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2 MolekülphysikMoleküle sind Systeme aus mehreren Atomen, die durch Coulomb-Wechselwirkungen Elektronen undAtomkerne (“chemische Bindung”) zusammengehalten werden.

2.1 Born-Oppenheimer NäherungDer nichtrelativistische Hamiltonoperator für ein System aus Nk Atomkernen (mit Ladung +Zn) undNe =

∑Nkn=1 Zn Elektronen lautet:

H =Nk∑n=1

~p2n

2mn︸ ︷︷ ︸kin. En. Kerne

+Ne∑i=1

~p2i

2me︸ ︷︷ ︸kin. En. Elektr.

+∑n<m

znzme2

4πε0|~Rn − ~Rm|︸ ︷︷ ︸WW-Kern-Kern

−∑n,i

zne2

4πε0|~Rn − ~Ri|︸ ︷︷ ︸WW-Kern-Elektr.

+∑i<j

e2

4πε0|~ri − ~rj |︸ ︷︷ ︸WW-Elektr.-Elektr.

H = Hk +He +Hek

die Gesamtwellenfunktion

Ψ = Ψk(~R1, . . . , ~RNk , ~r1, . . . , ~rNe)

Born-Oppenheimer Näherung:

Annahme: die zeitunabhängigen Lösungen der Schrödingergleichung lassen sich als Produkt der Wel-lenfunktion von Kernen und Elektronen schreiben:

Ψ = Ψk(~R1, . . . , ~RNk) · Φe(~r1, . . . , ~rNe)

Die Φe sind Lösungen des “elektronischen Teils” der Schrödingergleichung, also:

(He +Hek)Φje = EjΦje︸ ︷︷ ︸Quantenzahlen j abh. von Kernkoord.

Damit lautet die Schrödingergleichung für die Kerne:

HΨk =

(∑n

~p2n

2mn+∑n<m

znzme2

4πε0|~Rn − ~Rm|+ Ej(~R1, . . . , ~RNk)

)Ψk

=

∑n

~p2n

2mn+ Vj(~R1, . . . , ~RNk)︸ ︷︷ ︸

neues effekt. Pot.

Ψk

Grund:Die Elektronen sind so viel leichter als die Kerne und nehmen praktisch instantan für eine gegebeneKernkonfiguration die Wellenfunktion des jeweiligen Grund- (oder angeregten) Zustands an. Die darausresultierende Ladungsverteilung erzeugt attraktive Kräfte auf die Kerne (zusätzlich zu den repulsivenKräften der Kerne untereinander).

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2.2 Zwei-atomige Moleküle2.2.1 Morse-Potential

H =~p2

1

2m+

~p22

2m+ Vj(~R1, ~R2) ; Atome seien gleicher Art

Übergang zu Relativkoordinaten:

~r = ~R1 − ~R2

~p = ~p1 − ~p2 = m~̇R1 −m~̇R2

⇒ reduzierte Masse:

µ =m1m2

m1 +m2=m

2

Kinetische Energie im Schwerpunktsystem:

Ekin =~p2

Hamilton-Operator:

H =~p2

2µ+ Vj(~r)

Eindimensionales System mit Potential Vj(r):

angeregte Zustände konvergieren bei großen Abständen der Atome häufig zu den angeregten Zuständen

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der Atome.Betrachten gebunden Grundzustand: einfache angenäherte Beschreibung Morse-Potential:

V (r) = De

((1− e−a(R−Re)

)2

− 1)

Entwickeln:

V = De

((1− (1− a(R−Re)))2 − 1

)= De

(a2(R−Re)2 − 1

)(harmonisches Potential mit Federkonstante D = 2Dea

2)Schwingungsfrequenz in diesem Potential:

ω0 =

√D

µ=

√2De

µa

(Grundfrequenz Morse-Potential)Tatsächlich ist das Potential anharmonisch; die Energien der Lösungen der Schrödingergleichung sind:

Eν = ~ω0(ν +12

)− ~2ω20

4De(ν +

12

)2 −De

(Energien des Morse-Potentials)

Folgerungen:

1. Die Abstände der Energien nehmen mit steigender Quantenzahl ν ab.

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2. Die Bindungsenergie des Moleküls ist kleiner als die Potentialtiefe (aufgrund der Nullpunkts-schwingung)Niedrigster Zustand:

E0 =12

~ω0 −14

~2ω20

4De−De = D0

mit De = Potentialtiefe, D0 = Bindungsenergie

3. Es gibt nur endlich viele gebundene Vibrations-Zustände.Grenze:

Eν = 0

⇒ ~ω0(ν +12

)− ~2ω20

4De(ν +

12

)2 −De = 0

(ν +12

)2 − 4De

~ω0(ν +

12

) +4D2

e

~2ω20

= 0

⇒ (ν +12− 2De

~ω0)2 = 0

ν ≤ 2De

~ω0− 1

2

Nicht alle Potentiale zweiatomiger Moleküle werden gut durch ein Morse-Potential beschrieben,die Vibrationen sind aber immer anharmonisch:

Eν = ~ω0(ν +12

)− ~ωexe(ν +12

)2 +O(ν +12

)

⇒ falls ωexe =~ω2

0

4De

ist die Potentialform um das Minimum ähnlich einem Morse-Potential.Zahlenwerte:

De [eV ] ~ω0 [eV ] D0 ~ωexe [eV ] ~2ω20

4De[eV ] Re [A]

H2 4.75 0.55 4.48 0.015 0.016 0.74N2 9.9 0.29 9.76 0.0018 0.0021 1.098O2 5.22 0.196 5.12 0.0015 0.0018 1.21I2 1.54 0.027 1.53 0.000076 0.00612 2.67

Thermische Besetzung der Vibration:Wahrscheinlichkeit:Wahrscheinlichkeit:

fν = e− EνkBT = e

−(ν+ 12 )

~ω0kBT (nicht normiert)

Beispiel: f1f0 = 0.1ist bei folgenden Molekülen gegeben bei:

H2 : T =~ω0

kB ln 10= 2770K

I2 : T = 136K

2.2.2 Van-der-Waals-Potential

Zwischen Atomen mit abgeschlossener Elektronenhülle (Edelgase) kann sich keine chemische Bindungausbilden⇒Wechselwirkung bei großen Abständen durch Van-der-Waals-Wechselwirkung (Anziehung

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zwischen fluktuierenden Dipolen)Störungsrechnung 2. Ordnung: Abstandsabhängigkeit ∝ R−6.Bei kleinen Abständen Repulsion aufgrund der überlappenden gefüllten Orbitale (im Prinzip ∝ e−aR)Genäherte Beschreibung durch:

V (r) = De

(rer

)12

︸ ︷︷ ︸gewaehlt wegen Einfachheit

− 2(rer

)6

︸ ︷︷ ︸exakt

Van-der-Waals-Potential

Graph:

Zahlenwerte Dimere:De [eV ] re [A] ~ω0 [eV ] (gem.)

Ar 0.0123 3.76 0.0038Xe 0.024 4.36 0.0026

2.2.3 Rotation

Zweiatomige Moleküle als starr angenommen:Rotationsenergie Erot = l2

2Θ mit Trägheitsmoment Θ.

⇒ Θ = 2m(r2

)2 = mr2

2⇒ Energie der Drehimpulseigenzustände:

Erot =~2l(l + 1)mr2

= Bl(l + 1)

mit B = h2

mr2 Rotationskonstante. (nur Näherung, da sich die Bindungslänge bei Rotation ändert)

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Thermische Besetzung:Drehimpuls l ist (2l + 1)-fach entartet!⇒ Besetzungswahrscheinlichkeit fl = (2l + 1)e−Bl(l+1)/kBT (nicht normiert)Graph:

Bemerkung: lmax steigt mit steigender Atommasse!

Quanteneffekt: Besetzung der l-ZuständeDie Gesamtwellenfunktion des homonuklearen zweiatomigen Moleküls:

Ψ = Φel(~r1, ~r2, . . . , ~rNe ,~R1, ~R2)Φvib(~R1, ~R2)Φrot(~R1, ~R2)ΨKS(1, 2)

hat eine definierte Symmetrie nicht nur unter Elektronenaustausch, sondern auch unter Kernaustausch!Kernspin I der Atome ganzzahlig (Bosonen) ⇒ Ψ sym. unter KernaustauschI halbzahlig (Fermionen) ⇒ Ψ antisym.Es gilt: Φvib ist immer symmetrisch; Φel meistens symmetrisch⇒ Abhängigkeit zwischen Φrot und ΨKS .Weiterhin gilt:

l gerade ⇒ Φrot symmetrisch unter Kernaustauschl ungerade ⇒ Φrot antisymmetrisch

Beispiel: H2

Kernspin I = 12 Fermion

Zwei Möglichkeiten:

1. Kernspin parallel (Iges = 1) ⇒ ΨKS ist symmetrisch unter Austausch⇒ Φrot muss antisymmetrisch sein⇒ nur ungerade l erlaubt!“Ortho-Wasserstoff”

2. Kernspin antiparallel (Iges = 0) ⇒ Φrot muss symmetrisch sein⇒ nur gerade l erlaubt!“Para-Wasserstoff”

Bei Zimmertemperatur sind die Gesamt-Kernspin-Zustände entsprechend ihrer Entartung besetzt(2Iges + 1).⇒ Konzentration von Ortho-Wasserstoff ist 3x so groß wie der von Para-Wasserstoff.

Beispiel: O2

Kernspin I = 0 Boson⇒ Ψ symmetrisch unter KernaustauschEs ist immer ΨKS symmetrisch ⇒ Φrot immer symmetrisch⇒ nur gerade l sind erlaubt!

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2.3 Mehratomige MoleküleN Atome im Molekül; 3N kinetische FreiheitsgradeDavon:3 Freiheitsgrade für Translation des Schwerpunkts: ~ps,2-3 Freiheitsgrade für Rotation um den Schwerpunkt: ~L(2 bei linearen Molekülen)⇒ 3N − 6 Freiheitsgrade für Vibration (bzw. 3N − 5 für lineare Moleküle)⇒ 3N − 6 Vibrationsmoden

Beispiel: CO2

Freiheitsgrade: f = 3N − 5 = 4

Moden:symmetrische Streckschwingung (“ν1”):

, f = 1388 cm−1

asymmetrische Streckschwingung (“ν3”):

, f = 2349 cm−1

Knickschwingung (“ν2”):

, f = 667 cm−1 (2-fach entartet!)

Bemerkung: Beschreibung der Rotation mehratomiger Moleküle ist nicht einfach, da das Trägheits-moment im Allgemeinen von der Rotationsachse abhängt (beschrieben durch Trägheitstensor).

2.4 Strahlungsübergänge von MolekülenElektrische Dipolübergänge sind möglich, falls

〈f |Nk∑n=1

eZn ~Rn +Ne∑i=1

(−e)~ri |i〉 6= 0

(oszillierender Dipol aufgrund Elektronen- oder Kernbewegung)⇒ verschiedene Arten von Übergängen möglich!

1. reine RotationsübergängeErlaubt für Moleküle mit permanentem Dipolmomentz.B. HCl:

(oszillierender Dipol durch Rotation)

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Auswahlregel: ∆J = ±1 (J: Moleküldrehimpuls (Kerne))Energie des Übergangs (starrer Rotator):

∆E = B(J ± 1)(J ± 1 + 1)−BJ(J + 1)= B(±2J + 1± 1)

(+: Absorption; -: Emission)“Spektrum”:

2. “Rovibronische” ÜbergängeGleichzeitige Änderung des Vibrations- und Rotationszustands (bei Molekülen mit permanentemoder dynamischem Dipolmoment)Bsp.:

Auswahlregeln:

∆J = ±1 (bei linearen Molekülen)∆ν = ±1 (bevorzugt)

(gilt streng nur bei harmonischem Oszillator und umso weniger, je anharmonischer das Potential).Energie des Übergangs:

∆E = ∆Evib + ∆Erot∆Erot = B′(J ′′ ± 1)(J ′′ ± 1 + 1)−B′′(J ′′(J ′′ + 1))

= (B′ −B′′)J ′′2 + (B′(1± 2)−B′′)J ′′ +B′(1± 1)B′′ = Rotationskonstante AnfangszustandB′ = Rotationskonstante Endzustand

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Für B′ = B′′: äquidistante LinienSpektrum:

Form der P/R-Zweige spiegelt die thermische Besetzung der J ′′-Zustände wieder→ Tempera-turmessung

3. Elektronische ÜbergängeErlaubt, falls

µif = 〈f |Ne∑i=1

(−e)~ri |i〉 6= 0 (el. Auswahlregel)

Zusätzlich Auswahlregeln für Rotations- und VibrationsanregungRotation: ∆J = 0,±1 (0 möglich, da die Elektronen Drehimpuls aufnehmen können)Vibration: Annahme: Übergang geschieht instantan (“senkrecht im Potentialkurvenbild”)⇒ Übergangswahrscheinlichkeit gegeben durch den Franck-Condon-Faktor

Pν′,ν′′ = | 〈ν′|ν′′〉︸ ︷︷ ︸Ortswellenfkt. zu ν′ bzw. ν′′

|2

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(Bedeutung: ein Übergang findet statt, falls die Atome im Grund- und angeregtem Zustandden gleichen Abstand und die gleiche Geschwindigkeit haben)Spektrum damit:

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(Seien x→ A, x→ B, x→ C elektrisch erlaubt)

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