Erzieherinnen und Erzieher.
3. Perspektivisch die Einrichtung einer eigenen Bühne für Kin-
dertheater als Ergänzung zum Saal des Vorderhauses. Ein sol-
cher eigenständiger Raum für Kinder eröffnet weitreichende
Bildungs- und Kooperationsperspektiven innerhalb und außer-
halb der FABRIK .
Das Konzept soll ab Januar 2015 zwei Jahre lang erprobt wer-
den. Dazu haben wir einen Antrag auf Bezuschussung bei der Stadt
Freiburg gestellt, über den im Rahmen des Doppelhaushalts 2015/16
entschieden werden wird. Die Zuschüsse gelten allein dem FABRIK
e.V. und nicht den am Projekt beteiligten Partnern.
Gleichzeitig wollen wir überprüfen, wie ein in Frage kommender
Raum in der FABRIK speziell für Kindertheaterangebote als weitere
Bühne des „Vorderhauses“ umgestaltet werden kann. Dafür haben
wir einen Antrag auf einmalige Bezuschussung der anfallenden
Planungskosten gestellt. Im besten Falle können wir so neben dem
Saal des „Vorderhauses“ als Bühne für das Erwachsenenprogramm
eine weitere Bühne einrichten, die schwerpunktmäßig für Kinder im
Alter zwischen drei und zehn Jahren bespielt wird.
Dies wäre ein weiterer Baustein, um das soziokulturelle Zentrum
FABRIK in Hinsicht auf sein Theaterangebot für Kinder und deren
kulturelle Bildung weiter zu entwickeln und zu stärken.
Gutes Theater bietet ein fesselndes Erlebnis und eine Erfahrung, die pädagogisch und gestalterisch vertieft werden kann.
Ton ist ein sinnlich greif- und formbares Material, mit dem sich alle wunderbar ausdrücken können.
Finde den Drachen in dir und zähme ihn! Hier wird die Lösung einer verzwickten Situation anhand von Pappkameraden gesucht.
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014 Förderkreis Vorderhaus
„Lieber tausend Freunde hinter uns als eine Bank im Genick“ war unser Motto Anfang der achtziger als wir private Darlehen such-ten, um die FABRIK-Gebäude kaufen zu können. Auf Menschen, die das was wir in der FABRIK machen unterstützenswert finden, können wir heute noch zählen. Ein großer Kreis von Gleichge-sinnten unterstützt uns, ideell und durch Spenden oder Darlehen. Für das „Vorderhaus-Kultur in der FABRIK“ gibt es einen ei-genen Förderkreis, der seit fast 20 Jahren unser soziokulturelles, nichtkommerzielles Kulturangebot solidarisch unterstützt. Ein Programmangebot, das sich nicht am Mainstream orientiert, den
Nachwuchs fördert und trotzdem – oder gerade deshalb – immer auch die großen Namen des Kabaretts präsentieren kann. Und das nicht nur auf künstlerischen Nachwuchs achtet, sondern auch den Kindern einen breiten Platz einräumt. Mit einem Kinderkulturan-gebot, das gepflegt wird und weiter ausgebaut werden soll. Auch deshalb ist es wichtig, die Unterstützung der Mitglieder im För-derkreis für das Vorderhaus zu erfahren, in Euro und in Solidarität. Für letztes Jahr hatten wir uns zum Ziel gesetzt, die Anzahl der Mit-glieder von 100 auf 200 zu verdoppeln. Dieses Jahr haben wir das geschafft! Beim diesjährigen Förderkreisabend sind spontan vier neue Mitglieder eingetreten, damit sind wir exakt bei 200 Förderern. Schon im letzten Jahr hatte der Platz im Saal nicht mehr ausge-reicht, um alle zu bewirten, zu unterhalten und zu informieren,
denn darum geht es bei den jährlichen Förderkreisabenden. Wir bedanken uns mit einer Stärkung für Leib und Geist, mit dem Auftritt von ausgesuchten Künstlern, die oft unbekannt, uns aber wichtig sind. Und mit einem gemeinsamen Essen, diesmal einem deftigen Vesper und frischem Markgräfler Wein. Aufgetreten sind dieses Jahr Titus Waldenfels und Michael Reiserer, zwei unglaub-lich virtuose und sympathische Musiker aus München. Mit Gitarre und minimalistischem Schlagzeug bieten die beiden großarti-ges musikalisches Können, intelligente Unterhaltung vom Fein-sten. Beim Förderkreisabend wurden sie unterstützt von Sascha Bendiks, Freiburger Musiker und selbst Förderkreismitglied.
Bei so einem lauschigen Abend, bei dem das Wetter uns eben-falls gut gesonnen war, entsteht fast von allein, was die För-derkreisabende darüber hinaus auszeichnet. Nämlich, dass hier ähnlich denkende Menschen zusammen kommen, sich austauschen, sich kennenlernen, neue Begegnungen erle-ben oder alte vertiefen. Und dem Kultur-Team des Vorder-hauses eine Solidarität vermitteln, die für unsere Arbeit exi-stenziell ist. Dafür herzlichen Dank und bis nächstes Jahr! Und wer weiß, vielleicht sind es bis dann 222 Unterstützerinnen und Unterstützer. Ohne Ziele geht’s halt nicht ...
Die Ziellinie ist erreichtSeit dem traditionellen Förderkreis-Abend Anfang Juni zählt der Förderkreis Kultur im Vorderhaus jetzt 200 Mitglieder!
Neben Gespräch, Austausch und Kultur gibt es immer auch aktuelle Informa tionen zum Vorderhaus und zur Kulturpolitik
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SolidarEnergie FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
An diesem Abend im Rampenlicht: der Vorstand von „OFF – Obdach für Frauen“ und neue weitere Einrichtungen, hier das Rasthaus
Ausgezeichnetes EngagementDie SolidarEnergie vergibt zum vierten Mal Preise und Förderungen für beeindruckende ehrenamtliche Arbeit
Ökologisches Engagement, klimafreund-
liches nachhaltiges Wirtschaften und
soziokulturelle Arbeit mit sozialer Ver-
ant wortung verbinden, das war der
Grundgedanke, als auf Initiative der
Elektrizitätswerke Schönau, der Volksbank
Freiburg und der FABRIK im Jahr 2010 der
gemeinnützige Verein „SolidarEnergie“
gegründet wurde.
Am 21. Mai 2014 wurde zum vierten Mal
der „Preis der SolidarEnergie“ vergeben.
In diesem Jahr erhielt nun „OFF – Obdach
für Frauen, Förderverein Frauen in Not
e.V.“ diesen Preis. Seit 1998 hilft der Ver-
ein hauptsächlich obdachlosen Frauen mit
großem Engagement und außerordentlicher
Effektivität.
Die Fördermittel, die die „SolidarEner-
gie“ vergeben kann, kommen aus den Erlö-
sen von Photovoltaik-Anlagen auf Dächern,
die von Dritten zur Verfügung gestellt wer-
den. Die EWS Schönau betreibt und war-
tet diese Anlagen, deren Erträge von der
Volksbank Freiburg dann gedoppelt werden.
So konnten über den „Preis der SolidarEner-
gie“ hinaus an neun weitere Einrichtungen
insgesamt 12.500 Euro als Unterstützung
für ganz konkrete Projekte vergeben wer-
den. Alle geförderten Projekte zeichnen sich
dadurch aus, dass sie Hilfe zur Selbsthilfe
ermöglichen. Auch vergleichsweise geringe
Fördergelder erzielen hier eine nachhaltige
Wirkung, da sie nicht in großen Hilfspro-
grammen verschwinden, sondern gezielt
eingesetzt werden.
Beya Stickel vom Vorstand der Solidar-
Energie kritisierte in ihrer Begrüßungs-
rede, dass ein weiterer Ausbau des Modells
der SolidarEnergie durch die von Minister
Gabriel geplante Neufassung des Erneuer-
bare-Energien-Gesetzes verhindert wird.
Solar-Anlagen, die „nur“ einspeisen, rech-
nen sich künftig nicht mehr — der Verein
wird keine weiteren Erlöse erzielen können.
Das ist nicht nur traurig für uns, das betrifft
die Energiewende insgesamt. Bau und Be-
trieb von kleinen, dezentralen Anlagen wer-
den unrentabel, Großindustrie und Großan-
lagen werden durch Ausnahmeregelungen
und Subventionen gefördert. Energiewende
à la Gabriel.
Die SolidarEnergie wird sich nicht ent-
mutigen lassen und weiter um Unterstüt-
zung und Spenden für ihr gutes Projekt
werben. Seit der Vereinsgründung wurden
in vier Jahren insgesamt 48.900 Euro För-
dermittel vergeben. Das ist Ansporn und
Ermutigung — wir sehen uns wieder bei der
Preisverleihung im Frühjahr 2015!
„OFF - Obdach Für Frauen“ Förderverein für Frauen in Not e.V.“, Freiburg:
3.000 Euro und lebenslanger Nießbrauch an einem Rebstock im Kaiserstuhl
Vielfältige Unterstützung für obdachlose Frauen
siehe nächste Seite
➔
➔
Preis der SolidarEnergie 2014:
Liste der Förderungen 2014:
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014 Abenteuer Kultur
Aller guten Dinge sind drei … so könnte man das Ausbildungs-konzept von dm-drogerie markt beschreiben. Es beruht auf drei Säulen: Lernen in der Arbeit, Abenteuer Kultur und dem Forum Schule. Alle, die bei dm eine Ausbildung oder ein Duales Stu-dium absolvieren, durchlaufen diese drei Stationen.
Lernen in der Arbeit heißt, dass die Auszubildenden „ent-deckend lernen“ und ihre Aufgaben selbstständig erledigen. Fehler sind nicht schlimm, daran kann man wachsen. Aber durch eigenes Überlegen setzen sich die jungen Menschen intensiver mit Pro-blemstellungen auseinander und können sich dadurch Lösungs-wege besser merken. Bei dm heißen deshalb die Auszubildenden „Lernlinge“, da sie sich ihre Fähigkeiten auf aktive, lernende Art aneignen.
„Theorie und Praxis im Doppelpack!“ lautet eine weitere De-vise und bildet die zweite Säule einer dm-Ausbildung: Forum Schule. An vielen Standorten mit einer großen Anzahl dm-Märk-ten bestehen die Berufsschulklassen ausschließlich aus dm-Lern-lingen. Das bietet natürlich einen besonders unternehmensbezo-genen Unterricht. Aber auch bei gemischten Klassen pflegt dm einen regen Austausch mit den Bildungseinrichtungen. Ausbilder von dm sind auch in den Prüfungsausschüssen der Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie den Dualen Hochschulen vertreten.
Die dritte Säule nennt sich Abenteuer Kultur. Alle Lernlinge nehmen während ihrer Ausbildung zweimal an je achttägigen Theaterworkshops teil und präsentieren am Ende ihre erarbeiteten Stücke. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein und hilft ihnen in ihrer persönlichen Weiterentwicklung.
Warum berichten wir im FABRIK-Rundbrief über dieses Aus-bildungskonzept? Weil die Endproben und die Präsentationen von „Abenteuer Kultur“-Workshops seit nunmehr vier Jahren im Vorderhaus-Saal stattfinden. Und weil wir neugierig waren, was das eigentlich heißt – Abenteuer Kultur.
Regina Leonhart verabredete sich mit Sandra Penitschka, Be-raterin Aus- und Weiterbildung bei dm. Sie ist die Ansprechpart-nerin für Künstler und Lernlinge während der Workshops in der FABRIK.
Von der SolidarEnergie in 2014 geförderte Projekte:
Mehrgenerationenhaus EBW Weingarten, Freiburg
1.500 Euro
Umgestaltung des Eingangsfoyers
Schwere(s)Los e.V., Au
3.000 Euro
Trinationales Theaterprojekt mit sozialen Randgruppen
Freiburger Straßenschule e.V., Freiburg
1.400 Euro
Renovierung von Wohngebäuden für ehemals
obdachlose Jugendliche
friga - Sozialberatung in der FABRIK, Freiburg
800 Euro
Beistandsschulung „Keiner geht allein aufs Amt“,
das Projekt wird auf drei Jahre gefördert
Freiburger Hilfsgemeinschaft, Freiburg
1.500 Euro
Ausstellung zu NS-Euthanasie und Ausgrenzung
Deutsch-türkischer Elternverein e.V., Freiburg
1.800 Euro
Muttersprachliches Elternbildungsprogramm „Jede
Mutter und jeder Vater ist kompetent“
Förderverein Erneuerbare Energien Endingen e.V.,
Endingen
500 Euro
Messgeräte zur Untersuchung des Verbrauchs in
Haushalten mit geringem Einkommen
Rasthaus — Anlaufstelle für Flüchtlinge ohne Papiere,
Freiburg
1.000 Euro
Vermittlung von medizinischer und rechtlicher Hilfe,
Anschaffung eines neuen Kopierers
PAKT e.V., Freiburg
1.000 Euro
Integratives und intergeneratives Theaterstück
„Ronja Räubertochter“
Abenteuer KulturDer dm-drogerie markt schickt seine Azubis auf die Bühne des Vorderhauses
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Abenteuer Kultur FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
Frau Penitschka, wie lange gibt es schon dieses
Projekt?
1999 entstand die erste Idee zu Abenteuer Kultur und seit 2001 ist das Projekt fest im Ausbildungskonzept verankert.
Arbeiten Sie immer mit Theatern zusammen?
Wir arbeiten sowohl mit Theatern als auch einzelnen Künstlern, Theaterpädagogen oder Regisseuren zusammen. Diese schlagen Stücke vor oder überlegen sich wahlweise etwas ei-genes. Oder sie bringen Ideen ein und die Lernlinge entwickeln das Stück weiter. Dazu kommt die Gestaltung des Programmheftes, die Technik und Ausstattung, wie das Büh-nenbild, die Kostüme und Requisiten. Einfach alles, was zu einer Theateraufführung dazuge-hört. In Freiburg arbeiten wir unter anderem mit den Künstlern Len Shirts und Franziska Braegger des Theaters R.A.B., welche in die-sem Jahr die Abenteuer Kultur-Präsentation „Die verbotene Kiste der Liebe“ begleitet ha-ben.
Ist Theaterspielen Pflichtprogramm für die Aus-
zubildenden?
Ja, jeder Lernling nimmt während der Aus-bildung zweimal an diesen Theaterworkshops teil. Das stärkt das Selbstbewusstsein, man lernt Ängste zu überwinden. Die Jugendlichen
lernen auch, vor einem großen Publikum frei zu sprechen. Diese neuen Fähigkeiten helfen ihnen später im Beruf, aber auch privat. Wäh-rend des Projekts ist die Stimmung schon mal angespannt, aber danach sind alle stolz, das bewältigt zu haben.
Wie lange dauert der Workshop?
Jeweils acht Tage. Die Lernlinge, in die-sem Jahr sind es 21 hier in Freiburg, und die Künstler sind die ersten sechs Tage in einem Proberaum in der Stadt. Dort wird ein Stück ausgesucht oder erarbeitet und es finden Lese-proben statt. Für die beiden letzten Tage mie-ten wir uns dann den Vorderhaus-Saal, damit die jungen Leute auf einer Bühne ihre Endpro-ben machen und natürlich am letzten Tag ihr Stück präsentieren können.
Wie kamen Sie auf den Vorderhaus-Saal?
Auf den Saal kamen wir über die Work-shopleiter Len Shirts und Franziska Braegger des Theaters R.A.B. Die Künstler kannten den Saal von eigenen Auftritten und schlugen ihn uns als Aufführungsort vor. Und so kommen wir seit nun vier Jahren mit unseren Lernlingen hier aufs Gelände und fühlen uns wohl dabei.
Lernlinge und Kultur-Abenteurer: die diesjährigen Auszubildenden des dm-drogerie markts
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014 FABRIK 1984
Damals, vor 30 Jahren ...... war vieles anders. Manches hat sich geändert, vieles hat aber bis heute Bestand. Insgesamt, meinen wir, ist sich die FABRIK treu geblieben.
Ein „S“ ändert alles: Graffito „Kaufen, Kaufen – kotzt Euch das nicht an“ auf einer Hauswand des Hauptgebäudes
1984: Helmut Kohl ist gerade mal zwei seiner all zu vielen Jahre
im Amt, in Baden-Württemberg erreicht bei den Landtagswahlen
Lothar Späth für die CDU noch einmal eine absolute Mehrheit
von 52 %. Späth war 1978 dem zurückgetretenen Alt-Nazi Hans
Filbinger nachgefolgt, dessen Prognose, ohne Kernkraftwerk Wyhl
würden zum Ende der 70-er Jahre die Lichter ausgehen, die Lä-
cherlichkeit der industriefreundlichen Argumentation leider nicht
nachhaltig genug aufzeigte. Immerhin wurde Wyhl nicht gebaut,
und in Freiburg hat sich mit Rolf Böhme, der 1982 Eugen Keidel als
OB abgelöst hatte, die bis dahin noch maßgebende SPD zumindest
verjüngt. Zwei Jahre zuvor waren die ersten vier Grünen in den
Freiburger Gemeinderat eingezogen und tragen nun maßgeblich
dazu bei, dass in diesem Jahr 1984 Freiburg mit der Einführung der
Umweltschutzkarte, welche wenig später Regiokarte heißen sollte,
beim öffentlichen Nahverkehr neue Maßstäbe setzt.
Rückblicke auf längst vergangene Zeiten sind en
vogue, erlauben sie doch gleichermaßen nostalgisch-
verklärendes Erinnern, zumal bei altersbedingt
einsetzender Vergesslichkeit, wie selbstzufriedene
Erleichterung darüber, früheren Erschwernissen
des Lebens entkommen zu sein.
Rückblicke machen alt – das tut den einen Weh,
während andere sich darüber freuen. Wie dem auch
sei und wenn wir uns in diesem Rundbrief schon mit
vielen Gesichtern in 10-Jahres-Etappen der eigenen
Geschichte stellen, dann sei eben auch ein Rückblick
gestattet darauf, wie es war, damals, in der FABRIK,
vor dreißig Jahren …
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FABRIK 1984 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
Im Fernverkehr ist die Umweltbewegung weniger erfolgreich: 1984 wird in
Frankfurt trotz des jahrelangen und heftigen Protestes die neue Startbahn West
in Betrieb genommen, und das Wendland erlebt seinen ersten Tag X: der erste
Atommülltransport trifft in Gorleben ein.
Aber was bewegt die Mehrheit der Deutschen vorrangig? Ist es das neue und
beängstigende Phänomen einer zunehmenden Arbeitslosigkeit oder ist es eher
die Einführung der Gurtpflicht für Autofahrer? Jedenfalls wird der Weißstorch
Vogel des Jahres und der VfB Stuttgart deutscher Fußballmeister. Der SC Freiburg
spielt noch zweitklassig, ebenso wie die deutsche Nationalelf, die bei der Europa-
meisterschaft in Frankreich bereits in der Vorrunde ausscheidet und dafür Franz
Beckenbauer als neuen Trainer bekommt.
Und was treibt die Freiburger und im Speziellen ihren starken links-alternati-
ven, grün-ökologischen Teil um? Die heiße Zeit der Hausbesetzungen, des Häu-
serkampfs, als Zehntausende auf die Straße gingen und die Freiburger Innenstadt
mit Nato-Stacheldraht abgeriegelt war, liegt schon ein paar Jahre zurück. Kleinere
Aktionen gibt es weiterhin, 1984 zum Beispiel die Besetzung des Schloßbergrings
9 + 11, aber im Großen und Ganzen greift die Befriedungspolitik des neuen OB. Die
autonome und linke Szene trifft sich jetzt im AZ, dem Autonomen Zentrum im
Glacisweg, welches bald nach der Räumung des „Schwarzwaldhofs“ im März 1981
für mehrere Jahre die angesagte Lokalität geworden ist und erst im Januar 1985
aus ungeklärten Gründen abbrennen wird. Die Anti-AKW-Bewegung kommt mit
den GRÜNEN immer stärker und dauerhaft in den Parlamenten an, das Waldster-
ben wird für ein paar Jahre zum brennenden Thema, ebenso wie die staatlichen
Versuche, das Volk zu zählen.
Alternative Ökonomie und Vernetzung sind zentrale Begriffe. In Freiburg, einer
Hochburg der deutschen „Alternativbewegung“, sind allenthalben und in unzäh-
ligen Branchen Kollektivbetriebe entstanden, die sich zusammenschließen oder
sich in Netzwerken organisieren und austauschen. Geld ist ein wichtiges Thema.
Die Banken haben es, aber sind aus wirtschaftlichem und politischem Misstrauen
heraus nicht bereit dazu, linke und alternative Projekte zu finanzieren. Diese helfen
sich daher selbst. Eine breite Diskussion über die Geschäfte der Banken und über
alternative, ethisch-moralische Geldanlagen führt zu privaten „Direktkrediten“ und
1984 zur Gründung eines Vereins der Freunde und Förderer der Ökobank, welche
schließlich 1988 in Frankfurt ihren Betrieb aufnehmen wird.
Alle diese Themen und Ereignisse finden ihren Niederschlag auch in der Ge-
schichte der FABRIK, vieles davon nachzulesen in „FABRIK — anno 1984“, der
ersten umfassenden Selbstdarstellung, im Offset gedruckt auf 52 Seiten im DIN
A5-Querformat, noch einfarbig schwarz natürlich.
Die technischen Mittel sind damals übrigens noch recht bescheiden. Für diese
erste Vereinsbroschüre werden die Texte noch auf der Schreibmaschine getippt,
die erst seit kurzem eine elektrische ist. Faxgeräte heißen noch Fernschreiber,
und das einzige derartige Gerät in der FABRIK steht bei Thomas Scheuer im
Regionalbüro der taz. Computer? Davon hat man schon gehört, seit 1982 gibt es
den Commodore 64 und Apple stellt 1984 gerade seinen allerersten Mac vor. Ob
man in den Büros von Kollektivbetrieben so etwas überhaupt braucht? Jedenfalls
wird es noch eine Weile dauern, bis die ersten Cursor auf MS-DOS-schwarzen
Bildschirmen blinken.
Damals schon Abenteuerspielplatz für die Kinder: der spärlich bewachsene Hinterhof zwischen Hauptgebäude, Lagerschuppen und Kohlenkeller
Zum Glück nicht realisiert: die ersten Pläne für einen neuen Veranstaltungssaal mit angegliederter Gaststätte im Lager-schuppen des Hinterhofs. Mit dem Kinderspielplatz wäre es dann vorbei gewesen.
Ahnt 1984 noch nichts davon, die bessere Lösung zu sein: das Materiallager der Firma Brändle & Schöndienst vor seiner Karriere als Vorderhaus-Saal
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014 FABRIK 1984
Sechs lange Jahre sind 1984 schon vergangen, in denen ein gutes Dutzend
sehr unterschiedlicher und doch auch wieder sehr gleichgesinnter Gruppen die
alte Möbelfabrik für ihre Zwecke umgebaut und eingerichtet hatten. Vier Jahre ist
es her, dass man sich als Verein organisiert und sich den sperrigen Namen „Fabrik
für Handwerk, Kultur und Ökologie“ gegeben hatte. Während die Zwecke und Ziele
des Vereins in der Satzung erstaunlich gründlich, weitsichtig und auch aus heutiger
Sicht bleibend aktuell formuliert waren, näherten sich scheinbare Formalitäten wie
der unvermeidliche Vereinsvorstand und das wahre Leben der praktizierten Selbst-
verwaltung erst im Laufe mehrere Jahre einander an. Basisdemokratisch und
kollektiv wurde in den ersten Jahren jeden(!) Montagabend über alle anstehenden
Aufgaben und Probleme diskutiert und entschieden. Im Jahr 1984 können wir eine
deutliche Differenzierung konstatieren: die Vollversammlungen finden nur noch
alle zwei bis drei Wochen statt, und es gibt themenspezifische Arbeitsgruppen.
Die intensive Zeit der Umbauarbeiten und der „Arbeitssamstage“ ist 1984
vorbei. Die Arbeitsschwerpunkte liegen nun schön längst in den Betrieben, Werk-
stätten, Büros und Einrichtungen. Bundschuh-Druckerei, Freie Holzwerkstatt, Gra-
phik & Siebdruckwerkstatt, Fahrradwerkstatt, Keramikwerkstatt, Kindertagesstätte
– sie alle wachsen und werden ihre jeweiligen Räumlichkeiten im Lauf der Jahre
erweitern. Nur das Team von network electronic verlässt Ende 1984 die FABRIK in
Richtung Dreikönigstraße, während die taz ihr Freiburger Büro komplett aufgibt.
Naturgemäß unterliegen die politischen Gruppen und Büros einem stärkeren Wan-
del als die Handwerksbetriebe: Wyhl-Info-Büro, AK Fessenheim und die Redaktion
der Wyhler Platzzeitung „Was Wir Wollen“ stellen nach und nach ihre Arbeit ein.
Hochkonjunktur herrscht hingegen in den Büros von Radio Dreyeckland, Netzwerk
Dreyeckland, der Aktion Waldsterben und der Gewaltfreien Aktion Freiburg. Das
Friedensbüro und die DFG/VK ziehen in die FABRIK ein, und die Motorradler vom
MC Kuhle Wampe teilen sich seit Januar 1984 Werkstatt und Clubraum mit dem
MC Weingarten.
Und die Kultur natürlich. Diese tobt seit April 1981 im „Alten Saal“ (der damals
natürlich noch kein „alter“ war). Auf rein ehrenamtlicher Basis organisiert die
„Kulturgruppe“ jedes Jahr ein beachtliches und vielfältiges Programm, 1984 hat
unter vielem anderen den Hanns-Eisler-Chor, die Salpeterer, die Deutsch-Afrikani-
sche Freundschaft, das Kxu-Trio, den Zirkus Dilemma, das Eric-Dolphy-Memorial,
eine rauschende Ballnacht und – unverzichtbar – jede Menge Feste zu bieten. Der
Veranstaltungssaal im Hauptgebäude ist damals nur über das Treppenhaus und
mittels Durchqueren der Kindertagesstätte zu erreichen, was bedeutet, dass spät
nachts oder früh morgens erst noch die Kippen und Bierflaschen wegzuräumen
sind, bevor die ersten Kinder kommen.
Die Möglichkeiten, die der Kultursaal im mittleren Stockwerk des Hauptgebäu-
des bietet, sind für die Künstler, das Publikum und die veranstaltende Kulturgruppe
alles andere als befriedigend. Auch gastronomisch ist kaum etwas machbar. Im-
merhin gibt es seit Ende 1981 einmal die Woche die „Mittwochskneipe“ als haupt-
sächlich hausinternen abendlichen Treffpunkt, mit regelmäßigen kulinarischen
Highlights und Bier zum Selbstkostenpreis – lange Nächte voller Rauch und Dis-
kussionen. Erste Pläne für den Bau eines Saals mit Kneipe werden geschmiedet,
aber wieder verworfen. Fürs Erste arrangiert man sich mit den Unzulänglichkeiten
und macht sie wett mit Überzeugung oder Humor.
Nicht nur den Nichtrauchern wird im alternativen Alltag viel Rücksicht ab-
verlangt. Das enge Mit- und Nebeneinander hat neben seinen Vor- auch seine
Zum Glück ebenfalls nicht realisiert: die Pläne der Firma Unmüssig, nach dem Kauf der Habsburger-straße 9 sowie der Habsburgerstraße 5 (ehemals Miele, heute ALDI) hier einen Neubau mit Laden-
geschäften und Appartements zu errichten
Atomkraft, Waldsterben und Volkszählung waren Mitte der 80-er Jahre zentrale politische Themen
Lange Diskussionen in langen Nächten gehörten damals ebenso dazu wie
lange Haare
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FABRIK 1984 FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
Nachteile. Unermüdliches Engagement und solidarischer Einsatz sind gefordert
und ersetzen die fehlenden finanzielle Mittel. Reihum wird mittags für alle im Haus
gekocht, reihum wird winters vier Mal am Tag im zentralen Heizungskeller Kohle
geschippt.
Nicht etwa wegen des lästigen Heizdienstes, sondern aus ökologischer Weit-
sicht beschließt die Mitgliederversammlung im September, möglichst bald von
Kohle auf Gas umzustellen. Erklärtes Ziel: der Bau eines eigenen Blockheizkraft-
werk. Schon drei Jahre später, 1987, wird Freiburgs erstes Blockheizkraftwerk auf
umweltfreundliche Art Strom und Wärme für die FABRIK erzeugen.
1984 ist für die FABRIK das Jahr der großen Weichenstellung in die Zukunft.
Die Mitgliederversammlung des Vereins beschließt, das Areal und seine Gebäude
zu kaufen, wenn es gelingt, die Hälfte des Kaufpreises mit Hilfe vieler kleiner priva-
ter Darlehen von Freunden und Unterstützern zu finanzieren. Das ist die selbstge-
setzte Hürde im Finanzierungskonzept, das mit Unterstützung von Steuerberater
Heinrich Breit aufgestellt wurde.
Natürlich wird hausintern und öffentlich ausführlich darüber diskutiert, ob
der Kauf der Gebäude nicht ein Verrat der eigenen antikapitalistischen Über-
zeugung und Ideale sei. Hausbesitzer zu sein ändere schließlich die Sicht auf die
Welt erheblich. Zum Glück ist die Fraktion der Kaufgegner in der FABRIK klein und
solidarisch genug, das Vorhaben der großen Mehrheit zu tolerieren. Immerhin
bringt der Immobilienerwerb mit der Bindung des Vereins an seine gemeinnützigen
Zwecke ein großes Maß an Selbstbestimmung und Unabhängigkeit von privaten
Verwertungsinteressen. Der Kauf ermöglicht quasi eine „Kapitalneutralisierung“
bei gleichzeitig auferlegter Verantwortung zum Erhalt der Substanz.
Die Kaufkampagne beschäftigt alle und wird von allen getragen. „1.000 Men-
schen hinter uns sind uns lieber als eine Bank im Genick“ – so das Motto, mit dem
geworben wird. Flyer, Stände in der Innenstadt, Presseartikel, Radio-Sendungen,
Feste – mehr Öffentlichkeitsarbeit war noch nie. Im Hausbüro wird die erste be-
zahlte Personalstelle eingerichtet. Stichtag für die Kaufzusage ist der 1. Dezember.
Bis dahin müssen auf dem Treuhandkonto unseres Rechtsanwalts Hartmut Becker
mindestens 800.000 DM eingegangen sein. Und das Ziel wird erreicht: letztendlich
sind es über 300 Menschen, die dem FABRIK-Verein eine Million an Darlehen zur
Verfügung stellen. Glücklich, wer schon in jungen Jahren so viele Freunde hat.
Infostände waren, wie hier von Radio Dreyeckland und Wyhl-Info-Büro im Hinterhof der FABRIK, ein unver-zichtbarer Teil der Öffentlichkeitsarbeit
Darlehenswerbung in der Innenstadt: alle sind mit sichtbarer Begeisterung dabei
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014 Wagenburgen in Freiburg
„Sand im Getriebe“Die Fahrradwerkstatt in der FABRIK informiert über die aktuelle Situation der Wagengruppe
Seit dem 14. April 2014 sind die Wagen der Wagengruppe „Sand im Getriebe“ beschlagnahmt. Betroffen sind damit auch zwei unserer Kolleginnen aus der Fahrradwerkstatt.
Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung vom 13. Mai 2014 Wagenleben in Freiburg einstimmig begrüßt und mit einer deut-lichen Mehrheit die Verwaltung mit der wohlwollenden Prüfung konkreter Flächen für die Gruppe beauftragt. Die Flächenprüfung wird voraussichtlich bis Oktober andauern, und was die Wagenbe-wohner_innen bis dahin ohne ihr Zuhause tun, scheint egal.
Dass die Wagen auf einer städtischen Fläche verwahrt werden, die auch ideal für die Errichtung eines Wagenplatzes geeignet wäre, ist in diesem Zusammenhang makabere Realität.
Zudem hat der Gemeinderat die Verwaltung aufgefordert, die beschlagnahmten Wagen an die Eigentümer herauszugeben. Die Gruppe versuchte mehrfach mit der Verwaltung in einen Dia-log zu treten, um unter anderem eine Übergangslösung bis zur Beendigung der Flächenprüfung zu diskutieren. Leider gibt es seitens der Verwaltung noch keine Dialogbereitschaft. Auch auf
die mehrmaligen Anfragen an das Amt für öffentliche Ordnung, eine Aufstel-lung der bisher entstandenen Kosten wie Abschleppgebühr, Verwahrungsko-sten, Verwaltungsaufwand und ande-res mehr zu bekommen, gab es keine Antwort.
Derzeit überprüft das Verwaltungs-gericht in Mannheim, ob die Beschlag-nahme der Wagen rechtmäßig war.
Wir unterstützen die freie Wahl der Wohnform und fordern ein Ende der Kriminalisierung von Wagenleben.
➔ Weiter Infos:sandimgetriebe.noblogs.org
Wagenburg auf dem Gelände der PH in Littenweiler
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Kleinkunstpreis für Studierende FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
Auf der Suche nach dem Nachwuchs
Das Vorderhaus und das Studierendenwerk Freiburg haben einen spannenden Wettbewerb ausgeschrieben
Ein Veranstaltungsprogramm im Kleinkunstbereich auf die
Beine zu stellen, hat sich in den letzten Jahren verändert. Immer
mehr Künstler und Künstlerinnen drängen auf die Bühne, und es
ist nicht einfach, die Balance zwischen Bekanntem, Bewährten und
dem Neuen zu halten. Das Überangebot verhindert manchmal die
Neugier des Publikums und dieses greift dann gerne auf die be-
kannten Namen.
Trotz der Vielfalt sehen wir uns in der Pflicht, neugierig zu blei-
ben. Eine Pflicht, der wir gerne nachkommen, macht es doch Spaß
und bringt Bestätigung, Nachwuchs zu finden und diesem natürlich
auch eine Bühne zu bieten.
So haben wir, das Vorderhaus – Kultur in der FABRIK, zusammen
mit dem Studierendenwerk Freiburg einen „Kleinkunstpreis für Stu-
dierende“ ausgelobt. Gemeinsam wollen wir studentischen Künst-
lerinnen und Künstlern die Möglichkeit bieten, ihr Können auf der
Bühne zu zeigen und sich im Wettbewerb zu profilieren. Originalität,
authentische Darbietung und natürlich Unterhaltung werden bei der
Bewertung im Vordergrund stehen.
Von Comedy über Kabarett und Musikkabarett bis hin zu
A Cappella, Artistik und Zauberei ist ein breites Spektrum erlaubt.
Allerdings dürfen die Teilnehmenden nicht älter als 25 Jahre alt
sein. Bands und Gruppen mit mehr als fünf Personen sind aus-
geschlossen.
Die Ausschreibung läuft seit Mitte Mai und endet Mitte August.
Am Sonntag, den 16. November werden dann sechs Künstlerinnen
und Künstler im Vorderhaus die Gelegenheit haben, die Jury und
das Publikum in einem Kurzauftritt für sich zu gewinnen. Am Ende
werden drei Geldpreise verliehen. Der 1. Preis ist der Rektorpreis
der Uni und ist mit 500 Euro dotiert, die Plätze zwei und drei mit
300 bzw. 200 Euro. Die Gewinner dürfen sich darüber hinaus auf
einen Folgeauftritt in der MensaBar freuen. Zusätzlich wird ein Wett-
bewerbsteilnehmer vom Publikum auserkoren und bekommt den
Publikumspreis verliehen.
Bis vor ein paar Jahren gab es den Kleinkunstpreis der Uni Frei-
burg, organisiert von der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Aus die-
sem Wettbewerb gingen uns heute bekannte Künstler wie Thomas
Reis und Florian Schroeder hervor.
Diese Tradition wollen wir fortsetzen und sind gespannt auf den
neuen Wettbewerb, die neuen Gesichter, Gehversuche und Experi-
mente. Und wer weiß, ob hier nicht Grundsteine gelegt werden für
Karrieren jenseits des Studiums!
FREIBURGERKLEINKUNSTPREISFÜR STUDIERENDE
A Cappella
Comedy
Kabarett
Zauberei
und mehr ...
JETZT BEWERBEN!
BEWERBUNGSSCHLUSS: 15.08. 2014
NÄHERES AUF: swfr.de und vorderhaus.de
VORDERHAUSKULTUR IN DER FABRIK
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FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014 Kolumne
Zum Beispiel Sockenschwund
➔
Die Sockenforschung steckt noch in den Kinderschuhen, findet Else Buschheuer
Der hat schon viele Schriftsteller beschäftigt. Und nicht nur die. Tatsächlich beschäftigt Sockenschwund jeden sockentragenden Menschen, und zwar
weltweit. Socken sind so etwas wie ein urzeitliches Kleidungsstück. Schon die Römer trugen Socken. Das Wort „Socke“ stammt von lateinischen „Soccus“ und bezeichnet einen Schlüpfschuh, der im Lauf der Zeit de facto verstrumpft ist. Aus den Strümpfen wurden irgendwann Hosen. Dann trennten sich die Hosen wieder von den Strümpfen. Dann wurden die Strümpfe immer kürzer. Der Rest ist bekannt.
Zu klären ist: warum verschwinden Socken, wohin verschwinden sie und welche Möglichkeiten der Sockenschwund-Vermeidungs-Prophylaxe sind uns heute bekannt? Die Sockenforschung steckt noch in den Kinderschuhen. Kann man sich zusammenschließen, Erfahrungen austauschen? Was machen andere Menschen mit halben Sockenpaaren? Gibt es Vermisstenanzeigen für die Ab-trünnigen, Internet-Tauschbörsen für die Überschüssigen?
Von den geschätzten 80 Socken, die ich innerhalb meines Lebens verlor, ist bisher nur eine wieder aufgetaucht. Man stelle sich vor, eine von 80! Sie fand sich im Zipfel eines Bettbezugs, in dem sie mehrere Bettwäschen und mehrere Liebhaber lang als blinder Passagier ihr Dasein gefristet hatte.
Es handelte sich offenbar um eine Spanner-Socke, eine Anhängerin der „Kultur des Hinschauens“. Sie musste eliminiert werden. Sie wusste zuviel! Außerdem hatte ich ihr Pendant kurze Zeit zuvor vom Strohwitwer zum Wit-wer erklärt und die Entsorgung beschlossen. Die Sockenentsorgung kreierte ein weiteres ethisches Dilemma: Welche Art von Müll ist eine atmungsaktive Baumwollsocke mit 5 Prozent Elastan? Gehört sie, wie Schuhe, Hundekot und Staubsaugerbeutel, zum Restabfall? Ist sie Verpackungsmüll, denn sie hat ja einst meinen Fuß verpackt? Oder rechnet man Baumwolle im weitesten Sinne zu Papier? Ich rief die nationale Müll-Hotline an. Dort wurde mir geraten, die Einzelsocke in die Altkleidersammlung zu bringen. Aber ist das nicht zynisch?
Ich behielt die Socke und bewahre heute meine Ersparnisse darin auf. Weitere alleinstehende Socken, die inzwischen dazugekommen sind, fungieren als Push-Up-Einlagen für meinen BH und Putzlappen fürs Bad.
Inzwischen habe ich eine Theorie zum Sockenschwund, die durchaus ein mittleres Sachbuch füllen würde: Socken sind, im Unterschied zu Graugänsen,
Else Buschheuer ist freie Journalistin und gehörte zum Moderatorenteam der MDR- Talkshow Riverboat. Danach moderierte sie das Kino magazin Kino Royal. Momentan arbeitet sie für das Süddeutsche Magazin, für „Das Magazin“ aus Berlin und für den österreichischen Standard. Bücher von ihr sind: „Ruf! Mich! An!“ und „Verrückt bleiben!: Mein Leitfaden für freie Radikale“.
Else Buscheuer liest im Rahmen von „unter sternen“ aus ihrem Buch „Zungenküsse mit Hyänen“am Freitag, den 8. August 2014 um 21.30 Uhr, in der Spechtpassage, bei Regen im josfritzcafé.
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Adressen FABRIK-Rundbrief | Sommer 2014
Hausbüro 50 365-30 www.fabrik-freiburg.de
Vorderhaus-Kulturbüro 50 365-40 www.vorderhaus.de
Veranstaltungsinfo 50 365-44
Keramik-Werkstatt der FABRIK 50 365-56 www.keramikwerkstatt.fabrik-freiburg.de
Offene Werkstatt Di 16-20, Fr 17-21
AMICA 556 92 51 www.amica-ev.org
BAGAGE – Pädagogische Ideenwerkstatt 55 57 52 www.bagage.de
bagageArt 55 57 31 Mo-Fr 8.30-12, 13-17 www.bagageArt.de
Fahrradwerkstatt 5 27 29 Mo-Fr 10-13, 15-18.30 www.fahrradwerkstatt-freiburg.de
Reparatur in Selbsthilfe Mo-Fr 15-18.30, Sa 10-14
Die Radgeber & Tandemladen (Spechtpassage) 292 76 70 www.radgeber-freiburg.de
Freiburger Kinderhaus-Initiative 707 68 22 www.freiburger-kinderhausinitiative.de
Freie Holzwerkstatt 5 45 31 Mo-Fr 8.30-12.30, 13.30-17 www.wir-machen-moebel.de
Friedlicher Drache Gertrud Schröder 47 14 85 www.friedlicherdrache.de
friga – Sozialberatung 090010-37442 Di-Do 10-15 www.friga-freiburg.de
Kindertagesstätte FABRIK 55 35 95 Mo-Fr 7.30-16
Markt & Strategie Eckhard Tröger 557 46 01 www.marktundstrategie.de
Medien Service Siegfried Wernet 514 57-16
Motorradclub Kuhle Wampe Mi 20.30 www.freiburg.kuhle-wampe.de
Motorradclub Weingarten Fr 20 www.mcw-freiburg.de
Naturschule Freiburg 2 44 08 Di, Mi, Fr 9-12 Do 13-16 www.naturschule-freiburg.de
Probe — Projektberatung in der FABRIK 27 28 39
schwarz auf weiss Druck & Litho 514 57-0 www.sawdruck.de
The Move — Neuer Tanz im Alten Saal 707 85 33 www.move-freiburg.de
Vorderhaus Gaststätte 557 70 70 Mo-Fr ab 11.30, Sa ab 12, So ab 9.30 www.vorderhaus-restaurant.de
Wochenmarkt in der FABRIK 590 09 83 Sa 9-13
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nicht monogam. Sie leiden unter der Selbstverständlichkeit, mit der wir sie nur paarweise akzeptieren. Die Sache hängt ihnen zum Bündchen raus. Sie wollen sich austoben. Also planen sie ihre Flucht. Nach dem Schleudervorgang halten sie sich an der oberen Wand der Wasch maschinentrommel fest, warten, bis die Wäsche aufgehängt ist, und entkommen nachts mit dem wellenförmigen Gleitgang von Raupen. Der Rest der Flucht verläuft individuell (Tunnel, Fluchthelfer, neue Identi-tät). In letzter Zeit sind flüchtige deutsche Socken verstärkt in der Schweiz gesichtet worden, wo sie sich einer großen Sekte angeschlossen haben sollen, in der sie als Einzelindividuen betrachtet werden und die von einem dunkelblauen Designer-Stützstrumpf angeführt wird.
Hier mehrere Methoden, um dem Sockenschwund vor-zubeugen:1. Man benutzt jene etwas albernen lustig-bunten Klammern, die eigens dafür erfunden wurden sind, Sockenpaare auch beim Waschen aneinanderzuketten.2. Man kaufe mehrere identische Sockenpaare und benutze sie so lange, bis sie sich gen Null reduziert haben.
3. Man stopfe die verbliebenen Einzelsocken immer wieder von der Wäscheleine in den Wäschekorb und spreche bei Voll-mond Zauberformeln darüber, hoffend, dass die Flüchtlinge zurückkehren.4. Man prüfe sofort nach dem Waschvorgang mit einer Taschenlampe die Trommel auf fluchtwillige Socken oder lasse nachts ehemalige Grenzsoldaten der DDR im Bad patrouillieren.
Sollten alle Stricke reißen, hilft uns die Flucht nach vorn ins modische Wagnis.Am linken und am rechten Fuß unter-schiedliche Socken zu tragen, geht immer öfter als Nonkon-formismus durch.
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