_Text ’ Gavin McClurg _Foto ’ Jody MacDonald
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Um Logbücher ranken sich viele Mythen. Denn neben der routinemäßigen Schilderung des Alltags auf hoher See wird in ihnen auch das Unvorhersehbare verarbeitet. Die Seereisen von „The Best Odyssey“ zu unerforschten Kite-Destinationen zielen genau auf diesen Abenteueraspekt ab. Auf dem Segeltörn durch die so atemberaubend schöne wie gefährliche Atoll-Landschaft Französisch-Polynesiens versammelte sich mit Mauricio Abreu, Clinton Bolton, Moehau Goold und Josh Mulcoy eine erlesene Crew um den Kapitän und Initiator der „The Best Odyssey“, Gavin McClurg. Sein Logbuch offenbart den Reiz des Abenteuers.
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Für mich ist das Leben eine Aneinanderreihung von Augenblicken.
Wenn wir uns auf das konzentrieren, was bereits geschehen ist oder was
uns noch bevorsteht, verlieren wir den Bezug zu dem, was im Jetzt ge-
schieht. Aber genau das sollte meiner Meinung nach unser Leben be-
stimmen. Und auch wenn man die richtige Gewichtung für sich gefunden
hat, habe ich schon häufig erlebt, dass es einigen Leuten immer noch
schwer fällt, diese kostbaren Augenblicke zu begreifen. Diese Geschich-
te handelt davon, was wir gefunden haben, was wir zurück gelassen ha-
ben und wie jeder von uns außergewöhnliche Augenblicke in sich auf-
saugt. Besondere Augenblicke sind nichts ohne die richtige Crew. Erst
mit talentierten und motivierten Charakteren wird das erfahrbar, was wir
an Bord als „episch“ bezeichnen. Die erfahrenen Wellen-Kiter Moehau
Goold, Mauricio Abreu, Josh Mulcoy und Clinton Bolton stellen eine gute
Grundlage dar. Eine perfekte Wettervorhersage, die Wind und Wellen
verspricht, kommt einem auch gelegen. Denn unser Ziel ist es, perfekte
Wellen zu kiten.
Bevor wir in See stechen, betrachten wir die Seekarte und stellen
hochtrabende Überlegungen an, was funktionieren könnte und was nicht.
Dabei tut sich ein Problem auf: Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse
über die Spots in unserer nahen Umgebung; sie existieren nur in den
Köpfen der lokalen Fischer und Surfer - wenn überhaupt. Von den mei-
sten wissen wir nicht mal, wie sie heißen. Das ist ein Grund dafür, wa-
rum die Namen der Plätze, die wir ansteuern, nicht genannt werden. Der
zweite Grund: Wir wollen diese Spots für die Einheimischen erhalten, die
unglaublich großzügig und freundlich uns gegenüber waren.
Unser Trip beginnt in dem “gefährlichen Archipel“, einer Kette von
Atollen, die sich über ganz Französisch-Polynesien erstreckt. Diese Atolle
bestehen aus gewaltigen Korallen-Ringen, die für Schiffe schwer auszu-
machen sind. Es ist eine gefährlich scharfe Grenze, die vor Jahrtausenden
um Berge herum wuchs und seit langer Zeit verschwunden ist. Jetzt sind
daraus Lagunen geworden, umgeben von durchscheinendem Wasser,
das nur so von Fischen und jeglichen Wasserlebewesen wimmelt. Die
meisten Atolle kann man vom Ozean aus über ein oder zwei kleine Riff-
durchfahrten erreichen. An diesen neuralgischen Punkten zeigt sich die
Unterwasserwelt in all ihrer Schönheit - und ihrer Gefährlichkeit in Form
von Haien und halsbrecherischen Wellen. Da wir für diese Zeit des Jahres
auch mit einer gesunden Dosis Passatwind rechnen können, hoffen wir
auf den recht unwahrscheinlichen Fall von sauberen, kitebaren Wellen.
Das Navigieren in unseren ersten Lagunen gestaltet sich aufgrund
von Perlenfarmen, welche die einzig ausgewiesene Route säumen, als
besonders knifflig. Die Discovery, ein 17 Meter langer Katamaran, läuft
pünktlich zum Sonnenaufgang aus. Da wir dem Rat eines Ortskundigen
folgen, wähnen wir uns in Sicherheit – und trotzdem verfängt sich un-
ser Boot, das nur 1,40 Meter Tiefgang hat, in einem Seil. Nach einem
kurzen, klärenden Tauchgang geht es vorsichtig weiter. Leider finden wir
keine großen Wellen. Doch die Jungs erhaschen immerhin ein paar kleine
Wellen sowohl mit als auch ohne Kite. Allein schon die Szenerie mit den
hin- und herschwankenden Palmen auf den von Sandstrand umgebenen
„Motus“ (Polynesisch für kleine Riffinseln eines Atolls) zaubert allen ein
Lächeln aufs Gesicht. Später am Abend kommt etwas vom verstorbenen
Natur-Enthusiasten und Vorzeige-Abenteurer Steve Irwin in Clinton
durch. Er lässt sich auf einen Ringkampf mit einer Horde kleinerer Haie
ein, die von den Überbleibseln eines am Vortag gefangenen Thunfisches
angelockt werden. Die Affinität zu diesen scharfzähnigen Räubern muss
auf sein südafrikanische Blut zurück zu führen sein. Wir, die ihre Finger
behalten wollen, halten gebührenden Abstand.
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01 ’ Das Paradies auf Erden, wo auch der Umgang mit
den Kollegen von der paddelnden Fraktion entspannt ist
02 ’ Moehaus typischer “Bottom-Turn-Gesichtsausdruck“
bringt pure Andacht zum Vorschein
03 ’ Nach seinem Riffkontakt und der anschließenden
Behandlung wird Mr. Bolton zu Mr. Pink
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04 ’ Clinton gibt sich als Hai-Flüsterer
06 ’ Joshs solide Bottom Turns sind der Garant
für seine kraftvollen Top Turns – ohne Schlaufen
05 ’ Moehau mit einem knüppelharten
Snap, frei nach dem Motto „Rhythm Is a Dancer”
Den nächsten Morgen lichten wir den Anker um vier Uhr früh und
segeln mit dem Wind von achtern in Richtung Norden. Der Wind weht mit
guten 20 Knoten, und alles sieht danach aus, als würde sich dieser eine
Woche lang halten können. Unterwegs fangen zwei unserer Gäste, Scott
und Chris, zwei anderthalb Meter große Fächerfische, die von unserem
Küchenteam, Hannah und Lars, zu einem köstlichen Sushi verarbeitet
werden. Kurz bevor die Sonne untergeht, segeln wir in eine kleine Bucht,
in der Scott und Moehau eine Flachwasser-Session einlegen.
Am nächsten Tag macht uns der Wind einen Strich durch die Rech-
nung. Er geht auf drei Knoten herunter, so dass wir den Motor anschmei-
ßen müssen, um ein weiteres Atoll zu erreichen. Schon aus der Ferne
können wir eine kopfhohe, linksbrechende Welle ausmachen. Und das
Beste daran: niemand liegt im Line-Up. Josh greift sein Board und springt
sofort ins Wasser, noch bevor ich überhaupt erahnen kann, was hier vor
sich geht. Moehau folgt ihm auf dem Fuße, Auch Mauricio und Clinton
suchen wie wahnsinnig nach ihren Boards. Keiner will der letzte im Was-
ser sein. Schnell stellt sich heraus, dass die Welle gleichermaßen perfekt
wie gefährlich ist. Mauricio macht zuerst Bekanntschaft mit dem Riff und
schlitzt sich seinen Ellbogen auf. Kurze Zeit später folgt Clinton, der mit
dem kompletten Körper über die messerscharfen Korallen gezogen wird
und jetzt an Bauch, Rücken, Beinen und Füßen blutet. Wir verarzten die
beiden Pechvögel und beobachten Moehau und Josh dabei, wie sie im-
mer wieder in der Tube verschwinden. Mauricio will es noch einmal wis-
sen und paddelt erneut raus. Nach einem missglückten Take-Off hämmert
ihn die Welle erneut kopfüber aufs Riff. Und zwar dermaßen heftig, dass
er eine Gehirnerschütterung davon trägt und genäht werden muss. Josh
und Moehau fischen ihn aus dem Wasser und wuchten ihn an Bord. Als
Mauricio uns leicht abwesend immer wieder die gleichen Fragen stellt,
wissen wir was zu tun ist. Wir steuern unverzüglich den nächsten Hafen
an, wo es glücklicherweise einen Anlegeplatz und ein Krankenhaus gibt.
Unter Mithilfe der freundlichen Einheimischen bringen wir ihn in eine Kli-
nik, in der sein Kopf sofort genäht wird. Ein Großteil von Clintons Haut
wird von einer pinkfarbenen Jodschicht überdeckt. Ihre Zeit im Wasser
ist vorbei.
Nach einem weiteren Wellenreittag an einem Break in der Nähe der Stadt nutzen wir den Motor, um gegen den Wind anzukommen und auf eine abgeschiedene Motu im Inneren der Lagune zu gelangen. Bei der Ankunft reicht ein Blick in die Gesichter aller. Der Versuch, die Umge-bung mit dem Adjektiv „schön“ zu beschreiben, wäre pure Untertreibung. Der Traum eines jeden Kitesurfers: spiegelglattes Wasser hinter dem Riff, langgezogene Sandbänke zum Starten der Kites und die Gewissheit, dass an diesem Spot noch niemand je zuvor gekitet ist. Am nächsten Tag nimmt der Wind zu und wir bauen kleine Kites auf. Moehau und Scott machen Tricks über eine kleine Landzunge und ich gebe Chris die ersten Kite-Stunden. Während ich Chris upwinds geleite, passiert es: Moehau übersieht mich und landet einen Slim Chance direkt auf meinem Rücken. Wundersamer Weise schmerzt es nicht, mir wird aber ein wenig schummrig.
Am Abend folgen wir der Einladung, an einem traditionellen Essen auf einer der größten Perlenfarmen Polynesiens teilzunehmen. Es gibt Spanferkel. Die Perlenfarm wird von Sandbänken umgeben, die nicht breiter als 100 Meter sind. Die Leeseite ist frei von Tampen und Netzen, so dass Scott und ich es uns nicht verkneifen können, eine schnelle Kite-Session einzulegen. Die anderen erkunden die Insel und bekommen ein Foto zu sehen, das einen fünf Meter großen Tigerhai zeigt, der einige Monate vor unserer Ankunft gefangen wurde. Ich war froh, das Bild nicht gesehen zu haben und von Haien verschont geblieben zu sein.
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07 ’ Nach frühzeitigem Abgang liegt Mauricio flach
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08 ’ Die Flugleinen hängen durch – ein Indiz
dafür, dass Josh die Kraft der Welle voll ausnutzt
Nach dem Essen hissen wir die Segel und dümpeln raumschots unter einem mondlosen, unheilverkündenden Himmel über die Lagune. Wir müssen auf einem benachbarten Atoll Proviant bunkern, um danach unseren letzten Stopp anlaufen zu können, der eine perfekte links- und rechtsbrechende Welle beherbergen soll. Jeder geht in Erwartung einer ruhigen Überfahrt in seine Koje. Doch vorerst müssen wir, die an Deck ge-blieben sind, die schmale Ausfahrt durch den Riffgürtel passieren. Keine einfache Aufgabe – noch nicht einmal bei Tageslicht. Der Wind bläst uns mit 30 Knoten um die Ohren und die aufkommende Ebbe sorgt für eine Strömung von über fünf Knoten. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Zur Sicherheit lasse ich den Motor im Leerlauf mitlaufen, um ihn jederzeit zur Unterstützung einsetzen zu können. Jody sitzt vor dem GPS-Gerät und sagt mir, wo es lang geht. Dann bricht buchstäblich die Hölle über uns herein. Urplötzlich sehe ich, wie sich eine drei Meter hohe Wasserwand vor uns aufbaut und die Discovery an den Rand der Manövrierunfähig-keit treibt. Ich erwecke den Motor aus seinem Leerlauf und merke, wie mir ein Adrenalinrausch durch die Venen schießt, als ich rechts und links von uns das wenige Zentimeter unter der Wasseroberfläche lauernde Riff ausmache. Doch so schnell es über uns gekommen ist, so schnell wer-den wir wie ein Stein von einem Katapult auf den offenen Ozean hinaus geschleudert.
Die Fahrt in die pechschwarze Nacht ähnelt mehr einer Flucht, so sehr hat der Beinahe-Riffkontakt unsere Nerven strapaziert. Wir halten an unserem Plan fest, zuerst Nahrungsmittel an Bord zu schaffen und danach mit Unterstützung der aufgehenden Sonne eine weitere heim-tückische Riffdurchfahrt zu passieren. Unsere Pläne werden von einer perfekten Rechten durchkreuzt, die sich wie eine Fata Morgana vor uns auftut. Josh und Moehau fackeln nicht lange und montieren ihre Finnen in Rekordzeit, während Clinton und Mauricio immer noch damit beschäftigt sind, ihre Wunden zu lecken. Der leicht ablandige Wind serviert den bei-den Übriggebliebenen eine Tube nach der anderen.
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09 ’ Josh Mulcoy ist im Hauptberuf Surfpro
und hat eigentlich ein Faible für kühle Reiseziele
wie Island oder Norwegen
10 ’ Moehau zeigt mit seinem Surfboard
eine völlig neue Freestyle-Dimension auf
11 ’ „Best Odyssey“-Teilnehmer Scott und
Koch Lars arbeiten Hand in Hand bei der
Beschaffung des Abendessens
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12 ’ Clinton war froh, dass er nach seiner
Verletzung zu Beginn des Trips immerhin cruisen konnte
13 ’ Wer wie Moehau in Französisch-Polynesien
aufgewachsen ist, kennt und springt über die
entlegensten Landzungen
„The Best Odyssey“ ist ein Unternehmen, das auf einem Time-Share-Konzept basiert. Durch den Erwerb eines Firmenanteils hat man das Anrecht auf einen zehn- oder vierzehnwöchigen Trip pro Jahr, je nach Höhe der Einlage. Das Hauptziel der insgesamt fünf Jahre andau-ernden Kitesurf-Expedition besteht darin, die wenigen unberührt geblie-benen Destinationen unseres Planeten anzusteuern und zu erkunden. Dabei legt Gavin McClurg, Geschäftsführer und Kapitän in Personaluni-on, viel Wert auf die Umsetzung des Abenteuers. Für den begeisterten Kitesurfer und Wassersport-Fanatiker gehört ein zweiköpfiges Küchen-team auf Weltniveau ebenso dazu wie auch der Einsatz für den Erhalt unserer Umwelt.
„The Best Odyssey“ läuft seit Februar 2007. Die geplanten Rou-ten und weitere Details zum Geschäftsmodell gibt es unter:www.offshoreodysseys.com.
Viele wertvolle Augenblicke hatten wir bereits in unseren Köpfen abgespeichert, jetzt verdichten sich diese am Ende der Reise noch einmal zu einem paradiesischen Gesamtpaket mit frisch gefangenem Thunfisch, Segelfisch, Mahi-Mahi (barschartiger, bis zu zwei Meter großer Fisch) und exzellenten Wellen. Nur unser Freund, der Wind, verabschiedet sich an den letzten zwei Tagen. In uns allen bleibt jene Art von Schmerz zurück, die ausschließlich durch Freude und Erfüllung gelindert werden kann.
Josh Mulcoy, der in seiner langjährigen Profi-Karriere als Freesur-fer von Indonesien über Norwegen bis Island sämtliche Breaks unsicher gemacht hat, sagte, dass er auf diesem Trip die beste Session seines Lebens hatte. Moehau Goold, der mit Teahupoo regelmäßig eine der be-sten Wellen der Welt surft, sagte, dass die hier gesurften Wellen zu den besten seines Lebens gehören. Und trotz seiner frühzeitigen Verletzung stimmt Mauricio Abreu versöhnliche Töne an, wenn auch mit einem Hauch Ironie: „Das war der beste Trip meines Lebens!“ Für mich persönlich, der seit acht Jahren über die Weltmeere schippert, war es eine Reise, an die alles bisher Dagewesene nicht einmal ansatzweise heran reicht. Aus irgendeinem Grund hatten wir das Karma auf unserer Seite.
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