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Kapitalismus aufheben – aber wie? Eine Einführung in Funktionsweise und Kritik des Kapitalismus Kassel, 1.6.2012 Stefan Meretz, keimform.de

Kapitalismus aufheben - aber wie?

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Vortrag in Kassel am 1.6.2012, im Rahmen einer Veranstaltungsreihe des AK Spunk: http://spunk.tk/

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Page 1: Kapitalismus aufheben - aber wie?

Kapitalismus aufheben – aber wie?

Eine Einführung in Funktionsweise und Kritik des Kapitalismus

Kassel, 1.6.2012Stefan Meretz, keimform.de

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Nötig – aber möglich?

Ausgangsposition:● Es ist historisch notwendig, den Kapitalismus

aufzuhebenFragen:● Ist eine Aufhebung überhaupt möglich?● Welche marxfundierten Kapitalismus-Begriffe gibt es?● Welche Aufhebungskonzepte gibt es?● Welches Aufhebungskonzept ist angemessen?

Wie nennen wir das »Kind«?● Kommunismus, Commonismus, Freie Gesellschaft?

► Namen sind nicht relevant!

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Die Möglichkeit des Kommunismus

Marx/Engels über Kommunismus:»...die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.«»...eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.«► Zwei Aspekte: Bewegung und Gesellschaftsform

These:Man kann die Bewegung der Aufhebung nur denken, wenn man das Ziel der Aufhebung – die Freie Gesellschaft – denken kann.

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Denkbarkeit des Zukünftigen

Kann man eine Freie Gesellschaft denken?

Zwei Positionen:● Nein, wir können die Zukunft nicht voraussagen● Marx/Engels: »Der Kommunismus ist für uns nicht

ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben [wird]«

► »Bilderverbot«

● Ja, aber nur in einem kategorialen Sinne, niemals im Sinne einer konkreten Beschreibung.

► Was nun soll das heißen?

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Beschreibungen und Kategorien

Beschreibungen● sind sprachliche Widerspiegelungen wirklicher

PhänomeneKategorien● sind analytische Begriffe● sind begriffliche Verallgemeinerungen historischer

oder logischer Entwicklungen● beziehen sich auf Wirklichkeit, bilden aber keine ab

► Mit Kategorien kann man Entwicklungslogiken und Strukturzusammenhänge erfassen

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Zwei Transformationskonzepte

Kapitalismus alsKlassengesellschaft

Machtübernahmedurch Mehrheitsklasse

Umbau derProduktionsweise

Freie Gesellschaft

Kapitalismus alsWarengesellschaft

Aufbau einer neuenProduktionsweise

Ablösung derWarenproduktion

Freie Gesellschaft

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Kapitalismus als Klassengesellschaft

Analyse- und Kritikfokus:● Arbeit und Kapital als gegensätzliche Klassen● Mehrwert: Differenz zwischen Wert der Arbeitskraft

und Wert der von der Arbeitskraft hergestellten Waren● Ausbeutung: Aneignung des Mehrwerts durch Kapital● Privateigentum an Produktionsmitteln

Handlungsfokus:● Interessenkampf● Umverteilung zugunsten der Arbeitsklasse● Politische Intervention zur Beeinflussung des Staats● Perspektivisch Übernahme der Staatsmacht● Letztlich aber »Absterben des Staats«

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Kapitalismus als Warengesellschaft

Analyse- und Kritikfokus:● Ware als soziale Form des Produkts● Wert/Geld als abstrakte Form des Reichtums● Exklusionslogik als Dynamik der Entfremdung● Besitz an Re-/Produktionsmitteln

Handlungsfokus:● Aufbau neuer sozialer Formen der Peer-Produktion● Beitragen statt Tauschen, Besitz statt Eigentum● Auskooperieren von warenförmigen Strukturen● Perspektivisch Durchsetzung der Peer-Produktion● Letztlich Aufhebung aller Spaltungen und des Staats

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Verhältnis der Ansätze zueinander

Arbeit / Entfremdung

Kritik an der Gegenposition:

Vernachlässigung des Machtaspekts

Kritik an der Gegenposition:

Unterbestimmung der Produktion

Waren / Tausch

Wert / Geld

Verwertung / Kapital

Mehrwert / Profit

FinanzkapitalKritikfokusder Position »Kapitalismus als Klassen-gesellschaft«

Kritikfokusder Position »Kapitalismus als Waren-gesellschaft«

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K. Marx: »Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ›ungeheure Warensammlung‹, die einzelne Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Ware.« (»Kapital«, Bd. 1)

Warum Elementarform – und was heißt das?● Vorab: »Ware« und »Produkt« sind keine Synonyme● Produkte nehmen Warenform an, wenn sie in

getrennter Privatproduktion hergestellt und anschließend über den Markt getauscht werden

● Weitere Kategorien folgen aus der Warenform: Wert, Mehrwert, Profit, Geld, Kapital, Ausbeutung...

Warum Kritik der Warenproduktion?

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Ware und Eigentum

● Die Ware ist nicht bloß Ding, sondern auch soziale Form, das Ding herzustellen (»Warenfetisch«)

● Voraussetzung der getrennten Privatproduktion ist die exklusive Verfügung über Produktionsmittel, das sog. »Privateigentum«

● Privat-Eigentum ist eigentlich ein »weißer Schimmel«: Eigentum ist immer privat (privare: beraubt, getrennt)

● Gegenteil von »Privateigentum« ist nicht »Gemein-eigentum«, denn »Gemeineigentum« ist »kollektives Privateigentum«, also strukturell gleichartig

● Eigentum: rechtsförmige Exklusion Dritter von der Verfügung über ein Gut

► Eigentum ist die Kehrseite der Ware

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Ware und Exklusionslogik

● Die Ware bewegt und verwandelt sich (Marx: »Metamorphosen«) in gegensätzlichen sich ausschließenden Formen: Relativ-/Äquivalentform, konkrete/abstrakte Arbeit, Gebrauchswert/Wert, Produktion/Verwertung, Kauf/Verkauf usw.

● Kapitalismus ist eine Gesellschaft der dynamischen Exklusionen und Spaltungen: Klassen, Geschlecht, Hautfarbe, Sexualitätspräferenz, Alter, Fitness etc.

► Bestimmendes Merkmal des Kapitalismus ist die alles durchziehende Exklusionslogik► Aufhebung ist nicht entlang nur einer (oder einiger) Exklusionsdimensionen möglich

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Ware und Produktion

Waren sind doppelt kontaminiert!● Nicht nur die soziale Form ihrer Herstellung, sondern

auch der Zweck (Verkauf und Profit) ist in die Waren eingeschrieben (z.B. »geplanter Verfall«)

● D.h. auch die Produktionsmittel sind kontaminiert► Übernahmekonzepte importieren die Kontaminationen

Stattdessen: Veränderung & Neuschöpfung der Produkte und der Produktion – Beispiele:● Wikipedia vs. Brockhaus● Wikispeed vs. Monolith-Auto● Global Village Construction Set (Projekt Open Source

Ecology) vs. proprietäre Spezialmaschinen

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Elementarform einer neuen Produktionsweise

Karl Marx hat die Ware als »Elementarform« des Kapitalismus bestimmt.Wenn nun die Ware als Grundlage einer Alternative ausfällt, was kann dann die Elementarform sein?

Es sind die

Commons

Wie ist das zu verstehen? Was sind Commons?

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Das Commons-Dreieck

Gemeinschaft Regeln

Ressourcen

Naturgüter

Produkte

Commons

Commoning

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Ware und Commons

Verwertung

Ware

Tausch

Wert

Geld

Kapital

Vernetzung

Ressourcen

Commoning

Commons

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Ware und Commons

● Bedürfnisse werden im Nachhinein bestätigt

● Zielkonflikte werden externalisiert

● Ziel ist eindimensional: Profit

● Zeiteinsparung ist un- abwendbarer Zwang

● Erzeugung von Spaltung und Ausschluss

► Logik der Exklusion

● Bedürfnisse werdenvorher vermittelt

● Zielkonflikte werden intern verhandelt

● Ziele bilden eine multi-dimensionale Pluralität

● Zeitverausgabung ist Lebensqualität

● Erzeugung von positiver Reziprozität

► Logik der Inklusion

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Produktionsweise

Ware kapitalistische WarenproduktionCommons commonsbasierte Peer-Produktion

Merkmale der commonsbasierten Peer-Produktion im Commonismus:● Beitragen statt Tauschen● Besitz statt Eigentum● Selbstentfaltung statt Selbstverwertung● Selbstorganisation statt Fremdbestimmung

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Übergangsdialektik

Peer-Produktion entsteht und entwickelt sich im Alten

Peer-Produktion besitzt eine doppelte Funktionalität:● Verwertungsvorteil in der Warenproduktion

(Preis, Produktivität)● Inkompatibilität zur Warenproduktion

Peer-Produktion kann sich durchsetzen, wenn● die Warenlogik nicht mehr trägt (Krise)● sie sich auf eigener Grundlage entfaltet

► Eine neue Produktionsweise setzt sich nur durch, wenn sie sich als neue Produktionsweise durchsetzt!

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Gesamtgesellschaftliche Verallgemeinerung

Potenz der commonsbasierten Peer-Produktion zur Verallgemeinerung:● Polyzentrisches Modell● Commons von Commons von Commons● Vermittlungsmatrix: Bedürfnisse und Reputation

Gesellschaftlicher Umbau (spekulativ):● Abbau des Staates, Aufbau von Meta-Commons● Umstrukturierung gesellschaftlicher Arbeitsteilung● Abbau des Finanzsystems (Geldlosigkeit)● Abbau von Nationalstaaten● Aufbau problemzentrierter Global-Commons

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Zusammenfassung

Commonsbasierte Transformationsstrategie ist realistischer als eine warenbasierte:● Bedürfnisse, Selbstentfaltung, Selbstorganisation

und freie Kooperation als Grundlage● Ziel ist eine neue Produktionsweise, d.h. ein neues

Mensch-Natur-Verhältnis● Existierende vielfältige weltweite Bewegung● Jede und jeder kann sofort mit dem Umbau beginnen

und Commons organisieren● Widersprüche zwischen der Commons- und der

Warenlogik können solidarisch bewältigt werden

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