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Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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Prof. Dr. iur. Dr. rer.pol. Dr. h.c. Christian Kirchner, LL.M. (Harvard)Humboldt-Universität zu Berlin
Europäische Bankenunion: Rechtliche und ökonomische Herausforderung
Vortrag im Rahmen der „Berliner EU-Gespräche“
der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung
im Bundesministerium der Finanzen
am 12. März 2013
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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1. Einführung (1)
■ Unter der Überschrift „Wie Jens Weidmann doch noch Bankenaufseher wurde“ schreibt die NZZ in ihrer Ausgabe vom 4. März dieses Jahres: „Als EZB-Ratsmitglied wird Weidmann bald nicht nur die Verantwortung für alle deutschen Banken übernehmen, sondern generell für alle Banken der Währungsunion.“
■ Das Argument ist so verblüffend wie einfach: Bei einer Bankenaufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank ist eine saubere Trennung von Geldpolitik und Aufsicht im bestehenden rechtlichen Rahmen nicht zu machen.
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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1. Einführung (2)
■ Interessenkonflikt der EZB: nur ein Problem der geplanten Europäischen Bankenunion unter vielen
■ Der Plan zur Schaffung einer Europäischen Bankenunion ist – gelinde gesagt – umstritten.
■ Notwendigkeit eines klaren methodischen Instrumentariums
■ Ziel:
Vorlage eigener Vorschläge auf der Grundlage einer kritischen Analyse der rechtlichen und ökonomischen Probleme der geplanten Regelungen für eine Europäische Bankenunion
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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1. Einführung (3)
■ Kernpunkte einer Europäischen Bankenunion● Einheitlicher Aufsichtsmechanismus für Banken
(SSM – single supervisory mechanism) [unter dem Dach der EZB]
● Europäischer Restrukturierungs- und Sanierungsmechanismus für systemrelevante Banken● Europäisches Sicherungssystem für Bankeinlagen
■ Alternativen ● risikoangemessene Eigenmittelunterlegung von
Staatsanleihen und Obergrenzen für die Kreditvergabe an Staaten (Lautenschläger)
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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2. Vorgehensweise
■ Problemstellung
■ Methodisches Instrumentarium
■ Ist-Analyse der Vorschläge für die Ausgestaltung der Europäischen Bankenunion
● Finanzmarkt- und Europeripheriekrise
● geplante Regelungen der Europäischen Bankenunion
▪ rechtliche Probleme
▪ ökonomische Probleme
■ eigene Überlegungen
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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3. Problemstellung
■ Förderung der Integration der europäischen Finanzmärkte durch gemeinschaftliche Bankenaufsicht (einschließlich Restrukturierungs- und Sanierungskompetenz der Auf-sichtsbehörde) ohne die Förderung des moralischen Risikos von Staaten und Banken
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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4. Methodisches Instrumentarium (1)
■ Ausgangspunkt: rechtliche Regelungen als zentrale Gestaltungselemente
■ Auslegung rechtlicher Regelungen: Gewährleistung der Widerspruchsfreiheit des Rechtssystems (Dogmatik)
■ rechtliche Regelungen als Anreiz- und Sanktionsinstrumente
■ Erforderlichkeit einer Wirkungsanalyse rechtlicher Regelungen
■ Rückgriff auf das Instrumentarium der Institutionenökonomik
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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4. Methodisches Instrumentarium (2)
■ Methodisches Instrumentarium der Institutionenökonomik● Institutionen als sanktionsbewehrte formale oder informelle Regelungen● notwendige Annahmen: Ressourcenknappheit, methodologischer Individualismus, eigennutz- orientiertes Rationalverhalten● unvollständige Information, beschränkte Rationalität,
Opportunismus, Existenz von Transaktionskosten● moralisches Risiko (moral hazard) als Unterfall opportunistischen Verhaltens● Geltung der Annahmen für alle Akteure (einschließlich politischer Entscheidungsträger und Mitglieder der Bürokratie)
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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5. Ist-Analyse (1)
■ Ausgangslage: Finanzmarktkrise
● Internationale Finanzmarktkrise: Gefährdung nationaler Bankensysteme
● Fehlen funktionsfähiger Bankenrestrukturierungs-regelungen
● Staaten unter Zugzwang: Staatshilfen zur Rettung der nationalen Finanzmärkte
● Beanspruchung der staatlichen Haushalte
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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5. Ist-Analyse (2)
■ Ausgangslage: Europeripherie-Krise● Anreize zur extensiven Staatsverschuldung für Europeripherie-Staaten bei historisch niedrigen Zinsen und Fehlen glaubhafter Sanktionen im Falle der Staatsinsolvenz● Übermäßige Lasten aus staatlichen Hilfen für nationale Banken nicht generalisierbar (aber Irland und Spanien)● Fehlen eines Insolvenzregimes für souveräne Schuldner● Zerstörung der Glaubhaftigkeit der Nichtbeistandsklausel (Bailout-Verbot) in Art. 125 AEUV● Beistandsprogramme (EFSF, ESM, EZB-Staatsanleihenkäufe): Schonung der Gläubiger souveräner Schuldner
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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5. Ist-Analyse (3)
■ Interdependenzen zwischen Finanzmarkt- und Euro-Peripheriekrise● Banken
▪ fehlende Eigenkapitalunterlegung von Staats- anleihen ▪ Anreize zum Erwerb von Staatsanleihen durch
falsche Staatenratings ▪ Erwartung von Beistandsmaßnahmen (bailout) ● Europeripherie-Staaten
▪ Staatshilfen für Bankenrettung (Irland, evtl. Spanien) ▪ Beistand für Staaten schützt Gläubiger der
Banken (Fall Zypern)
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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5. Ist-Analyse (4)
■ These vom „Teufelskreis“
● Insolvenzrisiko systemischer Banken erhöht das Insolvenzrisiko von Europeripherie-Staaten
● Insolvenzrisiko von Europeripherie-Staaten erhöht das Bankeninsolvenzrisiko
■ versteckte Annahmen:
● kein funktionsfähiges Bankenrestrukturierungssystem
● kein funktionsfähiges Staatsschulden-restrukturierungssystem
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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5. Ist-Analyse (5)
■ Moralisches Risiko (moral hazard) von Banken und Staaten● Banken: Eingehen hoher Risiken
▪ bei niedriger Eigenkapitalquote: Abwälzen von Verlusten auf Gläubiger
▪ bei staatlichen Hilfen zur Bankenrettung: Abwälzung von Verlusten auf die Steuerzahler (des eigenen Landes oder auf Steuerzahler anderer Länder)● Staaten: Eingehen hoher Staatsverschuldung
▪ bei Kauf von Staatsanleihen durch die EZB: Abwälzen von Verlusten auf die Steuerzahler der
Staaten, die eine Rekapitalisierung der EZB vorzunehmen haben▪ bei Zahlungen aus der EFSF und/oder dem ESM:
Abwälzen von Verlusten auf Steuerzahler der Länder, die die EFSF und den ESM finanzieren
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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6. Analyse der EuropäischenBankenunion (1)
■ Rechtliche Regelungsprobleme (Ausgangspunkte)● Einheitlicher Aufsichtsmechanismus ▪ Erforderlichkeit eines europäisch harmonisierten
Regelwerks (Single Rulebook) ▪ Übertragung der Aufsichtskompetenz auf die EZB
auf der Grundlage des Art. 127 Abs. 6 AEUV● Europäischer Restrukturierungs- und
Abwicklungsmechanismus ▪ Finanzierungskompetenz ▪ Entscheidungskompetenz: Sanierung/Abwicklung
● Europäisches Sicherungssystem für Bankeinlagen ▪ Inkompatibilität mit existierenden nationalen Sicherungssystemen
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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6. Analyse der EuropäischenBankenunion (2)
■ Rechtliche Regelungsprobleme (Einzelfragen) (1)● Einheitliches Regelwerk der Finanzmarktaufsicht ▪ Single Rulebook: Regelungen der Finanzmarkt-
regulierung nur harmonisiert (Richtlinien!), nicht vereinheitlicht! → massives Problem der
Kollektiventscheidung (collective action problem) (CA-Problem)
● Übertragung der Aufsichtskompetenz auf die EZB auf der Grundlage des Art. 127 Abs. 6 AEUV
▪ Vorrang von Art. 127 Abs. 1 und 2 AEUV vor Abs. 6 ▪ Unabhängigkeit der EZB-Ratsmitglieder (Art. 130 AEUV) gefährdet (Kompetenz des Vermittlungs- ausschusses!)
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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6. Analyse der EuropäischenBankenunion (3)
■ Rechtliche Regelungsprobleme (Einzelfragen) (2)● Europäischer Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismus ▪ Finanzierungskompetenz: Übertragung von
Fiskalkompetenzen auf eine unabhängige, der Geldwertstabilität verpflichteten Einrichtung
unver- einbar mit dem Auftrag der EZB (Vorrang von Art.
127 Abs. 1 und 2 AEUV) ▪ Entscheidungskompetenz Sanierung/Abwicklung: Konflikt mit Eigeninteressen der EZB als Gläubigerin der betreffenden Banken
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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6. Analyse der EuropäischenBankenunion (4)
■ Ökonomische Probleme (Ausgangspunkte)● Einheitlicher Aufsichtsmechanismus ▪ Erforderlichkeit eines europäisch harmonisierten
Regelwerks (Single Rulebook) ▪ Übertragung der Aufsichtskompetenz auf die EZB● Europäischer Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismus ▪ Finanzierungsprobleme ▪ Entscheidungsprobleme: Sanierung/Abwicklung● Europäisches Sicherungssystem für Bankeinlagen ▪ Bildung eines europäischen Haftungsverbunds
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6. Analyse der EuropäischenBankenunion (5)
■ Ökonomische Probleme (Einzelprobleme) (1)● Einheitlicher Aufsichtsmechanismus ▪ Scheitern der Schaffung eines europäisch
harmonisierten Regelwerks (Single Rulebook) an den Rechtsetzungskosten (CA-Problem)
▪ Übertragung der Aufsichtskompetenz auf die EZB:
Gefährdung des Ziels der Geldwertstabilität als Folge des Interessenkonflikts der EZB
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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6. Analyse der EuropäischenBankenunion (6)
■ Ökonomische Probleme (Einzelprobleme) (2)
● Europäischer Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismus
▪ Finanzierungsproblematik: massive Probleme des moralischen Risikos (moral hazard) bei Staaten,
deren Banken mit Hilfen des ESM gerettet werden
▪ Entscheidungsprobleme: Sanierung/Abwicklung; massives Problem des moralischen Risikos (moral hazard) bei den Entscheidern auf der Ebene der
EZB
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6. Analyse der EuropäischenBankenunion (7)
■ Ökonomische Probleme (Einzelprobleme) (3)
● Europäisches Sicherungssystem für Bankeinlagen
▪ Opportunismusgefahr (common pool)
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7. Eigene Überlegungen (1)
■ Einheitliche europäische Bankenaufsicht notwendig
● Auswirkungen einer nationalen Finanzmarktkrise auf Finanzmärkte anderer Staaten (externe Effekte)
● Eliminierung des nationalen Vorurteils (home bias)
nationaler Bankenaufsichtsbehörden
■ Ansiedlung der europäischen Bankenaufsicht bei der EZB aus rechtlichen und ökonomischen Gründen abzulehnen
■ Erforderlich:
● einheitliche europäische Regelungen für Bankenrestrukturierungen mit Beteiligung verschiedener
Gruppen von Gläubigern
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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7. Eigene Überlegungen (2)
■ Erforderliche Regelungen für das Durchbrechen des ‚Teufelskreises‘● einheitliche europäische Regelungen für Bankenrestrukturierungen mit Beteiligung verschiedener Gruppen von Gläubigern● nationale fiskalische Verantwortung [zur Vermeidung
des Problems des moralischen Risikos (moral hazard)]● risikoangemessene Eigenmittelunterlegung von Staatsanleihen und Obergrenzen für die Kreditvergabe an Staaten (Lautenschläger)● Regelungen für Restrukturierung von Schulden souveräner Schuldner (Pariser Club, Londoner Club)
Christian Kirchner, Bankenunion 12.3.2013
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8. Ausblick
■ Pfadabhängigkeit beim Voranschreiten zur Europäischen Bankenunion
● einheitliche Aufsicht
● einheitliche Restrukturierungsregelungen für Banken
■ Punkte für Neuverhandlungen
● keine Bankenaufsicht bei der EZB
● keine Hilfen auf ESM oder europäischen Fonds für Bankenrestrukturierung
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