HSH Nordbank AG
Wirtschaftsfaktor FußballGlobale Entwicklungen und die regionalwirtschaftlichen Potenziale des HSV.
Studie im Auftrag der HSH Nordbank AG
Dr. Henning Vöpel, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI)
Max Steinhardt, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI)
Inhalt I 3
Inhalt
4 I 1. Einleitung
5 I 2. Die Globalisierung des Fußballs
5 I 2.1 Die weltweite Verbreitung des Fußballs
7 I 2.2 Neue Wachstumsmärkte
14 I 3. Wachstumsbranche Bundesliga
14 I 3.1 Business Fußball: Märkte, Strategien und Akteure
31 I 3.2 Die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesliga
33 I 3.3 Die Bundesliga im internationalen Vergleich
36 I 3.4 Chancen und Perspektiven für die Bundesliga
38 I 4. Der HSV im Norden
38 I 4.1 Die „Raute im Herzen“: Die Erfolgsstory eines Dinos
40 I 4.2 Regionalwirtschaftliche Effekte des HSV
44 I 4.3 Neue Märkte und wirtschaftliche Potenziale
51 I 4.4 Fazit
53 I 5. Literaturverzeichnis
4 I Wirtschaftsfaktor Fußball
1. Einleitung
Was ist Fußball? Die schönste und zugleich wichtigste Nebensache der Welt. Mehr noch:
Leidenschaft, Identifikation und Lebensphilosophie. „Der Ball ist rund“ – wie die Welt. „Und das
Spiel dauert neunzig Minuten“ – so viele Minuten wie das Leben Jahre hat. Fußball als indivi-
duelles Erlebnis ist Sinnbild des Lebens. Fußball als gesellschaftliche Massenbewegung war und
ist immer auch Teil der Kultur- und Sozialgeschichte. Fußball ist ein alltäglich wiederkehrendes,
leidenschaftlich diskutiertes Thema, ob am Arbeitsplatz, in den Kneipen, den Medien oder überall
sonst, wo Menschen sich treffen und unterhalten, ob über umstrittene Schiedsrichterentschei-
dungen, spektakuläre Tore, triumphale Siege und tragische Niederlagen oder alles sonst, was die
Gemüter in Sachen Fußball bewegt.
Fußball ist heutzutage jedoch weit mehr: ein globales Phänomen mit vielfältigen sozialen und
ökonomischen Dimensionen. Selbst die Europäische Kommission weist auf die wachsende gesell-
schaftliche, integrative und wirtschaftliche Bedeutung des Sports und insbesondere des Fußballs
hin (vgl. Europäische Kommission, Weißbuch des Sports, 2007). Die „Lebenswelt Fußball“ zieht
Menschen über Alters-, Geschlechter-, Einkommens- und Landesgrenzen hinweg in ihren Bann.
Diese Begeisterung, die in Deutschland im Zuge der WM 2006 noch einen weiteren Schub
bekommen hat, bildet die Grundlage für den Fußball als Markt und Geschäft, an dem zahlreiche
Akteure in verschiedener Form partizipieren. So ist Fußball mittlerweile von der schönsten
Nebensache der Welt zu einem komplexen Business geworden. Zuschauer, Spieler, Vereine,
Verbände, Sponsoren, Sportartikelhersteller und Medien beteiligen sich in aktiver oder passiver
Form auf dem Fußballmarkt. Steigende Umsätze auf dem internationalen Transfermarkt, im
Merchandising und Sponsoring ebenso wie in der Medienwirtschaft bei den TV- und Vermark-
tungsrechten sowie steigende Zuschauerzahlen im Fernsehen und in den Stadien dokumentieren
die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung des Fußballs. Die Bundesliga boomt wie nie zuvor.
So ist der Gesamtumsatz der Ersten Bundesliga in der Saison 2006/07 im Vergleich zur Vorsaison
um 13% auf 1,45 Milliarden Euro gestiegen, der Umsatz im gesamten Lizenzfußball sogar um 15%
auf nunmehr 1,75 Milliarden Euro. Zu den Spielen der Bundesliga kommen jede Saison etwa
12 Millionen Zuschauer, über 33 Millionen Menschen in Deutschland sind fußballinteressiert
(vgl. DFL 2008).
Die vorliegende Studie analysiert die ökonomischen Dimensionen des Fußballs und zeigt künftige
Entwicklungen auf. Zunächst wird die weltweite Verbreitung und Entwicklung des Fußballs dar-
gestellt. Anschließend werden die fußballbezogenen Märkte rund um die Bundesliga analysiert.
Es folgen eine Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesliga sowie ein internatio-
naler Vergleich. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Hamburger SV, dessen regionalwirt-
schaftliche Effekte auf Hamburg und Norddeutschland im dritten Kapitel analysiert werden.
Darüber hinaus werden die wirtschaftlichen Potenziale des Hamburger SV aufgezeigt, aus denen
sich neue Absatzmärkte ableiten lassen.
2. Die Globalisierung des Fußballs
2.1 Die weltweite Verbreitung des Fußballs
Fußball ist heute unumstritten und mit wachsendem Abstand die Sportart Nummer Eins in der
Welt. In fast jedem Land und auf allen Kontinenten der Erde wird Fußball gespielt – und der
globale Siegeszug setzt sich fort. Im Jahr 2006 wurden weltweit 265 Mio. aktive Spieler (Vereins-
und Freizeitspieler) registriert; gegenüber dem Jahr 2000 mit 242 Mio. Aktiven bedeutet dies eine
Steigerung von rund 9%. Damit sind 4% der Weltbevölkerung aktiv im Fußball. Von den 265 Mio.
Fußballspielern sind mit 239 Mio. zwar 90% Männer, die Zahl der Fußball spielenden Frauen hat
sich gegenüber dem Jahr 2000 jedoch rasant um 19% auf nunmehr 26 Mio. erhöht. Zwar gibt es
von Land zu Land noch erhebliche Unterschiede, was den Anteil der Aktiven an der Gesamt-
bevölkerung betrifft (vgl. Abbildung 1), jedoch ist der Trend in fast allen Ländern positiv.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 5
Fußballergemessen an der Bevölkerung des Landes
>= 12%>= 10%>= 8%>= 6%>= 4%>= 2%>= 0%
Quelle: FIFA (2008), Darstellung und Berechnungen des HWWI Regiograph HSH Nordbank
Anteil der Fußballspieler in % der Bevölkerung, 2006 Abb. 1
6 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Erwartungsgemäß ist der Anteil der Fußballaktiven an der Gesamtbevölkerung am höchsten in
den traditionellen Fußballländern, in denen der Fußball gesellschaftlich tief verwurzelt ist – in
Europa, Südamerika und teilweise auch in Afrika. Stark aufgeholt hat in den letzten Jahren –
nicht zuletzt auch wegen der wachsenden Begeisterung weiblicher Jugendlicher – Nordamerika.
Auch wenn es der Fußball wegen den weitverbreiteten und stark kommerzialisierten Sportarten
wie American Football, Baseball, Eishockey oder Basketball äußerst schwer hat, sich dort nachhal-
tig zu etablieren. Angesichts der Bemühungen vieler Vereine, den asiatischen Markt insbesondere
für das Merchandising zu erschließen, mag es überraschen, dass dort der Fußball noch nicht sehr
verbreitet ist. Allein die Bevölkerungszahlen und die rasante wirtschaftliche Entwicklung in die-
sen Ländern versprechen jedoch ein großes Potenzial.
Derzeit stellt Asien mit 85 Mio. aktiven Spielern absolut zwar das größte Kontingent (vgl.
Abbildung 2), weist mit einem Anteil von 2,2% an der Gesamtbevölkerung aber nach wie vor
den geringsten Wert unter allen Konföderationen der FIFA auf (vgl. Abbildung 3). Ein weiterer
Entwicklungsschub dürfte von der Fußball-WM der Frauen 2007 in China ausgegangen sein.
Fußballspieler nach FIFA-Konföderationen in Mio. und %, 2006
Afrika 46 17,4%
Ozeanien 0,5 0,2%Asien 85 32,1%
Europa 62 23,4%
Concacaf 43 12,7 %
Südamerika 28 10,6%
Quelle: FIFA (2008) HSH Nordbank
Abb. 2
Fußballspieler in % der Bevölkerung nach FIFA-Konföderationen, 2006
3
2
1
0
4
5
8
7
6
Welt Concacaf Südamerika Ozeanien EuropaAfrikaAsien
Quelle: FIFA (2008) HSH Nordbank
Abb. 3
Wirtschaftsfaktor Fußball I 7
Interessant ist, dass mit China, den USA und Indien drei Nationen an der Spitze der Länder mit
den meisten aktiven Fußballspielern stehen, die aufgrund ihrer Bevölkerungsgröße einen großen
Absatzmarkt darstellen, in denen Fußball aber keine lange Tradition hat wie etwa in Deutschland
und Brasilien, die auf den Plätzen vier und fünf folgen (vgl. Tabelle 1). Deutschland befindet sich
mit Platz zwei auch unter den Top 5 der anteilsstärksten Länder; nur Costa Rica weist einen
höheren Bevölkerungsanteil an aktiven Fußballspielern auf.
Rang Land Spieler Rang Land Spieler in %
in Mio. der Bevölkerung
1 China 26,2 1 Costa Rica 27
2 USA 24,5 2 Deutschland 20
3 Indien 20,6 3 Faröer Inseln 17
4 Deutschland 16,3 4 Guatemala 16
5 Brasilien 13,2 5 Chile 16
Quelle: FIFA 2008
2.2 Neue Wachstumsmärkte
Neue Wachstumsmärkte im Profi-Fußball sind insbesondere solche Märkte, die sich durch eine
zunehmende globale Vernetzung auszeichnen bzw. deren Erschließung für inländische Unterneh-
men und Vereine erst durch die Globalisierung möglich geworden ist. Neue Wachstumsmärkte
können im professionellen Fußball generell in drei Kategorien unterschieden werden: Länder,
Technologie und Gesellschaft. In allen drei Bereichen führt Globalisierung zur Entstehung neuer
Marktpotenziale, die von Akteuren des kommerziellen Fußballs genutzt werden können.
Wie in Abbildung 1 gezeigt, wird Fußball in nahezu allen Ländern der Welt betrieben. Unab-
hängig von kulturellen und historischen Unterschieden fiebern Menschen weltweit mit, wenn der
Ball rollt. Regionale Unterschiede zeigen sich jedoch, wenn es um die Existenz von professionellen
Strukturen und eines Ligabetriebs geht. Während in Europa nahezu jedes Land eine funktionie-
rende Profi-Fußball-Liga besitzt, verfügen weite Teile Asiens und Afrikas über keinen geordneten
Spielbetrieb. Allerdings gibt es diesbezüglich selbst innerhalb Europas große Disparitäten. So
dominieren Italien, England, Spanien, Frankreich und Deutschland mit ihren finanzstarken Ligen
und Vereinen den europäischen Fußball und ziehen weit über die Landesgrenzen die Aufmerk-
samkeit der Menschen und Medien auf sich. Durch die Globalisierung der Märkte sind die
Möglichkeiten für Vereine oder Verbände, sich in anderen Ländern und Kontinenten zu enga-
gieren, sprunghaft gestiegen. Die über lange Zeit gewachsene professionelle Struktur der europäi-
schen Vereine und Verbände ist ein klarer Wettbewerbsvorteil im globalen Wettbewerb, der von
diesen gezielt eingesetzt wird, um sich auf Märkten außerhalb Europas als Marke zu etablieren.
Ein Beispiel aus Vereinssicht für die Internationalisierung der Vermarktungsstrategien sind die
Bemühungen von Real Madrid und dem FC Bayern München, sich frühzeitig auf dem asiatischen
Fußballmarkt als Marke zu positionieren und „first-mover“-Vorteile beim Markteintritt zu reali-
sieren. Als strategische Instrumente hierfür dienen Trainingslager und Vorbereitungsspiele in den
je-weiligen Ländern, der Verkauf von Fernsehrechten an ausländische Anbieter, dort ansässige
Sponsoren, die die Vereinsmarke transportieren sollen, Schauturniere, Jugendakademien und
8 I Wirtschaftsfaktor Fußball
nicht zuletzt Spieler aus diesen Ländern (Beispiel: die japanischen Spieler INAMOTO und
TAKAHAR A von Eintracht Frankfurt), um über personenbezogenes Merchandising Breitenwir-
kung und Bekanntheit zu erzielen. Umgekehrt steigert der Bekanntheitsgrad von Vereinen deren
Chancen auf den dortigen Transfermärkten. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass diese
Formen der internationalen Vermarktung und des Branding nur wenigen, überregional und
weltweit bekannten und erfolgreichen Vereinen offen stehen. Für alle anderen Vereine stellt die
regionale und oft sogar an einzelne Städte gebundene Verankerung und Identifikation seitens
der Fans in der Vermarktung eine zumindest mittelfristig unveränderliche Restriktion dar.
Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen Verein und Sponsor gemeinsame Interessen auf regionalen
Wachstumsmärkten verfolgen und versuchen, durch gemeinsames Vorgehen Vermarktungs-
synergien und Imageeffekte zu erzielen. So engagieren sich in Deutschland eine Reihe von Unter-
nehmen aus den Bereichen Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und Energieversorgung
bei Vereinen der Bundesliga mit dem Ziel, neue Kundengruppen zu erschließen bzw. bestehende
Kundenbindungen zu vertiefen. Eine relativ neue Entwicklung ist die Be- bzw. Umbenennung von
Stadiennamen nach dem eines Sponsors. Die bekanntesten Beispiele sind hier die Allianz-Arena in
München und die HSH Nordbank Arena in Hamburg. Ein gutes Beispiel auf internationaler Ebene
hierfür ist die Partnerschaft zwischen Real Madrid und Siemens Mobile, die gemeinsame Markt-
eintrittsabsichten in China hatten und diesbezüglich eine strategische Allianz gebildet haben.
Exkurs
Wachstumsmarkt China
China ist weltweit eines der Länder, das infolge gesellschaftlicher Modernisierung und wirtschaft-
licher Entwicklung in Zukunft eine steigende Nachfrage nach Fußball als Konsumgut aufweisen
wird. Wie Abbildung 4 zeigt, wird sich die Zahl der Fußballspieler bei ähnlicher Entwicklung wie
in der Vergangenheit bis 2020 deutlich auf über 40 Mio. erhöhen.
Die zweite treibende Kraft für die Kaufkraftentwicklung auf den chinesischen Absatzmärkten ist
das schnell wachsende Pro-Kopf-Einkommen in China. Dieses wird sich bis 2020 annähernd ver-
dreifachen (vgl. Abbildung 5).
Aktive Fußballspieler in China in Mio.
0
10
20
50
40
30
2000 2006 2020
Quelle: FIFA (2008), Prognose des HWWI HSH Nordbank
Abb. 4
Wirtschaftsfaktor Fußball I 9
Nimmt man beide Faktoren zusammen, ergibt sich für die fußballbezogenen Märkte eine enorme
Steigerung der Kaufkraft; sie verfünffacht sich von ca. 50 Mrd. US-Dollar auf rund 250 Mrd. US-
Dollar bis 2020 (vgl. Abbildung 6). Eine frühzeitige Positionie-rung auf diesen Märkten könnte also
langfristig Vorteile ver-schaffen, auch wenn derzeit in diesen Ländern eine fußballspezifische
Tradition fehlt, der Professionalisierungsgrad noch gering ist und die infrastrukturellen Voraus-
setzungen (Medien, Stadien etc.) noch alles andere als günstig sind.
Reales Pro-Kopf-Einkommen in China in tausend US-Dollar
1
0
2
3
6
5
4
2000 2006 2020
Quelle: Weltbank (2008), Prognose des HWWI HSH Nordbank
Abb. 5
Marktpotenzial des Fußballs in China, in Mrd. US-Dollar
50
0
100
150
300
250
200
2000 2006
Quelle: FIFA (2008), Weltbank (2008), Prognose und Berechnung des HWWI HSH Nordbank
2020
HSH Nordbank
Abb. 6
10 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Neben den genannten Initiativen der Vereine gibt es auch auf Seiten der Verbände Bemühungen,
neue ausländische Absatzmärkte zu erschließen. Ein prominentes Beispiel ist hier die strategische
Partnerschaft der DFL mit der Profiliga MLS in den USA (siehe Bundesliga.de vom 14.03.2007).
Fußball erfreut sich in den USA einer steigenden Beliebtheit, wobei insbesondere bei einer jün-
geren und kaufkräftigen Zielgruppe hohe Wachstumszahlen zu verzeichnen sind. Die Koopera-
tion ist aus Sicht der DFL eine strategische Investition, welche dafür sorgen soll, die Bundesliga
auf dem nordamerikanischen Markt zu platzieren. Die Kooperation umfasst einen regelmäßigen
Know-how-Transfer in den Bereichen TV-Produktion, Rechte- und Lizenzvertrieb, Marketing,
Organisation, Ausbildung und Stadionbau. Für die Etablierung der internationalen Marke
„Bundesliga“ ist die Medien-Präsenz im Ausland von zentraler Bedeutung. Darüber hinaus würde
eine verstärkte TV-Präsenz im Ausland dazu beitragen, die Einnahmen aus der Vermarktung der
Auslandsrechte zu erhöhen. Derzeit wird über die Bundesliga in nahezu allen Ländern regel-
mäßig berichtet (vgl. Abbildung 7).
Übertragung der BL im Ausland 2008 berichterstattende Ländernicht berichterstattende Länder
Quelle: DFL (2008) Regiograph HSH Nordbank
TV-Präsenz der Bundesliga in der Welt Abb. 7
Wirtschaftsfaktor Fußball I 11
Die mittlerweile hohe Zahl internationaler Spieler in der Bundesliga hat dabei sicherlich im
Ausland zu einem steigenden Interesse an der Bundesliga geführt. Die englische Premier League
geht einen Schritt weiter und versucht, ab der Saison 2010/11 ihren Markt zu erweitern, indem
einige reguläre Ligaspiele in aller Welt ausgetragen werden sollen – eine Idee, deren Erfolg mit
Spannung erwartet werden darf. Bei dieser Strategie muss allerdings berücksichtigt werden, dass
sich die Austragung von Spieltagen im Ausland negativ auf die Identifikation der heimischen
Anhänger auswirken kann.
Allerdings verdeutlicht Abbildung 8 exemplarisch für die Saison 2004/05, dass die Bundesliga im
Vergleich zu den anderen europäischen Topligen, der englischen Premier League, der italieni-
schen Serie A und der spanischen Primera Division, relativ geringe Einnahmen aus der Auslands-
vermarktung erzielt. So ist das Erlösvolumen der Premier League aus der TV-Vermarktung im
Ausland zehnmal so hoch wie das der Bundesliga. In der laufenden Saison hat sich das Verhältnis
nicht verändert: Während die Bundesliga ca. 20 Millionen Euro aus der Auslandsvermarktung
einnimmt, kann die Premier League ca. 200 Millionen erlösen. Diese gewaltige Diskrepanz kann
unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass viele Länder – insbesondere in Asien – histo-
risch mit England verbunden sind (Commonwealth), dass Englisch Weltsprache ist und dass der
englische Vereinsfußball durch seine vielen internationalen Stars weltweit eine hohe Attraktivität
aufweist (vgl. 11 Freunde 2007). Jedoch weisen auch Länder wie Italien, Frankreich und Spanien
deutlich höhere Einnahmen auf, die sich nicht bzw. nicht in allen Punkten durch die genannten
Vorteile von Deutschland abheben. Deshalb sollte die Bundesliga ihre bereits unternommenen
Bemühungen verstärken, den Bekanntheitsgrad der Bundesliga auf dem ausländischen Fernseh-
markt in entsprechende Erlöse umzusetzen.
Im Bereich Technologie hat im Lauf der letzten Jahre eine Reihe von elektronischen Übertragungs-
geräten Marktreife erlangt, die für den Konsum und die Vermarktung von Fußball genutzt werden
können. Neben dem klassischen Übertragungsmedium TV gewinnen vermehrt die neuen Medien
wie Internet und Handy an Bedeutung. So wurden die Internet-Übertragungsrechte der deutschen
Bundesliga 2006 für geschätzte 50 Millionen Euro pro Saison von der Deutschen Telekom erwor-
ben. Allerdings besteht hier aus Sicht des deutschen Lizenznehmers das Problem, dass aufgrund
Einnahmen europäischer Top-Ligen aus der TV-Vermarktung im Ausland in Mio. € (2004/05)
0
30
60
150
120
90
Premier League BundesligaPrimera DivisiónSerie A
Quelle: Kramer/Weinzierl/Wulzinger 2005 HSH Nordbank
Abb. 8
12 I Wirtschaftsfaktor Fußball
eines komplizierten Lizenzmodells Spiele der Bundesliga im Internet auch kostenlos über auslän-
dische Anbieter zu sehen sind (vgl. Welt-Online, 10.05.2007). Neben der Übertragung von Spielen
im Internet existiert eine Reihe von Produkten, die mittels Mobiltelefonen oder PDAs vom End-
kunden konsumiert werden können. Zu diesen so genannten „Mobile-Produkten“ zählen unter
anderem Highlights der Spiele, Sportwetten, Club-Portale, Ergebnis-SMS und Games. Aktuelle
Umfragen unter 100 Vertretern von Sportorganisationen, IT-Unternehmen und Agenturen aus
Deutschland zeigen, dass insbesondere die drei erstgenannten Angebote zukünftig verstärkt
nachgefragt werden. Insgesamt ist damit zu rechnen, dass die Einnahmen aus der Vergabe der
Internet- und Mobile-Rechte für die Fußball-Bundesliga in Zukunft deutlich steigen werden. So
rechnen 28% bzw. 37% der Befragten mit Zuwächsen von über 15% im Bereich Internet bzw.
„Mobile Produkte“ (vgl. Deloitte 2007a).
Schließlich gibt es gesellschaftliche Entwicklungen in den westlichen Industrienationen, die
sich auf den Konsum von Fußball und mit ihm verbundener Produkte und Dienstleistungen aus-
wirken. Ein prominentes Beispiel hierfür ist das so genannte Public Viewing, welches bei der
Weltmeisterschaft in Südkorea und Japan 2002 das erste Mal von einer breiten Öffentlichkeit in
Anspruch genommen wurde. Waren bis dahin Übertragungen in der Öffentlichkeit auf bestimmte
Spiele und auf regionale Ereignisse beschränkt, hat das Verfolgen der Spiele der deutschen
Nationalmannschaft auf Grossbildleinwänden auf öffentlichen Plätzen durch die WM 2006 eine
vollkommen neue Dimension erreicht. Das gemeinschaftliche Erleben der Spiele in der Öffent-
lichkeit hat sich zu einer eigenen, selbsttragenden Bewegung entwickelt, die auch im Anschluss
an die WM Einzug in den Alltag gefunden hat. Dass dieses Phänomen nicht auf Deutschland
beschränkt ist, zeigen die Planungen der Ausrichter der Fußball-Europameisterschaft in der
Schweiz und Österreich, in denen das Public Viewing eine zentrale Rolle einnimmt. Dass dieser
Trend auch neue kommerzielle Potenziale bietet, wurde ebenfalls während der WM deutlich.
Während Sponsoren sich eine attraktive Präsentationsmöglichkeit bietet, eröffnen sich für die
Gastronomie und die Getränkeindustrie neue Absatzmöglichkeiten für ihre Produkte und Dienst-
leistungen. Der Versuch, Public Viewing mit einem Eintrittsgeld zu verbinden, darf hingegen als
gescheitert gelten.1
Allgemein weisen die steigenden Zuschauerzahlen in den deutschen Stadien innerhalb der letzten
Jahre darauf hin, dass Fußball zu einem elementaren Bestandteil der so genannten Freizeitwirt-
schaft geworden ist. Im Gegensatz zu vielen traditionellen Wirtschaftssektoren verzeichnen
Branchen der Freizeitwirtschaft wie Tourismus, Medien, Kultur, Sport, Gesundheit und Unter-
haltung starke Wachstumsschübe. Dies ist primär auf die gestiegene Nachfrage nach Freizeit-
konsum zurückzuführen. Das Freizeitverständnis der Menschen ist geprägt von dem Wunsch
nach Mobilität, Aktivität, Geselligkeit und Lebensfreude, was den erlebnisorientierten Freizeit-
konsum im Mittelpunkt stehen lässt. Der Spaß- und Unterhaltungscharakter einer Sportveranstal-
tung ist den Zuschauern zunehmend wichtiger als das Interesse am Verein (vgl. Opaschowski et
al. 2006). Die neuen, modernisierten Stadien in Deutschland sprechen genau dieses Bedürfnis an,
indem sie das Fußballspiel mit Showelementen und einem umfangreichen gastronomischen
Angebot verknüpfen. Folge dieser „Eventisierung“ des Fußballs ist eine Änderung der soziodemo-
grafischen Struktur des Publikums. Während in den 80er Jahren noch vornehmlich Männer ins
1 Der durchschlagende Erfolg des Public Viewing während der WM beruhte gerade auf dem kostenlosen Zugang. Die wenigen
Veranstaltungen, die einen Eintrittspreis erhoben haben, sahen sich mit einer spärlichen Zuschauernachfrage konfrontiert.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 13
Stadion gingen, finden sich unter den heutigen Zuschauern vermehrt Frauen und Kinder. Die
Einbindung von kleinen Kindern erfolgt sogar meist explizit durch die Einrichtung sogenannter
Familienblöcke. Die Zielgruppe von professionellem Fußball hat sich somit deutlich erweitert;
dies bietet für alle Akteure neue Marketing- und Absatzmöglichkeiten.
Insgesamt wird der globale Fußball-Markt weiter stark wachsen, wie die Prognose für China exem-
plarisch gezeigt hat. Dies liegt nicht allein daran, dass sich der Fußball auf eine breitere gesell-
schaftliche Basis stellt, sondern auch an den schnell wachsenden Einkommen in den Schwellen-
und Entwicklungsländern. Der Fußball als Dienstleistung weist zwar keine nennenswerten
Produktivitätsfortschritte auf, die Marktentwicklung ist jedoch an die allgemeine Einkommens-
entwicklung gekoppelt. Im Falle des Fußballs sogar überproportional, d. h. die direkten Ausgaben
für Fußball steigen prozentual stärker als das Einkommen selbst. Der Fußball wird also auch in
den nächsten Jahren global ein Wachstumsmarkt bleiben.
14 I Wirtschaftsfaktor Fußball
3. Wachstumsbranche Bundesliga
3.1 Business Fußball: Märkte, Strategien und Akteure
Überblick und Interdependenzen
Wie komplex das Geschäft rund um den Fußball ist, zeigt die Vielzahl der Märkte, auf denen
unterschiedliche Akteure agieren und mit verschiedenen Zielen und Strategien versuchen, an
dem Milliardengeschäft „Fußball“ zu partizipieren. Jeder dieser Märkte weist dabei spezifische
Strukturen, Denkweisen, Instrumente und Handlungsträger auf, die nicht nur das Ergebnis des
jeweiligen Marktes sind, sondern auch die Funktionsweise des gesamten Marktgefüges bestim-
men. Wie in Abbildung 9 dargestellt, bestehen zwischen den einzelnen Märkten jeweils charak-
teristische ökonomische Beziehungen, aus denen sich die jeweiligen Ziele und Strategien der
handelnden Akteure ableiten lassen.
Im Zentrum der ökonomischen Aktivitäten steht dabei der eigentliche Spiel- und Ligabetrieb,
dessen Zuschauerresonanz die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg aller mit dem Fußball
verknüpften Akteure darstellt. Der Erfolg der Liga hängt davon ab, inwieweit es gelingt, sich in
der Zuschauergunst gegen andere Freizeit- und Unterhaltungsangebote durchzusetzen. Der wirt-
schaftliche Erfolg eines einzelnen Vereins wird dagegen maßgeblich durch seine regionale
Verwurzelung, seine Tradition und vor allem durch seinen sportlichen Erfolg sichergestellt.
Letzterer erhöht das Interesse von Zuschauern, Medien und nicht zuletzt der Sponsoren. Anbieter
des Produkts „Fußball“ sind die Vereine und Verbände mit ihren Spielern, Trainern, Managern,
Präsidenten und sonstigen Funktionären, die als „Inputfaktoren“ ihrerseits über verschiedene
Märkte (Transfermärkte etc.) miteinander verbunden sind. Die Nachfrage nach dem Produkt
„Fußball“ setzt sich primär aus den Stadionbesuchern und den Fernsehzuschauern zusammen.
Aus dem Fußballmarkt im engeren Sinne leiten sich der Werbemarkt, das Merchandising und
Ticketing und der Markt für die TV-Senderechte ab. Das hohe Zuschauerinteresse am Fußball
macht ihn für die werbetreibende Wirtschaft als Träger von Werbebotschaften an potenzielle
Das „kommerzielle Spielfeld“ des Fußballs
Quelle: Darstellung des HWWI HSH Nordbank
Zuschauer
Zuschauer
TV-Rechte Sponsoring
Med
ienW
irts
chaf
t
Abb. 9
Werbemarkt
Merchandising &Ticketing
Kunden attraktiv. Unternehmen engagieren sich auf dem Werbemarkt entweder direkt im
Sponsoring, indem sie von den Vereinen die Vermarktungsrechte erwerben, oder sie kaufen auf
dem Programmmarkt von werbefinanzierten privaten bzw. mischfinanzierten öffentlich-recht-
lichen Rundfunkanbietern Sendezeiten im Umfeld von Fußballsendungen, sofern die jeweilige
Zielgruppe unter den Zuschauern vermutet wird. Die TV-Sender wiederum fragen auf dem
Programmbeschaffungsmarkt die Sende- und Verwertungsrechte für Fußball nach, um ihrerseits
durch ein attraktives Programmangebot möglichst hohe Werbeerlöse zu erzielen.
Aus den dargestellten Zusammenhängen leitet sich indes eine Reihe von ökonomisch interessan-
ten Aspekten und Fragestellungen ab. Der sportliche Wettbewerb bringt es mit sich, dass es Sieger
und Verlierer gibt. Das Interesse der Zuschauer und der Medien fokussiert sich fast ausschließlich
auf den Sieger. Auf diesen konzentriert sich demzufolge auch das vornehmliche Vermarktungs-
interesse seitens der Werbewirtschaft: „The winner takes it all“. Solche Märkte, wie sie für den
gesamten Sport charakteristisch sind, werden zuweilen auch als „rat race“ beschrieben, an dessen
Ziel es nur einen Sieger geben kann – sportlich wie wirtschaftlich. Dem Wettbewerb im Sport ist
aus diesem Grund eine Tendenz zu wirtschaftlicher und sportlicher Konzentration immanent, die
jedoch dem übergeordneten Zweck des professionellen Sports zuwiderläuft, da die Ungewissheit
über den Spielausgang ein konstitutives Merkmal des Sports und seines Unterhaltungswertes dar-
stellt. Insofern ergibt sich für den Sport eine in Teilen andere wettbewerbspolitische Bewertung
als für die meisten anderen Märkte in der Wirtschaft. So wird etwa die Zentralvermarktung der
Bundesliga durch die Deutsche Fußball Liga (DFL)2 damit begründet, dass hierdurch ein Finanz-
ausgleich zwischen den Vereinen hergestellt und insoweit eine sportlich ausgeglichene und mit-
hin spannende Liga gewährleistet werden könne. Dies wiederum würde eine nachhaltige
Vermarktung der Bundesliga sichern.
Allerdings gilt die ursprüngliche Aussage des Satzes „The winner takes it all“ im Fußball mittler-
weile nicht mehr uneingeschränkt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich in allen europäi-
schen Ligen eine alternative Definition von Siegern und Verlieren herausgebildet hat, die mit der
Einbindung in die europäischen Wettbewerbe zusammenhängt: Als Sieger gilt der Verein, der es
schafft, sich für die Champions League oder den UEFA-Cup zu qualifizieren. Die Teilnahme an
diesen Wettbewerben ist mit hohen Antrittsgeldern, Prämien und Einnahmen aus Fernsehrechten
verbunden, die für ambitionierte Vereine überlebenswichtig sind und aufstrebenden Vereinen
neue finanzielle Möglichkeiten eröffnen. Neben der Erweiterung der wirtschaftlichen Basis steigt
mit der Teilnahme an europäischen Pokalwettbewerben auch das Identifikationspotenzial der teil-
nehmenden Vereine. So kann im Extremfall selbst ein Verein, der ein nationales Endspiel verliert,
ein Sieger sein. Ein prominentes Beispiel ist hier das DFB-Pokalfinale 2004, in dem der Zweitligist
Alemannia Aachen gegen den deutschen Meister Werder Bremen knapp unterlag und sich trotz-
dem allein durch die die Endspielteilnahme für die Teilnahme am UEFA-Cup qualifizierte. Ein
Beispiel aus der aktuellen Saison ist Borusssia Dortmund, das schon mit dem Erreichen des
Pokalfinales unabhängig von dessen Ausgang für den UEFA-Cup qualifiziert ist, da der Final-
gegner FC Bayern München bereits so gut wie sicher die Qualifikation für die Champions League
geschafft hat.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 15
2 Die „DFL Deutsche Fußball Liga GmbH“ ist ein Zusammenschluss aller lizenzierten Vereine und Kapitalgesellschaften der
deutschen Fußball-Lizenzligen, die die Lizenzierungsordnung, die Lizenzordnung der Spieler, die Spielordnung des Liga-
verbandes und die Ordnung für die Verwertung kommerzieller Rechte für seine Mitglieder eigenverantwortlich in Überein-
stimmung mit geltendem Recht und anderen relevanten Bestimmungen von DFB, FIFA und UEFA regelt und wahrnimmt
(vgl. DFL Deutsche Fußball Liga (2006)).
16 I Wirtschaftsfaktor Fußball
TV-Vermarktung
Vor dem Hintergrund einer sich seit Einführung des Privatfernsehens zu Beginn der Achtziger
Jahre und neuer Technologien stark wandelnden Medienlandschaft hat die Bundesliga ihre
Einnahmen aus der TV-Vermarktung – nominal, aber auch real – enorm steigern können (vgl.
Abbildung 10).
Der TV-Markt für die Bundesliga-Senderechte ist aus ökonomischer Sicht wohl der interessanteste
Markt. Neben den Rundfunkveranstaltern gehören die werbetreibende Wirtschaft, die Vereine
sowie nicht zuletzt die Zuschauer, die für die erforderliche TV-Quote sorgen sollen, zu den maß-
geblichen Akteuren, deren Handlungen und Entscheidungen allesamt interdependent miteinan-
der verbunden sind. Infolge dessen lassen sich der Medien- und der TV-Markt aus verschiedenen
Perspektiven betrachten.
Aus Sicht der Rundfunkveranstalter stellt das Engagement im Fußball nicht zuletzt auch eine
strategische Entscheidung dar. Mit Fußball im Programm hoffen die TV-Sender, für die Werbewirt-
schaft besonders attraktiv zu sein und vermehrt Einnahmen erzielen zu können. Fixe Sendezeiten
können sie dann zu höheren Preisen an die werbetreibende Wirtschaft verkaufen und so die
Werbeerlöse maximieren. Für die Rundfunkanbieter ergeben sich damit folgende Interdependen-
zen auf den relevanten Märkten (vgl. Abbildung 11): Die von der Attraktivität der Programme
abhängige Publikumsreichweite auf dem Rezipientenmarkt bestimmt maßgeblich die Höhe der
Werbeerlöse auf dem Werbemarkt, die wiederum den Finanzierungsrahmen bei der Beschaffung
attraktiver Programme auf dem Programmmarkt setzen. Dieser Zusammenhang hat wiederum
Rückwirkungen auf den Markt für die TV-Senderechte. Die DFL als Monopolist für die Vermark-
tung der Bundesliga-Senderechte entscheidet darüber, ob sie diese an beitragsfinanzierte (Pay-TV),
gebührenfinanzierte (Pay-per-View), werbefinanzierte (privates Free-TV) oder mischfinanzierte
Rundfunkveranstalter (öffentlich-rechtliches Free-TV) vergibt. Als Monopolist nimmt die DFL dabei
Produkt- und Preisdifferenzierung vor. So kann sie die Verwertungsrechte nach Erstverwertungs-
rechten und Zweitverwertungsrechten differenzieren und diese getrennt vermarkten.
TV-Einnahmen der Bundesliga pro Saison in Mio. Euro
300
200
10020
63
164
355440
500
0
400
500
1998/99 2000/01 2006/07 2009/101992/931988/89
Quelle: DFL (2007) HSH Nordbank
Abb. 10
Wirtschaftsfaktor Fußball I 17
Aus Sicht der Vereine stellen die TV-Einnahmen eine ihrer wichtigsten Finanzierungsquellen dar.
Es stellt sich daher für die Vereine bzw. für die sie vertretende DFL die Frage, wie sich aus der
Vermarktung der Verwertungsrechte an den Spielen der Bundesliga die höchsten Einnahmen
erzielen lassen und welche langfristigen strategischen Ziele unter Umständen hierbei eine Rolle
spielen. So kann etwa eine Vergabe der TV-Rechte an „Pay-per-View“- oder „Pay-TV“-Sender zwar
kurzfristig vorteilhaft sein, langfristig aber aufgrund mangelnder Programmreichweite zu einem
Rückgang der Rezipientenzahl auf dem Programmmarkt und insoweit zu einer Erosion der maß-
geblich hiervon abhängigen Werbeeinnahmen führen. Dieser Fall tritt ein, wenn ein Engagement
im Sponsoring und in der Werbung im Zusammenhang mit Fußball für die werbetreibende
Wirtschaft zunehmend unattraktiv geworden ist, weil die Präsenz des Fußballs im reichweiten-
stärkeren Free-TV zurückgegangen ist. Beide Finanzierungsquellen, TV-Rechte einerseits sowie
Sponsoring und sonstige Vermarktung andererseits, sind also nicht unabhängig voneinander zu
betrachten. Denn es ist nach wie vor die Massenattraktivität des Fußballs, die ihm die finanzielle
Grundlage dauerhaft sichert.
Die DFL tritt bei der Vermarktung der TV-Rechte als Monopolist auf. Werden diese von der DFL
meistbietend versteigert, so sind in den Geboten der Fernsehsender die monetär bewerteten und
als einnahmewirksam kalkulierten strategischen Vorteile von Fußballprogrammen schon „einge-
preist“. Wenn dann das Risiko einer Insolvenz des innehabenden Senders oder Vermarkters seitens
der DFL nicht genügend diversifiziert wird, kann es für die Vereine zu ernsthaften finanziellen
Einbußen kommen, wie im Falle der Insolvenz der Kirch-Gruppe geschehen, als Forderungen aus-
fielen und die laufenden Verbindlichkeiten, v. a. Spielergehälter, nicht mehr bedient werden
konnten.
Zusammenhang von Sponsoring- und TV-Einnahmen
Quelle: Darstellung des HWWI HSH Nordbank
TV-Einnahmen
TV-RechteVermarktungs-rechte
Werbeerlöse
Sendezeiten
Sponsoringeinnahmen
Unternehmen TV-Sender
Bundesliga
Rezipienten- undProgrammmarkt(Pay-TV/Free-TV)
Abb. 11
18 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Einwurf
Gehört die Fußball-Bundesliga in das öffentlich-rechtliche Fernsehen?
Der Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besteht darin, die Öffentlichkeit
umfassend und ausgewogen mit dem Ziel der Bildung, Unterrichtung und Unterhaltung zu infor-
mieren. Aus dem normativen Programmauftrag leitet sich die „Grundversorgung“ der Bevöl-
kerung ab, die vor allem eine flächendeckende Verbreitung von Informationen sicherstellen soll.
Begründet wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk vor allem meritorisch: Programminhalte, die
privat nicht bereitgestellt werden, weil deren Nutzen von den Konsumenten unterschätzt und
deshalb nicht nachgefragt werden, sollen so dennoch angeboten werden. Die öffentlich-recht-
lichen Sender sind daher nicht allein werbe-, sondern mischfinanziert, d.h. sowohl werbe- als
auch gebührenfinanziert.
Es stellt sich die Frage, inwieweit die Fußball-Berichterstattung zum Programm- und Grund-
versorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört, da aufgrund der Massenattrak-
tivität des Fußballs eine Bereitstellung durch private Anbieter gewährleistet ist. In der ökonomi-
schen Theorie existiert der Begriff des „öffentlichen Gutes“. Öffentliche Güter sind solche, die von
beliebig vielen Personen gleichzeitig konsumiert werden können, ohne dass dadurch die Konsum-
möglichkeiten jedes Einzelnen eingeschränkt werden („Nicht-Rivalität“). Das zweite Kriterium für
öffentliche Güter ist das der „Nicht-Ausschließbarkeit“: Das heißt, ein Ausschluss vom Konsum
dieses Gutes ist nicht möglich oder aus Gründen ökonomischer Effizienz nicht sinnvoll. Als Bei-
spiele für öffentliche Güter werden typischerweise Landesverteidigung, Sicherheit oder Verkehrs-
infrastruktur genannt. Durch die Nicht-Ausschließbarkeit vom Konsum eines Gutes wird vom
Konsumenten kein Preis für dessen Nutzung entrichtet. Folglich würde dieses Gut nicht durch
private Anbieter bereitgestellt werden. Technisch ist ein Ausschluss vom Konsum von Fernsehpro-
grammen jedoch (zu nicht prohibitiven Kosten) etwa durch Codierung leicht möglich. Insofern ist
hier kein Argument für eine Bereitstellung von „Fußball“ durch öffentlich-rechtliche Sender
gegeben. Was die Nicht-Rivalität betrifft, so lässt sich folgendermaßen argumentieren: Die (techni-
schen) Grenzkosten der Bereitstellung des Programms für weitere Konsumenten sind (nahe) Null,
d.h. ist ein Programm in das Netz eingespeist, so verursachen zusätzliche Nutzer bzw. Zuschauer
keine zusätzlichen Kosten. „Allokative Effizienz“ sieht dann vor, dieses Programm auch zu einem
Preis von (nahe) Null bereitzustellen.
Dies kann jedoch auch durch werbefinanzierte private Anbieter erfolgen und ist insoweit wiede-
rum kein Argument für eine Bereitstellung durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter. Hinzu
kommt, dass bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung auch all jene zur Finanzierung von
„Fußball-Programmen“ beitragen, die nicht am Fußball interessiert sind oder deren Zahlungs-
bereitschaft nur gering ist. Dies kommt einer zwangsweisen Quersubventionierung zugunsten der
Fußballinteressierten gleich und verstößt gegen das „Äquivalenzprinzip“, demzufolge die Inan-
spruchnahme von Leistungen durch den Konsumenten und die Höhe seines Beitrags zu deren
Finanzierung miteinander korrespondieren sollten. Aus ökonomischer und ordnungspolitischer
Sicht fällt aus diesen Gründen ein Mitbieten der öffentlich-rechtlichen Sender um die Fußball-
Senderechte nicht zwingend unter deren Grundversorgungsauftrag.
Werbung und Sponsoring
Die Vereine der Bundesliga finanzieren sich zu erheblichen Teilen mit den Einnahmen aus
Werbung und Sponsoring. Werbeerlöse werden dabei zum Teil indirekt über die TV-Rechte erzielt.
Die TV-Sender erwerben die Verwertungsrechte an den Spielen der Bundesliga und refinanzieren
diese über Werbeeinnahmen, indem sie an die werbetreibende Wirtschaft Sendezeiten verkaufen.
Direkte Einnahmen werden dagegen primär aus dem Sponsoring erzielt. Die klassische und nach
wie vor wichtigste Form des Sportsponsorings ist die Trikotwerbung.
Seit dem „Sündenfall“ 1973, als mit Eintracht Braunschweig erstmals ein Bundesliga-Verein mit
einem Trikot-Sponsor („Jägermeister“) auflief, sind die Einnahmen aus dem Trikot-Sponsoring von
ca. 2,0 Mio. Euro in der Saison 1975/76 auf mittlerweile über 100 Mio. Euro gestiegen. Sponsoring
bedeutet, dass zwischen den Vereinen und den jeweiligen werbetreibenden Unternehmen eine
dem Zweck nach eher langfristig angelegte strategische Verbindung besteht. Mit einem Engage-
ment im Sponsoring versuchen Unternehmen, durch die damit verbundene mediale Präsenz die
Bekanntheit eines Produkts oder einer Marke zu erhöhen und darüber hinaus konkrete Image-
gewinne zu realisieren, indem sich das spezifische Image des gesponserten Vereins auf das bewor-
bene Produkt unmittelbar assoziativ beim potenziellen Kunden überträgt. Hierbei ist jedoch nicht
allein der (erwartete) sportliche Erfolg des Vereins entscheidend. Es können vielmehr „weiche“
Faktoren wie attraktive Spielweise, hohe Zuschauergunst, Identifikation, Tradition oder auch
regionale Bezüge die Entscheidung beeinflussen, bei welchem Verein Sponsoren sich engagieren.
So ist jeder Verein durch ein spezifisches Image geprägt, das gegenüber potenziellen Sponsoren
ein wichtiges nicht-monetäres Asset der Vereine darstellt.
Grundsätzlich bietet der Sport ein breites Spektrum an Werten wie Fairness, Wettbewerbsgeist,
Authentizität, Modernität etc. Je besser es dabei gelingt, diese Werte glaubwürdig in der Werbung
zu transportieren, desto größer ist der Werbeeffekt. Insbesondere für Marken stellt das Sponsoring
dabei ein wichtiges Instrument dar, ein konkretes Image zu kommunizieren und dadurch den
Wert einer Marke zu steigern. Zwar dominiert die klassische Werbung in der Markenwahrneh-
mung immer noch, das Sponsoring ist aber insbesondere für den Aufbau von Markensympathien
geeignet und ermöglicht einen intensiveren Imagetransfer.3 Das klassische Ziel des Sport-
sponsorings ist es jedoch, den Bekanntheitsgrad und die Sympathie des werbetreibenden Unter-
nehmens und den Konsum ihrer Produkte und Dienstleistungen zu steigern. Insbesondere für
Unternehmen, die bisher auf regional begrenzten Märkte agierten oder die sich neu am Markt
positioniert haben, bietet der reichweitenstarke Sport ein ideales Medium, um neue Kunden-
und Käuferschichten anzusprechen und den überregionalen Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Ent-
sprechend hat nicht nur der gesamte Sponsoringmarkt in Deutschland, sondern insbesondere das
Sportsponsoring an Bedeutung gewonnen. Insgesamt betrug das Volumen des Sportsponsorings
im Jahr 2007 ungefähr 2,6 Mrd. Euro; Fußball wurde dabei von 69% der werbenden Unternehmen
als geeigneter Träger von Sponsoringaktivitäten angesehen (vgl. Sportfive, 2007). Entsprechend
sind die Einnahmen der Lizenzvereine aus Werbung und Sponsoring in den letzten Jahren, bis
auf die Saison 2003/04 infolge der Kirch-Krise, stetig angestiegen, zuletzt jedoch nur verlangsamt
(vgl. Abbildung 12); inflationsbereinigt sind die Werbeeinnahmen sogar rückläufig.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 19
3 Interessanter- und erstaunlicherweise kaum Beachtung hat bislang der Gedanke gefunden, dass umgekehrt auch die Vereine
durch die Wahl ihres Sponsors strategische Verbindungen eingehen und insoweit selbst Vermarktungssynergien realisieren
und Imageeffekte erzielen können. Ansatzweise ist dies zwischen Real Madrid und Siemens Mobile geschehen, die gemein-
same Markteintrittsabsichten in Asien hatten und diesbezüglich eine strategische Allianz gebildet hatten.
20 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Eine wesentliche Ursache für den Anstieg der Werbeeinnahmen für die Bundesligavereine besteht
in dem wachsenden Zuschauerinteresse am Fußball. Indem es den Vereinen gelungen ist, zuneh-
mend auch Familien, Frauen und Kinder für den Fußball zu interessieren, hat sich die Attrak-
tivität der Bundesliga für Sponsoringaktivitäten von Unternehmen erhöht. In dem Maße, wie sich
die Affinität zum Fußball von Zielgruppen mit unterschiedlichen soziodemografischen Merk-
malen erhöht und das Zuschauerinteresse auf eine breitere gesellschaftliche Basis gestellt wird,
diversifiziert sich auch das Sponsoring nach Branchen und Produkten. Waren es vor einigen
Jahren noch hauptsächlich Automobilhersteller und Anbieter von Elektronikartikeln, die sich im
Sportsponsoring engagiert haben, sind heute zunehmend auch Modelabels, Reiseanbieter oder
Finanzdienstleistungsunternehmen, vor allem aber Energieversorgungsunternehmen unter den
Sponsoren im Fußball zu finden.
Neben den Vereinen rücken jedoch immer mehr auch einzelne Spieler in das Zentrum des media-
len Interesses und folglich auch in den Fokus der Werbewirtschaft. Das Werben mit Stars ist dabei
weniger riskant als mit Vereinen, da das Image und folglich auch der Werbeeffekt weniger wech-
selhaft und insoweit auch kalkulierbarer sind. Werbeeinnahmen haben für einige Stars vom
Umfang her mittlerweile eine weitaus größere Bedeutung als das Spielergehalt an sich. Die
Dimensionen haben sich in den letzten Jahren gerade auch aufgrund weltweiter Vermarktungs-
möglichkeiten drastisch verändert. Der Markenwert der internationalen Superstars erreicht mitt-
lerweile Millionenbeträge im hohen zweistelligen Bereich. Das prominenteste Beispiel für den bis
in das Privatleben hinein vermarkteten Sportler ist David Beckham, der Werbeeinnahmen von ca.
24 Millionen Euro pro Jahr erzielt.
Einwurf
Das Phänomen „Superstar“ aus ökonomischer Sicht
Die besten und berühmtesten Fußballspieler waren schon immer auch beliebte Werbeträger. Die
Dimensionen der Vermarktung haben sich indes dramatisch gewandelt. Unbestrittene Werbe-
Ikone auf internationaler Ebene ist nach wie vor David Beckham. Neben seinem Gehalt als Spieler
bei Los Angeles Galaxy erzielt Beckham auch heute noch Werbeeinnahmen in Höhe von jährlich
24 Millionen Euro. Als Beckham 2003 von Manchester United zu Real Madrid wechselte, finanzier-
Einnahmen der Lizenzvereine aus Werbung und Sponsoring in Mio. Euro
300
200
100
0
400
500
2000/01 2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07
Quelle: DFL (2007, 2008) HSH Nordbank
Abb. 12
te Madrid die Ablösesumme von 35 Millionen Euro an Manchester u. a. mit einer speziellen
Vertragsklausel, der zufolge Beckham die Hälfte seiner Werbeeinnahmen an Real Madrid abfüh-
ren musste. Doch schon allein der weltweite Verkauf (vor allem in Asien) von Beckhams Trikot mit
der Nummer 23 bescherte Madrid einen jährlichen Umsatz von ca. 50 Millionen Euro (vgl. o. V.
2003). Derzeit führt Beckham weiterhin die Rangliste der Spieler mit den höchsten Einnahmen
aus Gehalt, Prämien und Werbung an:
Rangliste der bestverdienenden Spieler 2008
1. David Beckham (Los Angeles Galaxy) 31 Mio. Euro
2. Ronaldinho (FC Barcelona) 24,1 Mio. Euro
3. Lionel Messi (FC Barcelona) 23 Mio. Euro
4. Cristiano Ronaldo (Manchester United) 19,5 Mio. Euro
5. Thierry Henry (FC Barcelona) 16,8 Mio. Euro
6. John Terry (FC Chelsea) 13,9 Mio. Euro
7. Michael Ballack (FC Chelsea) 13,8 Mio. Euro
8. Ronaldo (AC Milan) 13,4 Mio. Euro
9. Kaka (AC Milan) 12,9 Mio. Euro
10. Steven Gerrard (FC Liverpool) 11,8 Mio. Euro
Quelle: France Football (2008)
Die Höhe der Spielergehälter von sog. „Superstars“ ist oft Gegenstand kontroverser Diskussionen.
Sie stünden in keinem Verhältnis zu der erbrachten Leistung, heißt es oft. Die Frage lautet dann
aber, weshalb Superstars dann derart hohe Einnahmen erzielen. Diese Frage ist aus ökonomischer
Sicht eingehend behandelt worden (vgl. z.B. George J. Stigler/Gary S. Becker (1977), Sherwin Rosen
(1981) und Manfred Kops (2000)). Die hohen Gehälter von Superstars und zudem die hohe Ein-
kommensspreizung zwischen den Stars und den anderen Spielern lassen sich dabei vor allem mit
multiplikativen Qualitätseffekten begründen, d.h. bestimmte Spieler sind nicht nur selbst gut,
sondern machen darüber hinaus auch ihre Mitspieler besser. Solche Spieler, aber oft auch Trainer,
vereinen dabei jeweils eine spezifische Kombination an Wissen, Fähigkeiten, Marktkenntnissen
und Erfahrungen in sich. Es ist dann zum einen die Knappheit an solchen Personen, die am Markt
zu den hohen Einkommen führt, zum anderen kann der Unterschied, den eine solche Person aus-
macht, in Vereinen mit einem Jahresumsatz von bis zu 300 Mio. Euro leicht einige Millionen Euro
ausmachen.
Was die hohen Werbeeinnahmen von Stars betrifft, so zeigt sich, dass diese nicht allein mit sport-
lichen Qualitäten begründet werden können, sondern aus einer Kombination verschiedener
Kriterien resultieren, die zusammen den Werbewert eines Spielers bestimmen. Neben der reinen
sportlichen Leistung zählen dabei vor allem die Attraktivität, das Image und das Identifikations-
potenzial, welches ein Spieler in Bezug auf mögliche Zielgruppen aufweist. Von letzterem hängt
insbesondere ab, wie glaubwürdig Werbebotschaften transportiert werden können. Durch die
Glaubwürdigkeit ist allerdings der Werbewert eines Spielers zugleich grundsätzlich beschränkt,
dann nämlich, wenn eine immer höhere Werbepräsenz die Exklusivität des Werbeträgers mindert
und dadurch zu sinkenden Werbeeinnahmen führt. Bis zu diesem Punkt aber werden durch den
schon bestehenden Bekanntheitsgrad des Werbeträgers die Vermarktungs- und Einführungskosten
gesenkt, da dessen Image dem Publikum bzw. den potenziellen Konsumenten bereits wohl ver-
traut ist. Die neuen Medien haben indes dazu geführt, dass dieses Image zu geringen Kosten
Wirtschaftsfaktor Fußball I 21
22 I Wirtschaftsfaktor Fußball
millionenfach in aller Welt reproduziert werden kann – ebenso wie die Filme von berühmten
Schauspielern zu geringen Kopierkosten nahezu die komplette weltweite Nachfrage von
Zuschauern erreichen und deren Zahlungsbereitschaften einspielen. Der Werbeträger, in diesem
Fall der Spieler, kassiert die „Monopolrenten“, die aus seinem Alleinstellungsmerkmal gegenüber
anderen Spielern resultieren.
Organisation und Management
Der deutsche Lizenzfußball ist in der Deutschen Fußball-Liga (DFL) organisiert. Die DFL tritt dabei
als höchste Regulierungs- und Lizenzierungsinstanz auf. Die Vermarktung der Marke „Bundesliga“
liegt ebenfalls in den Händen der DFL. Begründet wird dies mit dem Hinweis auf den spezifischen
Wettbewerb von professionellen Sportligen, der eine Regulierung des Spielbetriebs zur Sicher-
stellung der sportlichen Ausgeglichenheit grundsätzlich erforderlich mache; dies sei wiederum
Voraussetzung für eine nachhaltige Vermarktung. Als Instrument dient der DFL dabei ein liga-
interner Finanzausgleich, der die Einnahmen aus der Zentralvermarktung unter den Vereinen
(gegenüber dem fiktiven Zustand einer wettbewerblichen Selbstvermarktung der Vereine) umver-
teilt. Aus ökonomischer Sicht ist eine Umverteilung institutionell jedoch nicht zwingend an eine
Zentralvermarktung gebunden.
Ein wesentlicher Interessenkonflikt zwischen den Vereinen entzündet sich in diesem Zusammen-
hang an der Frage, ob die Vereine sich wie bisher zentral über die DFL oder aber dezentral, d.h.
eigenständig vermarkten sollen. Als Argument für eine Zentralvermarktung wird angeführt, dass
mit einem Finanzausgleich unter den Vereinen auch eine sportliche Ausgeglichenheit der Liga
und somit deren langfristige Attraktivität gewährleistet sei. Es stellt sich aber nun die Frage, wel-
che der Vereine ein Interesse daran haben können, von der Zentralvermarktung abzuweichen und
sich stattdessen selbst zu vermarkten. Nettozahler im Rahmen des ligainternen Finanzausgleichs
drängen auf Eigenvermarktung – mit dem Argument, dass die Mehreinnahmen im Vergleich zur
Zentralvermarktung ihnen die internationale Wettbewerbsfähigkeit und dadurch der Bundesliga
insgesamt langfristig deren Attraktivität sichern würden. So wäre eine Selbstvermarktung für die
Spitzenvereine Bayern München, Werder Bremen, Hamburger SV und Schalke 04 zwar vorteilhaft,
nur würde ohne die restlichen 14 Vereine ein Spielbetrieb unter Umständen gar nicht zustande
kommen. Dass Vereine wie Bayern München der Zentralvermarktung dennoch zustimmen, liegt
daran, dass die Selbstvermarktungserlöse in der Weise hypothetisch sind, dass sie an den Spiel-
betrieb gebunden sind und nur im Verbund mit den anderen Vereinen innerhalb einer Liga zu
erzielen sind. Die jeweilige Differenz der Erlöse aus Selbstvermarktung und Zentralvermarktung
kann insofern als Preis für die Teilnahme am Spielbetrieb interpretiert werden (vgl. Kruse/Quitzau
2003). Für die Spitzenvereine bedeutet die Zentralvermarktung zwar, dass sie ein kleineres Stück
bekommen; die Liga insgesamt aber einen größeren Kuchen erhält.
Die steigende wirtschaftliche Bedeutung des Fußballs erfordert auch von den Bundesligaclubs
eine immer höhere Professionalität. Die Vereine haben sich immer mehr zu Dienstleistungs-
unternehmen entwickelt, die zu einem Teil der Unterhaltungsbranche geworden sind. Spezifische
Kenntnisse allein des Fußballgeschäfts reichen nicht mehr aus, um sich im Wettbewerb mit an-
Wirtschaftsfaktor Fußball I 23
deren Clubs durchzusetzen. So haben sich die Vereine der Fußball-Bundesliga sportlich und wirt-
schaftlich zum Teil sehr unterschiedlich entwickelt. Auf der einen Seite stehen etablierte Vereine
wie der FC Bayern München oder Werder Bremen, die sowohl sportlich als auch wirtschaftlich als
sehr gefestigt und robust einzuschätzen sind. Ihnen gegenüber stehen Vereine, deren Entwicklung
sehr wechselhaft verlaufen ist. Unter diesen Vereinen gibt es solche, die als sogenannte „Fahrstuhl-
mannschaften“ mehr oder weniger regelmäßig zwischen erster und zweiter Bundesliga „pendeln“
und solche, die sich – von zufälligen Ausreißern abgesehen – beständig im Mittelfeld der ersten
Liga befinden, aber nie wirklich nachhaltig den Sprung an die Spitze zu den etablierten Teams
gefunden haben. So taucht immer dann, wenn Mannschaften kurzzeitig eine positive sportliche
und wirtschaftliche Entwicklung zu verzeichnen haben, die Frage auf, welches die erfolgreichere
Strategie ist: Mit einem finanziellen Kraftakt, einem „Big Push“, den Anschluss nach „oben“ zu
finden oder aber auf eine kontinuierliche Entwicklung zu setzen. Trotz aller positiven Ansätze
bleibt jedoch am Ende oft die Erkenntnis, dass der sportliche Erfolg nur von kurzer Dauer gewe-
sen ist; anfänglicher Erfolg ist nur sehr selten in eine nachhaltige sportliche Entwicklung umge-
setzt worden. Meistens sind Vereine wieder in ihre alte Position zurückgefallen. Allerdings gibt
es auch positive Gegenbeispiele wie den SV Werder Bremen, der es geschafft hat, sich durch eine
kontinuierliche und nachhaltige Aufbauarbeit trotz begrenzter finanzieller Kapazitäten an der
Spitze der Bundesliga zu positionieren und zu etablieren.
Die Vereine der Fußball-Bundesliga investieren zu jeder neuen Saison viele Millionen Euro in neue
Spieler, um die Qualität der Mannschaft zu erhöhen und auf diese Weise den sportlichen Erfolg
zu steigern. Zugleich steigen bei zunehmendem sportlichen Erfolg auch die Einnahmen des
Vereins. Aus diesen Einnahmen muss der gestiegene Marktwert der Mannschaft refinanziert wer-
den, um zu verhindern, dass die umworbenen Spieler zu anderen Vereinen wechseln. Es besteht
nun die Möglichkeit, dass die Vereine im Mittelfeld der Tabelle in ihren Bestrebungen, den An-
schluss an die Spitze herzustellen, möglicherweise in einer „Falle“ stecken, d.h. jede Erhöhung des
Marktwertes führt dazu, dass aufgrund der nicht in gleichem Maß steigenden Einnahmen die
Substanz der Mannschaft nicht erhalten und Spieler an die „großen“ Vereine abgegeben werden
müssen. Ein anfänglicher Erfolg kann also nicht für einen nachhaltigen Entwicklungsprozess
genutzt werden. Wie in Abbildung 13 zu erkennen ist, fallen die Vereine wieder auf ihr altes
sportliches Niveau zurück, sofern nicht ein Tabellenplatz erreicht wird – z.B. die Qualifikation zur
Champions League –, bei dem die Einnahmen in gleichem oder sogar stärkerem Maße steigen als
der Marktwert der Mannschaft (vgl. Vöpel 2007).
Ökonomische Mechanismen des Auf- und Abstiegs von Vereinen
CL-Qualifikation
Tabellenplatz
Einnahmen steigen stärker als der MarktwertNoch bessere Spieler können verpflichtet werdenDer sportliche Erfolg steigt weiter
Einnahmen steigen weniger als der MarktwertGute Spieler müssen wieder verkauft werdenDer sportliche Erfolg fällt wieder
Quelle: Darstellung des HWWI HSH Nordbank
Abb. 13
24 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Dies hat nun für das Management der Vereine weitreichende Implikationen: Die Strategie einer
kontinuierlichen Entwicklung führt nicht zwangsläufig zu nachhaltigem sportlichen Erfolg.
Hingegen kann ein „Big Push“ den Verein auf einen höheren Entwicklungspfad heben. Mit den
Einnahmen aus der Champions League kann dann der gestiegene Marktwert refinanziert werden,
anderenfalls setzt wieder ein Abwärtsprozess ein. Zwar können sich Vereine theoretisch extern
durch Kredite finanzieren, um hinreichende Investitionen zu tätigen, dies ist allerdings mit
erheblichen Risiken verbunden, zumal – dies liegt naturgemäß in jedem Ranking – nicht alle
Mannschaften gleichzeitig den Sprung an die Spitze schaffen können. Über Kredite den sport-
lichen Aufstieg finanzieren zu müssen, kann daher zu einem Überinvestitionsverhalten führen
und letztendlich in einem den gesamten Ligabetrieb gefährdenden Verschuldungswettlauf mün-
den. So zeigt sich, dass insbesondere die ambitionierten Vereine, die hohe Investitionen in die
Mannschaft tätigen, aber sich dennoch nicht für internationale Wettbewerbe qualifizieren, deutli-
che Verluste machen (vgl. Abbildung 14). Viele Vereine überlegen vor diesem Hintergrund, ihre
handelsrechtliche Gesellschaftsform von einem „Verein“ zu einer „AG“ zu ändern, um sich auf
dem Kapitalmarkt durch Ausgabe von Aktien besser (eigen-)finanzieren zu können. In vielen
Fällen sind solche Aktien jedoch eher „Liebhaberstücke“ für Fans denn eine renditeträchtige
Anlage. Allgemein kann festgehalten werden, dass die Bundesliga gezeigt hat, dass verschiedene
Strategien zum Erfolg führen können und dass es – wie auch sonst in der Wirtschaft – nicht die
allgemeingültige Erfolgsformel gibt.
Gewinn in Tausend Euro in der Saison 05/06 nach Ausgaben für Spielergehälter mit den…
0
-500
-1.000
500
-2.000
-2.500
-3.000
-1.500
1.000
Durchschnittlicher Gewinn der sechs Bundesligavereine…
…niedrigsten Personalausgaben…höchsten Personalausgaben …mittleren Personalausgaben
Quelle: DFL (2007) HSH Nordbank
Abb. 14
Der Transfermarkt
Eine andere Entwicklung, die den europäischen Vereinsfußball nachhaltig geprägt hat, wurde
durch das so genannte „Bosman-Urteil“ ausgelöst. Dieses betraf nicht allein die Regelungen auf
dem Transfermarkt, sondern indirekt auch die Finanzierung der Vereine. Der belgische Fußball-
Profi Jean-Marc Bosman hatte 1995 vor dem Gericht auf Schadensersatz für Einkommensausfälle
geklagt, die ihm aufgrund des Transfersystems der UEFA entstanden waren. Mit dem Urteil vom
15.12.1995 kippte der Europäische Gerichtshof (EuGH) das bis dato bestehende Transfersystem
der UEFA mit der Begründung, dieses sei nicht mit dem Gemeinschaftsrecht der EU vereinbar.
Die Ablöse-Regelung, dass auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen Verein und
Spieler die Verfügungsrechte am Spieler im Besitz des Vereins bleiben und ein Wechsel zu einem
anderen Verein nur unter Zahlung einer Transferentschädigung möglich ist, verletze, so der
EuGH, den Grundsatz der Freizügigkeit des Arbeitnehmers in Europa und verstoße zugleich gegen
das Verbot der Wettbewerbsbeschränkung und des Missbrauchs marktbeherrschender Stellung.
Im Zuge des „Bosman-Urteils“ wurde deshalb nicht allein die Ablöse-Regelung, sondern auch die
Nationalitätenklausel, der zufolge in jedem Spiel höchstens drei EU-Ausländer und zwei Nicht-
EU-Ausländer eingesetzt werden durften („3+2“-Regelung), als nicht mit dem EU-Recht konform
angesehen. Die Ablöse-Regelung entfiel und die Nationalitätenklausel wurde vom EuGH für
unwirksam erklärt.
Seitens der Vereins- und Verbandsfunktionäre gab es daraufhin heftigen Widerstand. Vor allem
zwei Argumente wurden zur Rechtfertigung der Ablöse-Regelung und der Nationalitätenklausel
angeführt:
1. Durch den Wegfall von Transferentschädigungen würde eine Umverteilung zugunsten der
Spitzenclubs stattfinden bzw. würden die abgebenden, zumeist kleineren Vereine, Einnahmen
aus Spielertransfers verlieren. Finanzstarke Vereine könnten darüber hinaus nunmehr günstig
sämtliche guten Spieler verpflichten und es käme zu einer sportlichen Konzentration.
2. Die Öffnung der Nationalitätenklausel würde ferner dazu führen, dass deutsche Spieler in
den Vereinen der Bundesliga durch ausländische verdrängt werden, insbesondere auf den
Schlüsselpositionen. Dies ginge zu Lasten der Nachwuchsförderung und schließlich des deut-
schen Fußballs und der Nationalmannschaft insgesamt. Ähnliches sei im deutschen Eishockey
zu beobachten gewesen, das durch die freizügigere „Ausländerregelung“ in der Deutschen
Eishockey-Liga (DEL) an Qualität eingebüßt habe.
Aus ökonomischer Sicht stellt sich der Sachverhalt anders dar. Wenngleich einzuräumen ist, dass
Sportmärkte spezifische Märkte sind, deren Ziel und Zweck graduell andere als bei herkömm-
lichen Märkten und zudem stärker normativ begründet sein mögen und daher unter Umständen
auch spezifischer Regelungen bedürfen. So kann eine Umverteilung, wie etwa durch die Ablöse-
Regelung geschehen, unter dem Aspekt der Vermeidung sportlicher Dominanz einiger weniger
Vereine durchaus sinnvoll und im Sinne einer ausgeglichenen und spannenden Liga sogar
wünschenswert sein. Dennoch bedarf es hier wie auch auf anderen Märkten einer ordnungs-
politisch „sauberen“ Begründung für das Vorliegen von Marktversagen und eines daraus abgelei-
teten Regulierungsbedarfs.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 25
26 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Doch wer sind nun aber die Gewinner und wer die Verlierer des „Bosman-Urteils“? Was den
Wegfall der Ablöse-Regelung bei ausgelaufenen Verträgen betrifft (es steht den Vertragspartnern
gleichwohl unverändert frei, Ablösevereinbarungen bzw. -summen bei einem vorzeitigen Vereins-
wechsel festzuschreiben), so bedeutet dies keinesfalls, wie häufig argumentiert wird, eine Um-
verteilung von den „kleinen“ zu den „großen“ Vereinen, sondern vielmehr von den „schlechteren“
zu den „besseren“ Spielern. Diese kassieren nunmehr jene Transfergelder, die früher an die ab-
gebenden Vereine geflossen sind und die damit ihrerseits Neuzugänge und Nachwuchsspieler
finanziert haben, als so genanntes „Handgeld“. Aus diesem Grund existiert im Vergleich zu früher
im Profifußball heute eine größere Einkommensspreizung: Gehälter von Starspielern sind über-
proportional gestiegen, während die mittleren und unteren Gehälter relativ gesunken sind. Dies
entspricht ökonomisch einer knappheitsgerechten und markteffizienten Entlohnung, die vorher
durch die Transferregelung verzerrt worden war. Ähnliche Auswirkungen dürfte das jüngste
Urteil des Obersten Internationalen Sportgerichtshofes (CAS) im Falle des schottischen Profis Andy
Webster haben, das heftige Reaktionen nationaler wie internationaler Funktionäre ausgelöst hat.
Spieler können nun nach drei bzw. zwei Jahren den Verein gegen eine Ablöse in Höhe der noch
ausstehenden Gehälter grundsätzlich wechseln. Der Abbau der Regulierungen wird dazu führen,
dass Zahlungen zwischen Vereinen und Spielern und zwischen dem abgebenden und dem aufneh-
menden Verein ausschließlich Ergebnis einer freien Vertragsgestaltung sein werden. Vergleichbar
mit anderen Berufszweigen, wie z.B. Investmentbankern, wird auch zukünftig Spitzenkräften mit
Prämien und Antrittsgeldern ein Wechsel des Arbeitsplatzes oder ein Verbleib im Verein oder
Unternehmen versüßt werden. Entgegen den allseitigen Befürchtungen werden von dieser Trans-
ferregelung insbesondere jene Vereine profitieren, die über die besseren Marktkenntnisse ver-
fügen und bzgl. der Marktentwicklung von Spielern die treffsichereren Erwartungen haben.
Ökonomisch relevanter ist hingegen das Argument, die Ablöse sei als eine Entschädigung für die
Ausbildungs- und Qualifizierungskosten zu verstehen, die dem abgebenden Verein während der
Vertragslaufzeit entstanden sind. Der Nutzen der Ausbildung des Spielers wird ohne Ablöse an
den nächsten Verein weitergegeben, ohne dass der abgebende Verein dafür kompensiert wird.
Fallen Kosten und Nutzen der Spielerausbildung in dieser Weise auseinander, besteht für die
Vereine ein verminderter Anreiz, in die Spielerausbildung und auch in die Nachwuchs- und
Talentförderung zu investieren.4
Die Argumentation, die Aufhebung der Nationalitätsklausel würde zu einem Verdrängungswett-
bewerb zwischen deutschen und ausländischen Spielern führen und so am Ende das Identifika-
tionspotenzial und die Attraktivität der Bundesliga reduzieren, ist mittelfristig ebenfalls nicht
stichhaltig. Länderübergreifende Faktorbewegungen erhöhen der Außenhandelstheorie zufolge
die „Weltwohlfahrt“, d.h. die guten Spieler gehen in diejenigen Länder, in denen die Gehälter am
höchsten sind, sprich: in denen die Zahlungsbereitschaft für Fußball am höchsten ist.5 Hier wird
die spielerische Qualität zunehmen, in den anderen tendenziell abnehmen. Da die Zahlungs-
bereitschaft der Fußballfans in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ligen eher
4 Eine solche Umverteilung der Eigentums- und Verfügungsrechte kann indes jedoch zu einer verstärkten asymmetrischen
Informationsverteilung zwischen Spielern und Vereinen führen (z.B. über die tatsächliche Höhe der Ausbildungskosten),
die ihrerseits Marktversagen verursacht und Regulierungsbedarf notwendig machen kann. Des weiteren kann es sein, dass
bei sinkenden Gehältern für durchschnittliche Spieler die individuelle Entscheidung, das Risiko einer Profikarriere als
Fußballspieler einzugehen, bei gegebenen „Opportunitätskosten“ (Einkommen im nächstbesten bezahlten alternativen Beruf)
nunmehr negativ ausfällt, es also insgesamt zu einem geringeren Angebot an Spielern kommt (vgl. Steinhardt und Vöpel
2008).5 Die generelle Einkommensabhängigkeit der Zahlungsbereitschaft für ein Produkt wird hier nicht näher betrachtet.
hoch ist, musste infolge des „Bosman-Urteils“ mit einem ansteigenden Niveau in der Bundesliga
zu rechnen sein. Und tatsächlich hat die Bundesliga durch viele internationale Starspieler absolut
auch deutlich an Qualität und Attraktivität gewonnen, wenngleich auch sich die relative Position
zu den anderen europäischen Top-Ligen weiter verschlechtert haben mag.
In Bezug auf die deutschen Spieler sind vor allem zwei Effekte festzustellen: Infolge der internatio-
nalen Konkurrenz sind die Plätze in den Profikadern deutscher Vereine für deutsche Spieler rela-
tiv knapper geworden. Dies führt zwar kurzfristig zu einem Verdrängungswettbewerb, langfristig
aber auch zu einem verstärkten Qualitätswettbewerb, der am Ende auch das Niveau deutscher
(Nachwuchs-)Spieler und den Qualitätsstandard insgesamt erhöht. Geht man ferner plausibler-
weise davon aus, dass sich der weltweite Spielerpool durch die Aufhebung der Nationalitäten-
klausel nicht erhöht hat, dann ändert sich bei gegebener Gesamtzahl an Profikaderplätzen ledig-
lich die ligen- und länderübergreifende Allokation. Es ist deshalb davon auszugehen, dass künftig
verstärkt deutsche Spieler und Nachwuchsspieler ins Ausland wechseln werden, um dort ihre
Chancen zu suchen. Bisher ist dies jedoch eher die Ausnahme, wie die – sehr erfolgreichen – Bei-
spiele von Robert Huth (FC Middelsborough) oder Thomas Hitzlsperger (ehem. Aston Villa) zeigen.
Entsprechend den veränderten Bedingungen auf dem Transfermarkt hat die Transferpolitik eines
Vereins an Bedeutung für den sportlichen Auf- und Abstieg von Vereinen gewonnen (vgl. Vöpel
2006). Der Transfermarkt der Fußball-Bundesliga ist gekennzeichnet durch unvollständige Infor-
mationen über die Qualität der Spieler. Wie in anderen Arbeitsmarktsegmenten, in denen hohe
Anforderungen an Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter gestellt werden, zeichnet sich der
Fußball durch eine hohe Unsicherheit bezüglich der Qualitäten und Integrationsfähigkeit der
potenziellen Neuverpflichtungen aus. Jede Transfer- und Personalentscheidung der Vereine wird
folglich mehr oder weniger unter Unsicherheit getroffen. Bei jedem Transfer kommt es also dar-
auf an, zuverlässig die guten Spieler zu identifizieren und diese möglichst günstig zu kaufen und
ggf. möglichst teuer wieder zu verkaufen. Die Unsicherheit über die tatsächliche Qualität und
Integrationsfähigkeit eines Spielers wird durch dessen Leistungen in der Vergangenheit reduziert.
Neben diesen frei zugänglichen Signalen, die den Vereinen als „öffentliche“ Informationen kosten-
los zur Verfügung stehen, existieren in jedem Verein zusätzlich „private“ Informationen bzgl. der
Einschätzung eines Spielers sowie ein für Transfers zur Verfügung stehendes Budget. Beide
Faktoren bestimmen die Transferpolitik eines Vereins.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 27
Entwicklung des Ausländeranteils in der Bundesliga in %
10
20
50
40
30
0
92/93 94/95 95/9693/94 96/97 97/98 98/99 99/00 00/01 01/02 03/0402/03 04/05 05/06 06/07 07/08
Quelle: DFL (2008) HSH Nordbank
„Bosman-Urteil”Dezember 1995
Abb. 15
28 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Vereine können bei der Transferpolitik zwei unterschiedliche Arten von Fehlern machen:
Fehler 1. Art: Ein Spieler wird als gut eingeschätzt, obwohl er eigentlich schlecht ist.
Fehler 2. Art: Ein Spieler wird als schlecht eingeschätzt, obwohl er eigentlich gut ist.
Diese beiden möglichen Fehler sind essentiell für die Vereine bei ihrer Bewertung von Spielern.
Aufgrund der verschiedenen Budgetrestriktionen der Vereine ergeben sich daraus unterschiedli-
che strategische Implikationen für die Transferpolitik. Ein Verein mit geringem Budget etwa kann
nicht so lange warten, bis die Qualität eines Spielers am Markt eindeutig offenbart worden ist,
sondern muss Transfers tätigen, so lange der Marktwert des Spielers noch gering genug ist, um
ihn überhaupt verpflichten zu können. Ein Verein mit einem niedrigen Budget tätigt Transfers
also unter größerer Unsicherheit. Umso wichtiger ist es für diese Vereine, über zuverlässige
private Informationen zu verfügen. Bringt ein Spieler auch in der kommenden Saison eine gute
Leistung, sendet er also ein weiteres positives Qualitätssignal, wird der Marktwert womöglich so
weit steigen, dass er nach der nächsten Saison für Vereine mit geringem Budget nicht mehr zu
haben sein wird. Vereine hingegen, die über ein hohes Budget verfügen, können länger abwarten
und Transfers unter geringerem Risiko tätigen. Dieser Modellrahmen erlaubt ebenfalls die
Entstehung von „Herdenverhalten“. Hat etwa ein Verein eine sehr positive private Information
bzgl. der Qualität eines Spielers, wird er schon zu einem frühen Zeitpunkt auf dem Transfermarkt
aktiv werden. Aufgrund der dadurch offenbarten privaten Information können sich andere
Vereine veranlasst sehen, ihre eigenen privaten Informationen nach „oben“ zu revidieren. Auf
diese Weise kann sich die Marktwertentwicklung erheblich beschleunigen.
Bayern München hat immer die Strategie verfolgt, solche Spieler zu kaufen, die sich in der
Bundesliga bei anderen Vereinen bereits durchsetzen konnten. Dies gilt insbesondere für aus-
ländische Spieler, deren Integrationsfähigkeit oft mit großer Unsicherheit behaftet ist. Bayern
München hat demzufolge den „Fehler erster Art“ nur sehr selten begangen. Die Transferstrategie
von Bayern München ist es seit jeher gewesen, Spieler relativ teuer zu verpflichten, deren
Transferrisiko aber sehr gering ist.
Das Gegenbeispiel zu Bayern München ist Schalke 04. Schalke hat Jahre lang die Strategie verfolgt,
aufstrebende Spieler zu verpflichten, deren Marktwert schon stark gestiegen war, über deren
Qualität aber dennoch relativ große Unsicherheit herrschte. Schalke sah sich zu dieser Strategie
gezwungen, da bei einem weiteren positiven Qualitätssignal eines solchen Spielers der Marktwert
derart gestiegen wäre, dass es gegen ein mögliches Gebot der Bayern kaum mehr Chancen zur
Realisierung des Transfers gegeben hätte.
Werder Bremen ist hingegen das klassische Beispiel für einen Verein, der trotz beschränkter finan-
zieller Möglichkeiten traditionell auf sehr gute, d.h. zuverlässige private Informationen zurück-
greifen konnte. Bremen hat oft den Fehler zweiter Art der anderen Vereine für sich ausgenutzt
und Spieler verpflichtet, die lange Zeit als durchschnittlich galten, obwohl sie eigentlich gut
6 Zur endogenen Bestimmung des Transferzeitpunktes siehe analog Gul, F./Lundholm, R. (1995). Unterstellt wird in diesem
Modell eine Verlustfunktion, in der jede Verzögerung der Entscheidung (hier: Transferentscheidung) mögliche Kosten (hier:
gestiegene Ablösesumme und Gehaltsforderungen bzw. geringerer Transfergewinn) verursacht. Im Gleichgewicht beginnt jener
Akteur zuerst damit, seine privaten Informationen zu offenbaren, der über die „extremsten“ Informationen verfügt, da für
diesen die potenziellen Verluste durch zu spätes Handeln am größten sind.7 In dem Vermögen, Marktprozesse zu beobachten und Unsicherheiten durch längeres Abwarten zu verringern, kommt eine
gewisse Marktmacht zum Ausdruck. Ähnlich der Zeitpräferenzrate im sog. „Rubinstein-Spiel“ (vgl. Holler/Illing 2000) kommt
dem Budget in Bezug auf das Abwarteverhalten zur Reduktion von Unsicherheiten eine maßgebliche strategische Bedeutung zu.
8 Zu Grunde liegt hier die so genannte O-Ring-Theorie von Kremer (1993). Ausgangspunkt für diese Theorie ist die Überlegung,
dass bei komplementären „Produktionsfaktoren“ der qualitativ schlechteste Faktor über die Qualität des gesamten Produkts
entscheidet. Hintergrund ist das Challenger-Unglück gewesen, als ein defekter Dichtungsring („O-Ring“) im Wert von wenigen
Dollar das mehrere Millionen Dollar teure Space Shuttle funktionsuntüchtig machte und zu dessen Explosion führte.
waren. Dieser „Bremen-Faktor“ hat sich in letzter Zeit insbesondere bei Spielern wie Frings und
Diego gezeigt. Darüber hinaus hat Bremen aufgrund sehr zuverlässiger privater Information über
die Qualität von Spielern diese oft schon in ihrer frühen Aufstiegsphase zu günstigen Konditionen
bei einem vom Markt noch hoch bewerteten Transferrisiko verpflichtet.
Die langfristige Transferstrategie für Vereine mit geringem Budget, wie etwa des SC Freiburg,
besteht darin, die Qualitätsunsicherheit durch zuverlässige private Informationen des Manage-
ments zu verringern und gute Spieler früh günstig zu kaufen und später teuer zu verkaufen.
Vereine wie Freiburg haben daher für die Spitzenclubs eine Art „Scouting“-Funktion, für die sie
später mit entsprechender Ablöse kompensiert werden.
Die Merkmale sowie die Erfolgsbedingungen der verschiedenen – idealtypischen und stark
stilisierten – Strategien auf dem Transfermarkt sind in nachstehender Tabelle zusammengefasst:
Strategie marktbasiertes private Marktwert Transfer- Erfolgs-
Transferrisiko Informationen zeitpunkt bedingungen
Bayern niedrig gleichgerichtet hoch spät sehr hohes Budget
Schalke mittel gleichgerichtet steigend eher früh hohes Budget und
zuverlässige private
Informationen
Bremen hoch gegenläufig fallend eher spät sehr zuverlässige
private Informationen
Freiburg neutral gleichgerichtet/ niedrig früh zuverlässige private
gegenläufig Informationen
Quelle: HWWI
Einwurf
Das „Zidane-Clustering-Theorem“
Zur Saison 2001/02 wechselte Zinedine Zidane von Juventus Turin zu Real Madrid, ein Jahr später
folgte David Beckham. Fortan trugen die Real-Spieler den Beinamen „die Galaktischen“. Und nicht
zu Unrecht: Luis Figo, Roberto Carlos, Ronaldo, Raúl und eben Beckham und Zidane waren die
prominenten Starspieler, die sich in Madrid zusammengefunden hatten. Doch wie kommt es, dass
sich in einer Mannschaft die komplette Weltelite versammelt? Es gibt hierfür einen interessanten
ökonomischen Erklärungsansatz.8 Es sei angenommen, folgende Axiome seien erfüllt:
1. Das „Lauth-Axiom“: Gute Spieler machen ihre Mitspieler zu besseren Spielern. Zidane etwa
würde Benny Lauth zu einem besseren Stürmer machen.
2. Das „Klose-Axiom“: Je besser die Mitspieler sind, desto größer ist deren Leistungssteigerung
durch die Hinzunahme des guten Spielers. Miroslav Klose würde z.B. von Zidane mehr
profitieren als Lauth.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 29
30 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Sind diese beiden Axiome nun – was nicht unplausibel erscheint – als hinreichende Bedingungen
erfüllt, dann folgt daraus das „Zidane-Clustering-Theorem“:
>>> „ZIDANE-Clustering-Theorem“: Spieler gleicher Qualität clustern sich, d.h. Mannschaften sind
qualititativ ausgeglichen besetzt. Ist die Abwehr schlecht, nützt auch der beste Sturm nur wenig.
Der Grund dafür, dass sich gleiche Qualitäten zu clustern scheinen, liegt darin, dass die einzelnen
Faktoren (hier: Spieler) nicht additiv, sondern multiplikativ verknüpft sind, d.h. das Ergebnis
(hier: die Mannschaftsleistung) ist nicht die Summe, sondern das Produkt der Einzelleistungen.
Seien a und b unterschiedliche Qualitäten, dann gilt: a2 + b2 > 2ab für a≠b, d.h. analog gilt, dass
die Summe der Leistungen zweier Mannschaften von homogener Qualität ist größer als jene von
zwei Mannschaften mit heterogener Qualität. Bleibt noch zu klären, inwieweit das Clustern
gleicher Qualitäten auch das Ergebnis eines Marktprozesses ist. Solange es Mannschaften mit
heterogener Zusammensetzung in Bezug auf die Qualität der Spieler gibt, herrscht ein Nachfrage-
überhang nach Spielern mit hoher Qualität. Eine Mannschaft mit einer durchschnittlich höheren
Qualität als eine andere kann von dieser deren gute Spieler verpflichten, da sie für die relativ
bessere Mannschaft einen größeren absoluten Qualitätszuwachs bedeuten als Qualitätsverlust für
die relativ schlechtere Mannschaft. Folglich kann eine bessere Mannschaft einem guten Spieler
auch ein höheres Gehalt bieten als eine schlechtere Mannschaft.
Dieser Erklärungsansatz hat ferner in Bezug auf die Umverteilung von Einnahmen zwischen den
Vereinen zur Sicherstellung des sportlichen Wettbewerbs interessante Implikationen. Hängt das
Gehalt eines Spielers nicht nur von der eigenen Qualität, sondern auch von der seiner Mitspieler
ab und steigen die Gehälter eines Vereins aus diesem Grund mit der durchschnittlichen Qualität
der Spieler progressiv an, dann führt Umverteilung der Einnahmen zwar zu einer Einkommens-
umverteilung zwischen den Spielern, nicht jedoch zu einer höheren sportlichen Ausgeglichen-
heit, d.h. die qualitative Zusammensetzung der Vereine ändert sich nicht, sondern lediglich die
Einkommensunterschiede zwischen Spielern unterschiedlicher Qualität.
3.2 Die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesliga
Die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesliga insgesamt ist seit der Saison 2000/01 durch einen
steigenden Umsatz gekennzeichnet (vgl. Abbildung 16). Es zeigt sich, dass die Bundesliga in den
letzten sechs Spielzeiten bis auf die Saison 2003/04 sowohl steigende Erträge als auch steigende
Aufwendungen zu verzeichnen hatte. In der Saison 2003/04 gab es bei Erträgen und Aufwen-
dungen einen gegenüber dem Trend gegenläufigen Rückgang. Bei den Erträgen ist dies auf den
beträchtlichen Forderungsausfall bei den TV-Einnahmen infolge der Insolvenz der Kirch-Gruppe
zurückzuführen. Der seit Mitte der 80er Jahre liberalisierte Medienmarkt in Deutschland hat der
TV-Vermarktung jedoch insgesamt vollkommen neue Dimensionen verliehen.
Aus der Differenz von Erträgen und Aufwendungen ergeben sich die Gewinne und Verluste. In der
Saison 2004/05 konnten die Gewinne entgegen dem rückläufigen Trend seit 2000/01 erstmals
wieder gesteigert werden (vgl. Abbildung 17). Die in der Saison 2004/05 erwirtschafteten Gewinne
wurden von den Vereinen hauptsächlich dazu verwendet, ihre Verschuldung abzubauen. Weiter-
hin zeigt sich, dass die Erträge kurzfristig sehr viel volatiler zu sein scheinen als die Aufwen-
dungen; dies dürfte vor allem an der Erfolgskomponente der Erträge in einer Saison liegen. Für
den deutlichen Anstieg bei den Erträgen in der Saison 2006/07 sind z. T. Sondereffekte im Zuge
der WM 2006 in Deutschland verantwortlich.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 31
Erträge und Aufwendungen in der Bundesliga in Mio. Euro*
Ertrag Aufwand
900
600
300
0
1.200
1.500
2000/01 2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07
Quelle: DFL (2006, 2007, 2008), * 2006/07 z. T. Sondereffekte durch die WM 2006 HSH Nordbank
Abb. 16
Gewinne und Verluste in der Bundesliga in Tausend Euro*
4.000
2.000
0
-2.000
-4.000
6.000
8.000
2000/01 2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07
*durchschnittliches Betriebsergebnis nach Steuern; 2006/07 z. T. Sondereffekte durch die WM 2006
Quelle: DFL (2006, 2007, 2008) HSH Nordbank
Abb. 17
32 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Was die Anteile der einzelnen Ertrags- und Aufwandspositionen betrifft, so sind diese im Zeit-
ablauf relativ stabil. Für die abgelaufene Saison 2006/07 weisen die Anteile der Ertragspositionen
folgende Werte auf: Auf die Werbung entfielen 24,5%, auf die Medienrechte 33,0%, auf den lau-
fenden Spielbetrieb 21,3% und auf sonstige Erträge 11,4%; Die Transfererlöse und das Merchan-
dising weisen mit 5,3% bzw. 4,5% recht geringe Anteilswerte auf (vgl. Abbildung 18). Positiv her-
vorzuheben ist der breite Finanzierungsmix, der gegenüber unerwarteten Forderungs- und Ein-
nahmeausfällen, wie z.B. im Fall der KirchGruppe vor einigen Jahren geschehen, schützen kann.
Die Aufwendungen hingegen verteilen sich für 2006/07 wie folgt auf die nachstehenden Katego-
rien: Die Mannschaft (v. a. Spielergehälter) machte 39,3% aus, der reine Spielbetrieb 16,1%, die
Transfers 12,2%, das Verwaltungspersonal 4,3%, der Jugend- und Amateurbereich 3,3% und die
sonstigen Aufwendungen 24,7% (vgl. Abbildung 19). Von Seiten der DFL wird insbesondere die im
europäischen Vergleich niedrige Quote der Spielergehälter zu den Gesamtaufwendungen von ca.
40% positiv hervorgehoben. Eine solche Interpretation ist jedoch zumindest zweifelhaft, da ein
niedriger Anteil der Spielergehälter an den Gesamtaufwendungen bedeutet, dass ein überwiegen-
der Teil der Kosten nicht durch die Mannschaft selbst verursacht wird bzw. die Einnahmen zu
einem überwiegenden Teil nicht in die Mannschaft reinvestiert werden. Mehr Transparenz könnte
in diesem Zusammenhang eine stärker detaillierte Aufschlüsselung der sonstigen Aufwendungen
bringen, die immerhin fast ein Viertel ausmachen.
Verteilung der Erträge in der Saison 2006/07 nach Kategorien in %
Spielbetrieb 21,3%
Transfer 5,3%
Merchandising 4,4%
Sonstige 11,4%
Medien 33,0% Werbung 24,5%
Quelle: DFL (2008) HSH Nordbank
Abb. 18
Verteilung der Aufwendungen in der Saison 2006/07 nach Kategorien in %
Mannschaft 39,3%
Spielbetrieb 16,1%
Jugend/Amateure 3,3%
Sonstige 24,7%
Transfer 12,2%
PersonalVerwaltung 4,3%
Quelle: DFL (2008) HSH Nordbank
Abb. 19
Die Schlüsselgröße für die Vermarktung des Fußballs ist nach wie vor das Zuschauerinteresse.
Dieses ist nicht nur gemessen an den TV-Quoten gestiegen, sondern auch im Zuschauerschnitt in
den Bundesligastadien (vgl. Abbildung 20). Die hinsichtlich soziodemografischer Merkmale verän-
derte Zuschauerstruktur und die moderne Stadioninfrastruktur haben hierzu entscheidend
beigetragen. Es fällt jedoch darüber hinaus auf, dass der Zuschauerschnitt in der Bundesliga in
den Folgejahren großer sportlicher Erfolge der deutschen Nationalmannschaft bei Weltmeister-
schaften immer besonders stark gestiegen ist, so z.B. in den Jahren 1974, 1990 und 2002, als
Deutschland Weltmeister bzw. Vize-Weltmeister wurde.
3.3 Die Bundesliga im internationalen Vergleich
Die Bundesliga befindet sich sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung als auch in der Aus-
landsvermarktung im Wettbewerb mit den anderen großen Ligen in Europa. Gemessen an den
Einnahmen rangiert die Bundesliga in der Saison 2005/06 auf dem dritten Platz hinter der eng-
lischen „Premier League“ und der italienischen „Serie A“, knapp vor der spanischen „Primera
Division“ und etwas deutlicher vor der französischen „Ligue 1“ (vgl. Abbildung 21).
Wirtschaftsfaktor Fußball I 33
Zuschauerschnitt pro Spiel in der Bundesliga seit 1963/64 in Tausend
20
25
40
35
30
15
1966/67 1972/73 1978/79 1984/85 1990/91 1996/97 2002/03
Quelle: DFL (2008) HSH Nordbank
Abb. 20
Einnahmen der großen Ligen in der Saison 2005/06 in Mio. Euro*
1.000
500
0
1.500
2.000
Serie A Bundesliga Primera Division Ligue 1Premier League
* Die Premier League und die Primera Division weisen keine „sonstigen“ Einnahmen aus
Quelle: Deloitte (2007) HSH Nordbank
Spielbetrieb Medienrechte Sponsoren Sonstige
179
873
188
655
839
500
159
302
360
208
325
320
432
406
134
16191
524
Abb. 21
34 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Interessant ist, dass sich die Struktur der Einnahmen zwischen den Ligen zum Teil deutlich
unterscheiden (vgl. Abbildung 22). Während die anderen Ligen stark von den Einnahmen aus den
Medienrechten – insbesondere den TV-Rechten – abhängen, weist die Bundesliga einen sehr aus-
geglichenen Finanzierungsmix auf, der gegenüber unerwarteten Ausfällen einen gewissen Schutz
bietet.
Es wird oft argumentiert, dass die vergleichsweise geringen Einnahmen der Bundesliga aus den
TV-Rechten einen Wettbewerbsnachteil gegenüber europäischen Spitzenclubs aus anderen Ligen
darstellen. Die daraus abgeleitete Forderung, man müsse die Fernseherlöse erhöhen, greift ökono-
misch jedoch zu kurz. Fernsehgelder und Sponsoringeinnahmen können nicht unabhängig von-
einander maximiert werden, weil sie in einem unmittelbaren Zusammenhang zueinander stehen;
werden die Fernsehgelder maximiert, indem die Bundesliga nur noch im werbefreien Pay-TV zu
sehen ist, würde dies die Sponsoringeinnahmen aufgrund geringerer Rezipientenzahl reduzieren.
Die maximale Höhe der Gesamteinnahmen und der jeweils optimale Mix der verschiedenen Ein-
nahmequellen hängen in jedem Land neben dem reinen Fußballinteresse auch von den jeweiligen
Konsumgewohnheiten, der Zahlungsbereitschaft der Fans für das Produkt Fußball, dem Rund-
funk- und Medienmarkt sowie der Kaufkraft und Größe des Marktes ab. Dies zeigt sich auch darin,
dass die Bundesliga zwar unter den fünf großen Ligen in Europa das größte Zuschauerinteresse in
den Stadien aufweist, gleichzeitig aber zusammen mit der Ligue 1 den deutlich geringeren durch-
schnittlichen Marktwert aller Vereine besitzt (vgl. Abbildung 23).
Finanzierungsstruktur der fünf großen Ligen, Saison 2005/06, in %*
40
20
0
60
80
100
Bundesliga
Quelle: Deloitte (2007), * Die Premier League und die Primera Division weisen keine „sonstigen“ Einnahmen aus HSH Nordbank
Spielbetrieb Medienrechte Sponsoren Sonstige
Ligue 1
10
18
57
15
Primera Division
37
35
28
18
30
27
25
Serie A
11
14
62
13
Premier League
25
42
33
Abb. 22
Ligavergleich Zuschauerschnitt und Marktwert in der Saison 2007/08
Zuschauerschnitt pro Spiel in 1.000 Marktwert pro Verein in Mio. Euro
15
0
30
45
50
0
100
150
Premier League Serie A Bundesliga Primera Division Ligue 1
Quelle: Transfermarkt (2008) HSH Nordbank
Abb. 23
Betrachtet man die wirtschaftliche Position der Bundesliga in Europa jedoch nicht im Rahmen
eines Liga-Vergleichs, sondern bezogen auf die jeweiligen Spitzenclubs, ergibt sich ein etwas diffe-
renzierteres Bild. So rangiert der FC Bayern München als bestplatzierter Verein der Bundesliga
unter den umsatzstärksten Vereinen in Europa mit einem Umsatz von 223 Mio. Euro nur auf Platz
sieben; es folgen aus der Bundesliga der Hamburger SV mit 120 Mio. Euro auf Platz 15, Schalke 04
mit 114 Mio. Euro auf Platz 16 und Werder Bremen mit 99 Mio. Euro auf Platz 20 (vgl. Abbildung 24).
Die Rangliste führt Real Madrid mit einem Umsatz von 351 Mio. Euro deutlich an; es folgen
Manchester United, der FC Barcelona, Chelsea und Arsenal auf den Plätzen. Es handelt sich hier
jedoch ausdrücklich um die Höhe der Gesamterlöse. Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder
Rentabilität der Vereine lassen sich daraus nicht zwingend ableiten. Ebenso wenig kann eine
Aussage darüber getroffen werden, ob ein Finanzierungsüberschuss oder ein Defizit vorliegt.
Die Zusammensetzung der Top 10 nach Ligen ergibt folgendes Bild: Mit Manchester United, FC
Chelsea, Arsenal London und dem FC Liverpool sind gleich vier Vereine der Premier League, mit
dem AC Milan, Inter Mailand und AS Rom drei Vereine der Serie A, mit Real Madrid und dem FC
Barcelona zwei Vereine aus der Primera División und mit FC Bayern München lediglich ein Verein
aus der Bundesliga vertreten.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 35
Gesamterlöse der „Euro Top 20“ in der Saison 2006/07 in Mio. Euro*
0 100 200 300 400
Real Madrid
Manchester United
FC Barcelona
FC Chelsea
Arsenal London
AC Milan
Bayern München
FC Liverpool
Inter Mailand
AS Rom
Tottenham Hotspur
Juventus Turin
Olympique Lyon
Newcastle United
Hamburger SV
Schalke 04
Celtic Glasgow
FC Valencia
Olympique Marseille
Werder Bremen
Quelle: Deloitte (2008), * Gesamterlöse ohne Transfererlöse und Mehrwertsteuer; Ergebnis zum Teil auf Kalenderjahr statt Saison basierend. HSH Nordbank
Abb. 24
36 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Was die sportliche Wettbewerbsfähigkeit deutscher Vereine betrifft, so zeigt sich hier ein eher
bedenkliches Bild. In der Fünf-Jahres-Wertung der UEFA9 liegt die Bundesliga gegenüber den vier
anderen großen Ligen, der englischen Premier League, der spanischen Primera División, der italie-
nischen Serie A und der französischen Ligue 1, nur auf dem fünften Platz (vgl. Abbildung 25).
3.4 Chancen und Perspektiven für die Bundesliga
Der Fußball wird nach derzeitiger Prognose wirtschaftlich und gesellschaftlich weiter an Bedeu-
tung zunehmen. Davon profitieren werden weiterhin auch Werbung, Sponsoring und Medien. Als
Dienstleistungsbranche mit entsprechend geringer Produktivitätsentwicklung kann der Fußball
allerdings nicht über eine „Mengenausweitung“ expandieren, sondern er muss zusätzliche Nach-
frage in einem Qualitätswettbewerb mit anderen Branchen der Unterhaltungs- und Freizeitwirt-
schaft generieren. Hinzu kommt, dass es vermehrt auch Negativschlagzeilen im Fußball gegeben
hat. Vor allem der Wettskandal im Jahr 2005 mit Manipulation, Betrug und Korruption zeigt, dass
es im Fußball auch zu Fehlentwicklungen gekommen ist. Die Vermarktung des Fußballs hat – bei
aller notwendigen Professionalisierung – ihre natürlichen Grenzen in der gesellschaftlich gewach-
senen und historisch begründeten Identität des Fußballs. Denn immer ist es die Verankerung als
Breitensport in einer Gesellschaft, die eine massenhafte Identifikation mit dem Sport auslöst,
seine Popularität begründet und insoweit eine Kommerzialisierung erst möglich macht. Und wo
Werte wie Fairness und Teamgeist propagiert werden, sind die Gefahr und der Schaden, die durch
Betrug und Missbrauch dieser Werte entstehen, besonders gravierend, weil hierdurch die Glaub-
würdigkeit des Sports in Zweifel gezogen und insoweit seiner Kommerzialisierung schließlich die
moralische Grundlage entzogen wird.
Mit Zunahme der wirtschaftlichen Bedeutung werden sich jedoch auch die Strukturen im Profi-
Fußball nachhaltig verändern. Traditionelle und für den Fußball spezifische Verhaltensmuster
und Organisationsstrukturen werden im Zuge eines höheren Professionalisierungsgrades ver-
UEFA-Fünf-Jahreswertung der fünf großen Ligen
60
50
40
70
20
10
0
30
80
Serie A BundesligaPrimera Division Ligue 1Premier League
Quelle: UEFA (2008), Stand: 7. April 2008 HSH Nordbank
2003/04 2004/05 2004/05 2006/07 2007/08
14,3
12,4
15,6
19,0
13,3
11,3
15,6
14,4
16,6
8,9
14,0
15,4
11,9
9,6
13,5
11,4
10,8
10,0
6,9
4,7
10,6
10,4
9,5
12,8
15,4
Abb. 25
9 Nach der UEFA-Fünfjahreswertung berechnet sich die sportliche Stärke der europäischen Ligen, woraus sich schließlich die
Anzahl der Mannschaften bestimmt, die an den europäischen Wettbewerben teilnehmen dürfen. Die Liga-Wertung für eine
Saison ergibt sich dabei als Durchschnitt der Punkte aller an europäischen Wettbewerben teilnehmenden Vereine einer Liga.
schwinden. Kennzeichen der zunehmenden Professionalisierung wird eine stärkere funktionale
Differenzierung in den Vereinen sowohl im sportlichen als auch im wirtschaftlichen Bereich sein.
Weiterhin stellt sich die Frage, inwieweit sich die althergebrachten und teilweise aus dem spezifi-
schen Wettbewerb auf dem Sportmarkt begründeten Strukturen ökonomisch rechtfertigen lassen.
Insofern ist zu fragen, ob Regulierung des Spielbetriebs hier noch der Sicherstellung des sport-
lichen Wettbewerbs und der Ausgeglichenheit der Liga dient oder aber sich bereits Ineffizienzen
herausgebildet haben, die Struktur erhaltend wirken, statt Reformbedarf aufzudecken. Zusätz-
liche Wettbewerbsparameter für die Vereine, etwa durch eine freiere Vertragsgestaltung, können
helfen, neue Organisations- und Finanzierungsformen, eine effizientere Steuerung von Prozessen
und innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln und im Wettbewerb zu erproben.
Denn trotz aller Kommerzialisierung und auch Professionalisierung weist der Fußball aufgrund
von Marktunvollkommenheiten noch erhebliche, bislang aber ungenutzt gebliebene Effizienz-
potenziale auf. Oft nicht genügend qualifizierte Manager, wenig innovationsfreudige Trainer und
halbprofessionelle Schiedsrichter sind Ausdruck und Folge traditioneller Verhaltensmuster und
Organisationsstrukturen im Fußball, die infolge fehlenden Reformdrucks nie oder nur sehr lang-
sam erneuert worden sind. So ist die gängige Praxis, altgediente Profifußballer nach ihrer aktiven
Karriere in das Fußballgeschäft einzubinden, im Einzelfall sicherlich erfolgversprechend, sollte
allerdings nicht der Regelfall sein. Die Komplexität des Fußballgeschäfts erfordert vielmehr die
Orientierung an marktüblichen Einstellungskriterien, zu denen neben Arbeitserfahrung auch
wirtschaftliche Kompetenzen zählen sollten. Allerdings sollte bei der zunehmenden Professio-
nalisierung nicht der Unterhaltungswert des Fußballs außer Acht gelassen werden, der nicht aus-
schließlich von dem Geschehen auf dem Rasen abhängt. Polarisierende Persönlichkeiten und
schillernde Charaktere haben im deutschen und internationalen Fußball immer eine wichtige
Rolle gespielt und tragen entscheidend zur Anziehungskraft des Fußballs bei.
Weiter voranschreiten wird die Internationalisierung der Vermarktung. Wie schon jetzt werden
auch in Zukunft internationale Top-Clubs verstärkt versuchen, in andere Märkte (v. a. Asien, das
erst am Anfang eines Fußball-Booms steht) einzutreten und sich als Marke dort frühzeitig zu posi-
tionieren. Als strategische Instrumente hierfür dienen Trainingslager und Vorbereitungsspiele in
den jeweiligen Ländern, dort ansässige Sponsoren, die die Vereinsmarke transportieren sollen,
und nicht zuletzt Spieler aus diesen Ländern, um über personenbezogenes Merchandising
Breitenwirkung und Bekanntheit zu erzielen. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass diese
Formen der internationalen Vermarktung und des Branding nur wenigen, international bekann-
ten und erfolgreichen Vereinen wie Real Madrid oder Manchester United offen stehen. Für alle
anderen Vereine stellt die regionale und oft sogar an einzelne Städte gebundene Verankerung und
Identifikation seitens der Fans in der Vermarktung eine zumindest mittelfristig unveränderliche
Restriktion dar.
Auch der gesellschaftliche und soziodemografische Wandel in der Zuschauerstruktur wird anhal-
ten. Hier kann es in Zukunft zu beträchtlichen Verschiebungen auch im Konsumverhalten kom-
men. Bei Funktionären, Spielern und Zuschauern hat dieser Mentalitätswandel schon seit länge-
rer Zeit eingesetzt, der an die Stelle lebenslanger Identifikation mit einem Verein den kurzfristi-
gen Eventkonsum gesetzt hat. Dies kann aus Sicht des traditionellen Fans eine nicht uneinge-
schränkt positive Entwicklung darstellen, wie etwaige Unmutsbekundungen der Fanbasis im
Laufe der aktuellen Saison gezeigt haben.10
Wirtschaftsfaktor Fußball I 37
10 Prominentes Beispiel ist hier die Mitgliederversammlung des FC Bayern München, auf der sich Fans des Vereins über die
schlechte Stimmung der zahlungskräftigen Anhängerschaft beschwert hatten.
38 I Wirtschaftsfaktor Fußball
4. Der HSV im Norden
4.1 Die „Raute im Herzen“: Die Erfolgsstory eines Dinos
Als am 29. September 1887 der SC Germania gegründet wurde, war dies die Geburtsstunde eines
der ältesten, größten sowie traditions- und erfolgreichsten Fußballvereine Deutschlands. Es dauer-
te dann noch einige Jahre, bis sich am 2. Juni 1919 der SC Germania mit dem FC Falke 1906 und
dem Hamburger FC 1888 offiziell zum Hamburger Sportverein zusammenschlossen und der neu
gegründete Verein seine sportliche Heimstätte am Hamburger Rothenbaum fand, wo schon seit
1910 der Hamburger FC beheimatet war. Zu den Vereinsfarben wurden die Farben rot und weiß
der Hansestadt Hamburg bestimmt. Blau und schwarz waren die Vereinsfarben des SC Germania
und wurden aus diesem Grund in das Vereinswappen übernommen; die Raute entstammt der
Hamburger Handelsschifffahrt.
Zunächst stand der HSV jedoch im Schatten anderer Hamburger Traditionsvereine, wie St. Pauli
oder Altona 93. Doch der sportliche Aufstieg des HSV verlief rasant. Und mit ihm sind in Ham-
burg und auch darüber hinaus unvergessene Namen verbunden: Uwe Seeler und Charly Dörfel in
den 50er und 60er Jahren, Rudi Kargus und Kevin Keegan in den späten Siebzigern, Trainer Ernst
Happel und Felix Magath in den legendären Achtzigern, Miroslav Okonski und Valdas Ivanauskas
in den Neunzigern sowie aktuell Trainer Huub Stevens und Rafael van der Vaart.
Als in der Saison 1963/64 zum ersten Mal die eingleisige Bundesliga stattfand, gehörte der HSV
zu den 16 Gründungsmitgliedern. In der Saison 1995/96 stiegen der 1. FC Kaiserslautern und
Eintracht Frankfurt und 1997/98 der 1. FC Köln jeweils zum ersten Mal aus der Bundesliga ab. Der
HSV blieb als letztes Gründungsmitglied der Bundesliga übrig, das in der nunmehr fast 45-jäh-
rigen Geschichte der Bundesliga ununterbrochen der höchsten deutschen Spielklasse angehörte.
Völlig zu Recht also kann sich der HSV damit als Dino der Bundesliga titulieren. Der HSV konnte
sowohl national als auch international zahlreiche Titel gewinnen (vgl. Tabelle 3).
Die Erfolge des Hamburger SV
Erfolge Jahr
Deutscher Meister 1922 (offiziell verzichtet ), 1923, 1928, 1960, 1979, 1982, 1983
Deutscher Pokalsieger 1963, 1976, 1987
Europapokal der Pokalsieger 1977 (2:0 gegen RSC Anderlecht )
Europapokal der Landesmeister 1983 ( 1:0 gegen Juventus Turin)
Quelle: HSV (2008)
Höhepunkt in der Vereinsgeschichte waren die Jahre zu Beginn der 80er mit der Krönung 1983,
als im Finale des Europapokals der Landesmeister Juventus Turin durch ein Tor von Felix Magath
mit 1:0 bezwungen wurde. Seitdem wartet der HSV jedoch – abgesehen von dem DFB-Pokalsieg
1987 – auf einen weiteren großen Titel. Zwar rangiert der HSV in der ewigen Bundesligatabelle
auf dem dritten Platz (vgl. Tabelle 4), die letzten beiden Jahrzehnte waren aber – von wenigen
Ausnahmen abgesehen – von sportlichem Mittelmaß geprägt (vgl. Abbildung 26). Es deutet jedoch
derzeit vieles darauf hin, dass der HSV wirtschaftlich und sportlich gut aufgestellt ist und in
naher Zukunft wieder an alte erfolgreiche Zeiten wird anknüpfen können.
Die ewige Tabelle
Rang Verein Spiele G U V Tore Differenz Punkte
1 FC Bayern München 1449 814 341 294 3079:1695 1384 2783
2 Werder Bremen 1451 640 356 455 2476:2016 460 2276
3 Hamburger SV 1484 622 398 464 2458:2066 392 2264
4 VfB Stuttgart 1416 599 351 466 2411:2017 394 2148
5 Borussia Mönchengladbach 1364 551 372 441 2397:1998 399 2025
6 Borussia Dortmund 1347 554 353 440 2275:1996 279 2015
7 1. FC Kaiserslautern 1400 549 350 501 2239:2187 52 1997
8 1. FC Köln 1297 538 324 435 2242:1910 332 1938
9 FC Schalke 04 1315 497 344 474 1915:1941 -26 1835
10 Eintracht Frankfurt 1313 489 333 491 2136:2047 89 1800
11 Bayer 04 Leverkusen 973 396 282 295 1603:1324 279 1470
12 VfL Bochum 1075 338 278 459 1507:1741 -234 1292
13 Hertha BSC 869 327 221 321 1289:1326 -37 1202
14 MSV Duisburg 905 281 243 381 1216:1460 -244 1086
15 1. FC Nürnberg 872 281 221 370 1159:1382 -223 1064
16 Fortuna Düsseldorf 752 238 206 308 1120:1329 -209 920
17 Karlsruher SC 736 222 213 301 1005:1276 -271 879
18 Eintracht Braunschweig 648 228 165 255 879:981 -102 849
Quelle: Transfermarkt (2008), Stand: Februar 2008
Wirtschaftsfaktor Fußball I 39
Tabellenplatzierungen des HSV in der Bundesliga
12
9
1
3
6
15
1 4 7 10 13 16 19 22 25 28 31 34 37 40 43
Quelle: DFL (2008), Darstellung des HWWI HSH Nordbank
Abb. 26
40 I Wirtschaftsfaktor Fußball
4.2 Regionalwirtschaftliche Effekte des HSV
Der HSV hat in den vergangenen fünf Jahren seinen Umsatz deutlich steigern können (vgl.
Abbildung 27).
Entsprechend haben sich auch die regionalwirtschaftlichen Effekte des HSV auf Hamburg und
den Norden erhöht. Für die Höhe und Richtung der Effekte spielt die Verteilung des Umsatzes
eine wichtige Rolle. So sind aufgrund des hohen Zuschauerzuspruchs in der HSH Nordbank Arena
mit einem Schnitt von über 55.000 Zuschauern die Einnahmen aus dem Spielbetrieb bzw. dem
Ticketing im Vergleich zu anderen Bundesligavereinen sehr hoch (vgl. Abbildung 28).
Der Fußballbundesligist Hamburger SV hat eine Vielzahl von wirtschaftlichen Effekten für die
Stadt Hamburg, deren Ausmaße die üblichen Dimensionen eines klassischen Sportvereins weit
übersteigen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit empfiehlt es sich, die regionalwirtschaftlichen
Auswirkungen eines Fußballbundesligisten in nachfrage- und angebotsseitige Aspekte zu unter-
scheiden (vgl. Hamm 1998 und 1999).
Gesamterlöse des HSV in Mio. Euro*
80
60
40
63 66 7075
102
120
10
0
100
120
2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07
* Gesamterlöse ohne Transfererlöse und Mehrwertsteuer.
Quelle: Deloitte (2007, 2008) HSH Nordbank
Abb. 27
Verteilung der Einnahmen in der Saison 2006/07 nach Kategorien in %
TV-Einnahmen 30,0%
Werbung 34,0%Spielbetrieb 36,0%
Quelle: Deloitte (2008) HSH Nordbank
Abb. 28
Auf der Nachfrageseite stellt sich folgendes Bild dar: Zunächst hat die Existenz des HSV direkte
Einkommens- und Beschäftigungseffekte für Hamburg. So beschäftigt der Hamburger Sportverein
insgesamt 100 Personen, darunter Spieler, Trainer und Betreuer sowie ein umfangreiches Verwal-
tungs- und Managementteam. Hinzu kommen pro Heimspiel (17 Bundesligaheimspiele pro Saison
zzgl. internationale Spiele) rund 1500 Teilzeitkräfte, die zum Ordnungspersonal, Catering etc.
zählen und insoweit in der hier verwendeten Abgrenzung nicht den direkten Beschäftigten zu-
geordnet werden. Allein aufgrund der direkten Beschäftigung kann der HSV somit als ein mittel-
ständisches Unternehmen charakterisiert werden.
Von den direkten Einkommens- und Beschäftigungseffekten gehen wiederum induzierte Effekte
aus, da ein Großteil des Einkommens über Konsum und Investitionen in Hamburg verbleibt (siehe
Abbildung 29). Dies hat zur Folge, dass durch die erhöhte Nachfrage in Hamburg über einen
regionalen Multiplikatoreffekt wiederum neue Arbeitsplätze und Einkommen entstehen. Ent-
scheidend ist dabei, inwieweit die direkten Einkommen in Hamburg ausgabewirksam werden und
zu weiterer Wertschöpfung führen. Die Höhe der Multiplikatorwirkung hängt von verschiedenen
Faktoren ab und muss im Einzelfall für jeden Verein und Standort berechnet werden. Darüber
hinaus tätigt der HSV in unregelmäßigen Abständen umfangreiche Investitionen in die Infra-
struktur, die indirekte Beschäftigungs- und Einkommenseffekte zur Folge haben. So wurden im
Rahmen des Neubaus der HSH Nordbank Arena 94 Millionen Euro investiert und kurzfristig neue
Arbeitsplätze geschaffen. Zusätzlich wurden in den letzten Jahren diverse Bauvorhaben und Um-
baumaßnahmen realisiert, um die Vermarktungsmöglichkeiten der Arena zu optimieren oder die
Nachwuchsarbeit zu intensivieren. Da ein Großteil der ausführenden Bauunternehmen und Sub-
unternehmer aus Hamburg stammt, verzeichnet die Region Hamburg positive Beschäftigungs-
und Einkommenseffekte. Ein weiterer indirekter Effekt resultiert aus dem Umstand, dass der HSV
eine Reihe von Produkten und Dienstleitungen als Vorleistungen aus der regionalen Wirtschaft
bezieht, um seine eigene Dienstleistung „Profifußball“ zu erbringen. Diese Posten reichen von
Ausgaben für Sportausrüstung oder Vermarktung bis zur Beauftragung eines externen
Ordnungsdienstes, der den reibungslosen Ablauf am Spieltag regelt.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 41
Einkommens- und Beschäftigungseffekte
Quelle: Darstellung des HWWI HSH Nordbank
Fußball-Bundesliga-Club
Vorleistungsverflechtungen
Direkte EffekteEinkommenswirkung
Angrenzende Effekte
Indirekte EffekteInduzierte Effekte
Gesamte Einkommens- und Beschäftigungseffekte
Abb. 29
42 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Schließlich kommt zu einem Bundesligaspiel des HSV ein Teil der Zuschauer aus dem Hamburger
Umland sowie aus anderen Regionen Deutschlands. Diese Besucher konsumieren im Rahmen des
Bundesligaspiels diverse Güter und nehmen verschiedene regionalbezogene Dienstleistungen in
Anspruch (z.B. Restaurants, Schnellimbiss, Kneipen, Taxis). Zudem verknüpfen viele Zuschauer,
die von außerhalb kommen, den Besuch eines Bundesligaspiels mit einer oder mehreren Über-
nachtungen in Hamburg, um sich die touristischen Attraktionen anzusehen, kulturelle Angebote
wahrzunehmen oder in der Innenstadt einzukaufen. Diese Form von Kurzreisen in Metropolen,
der so genannte Städtetourismus, verbindet Sightseeing mit Shopping und erfreut sich in
Deutschland einer steigenden Beliebtheit (vgl. Opaschowski et. al. 2006). Somit profitiert nicht
nur der HSV von den Besuchern eines Fußballspiels, sondern auch die regionale Gastronomie,
Hotellerie und verschiedene kulturelle Institutionen. In diesem Zusammenhang spricht man von
angrenzenden Beschäftigungs- und Einkommenseffekten, die im Rahmen des Bundesligaspiels
durch Konsum und Inanspruchnahme von fußballfernen Gütern und Dienstleistungen geschaffen
werden. Ein Teil dieser Ausgaben würde jedoch auch ohne die Existenz des HSV getätigt werden und
muss insoweit aus den regionalwirtschaftlichen Nettoeffekten des HSV herausgerechnet werden.
Die quantitativen Ausmaße der beschriebenen Effekte in Bezug auf Einkommen und Beschäfti-
gung sind im Ergebnis sehr unterschiedlich (vgl. Tabelle 5). Insgesamt entsteht im Zusammen-
hang mit dem HSV netto ein Einkommenszufluss bzw. zusätzliche Wertschöpfung in Höhe von
84 Mio. Euro für die Region Hamburg und das Umland. Das Hamburger Bruttoinlandsprodukt
betrug im Jahr 2007 zum Vergleich knapp 90 Mrd. Euro. Dem Einkommenseffekt des HSV steht
ein Beschäftigungseffekt in Höhe von rund 740 Vollzeitarbeitsplätzen gegenüber. Der anfängliche
Ausgabenimpuls muss dabei um Vorleistungen, Importe sowie Steuern und Ersparnis bereinigt
werden, um von der Umsatzgröße auf Wertschöpfung und schließlich das Einkommen schließen
zu können. So ist davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der Wertschöpfungskette außerhalb
Hamburgs angesiedelt ist, z.B. findet die Produktion von Merchandising-Artikeln vornehmlich im
Ausland statt.
Regionalwirtschaftliche Einkommens- und Beschäftigungseffekte des HSV*
Einkommen Beschäftigung in
in Mio. Euro Vollzeitäquivalenten**
Direkter Effekt 52 100
Angrenzender Effekt 10 200
Indirekter Effekt 10 200
Induzierter Effekt 12 240
Gesamteffekt 84 740
Quelle: Schätzungen und Berechnungen des HWWI
* Es finden hier ausschließlich dauerhafte Effekte Berücksichtigung (Berechnungen auf Basis des Jahres 2007). Einmalige Effekte durch Bauinvestitionen werden nicht
erfasst.
** Für die Berechnung der Beschäftigung in Vollzeitäquivalenten wurde der durchschnittliche Bruttoarbeitgeberlohn in vergleichbaren Branchen und Berufen zugrunde
gelegt.
Schätzungen für den SV Werder Bremen und Borussia Mönchengladbach haben zum Vergleich in
der Summe aller Effekte 334 bzw. 347 Arbeitsplätze ergeben (Hamm 2007; Willms & Fischer 2001).
Für den HSV und Hamburg sind aufgrund der Größe des regionalen Marktes und der Attraktivität
des Standortes die Einkommens- und Beschäftigungseffekte deutlicher größer.
Auf Seiten des Angebotes lassen sich grundsätzlich drei verschiedene regionalwirtschaftliche
Effekte des HSV unterscheiden: Erstens erhöht der HSV vor allem durch Spiele in europäischen
Wettbewerben oder anderen internationalen Turnieren, aber auch durch Trainingslager, Transfers
und ausländische Spieler den Bekanntheitsgrad der Stadt. Bei jeder Berichterstattung über den
HSV wird nicht nur der Name des Clubs genannt, sondern automatisch auch der Name der
Stadt Hamburg. So ist davon auszugehen, dass der HSV und die Stadt Hamburg in Italien vielen
Menschen durch die Niederlage von Juventus Turin im Endspiel um den Landesmeisterpokal 1983
bekannt geworden und in nachhaltiger Erinnerung geblieben sind. Die Steigerung des Bekannt-
heitsgrades wirkt sich einerseits positiv auf die Anziehungskraft für ausländische Touristen aus.
Andererseits kann der größere Bekanntheitsgrad das Interesse ausländischer Investoren und
Unternehmen wecken, sich in der Stadt anzusiedeln (vgl. Hamm 2007).
Zweitens hat der HSV direkte Auswirkungen auf das Image der Stadt Hamburg. Während der
Bekanntheitsgrad einen neutralen Charakter hat, bezeichnet das Image die Wahrnehmung der
Stadt Hamburg in der nationalen und internationalen Öffentlichkeit. In der regionalökonomi-
schen Forschung ist es mittlerweile Konsens, dass das Image einer Region ein zentraler Standort-
faktor für Unternehmen und Arbeitskräfte ist. Im europäischen Wettbewerb der Metropolen
gewinnen so genannte weiche Standortfaktoren, wie das Image oder die Toleranz einer Region,
zunehmend an Bedeutung. Dies erklärt sich damit, dass diese Faktoren für die Standortentschei-
dung von hochqualifizierten Arbeitskräften häufig den Ausschlag geben (vgl. Florida 2002). Hier
fällt dem HSV eine Schlüsselrolle zu, indem er mit seiner Außendarstellung, seinen sportlichen
Erfolgen und seinen Fans aktiv das Image der Stadt Hamburg prägt. Zeiten des Erfolges wie die
Jahre 79–83 wirken sich unmittelbar positiv auf das Bild der Stadt Hamburg aus, wobei sich die
Assoziation der Stadt mit sportlichem Erfolg noch über Jahre auch bei ausbleibenden Titeln halten
kann (hier sei auf das Beispiel Mönchengladbach verwiesen). Neben der sportlichen Leistung zählt
auch die Haltung und Botschaft, die ein Verein an die Öffentlichkeit transportiert. So vermittelt
der HSV durch sein mit internationalen Spielern gespicktes Team nach außen Toleranz und
Weltoffenheit, was in Einklang mit dem Image von Hamburg steht, welches der Stadt traditionell
zugeschrieben wird und welches sie aktiv für sich reklamiert.
Drittens ist der HSV selbst ein Standortfaktor für die Stadt Hamburg. Auf der einen Seite wirkt
sich die Existenz eines Bundesligisten positiv auf die Ansiedlung weiterer mit dem Fußball oder
der Freizeitwirtschaft verbundener Unternehmen aus. Neben Herstellern und Verkäufern von
Fanartikeln sind hier Reiseunternehmen und Catering-Firmen zu nennen, die von einem Fuß-
ballbundesligisten profitieren bzw. sich in dessen Umfeld gründen. Dieser Effekt verstärkt sich
durch das Prinzip der kumulativen Attraktivität, dem zufolge der Erfolg verschiedener Freizeit-
angebote mit räumlicher Nähe zueinander steigt. Fußballstadien haben demnach dann den größ-
ten Zulauf und ökonomischen Mehrwert, wenn sie mit fußballfernen Angeboten aus Gastronomie
und Unterhaltung kombiniert werden. Genau dieses Prinzip scheint bereits zu greifen, wenn man
die Entwicklung in den neuen deutschen Stadien wie der HSH Nordbankarena betrachtet. (vgl.
Hamm 2007). Darüber hinaus schafft die Existenz eines Fußballvereins mit seiner Infrastruktur
Wirtschaftsfaktor Fußball I 43
44 I Wirtschaftsfaktor Fußball
(Anbindung öffentlicher Nahverkehr, Parkplätze etc.) ein attraktives Umfeld für andere Sport-
anbieter und Institutionen, sich dort anzusiedeln. Im Falle Hamburgs ist hier die ColorLineArena
zu nennen, die in unmittelbarer Nähe zum Stadion des HSV errichtet wurde, um Größenvorteile
zu realisieren. Schließlich kann der HSV indirekt ein Standortfaktor sein, indem er die Attrak-
tivität der Stadt Hamburg erhöht. So kann es für fußballinteressierte Menschen ein vorrangiges
Standortkriterium sein, ob es in einer Stadt möglich ist, Spiele der Fußballbundesliga bzw. des
Europapokals zu besuchen.
4.3 Neue Märkte und wirtschaftliche Potenziale
Für die sportliche und wirtschaftliche Zukunft des HSV ist es von Bedeutung, neue Märkte zu
erschließen und existierende ökonomische Potenziale zu entdecken und auszuschöpfen. Der zen-
trale Aspekt in diesem Zusammenhang ist das Potenzial an Fans und Zuschauern, da diese als
Konsumenten des Spiels und Adressaten der Werbewirtschaft die zentrale Voraussetzung für die
Erschließung von Einnahmequellen für den Verein darstellen.11 Zu diesem Kreis zählen sowohl
aktive Fans, die zu einem Bundesligaspiel ins Stadion kommen, als auch passive Anhänger, die aus
unterschiedlichen Gründen nicht ins Stadion gehen und ihre Identifikation und Unterstützung
auf andere Weise ausdrücken. Das Fan- und Zuschauerpotenzial eines Fußballbundesligavereins
lässt sich durch drei verschiedene Determinanten charakterisieren (siehe Abbildung 30): das
räumliche Potenzial, das Image-Potenzial und das soziodemographische Potenzial.
Das räumliche Potenzial eines Vereins definiert sich über die Größe des regionalen Einzugs-
gebiets, das einem Verein zur Verfügung steht. Dieses ist sowohl von der geographischen Lage
eines Clubs als auch von der Anzahl und der Entfernung anderer Vereine im regionalen Umfeld
abhängig. Das Image-Potenzial wird bestimmt durch das Bild, das ein Verein in der Öffentlichkeit
besitzt, und welches bestimmte Personengruppen anspricht. Als Beispiel kann hier der SC
Freiburg genannt werden, der in Deutschland das Image eines alternativen Fußballvereins hat,
und somit Personen anzieht, die eine gewisse Nonkonformität im Profifußball zu schätzen
11 Darüber hinaus bilden die Anhänger eines Fußballvereins die zentrale Basis eines Clubs, ohne die der Spielbetrieb reiner
Selbstzweck wäre und seinen eigentlichen Charakter verlieren würde.
Determinanten des Fan- und Zuschauerpotenzials
RegionalwirtschaftlichesPotenzial
Soziodemografisches Potenzial
Image-Potenzial
Quelle: Darstellung des HWWI HSH Nordbank
Abb. 30
wissen. Schließlich bestimmt sich das Zuschauerpotenzial eines Vereins über die soziodemogra-
phische Struktur der Personen, die er erreicht. Hier haben die Ausführungen in Kapitel 3 gezeigt,
dass im Laufe der letzten Jahre ein Wandel stattgefunden hat, so dass nun auch vermehrt ehemals
fußballferne Schichten sich mit dem Fußballsport identifizieren.
Die Dimension des Zuschauerpotenzials eines Vereins hängt nun von zwei Komponenten ab: Von
der Größe der einzelnen Potenziale sowie deren Schnittmenge. So nützt es wenig, wenn ein Ver-
ein ein großes Einzugsgebiet hat, aber das Image des Vereins nur bestimmte Gruppen anspricht,
die in der Region nur wenig vertreten sind. Aus diesem Grund verwundert es nicht, dass ein
Verein wie Schalke 04 sein Image als Arbeiter- und Bergbauverein kultiviert, um möglichst viele
Personen im Ruhrgebiet zu erreichen und die Identifikation mit ihm zu ermöglichen.
Im Folgenden wird das Fan- und Zuschauerpotenzial des HSV charakterisiert, um den Status Quo
abzubilden und mögliche Entwicklungschancen aufzuzeigen. Das räumliche Zuschauerpotenzial
des HSV kann erfasst werden, indem man die regionale Verteilung der Fanclubs betrachtet (siehe
Abbildung 31).12 Je dunkler die Farbe einer Region, desto mehr Einwohner sind Mitglied in einem
HSV Fanclub. Wie erwartet, zeigt sich eine deutliche Konzentration rund um die Stadt Hamburg,
wobei insbesondere im Süden Hamburgs viele Anhänger des HSV in Fanclubs organisiert sind.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 45
12 Bei dieser Methode werden zwar lediglich die organisierten Fans erfasst, es ist jedoch davon auszugehen, dass mit einem
Fanclub in der Regel proportional eine Reihe zusätzlicher Anhänger assoziiert sind. Darüber hinaus werden insbesondere
Regionen mit einem hohen Anteil an HSV-Fans eine große Anzahl an mitgliederstarken Fanclubs aufweisen.
HSV-FanclubsAnzahl der Mitglieder in Fanclubspro PLZ-Bezirk
>= 300
>= 150
>= 80
>= 30
>= 15
>= 1
Quelle: FIFA (2008), Darstellung und Berechnungen des HWWI HSH Nordbank
Regionale Verteilung der HSV-Fanclub-Mitglieder Abb. 31
46 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Weiterhin wird deutlich, dass im Norden Hamburgs bis zur dänischen Grenze viele organisierte
HSV-Fans beheimatet sind, was sich mit der Position des HSV als nördlichstem Bundesligaclub
erklären lässt. Interessant ist, dass dieser Zusammenhang auch für die Regionen zwischen
Hannover und Frankfurt zu gelten scheint. Hier ist zwar kein Bundesligist ansässig, doch wäre zu
erwarten gewesen, dass im Norden Hannover 96 und im Süden Eintracht Frankfurt das Einzugs-
gebiet begrenzen. Dass dies nicht der Fall ist, und der HSV trotz der beiden Vereine starke Anhän-
gerschaft aufweist, kann mit der überregionalen Attraktivität des HSV als auch mit dem wechseln-
den sportlichen Erfolg von Hannover und Frankfurt begründet werden. In den neuen Bundes-
ländern hat der HSV seine meisten organisierten Fans zwischen Berlin und Cottbus, was darauf
zurückzuführen sein könnte, dass mit Thomas Doll und Frank Rohde zwei prominente Spieler
vom BFC Dynamo Berlin Anfang der 90er Jahre zum HSV wechselten. Insgesamt zeigt sich, dass
der HSV im nördlichen Raum bis auf den SV Werder Bremen keine Konkurrenten hat und dass
sein Einzugsgebiet weit über den Hamburger Raum hinausreicht.
Die zweite Determinante des Fan- und Zuschauerpotenzials ist das regionalwirtschaftliche Umfeld
eines Vereins. Wie Abbildung 32 zeigt, verfügt der HSV mit 160,4 Mrd. Euro im Vergleich zu
Bayern München mit 159,8 Mrd. Euro über ein fast identisches regionales Marktpotenzial, gegenü-
ber Werder Bremen mit 91,4 Mrd. Euro ist der Abstand sogar relativ deutlich. Das Marktpotenzial
setzt sich dabei zusammen aus dem Eigenmarktpotenzial, dem Bruttoinlandsprodukt der jeweils
betrachteten Region, sowie dem gewichteten Bruttoinlandsprodukt der umliegenden bzw. angren-
zenden Regionen; die Gewichtung erfolgt dabei nicht nach räumlicher Distanz, sondern nach
zeitlicher Erreichbarkeit (vgl. Schlitte und Niebuhr 2008). Wie die Abbildung zeigt, werden für
den HSV, Werder Bremen und den FC Bayern München das Kerngebiet sowie die jeweils angren-
zenden Raumordnungsregionen zugrunde gelegt. Diese bilden das engere Einzugsgebiet ab und
bestimmen daher zum einen das unmittelbare Fan- und Zuschauerpotenzial, zum anderen die
Kaufkraft und Größe des regionalen Marktes. Um das Marktpotenzial spezifischer auf Fußball ein-
zugrenzen, könnten zielgruppenbezogen weitere konstituierende soziodemografische Merkmale,
wie z.B. Alter, Geschlecht, Bildung etc., herangezogen werden.
Wirtschaftliche Kennzahlen
Mitglieder Zuschauerschnitt Transferwert Umsatz 06/07
Bayern München 140.000 69.000 240 Mio. Euro 226 Mio. Euro
Hamburger SV 53.000 55.343 1 12 Mio. Euro 140 Mio. Euro
Werder Bremen 33.000 40.272 144 Mio. Euro 106 Mio. Euro
Quelle: Transfermarkt (2008)
Das Marktpotenzial ist insbesondere für regionale und lokale Sponsoren von Interesse, deren
Aktivitäten auf einen hohen Werbe- und Imageeffekt abzielen. Insoweit ist mit Blick auf die
Akquise von Sponsoren ein großes Marktpotenzial auch für die Vereine selbst vorteilhaft. Spon-
soren jedoch, die mehr auf überregionale Werbeeffekte abzielen, machen ihr Engagement öfter
vom sportlichen Erfolg eines Vereins abhängig. So finden sich bei weniger erfolgreichen Vereinen,
deren Medienpräsenz entsprechend gering ist, häufig lokale Sponsoren, während erfolgreiche
Vereine oder solche, die in Image und Tradition über Alleinstellungsmerkmale verfügen, von
zumeist überregional bekannten Unternehmen gesponsert werden. Insgesamt zeigt sich, dass von
den wirtschaftlichen Voraussetzungen her der HSV langfristig zu Bayern München aufschließen
und sich im Norden gegenüber Werder Bremen durchsetzen sollte, wenngleich es neben der
Größe des regionalen Marktes noch andere wichtige Determinanten für die langfristige
Entwicklung von Fußballvereinen gibt.
Befasst man sich mit dem Image-Potenzial des HSV, wird schnell deutlich, dass die Stadt Hamburg
durch eine besondere Situation gekennzeichnet ist, da mit dem HSV und dem FC St. Pauli zwei
Profifußballvereine in der Stadt beheimatet sind. Beide Vereine müssen sich die Sympathien, die
Medienpräsenz und den Zuschauermarkt in Hamburg teilen, so dass das Image eines Vereins ein
zentrales Differenzierungskriterium darstellt. Grundsätzlich bietet der Sport dabei ein breites
Spektrum an Werten wie Fairness, Wettbewerbsgeist, Authentizität, Modernität etc. Der HSV
besetzt und pflegt seit vielen Jahren das Image eines bürgerlich-hanseatischen Vereins, der für
Tugenden wie Sportsgeist, Einsatzbereitschaft, Seriosität und Weltoffenheit steht. Ein weiteres
wichtiges Element im Image des HSV ist die lange ruhmreiche Tradition des Clubs, in der auf
zahlreiche nationale und internationale Titel zurück geblickt werden kann. Zudem profitiert der
HSV davon, das einzige Gründungsmitglied der Bundesliga zu sein, das noch nie abgestiegen ist.
Exemplarisch für das Image des HSV steht die Person Uwe Seeler, der auf und neben dem Platz als
tadelloser Sportsmann galt und gilt, und herausragende Leistungen glaubhaft mit Werten wie
Fairness und Bescheidenheit verbindet.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 47
Quelle: VGR der Länder (2008), Modell und Berechnungen des HWWI HSH Nordbank
Marktpotenziale für Hamburg, Bremen und München
Bremen
München
91,4 Mrd €
159,8 Mrd €
Hamburg
160,4 Mrd €
Abb. 32
48 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Im Gegensatz hierzu hat der FC St. Pauli das Image eines alternativen Vereins, der vornehmlich
durch die ungewöhnliche Fankultur geprägt ist. Während die Stimmung bei Fußballspielen in der
Regel eng mit dem sportlichen Erfolg der Mannschaft verknüpft ist, scheint dieser Zusammen-
hang beim FC St. Pauli nicht zu gelten. Selbst nach dem Abstieg in die Regionalliga waren der
Zuschauerzuspruch und die Euphorie ungebrochen. Dies kann damit erklärt werden, dass sich
die Anhänger nicht primär über sportliche Erfolge definieren, sondern ihre Identifikation mit
dem Verein mehr Ausdruck eines allgemeinen Lebensgefühls ist. So sind die Fans größtenteils
einer alternativ-toleranten Szene zuzuordnen, und sie bestimmen das Image des Clubs als
„Freibeuter und Freudenhaus“ des deutschen Fußballs.
Die inhaltlichen Unterschiede im Image der beiden Clubs werden durch die Tatsache verstärkt,
dass der HSV für die Stadt Hamburg steht, während der FC St. Pauli einen bestimmten Stadtteil
und dessen Lebensgefühl in Hamburg repräsentiert. Dies drückt sich nicht nur in den Namen
beider Vereine aus, sondern spiegelt sich auch in der Außendarstellung wider. Der HSV versteht
sich als Repräsentant der Stadt Hamburg und hat viele traditionelle Elemente und Werte der
Stadt Hamburg in seine Außenkommunikation integriert. Aktuell wird diese Verknüpfung durch
das Gemeinschafsprojekt „Hamburger Weg“ institutionalisiert, um in Zusammenarbeit mit der
Stadt und lokalen Unternehmern Hamburg als Sportstadt zu positionieren.13 Im Gegensatz hierzu
bezieht sich der FC. St Pauli immer wieder auf die Verwurzelung in seinem Stadtteil und firmiert
auch als „Kiezclub“. Es sind somit die diametral unterschiedlichen Charakteristika beider Vereine,
die Identifikation seitens der Fans schaffen und die oft schon im Kindesalter sozialisierte Zuge-
hörigkeit zu der einen oder der anderen Anhängerschaft bestimmen. Aus ökonomischer Sicht ist
diese inhaltliche Abgrenzung der beiden Vereine zu begrüßen, da durch die unterschiedlichen
Profile der Markt potenzieller Anhänger nahezu vollständig abgedeckt wird. Im Fall des FC St.
Pauli kann man sogar davon sprechen, dass der Markt erweitert wird, da das Image über das
traditionelle Rekrutierungsfeld von Fußballfans hinausreicht.
Die soziodemografische Struktur des Fanpotenzials des HSV kann anhand von Daten des AWA
Sportprofils abgebildet werden, die zuletzt im Frühjahr 2007 mittels einer Umfrage unter der
deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren in Privathaushalten erhoben wurde. Als Abgrenzungskrite-
rium wurden in der vorliegenden Studie alle Personen ausgewählt, die angaben, „ganz besonders
am HSV“ interessiert zu sein. Diese sehr weite Definition eines Fans wurde bewusst ausgewählt,
da alle Personen mit großem Interesse der potenziellen Zielgruppe des HSV und seiner Sponsoren
zuzurechnen sind. Um einen Vergleich mit dem demografischen Potenzial mit anderen Bundes-
ligisten zu ermöglichen, wurden exemplarisch die entsprechenden Daten für den FC Bayern
München und den SV Werder Bremen ausgewertet. Während sich die Auswahl von Bayern
München mit seiner Rolle als Branchenprimus begründet, wurde Werder Bremen als nördlicher
Rivale des HSV ausgewählt.
Die Auswertungen zeigen, dass ca. 7,7 Millionen Menschen großes Interesse am HSV zeigen. Zum
Vergleich: Am FC Bayern München zeigen sich 14,5 Millionen Menschen sehr interessiert, wäh-
rend sich für den SV Werder Bremen 10,3 Millionen Menschen ganz besonders interessieren. Die
im Vergleich zum SV Werder Bremen relativ gering anmutende Anhängerschaft des HSV kann
damit erklärt werden, dass der HSV in den letzten Jahren nur sporadisch und mit wechselndem
13 Die Initiative wurde bereits mit zwei Preisen ausgezeichnet; zum einen mit dem Politikaward 2007, zum anderen mit
dem 15. International Sponsoring Award 2008 in der Kategorie „Innovation“.
Erfolg an internationalen Wettbewerben teilgenommen hat. Auch nationale Titel konnten nicht
errungen werden. Im Gegensatz hierzu hat der SV Werder Bremen durch seine Meisterschaften
und Pokalsiege sowie die Präsenz in der Champions League überregional eine hohe Aufmerksam-
keit genossen und konnte so viele neue Anhänger außerhalb des eigenen regionalen Einzugs-
gebietes gewinnen. Von den HSV-Fans sind knapp 25 % weiblich. Dieser hohe Anteil an Frauen
mag aufgrund der traditionellen Rolle des Fußballs als Männersport überraschen, deckt sich aber
mit der zunehmenden Öffnung und Attraktivität des Fußballs für Frauen. Interessant ist hier,
dass diese Entwicklung beim FC Bayern München bereits weiter fortgeschritten ist (31% weiblich),
während der Anteil bei Werder Bremen nahezu gleich ist. Bei der Altersstruktur weisen die Aus-
wertungen darauf hin, dass sich die Anhängerschaft über alle Alterstufen verteilt.
Es wird aber auch deutlich, dass der HSV vor allem bei den älteren Bevölkerungsgruppen einen
hohen Zuspruch findet (vgl. Abbildung 33). Demnach sind lediglich 30% der am HSV interessier-
ten Personen unter 40. Diese Verteilung ist einerseits eine Folge der demographischen Struktur
in Deutschland, andererseits spiegelt sie das hohe Sportinteresse der älteren Bevölkerung wider.
So ist die Alterstruktur der Anhänger von Werder Bremen nahezu identisch. Dass diese Alters-
verteilung jedoch nicht zwangsläufig ist, wird am Beispiel des FC Bayern München deutlich,
dessen Anhängerschaft zu 36 % jünger als 40 ist. Dies zeigt, dass in der Identifikation des HSV
bei jüngeren Fußballinteressierten noch Spielraum besteht.
Auch in Relation zur Gesamtbevölkerung zeigt sich, dass der HSV in den jüngeren Bevölkerungs-
gruppen nur unterproportional, in älteren Bevölkerungsgruppen dagegen überproportional
vertreten ist (vgl. Abbildung 34).
Wirtschaftsfaktor Fußball I 49
HSV-Fans nach Alter in %
14-19 6,1%
40-49 15,7%
50-59 17,0%
60-69 21,8%
70 und älter 15,0%
30-39 13,6%
20-29 10,8%
Quelle: Sportfive (2007), Berechnungen des HWWI HSH Nordbank
Abb. 33
50 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Schließlich zeigt die Abbildung 35, dass der HSV in allen Einkommensgruppen über Anhänger
und Fans verfügt. Auffällig ist, dass die traditionelle Vorstellung über ein überproportional starkes
Fußballinteresse in den unteren Einkommensschichten durch die Daten nicht bestätigt wird. Die
Auswertungen belegen vielmehr, dass der HSV insbesondere in den mittleren und oberen Ein-
kommensgruppen auf reges Interesse stößt. Die Berechnungen für den FC Bayern München und
den SV Werder Bremen deuten darauf hin, dass dieses Strukturmerkmal kein Einzelfall ist, son-
dern dass dieser positive Zusammenhang für den Bundesligafußball allgemein gilt.14
Bezogen auf die Gesamtbevölkerung zeigt sich, dass die HSV-Fans leicht überproportional in den
mittleren Einkommensklassen vertreten sind (vgl. Abbildung 36). Insgesamt folgt die Fanstruktur
des HSV in der Einkommensverteilung weitgehend der Gesamtbevölkerung. Dies bestätigt, dass
Fußball über alle Einkommensklassen hinweg in gleichem Ausmaß in der Gesellschaft etabliert ist.
HSV-Fans nach Alter in Relation zur Gesamtbevölkerung
in % der Bevölkerung in % der HSV-Fans
15
10
50
0
20
25
14-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70 und älter
Quelle: Sportfive (2007), Berechnungen des HWWI HSH Nordbank
Abb. 34
HSV-Fans nach monatlichem Haushaltsnettoeinkommen in %
unter 1.000 9,2%
2.000 bis 2.500 16,0%
2.500 bis 3.000 23,0%
3.500 und mehr 16,1%
1.500 bis 2.000 19,6%
1.000 bis 1.500 16,1%
Quelle: Sportfive (2007), Berechnungen des HWWI HSH Nordbank
Abb. 35
14 Diese Verschiebungen in der Zuschauerstruktur werden aktuell in einem Forschungsprojekt des HWWI analysiert.
4.4 Fazit
Der HSV ist einer der traditionsreichsten Sportvereine Deutschlands, der aktuell versucht, an
die ruhmreiche Vergangenheit anzuknüpfen. Es konnte gezeigt werden, dass der HSV eine große
regionalwirtschaftliche Bedeutung für die Stadt Hamburg hat, die weit über die klassischen
Dimensionen eines Sportvereines hinausreichen. So gehen vom HSV jährlich direkte und indirekte
Einkommens- und Beschäftigungseffekte in Höhe von 84 Millionen Euro bzw. 740 Beschäftigten
aus. Darüber hinaus erzielt der HSV auch auf Seiten des Angebotes regionalwirtschaftliche
Effekte: Neben der Steigerung des Bekanntheitsgrades der Stadt Hamburg nimmt der HSV großen
Einfluss auf das Image, mit dem die Stadt in der Öffentlichkeit assoziiert wird. Zudem ist der HSV
ein Standortfaktor, da er die Ansiedlung von Unternehmen der Freizeitwirtschaft begünstigt und
die Attraktivität der Stadt erhöht.
Für die sportliche und wirtschaftliche Zukunft des HSV wird es von Bedeutung sein, neue Zu-
schauerpotenziale zu entdecken und auszuschöpfen. Hier zeigt sich, dass der HSV über ein großes
räumliches Fanpotenzial verfügt, das sich in Deutschland bis an die dänische Grenze erstreckt.
Bezüglich des regionalwirtschaftlichen Umfelds, das sich nach dem regionalen Bruttoinlands-
produkt bemisst, hat der HSV im Vergleich zum SV Werder Bremen eine hervorragende Aus-
gangsposition. Während das Image des HSV aufgrund der Koexistenz des FC St. Pauli wenig
Gestaltungsspielraum offen lässt, zeigt sich, dass der Verein über ein großes soziodemografisches
Potenzial verfügt, das nur zu Teilen genutzt wird. Insbesondere Frauen und jüngere Alters-
gruppen sind im Vergleich zu anderen Vereinen eher unterrepräsentiert.
Es kann somit konstatiert werden, dass der HSV trotz seiner langjährigen sportlichen „Under-
performance“ Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre noch immer über hervor-
ragende „Fundamentaldaten“ verfügt. Insbesondere das wirtschaftliche und soziodemografische
Umfeld in Hamburg birgt große Potenziale für den HSV. Zur Ausschöpfung dieser Potenziale wird
es von entscheidender Bedeutung sein, sportlichen Erfolg zu erzielen. Neben nationalen Titeln
zählt hier vor allem die Teilnahme an internationalen Wettbewerben, da diese eine überregionale
Aufmerksamkeit garantieren und die Erschließung neuer Finanzierungsquellen ermöglichen.
Wirtschaftsfaktor Fußball I 51
HSV-Fans nach Einkommen in Relation zur Gesamtbevölkerung
in % der Bevölkerung in % der HSV-Fans
15
10
5
0
20
25
unter 1.000 1.000 bis 1.500 1.500 bis 2.000 2.000 bis 2.500 2.500 bis 3.000 3.500 und mehr
Quelle: Sportfive (2007), Berechnungen des HWWI HSH Nordbank
Abb. 36
52 I Wirtschaftsfaktor Fußball
Neben den sportlichen Parametern kann die Anhängerschaft durch gezielte Marketingmaß-
nahmen weiter vergrößert werden. Hierbei sollte das langfristige Fanpotenzial nicht außer Acht
gelassen werden. Dieses zeichnet sich durch eine enge emotionale Bindung der Anhänger zum
Verein aus, die mehr durch Identifikation geprägt ist als durch den kurzfristigen Eventkonsum
eines Spitzenspiels in der Bundesliga. Ausschließlich den Eventcharakter des Spiels zu kommuni-
zieren und auszubauen, erhöht daher das langfristige Fanpotenzial nicht nachhaltig. Gelingt es
dem HSV, die aufgezeigten Potenziale zu erschließen und auszuschöpfen, verfügt der HSV über
alle Vorraussetzungen und Standortbedingungen für eine große wirtschaftliche und sportliche
Zukunft.
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