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Das Ereignis als Symptom. Annäherung an einen entscheidenden

Horizont des Denkens

Peter Zeillinger, Wien

… aber etwas ist darinn, was man das Zeichen aller lebendigen Äußerung nennen darf, das nemlich, daß sie mehr sagen, als es scheint, weil in ihnen das Herz sich regt,

das überhaupt im Leben niemals alles sagen kann, was es sagen möchte. Friedrich Hölderlin, Brief vom 28. Nov. 1798 an den Bruder

Die lebendige Äußerung (das ist Anzeichen ihrer Lebendigkeit) zerbricht den Zeichen- und Zeigecharakter, der jede sprachliche Äußerung gemeinhin begleitet.

Thomas Schestag, Worte, wie Blumen1

„Ich habe das doppelte Gefühl, daß man […] noch gar nicht begonnen hat, mich zu lesen, […] daß zwei Wochen oder einen Monat nach meinem Tod nichts mehr bleiben wird.“2 – Dieser zunächst hypertroph wirkende Satz aus dem letzten Interview Jacques Derridas dürfte es erneut, wie schon unzählige Male zuvor, schwer machen, sich dem Werk des französischen Philosophen zu nähern. Wer ist es, der einen solchen Satz spricht, und was sollte damit gesagt sein? Vielleicht aber sind es gerade diese nur scheinbar einfach zu beantwortenden Fragen, in denen auch ein erster Hinweis liegt für eine vorsichtige Annäherung an das vorliegende Werk.3 Wer spricht was wie (wo und wann) mit welcher Absicht und warum? Diese Grundfragen prägen in mehr oder minder reflektierter Weise jeden Akt des Lesens. Auch denjenigen, in den wir – Sie und ich – in eben diesem Moment bereits eingetreten sind. Ein Text, auch ein gesprochener, will gelesen sein. Der Akt des Lesens, der uns hier zunächst interessiert,4 1 in: Francis PONGE, L’Opinion changée quant aux fleurs / Änderung der Ansicht über Blumen,

hg., übers., mit einem Kommentar und einem Essay versehen von Thomas Schestag, Basel/Weil a.R.-Wien 2005, 275.

2 Jacques DERRIDA, Leben ist Überleben, Wien 2005, 41f (Hervorhebungen i.O.). 3 Eine erste Fassung dieses Textes wurde im Juni 2005 beim Symposium „Ereignis

Derrida“ im depot in Wien unter dem Titel „Das Ereignis Derrida(s)“ vorgetragen. Der Vortragstext wurde für die vorliegende Publikation überarbeitet und erweitert.

4 Obwohl im folgenden vom Lesen die Rede ist, sind die Ausführungen nicht auf einen bestimmten – etwa den visuellen – Modus der Wahrnehmung beschränkt. Auch das Hören sowie jede andere Sinneswahrnehmung, insbesondere die Berührung und das Berührt-werden, sind in diesem versammelnden „Lesen“ angesprochen. Insofern jedoch

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birgt dabei ein Moment der Überraschung, das selten eigens bedacht wird: Das Gelesene (Gehörte, Wahrgenommene) ist in Bezug auf die Si-tuation des Lesers (des Hörers, des Wahrnehmenden) das Nicht-Ge-wusste, das Unbekannte, Unerwartete – das Ereignishafte. Selbst dort, wo das Gelesene den bisherigen Kontext bloß zu bestätigen scheint, wo es kaum der Rede wert wäre gelesen worden zu sein, birgt diese im Lesen erfolgte Bestätigung einen nicht zu unterschätzenden Zuwachs: zum ei-nen die Wiederholung und damit eine gewisse Fortdauer des bereits Be-kannten, zum anderen die temporäre Abwehr der niemals auszurotten-den, allenfalls zu verdrängenden Unsicherheit über das Bleiben des Beste-henden. Das Lesen wäre so gesehen der Ort und die Instanz einer Ent-scheidung im Horizont eines Ereignisses, das „eventuell“ statt-haben wird oder nicht. Diese beiden Möglichkeiten, das Statthaben und das Nicht-Statthaben eines Ereignisses, sind nicht einfach symmetrisch und doch auf Dasselbe, hier das Ereignishafte, bezogen: Entweder wird das Ereignis einer Veränderung oder Erneuerung stattfinden (einer erneu-(er)ten Bestätigung oder eines erneuernden Supplements des bereits Vor-liegenden, bis hin zum revolutionären Bruch mit demselben) – oder aber kein solches Ereignis wird stattfinden: ein Umstand, der jedoch nicht minder Ereignischarakter besitzen wird. Auch die Erfahrung, dass sich nichts ereignet, ist ein Ereignis, insofern sich auch etwas hätte ereignen können, das nun aber eben nicht stattgehabt hat. Das Lesen würde vor diesem Horizont demnach den Akt (Vollzug) der Offenheit für den Er-eignischarakter des Seins überhaupt bedeuten. In diesem Sinne sind die folgenden Überlegungen der Versuch, sich ei-nem Denken zu nähern, das vielleicht noch weitgehend unausgelotet – eben noch gar nicht zu lesen begonnen worden wäre („man [hat] noch gar nicht begonnen, mich zu lesen“).5 Dies könnte durchaus damit zu tun haben, dass bisher zumeist immer noch der Autor, sein Eigenname und alles, was damit verbunden wurde, den Blick auf den Text zu verstellen schien. Das Vor-Urteil über das zu-Lesende – d.h. also der Leser selbst, meine Haltung – ist zumeist das größte Hindernis für das An-Kommen (ad-ventus, à-venir) des Ereignishaften. Paradoxerweise kann in der Wahr-nehmung ja nur das Tote, der Eindruck, die hinterlassene (Schrift-)Spur, das solcherart fest-Gestellte und insofern wahr-Genommene – nachträg-

hier nicht einfach die Wahrnehmung als solche, vielmehr die mit ihr verbundene Be-deutung im Zentrum steht, kann an dieser Stelle das Wort „Lesen“ nicht einfach – etwa durch „Wahrnehmung“ – substituiert werden.

5 Es war Alain David, der mich im Zuge eines Vortrags am Institut für die Wissenschaften vom Menschen im Dezember 2005 auf diese Passage aufmerksam gemacht hat und dem ich hier zu antworten versuche.

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lich (spurhaft) – auf Lebendiges, auf ein lebendes Außen verweisen. Ohne Vermittlung durch das tote Medium (Zeichen) kann es keine Wahrneh-mung des (lebendigen) Anderen geben. (Das Leben selbst bleibt dabei als Geheimnis der Wahrnehmung entzogen.) Das Lesen, dem diese Vorbe-merkung gewidmet ist, würde also gerade auf die Störungen, die Unter-brechungen des (Vor-)Urteils und des gewohnten Kontextes achten müs-sen, wenn der Leser darin das andere seiner selbst wahr-nehmen können möchte. In diesem Kontext (– doch auch er wird ein Vor-Urteil darge-stellt haben, wenn er sich selbst nicht zu reflektieren vermag –) stellen die folgenden Überlegungen eine nachträgliche Annäherung an Derridas Werk dar, sowie den Versuch eines Fortschritts vom Toten (Text) zum Lebendigen (Politik). Der Begriff des „Ereignisses“, unter dem diese Re-flexion stehen soll, könnte dazu insofern geeignet sein, als er zwar als ei-genständiger Begriff in Derridas Werk gar nicht existiert,6 doch (so die sich aus der Lektüre ergebende und hier vorweggenommene These) von An-fang an jenen Grundzug seines Schreibens bildet, der über den Text und die Schrift als solche hinausweist.

Explizit ist vom Ereignis bei Derrida stets nur im Zusammenhang mit anderen Themen die Rede, die seine Texte weitaus deutlicher prägen: im Zusammenhang der Herausarbeitung der grundsätzlichen Iterabilität allen Sprechens und Schreibens etwa7 oder im Kontext der Erörterung der Gabe, der Vergebung, der Gastfreundschaft und des geheimnisvollen Akts der Erfindung,8 aber auch im politischen Sinn im Zusammenhang mit der Rede von der démocratie à-venir, der Demokratie im Kommen,9 oder der Erfahrung des Unmöglichen, der Gerechtigkeit,10 beim Sprechen im Modus des Vielleicht als Steigerung noch des Gestus der Performativität aller zukunftsgerichteten Akte und als Grundlage für die Rede vom Zeug-

6 Im Gegensatz etwa zum Werk Alain Badious, das durch den – vielleicht allerdings als

solchen bereits vorausgesetzten – Begriff des Ereignisses geprägt und strukturiert ist. – Vgl. Alain BADIOU, Das Sein und das Ereignis, Berlin 2006 (Paris 1988). Für eine kurze Darstellung von Badious Verständnis des Ereignisses vgl. auch Peter ZEILLINGER, Ba-diou und Paulus. Das Ereignis als Norm?, in: IWK-Mitteilungen (2006) H.1 [im Druck].

7 Vgl. Jacques DERRIDA, Signatur Ereignis Kontext (1971), in: Randgänge der Philosophie, Wien 21999, 325-351. – Zur Interpretation der Iterabilität im Kontext des Ereignisses vgl. Thomas KHURANA, »… besser, daß etwas geschieht«. Zum Ereignis bei Derrida, in: Marc RÖLLI (Hg.), Ereignis auf Französisch. Von Bergson bis Deleuze, München 2004, 235-256, bes. 236-243.

8 Vgl. Jacques DERRIDA, Eine gewisse unmögliche Möglichkeit, vom Ereignis zu sprechen, Berlin 2003 (fr. 1997). [= UM]

9 Vgl. Jacques DERRIDA, Politik der Freundschaft, Frankfurt/M. 2000 (Paris 1994) [= PF]; DERS., Schurken. Zwei Essays über die Vernunft, Frankfurt/M. 2003 (Paris 2003).

10 Vgl. Jacques DERRIDA, Gesetzeskraft. Der »mystische Grund der Autorität«, Frankfurt/M. 1991 (amer. 1989/90). [= GK]

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nis und vom Bekenntnis, die in Derridas spätesten Texten immer stärker ins Zentrum rückt.11 Diese Aufzählung ist vermutlich unvollständig und nur selten werden in den genannten Texten konkrete Beispiele für Ereig-nisse genannt. Auffallend jedoch ist, dass, während zum einen (wenig er-staunlich) der 11. September 2001 als Ereignis genannt wird,12 zum ande-ren durchaus auch das Verfassen eines Textes für Derrida ein Ereignis darstellen kann: So etwa war sein Text „Circonfession“13 gewissermaßen als Wettkampf mit seinem Freund Geoffrey Bennington inszeniert wor-den, um durch das Schreiben eines ereignishaften Textes zu verhindern, dass sein Werk von Bennington in der enzyklopädischen Lektüre seiner „Derridabase“14 umfassend dargestellt werden könnte. – Heute, nach Derridas Tod, besteht gerade diese Gefahr der Enzyklopädisierung, die wohl mit der (allerdings fiktiven) Annahme der Geschlossenheit eines Œuvres nach dem Tod eines Autors fast zwangsläufig verbunden ist, er-neut.15 Ihr kann vielleicht nur in dem zuvor beschriebenen Akt der Lek-türe und damit der Öffnung auf den Horizont des Ereignisses selbst be-gegnet werden. – Doch was wäre unter einem solchen Ereignis – zumal im Kontext des Werkes von Jacques Derrida – genauerhin zu verstehen?

Es ist bei Derrida zunächst nicht ganz klar, was eigentlich ein Ereig-nis ist. In den genannten Texten fungiert die Rede vom Ereignis jedoch gewissermaßen als „Störfaktor“ in der Bestimmung des jeweiligen Dis- 11 Vgl. dazu insbesonders Jacques DERRIDA, Die unbedingte Universität, Frankfurt/M. 2001

(amer. 1998). [= UU] 12 Jacques DERRIDA, Autoimmunisierungen, wirkliche und symbolische Selbstmorde.

Ein Gespräch mit Jacques Derrida, in: DERS. / Jürgen HABERMAS, Philosophie in Zeiten des Terrors, Berlin-Wien 2004, 117-178. – Zugleich wird aber auch die tatsächliche Er-eignishaftigkeit dieses Ereignisses hinterfragt, insofern es in diesem Zusammenhang auch einen durchaus erwartbaren politischen Kontext gab.

13 Jacques DERRIDA, Zirkumfession, in: Geoffrey BENNINGTON, Jacques Derrida. Ein Por-trait, Frankfurt/M. 1994 (Paris 1991).

14 Geoffrey BENNINGTON, Derridabase, in: Jacques Derrida. Ein Portrait (s.o. Anm. 13). 15 Vgl. dazu die Warnung von Hans-Dieter Gondek: „Das Derrida’sche Werk, das, was

man unter diesem Namen versteht, indem man sich zu diesem verhält, was fast immer auch | heißt, dass man es zu einem solchen sublimiert und hypostasiert […], steht in der Gefahr, ein umfassendes, sich schließendes Ganzes zu bilden und sich dem mögli-chen Interpreten gegenüber – oder in der Vorstellung eins jeden möglichen Interpre-ten – im Sinne jenes »Ick bünn all hier« des (selbst »klonesken«) Igels zu gebärden, der dazu nötigt, alle Antworten immanent zu suchen. […] [Demgegenüber] kommt es meines Erachtens derzeit vor allem darauf an, dieses Erbe offen zu halten, ja teils erst wieder neu zu erschließen, was den Bruch mit einem Teil dieser Hinterlassenschaft, al-so das selektive Eingreifen in diese, einschließt.“ (Hans-Dieter GONDEK, »Wer wird erben, und wie? Wird es überhaupt Erben geben?« oder: Das »Erbe« der »Dekonstruk-tion«, in: Journal Phänomenologie 23 (2005), 8-13, hier: 9f.) – Ebenso: Peter ZEILLINGER, Einleitung, in: DERS., Jacques Derrida. Bibliographie der französischen, deutschen und englischen Werke, Wien 2005, 5.

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kurses oder seines Gegenstandes. Alle genannten Themen (Iterabilität, Bekenntnis, Gabe, Vergebung, Gastfreundschaft, etc.) entfalten sich da-her im Sinne Derridas erst, wenn ihre „Ereignishaftigkeit“ zur Sprache kommt und die gewohnten Lesarten und Versicherungen, die mit diesen Begriffen verbunden werden, zu stören beginnt.16 Im folgenden soll also vor allem dieser Aspekt der Störung in den Blick genommen werden – das Ereignis als verwirrendes17 Aufbrechen der gewohnten Ordnungen, der begrifflichen wie der politischen Gewöhnung – ein Aufbrechen, das aber, statt bloß als negierend oder gar destruktiv gelten zu müssen, viel eher affirmativen, grund-legenden Charakter hätte. – Vom bereits Gesag-ten her wird dabei vermieden werden müssen, einen ausdrücklichen und endgültigen Begriff des Ereignisses als solchem zu entwickeln oder her-auszuschälen. Vielmehr muss zugleich all jenen Identifizierungen wider-standen werden, die eine positive Festschreibung dessen versuchen, wo-rum es in Derridas Werk „im Grunde geht“.18 (Auch wenn der vorliegende Text zunächst genau diesen Eindruck erwecken wird.)

* * * Derridas Werk ist als Denken einer ursprünglichen Nachträglichkeit aufge-brochen.19 Das sollte zunächst nichts anderes besagen als dass keine Un- 16 Vielleicht ist es daher auch nicht ganz verwunderlich, dass dieses ereignishafte Auf-

brechen, dieser Aufbruch auch für einen Diskurs von Interesse ist, dem Derrida zeit seines Lebens wohl mehr als skeptisch gegenübergestanden war: der Theologie … und zwar interessant nicht nur für eine philosophische oder negative Theologie, son-dern gerade auch für die positive, wenn nicht gar institutionelle Theologie aus der ich komme – und der ich zugehöre. – Würde Theologie als Diskurs nicht überhaupt erst dann Sinn machen, – d.h. wenn überhaupt, erst dann Sinn machen, wenn Sie ein Ereignis zur Sprache brächte? – Vgl. dazu Peter ZEILLINGER, Jacques Derridas »Grundlegung« einer Theologie? (»Eine Theologie wäre sie möglich?«), in: DERS. / Matthias FLAT-SCHER (Hg.), Kreuzungen Jacques Derridas. Geistergespräche zwischen Philosophie und Theologie, Wien 2004, 169-200.

17 Emmanuel Levinas spricht in einem vergleichbaren Kontext von einer „unaufhebba-ren Verwirrung“ (dérangement irréversible) als Art und Weise des Bedeutens des nicht-phänomenalen Anderen. Die Erfahrung des Anderen ereignet sich als „Aus-der-Ord-nung-Bringen“ der Ordnung der Welt. (Emmanuel LEVINAS, Die Spur des Anderen (1963), in: Die Spur des Anderen. Untersuchungen zur Phänomenologie und Sozialphilosophie, Freiburg/Br.-München 1983, 209-235, hier: 228.) Ebenso: „Die authentische Spur da-gegen stört (dérange) die Ordnung der Welt.“ (ebd. 231) – Frz. déranger ist abgeleitet vom Substantiv range, „Reihe, Ordnung“, und bedeutet so viel wie „in Unordnung bringen, durcheinander bringen“. In den deutschen Levinas-Übersetzungen wird das dazugehörige Nomen dérangement oft auch als „Verwirrung“ übersetzt.

18 Eine ähnlich gelagerte Kritik wurde anlässlich des Erscheinens des Vokabular der Psy-choanalyse von J. LAPLANCHE und J.-B. PONTALIS (Paris 1967; Frankfurt/M. 1973) am Versuch der Festschreibung psychoanalytischer Begrifflichkeit laut: siehe dazu den Beitrag von Klaus Ebner in diesem Band.

19 Vgl. dazu etwa SD 311f (s.u. Anm. 20).

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mittelbarkeit, keine Evidenz, kein angebbarer letzter Grund, kein noch so subtiler dialektischer oder pragmatischer Gestus die Basis darstellen könnte für eine kontinuierlich fortschreitende philosophische oder politi-sche Entfaltung. Nacheinander hatte Derrida die herrschenden Diskurse seiner Zeit mit den Aporien ihrer eigenen Grundlagen und Voraus-setzungen konfrontiert und explizite wie implizite Rückgriffe auf eine als solche benennbare „Evidenz“ als in sich widersprüchlich entlarvt.20 Dabei ging es keineswegs darum, einzelne Autoren zu kritisieren oder bestimm-te philosophische Ansätze als fehlerhaft zu brandmarken. Das philoso-phische Problem war von Anfang an tiefer gelegen: Ein sog. „erstes Fundament“ oder „Prinzip“, ein „Ursprung“ oder „Zentrum“ wäre, so zeigt Derrida, niemals „gegeben“ oder auch nur benennbar (vgl. SD 424 u.ö.). Die sprachliche Verfasstheit allen Denkens und Handelns würde selbst dort, wo ein solcher Ursprung zu denken versucht wird, diesen nicht einfach „präsentieren“ können. Und alle Re-Präsentation (Wieder-holung) hätte gerade die Unmittelbarkeit dessen, was sie auszudrücken sucht, bereits verloren – sie wäre zudem bereits in die Problematik der Adäquation, d.h. des angemessenen Ausdrucks verstrickt. Wir hätten es da-her immer schon mit jener Nachträglichkeit zu tun, die traditionellerwei-se mit der Schrift verbunden wird, deren Aussagegehalt stets erst in ei-nem hermeneutischen Akt rekonstruiert werden müsste. Von da her lässt sich dann die plakative Aussage „Es gibt kein Außerhalb des Textes“21 vielleicht auch einfach als Konsequenz der Erfahrung der unhintergeh-baren Nachträglichkeit jedes Diskurses verstehen. – Wenn es aber keinen Rückgriff auf unmittelbare Evidenzen, keinen letzten Grund gibt – wo-mit dann beginnen? wovon dann ausgehen?

Wenn ich es recht sehe, dann hatte mit der Betonung der Universali-tät des Schriftcharakters allein Derridas Werk noch gar nicht seinen Aus-gangspunkt gefunden. Nicht zuletzt ist ja gerade sein von vielen als „Hauptwerk“ bezeichnetes Buch De la grammatologie (1967) an seinem ei-genen Anspruch, nämlich eine „Schrift-Wissenschaft“ zu begründen, ge-scheitert. Derrida war sich dessen durchaus bewusst und formulierte dies auch am Ende des systematischen ersten Teils:

Grammatologie, Denken, das noch eingemauert bliebe in der Präsenz. (G 170)

20 Vgl. dazu insbesondere die 1967 erschienenen Arbeiten von Jacques DERRIDA: Die

Schrift und die Differenz [= SD] (Frankfurt/M. 61994), Die Stimme und das Phänomen. Ein-führung in das Problem des Zeichens in der Phänomenologie Husserls [= SP] (Frankfurt/M. 2003) und Grammatologie [= G] (Frankfurt/M. 61996), sowie die Texte in dem 1972 veröffentlichten Band Randgänge der Philosophie [= R2] (Wien 21999).

21 Vgl. G 273f, passim, sowie: Jacques DERRIDA, Buch-Ausserhalb. Vorreden / Vorwor-te (1972), in: Dissemination, Wien 1995, 9-68.

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Der „eigentliche“ Ausgangspunkt von Derridas eigenständigem Denken – und damit die Entfaltung eines Werkes im engeren Sinn – liegt vielleicht anderswo. Es sind vor allem zwei Gesten, die sein Werk in besonderer Weise auszeichnen und vielleicht insofern auch das „Ereignis Derrida“ in einem ersten Zugang umschreiben. Beide Gesten besitzen selbst ereig-nishaften Charakter. 1. Zunächst einmal wäre Derridas nachträgliche Einführung und Einfü-gung des Wortes „différance (mit a)“ in die zunächst verstreut erschiene-nen frühen kritischen Lektüren vom Beginn der 60er-Jahre zu nennen.22 Derrida beginnt nämlich erst um die Mitte der 60er-Jahre diesen Neologis-mus zu verwenden – etwa zeitgleich mit dem Begriff der „Spur“, dessen Einführung im Werk von Emmanuel Levinas von Derrida sofort wahr-genommen und verfolgt wurde.23 Derrida übernimmt diesen Begriff, ent-wickelt dann aber einen eigenständigen Diskurs darum.24 In diesem Zusam-menhang taucht dann auch der Terminus „différance“ auf und wird nach-träglich an jenen Stellen in seine bereits publizierten Texte eingefügt, an denen eine auf keinen Ursprung mehr rückverweisende Nachträglichkeit allen Denkens und Sprechens in den von ihm analysierten Texten und deren Grundlagen zum Vorschein kommt. Das Ergebnis dieser nachträgli-chen Einfügungen (und damit in gewisser Weise auch die Parallelisierung seiner an sich heterogenen Arbeiten zu Husserl, Foucault, Freud, Artaud, Bataille, Levinas und Jabès) liegt heute in Form der Sammlung Die Schrift und die Differenz aus dem Jahr 1967 vor. Darin sind Derridas Vorträge aus den Jahren 1959-66 in leicht veränderter Form, doch mehr oder minder kommentarlos neuerlich abgedruckt. Der Grund für diese eigenartige Zusammenstellung von Texten wird dabei nicht sogleich deutlich. Erst am Ende findet sich in einer kurzen, für das Verständnis aber entschei- 22 Vgl. zum folgenden ausführlicher: Peter ZEILLINGER, Nachträgliches Denken. Skizze eines

philosophisch-theologischen Aufbruchs im Ausgang von Jacques Derrida, Münster 2002), 61-86. 23 Derridas Wahrnehmung des Levinas’schen Spur-Begriffs lässt sich einigermaßen ge-

nau auf den Zeitpunkt der Drucklegung von Derridas Levinas-Lektüre in Gewalt und Metaphysik (1964, nun in: SD 121-235) datieren. Derrida konnte nur noch in den Druckfahnen einen Hinweis darauf deponieren (siehe SD 121 Anm. 1). – Eine detail-lierte Nachzeichnung der Entwicklung und Einführung des Begriffs Spur im Werk von Emmanuel Levinas findet sich in: Peter ZEILLINGER, Phänomenologie des Nicht-Phänomenalen. Spur und Inversion des Seins bei Emmanuel Levinas, in: Michael BLAMAUER / Wolfgang FASCHING / Matthias FLATSCHER (Hg.), Phänomenologische Auf-brüche, Frankfurt/M. u.a. 2005, 161-179.

24 Die Geschichte der eigenständigen Entfaltung der Spur bei Derrida reicht von der zwei-teiligen Erstveröffentlichung von De la grammatologie (in: Critique vol. 21, Dec. 1965, 1016-1042 + vol. 22, Jan. 1966, 23-53) über den wichtigen Text Freud und der Schauplatz der Schrift vom März 1966 (in: SD 302-350) bis zur Neufassung der Thematik in feu la cendre (Erstveröffentlichung in: Anima 5, Dec. 1982, 47-99; Buchfassung: Paris 1987).

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denden Notiz im Anschluss an die Nachweise der Erstveröffentlichun-gen (also bereits außerhalb des eigentlichen Corpus des Bandes) ein ver-steckter Hinweis auf den performativen Gestus der Zusammenstellung dieser Texte. Es ist jene mit der différance selbst verbundene Beobachtung, die die Texte zu etwas bündelt, was doch kein „Buch“ gewesen sein wird.

Indem wir diese Texte datieren, möchten wir hervorheben, daß wir uns, in diesem Moment, um sie miteinander zu verbinden (relier) und wieder-zulesen (relire), nicht in gleichem Abstand von ihnen halten können. Was hier die Verschiebung einer Frage bleibt, bildet freilich ein System. Mit Hilfe irgendeiner interpretativen Naht (couture interprétative) hätten wir es im Nach-hinein andeuten/hervortreten lassen (dessiner) können. Doch ließen wir nichts als die Punktierung (pointillé) durchscheinen, indem wir in ihr jene blanken Stellen (blancs) bewahrten oder hinterließen, ohne die kein Text sich als solcher (comme tel) darstellt. Wenn Text Gewebe heißt, dann haben alle diese Versuche/Essays (essais) die Naht (couture) in eigensinniger Wei-se als Heftnaht (faufilure)25 definiert (Dezember 1966). (SD 451f; Hervor-hebungen i.O.; Übers. modifiziert)26

Die différance erweist sich somit nicht so sehr als Begriff oder Name, der etwas als etwas bezeichnet (und in einem Terminus verdichtet zur Spra-che bringt), sondern vielmehr als Platzhalter für eine (durchaus wirkmäch-tige) Leerstelle („blancs“), deren Wahr-nehmung sich durch das Scheitern aller Versuche, letzte Grundlagen zu benennen, gewissermaßen von selbst aufnötigte. Aus diesem Grund konnte eine erste „Deutung“ der différance auch erst nachträglich, in dem berühmt gewordenen Vortrag La différance vom Januar 1968 erfolgen.27 Die Geschichte des nachträglich eingefügten und zu bestimmen versuchten Neologismus fungiert damit also selbst als „Spur“ für die Erfahrung jener ursprünglichen Nachträglichkeit, von der diese zeugt – d.h. als Spur für eine seinseröffnende Differenz-Relation, die kein angebbares (erstes oder zweites) relatum und auf keinen Fall ei-nen präsentischen oder präsentierbaren Ursprung mehr kennt.28

25 Der Name faufilure (Heftnaht) kommt von faux filure, „falsches Gespinst“, da durch sie

die Stoffe nicht beständig, sondern nur lose miteinander verbunden werden. (Anm. PZ) 26 Zur Deutung vgl. neben den Hinweisen zu Beginn des Vortrages La différance (s.u.

Anm. 27) auch: Zeillinger, Nachträgliches Denken, 79-83. 27 Jacques DERRIDA, Die différance, in: R2 31-56. 28 Martin Heidegger spricht 1962 in Zeit und Sein (in: Zur Sache des Denkens, Tübingen 31988,

1-26) auf ähnliche Weise von einem Ereignis, das „Zeit und Sein gibt“. Es wäre zu unter-suchen, inwiefern sich dieser Heidegger’sche Ereignis-Begriff mit den Konnotationen, die Derrida in seinem Vortrag mit der différance verbindet, decken könnte. – Das hier ent-faltete Verständnis von „Ereignis“ bei Derrida steht allerdings in einem anderen, einem ethischen und nicht mehr ontologischen, Kontext und ist mit dem Ereignis des „Es gibt Zeit/Sein“ beim späten Heidegger nicht mehr unmittelbar vergleichbar. Zu letzterem vgl. Rudolf WANSING, Im Denken erfahren. Ereignis und Geschichte bei Heidegger, in: Marc RÖLLI (Hg.), Ereignis auf Französisch. Von Bergson bis Deleuze, München 2004, 81-102.

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An diesem Punkt (– und damit kehre ich aus dieser fragmentarischen Er-innerung zum Kern der Überlegung zurück –) hat in Derridas Werk ein Ereignis statt; hier verortet sich ein Ereignis, das zugleich auch „insze-niert“, in Szene gesetzt werden muss und wird; – ein Ereignis, außerhalb der argumentativen Strategien eines Buches, eine undeutliche, aber nichts-destotrotz wahrnehmbare, notwendig gewordene Re-aktion auf eine vor-gängige Erfahrung. Mit einem künstlerischen Gestus wird hier in den Texten (nachträglich) eine Bedeutung inszeniert, die nicht einfach auf ei-ne argumentierende Aussage reduziert werden konnte und kann ohne dabei die differantielle Kraft dieses Gestus selbst zu verlieren. – Damit ist allerdings nicht viel gesagt, denn was in diesem Moment, in eben diesem Text hier vollzogen wird, ist erneut genau dies: den performativen Ges-tus, der sich allein einer vorsichtigen Lektüre erschließen würde, auf eine Argumentation zu reduzieren. Bei einem Verständnis vom Ereignis als performativer Inszenierung, wie sie rund um die Einführung der différance aufscheint, wird man daher nicht einfach stehen bleiben können, ohne Gefahr zu laufen, die Ereignishaftig-keit selbst aus dem Blick zu verlieren. – Dennoch möchte ich hier als erste Beobachtung im Blick auf das Ereignis seines Werkes, Derridas Gestus der Performativität bzw. der performativ inszenierten Erfahrung der ursprüng-lichen Nachträglichkeit als einen seiner Ausgangspunkte festhalten.29

Wichtig ist, zu sehen, dass Derridas Werk auf das Ereignis der différ-ance, auf die Nötigung zur Wahrnehmung einer ursprünglichen Nachträg-lichkeit „antwortet“ bzw. zu antworten beginnt. Die damit verbundene „Inszenierung“, die nicht bloß zur Kenntnis genommen werden darf,30 sondern im bereits beschriebenen Sinn gelesen werden muss, besitzt dabei selbst ereignishaften Charakter, insofern sie von der différance nur zu spre-chen vermag, indem ihre eigene Gestalt die herrschende Ordnung stört. – Damit ist zugleich der Übergang gegeben für eine weitere Beobachtung bezüglich Derridas Werk.

2. Es gibt (zumindest) einen zweiten Gestus, der das Werk Derridas auszeichnet und zur Ereignis-Thematik hinführt. Im Anschluss an die In-

29 Man könnte das bisher Gesagte noch durch Beobachtungen am Vortrag La différance

ergänzen, in dem Derrida – ein Jahr nach dem Erscheinen von Die Schrift und die Diffe-renz – erneut nachträglich (gewissermaßen als zusammenfassenden „Abschluss“ der Beobachtungen zur différance) diese Nachträglichkeit auch in der Textgestalt selbst zum Ausdruck bringt (vgl. dazu Zeillinger, Nachträgliches Denken, 107-119).

30 Vorgreifend könnte man ein solches bloßes „Zur-Kenntnis-Nehmen“ der Inszenie-rung im psychoanalytischen Sinn als Genießen (jouissance) bezeichnen – selbst (oder ge-rade dann) wenn dieses „Genießen“ in Form einer einfachen, nicht weiter entfalteten Ablehnung geschieht.

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szenierung der ursprünglichen Nachträglichkeit könnte man diesen zweiten Gestus mit einem Ausdruck von Dieter Mersch eventuell als „Schritt aus der Schrift“ (aus der Schrift hinaus) bezeichnen.31

Am deutlichsten wird dieser Schritt in dem kleinen als Polylog gestal-teten Text feu la cendre32 vom Anfang der 80er-Jahre, der die Schrift als Spur – oder vielleicht besser: die Spur als Schrift – mit der Stimme in Ver-bindung bringt. Dabei aber wird die Stimme nicht wie in der gesamten abendländischen Tradition als der Schrift vorgängig erachtet, sondern viel-mehr ihr nachgeordnet. – Die Stimme, das Sprechen, ist nicht mehr das, was von der Schrift dann nachträglich aufgezeichnet würde, sondern kommt hier als diejenige in den Blick, die den Text „liest“, ihm „Stimme verleiht“.33 Derrida bringt dies durch eine kleine, aber wirkungsvolle Geste performativ zum Ausdruck, indem er der Buchfassung von feu la cendre eine Audio-Cassette beilegt, auf der die französische Schauspielerin Carole Bouquet und er selbst den Text mit verteilten Rollen lesen. Das Besondere an dieser Geste ist, dass der gesprochene Text damit zugleich eindeutiger als auch mehrdeutiger wird als der geschriebene Polylog. So ist z.B. das in der Buchfassung oft nicht erkennbare Geschlecht des jeweili-gen Sprechers (oder der Sprecherin) nun auf der Audio-Cassette sehr wohl identifizierbar, während zugleich bestimmte Eigenheiten der fran-zösischen Sprache zwar in der Schrift entzifferbar sind (etwa der accent grave zur Unterscheidung von là/da und la/die), auf der Cassette jedoch unhörbar werden und damit die Aussage mehrdeutig werden lassen.34 Die Stimme hat die Schrift also in diesem Fall bereits interpretiert. Zu-gleich macht Derrida aber auch deutlich, dass ein Text de facto immer schon ein „gelesener“ – und insofern gedeuteter Text ist. So drückt sich in letzter Konsequenz in der Bezogenheit der Stimme auf die Schrift, also im Akt des Lesens, eine spezifische Verantwortung aus, der – wenn über-haupt – nur schwer nachzukommen ist. Denn zum einen ist die Stimme der vorliegenden Schrift und ihrer Aussage verpflichtet; doch zum anderen gibt es aufgrund der différance-Beziehung und damit der unhintergehbaren Nachträglichkeit aller Schrift keinen ursprünglichen Zugang zur Bedeutung eines Textes – es gibt eben kein ursprunghaftes „Außerhalb“ des Textes.

31 Dieter MERSCH, »Geschieht es?« Ereignisdenken bei Derrida und Lyotard, Online-Publika-

tion: http://www.momo-berlin.de/Mersch_Ereignis.html [Dez. 2005]. 32 s.o. Anm. 24; dt. Feuer und Asche, Berlin 1988. 33 Auch hier kommt es nicht so sehr darauf an, dass die Stimme eine lautliche Gestalt

annimmt, als vielmehr darauf, dass ein Subjekt (subjektale Instanz) einem Vorliegen-den Ausdruck verleiht.

34 Vgl. dazu den Prolog Derridas in der Buchfassung: Feuer und Asche, 5-12. – Der Versuch einer ersten Deutung des Textes findet sich in Zeillinger, Nachträgliches Denken, 188-206.

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Die Stimme weiß nicht, was sie liest. Sie hat keine unmittelbare Kenntnis vom zu-Sagenden. Sie wird dessen „Sinn“ oder „Unsinn“ (in einer stets „performativ“ zu nennenden Art) erst hervorbringen – und bleibt dabei doch dem ihr Vorliegenden verpflichtet. Die Stimme muss demnach mehr als bloß den Text als solchen (in seiner vorliegenden Gestalt), sie muss das Ereignishafte des Textes zum Ausdruck bringen und damit dem Anruf (in) der Schrift antworten. Von diesem Grundgedanken sind die meisten der sog. „späteren“ Texte Derridas durchzogen35 und erst in diesem Kontext entfaltet sich schließlich auch Derridas spezifische Rede vom Ereignis.

* * * Derridas Werk ist also zumindest von diesen beiden soeben genannten Erfahrungen geprägt: einmal der Erfahrung einer ursprünglichen Nach-träglichkeit, die nicht einfach auf den Begriff gebracht bzw. in einem Diskurs entfaltet und präsentiert werden könnte, sondern allenfalls durch eine sprachliche bzw. schriftliche Inszenierung performativ und spurhaft zu markieren wäre; und zum zweiten von der vielleicht noch erstaunliche-ren Wahrnehmung, dass es auch die reine Schrift, den reinen Text, die pure Nachträglichkeit in letzter Konsequenz nicht gibt; dass die Schrift also niemals in einer ungebrochenen Reinheit begegnet, sondern ihr immer schon Stimme verliehen worden ist. Dieser Stimme, die selbst wieder ei-nen zu lesenden Text inszeniert, gilt unsere weitere Aufmerksamkeit.

Vielleicht ist es gerade diese zweite Erfahrung bzw. Wahrnehmung gewesen, die den Eindruck einer „performativen Wende“ hin zu ethi-schen und politischen Fragestellungen in Derridas Werk in den 80er-Jah-ren machte.36 Doch weder eine „Wende“, noch ein erstmaliges Auftauchen spezifisch performativer Gesten lässt sich hier ausmachen. Sehr wohl aber wird verstehbar, inwiefern gerade diese zweite Erfahrung des inter-pretierenden Stimme-Verleihens und des antwortenden Sich-Adressie-rens ethischen und politischen Fragestellungen nahe kommt. Doch gibt es die eine Wahrnehmung nicht ohne die andere: Nachträglichkeit, Nicht-Ursprünglichkeit und Schrift auf der einen Seite, sowie Ethik, Politik und Verantwortung auf der anderen Seite sind aufeinander bezogen.

35 Vgl. dazu auch die lange Fußnote (Anm. 105, S.148-155) in: Jacques DERRIDA, Vom

Geist. Heidegger und die Frage, Frankfurt/M. 21993 [Paris 1987]. 36 Vgl. etwa Hans-Dieter GONDEK / Bernhard WALDENFELS, Derridas performative Wen-

de, in: DERS. / DERS. (Hg.), Einsätze des Denkens. Zur Philosophie von Jacques Derrida, Frank-furt/M. 1997, 7-18. – Hans-Dieter Gondek hat jedoch zuletzt selbst die Schärfe dieser Unterscheidung in Frage gestellt: „Aus der Sicht des »späteren« Derrida – des Derri-das nach der »performativen Wende« (soweit eine solche Periodisierung des Werkes sich halten lassen wird) […]“ (in: Gondek, »Wer wird erben? …« (s.o. Anm. 15), 11.)

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Im folgenden soll (erneut fragmenthaft) nachgezeichnet werden, in wel-cher Form sich Derridas explizite Rede vom Ereignis in diese Erfahrun-gen einschreibt – oder vielleicht auch umgekehrt: aus ihnen resultiert. Dazu ist es notwendig, die einzelnen Diskurse, die Derrida mit dem Ereignis verbindet, aufzusuchen und auf eventuelle Gemeinsamkeiten hin zu be-fragen. Den komprimiertesten Weg dies zu tun, liefert ein kurzer Text von Derrida selbst, die Mitschrift eines Seminars, das im April 1997 an der Universität von Montréal stattfand. Derridas Vortrag und seine Dis-kussionsbeiträge dort sind später unter dem bezeichnenden Titel Eine ge-wisse unmögliche Möglichkeit vom Ereignis zu sprechen37 publiziert worden. – In diesem Seminar fasst Derrida eine Reihe von Themen aus seinem Werk zu-sammen und bringt sie ausdrücklich mit dem Ereignis in Verbindung: das Bekenntnis, das Geständnis, die Gabe, die Vergebung, die Erfindung, die Gastfreundschaft, sowie zuletzt auch die Religion. – Aber nicht nur The-men, sondern auch sprachliche Gesten verbindet Derrida mit dem Ereignis: das Versprechen etwa, oder die Rede vom Unmöglichen, sowie den Mo-dus des Vielleicht, den er für den einzigen angemessenen Modus für das Sprechen vom Ereignis hält. All diese sprachlichen Gesten lassen auch eine bestimmte temporale Struktur, nämlich die des futur anterieur, der Vor-zukunft erkennen („Ein Ereignis wird vielleicht stattgefunden haben“), auf die ebenfalls einzugehen sein wird. – Nicht zuletzt entwickelt Derrida eine dreigliedrige Struktur des Sprechens vom Ereignis selbst: den Konsta-tiv, das Performativ und das Symptom. – Bevor wir uns aber den Moda-litäten und Gesten dieses Sprechens zuwenden, sollen zunächst die The-men und Eigenheiten der Ereignisdiskurse in aller Kürze umrissen werden: • Zunächst einmal das Thema des Bekenntnisses38 (frz. u. engl. confession, was jeweils auch „Geständnis“ in einem juridischen Sinne bedeutet). Im Bekenntnis findet ein Ereignis statt, insofern nicht die Aussage selbst im Mittelpunkt steht, nicht die Information, der Informationsgehalt, son-dern ein Mehr, ein Darüberhinaus, das stets auf eine Veränderung zielt (UM 25). Im Bekenntnis oder Geständnis „vollzieht sich nämlich eine Veränderung meiner Beziehung zum Anderen“ (UM 25).

Bereits hier wird deutlich, dass das Ereignis selbst niemals unmittelbar greifbar wird. Das Bekenntnis ist ja als solches – als Bekenntnis – nie eindeutig erkennbar oder identifizierbar. Es kann stets bloß ein Meineid gewesen

37 UM (s.o. Anm. 8). 38 UM 25ff; siehe auch UU, sowie Derridas Bemerkungen zum Zeugnis und zum Be-

kenntnis in: DERS., Composing »Circumfession« (2001), in: John D. CAPUTO / Micha-el J. SCANLON (eds.), Augustine and Postmodernism. Confessions and Circumfession, Bloo-mington-Indianapolis 2005, 19-27.

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sein, und eine Veränderung, eine „Revolution“ als Folge des Bekenntnisses hat vielleicht niemals tatsächlich stattgefunden. – Es ist daher notwendig, jede Aussage, die sich als Bekenntnis inszeniert, auf ihre Ereignishaftig-keit zu hinterfragen. Erst ein sich-ereignendes Mehr über die konstative Aussage hinaus, ließe ein Bekenntnis als Bekenntnis möglich erscheinen. • Ähnliches gilt für die Gabe.39 Nur insofern die ökonomische Ordnung des Tausches durchbrochen wird, hat eine Gabe stattgefunden. Doch dies scheint faktisch unmöglich. Bereits der Dank – ob ausgesprochen oder nicht –, bereits das bloße Wissen des Anderen um mein „Präsent“ bindet den Akt des Gebens – gewollt oder nicht – in eine Ökonomie ein und gefährdet – in einer zum Meineid analogen Struktur (Eigeninteresse, Berechnung, Missverständnis, Täuschung) – den Vollzug und die rätsel-hafte40 Wirkung der Gabe. Das Ereignis der Gabe (wenn es überhaupt jemals stattgefunden haben wird) müsste in diesem Sinn ein Unmögli-ches ins Werk gesetzt haben. Nur das, was nicht denkbar, nicht vorherseh-bar und letztlich auch nicht möglich gewesen war, wird – wenn und inso-fern es sich ereignet – eine Gabe gewesen sein.

Auch hier also bezeichnet das Ereignis ein Überschreiten jener Mög-lichkeiten, die in einer Situation oder einer Ordnung angelegt sind. • Bei der Erörterung der Vergebung (UM 29ff)41 bringt Derrida schließ-lich ein zentrales Element seiner Rede vom Ereignis zur Sprache. Zu- 39 UM 27ff; vgl. auch Jacques DERRIDA, Falschgeld. Zeit geben I, München 1993 (Paris

1991), sowie den Beitrag von Hans-Dieter Gondek in diesem Band. 40 Ohne auf Details eingehen zu können, sei hier auf einen weiteren, für das Sprechen vom

Ereignis entscheidenden Kontext hingewiesen: Wie die „Verwirrung“ oder „Störung“ (dérangement; s.o. Anm. 17) gehört auch das Rätsel (frz. énigme, gr. e3nigma) in den Kontext der Entfaltung der Spur bei Emmanuel Levinas: „Diese Weise des Anderen, um mei-ne Anerkennung nachzusuchen und dennoch zugleich das Inkognito zu wahren […], die-se Weise, in Erscheinung zu treten, ohne zu erscheinen, nennen wir – unter Bezug auf die Etymologie des griechischen Wortes und im Gegensatz zum siegreichen und indis-kreten Erscheinen des Phänomens – Enigma, Rätsel.“ (Emmanuel LEVINAS, Rätsel und Phänomen (1965), in: Die Spur des Anderen. Untersuchungen zur Phänomenologie und Sozial-philosophie, Freiburg/Br.-München 1983, 236-260, hier: 246.) – In Die weiße Mythologie. Die Metapher im philosophischen Text (in: R2 229-290) zitiert Derrida das aristotelische Ver-ständnis von e3nigma als Fähigkeit, „unvereinbare Wörter miteinander zu verknüpfen und hiermit gleichwohl etwas wirklich Vorhandenes zu bezeichnen (Poetik 1458a).“ (ebd. 262) und bringt es in Wie nicht sprechen. Verneinungen (Wien 1989 [Paris 1987]) mit dem Raum (Ort), der sich zwischen Gott und dem Namen Gottes eröffnet, in Verbindung: „Jeder ne-gative Satz wäre bereits heimgesucht von Gott oder vom Namen Gottes – wobei der Unterschied/die Unterscheidung (distinction) zwischen Gott und dem Namen Gottes den Raum selbst (l’espace même) dieses Rätsels (de cette énigme) eröffnet.“ (ebd. 14; Übers. mod.; vgl. ebd. 46ff) – Zur Bedeutung des Rätsels im Kontext der Spur bei Levinas siehe auch: Zeillinger, Phänomenalität des Nicht-Phänomenalen (s.o. Anm. 23), bes. 175ff.

41 Siehe auch Jacques DERRIDA, On Forgiveness, in: On Cosmopolitanism and Forgiveness, London-New York 2001, 25-60.

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nächst wird die Vergebung (wie die Gabe) von der Ökonomie des Tau-sches bedroht – und darüber hinaus auch noch von einer gewissen öko-nomischen Hierarchie: Denn, wenn ich nur vergebe, was ich leicht verge-ben kann, findet gerade das nicht statt, was bereits beim Bekenntnis wich-tig war: nämlich die Veränderung der Ordnung. Nur das Unverzeihliche zu verzeihen, wäre nach Derrida ein ereignishafter Akt der Vergebung. Das bedeutet dann aber, dass sich die Vergebung wie die Gabe, „wenn sie überhaupt möglich sein sollen, als unmöglich ankündigen“ (UM 30) muss. Als „unmöglich“ zwar, aber eben auch in einer „Ankündigung“!42

Das Ereignis, das von Derrida als Überraschung und als Unvorherge-sehenes beschrieben wird (UM 7), übersteigt also alle benennbaren Mög-lichkeiten einer gegebenen Situation – und ist daher zunächst kein „mögli-ches“, sondern ein unmögliches Ereignis. Und doch kündigt es sich an. Dies ist vielleicht beim Thema der Gabe nicht so ersichtlich, aber sehr wohl beim Bekenntnis und bei der Vergebung. Beide sind Sprechakte, die an-kündigen, dass sie das Unmögliche tun, hier und jetzt. Damit eröffnet sich eine temporale Dimension, die erst noch zu entfalten sein wird. Denn obwohl in den genannten Diskursen das Ereignis „hier und jetzt“ statt-finden soll, steht die Bewahrheitung, dass hier tatsächlich ein Bekenntnis oder eine Vergebung stattgefunden hatte, noch aus … • Zuletzt wäre noch auf das Thema der Gastfreundschaft hinzuweisen, das in Derridas späterem Werk breiten Raum einnimmt.43 Auch hier wä-re vor allem ein Element festzuhalten, das in den bisherigen Ereignis-Kon-texten noch nicht aufgetaucht war: Die Gastfreundschaft ist kein vom Individuum ausgehender Akt wie das Bekenntnis, die Gabe oder die Ver-gebung, sondern sie ist auf einen Anderen, einen Fremden, eine Ankom-mende gerichtet … auf ein ankommendes Ereignis (événement à-venir).44

Die Struktur des Ereignisses in der Gastfreundschaft ist dabei ähnlich wie in den anderen Beispielen: nur jener Gast, der nicht erwartet wird, der sich vielmehr jedem Erwartungshorizont entzieht, ist der Maßstab für das Ereignis der Gastlichkeit. Diese Ausrichtung auf den Anderen, den Ankömmling, ist hier neu – oder zumindest expliziter als zuvor zum Ausdruck gebracht. Das Ereignis ist damit vielleicht noch deutlicher als

42 Dieses Moment der Ankündigung gilt es hier festhalten. In ihr liegt eine der sprachli-

chen Gesten der Rede vom Ereignis begründet, auf die noch zurückzukommen ist. 43 UM 33-40; siehe auch: Jacques DERRIDA, Von der Gastfreundschaft. Mit einer »Einladung«

von Anne Dufourmantelle, Wien 2001 (Paris 1997), sowie PF. 44 Françoise Dastur legt es nahe, advenire und e(x)venire zusammenzudenken: Françoise

DASTUR, Zur Phänomenologie des Ereignisses. Die Erwartung und das Unerwartete, in: Eliane ESCOUBAS / Bernhard WALDENFELS (Hg.), Phénoménologie française et phénomé-nologie allemande / Deutsche und Französische Phänomenologie, Paris 2000, 217-234, hier: 223.

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Einbruch und Störung der Ordnung, der Hausordnung (griech. oi3konomi1a, „Öko-nomie“) verstanden. Gegenüber dem Ereignis des ankommenden Fremden ist der Gastgeber, ist die Gastfreundschaft machtlos. – Gerade diese Machtlosigkeit aber ist die Gastfreundschaft. (UM 35) All diese mehr oder minder provokanten Aussagen müssten weitaus vor-sichtiger thematisiert werden als dies hier der Fall ist. Daran besteht kein Zweifel. Dekonstruktion benötigt Zeit. Mein Vorgehen hat hier jedoch experimentellen Charakter: Ich versuche mich dem Ereignis nicht in ei-ner Mikrolektüre zu nähern, wie es wohl jedem Ereignis, wenn es das gibt, angemessener wäre, sondern gewissermaßen eine Struktur der Rede vom Ereignis in Derridas Werk ausfindig zu machen. Vielleicht kann dies nur gelingen, indem die Aporien und Paradoxien, die Ausweglosigkeiten und Spannungen, denen sich Derridas Texte widmen und aussetzen, auf-gezeigt und in ihrem Zusammenhang gelesen werden. Das wäre selbstver-ständlich immer noch kein Beweis für irgendwelche Ereignisse. Aber wenn es Ereignisse gibt, dann nur unter solchen Bedingungen. In diesem Sinne wird sich jede weitere Analyse insbesonders der Sprache des Ereignis-ses bzw. der Verkündigung des Ereignisses bei Derrida widmen müssen.45

In welcher Sprache also wird das Ereignis in den verschiedenen genannten Diskursen „inszeniert“ bzw. zum Ausdruck gebracht? – Von Anfang an hatte Derrida seine Texte in gewisser Weise performativ ins-Werk-gesetzt. Die nach-trägliche Einführung des Neologismus différance war ein solcher Gestus. Ebenso der Versuch des Ausbruchs aus der Geschlossenheit des Buches und auch die Überwindung einer Metaphysik der Präsenz (der präsenti-schen Vergewisserung) durch die Betonung der Schrift und die spätere Herausarbeitung der Stimme als interpretierendem Zeugen – sie alle tru-gen bereits ereignishafte Züge. Nun aber ginge es darum, das Ereignis in einer ganz bestimmten Hinsicht auch konkret anzukündigen – als Be-kenntnis, als Gabe, als Gastfreundschaft oder im politischen Sinne als dé-mocratie à-venir, als Demokratie im Kommen. Dazu bedürfte es aber einer sprachlichen Möglichkeit, diese jeweils von einer bestimmten Unmög-lichkeit geprägten Diskurse auch faktisch ins-Werk-zu-setzen. Es wird daher notwendig, die Frage nach der Möglichkeit des Unmöglichen zu stellen.

(Zuvor aber müsste ein mögliches Missverständnis vermieden werden: Unter der Hand hat sich nämlich in der bisherigen Darstellung die Be-deutung von „Ereignis“ zumindest verzweifacht. Während das Ereignis 45 Eigentlich wäre es hier notwendig, direkt in die Frage nach der Politik des Ereignisses

einzusteigen und von der Politik des à-venir, des Kommen- und Ankommen-Lassens des Ausständigen und Fremden zu sprechen. Vgl. dazu die Beiträge von Marc Crépon und Thomas Frank in diesem Band.

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zunächst anhand seiner Wirkung – der Störung oder Verwirrung der Ordnung (dérangement) –, d.h. in gewissem Sinne spurhaft bestimmt wurde, wobei die nähere Bedeutung des Ereignisses zunächst keine Rolle zu spie-len schien,46 ist zuletzt mit der Benennung von Kontexten der Wahrneh-mung und Inszenierung von Ereignissen ein völlig anderer Aspekt aufge-taucht, der zu einem entscheidenden Perspektivenwechsel geführt hat: Während die Bestimmung des Ereignisses als Störung der Ordnung zwar weiter den unhintergehbaren Modus seines „Erscheinens“ bildet, steht die ethische Rede vom Ereignis (d.h. von der Gabe, vom Bekenntnis, der (Gast-)Freundschaft etc.) nicht mehr vor der Aufgabe, das Ereignis als solches (quasi-)ontologisch zu bestimmen, sondern vielmehr etwas konkret als Ereignis zu benennen. Diese Rede vom Ereignis ist nun aber insofern ei-ne zweifach-eine als die „Benennung“ von Ereignissen bereits der Struktur eines Ereignisses entsprechen muss, will sie das Nennen nicht von vorn-herein scheitern lassen. Aus diesem Grund darf die Benennung nicht ein-fach vorgeben, etwas (nämlich das Ereignis selbst) zu „identifizieren“ oder identifizieren zu können, was sich als solches jeder Identifizierung in der herrschenden Ordnung entzieht. Die Rede vom Ereignis – auch diejenige, die in eben diesem Moment erfolgt – wird sich daher selbst als ereignishaft ausweisen müssen. „Ereignishaft“ aber kann hier nicht mei-nen, dass sich die Reflexion als solche schon als Ereignis im engeren Sinn versteht – dies wäre ein Widerspruch in sich –, sondern sich viel-mehr in ihrem Vollzug als einer jener Ereignis-Diskurse erweisen müsste, deren Gesten sie zugleich zu thematisieren sucht.47 In diesem Sinn kommt gerade der Erörterung der sprachlichen Gesten für die Möglichkeit, vom Ereignis zu sprechen, besondere Bedeutung zu. Diese „Möglichkeit“ – im Sinne des Vermögens – ist jedoch, wie wir gesehen haben, im Fall des Ereignisses durchkreuzt von der Unmöglichkeit jeder Identifizierung. Aus diesem Grund wird es notwendig, die Frage nach der Möglichkeit des Unmöglichen zu stellen.) 46 In diesem weit gefassten Ansatz der Rede vom Ereignis würde sich vielleicht auch

Martin Heideggers äußerste Rede vom Ereignis in Zeit und Sein (s.o. Anm. 28) wieder-finden lassen. Dies wäre insofern von Bedeutung als es so vielleicht gelingen könnte, den Übergang von der Ontologie zur Ethik, wie er in anderem Kontext von E. Levi-nas vorgelegt wurde (insbesonders in: Jenseits des Seins oder anders als Sein geschieht, Frei-burg/Br.-München 1992 [The Hague 1974]), auch mit dem Spätwerk Heideggers in Be-ziehung zu setzen und mit den weiterführenden Überlegungen Derridas zu verbinden.

47 Konkret also als Bekenntnis, Zeugnis, Versprechen oder Ankündigung, als Adresse oder Gabe – oder ganz allgemein als (Gast-)Freundschaft gegenüber dem Unerwarte-ten und Fremden in seiner verwirrenden Neuheit und Andersheit, einem Fremden ge-genüber, auf das hin sich das Subjekt doch schon hier und jetzt in einer gewissen Of-fenheit engagiert. – Bereits hier fällt auf, dass die Rede vom Ereignis in besonderer Weise zukunftsorientiert ist.

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Derrida analysiert diese Möglichkeit des Unmöglichen vor allem anhand eines bestimmten Modus des Sprechens, nämlich dem Modus des Vielleicht:

Das Möglich-Unmögliche, über das ich gesprochen habe, ist dieses »Viel-leicht«. Wenn es die Gabe gibt, dann gibt es sie »vielleicht«; wenn es sie gibt, darf man nicht davon sprechen können, darf man ihrer nicht sicher sein. (UM 51; Hervorhebung PZ)48

Es ist nicht ganz einfach, die Partikel „vielleicht“ nicht bloß als Ausdruck persönlicher Unsicherheit des jeweiligen Sprechers zu hören, als Einge-ständnis eines Nicht-Wissens – an einer Stelle, an der eigentlich auch ein Wissen möglich wäre. Im Alltag scheinen wir das „vielleicht“ fast wie ein Schuldeingeständnis, als ein zwar aktuelles, aber doch nicht prinzipielles Unvermögen einzuschätzen. Sobald wir antworten: „Vielleicht, ich weiß nicht“, geraten wir in die Defensive. – Ein solches „vielleicht“ wäre tat-sächlich jeder philosophischen Aussage unangemessen – und es gibt, wie Derrida bemerkt, von Hegel recht böse Texte gegen jene Philosophen, deren Aussagen mit einem „vielleicht“ formuliert sind.49 – Im Werk Der-ridas allerdings drückt das Vielleicht ein Versprechen aus, eine gewisse Haltung im Blick auf die Zukunft – und zwar auf eine nicht vorhersehba-re Zukunft. Im Englischen wird von Derrida daher auch eigens zwischen dem „maybe“, d.h. dem Sein-Können auf der einen Seite und dem „per-haps“ oder „perchance“ andererseits unterschieden.50 Das perhaps/perchance stellt dabei gleichsam die „Ankündigung“ eines Ereignisses (eines happe-nings) bzw. den Vorblick auf eine kommende Chance dar (PF 56). „Per-haps, something will happen.“ Das deutsche vielleicht, auf das sich Derrida in Politik der Freundschaft bezieht, bezeichnet genau in diesem zweiten Sinne schon von seiner Etymologie her die Erwartung einer nicht-deduzierba-ren Zukunft. („Viel-leicht“ heißt dabei soviel wie „es kann sehr leicht sein, dass …“)51 – Ich möchte dazu ein längeres Zitat (mit einigen Unter-

48 Vgl. zur Erfahrung der Möglichkeit des Unmöglichen auch GK (bes. 31), sowie Jacques

DERRIDA, Das andere Kap. Die vertagte Demokratie. Zwei Essays zu Europa, Frankfurt/M. 1992 [fr. 1991], bes. 33. – Siehe auch Zeillinger, Nachträgliches Denken, 122-134.

49 Vgl. UM 51; PF (Kap. 2); sowie Rodolphe GASCHÉ, Perhaps: A Modality? (1992), in: On Minimal Things. Studies on the Notion of Relation, Stanford, California 1999, 173-191.

50 Dazu ausdrücklich: Jacques DERRIDA, Perhaps or Maybe. Jacques Derrida in conver-sation with Alexander García Düttmann (1996), in: Pli. Warwick Journal of Philosophy 6 (1997), 1-18.

51 „vielleicht bezeichnet die angenommene möglichkeit, dasz eine aussage der wirklichkeit entspricht, oder dasz etwas eintritt oder sich ereignet.“ (J.u.W. GRIMM, Deutsches Wörterbuch, Bd. 26, München 1984, 236.) – Vgl. zur Genese und Deutung des Vielleicht in der Entwick-lung von Derridas Werk ab Mitte der 60er-Jahre: Zeillinger, Nachträgliches Denken, 134-150; sowie DERS., Vielleicht wird das Unmögliche daher notwendig gewesen sein. Überlegungen »vor« der Freundschaft, in: Erik M. VOGT / Hugh J. SILVERMAN / Serge TROTTEIN (Hg.), Derrida und die Politiken der Freundschaft, Wien 2003, 59-79.

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brechungen) aus der Politik der Freundschaft anführen, in dem dieser Modus des Vielleicht, bei dem es in keiner Weise um das Eingeständnis eines Man-gels oder Fehlers geht, sondern um den engagierten Blick in die Zukunft, sogar als das „einzig mögliche Denken des Ereignisses“ bezeichnet wird:

Was da vielleicht kommen wird, ist nicht bloß dieses oder jenes. Es ist letztlich das Denken des vielleicht, das vielleicht selbst. […]52

Bereits dies ist eine interessante Bemerkung. Es geht offensichtlich gar nicht bloß um Sätze oder Aussagen, in denen das Wort „vielleicht“ vor-kommt, sondern um ein Denken des Gestus des vielleicht selbst. Dass die-ser „Gestus“ eine bestimmte Haltung gegenüber dem Kommenden, der Zukunft, dem An-kommenden und damit gegenüber dem unbekannten und fremden „Ereignis“ beinhaltet, wird im folgenden deutlich:

Das Heraufkommende wird vielleicht heraufkommen, denn dessen darf man sich nie sicher sein, wenn es um Heraufkunft geht, aber | diese [sic!] Kommende wäre auch das vielleicht selbst, die unerhörte Erfahrung des vielleicht. Die unerhörte, ganz neue, nie dagewesene, kurzum: die Erfah-rung selbst, die noch kein Metaphysiker zu denken gewagt hatte.

Es ist also das „Kommen“ selbst, das Kommen der Zukunft, das bisher noch nicht angemessen gedacht worden wäre, weil die Zukunft immer nur unter dem Maßstab des Präsentischen (der Erwartung) oder des Vergan-genen (der in die Zukunft projizierten Erinnerung) gedacht wurde. Das ereignishaft Neue der Zukunft, das – wenn es geschieht – immer erst nachträglich benannt werden könnte, kann aber vorweg nicht durch eine konstatierende Aussage angekündigt werden. Es wird also notwendig, den Gestus des Vielleicht selbst überhaupt erst einmal ankommen zu lassen.

Vielleicht bringt das Denken des »vielleicht« das einzig mögliche Denken des Ereignisses auf den Weg. Das Denken der künftigen Freundschaft und der Freundschaft gegenüber der Zukunft. Denn um die Freund-schaft zu lieben […] muß [man] die Zukunft lieben.

Der Kontext, in dem diese Passage und das ganze Buch stehen, ist die Fra-ge nach einer jede reale Möglichkeit der Unterscheidung von Freund und Feind (wie sie von Carl Schmitt für das Denken des Politischen voraus-gesetzt wird) unterlaufenden tieferliegenden Gemeinschaftlichkeit. Aus diesem Grund ist hier von „Freundschaft“ die Rede. Sie ist an dieser Stelle aber keine partikulare Freundschaft mehr, sondern eine Freund-schaft ohne Außen – ohne Gegenbegriff.

Und keine Kategorie ist der Zukunft angemessener, keine wird ihr ge-rechter als die des »vielleicht«. Fügt aber jenes Denken die Freundschaft, die Zukunft und das vielleicht zusammen, um sich dem Kommen des Kommenden zu öffnen, so steht es notwendig unter dem Zeichen eines

52 Hier und im folgenden: PF 54f.

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Möglichen, dessen Ermöglichung dem Unmöglichen abgerungen werden muß. Denn ein bloß Mögliches (nicht Unmögliches) …

– also ein Mögliches, das in seiner Möglichkeit bereits gegeben und nicht eigentlich ein Unmögliches ist –

[Ein bloß Mögliches (nicht Unmögliches)], ein in seiner Möglichkeit gesichertes und feststehendes, im voraus zugängliches Mögliches wäre ein schlechtes Mögliches, ein Mögliches ohne Zukunft, ein gleichsam schon in Sicherheit gebrachtes, gegen das Leben abgesichertes Mögliches: Ein Programm oder eine Kausalität, ein ereignisloses Abspulen oder Ablaufen. (PF 54f)

Vom bisher Gesagten her lässt sich vielleicht – wenn auch zunächst the-senhaft – festhalten, dass Derridas Rede vom Ereignis an eine bestimmte Temporalität geknüpft ist, die am besten mit der Zeitform des futur ante-rieur zum Ausdruck gebracht würde.53 Diese Temporalität durchzieht alle Aussagen über das Ereignis – selbst dort, wo die Sätze nicht in dieser grammatikalischen Form verfasst sind. Die temporale Spannung, auf die die Rede vom Ereignis hinausläuft, ergibt sich – dies ist bei allen zuvor genannten Ereignis-Themen erkennbar – aus der Betonung der Unmög-lichkeit aller Identifizierung und dem daraus resultierenden Sprechen im Modus des Vielleicht. Einige Hinweise dazu müssen hier genügen:54 – Ein Ereignis, insofern es sich ereignet, ist nicht mit letzter Sicherheit

als solches benennbar, ansonsten wäre es bereits wieder in die Öko-nomie einer sprachlichen Ordnung integriert und hätte damit seine Ereignishaftigkeit erfolgreich verdrängt. Das Ereignis ist demnach auch dort, wo sein Eintreffen affirmiert wird, nicht einfach plötzlich ein mög-liches Ereignis geworden:

In der Erfahrung, die ich vom Ereignis habe, ist mein Bezug zum Er-eignis der, dass die Tatsache, dass das Ereignis in seiner Struktur un-möglich gewesen sein wird, seine Möglichkeit weiter heimsucht. Es bleibt unmöglich – auch wenn es vielleicht stattgefunden hat, bleibt es doch trotzdem unmöglich. Wenn ich vergeben habe […] muss die Vergebung doch unmöglich, muss sie die Verzeihung des Unverzeih-lichen bleiben. Wenn die Schuld, die Verletzung, die Kränkung oder die Beleidigung dadurch verzeihlich werden, dass ich sie vergeben ha-be, ist es aus, gibt es keine Vergebung mehr. Das Unverzeihliche muss selbst in der Verzeihung unverzeih-|lich bleiben; die Unmöglichkeit der Vergebung darf nicht aufhören, die Vergebung heimzusuchen. Die Unmöglichkeit der Gabe darf nicht aufhören, die Gabe heimzusu-

53 An dieser Stelle wäre eine genauere Analyse dieser grammatikalischen Form notwen-

dig, für die die Ausführungen von Émile BENVENISTE (besonders: DERS., Die Tem-pusbeziehungen im französischen Verb, in: Probleme der allgemeinen Sprachwissenschaft, München 1974 [Paris 1972], 264-279) einen ersten Ansatz liefern könnten.

54 Eine eingehendere Analyse des futur anterieur im Kontext des Ereignisses, der Offenba-rung, sowie des Bekenntnisses und Zeugnisses im Modus des Vielleicht ist in Vorbereitung.

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chen. Diese Heimsuchung ist die gespenstische Struktur der Erfahrung des Ereignisses, und sie ist absolut wesentlich. (UM 37f; Hervh. PZ)55

– Trotz dieser bleibenden, unhintergehbaren Unmöglichkeit wird das Ereignis aber als ein solches bezeugt – allerdings nicht als ein präsen-tisch gegebenes Ereignis, sondern als etwas, das vielleicht ein Ereignis, eine Gabe, eine Vergebung, ein Bekenntnis, eine gastliche Aufnahme oder ein demokratischer Akt gewesen sein wird. Es wird dabei keine Sicherheit geben, denn dazu bedürfte es zuvor eines gesicherten Maß-stabes – den es aber beim Ereignis als der Störung jeder ökonomi-schen Ordnung nicht geben kann und wird. Dennoch werden wir nicht einfach darauf verzichten können, auch ganz konkret Ereignisse ins Werk zu setzen und als solche zu identifizieren versuchen.

Die Frage nach der Gerechtigkeit, dem gerechten Urteil, wäre z.B. eine solche Aufgabe des Ins-Werk-setzens eines nicht-deduzierbaren Ereig-nisses. Ein gerechtes Urteil ist zumeist mit einer gewissen Dringlichkeit zu fällen. Nicht nur vor Gericht. Die Entscheidung kann nicht unendlich aufgeschoben werden. In einem sehr bekannt gewordenen Vortrag vor Juristen unter dem Titel „Gesetzeskraft. Der »mystische Grund der Autorität«“ formuliert Derrida daher als Konsequenz in der Frage nach der Einset-zung der Gerechtigkeit:

»Vielleicht« – wenn es um (die) Gerechtigkeit geht, muß | man immer »vielleicht« sagen. Die Gerechtigkeit ist der Zukunft geweiht, es gibt Ge-rechtigkeit nur dann, wenn sich etwas ereignen kann, was als Ereignis die Berechnungen, die Regeln, die Programme, die Vorwegnahmen usw. über-steigt. (GK 56f)

Die Gerechtigkeit ist also der Zukunft geweiht und dennoch bereits jetzt – mit großer Dringlichkeit (vgl. GK 53ff) – ins Werk zu setzen. An dieser Spannung wird der Aspekt der Unmöglichkeit erfahrbar. Insofern die Ge-rechtigkeit nicht bereits hier und jetzt, im unmittelbaren Zusammenhang oder im Anschluss an eine Entscheidung oder ein Urteil offenkundig wird, wird diese Entscheidung oder das Urteil – trotz aller Vorsicht und Rück-sicht bei seinem Zustandekommen – daher auch immer nur vielleicht ge-recht sein. Der gefährliche Relativismus, den man in dieser Aussage ver-muten könnte, kann dabei nur dadurch vermieden werden, dass der Satz „Die in eben diesem Moment getroffene Entscheidung ist vielleicht gerecht“ im futur anterieur und damit als Bekenntnis gelesen wird (– selbst wenn kein ernstzunehmendes Bekenntnis jemals tatsächlich in dieser Zeitform for-muliert werden wird). Das dem Ereignis der Gerechtigkeit verpflichtete

55 In diesem Zitat wäre über die Betonung der Unmöglichkeit des Ereignisses hinaus

auch auf den Einsatz des futur anterieur, sowie des vielleicht zu achten.

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Urteil wäre in diesem Sinne wie folgt zu lesen: „Mit dieser Entscheidung hier – mit meinem Urteil – wird sich vielleicht – dafür übernehme ich Ver-antwortung, dafür engagiere ich mich – Gerechtigkeit ereignet haben.“

Das futur anterieur spricht also von einem Geschehen, das bereits hier und jetzt wirksam wird, dessen Bewährung aber noch aussteht. Im Sinne eines Bekenntnisses bringt es zudem nicht einfach eine konstative Aussa-ge hervor, sondern vielmehr ein Engagement zum Ausdruck. Darin liegt letztlich der Kern der Rede vom Ereignis bei Derrida: es ist ein affirmatives Bekenntnis zu einem Nicht-Deduzierbaren in der Verantwortung seiner ausstehenden Bewahrheitung. – Das engagierte Versprechen des Unmöglichen im futur anterieur wäre demnach der Grundmodus allen Sprechens vom Ereignis. Propositionale Versprechen von der Art wie „Dies wird ein Akt der Ver-gebung gewesen sein“ / „Dies wird eine Gabe, ein Bekenntnis, ein Akt der Gastlichkeit gegenüber dem Fremden gewesen sein“ bedeuten dann zugleich auch: „Dies wird ein Ereignis gewesen sein – vielleicht –, ohne Sicherheit, ohne Wissen, aber in der engagierten Verantwortung für das Kommen dieses Ereignisses.“

Dennoch kann die Analyse des Ereignisses auch hier nicht stehen blei-ben, denn das gut gemeinte Engagement allein würde der Bedeutung des Ereignisses erneut nicht gerecht, weder seiner „ontologischen“ oder quasi-ontologischen Bestimmung, noch seinem ethischen Gehalt. Es erwiese sich als ein romantisches Konzept, hinter dessen performativer Umset-zung sich subtil immer noch ein mächtiger, vermögender (sich seiner Handlungen bewusster) Akteur verbergen würde, der die Inszenierung beherrschte, indem er sich mit seinem Engagement identifiziert. Leicht erkennbar wäre damit jeder Form von Missbrauch, Meineid und subtiler Berechnung Tür und Tor geöffnet. Das Ereignis hätte sich – auch dort, wo es performativ zu bezeugen versucht würde – in eben dem Moment in einen Aberglauben, ein Phantasma oder eine andere ideologische Grund-haltung aufgelöst, in dem es zu ergreifen und damit zu identifizieren ver-sucht worden wäre.

In seinen spätesten Werken, ab Ende der 90er-Jahre, wendet sich Der-rida daher auch zunehmend ausdrücklich von jenem Aspekt der Perfor-mativität ab, der immer noch ein vermögendes Subjekt voraussetzen wür-de und betont stattdessen den symptomalen Charakter des Ereignisses.

Obwohl der performative Sprechakt das Ereignis, von dem er spricht, sagt und hervorbringt, neutralisiert er es zugleich in dem Maß, in dem er es der Herrschaft eines »Ich kann« | (I can, I may) unterwirft. Vor einem reinen Ereignis, das dieses Namens würdig ist, müssen Performativ und Konstativ gleichermaßen kapitulieren. Eines Tages muss man daraus ein-mal alle Konsequenzen ziehen. (UM 56f; vgl. dazu auch UU 72-79)

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In den – von mir zunächst so genannten – ethischen Ereignis-Diskursen kann es also nicht um die „Produktion“ eines Ereignisses gehen, viel-mehr wäre mit der Störung/Verwirrung (dérangement), dem Rätsel (e3nigma) und dem Vielleicht insofern ernst zu machen als darauf verzichtet würde, das Ereignis positiv zu verorten (auch nicht im eigenen Engagement), und vielmehr umgekehrt das Engagement als Sich-Öffnen für das Ereig-nis zu inszenieren, als Öffnung für das, was in dem Montréal-Seminar, vielleicht sogar singulär in Derridas Werk, als „Symptom“ bezeichnet wird:56

[…] brachte mich […] auf den Gedanken, dass es da, wo niemand (anwe-send) ist, kein Subjekt der Aussage, um gemäß den verschiedenen Wei-sen, die ich angedeutet habe, das Ereignis zu sagen (pour dire l’événement)57, ein Sagen gibt, das nicht mehr in der Position eines Konstativs, einer theo-retischen Aussage oder einer Beschreibung [sich vollzieht (est)], noch in der Form einer performativen Produktion (production performative), sondern im/über den Modus des Symptoms (sur le mode du symptôme). Ich schlage dieses Wort Symptom als dritten/anderen Term (autre terme) vor, jenseits der wahrheitsfähigen Aussage (dire vrai) und der Performativität, die das Er-eignis hervorbringt (produit). Das Ereignis wirft die feststellende Aussage und den performativen Sprechakt, das »Ich weiß« und das »Ich denke« gleichermaßen aus der Bahn. […] Jenseits aller Verifikationen und aller Diskurse der Wahrheit und des Wissens ist das Symptom eine Zustellung (signification) des Ereignisses, die niemand beherrscht, die kein Bewusstsein, kein bewusstes Subjekt sich aneignen oder beherrschen kann. Weder in Form einer theoretischen oder urteilenden Aussage noch in Form eines performativen Sprechakts. Es gibt Symptom. (UM 47-49; Übers. mod.)58

„Ein Sagen des Ereignisses nach Art eines Symptoms.“ Es wird notwen-dig sein, diesen Gedanken in all seiner entscheidenden Widersprüchlich-

56 Hingegen scheint in: Jacques DERRIDA, Meine Chancen. Rendez-vous mit einigen epikureischen

Stereophonien (Berlin 1994 [fr. 1983]) die mehrmalige Nennung des Symptoms (ebd. 5.9. 10.14.15.18), obwohl sie im Kontext des Ereignisses und des Zufalls (chance) erfolgt, gerade nicht ein Spezifikum des Ereignisses zu bezeichnen.

57 Anm. PZ: Während die deutsche Übersetzung von „dire l’événement“ stets „sprechen vom Ereignis“ lautet (so auch im Titel von Derridas Text „Eine gewisse unmögliche Möglichkeit vom Ereignis zu sprechen“ und in der Übersetzung des Seminar-Themas „Dire l’événement, est-ce possible? / Ist es möglich, vom Ereignis zu sprechen?“), so scheint es spätestens an dieser Stelle angebracht anzumerken, dass es vielleicht nicht mehr so sehr um ein Sprechen vom Ereignis im Sinne eines parler de l’événement geht, sondern um ein Sagen (dire), das ein Ereignis im Sagen selbst (sich) ereignen lässt.

58 Im frz. Original lautet der entscheidende erste Satz dieses Zitats wie folgt: „[…] m’a donné à penser […] que là où personne n’est présent, aucun sujet d’énonciation pour dire l’événement selon les modes différents que j’ai évoqués, il y a du dire qui n’est plus en position ni de constat, de théorie, de description, ni sous la forme d’une pro-duction performative, mais sur le mode du symptôme.“ (Jacques DERRIDA, Une cer-taine possibilité impossible de dire l'événement (1997), in: Gad SOUSSANA / Jacques DERRIDA / Alexis NOUSS, Dire l'événement, est-ce possible? Séminaire de Montréal, pour Jacques Derrida, Paris 2001, 79-112, hier: 104f.)

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keit lesen zu lernen. Derrida scheint es nicht zu wagen, ihn direkt zu er-läutern, doch ist der (teilweise zitierte) Kontext (vgl. zum Ganzen UM 47-52) doch so eindrücklich formuliert, dass die Erwähnung des Sym-ptoms, das hier beinahe als „Modalität“ des Sprechens erscheint (– die Anführungszeichen können die Vorsicht, die hier den Unsinn vermeiden soll, kaum ausreichend betonen –), nicht einfach als unglückliche Formu-lierung abgetan werden kann. Doch die Schwierigkeiten sind vielfältig: Inwiefern wird ein Sprechen ohne Subjekt der Aussage möglich? Und in-wiefern lässt sich der symptomale Charakter auf die genannten ethischen Ereignisorte (Gabe, Vergebung, Gastlichkeit etc.) beziehen? Wie wird es möglich, von einem bewussten Vollzug zu sagen, er ereigne sich „nach Art eines Symptoms“? Das Symptom wird von Derrida zunächst offensichtlich im Zusammen-hang mit dessen psychoanalytischer Verwendung verstanden, auch wenn – oder gerade weil – er es von seiner „klinischen Codierung“ befreien möchte. (UM 50) Der Ort des Symptoms in unserem Kontext wäre in diesem Sinne daher nicht die analytische Kur als solche, sondern das Er-eignis, das Ereignis eines Lebendigen, dem sich – davon waren wir aus-gegangen – nur ein Lesen, ein lesendes Hören, nähern kann. Da Derrida keine eigene Semantik des „Symptoms“ entwirft (– er beschränkt sich auf die Nennung der Konnotationen „Vertikalität“59, „Geheimnis“, „Au-ßerordentlichkeit/Ausnahme“ und „Singularität“; alle in: UM 50 –), bleibt seine nähere (philosophische!) Bestimmung – unter Vermeidung der kli-nischen Dramatik – jedenfalls immer noch auf den psychoanalytischen Diskurs verwiesen. Es kann hier jedoch nicht die Absicht sein, dem Be-griff Symptom, der bereits eine lange und durchaus wechselvolle Bedeu-tungsgeschichte hinter sich hat,60 eine eindeutige und allgemeingültige Definition einfach zuzuordnen. Dafür fehlen die Anhaltspunkte in Der-ridas Text. Vielmehr soll versucht werden, einen möglichen Horizont der Deutung von den genannten Kontexten her zu entwerfen.

59 „Ich würde diesen Begriff des Symptoms, den ich gerne von seiner klinischen oder

psychoanalytischen Codierung befreien möchte, zu dem in Beziehung setzen, was ich vorhin zur Vertikalität gesagt habe. Ein Symptom ist das, was hereinbricht; das, was von oben über uns hereinbricht.“ (UM 50; Übers. leicht mod.)

60 Vgl. Klaus EBNER, Zwischen Sinn und Sein. Zur Funktion des Symptoms als Knoten, in: August RUHS / Walter SEITTER (Hg.), Unbewusstes Inszenieren – Symptom, Werk, Leben, Wien 2006 [im Druck], sowie Marcel RITTER, Das Symptom von Freud bis Lacan, in: Jahrbuch für Klinische Psychoanalyse 2: »Das Symptom«, Tübingen 2000, 35-53, und im selben Band: Achim PERNER, Das Symptom als Zeichen und Rätsel, ebd. 155-179. – Mein besonderer Dank gilt Klaus Ebner für die Einsicht in das Manuskript seines oben angeführten Textes.

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In diesem Sinne wäre mit dem Symptom zunächst einmal mehr als der bloße Verweis auf ein hinter ihm Liegendes, Verborgenes, angesprochen. Das Symptom ist stets an einen spezifischen, nicht verallgemeinerbaren Kontext gebunden, d.h. seine Bedeutung steht in unmittelbarem Zusam-menhang mit seinem „Subjekt“, dem Symptomträger.61 In ihm drückt sich die Individualität des Subjekts aus („[Das Symptom] stellt sich auch nicht einfach im Subjekt ein, sondern wird von diesem hervorgebracht.“62) Die-se spezifische Kontextualität des Symptoms hat zur Folge, dass es streng-genommen in einem ontologischen Sinn gar kein Symptom gibt, sondern ein Phänomen erst in einem interpretativen Kontext als ein solches gelesen bzw. gedeutet würde. „Mit anderen Worten: Das Symptom ist immer das Symptom des anderen“63, es ist ein relationaler Begriff.64 Die Relation ist dabei eine zweifache: zum einen die Beziehung des Symptomträgers zu je-nem anderen, für den das Symptom als solches lesbar bzw. deutbar wird, und zum anderen auch die Beziehung des Symptoms (als Phänomen) zum Realen im Sinne Lacans, das bekanntlich nur dadurch bestimmt ist, dass es als solches in keiner (sprachlichen) Symbolisierung oder (imaginären) Vorstellung aufgeht. Das Symptom steht in diesem Sinne für ein unzu-gängliches Ereignis, das seine spezifische Gestalt mit-organisiert. Doch wie? Wie symbolisiert das Symptom das Ereignis? In einer knappen For-mulierung dazu heißt es bei Jacques Lacan: „le symptôme est ce qui ne marche pas. / Das Symptom ist das, was nicht geht.“65

Dasjenige, was nicht geht – und demnach eine Störung (dérangement) der Ordnung, in die es gleichwohl eingebettet bleibt, zum Ausdruck bringt (vergleichbar der Spur bei Levinas und Derrida) – besitzt also eine sym-bolische (sprachliche, lesbare) Struktur, die von etwas Zeugnis gibt, das es selbst nicht ist. Gleichzeitig bleibt es durch jenes, was es nicht ist, be-stimmt. In diesem Sinn erweist sich das Symptom selbst als Ereignis, es verweist nicht auf ein anderes (innerhalb einer Menge von Vergleichba-rem), sondern kündet von einem ganz anderen. Wenn das Symptom nun

61 Vgl. Ebner, Zwischen Sinn und Sein: „Im Symptom geht es nun [im Kontext von La-

cans Seminar XI: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse (1964)] nicht mehr nur um seine Funktion als Sinn oder Botschaft, sondern auch um seine Verbindung mit dem Sein des Subjekts.“

62 Claus-Dieter RATH, Vorwort, in: Jahrbuch für Klinische Psychoanalyse 2: »Das Symptom«, Tübingen 2000, 9-18, hier: 9.

63 Perner, Symptom als Zeichen und Rätsel, 155. 64 Ebner, Zwischen Sinn und Sein: „Das Symptom ist ein durch Metaphernwirkung er-

zeugter Sinneffekt, der die Form einer verschlüsselten Botschaft annimmt. Das Symp-tom wird von Anfang an in einem intersubjektiven Kontext gesehen, aus dem es her-vorgegangen ist […]“ – Vgl. auch Perner, Symptom als Zeichen und Rätsel, 156.

65 Jacques LACAN, Seminar XXII – R.S.I., unveröffentlicht, Sitzung vom 18. Feb. 1975.

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aber für ein unzugängliches Ereignis steht, es als Phänomen also keinerlei unmittelbaren Verweischarakter besitzt, so muss seine spezifische Gestalt (Phänomenalität) als ein Kompromiss angesehen werden zwischen der strukturalen Ordnung seines Subjekts (den Fähigkeiten und Vermögen des Symptomträgers bzw. ganz allgemein seinem Kontext) und dem Rea-len, von dessen Hereinbrechen es zeugt.66 Das Symptom wird damit zum einen lesbar in Blick auf das Ereignis des Realen und bildet zum anderen zugleich einen performativen Ausdruck der Individualität und Singulari-tät des Subjekts. In diesem zweiten Sinn ist das Symptom auch ein Ort des Genießens: „Ich definiere das Symptom durch die Art, wie ein jeder das Unbewusste genießt, insofern das Unbewusste ihn bestimmt.“67 Wenn wir nun zurückkehren zu Derridas Rede vom Symptom im Kon-text des Ereignisses der Gabe, der Vergebung, der Gastlichkeit und des Geständnisses, so fällt auf, dass das Symptom grundsätzlich vergleichbar ist mit dem Begriff der Spur als Störung und Rätsel (das ja, wie auch der oben genannte Kompromiss, Heterogenes vereinigt). Der wesentliche Un-terschied liegt jedoch im Subjektbezug des Symptoms. Das Symptom ist ja nicht einfach eine Eigenschaft oder das Produkt eines von ihm Unab-hängigen, sondern es bringt (als philosophischer Begriff noch fern von jeder Pathologie) die Singularität und damit die Lebendigkeit des Subjekts zum Ausdruck. In gewissem Sinn kommt überhaupt erst durch das Symp-tom ein Subjekt zur Erscheinung, sodass man formelhaft sagen könnte: Ohne symptomalen Ausdruck – kein Subjekt.

Doch damit ist erst die eine Seite der Symptomstruktur gesehen. Die zweite birgt den unbewussten, nicht-intendierbaren Gehalt der sympto-malen Symbolisierung. Erst mit dieser Doppelstruktur ist Derridas zuvor entfaltete Rede vom (ethischen) Ereignis, insofern es nicht einfach per-formativ „produziert“ wird bzw. werden kann, sondern sich – wenn, dann nur in einem Sagen „nach Art des Symptoms“ – ereignet (UM 48), angemes-sener zu fassen als bisher. Während die bereits genannten „Kriterien“ für das dire l’événement – nämlich das (Ver-)Sprechen im Modus des Vielleicht und in der Zeitform des futur anterieur – allein nicht ausreichten, um das 66 Vgl. Ritter, Symptom von Freud bis Lacan, 50f: „Das Reale ist der Sinn des Symptoms,

da es das | ist, was sich immer querstellt, was nicht aufhört, sich am gleichen Platz zu wiederholen. Unter eben dieser Form der Wiederholung, des Insistierens, zeigt sich das Reale in unserer Erfahrung. […] Es hat die Funktion eines Hindernisses, eines Widerlagers, und als solches ist es am Realen beteiligt. Als starrer Punkt charakterisiert durch seine Dauerhaftigkeit und seine Hartnäckigkeit, verweist es auf eine Unmög-lichkeit, die es anzuerkennen gilt.“

67 Lacan, Sem XXII, R.S.I – Sitzung vom 18. Feb. 1975. Vgl. dazu auch Luke THURS-TON, Art. Sinthom, in: Dylan EVANS, Wörterbuch der Lacanschen Psychoanalyse, Wien 2002 [engl. 1996], 273-275.

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damit angezeigte ethische Engagement vor dem Missverständnis (Miss-brauch) eines vermögenden Subjekts zu schützen, ist das „Subjekt“, wie es nun gefasst wird als dasjenige, das die Gabe, die Vergebung und die Gastlichkeit, aber auch die Gerechtigkeit, die Gemeinschaft oder die De-mokratie, ereignishaft „nach Art des Symptoms“ ins Werk zu setzen ver-sucht, nicht mehr einfach „Herr der Lage“. Das ethische oder politische Ereignis lässt zwar ein Subjekt erkennen, ja es bringt sogar das Subjekt erst (performativ) hervor, das verantwortlich ist für die ins Werk gesetz-ten Entscheidungen, doch liegt es nicht in der Hand dieses Subjekts der Entscheidung, ob ein Ereignis als solches statt hat oder nicht. Ob das Symptom, in dem sich das Handeln des Subjekts – und damit das Sub-jekt selbst – ausdrückt, ein Ereignis lesbar macht oder doch nur eine Illu-sion, kann nicht berechnet oder vorhergesehen, sondern muss als Enga-gement ohne Sicherheit, für dessen „Gestaltung“ nur die bereits genannten Rahmenbedingungen („Kriterien“) angebbar sind, bewahrheitet werden.

Ist dann aber noch ein nicht-beliebiges Engagement möglich – oder wäre jedes engagierte Handeln in diesem Sinne gleichwertig? Gibt es ein nicht-formales Kriterium für die symptomale Umsetzung dieser (unge-wissen) unmöglichen Möglichkeit, das Ereignis zu sagen? – Meines Erachtens drängt sich hier die Gestalt des Zeugnisses bzw. des Zeugen auf, die oben bereits mehrfach angeklungen ist und nun – in Überwindung der Abgründe der Performativität durch die Betonung der Symptom-Struk-tur des Ereignisses – konkrete Gestalt gewinnt:68 Der Zeuge, der nicht des Meineids, d.h. des Eigeninteresses überführt wird, bringt seine be-stimmte Aussage nicht im eigenen Namen, sondern im Namen eines ihm vorausliegenden (alteritären) Anspruchs, d.h. im Namen eines (als solchen unzugänglichen) Ereignisses vor, das nur durch ihn, durch sein lesendes, versammelndes Zeugnis Bedeutung erhält. Der Zeuge ist zwar Subjekt seines Diskurses, aber er ist nicht Subjekt des Auszusagenden, er ist nicht Subjekt des Ereignisses, auf das er (indem er es als ein solches liest) ant-wortet, oder indem er es in (und mit) seinem Tun verspricht. Sein subjek-tales Sprechen69 muss – will er dem Ereignis gerecht werden – zum Symp- 68 Vgl. neben zahlreichen anderen, teilweise (noch?) unpublizierten Äußerungen und Se-

minaren Derridas zum Thema des Zeugen und des Zeugnisses, zumindest: Jacques DERRIDA, »A Self-Unsealing Poetic Text«. Zur Poetik und Politik des Zeugnisses (1999), in: Peter BUHRMANN (Hg.), Zur Lyrik Paul Celans, Text & Kontext Sonder-reihe, Bd. 44, Kopenhagen-München 2000, 147-182.

69 Zum Verständnis des Begriffs subjektal (mit der Endung -al, soviel wie: „wie ein Sub-jekt“) vgl. mit Rückgriff auf einen der wenigen Texte, in denen sich Derrida explizit zur Frage nach dem Subjekt äußert (Jacques DERRIDA, »Man muß wohl essen« oder die Berechnung des Subjekts (1989), in: Auslassungspunkte. Gespräche, Wien 1998, 267-298.) nun: Peter ZEILLINGER, Zeugnishaftes Subjekt. Jacques Derrida und Alain Ba-

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tom des Ereignisses und damit selbst zum Ereignis werden. Mit anderen Worten: Der Zeuge muss subjekthaft vermeiden, sich als das „originäre“ Subjekt des durch ihn angekündigten bzw. verkündigten Ereignisses zu inszenieren. – Dies ließe sich nun an allen genannten Ereignis-Diskursen durchspielen. Zumindest ein Beispiel sei hier abschließend genannt: So etwa könnte ja die Gabe – wenn es sie gibt –, wie wir gesehen haben, nur Gabe sein, wenn ihr Vollzug nicht ein möglicher und damit ein von einem Subjekt beherrschbarer gewesen sein wird – und dennoch zugleich in sei-ner phänomenalen (symptomalen) Gestalt das Ereignis einer Gabe per-formativ zum Ausdruck brächte. Dies kann allerdings nicht als solches intendiert, sondern allenfalls in einem engagierten Wagnis, d.h. im Mo-dus des Vielleicht und in der Zeitform des futur anterieur, zu inszenieren versucht werden: Dies hier, dieses von mir inszenierte Werk, wird viel-leicht ein Ereignis, eine Gabe, gewesen sein.

P.S. Die hier angesprochenen Motive (différance, hörendes Lesen, Stim-me, Performativität, das Ereignis der Gabe etc., das Symptom und die ver-schiedenen Gesten des Zeugnisses) markieren jedes für sich offensichtlich eine Grenze oder einen Horizont, den kein bestimmbares Handeln, kein sich selbst gewisses Denken überschreiten kann – und doch erschiene die symptomale Struktur dieses Horizontes zugleich als Zeugnis für ein immanentes Ereignis. – Wer aber würde dies entscheiden können …?

diou, in: Michael ZICHY / Heinrich SCHMIDINGER (Hg.), Tod des Subjekts? Poststruktura-lismus und christliches Denken, Salzburger Theologische Studien 24, Innsbruck-Wien 2005, 243-262.

NACH DERRIDA

Dekonstruktion in zeitgenössischen Diskursen

Herausgegeben von

Peter Zeillinger und Dominik Portune

Turia+Kant, Wien 2006

INHALT

Vorwort 7

I . POLITIK DER DEKONSTRUKTION

Artur R. Boelderl, Linz

La toucher, la communauté – (An) die Gemeinschaft (be-)rühren. Porträt der Dekonstruktion als Sozialphilosophie 11

Marc Crépon, Paris Europa, vielleicht (Notizen zu einer »Geopolitik« der Ohn-Macht) 34

Thomas Frank, New York / Wien

Dekonstruktion und Weltpolitik 51

Birgit Langenberger, New York / Wien

Performativitäten und Politiken. J. Derrida, J. Butler und die Zukunft der Souveränität nach 9/11 71

Martin G. Weiß, Wien

Warum wir im Bett nicht lesen dürfen. Bemerkungen zur Struktur des Rechts bei Derrida, Benjamin und Agamben 86

Katherine Rudolph, Providence, Rhode Island

The Respect for Philosophy: Derrida’s Reading of Descartes 106

II . DEKONSTRUKTIVE ANALYSE

Hans-Dieter Gondek, Wuppertal

Der Zufall der Gabe und die Zukunft der Dekonstruktion 121

Michael Turnheim, Paris / Wien

Wurzel und Krypte (Lacan, Derrida und die Klinik) 136

Klaus Ebner, Augsburg

Übersetzungsaufgaben. Der Begriff der »Anasemie« im Werk von Nicolas Abraham und Maria Torok – Ein Dialog zwischen Psychoanalyse und Dekonstruktion 149

Peter Zeillinger, Wien

Das Ereignis als Symptom. Annäherung an einen entscheidenden Horizont des Denkens 173

Anna Babka, Wien

»Maskierte Aufspreizung«. Derrida, das Hymen und das Lesen der Geschlechterdifferenz – eine Perspektivierung 200

Monika Leisch-Kiesl, Linz

»La imaginación es libre; el hombre no.« Luis Buñuel im Gespräch mit Jacques Derrida 218

Zu den AutorInnen 236


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