Entwicklung der visuellen Wahrnehmung
und deren Einflüsse auf das
mathematische Denken
Abschlussarbeit
von Angela Brühl
Weiterbildung zur Lerntherapeutin
Institut für integratives Lernen und Weiterbildung, Berlin
Kurs 108
Angela Brühl · Geigerstraße 8 · 82166 Gräfelfing · Tel. 0160 1613323 · [email protected]
"Jede Folgerung, die wir aus unseren Beobachtungen ziehen, ist meistens voreilig: Denn
hinter den wahrgenommenen Erscheinungen gibt es solche, die wir undeutlich sehen, und
hinter diesen wahrscheinlich noch andere, die wir überhaupt nicht erkennen."
Gustave Le Bon, Psychologie der Massen
1
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis............................................................................................................................... 1 1 Definition von Wahrnehmung ........................................................................................... 2
1.1 Wahrnehmungsentwicklung .............................................................................................. 4 1.1.1 Entwicklung des taktilen Systems............................................................................ 5 1.1.2 Entwicklung des propriozeptiven Systems .............................................................. 6 1.1.3 Entwicklung des vestibulären Systems .................................................................... 6
1.2 Wahrnehmungsverarbeitung.............................................................................................. 8 1.2.1 Wahrnehmungsverarbeitung beim Sehen................................................................. 9 1.2.2 Top-down und Bottom-up Verarbeitung.................................................................. 9 1.2.3 Wahrnehmungskanäle und Priming ....................................................................... 10 1.2.4 Angst und Arbeitsspeicher ..................................................................................... 10 1.2.5 Drei Ebenen: Empfindung – Wahrnehmung – Kognition...................................... 11 1.2.6 Wahrnehmung erfolgt im Kontext des Umfeldes und der Bedürfnisse ................. 11 1.2.7 Reizreaktion und Feedback.................................................................................... 12
1.3 Weitere Faktoren welche die Wahrnehmung beeinflussen..............................................13 1.4 Wahrnehmungsstörung und Verarbeitungsstörung.......................................................... 14
1.4.1 Verarbeitungsstörung ............................................................................................. 14 2 Entwicklung des Sehens und der visuellen Wahrnehmung ............................................. 16
2.1 Entwicklung der Sehfähigkeit.......................................................................................... 17 2.1.1 Räumliches Sehen.................................................................................................. 17 2.1.2 Bewegungswahrnehmung ...................................................................................... 18 2.1.3 Perspektivisches Sehen .......................................................................................... 18 2.1.4 Entwicklung des Sehens ab dem Kleinkindalter ....................................................19 2.1.5 Links-Rechts und Vorne-Hinten Unterscheidung.................................................. 20 2.1.6 Drei Etappen des visuellen Lernens....................................................................... 20
2.2 Sehstörungen und visuelle Wahrnehmungsstörungen..................................................... 21 2.3 Bereiche der visuellen Wahrnehmung ............................................................................. 24
2.3.1 Lage im Raum........................................................................................................ 25 2.3.2 Räumliche Beziehungen......................................................................................... 25 2.3.3 Figur-Grund ........................................................................................................... 26 2.3.4 Formkonstanz......................................................................................................... 27
3 Test zur visuellen Wahrnehmung .................................................................................... 28 3.1 Visueller Wahrnehmungstest DTVP-2 ............................................................................ 28
3.1.1 Auge-Hand ............................................................................................................. 29 3.1.2 Nachzeichnen......................................................................................................... 29 3.1.3 Visuo-motorische Geschwindigkeit ....................................................................... 30
4 Einfluss der visuellen Wahrnehmungsleistungen auf mathematisches Denken .............. 31 4.1 Unterformen von Dyskalkulie.......................................................................................... 32 4.2 Teilleistungsstörungen im visuellen Bereich ................................................................... 33 4.3 Prävention durch Wahrnehmungstrainings...................................................................... 35 4.4 Entwicklung des räumlichen Vorstellungsvermögens..................................................... 36 4.5 Entwicklung des räumlichen Vorstellungsvermögens nach Piaget ................................. 38 4.6 Weitere Faktoren, welche visuell-räumliche Vorstellungsleistung im mathematischen
Denken beeinflussen ........................................................................................................ 40 4.7 Möglichkeiten zur Förderung von räumlichem Vorstellungsvermögen im
Mathematikunterricht....................................................................................................... 41 4.8 Triple-Code-Modell von Dehaene ................................................................................... 43 4.9 Einfluss des visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses auf mathematisches Denken....... 44 4.10 Studie zur „Früherkennung von Rechenstörungen in der Eingangsklasse der
Grundschule“ von Sabine Kaufmann............................................................................... 47 5 Schlusswort...................................................................................................................... 52 6 Literaturverzeichnis ......................................................................................................... 54
2
1 Definition von Wahrnehmung
Was wird überhaupt unter dem Begriff Wahrnehmung verstanden?
In verschiedenen Lexika und Büchern findet man die unterschiedlichsten Erklärungen.
So heißt es dort beispielsweise:
„Wahrnehmung ist eine allgemeine Bezeichnung für den komplexen Vorgang von
Sinneswahrnehmung, Sensibilität, Empfindung und integrativer Verarbeitung von
Umwelt- und Körperreizen.“ (Pschyrembel, 1998)
„Wahrnehmung bezeichnet die Summe der Schritte Aufnahme, Interpretation, Auswahl
und Organisation von sensorischen Informationen – und zwar nur jener Informationen,
die zum Zwecke der Anpassung (Adaption) des Wahrnehmenden an die Umwelt oder
deren Veränderung (Modifikation) aufgenommen werden. Gemäß dieser Definition
sind also nicht alle Sinnesreize Wahrnehmungen, sondern nur diejenigen, die auch
geistig verarbeitet werden.“ (Wikipedia, 18.06.2006)
Obwohl schon im Altertum philosophische und biologische Erklärungsmodelle zur
Wahrnehmung existierten, gibt es bis heute keine allgemeinverbindliche Definition.
Einig ist sich die Literatur darin, dass Wahrnehmung „ein elementarer Vorgang in unserem
Leben“ (D. Karch, 2001) ist und einen fortwährenden, aktiven Prozess darstellt. Er steht im
engen Zusammenhang mit der durch Aufmerksamkeitsprozesse beeinflussbaren
Reizverarbeitung, wird durch die Vernetzungsprinzipien des Gehirns mitbestimmt und
beginnt schon pränatal. Die Reize aus der Umwelt werden über die verschiedenen
Sinnesorgane ans Gehirn weitergeleitet, dort verarbeitet und untereinander in Verbindung
gebracht. Durch den Wahrnehmungsprozess erfasst der Mensch seine Sinneseindrücke
eines Augenblicks, bekommt folglich Auskunft über sich selbst und kann sich mit seiner
Umwelt auseinandersetzen.
Zudem ist die Wahrnehmung jedes Menschen individuell. Das Wahrgenommene wird mit
Erinnerungen und Erfahrungen, Gefühlen und Emotionen des Wahrnehmenden verknüpft
und ist dadurch von seinen individuellen Gedächtnisinhalten, Stimmungen und
Denkprozessen abhängig. „Wir benutzen dabei ein Erfahrungssystem, das auf unseren
3
früheren Wahrnehmungen beruht, und ein Erfassungssystem für die augenblicklichen
Reize.“ (Mayer, K.).
Wie sich die Wahrnehmung mit ihren Sinnessystemen dabei im Detail entwickelt, ist noch
immer nicht ausreichend untersucht und erforscht.
Ebenso uneinig ist sich die Literatur über die Anzahl der Sinne. Wohl findet man in den
meisten Aufzählungen die im Folgenden kurz erläuterten Sinnessysteme (in Anlehnung an
Wikipedia, 18.06.2006). Inwiefern aber beispielsweise das Empfinden von Hunger und
Durst mit dazu gehört oder ob diese Gefühle erst aus den Sinneswahrnehmungen
entstehen, sei in Frage gestellt.
Die Sinneswahrnehmungen des Menschen werden unterschieden in:
• taktile Wahrnehmung (Fühlen): Sie wird auch haptische Wahrnehmung genannt
und beinhaltet die kinästhetische Wahrnehmung.
Das wichtigste Organ für die taktile Wahrnehmung ist die Haut. Ihre Rezeptoren
nehmen Gefühlsqualitäten wie Berührung, Druck, Strukturbeschaffenheit,
Temperatur, Schmerz und Vibration auf. Die beiden untergeordneten
Funktionssysteme, nämlich das protopatische und das epikritische System, sollen
hier nur erwähnt werden.
Knochen, Muskeln, Gelenke und Sehnen sind die Organe der kinästhetischen
Wahrnehmung. Zu ihr gehört noch die propriozeptive Wahrnehmung. Deren
Rezeptoren nehmen Zustandsänderungen auf, wie den Anspannungsgrad eines
Muskels oder die Stellung von Gelenken und Knochen. Somit kann im Gehirn die
Verarbeitung zu Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit entstehen. Die
Propriozeption ermöglicht es dem Menschen in jedem Augenblick zu erkennen, wo
jeder Körperteil sich gerade befindet und in welche Richtung er sich bewegt.
Hierauf basiert die Körperwahrnehmung und Körperspannung.
• Vestibuläre Wahrnehmung (Gleichgewicht): Das dazugehörende Organ befindet
sich im Labyrinth und in den Bogengängen im Innenohr. Ihre Rezeptoren nehmen
Schwerkraft, Bewegungs- und Richtungsveränderungen auf. Hierüber ist es dem
Menschen möglich seinen Kopf aufrecht zu halten, Drehbewegungen und
Beschleunigung aufzunehmen.
• Visuelle Wahrnehmung (Sehen): Das dazugehörende Organ ist das Auge mit der
Retina. Die Rezeptoren dienen dem Wahrnehmen von visuellen Reizen wie Farben,
Kontrast, Linien, Formen, Bewegungen und räumlichen Anordnungen.
4
• Auditive/ akustische Wahrnehmung (Hören): Das dazugehörende Organ ist das
Ohr. Es erfasst z.B. Druck- und Schallwellen und reagiert auf Vibration. Somit
können Geräusche, Töne, Rhythmen und Klänge wahrgenommen werden.
• Olfaktorische Wahrnehmung (Geruch): Das dazugehörende Organ ist die Nase mit
ihrer Schleimhaut. Hierüber werden Riech- und Duftstoffe wahrgenommen.
• Gustatorische Wahrnehmung (Geschmack): Das dazugehörende Organ ist die
Zunge mit ihren Geschmacksknospen. Sie nehmen Geschmacksstoffe in der
Nahrung wahr.
Um diese unterschiedlichen Reize wahrnehmen zu können, benötigt der Mensch außer
intakten Sinnesorganen wie Augen, Ohren, etc. auch seine Nervenbahnen, sowie sämtliche
Prozesse, die im Gehirn stattfinden. Jedoch findet man sogar z.B. bei Nacke (2005, 2) die
Aussage, dass trotz „unvollkommenen peripheren Sinnesorganen (...) vollkommene
funktionelle Hirnorgane aufgebaut werden (können). Sind jedoch die funktionellen
Hirnorgane nicht optimal entwickelt, sind auch die ablaufenden Wahrnehmungsprozesse
mangelhaft.“
Auf die Theorie der Wahrnehmungsverarbeitung möchte ich jedoch erst in Kapitel 1.2
näher eingehen.
1.1 Wahrnehmungsentwicklung
In diesem Kapitel möchte ich einige allgemeine Aspekte der Entwicklung der
Wahrnehmung aufzeigen und einen groben Überblick über die Entwicklung der einzelnen
Sinnesmodalitäten geben.
Isolierte Wahrnehmung in nur einem Sinnesbereich geschieht selten. Sie findet immer im
Austausch oder in Zusammenarbeit mit anderen Sinnesmodalitäten statt.
Schon während der Schwangerschaft, also pränatal, beginnen sich die unterschiedlichen
Wahrnehmungsbereiche zu entwickeln. Karch (2001) schreibt: „Bereits Neugeborene
verfügen über außerordentlich große Fertigkeiten und Fähigkeiten in der Wahrnehmung
ihres eigenen Körpers, der Umwelt und der sozialen Interaktion“. Verschiedene Versuche
beweisen, dass schon beim jungen Säugling verschiedene Sinneswahrnehmungen
miteinander verknüpft sein müssen. Meltzoff beschreibt beispielsweise den
Zusammenhang der taktilen und der visuellen Wahrnehmung: Zwanzig Tage alten
5
Säuglingen wurden abwechselnd zum Saugen zwei verschiedene Schnuller angeboten, mit
und ohne Noppen. Anschließend zeigte man ihnen Bilder der beiden Schnuller. Sie
bevorzugten dabei die Abbildungen des zuletzt taktil Wahrgenommenen (Meltzoff et al.,
1979). Bei Lewkowicz findet man eine Verbindung zwischen visuellen und auditiven
Sinnesreizen. Drei Wochen alten Säuglingen zeigte man weißes Licht mit
unterschiedlicher Helligkeit. Hinterher ließ man sie einen Ton in unterschiedlicher
Lautstärke hören. Die Säuglinge bevorzugten den Ton, der in seiner Lautstärke (in Dezibel
gemessen) der Helligkeit des Lichtes (in Lux gemessen) entsprach (Lewkowicz et al.,
1980).
Diese aufgezeigten Fähigkeiten sind nur vorstellbar, wenn sich die Sinnesbereiche
ungefähr gleichzeitig entwickeln. Demnach vollzieht sich die Wahrnehmungsentwicklung
nicht in Stufen, bei denen die einzelnen Bereiche genau aufeinander aufbauen, sondern die
Bereiche beeinflussen sich ständig gegenseitig und haben somit fließende Übergänge
zueinander.
Die Annahme, dass die Grundlage der Wahrnehmungsentwicklung durch die Basis-
Sinnessysteme gebildet wird, ist folglich umstritten. Als Basissysteme bezeichnet man das
taktile, propriozeptive und vestibuläre System. Zwar reifen diese pränatal schon sehr früh,
jedoch können sie nicht als Grundvoraussetzung für die Entwicklung der anderen
Wahrnehmungsbereiche angenommen werden.
1.1.1 Entwicklung des taktilen Systems
Vom taktilen System weiß man, dass die Entwicklung im 2. Schwangerschaftsmonat
beginnt. Erste Reaktionen auf Berührung können in der 7.-8. Schwangerschaftswoche
(SSW) beobachtet werden, danach folgen in der 10.-12. SSW Mundreaktionen und in der
12.-16. SSW Greifbewegungen. Temperaturunterschiede, trockene Luft, Bewegung durch
Mitmenschen, o.ä. empfindet das Kind ab der Geburt. Mit 2-3 Jahren ist das taktile
Wahrnehmungssystem voll ausgebildet und es ermöglicht dem Kind sein Körperbild sowie
Körperbewusstsein zu entwickeln. Emotionale Empfindungen wie Zärtlichkeiten werden
ebenso darüber aufgenommen. Die taktile Wahrnehmung „liefert Informationen über die
Oberflächenbeschaffenheit (Rauheit, Glätte), die Konsistenz (fest, weich, hart) sowie über
Proportionen, Maße und geometrische Formen von Materialien und Gegenständen. Die
taktile Wahrnehmung ermöglicht, Dinge zu unterscheiden und trägt somit zur Entwicklung
der Formwahrnehmung und Formunterscheidung bei.“(Barth, 2000, 66)
6
1.1.2 Entwicklung des propriozeptiven Systems
Das propriozeptive System bildet sich ab dem 4. Schwangerschaftsmonat aus. Davor erlebt
sich der Fötus durch die Bewegungen der Mutter. Das Lage- und Bewegungsempfinden,
deren Richtung und Geschwindigkeit sowie die dafür notwendige Muskelkraft wird über
die Propriozeption aufgenommen. Schon ab 2 Monaten erfahren die Säuglinge mittels der
Nackenmuskulatur die Stellung ihres Kopfes zum Körper. Ab 4 Monaten ist es ihnen
möglich zu greifen, weil die dazu notwendige Koordinationsleistung über Informationen
von Muskeln und Gelenken herangereift ist. „Alle Berührungen gehen sozusagen unter die
Haut und sorgen für die erste Orientierung. (...) Kinder müssen Zuneigung hautnah spüren,
damit sie Vertrauen und Gefühlsbindung entwickeln können. Liebkosungen schaffen
Rückhalt und Sicherheit, das Kind fühlt sich angenommen.“ (Ross, 1995). Die
propriozeptive Wahrnehmung trägt ebenso zur Entwicklung des Körperschemas bei, weil
darüber „Lage und Beziehung der einzelnen Körperteile zueinander und deren
Bewegungsmöglichkeiten“ (Barth, 2000, 68) eingeordnet werden. Außerdem reguliert die
Propriozeption den Muskeltonus, der für die Körperaufrichtung sowie die Koordination
wichtig ist. Daraus folgt, dass das taktile, propriozeptive und vestibuläre System eng
miteinander arbeiten.
1.1.3 Entwicklung des vestibulären Systems
Das vestibuläre System bildet sich vom 3.-7. Schwangerschaftsmonat aus. Es liefert
„Informationen über Lage- und Haltungsveränderungen als auch über Dreh- und
Fortbewegung des Körpers (...). Es ist für die Aufrechterhaltung des Körpers und für die
Orientierung im Raum verantwortlich und sorgt dafür, dass beim Gehen (...) das
Gleichgewicht erhalten bleibt. Es reguliert die Stellung des Kopfes zum Körper (...).“
(Barth, 2000, 72). Die Bogengänge und die Sinneszellen bilden sich beispielsweise in der
6. und 7. SSW und ermöglichen dem Embryo generelle Bewegungen. Mit der
fortschreitenden Entwicklung des Zentralnervensystems differenzieren sich die
Bewegungen. Ab der 32. SSW kann das Kind somit sich selbst eine angenehme Stellung
bei Lageveränderung der Mutter suchen. Dies geschieht reflektorisch durch die aufrechte
Kopf- und Körperhaltung. „Ein selbständiger Mensch steht mit beiden Beinen am Boden,
er ist nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen“ (nach Ross, 1995). Neben Fähigkeiten wie
Gehen, Stehen und Sitzen ist ein gut funktionierender Gleichgewichtsinn aber auch eine
Vorbedingung für die Aufmerksamkeit. „Müsste sich das Kind ständig auf die Erhaltung
7
seines Gleichgewichtes konzentrieren, wäre es damit ausreichend beschäftigt und könnte
dem Unterricht nicht folgen“ (Metzler, 2001).
Über eine pränatale Ausbildung weiß man aber nicht nur von den Basis-Sinnen. Auch von
den übrigen Sinnen hat man herausgefunden, dass sie während der Schwangerschaft nicht
nur angelegt werden, sondern einzelne Fähigkeiten schon funktionieren.
So kann ein Ungeborenes bereits gegen Ende der Schwangerschaft die Stimme der Mutter
hören und erkennt sie später wieder. Das Unterscheiden von Geräuschen, das Erkennen aus
welcher Richtung das Geräusch kommt o.ä. muss dann noch gelernt werden.
Das visuelle System ist der Sinn, der erst nach der Geburt wirklich benutzt werden kann.
Er entwickelt sich ab dem 8. Schwangerschaftsmonat, so dass das Neugeborene dann in
der Lage ist, hell und dunkel zu differenzieren und in einem Abstand von 20-40cm
verhältnismäßig scharf zu sehen. Aber nicht nur das Erkennen eines Gegenstandes durch
Fixieren oder das Verfolgen eines sich bewegenden, sondern auch die Koordination
unserer eigenen Bewegungen, räumliches Denken, innere Vorstellung, usw. basiert auf der
visuellen Wahrnehmung.
(sämtliche Angaben entnommen bei Augustin, 1995; Barth, 2000; Wikipedia, 18.06.2006).
Über die genetisch vorgegebene Reifung und die vielen verschiedenen Erfahrungen, die
das Kind macht, entstehen im Gehirn viele Verbindungen, sogenannte dendritische
Verzweigungen und synaptische Verknüpfungen. Deshalb ist es wichtig, dass Kinder in
sämtlichen Wahrnehmungsbereichen nachahmen und explorieren. Nur dadurch können sie
Erfahrungen über sich selbst und ihre Umwelt sammeln, die später für schulische
Leistungen erforderlich sind.
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1.2 Wahrnehmungsverarbeitung
Um seine Umwelt und sich selbst wahrnehmen zu können, ist der Mensch mit
verschiedensten Rezeptorzellen ausgestattet. Einige Zellen reagieren auf Licht, dies sind
die visuellen Zellen. Andere nehmen Geräusche (auditive Zellen) oder Berührung (taktile
Zellen) auf, Geschmack (gustatorische Zellen) oder Geruch (olfaktorische Zellen). „Die
Sinnesorgane sind die Empfangsstationen für die Außeninformation. Wir haben also ein
vielfältiges „multimodales“ Gedächtnissystem. In ihm werden die eintreffenden
Umgebungsreize den verschiedenen Sinneskanälen zugeordnet, um dann im
Kurzzeitgedächtnis weiter verarbeitet zu werden. Der visuelle Kanal nimmt dabei die
meisten Informationseinheiten pro Sekunde auf. Zweitgrößter Empfangskanal ist der
akustische Kanal, der unsere Hörempfindungen bündelt.“ (Born & Oehler, 2005).
Jeder Zelltyp besitzt eigene Nervenbahnen sowie einen Zielort im Gehirn. Die
Wahrnehmung beginnt folglich mit einem Umgebungsreiz, der aus unserer Umwelt
kommt, oder einem inneren Reiz, etwas was wir in uns empfinden.
Welche Reize wir wahrnehmen können, hängt von unseren Sinnesorganen ab.
„Verschiedene Tierarten können ganz andere Reize wahrnehmen, die menschlichen
Sinnesorganen verschlossen sind. Vögeln dient die Wahrnehmung des Magnetfeldes als
zusätzliche Orientierungsmöglichkeit, (...) Es ist davon auszugehen, dass diese Tiere
alleine durch ihre andersgearteten Sinnesorgane auch eine ganz andere Wahrnehmung
unserer Welt haben.“ (Mayer, K.)
Ein Reiz wird von einer entsprechenden Zelle aufgenommen und in einen weiterleitbaren,
neurophysiologischen Impuls umgewandelt. Der Impuls läuft durch die aufsteigenden
(afferenten) Nervenbahnen zum zentralen Nervensystem. Schon auf Rezeptorebene wurde
selektiert, welche Reize überhaupt weitergeleitet werden. Vor Eintritt in die einzelnen
Gehirnareale wird nochmals gefiltert, das heißt nur ein Bruchteil von dem was unsere
Sinnesrezeptoren aufnehmen wird weiter verarbeitet. Diese Selektion ist erforderlich, um
Reizüberflutung und daraus resultierende Beeinträchtigungen in der Orientierung zu
vermeiden. Man nennt diesen Vorgang auch die selektive Aufmerksamkeit. „Es handelt
sich hierbei um eine aktive Ausrichtung der Aufmerksamkeit. (...) Der größte Teil der
eintreffenden Sinnesinformationen geht sofort wieder verloren, da sie den Filter der
selektiven Aufmerksamkeit nicht überwinden.“ (Born & Oehler, 2005).
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1.2.1 Wahrnehmungsverarbeitung beim Sehen
Beim Sehvorgang beispielsweise gelangt der visuelle Reiz über die Sinnesrezeptoren wie
die Stäbchen und Zapfen auf die Netzhaut des Auges. Eine Viertelsekunde später wird
dieser Reiz dann schon bewusst wahrgenommen.
Im Gehirn wurde innerhalb dieser Viertelsekunde jeder einzelne Bestandteil des
Wahrgenommenen in speziellen Gehirnarealen verarbeitet, beispielsweise die Farben und
Formen des Bildes, die räumlichen Beziehungen und die Lage im Raum. Die einzelnen
daraus entstandenen Eindrücke wurden wiederum zu einem Gesamtmuster
zusammengefügt. Ein umfassendes Bild ist entstanden.
Darauf folgte die Vernetzung mit anderen cerebralen Hirnstrukturen, die mit bereits
gemachten Erfahrungen und Wahrnehmungen, sowie dem individuellen Gedächtnis
vergleichen. Die Assoziation, die darüber entstand, wurde mit Inhalten aus anderen
Bereichen verknüpft und interpretiert. Somit konnte das Gehirn dem zu Beginn auf die
Netzhaut gefallenen visuellen Reiz eine Bedeutung verleihen.
Die Bedeutungen werden also jedes mal neu konstruiert, definiert, variiert und moduliert.
Hierbei ist es gleich, ob es sich um einfache Empfindungen wie Formen oder Farben
handelt oder aber um komplexe Tätigkeiten wie Lesen, Rechnen oder Denken.
Der Mensch erfährt auf diese Weise etwas über seine Umwelt und über sich selbst.
1.2.2 Top-down und Bottom-up Verarbeitung
„Grundsätzlich unterschieden wird bei den verschiedenen Wahrnehmungstheorien
zwischen Top-down- und Bottom-up-Verarbeitung. Bei der Top-down-Verarbeitung geht
die Informationsaufnahme vom Vorwissen, und damit von höheren Zentren im Gehirn aus.
Es bestehen also in diesem Fall kognitive Einflüsse auf die Wahrnehmung. Einfacher zu
untersuchen ist die Bottom-up-Verarbeitung, dabei bildet zunächst der Sinnesreiz die
Grundlage, erst in der späteren Verarbeitung werden die höheren Zentren mit ins Spiel
gebracht.“ (Mayer, K.). In oben genannter Darstellung handelt es sich grundsätzlich um
eine Sinneswahrnehmung, also um „bottom-up“, wobei der Reiz durch die Rezeptoren
aufgenommen, verarbeitet und wahrgenommen wurde. Gleichzeitig versuchte aber auch
das Gehirn Rückschlüsse auf die erhaltenen Sinnesreize zu erzielen, wobei die Reize durch
das „top-down“ eine zusätzliche Einflussnahme und Interpretation erfuhren.
10
1.2.3 Wahrnehmungskanäle und Priming
Wahrnehmung findet in aller Regel in mehreren Wahrnehmungskanälen gleichzeitig statt.
Diese unterstützen sich gegenseitig, wodurch die Leistung verbessert wird, sie
kompensieren aber auch Schwächen von anderen Wahrnehmungsbereichen und schützen
infolgedessen vor Überforderung, Fehlern oder Versagen.
Des weiteren bemerkt und erkennt man Gegenstände schneller und kann sie sich besser
merken, wenn einem der Name oder die Bezeichnung bekannt ist. „Bereits bekanntes
strukturiert daher unsere Wahrnehmung vor“, dies nennt man Priming. „Das Gedächtnis ist
in diesem Zusammenhang die aktive Ordnungsstruktur des Wissen und der Wahrnehmung
zugleich.“ (Mayer, K.). Fehlen Teilinformationen, so kann das Gehirn sinnvoll ergänzen.
Zum Beispiel sieht man auf einem Photo nur einen Ausschnitt eines bekannten Gesichtes.
Man erkennt die Person trotzdem, so als ob von ihr alles sichtbar wäre.
1.2.4 Angst und Arbeitsspeicher
In Situationen der Angst sinkt die Wahrnehmungsschwelle. Somit werden vom Menschen
auch sonst unwesentliche, bzw. u.a. vom Thalamus selektierte Reize aus der Umwelt sowie
innere Reize intensiver und vor allem rascher wahrgenommen.
Durch jede weitere Wahrnehmung eines Reizes wird das Wissen über diesen Reiz
differenziert, das im Gedächtnis vorhandene Schema wird adaptiert. Das Zusammenspiel
von neuen und alten Erfahrungen trägt zu einer Verfeinerung des individuellen
Wahrnehmungsnetzes bei.
Neben dem Wahrnehmungsprozess und seinem Wahrnehmungsspeicher spielt das
Kurzzeitgedächtnis, also der Arbeitsspeicher eine wesentliche Rolle. Hierin werden die
Informationen nur wenige Sekunden gespeichert. Sie stehen der unmittelbaren
Weiterverarbeitung im Wahrnehmungsprozess so zur Verfügung, werden sie nicht weiter
benötigt, werden sie rasch vergessen (vgl. Kapitel 4.9).
Allerdings kann der Gedächtnisinhalt auch das Wahrnehmungsspektrum einschränken. Die
Wahrnehmungsfähigkeiten für die komplexen Fertigkeiten, die für einen Menschen in
seinem Beruf oder in seiner Freizeit notwendig sind, kann man sich zwar teilweise
aneignen, sie sind aber häufig auch angeboren und dadurch nur bedingt beeinflussbar.
Prinzipiell sind die verschiedenen Schemata, die zur Verarbeitung eines Reizes notwendig
sind, aber dauerhaft veränderbar. „Wenn wir uns auf etwas konzentrieren und unsere
11
Aufmerksamkeit darauf richten, werden zum einen die Wahrnehmungsprozesse, die sich
mit diesem speziellen Objekt befassen verstärkt, andere werden aktiv in den Hintergrund
gedrängt. Findet dieser Aufmerksamkeitsprozess für ein Objekt häufiger statt, stellt sich
unser Gehirn darauf ein, sowohl die Hemmung der störenden Umgebungsreize, als auch
die Aufmerksamkeit für den spezifischen Reiz werden zunehmend erleichtert und
automatisiert, sie sind deshalb auch mit größerer Sicherheit und Geschwindigkeit möglich.
Es ist davon auszugehen, dass diesem Prozess neu gebildete Synapsen zu Grunde liegen.
Wahrnehmung führt an dieser Stelle also zu lernen und einer Veränderung in der
Hirnsubstanz.“ (Mayer, K.)
1.2.5 Drei Ebenen: Empfindung – Wahrnehmung – Kognition
„Wahrnehmung bildet die Grundlage unserer Handlungen und Entscheidungen, sie ist die
Voraussetzung für unsere Bewegungen.“ (Mayer, K.) Hiervon ausgehend könnte man
sagen, dass drei Ebenen notwendig sind: die Empfindung, die Wahrnehmung und die
Kognition. Die Kognition umfasst dann Prozesse wie Denken, Handlungsplanung,
Rechnen, usw. Zur Ebene der Wahrnehmung gehören Prozesse, die mit nicht-
symbolischen, konkreten Reizeigenschaften zu tun haben, wie Farben, Formen, Größen
usw. Diese Aufteilung ist in der Praxis jedoch schwierig, da man beispielsweise beim
Nachzeichnen einer Form nicht nur Striche oder Winkel kopiert, sondern aus deren
Anordnung meist an eine geometrische Form, z.B. ein Dreieck denkt.
In der deutschen Übersetzung des Handbuches des visuellen Wahrnehmungstests DTVP-2
schreibt Dacheneder: „Aslin und Smith gehen auch von „drei unterschiedlich strukturellen
Ebenen aus: (a) sensorische Grundlagen, (b) Wahrnehmungsrepräsentation und (c)
übergeordnete Repräsentation (z.B. Kognition und Sprache)“ (p.439). Diese Autoren
halten daran fest, dass die drei Ebenen theoretisch getrennt werden können, aber vermuten,
dass verschiedene Interaktionen zwischen den Ebenen ablaufen.“
1.2.6 Wahrnehmung erfolgt im Kontext des Umfeldes und der Bedürfnisse
Um in der Lage zu sein, sich im Gehirn ein umfassendes Muster des Wahrzunehmenden
aufbauen zu können, begründet sich unsere Wahrnehmung vermutlich meistens auf
verschiedene Informationen aus mehreren Sinnesbereichen. Nicht zu vergessen ist, dass
Wahrnehmung immer in einem Kontext erfolgt. Sowohl bei einfachen wie auch bei
komplexen Wahrnehmungen wird die Bedeutung des Reizes durch den Kontext
beträchtlich verändert.
12
Innere Bedürfnisse wie Hunger, Müdigkeit, o.ä. oder die soziale oder kulturelle Bedeutung
eines Umweltreizes verändern deren Interpretation und infolgedessen unser
Reaktionsverhalten (vgl. Kapitel 1.3). Fällt unser Blick beispielsweise in eine Küche, in
der sich die Tellerberge und die Tassen geradezu türmen, so kümmern uns diese Reize
wenig, wenn wir einen Bärenhunger haben und das Öffnen des Kühlschrankes
Befriedigung verspricht. Das heißt wir ordnen unsere Umweltreize nach unseren inneren
Bedürfnissen.
1.2.7 Reizreaktion und Feedback
An die Wahrnehmung eines Reizes schließt sich die Reaktion auf den Reiz an. Dies muss
geplant und organisiert werden, die motorischen Reaktionen müssen in Programme
geordnet werden, die über die Nervenbahnen an die ausführenden Organe geleitet werden.
Im Gegenzug benötigt das Gehirn nach jeder Reaktion von der Umwelt ein Feedback, um
gegebenenfalls variieren zu können. Nehmen wir das soeben aufgeführte Küchenbeispiel.
Aufgrund des Hungers ist man in die Küche gegangen, hat den Kühlschrank geöffnet und
sieht nun all das leckere Essen. Allein durch den Anblick wird man jedoch nicht satt!
Daher muss eine Reaktion, die vom Gehirn hervorgerufen wird, folgen, so dass nach der
Nahrung gegriffen wird.
Hierbei sind etliche verschiedene Systeme beteiligt. Neben Motivation, Antrieb,
Handlungsorganisation, u.a. nehmen mehrere Sinnessysteme daran teil, um eine gezielte
Bewegung in Richtung Essen durchzuführen. Das Gehirn steuert nicht nur die Bewegung
des Greifens, sondern auch wie fest zugepackt wird. Der Druck beim Festhalten eines
Glases kann nur angemessen sein, wenn die Rezeptoren dem Gehirn in regelmäßigen
Abständen Rückmeldung über die stattgefundene Reaktion, also die Kraftdosierung geben.
13
1.3 Weitere Faktoren welche die Wahrnehmung beeinflussen
Zur Entwicklung und Verarbeitung der Wahrnehmung gehören diverse Leistungen
einzelner Sinnesorgane, der Nervenbahnen und des zentralen Nervensystems. Die
Wahrnehmungsleistungen eines jeden werden jedoch noch von folgenden Faktoren
beeinflusst. Hier eine Zusammenfassung in Anlehnung an die Aufzählung von Dr. D.
Karch (2001):
• Aufmerksamkeit und Vigilanz: Um optimal wahrnehmen zu können, müssen wir
aufmerksam und wach sein. Wenn wir abgelenkt oder müde sind oder gar schlafen,
werden die Reize deutlich reduziert verarbeitet und integriert. Dadurch wird ein
genaues speichern des Reizes gehindert und die Abrufbarkeit der Informationen im
Gedächtnis beeinträchtigt.
• Motivation und Intelligenz: Auch die Motivation beeinflusst die Wahrnehmungs-
leistungen. Sind wir an einem Thema nicht interessiert oder verstehen wir etwas
nicht, so nimmt unsere Motivation deutlich ab. Bestehen Einschränkungen in der
kognitiven Entwicklung, bzw. in der Intelligenz, so führt dies rasch bei einer
altersentsprechenden Anforderung zu einer mentalen Überforderung.
• Emotionen und Affekte: Bekannt ist, dass eine positive Einstellung zu einer
Aufgabe und eine zuversichtliche Grundstimmung die möglichen Leistungen
begünstigt. Während im Gegensatz dazu gestörte körperliche Empfindungen,
Ängste oder Selbstunsicherheit dies beeinträchtigen.
• Beeinflussung durch die Umwelt und Mitmenschen: Ein Kind kann nur in
Bereichen, in denen es mit Reizen konfrontiert wird, Erfahrungen sammeln und
seine Wahrnehmung entwickeln. Deprivation (=Mangel, Verlust, Entzug von etwas
Erwünschtem, z.B. fehlende Zuwendung der Mutter, Liebesentzug, u.ä.) kann zu
Störungen führen.
14
1.4 Wahrnehmungsstörung und Verarbeitungsstörung
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Wahrnehmungsstörungen, die aufgrund einer
Schädigung der Sinnesorgane entstehen und Verarbeitungsstörungen, denen eine
Problematik im Bereich der funktionellen Hirnorgane zugrunde liegt. Ein Zitat von Wais
soll dies aufzeigen. Angemerkt sei noch, dass diese Differenzierung nicht nur
ausschließlich nach Hirnschädigungen gilt:
„Wahrnehmungsstörungen sind immer sinnesspezifisch, sie betreffen nur den Sinneskanal,
der auch tatsächlich beschädigt wurde. Sie sind ferner hemisphärenunspezifisch, das heißt,
sie sind in ihrem Charakter unabhängig davon, ob der Schädigungsherd die linke oder die
rechte Hemisphäre betrifft. Sie sind viel seltener als Verarbeitungsstörungen, da sie nur
von ganz eng und genau umschriebenen Läsionen ausgehen können: Wahrnehmungs-
störungen in dem hier verstandenen Sinn können nur auftreten, wenn die Läsion entweder
ein Projektionsareal oder die Zuleitung zu einem Projektionsareal geschädigt hat. (...) Es
liegt im Wesen von Wahrnehmungsstörungen, dass sie ganz oder teilweise kompensiert
werden können durch Hinzunahme von Informationen aus anderen Sinnesbereichen. (...)
Die weitaus häufigste Folge nach Hirnschädigungen besteht aber in Verarbeitungs-
störungen. Diese sind unabhängig von einem Sinnesgebiet, (...) unanhängig davon, über
welchen Sinneskanal die zu verarbeitende Information kommt. Verarbeitungsstörungen
sind hemisphärenspezifisch, d.h. sie sind in ihrem Charakter je nach der Seite der Läsion
verschieden.“ (Wais 1990, 23 in Milz 2002).
Außerdem ist es ebenso notwendig zwischen Wahrnehmungsstörung und kognitiver
Einschränkung abzugrenzen, auch wenn sich dies immer wieder als sehr schwierig erweist,
weil Wahrnehmung und Kognition sich gegenseitig stark beeinflussen.
1.4.1 Verarbeitungsstörung
Im Weiteren möchte ich kurz allgemein die Problematik einer Verarbeitungsstörung
darlegen.
Der mittels Rezeptoren aufgenommene Reiz wird zwar in Impulse umgewandelt und zum
Gehirn weitergeleitet. Dort können allerdings verschiedene Ursachen zu einer Störung
führen, womit die Wahrnehmung beeinträchtigt wird.
Beim Selektieren der Reize, also noch bevor der Impuls die Gehirnzentren erreicht hat,
kann es sein, dass relevante Reize nicht weitergeleitet, sondern herausgefiltert werden.
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Dadurch kommt es zur Unterstimulation, wesentliche Informationen für die Verarbeitung
gehen verloren.
Außerdem können aber auch nicht relevante Reize durchgelassen werden, das heißt ein
Differenzieren und Ordnen wird erschwert. Demzufolge bekommt das Gehirn unwichtige
Informationen, welche die Wahrnehmungsprozesse dann beeinträchtigen, von der
eigentlichen Wahrnehmung ablenken oder zur Fehlinterpretation führen.
Des weiteren können auch Störungen bei der Verschaltung im Gehirn mit den
verschiedenen Gehirnregionen bestehen. Ein Vergleichen mit Bekanntem, Wiedererkennen
und Einordnen in bereits gespeicherte Erfahrungen kann nicht vollständig stattfinden, so
dass die Interpretation des Reizes verhindert wird.
Besteht eine solche Verarbeitungsstörung, ist der Mensch in der Wahrnehmung seiner
Umwelt beeinträchtigt, ein situationsgerechtes Reagieren und Handeln wird erschwert.
Dies führt oft zu negativem Feedback durch sein Umfeld. Ein Transfer auf ähnliche
Situationen oder das Variieren in eigenen Verhaltensweisen kann kaum stattfinden. Ein
und derselbe Reiz kann sich in einer veränderten Situation für den Menschen wie ein völlig
neuer Reiz darstellen, den er mit den bereits abgespeicherten Daten nicht in Verbindung
bringen kann. Der Mensch ist nicht in der Lage sein Potential zu nutzen, seine Begabungen
in Situationen zu zeigen, er gerät unter Druck, reagiert eventuell mit Rückzug oder
Aggressivität.
Höhere kognitive Fähigkeiten wie Rechnen, Lesen, Schreiben, usw., die auf den
Wahrnehmungsbereichen aufbauen, sind folglich mit beeinflusst.
„Ohne die sensorische Integration sind wir nicht in der Lage, Empfindungen aus
verschiedenen Wahrnehmungsbereichen miteinander in Verbindung zu bringen. Dadurch
wäre die Entstehung eines umfassenden „Bildes“ unseres eigenen Ichs und unserer Umwelt
unmöglich, was wiederum zu Fehlreaktionen führen und die erforderlichen
Anpassungsreaktionen an die Notwendigkeiten unserer Umgebung verhindern würde.“
(Doering, W.)
16
2 Entwicklung des Sehens und der visuellen Wahrnehmung
In diesem Kapitel möchte ich nicht die einzelnen Entwicklungsschritte darlegen, diese sind
in unzähligen Entwicklungstabellen übersichtlich dargestellt. Vielmehr soll aufgezeigt
werden, wie die Fähigkeit zu Sehen und die Leistungen der visuellen Wahrnehmung die
Entwicklung des Kindes beeinflussen. Schließlich üben wir viele alltägliche Tätigkeiten
wie Schreiben, Brot streichen, Ball spielen, etc. unter Mitwirkung der Augen aus und
können diese somit koordiniert durchführen.
Wie bereits oben erwähnt muss man zwischen den Prozessen im Sinnesorgan selbst und
denen in den Gehirnregionen unterscheiden. In Kapitel 1.2 wurde bereits die Verarbeitung
von der Aufnahme des visuellen Reizes, also vom Sehen zum Erkennen und Wahrnehmen
dargestellt. Um den Umfang dieser Arbeit nicht zu sprengen sei hier nur erwähnt, dass für
diesen Prozess neben dem Sinnesorgan an sich, also dem Auge als aufnehmendem Organ,
die Sehnerven und Sehbahnen als Leitung zum Gehirn dienen. Danach findet die
Verarbeitung in den einzelnen Hirnarealen statt. Des weiteren gehört zum Sehen der
motorische Anteil des Auges mit Augenmuskeln, motorischen Hirnnerven, etc., durch die
eine Reaktion auf den Reiz ermöglicht wird.
Der anatomische Aufbau ist detailliert dargestellt bei Schmidt & Schaible, Fischer, Milz,
um nur einige Beispiele zu nennen.
Aus Milz (2002, 86) seien noch die Teilfunktionen des visuellen Systems der
Vollständigkeit halber angeführt:
- die Sehschärfe (= die Fähigkeit, in einer bestimmten Entfernung zwei benachbarte
Punkte noch getrennt wahrzunehmen, d. h. Einzelheiten, die dicht nebeneinander
liegen, als unterschiedliche Einheiten zu erkennen.)
- die Akkomodation (= die Fähigkeit zur scharfen Bildeinstellung in der Nähe. Unsere
Augen sind in der Regel im entspannten Zustand auf die Ferne eingestellt.)
- das räumliche Sehen (= die Fähigkeit zur Wahrnehmung von Tiefenunterschieden.)
- die Augenstellungen (= das Auge wird von 6 Augenmuskeln gesteuert, und diese
müssen entsprechend koordiniert sein, damit Bewegung aber auch Ruhestellung
möglich wird.)
- die Augenbewegungen (= es gibt verschiedene Typen von Augenbewegungen, die
von unterschiedlichen Zentren im Gehirn gesteuert werden: Augenfixations-
bewegungen, Führungsbewegungen, Kommandobewegungen.)
17
- das Gesichtsfeld (= die Summe aller Punkte im Raum, die gleichzeitig auf der
Netzhaut abgebildet werden. D. h. das Gesichtsfeld umfasst den gesamten Bereich,
den ich, wenn ich den Kopf ruhig halte, mit diesem einen Auge überblicken kann.)
2.1 Entwicklung der Sehfähigkeit
Die Entwicklung der Sehfähigkeit des menschlichen Auges ist mit der Geburt noch lange
nicht abgeschlossen. „Zahlreiche Forschungen erbringen den Nachweis, dass die ersten
Lebenswochen und Monate für die spätere visuelle Wahrnehmung entscheidend sind.“
(Fischer, 1995). Das Neugeborene hat noch ein diffuses visuelles Bild von seiner Umwelt.
Es nimmt nur große Muster und Umrisse wahr, kann Hell und Dunkel unterscheiden, sieht
jedoch noch keine Farben. Die Sehschärfe, also die Fähigkeit, kleinste Details aufzulösen,
verbessert sich pausenlos in den ersten Lebensmonaten eines Kindes. Es lernt zu fixieren,
zu verfolgen und wechselnde Entfernungen scharf zu stellen. Das Kind kann seine
Augenmuskeln unter Kontrolle halten.
Pickenhain (1992, in Milz 2002) schreibt dazu: „Voraussetzung des Sehens sind (...) –
selbst bei der Fixierung eines Punktes – ständige winzige (sakkadierende)
Augenbewegungen, durch die die Projektionsstelle des eindringenden Lichtstrahles auf der
Netzhaut verändert wird. Die Augenmuskeln gehören zu den am optimalsten innervierten
Muskeln (sehr kleine motorische Einheiten), um ständig ganz subtile Bewegungen
ausführen zu können. Hinzu kommen die ständigen Folge- und Sprungbewegungen des
Augapfels, die Bewegungen des Kopfes und des ganzen Körpers im Raum, durch die die
Funktionsfähigkeit der Netzhaut konstant gehalten wird. (...) Das Sehen ist also niemals als
eine isolierte Funktion zu verstehen, und selbst das Betrachten von Gegenständen und
Umweltvorgängen hat seinen Bedeutungsgehalt in frühester Kindheit erst durch den
aktiven Umgang mit dieser Umwelt und ihren Bestandteilen erhalten.“
2.1.1 Räumliches Sehen
Das räumliche Sehen und das Erkennen von Formen setzt durch beidäugiges (binokulares)
Sehen ein, damit verbunden die Tiefenwahrnehmung. Die Entwicklung des binokularen
Sehens setzt das monokulare Sehen voraus. Binokulares Sehen ist möglich weil die
Koordination der Augen immer besser wird. Die anfänglich ungeordneten Reize erlangen
durch eine beginnende Ausrichtung der Augen immer mehr an Bedeutung. So gelingt es
18
vierzehn bis fünfzehn Wochen alten Kleinkindern mehr und mehr die Umgebung in ihre
visuelle Analyse mit ein zu beziehen.
Dies geschieht aber nur, wenn das Auge durch optische Anreize zum Sehen erzogen wird,
wenn das Auge Objekte fixieren und durch Abtasten erfassen kann. Dafür ist eine intakte
Augenmuskelkontrolle, die eng mit dem vestibulären System zusammenhängt, notwendig.
Mit anderen Worten: Sehen muss gelernt werden, die Fähigkeiten in der visuellen
Wahrnehmung wachsen nach und nach.
Durch die Fähigkeit zu Sehen wird das Kind motiviert, Informationen über Gegenstände,
Größen, Formen, Farben und Räume zu sammeln und selbst aktiv zu werden. Es erkennt
Unterschiede zwischen Objekten, kann Mengen auffassen und anordnen, nachfolgend lernt
es Kategorien und Reihen zu bilden. Diese Fähigkeiten sind Voraussetzung, um einen
logischen Zahlenbegriff ausbilden zu können. Auf der visuell-räumlichen Vorstellung
basiert die Unterscheidung von Ziffern, die Orientierung am Zahlenstrahl, das Erfassen des
Stellenwertsystems sowie später das Erlernen von schriftlichen Rechenoperationen.
Vier Monate alte Kleinkinder können Farben in Kategorien ordnen, die der von
Erwachsenen schon entsprechen. Während in den ersten Lebenswochen nur Teile von
Figuren (Ecken, Kanten), aber nicht das Ganze gesehen wird, verdichtet sich die Fähigkeit
der Fixation zunehmend. So wird mit vier Monaten dann das gesamte Reizmuster visuell
abgetastet.
2.1.2 Bewegungswahrnehmung
In der Bewegungswahrnehmung werden zuerst rotierende Gegenstände (z.B. Kreisel)
gegenüber fortschreitend bewegten Gegenständen bevorzugt. Das hat damit zu tun, dass
bei der Rotation der Gegenstand das noch begrenzte Blickfeld weniger leicht verlässt.
Durch die Vergrößerung des visuellen Feldes ist es dem Kind möglich, einem bestimmten
Objekt mit seinen Augenbewegungen zu folgen und dabei andere Gegenstände im Umfeld
auszublenden.
2.1.3 Perspektivisches Sehen
Die Tiefen eines Raums kann ein Kind mit ungefähr zwei Jahren erfassen. Davor nimmt es
die Dinge so groß wahr, wie sie wirklich sind. Das heißt, entfernte Dinge erscheinen ihm
genauso klein wie es sie sieht (z.B. ein Mensch aus der Nähe im Vergleich zu einem in der
19
Ferne). Ab dem Alter von zwei Jahren ist in Zeichnungen ein Benennen naher und ferner
Häuser beispielsweise möglich, wenn diese perspektivisch (zum Teil einander überdecken
o.ä.) dargestellt sind. „In diesem Alter und bis gegen das Alter von acht Jahren besteht ein
Egozentrismus, d.h. der eigene Standpunkt beim Betrachten einer Situation wird auf andere
Standpunkte anderer Betrachter übertragen.“ (Fischer 1995, 478)
Erst allmählich entwickelt sich, wie Piaget es nennt, das Verständnis für die Invarianz, die
Unveränderlichkeit in den einzelnen Typen der visuellen Wahrnehmung. Somit begreift
das Kind, dass ein Gegenstand seine Größe trotz unterschiedlicher Entfernung beibehält.
Das Erdenken, bzw. das innere Vorstellen von nicht sichtbaren Gegenständen ist ebenfalls
mit zwei Jahren erreicht. Genauso können ab diesem Alter Bilder von Häusern oder
Menschen, selbst wenn sie auf dem Kopf stehen, benannt werden. Das hat zur Folge, dass
Antizipationen von Handlungen möglich sind, wodurch die Phase der Nachahmung und
der Symbolhandlungen beginnt (vgl. Piaget).
2.1.4 Entwicklung des Sehens ab dem Kleinkindalter
Manche Forscher erachten die visuelle Wahrnehmungsentwicklung mit ein bis zwei Jahren
als abgeschlossen, andere sagen die Sehfähigkeit sei zwischen dem vierten und sechsten
Lebensjahr voll entwickelt. Fischer, H. (1995, 476) schreibt, „dass die visuelle
Wahrnehmungsentwicklung, wenn auch verlangsamt, noch weitergeht, wird durch weitere
Forschungen nach dem zweiten Lebensjahr und bis ins Jugendalter belegt.“
Verschiedene Wachstumsmerkmale, die sich bis ins Jugendalter verändern können, haben
Einfluss auf das Sehen und die visuelle Wahrnehmung. Dazu gehören beispielsweise das
Ansteigen der Augenhöhlen, wodurch sich die Perspektive verändert, oder der die
Konvergenz beeinflussende wachsende Pupillenabstand.
Während mit sechs Jahren sich der Vergleich visueller Informationen häufig in drei Stufen
vollzieht (Codierung einer Form, Behalten, Mustervergleich), ist später ab ca. elf Jahren
das visuelle Gedächtnis auf visuelle Ähnlichkeiten sensibilisiert.
Auch die Bewegungswahrnehmung entwickelt sich weiter, unterliegt aber noch gewissen
Täuschungen. Diese nehmen in der Altersstufe zwischen sieben und zwölf ständig ab.
Beispielsweise werden vertikale gegenüber horizontalen Bewegungen als schneller
empfunden.
20
Ebenso konnte man feststellen, dass Laufbild-Präsentationen wie von Film und Fernsehen
immer besser erfasst und verstanden werden. Konfrontiert man Kinder demnach früh mit
diesen Medien, führt dies entweder zu Unverständnis oder zu Überforderung des Kindes.
2.1.5 Links-Rechts und Vorne-Hinten Unterscheidung
Die Links-Rechts Unterscheidung, sowie das damit im Zusammenhang stehende Erkennen
von Spiegelbildern prägt sich zwischen vier und sechs Jahren aus. Sie ist eine wichtige
Voraussetzung für die Lese- und Schreibfertigkeit (vertauschen von Buchstaben, verdrehen
von Zahlen). Die Vorne-Hinten Dimension bereitet dagegen noch länger Schwierigkeiten.
Perspektivisches Zeichnen ist erst mit ca. 12 Jahren möglich. Davor fällt es den Kindern
schwer, dreidimensionale Szenen in zweidimensionale Bilder umzusetzen. Während ca.
80% der Fünfjährigen einen Würfel noch als Quadrat darstellen, zeichnen die meisten
Vierzehnjährigen ihn als Parallelprojektion.
2.1.6 Drei Etappen des visuellen Lernens
Fischer schreibt weiter (1995, 474f.): „Die visuelle Vorstellung entwickelt sich in Stufen,
von einer enaktiven (handlungsabhängigen) zu einer ikonischen (bildhaften) und zu einer
symbolischen (sprachlichen) Stufe. Die Vorstellung ist eine wichtige Funktion; sie ist
unabdingbare Voraussetzung für das Denken. Man kann daraus ableiten, dass Denken
zuerst handelnd, dann bildhaft und schließlich sprachlich fundiert ist. Mit achtzehn
Monaten entsteht eine innere symbolische Repräsentation, auch von nichtgegenwärtigen
Objekten und Ereignissen. Der Raum, in dem das Kleinkind lebt, wächst über die
räumlich- unmittelbaren Grenzen hinaus, (...) durch eigene Erfahrung. (...) Es besteht kein
Zweifel daran, dass von Geburt an ein ständiges visuelles Lernen und ein Sammeln von
Erfahrungen stattfindet. Beides setzt Diskriminierungsfähigkeit voraus, die anfänglich
nicht perfekt funktioniert. Das visuelle Lernen erfolgt in drei Etappen. Der visuellen
Aufnahmefähigkeit (Semantik und Motorik) folgen die visuell bedienenden
Verhaltensweisen (passive Berieselung durch visuelle Eindrücke) und schließlich die
visuelle Überprüfung oder das visuell geführte motorische Verhalten.“
Haben die Kinder die Möglichkeit mit Material zu handeln, können sie darüber innere
Vorstellungsbilder entwickeln, Handlungsschemata aufbauen, die zunehmend verinnerlicht
und automatisiert werden und die wesentliche Grundlage für den Aufbau mathematischer
Operationen bilden. Die visuell-räumliche Orientierung ist eng im Zusammenhang mit der
dafür notwendigen Handlungsplanung, da Rechnen verinnerlichtes Handeln ist.
21
Frostig et al. (1977) umschreiben den Begriff der visuellen Wahrnehmung als die
Fähigkeit, visuelle Reize zu erkennen, zu unterscheiden und sie durch Assoziationen mit
früheren Erfahrungen zu interpretieren. Gemeint ist also nicht nur der Prozess des
sensorischen Erkennens, sondern auch die kognitive Verarbeitung visueller Reize. Diese
beinhaltet Klassifikationsleistungen, die Einschätzung von Größenrelationen (Größe,
Länge, Breite, Höhe), die Wahrnehmungskonstanz (d.h. Objekte oder Mengen als gleich zu
erkennen, unabhängig von ihrer räumlichen Anordnung) bzw. räumliche
Vorstellungsleistungen (Raumlagebeziehungen, Rechts-links Orientierung).
2.2 Sehstörungen und visuelle Wahrnehmungsstörungen
„(...) Die Richtung in die das Auge blickt, bestimmt die visuelle Information. Eine statische
Informationsquelle kann fixiert werden, während eine sich bewegende Zielquelle
gleichmäßig und kontinuierlich verfolgt wird. Das Muskelsystem der Augenkontrolle ist
sehr kompliziert. Zwei separate Systeme, rechtes und linkes Auge müssen in ihren
Bewegungen übereinstimmen. Zudem müssen drei Muskelpaare beim einzelnen Auge
perfekt aufeinander abgestimmt sein, da sonst die Augen nicht geschmeidig einem
Gegenstand folgen können.“ (Gärtner, in Milz 1994).
Ist das Sehvermögen, die Weiterleitung oder die Verarbeitung im Gehirn eingeschränkt,
kann sich die Entwicklung verzögern oder es kommt zu Fehlentwicklungen. Die
Grundvoraussetzung für die visuelle Wahrnehmung, nämlich das intakte Sehvermögen und
der intakte Sehvorgang ist somit beeinträchtigt. Außerdem können Defizite in der Kopf-
und Rumpfkontrolle sowie in der Augenmuskelkontrolle die visuelle Wahrnehmung
negativ beeinflussen, da nur bei stabiler Kopf- und Rumpfkontrolle mit den Augen ein
Objekt fixiert werden kann und die Augen sich darauf scharf einstellen können. Visuelle
Wahrnehmungsstörungen gehen dadurch meist mit Störungen in einem weiteren
Sinnesbereich einher oder ihnen liegen organische Ursachen zugrunde.
„Manche Wahrnehmungsprozesse können in kritischen Entwicklungsperioden irreversibel
gestört werden. Viele dieser Wahrnehmungsprozesse werden früh in erheblichem Maße
vorgeprägt und sind später nicht mehr elementar zu ändern.“ (Mayer, K.)
Die Schwierigkeiten fallen im Alltag oft bei Auge-Hand Koordinationsleistungen, also im
visuo-motorischen Bereich auf. Aber auch bei einer Beeinträchtigung der Leistung in den
weiteren visuellen Bereichen wie dem räumlich-konstruktiven, der Figur-Grund-
22
unterscheidung, der Formkonstanz sowie des visuellen Gedächtnisses und der visuellen
Ablenkbarkeit sollte eine genauere Abklärung erfolgen und durch eine augenärztliche
Untersuchung eine organische Ursache ausgeschlossen werden. Bei Günther & Jäger
(2005) findet man eine gute Übersicht über die „Befunderhebung und Therapie-
möglichkeiten verschiedener Berufsgruppen“.
Welche Auffälligkeiten entstehen können, soll hier aufgezählt werden.:
(Die Aufstellung ist in Anlehnung an einen Vortrag der Schule für Sehbehinderte in Heidelberg zusammengestellt und
wurde mit Details aus anderen Quellen wie von Barth (2000) ergänzt. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.)
Pädagogische Auffälligkeiten:
- Diskrepanzen zwischen kognitiven Fähigkeiten und schulischen Leistungen wie Lesen,
Schreiben und Rechnen
• Das Kind verrutscht beim Lesen leicht in den Zeilen; viele Fehler beim
Abschreiben von der Tafel = Figur-Grundunterscheidung
• Das Kind kann beim Schreiben nur schwer auf der Linie bleiben oder Zahlen
senkrecht untereinander schreiben = Auge-Hand Koordination
• Das Kind erkennt gleiche Wortbilder nicht wieder = Formkonstanz
• Das Kind schreibt spiegelverdreht oder verwechselt ähnliche Buchstaben wie b-d
oder schreibt Zahlen verdreht wie 26-62 = Raum-Lage
• Das Kind ist im Verwenden räumlicher Begriffe wie unten, davor, rechts, usw.
unsicher = räumliche Beziehungen
- Orientierungsprobleme am Arbeitsplatz, in Räumlichkeiten, usw.
- Schwierigkeiten im Abschätzen von Distanzen oder beim Einschätzen von Größen
- Probleme in der Handhabung von Arbeitsmitteln
- Schwierigkeiten beim Erfassen von Schriften o.ä.; geringer Auge und Papier Abstand
- Schwierigkeiten beim Finden von Gegenständen, beispielsweise Spielsachen, die
offensichtlich daliegen
- Schwierigkeiten beim Merken und Erinnern von rein visuell dargebotenen Objekten
- Angestrengter Gesichtsausdruck beim Betrachten von Bildern, beim Lesen, Schreiben, o.ä.
- Schnelles Ermüden, rasch nachlassende Motivation und Interesse
- Rasche Ablenkbarkeit durch visuelle Reize
- Verlangsamtes Arbeitstempo
Motorische Auffälligkeiten:
- steife, unsichere Bewegungen beispielsweise beim Gehen
- Halt suchen am Treppengeländer oder beim Überqueren von Schwellen
- Häufiges Stolpern, Anstoßen an Möbel, Danebengreifen
23
- Reduzierte Reaktionsfähigkeit und Koordinationsprobleme beim Ballspiel o.ä.
- Auffälligkeiten bei handmotorischen Fertigkeiten wie Fädeln, Stecken, Schneiden,
Anmalen, u.a.
Organische Auffälligkeiten:
- Zusammenkneifen der Augen, gerötete oder tränende Augen, Reiben und Bohren in den
Augenhöhlen
- Schräghalten des Kopfes oder Augenzittern beim Fixieren eines Gegenstandes oder
Schielen
- Hohe Blendempfindlichkeit, Äußerung über verschwommenes Sehen
- Häufige Kopfschmerzen
Weiter können folgende Beobachtungen auf Auffälligkeiten in der visuellen Wahrnehmung
hinweisen: Das Kind zeigt Schwierigkeiten oder meidet das
- Aufnehmen von Blickkontakt
- Verwenden räumlicher Begriffe wie unten, oben, in, auf, dahinter, davor, links, rechts,...
- Befolgen räumlicher Aufforderungen, sowie dem Hantieren mit Material danach
- Zuordnen gleicher Bilder und Erkennen von Unterschieden
- Nachbilden von Mustern oder zeichnerisches Übertragen derer
- Bauen eines Gegenstands aus der inneren Vorstellung heraus
- Finden von Details oder vorgegebene Formen in einem Bild
- Rein kognitives Durchdenken von räumlich-konstruktiver Manipulation beispielsweise bei
Gesellschaftsspielen
24
2.3 Bereiche der visuellen Wahrnehmung
Die visuelle Wahrnehmung kann nach Frostig et al. in mehrere Bereiche unterteilt werden.
Diese sind: Lage im Raum, räumliche Beziehungen, Figur-Grund und Formkonstanz. Auf
diesen Typen basiert die visuellen Wahrnehmung. In Frostigs Entwicklungstest der
visuellen Wahrnehmung (FEW) gibt es zur Überprüfung 5 Untertests: die vier oben
genannten Typen, sowie einen Untertest zur Auge-Hand Koordination.
Neben dieser Unterteilung findet man noch weitere Komponenten, wie beispielsweise das
visuelle Gedächtnis, auf das ich in Kapitel 4.9 eingehen werde.
Man darf jedoch nicht annehmen, dass die einzelnen visuellen Wahrnehmungsfähigkeiten
voneinander getrennt vom Menschen verwendet werden können. Die Typen greifen bei
alltäglichen Aufgaben ineinander und lassen sich dann nur noch schwer voneinander
unterscheiden. Das räumliche Vorstellungsvermögen, das im mathematischen Denken eine
große Rolle spielt, „entsteht (beispielsweise) aus der Verarbeitung von verschiedenen
Sinnesinformationen und setzt gewisse kognitive Fähigkeiten voraus.“ (Nacke, 2005)
Des weiteren beinhalten Aufgaben zur visuellen Wahrnehmung mehr oder weniger auch
Anteile der Visuomotorik. Im Handbuch des DTVP-2 steht dazu: „Eine vergleichende
Beurteilung der kindlichen visuellen Wahrnehmung sollte Aufgaben enthalten, die
ausschließlich die visuelle Wahrnehmung erfassen (die wenig oder keine motorischen
Fertigkeiten verlangen) und Aufgaben, die visuo-motorische Integration bzw. visuell
geleitetes Verhalten beinhalten. Wenn wir wissen, wie ein Kind unter diesen beiden
Bedingungen abschneidet, dann können wir die Diagnose verbessern und vereinfachen.“
Diese Aspekte sollte man vor allem auch bei der Auswahl von Tests sowie bei der
Durchführung von Übungsprogrammen zur visuellen Wahrnehmung beachten.
Im folgenden werden die vier Typen der visuellen Wahrnehmung nach Frostig et al.
dargestellt. Am Anfang jeder Beschreibung wird auf die Aufgabenstellung des visuellen
Wahrnehmungstests DTVP-2 Bezug genommen, um die Anforderung dieses Typus
aufzeigen zu können. Der DTVP-2 ist eine Weiterentwicklung des FEW und wird in
Kapitel 3.1 noch näher erläutert.
25
2.3.1 Lage im Raum
Beim DTVP-2 wird den Kindern eine Stimulusfigur gezeigt, die sie exakt aus einer Reihe
von ähnlichen, aber nicht ganz gleichen Figuren wieder auswählen sollen
(Vergleichsaufgaben).
Dieser Typus beinhaltet die Bestimmung von räumlichen Begriffen wie oben, unten,
rechts, links, davor, dahinter sowie die Unterscheidung von gekippten und gedrehten
Figuren. Er ermöglicht das Übertragen vom zweidimensionalen auf den dreidimensionalen
Raum. „Das Erkennen der Lage im Raum beinhaltet die Fähigkeit eines Menschen, die
räumliche Beziehung zwischen einem Objekt und der eigenen Person zu erkennen.“
(Günther & Jäger 2005).
Der Mensch nimmt Gegenstände in Bezug auf sich selbst wahr, seine Orientierung im
Raum wird dabei von der Schwerkraft beeinflusst. Die Beschreibung mit räumlichen
Begriffen basiert auf dem Bezug eines Objektes zur Schwerkraft, sowie der Position der
Person, welche die Lage im Raum des Objektes erklärt. Liegt ein Mensch beispielsweise
mit dem Rücken auf dem Boden und hält einen Ball über seinem Kopf, so gibt es hierzu
zwei unterschiedliche Möglichkeiten für die Beschreibung der Raum-Lage des Balls.
Entweder kann der Ball sich über seinem Gesicht befinden (Beschreibung abhängig von
der Schwerkraft) oder der Ball liegt über dem Scheitel am Boden (Beschreibung abhängig
von der Position des Menschen).
Im mathematischen Denken spiegeln sich Beeinträchtigungen der Lage im Raum wieder
beispielsweise bei Zahlenverdrehern (6 – 9) oder beim Vertauschen im Stellenwertsystem
(86 – 68), also dem Verwechseln von rechts und links.
2.3.2 Räumliche Beziehungen
Beim DTVP-2 wird den Kindern ein Gitter mit regelmäßig angeordneten Punkten gezeigt.
Einige dieser Punkte sind mit Linien verbunden und ergeben ein Muster. Den Kindern wird
dann ein leeres Gitter mit der gleichen Anzahl von Punkten gezeigt und sie werden
aufgefordert, das Muster zu reproduzieren, indem sie die gleichen Punkte mit Linien
verbinden. Dabei bleibt die Mustervorlage vor dem Kind liegen.
Dieser Typus beinhaltet die Analyse von Formen und Mustern in Beziehung auf ein
anderes Objekt, den eigenen Körper und den Raum. Die Leistungen der räumlichen
Beziehungen bauen auf denen der Lage im Raum auf. „Das Erfassen von räumlichen
Beziehungen enthält die Fähigkeit eines Menschen, Objekte nicht nur in Beziehung zur
26
eigenen Person, sondern auch in Bezug zueinander wahrzunehmen." (Günther & Jäger
2005). Dazu gehört auch das Abschätzen eines Abstandes zwischen zwei Objekten, was
mit eine Voraussetzung für das Erfassen eines Zahlenraumes und für die Orientierung auf
dem Zahlenstrahl ist (An welcher Position muss die Zahl 20 auf einem Zahlenstrahl von 0-
100 eingezeichnet werden?).
Durch das Erkennen von räumlichen Beziehungen ist es dem Kind mit acht Monaten
möglich, sich im Raum zu orientieren. Mit zwei Jahren können Kinder Bilder oder
Gegenstände, auch wenn diese auf dem Kopf stehen, benennen.
„Beziehungen werden in der Sprache der Mathematik Relationen genannt. Sie bestimmen
das Verhältnis von Objekten und Mengen zueinander: länger oder kürzer; mehr oder
weniger; größer oder kleiner; gleich oder ungleich. Eine wesentliche räumliche Beziehung
ist die der Reihenfolge oder räumlichen Aufeinanderfolge, deren Elemente dann ihrerseits
die Relationen der Symmetrie bilden können.“ (Milz, 2004). Auch Fischer (1995) schließt
mögliche Zusammenhänge zwischen der Links-Rechts Orientierung, die zu den räumlichen
Beziehungen gehört, und der Lesefähigkeit nicht aus. „Links-Rechts Orientierungen
können im Hinblick auf die Legasthenieerscheinungen eine große Rolle spielen. Die
Stabilisierung erfolgt recht spät, erst nach dem Schuleintritt.“
2.3.3 Figur-Grund
Beim DTVP-2 werden den Kindern Stimulusfiguren gezeigt und sie werden aufgefordert,
so viele wie möglich von dieser Figur wiederzufinden, auf einem Blatt, in dem die Figur in
einem komplexen, verwirrenden Hintergrund versteckt ist.
Dieser Typus enthält das visuelle Herauslösen einer Figur aus einem allgemeinen
Hintergrund. Gegenstände heben sich dadurch vom Hintergrund ab, werden getrennt von
diesem erkannt. „Die Figur-Grund Wahrnehmung enthält die Fähigkeit eines Menschen,
die Aufmerksamkeit auf wichtige Reize zu lenken und eine bestimmte Figur vor ihrem
Hintergrund zu erkennen“ (Günther & Jäger 2005). Dazu ist die Fähigkeit wichtig, eine
Gestalt jeglicher Art visuell zu erfassen, diese zu vergleichen und zeitlich versetzt aus dem
Gedächtnis abrufen zu können. Die Figur-Grund Wahrnehmung hat Einfluss auf die
selektive Aufmerksamkeit, da sie relevante von unrelevanten visuellen Reizen
herausfiltert. Im Gegenzug beeinflussen Erwartungshaltungen, Aufmerksamkeit und
Motivation die Figur-Grund Wahrnehmung.
Beispielsweise können in einer Kiste mit Bauklötzen alle blauen Würfel herausgesucht
werden, während die übrigen blauen sowie die andersfarbigen Bauklötze ignoriert werden.
27
Mengenbilder können somit erfasst und eine Menge von Steinen kann in Gruppen
unterteilt werden. Beides ist wichtig zum Aufbau von Zahlenvorstellungen.
Außerdem ist die Figur-Grund Wahrnehmung eine wichtige Voraussetzung, um sich auf
Buchseiten zurecht zu finden, die meist neben den Rechenaufgaben in Mathebüchern
etliche Illustrationen oder Darstellungen haben.
Durch Bewegung im visuellen Feld und Bewegungswahrnehmung wird es dem viereinhalb
bis fünf Wochen alten Kind möglich, leichter zwischen Figur und Grund zu differenzieren.
Dies geschieht durch die durch Augenbewegungen und Objektbewegungen ausgelösten
Wechsel von Hell und Dunkel.
2.3.4 Formkonstanz
Beim DTVP-2 wird den Kindern eine Stimulusfigur gezeigt und sie werden aufgefordert,
sie in einer Reihe von anderen Figuren wiederzufinden. In der Reihe haben die
Stimulusfiguren eine andere Größe, Position, Schattierung oder sind in einem Hintergrund
versteckt. Das Kind darf sie nicht mit ähnlichen Figuren verwechseln.
Dieser Typus enthält die Beachtung von dominanten Merkmalen einer Figur oder Form,
unanhängig von ihrer unterschiedlichen Größe, Schattierung, Oberfläche und Lage.
Folglich können geometrische Formen unabhängig von ihrer Lage in Raum, Farbe oder
Größe als dasselbe identifiziert werden. „Hierzu gehört auch das Übertragen aus der
zweidimensionalen Ebene (Abbildung) auf ein dreidimensionales Objekt (Gegenstand) und
umgekehrt.(...) Als Beispiel wird ein „A“ immer als ein „A“ erkannt, unabhängig davon,
welche Schriftart, Größe oder Farbe es hat oder aus welcher Position es betrachtet wird.“
(Günther & Jäger 2005). Die Merkmale eines Objektes, das wir wahrnehmen, bleiben also
konstant, obwohl sich die Wahrnehmungsbedingungen ändern.
Ein neun Wochen altes Kleinkind zeigt noch keine allgemeine Formkonstanz. Zwanzig
Wochen alte Kleinkinder zeigen dagegen schon Anteile der Fähigkeit zur Formkonstanz,
welches durch Studien von Ghim, Brunswik, et. al. belegt wurde (Fischer 1995). Die
Zunahme der Differenzierung von Formen und Gestalten, aber auch die differenzierte
Wahrnehmung in Bereichen wie Hören und Fühlen, hält bis ins Erwachsenenalter an,
verbessert sich jedoch vorwiegend, wie Brunswik herausfand, bis zum zehnten Lebensjahr.
Auch für das mathematische Denken ist die Formkonstanz wichtig. Piaget (1975, in Milz
2002) benennt die Konstanz als Invarianz: “Eine Menge oder eine Gruppe von
Gegenständen ist nur vorstellbar, wenn ihr Gesamtwert unverändert bleibt, gleich welche
Veränderungen in den Verhältnissen der Elemente eintreten mögen.“
28
3 Test zur visuellen Wahrnehmung
Jede Wahrnehmung in einem Bereich der visuellen Wahrnehmung geschieht im Austausch
oder in Zusammenarbeit mit anderen Modalitäten. Daher können die Wahrnehmungs-
fähigkeiten nur schwer isoliert gemessen werden. Um trotzdem eine Aussage über die
Fähigkeiten in der visuellen Wahrnehmung eines Kindes zu bekommen, besteht die
Möglichkeit einen normierten Test durchzuführen.
Aus dem ergotherapeutischen Arbeitsfeld möchte ich einen gängigen Test vorstellen.
3.1 Visueller Wahrnehmungstest DTVP-2
Der visuelle Wahrnehmungstest DTVP-2 ist eine Weiterentwicklung des FEW (Frostigs
Entwicklungstest der visuellen Wahrnehmung) und basiert momentan auf amerikanischer
Normierung. Ein Nachfolgetest des FEW mit deutscher Normierung wird demnächst
veröffentlicht. Mit dieser Testbatterie kann die visuelle Wahrnehmungsleistung bei
Kindern zwischen 4;0 und 10;11 Jahren ermittelt werden.
Der DTVP-2 besteht aus acht Subtests: 1. Auge-Hand Koordination; 2. Lage im Raum;
3. Nachzeichnen; 4. Figur-Grund; 5. räumliche Beziehung; 6. Gestaltschließen; 7. visuo-
motorische Geschwindigkeit; 8. Formkonstanz.
Jeder der acht Subtests kann einem Bereich der visuellen Wahrnehmung zugeordnet
werden. Diese Bereiche sind: Lage im Raum, Formkonstanz, räumliche Beziehung und
Figur-Grund. Der Test unterteilt sich in vier Subtests, welche die Visumotorik messen
(Auge-Hand Koordination, Nachzeichnen, räumliche Beziehungen und visuo-motorische
Geschwindigkeit). Die vier weiteren Subtests (Lage im Raum; Figur-Grund;
Gestaltschließen; Formkonstanz) beurteilen die Fähigkeiten der reinen visuellen
Wahrnehmung ohne handmotorische Anforderung. Die Fähigkeiten des Kindes im Bereich
Formkonstanz können somit sowohl durch den Subtest Nachzeichnen motorisch abhängig,
als auch mittels dem Subtest Formkonstanz motorisch reduziert eingestuft werden.
Eine Beschreibung der vier visuellen Wahrnehmungsbereiche wurde bereits in Kapitel 2
gegeben. Auf die Anforderung der einzelnen Subtests im DTVP-2 wurde hingewiesen.
Hier soll noch auf die drei weiteren Subtests der Visumotorik eingegangen werden, die
nach ihren Modalitäten, die zur Aufgabenlösung gebraucht werden, benannt sind.
29
Der Subtest „visuelles Gestaltschließen“ soll ferner erwähnt werden; auch er basiert auf
dem Typus der Formkonstanz. Beim DTVP-2 müssen die Kinder eine Stimulusfigur unter
einer Anzahl unvollständig gezeichneter Figuren wiedererkennen. Das heißt das Kind muss
in seiner Vorstellung die fehlenden Teile der Figuren ersetzen.
3.1.1 Auge-Hand
Bei diesem Subtest des DTVP-2 müssen die Kinder eine Linie in ein vorgegebenes breites
Band zeichnen. Die Bänder werden zunehmend enger, enthalten Winkel und Kurven. Das
heißt, das Kind muss sowohl mit den Augen den Ausgangspunkt fixieren und das Ziel
anvisieren, als auch mit der Hand die gedachte Linie spuren.
Dieser Subtest basiert in der visuellen Wahrnehmung auf dem Typus der räumlichen
Beziehung. Wichtigste Voraussetzung ist die ungehinderte Augenmuskelkontrolle, das
kontinuierliche Zusammenspiel von Auge und Hand sowie das binokulare Sehen. Die
vorausschauende Einstellung der Bewegungsrichtung ist für die Auge-Hand Koordination
wichtig. „Genau genommen schaut man nicht mehr auf den Stift, sondern immer wieder
auch zum Ziel, zu den begrenzenden Linien, um so rechtzeitig in der Bewegung zu
stoppen. Ähnlich wie beim Autofahren, man schaut auch hier nicht direkt vor den Kühler,
sondern weit voraus, um die Geschwindigkeit und die Lenkung im Voraus anpassen zu
können.“ (Augustin, 1995).
Die Auge-Hand Koordination ist auch eine Fähigkeit, die mathematisches Denken
beeinflusst:
• Beim Abzählen von Gegenständen müssen die Augen schrittweise den nächsten
Gegenstand fixieren, teils wird mit den Fingern zusätzlich berührt. Hierzu ist eine
genaue Koordination notwendig, um mit Fingern und Augen gleichzeitig den
selben Gegenstand zu erfassen.
• Beim Erfassen von Mengen muss das Mengenbild vollständig aufgenommen
werden.
3.1.2 Nachzeichnen
Beim DTVP-2: den Kindern werden einfache Figuren gezeigt und sie werden aufgefordert,
sie auf ein Blatt Papier abzuzeichnen. Die Figuren dienen als Modell für die Zeichnungen.
Die Figuren werden zunehmend komplexer.
Dieser Subtest basiert in der visuellen Wahrnehmung auf dem Typus der Formkonstanz.
30
3.1.3 Visuo-motorische Geschwindigkeit
Beim DTVP-2: Den Kindern werden vier geometrische Formen gezeigt, von denen zwei
eine spezielle Markierung enthalten. Den Kindern wird dann ein Blatt mit etlichen Reihen
dieser vier geometrischen Formen gezeigt, von denen aber keine Form eine Markierung
enthält. Die Aufgabe für die Kinder ist es, diese Markierung in so viele Formen
einzutragen, wie es in der vorgegebenen Zeit möglich ist.
Dieser Subtest basiert in der visuellen Wahrnehmung auf dem Typus der Formkonstanz.
31
4 Einfluss der visuellen Wahrnehmungsleistungen auf
mathematisches Denken
In diesem Kapitel möchte ich weder eingehen auf die Basiselemente der einzelnen
Wahrnehmungsbereiche noch auf die pränumerischen Voraussetzungen, wie das Handeln
mit Mengen, das Vergleichen von Objekten, die für die Ausbildung der Fähigkeit von
Klassifikation und Seriation notwendig sind. Auch auf sämtlichen Zusammenhängen
zwischen den einzelnen Bereichen soll nicht der Schwerpunkt liegen, wie beispielsweise,
dass ein durch die taktil-kinästhetische und vestibuläre Wahrnehmung gut ausgebildetes
Körperschema die Grundlage für visuell-räumliche und visuo-motorische Leistungen
bietet.
Vielmehr soll in diesem Kapitel der Einfluss einzelner spezieller Bereiche der visuellen
Wahrnehmung auf mathematisches Denken aufgezeigt werden, wie auch die Auswirkung
möglicher Beeinträchtigungen in der visuellen Wahrnehmung auf Rechenleistungen. Zu
diesem Zweck möchte ich Studien beschreiben, die diese Aussagen bestätigen oder wider-
legen. Schließlich finden sich in der Literatur einerseits Vertreter für die Modellvorstellung
von Jean Ayres: „Lesen, Schreiben und Rechnen sind keine Grundkenntnisse. Sie bedürfen
eines Gehirns, welches sehr unterschiedliche Empfindungen verarbeiten kann und sich an
präzisen motorischen und geistigen Reaktionen beteiligt.“ (Ayres in Ganser, 2002).
Demnach liegen die Grundbausteine für mathematisches Denken in den einzelnen Sinnes-
systemen und in höheren kognitiven Zentren. Dazu gehören visuelle und visuell-räumliche
Wahrnehmungsleistungen, taktil-kinästhetische und vestibuläre Wahrnehmung, auditive
Wahrnehmung und sprachliche Verarbeitungsprozesse sowie Gedächtnisleistungen. Laut
Kaufmann (2003) wird das Erlernen mathematischer Inhalte primär mit visuellen
Wahrnehmungsmechanismen in Verbindung gebracht.
Andererseits gibt es Vertreter wie Born und Oehler (2005), die den Ansatz von Ayres
kritisieren und gegen ein ganzheitliches Förderkonzept sind. Bei Schwierigkeiten im
mathematischen Denken sehen sie vielmehr die Notwendigkeit im kognitiven Bereich
anzusetzen, also dem Rechnen selber. „Alle Verfahren, die sich ganz klar an den
kognitiven Anforderungen des spezifischen Lerngegenstandes ausrichten, zählen zu den
erfolgreichen. (...) Auch hier gilt: ‚Man trainiert das, was man trainiert. Je direkter man das
trainiert, was man verbessern möchte, umso effektiver ist der Übungsvorgang’ (Born &
Oehler, 2004).“ (Born & Oehler, 2005). Dabei berufen sie sich auf Forschungs- und
32
Förderergebnisse der Lese-Rechtschreibung. Sie zitieren Gerd Mannhaupt: „Keine der
vorliegenden Studien, in denen diese allgemeinen Funktionen, aber auch unspezifische
emotionale Unterstützung das Zentrum der Förderung waren, konnte positive Effekte
feststellen.“ Demnach ist der Ansatz auf Lernstrategien und spezifische Inhalte zu richten.
4.1 Unterformen von Dyskalkulie
In wissenschaftlichen Untersuchungen findet man zwischen zwei bis sechs Unterformen
von Dyskalkulie. Rourke (1993, in Gaupp 2003), Kaufmann (2003), u.a. beschreiben zwei
Formen:
• Nonverbale Form: ausgelöst durch visuelle Defizite, Schwierigkeiten in der
räumlichen Organisation von Zahlen (z.B. Stellenwertfehler, Zahlenverdreher), in
der visuell-räumlichen sowie in der taktil-kinästhetischen Wahrnehmung. Gemäß
Brainerds (Lorenz, 1991) fällt es diesen Kinder schwer „die Bedeutung der Zahlen
einer Aufgabe im Sinne ihrer räumlichen und proportionalen Beziehung zueinander
zu erfassen und kontextbezogen abzurufen.“ Die Kinder haben eine große
Häufigkeit und Variabilität in ihren Rechenfehlern, die „nach Rourke (...) auf
einem lückenhaften Verständnis der grundlegenden mathematischen Algorithmen“
bestehen (Gaupp, 2003). Die verbalen Fähigkeiten sind normal entwickelt, somit
liegt keine parallele Lese- und Rechtschreibproblematik vor.
• Verbale Form: ausgelöst durch Defizite akustisch-verbaler Art, sowie durch die
sequentielle Kurzzeitmerkfähigkeit (gemäß Strang & Rourke). „Rechenfehler
zeigen sich hier besonders als Fehler in der mechanischen Anwendung von
vorhandenem mathematischem Wissen.“ (Gaupp, 2003). Es bestehen auch
Schwierigkeiten in der Lese-Rechtschreibung.
Geary (1993, 1994 in Gaupp 2003) unterteilt die verbale Form nochmals. Seiner
zweiten Form legt er Defizite in Gedächtnisleistungen zugrunde. Diese Kinder
haben trotz häufigem Üben „Beeinträchtigungen beim Abruf von mathematischen
Fakten aus dem Gedächtnis und beim Behalten von numerischen Informationen“
(Gaupp, 2003). Seine dritte Unterform basiert auf einer Problematik im Ausführen
von Rechenprozeduren (z.B. Zähl- oder Übertragsstrategien). Diese Kinder rechnen
oft mit einfachen Strategien und machen häufig bei einer Rechenoperation die
gleichen Fehler.
33
4.2 Teilleistungsstörungen im visuellen Bereich
Rechenschwächen werden häufig zu den Teilleistungsstörungen geordnet.
Teilleistungsstörungen entstehen einerseits aufgrund von Defiziten in den basalen
Funktionen selbst, wie der visuellen oder akustischen Wahrnehmung, dem räumlichen
Vorstellungsvermögen oder der Motorik, sowie durch Speicherungsschwierigkeiten und
Automatisierungsschwierigkeiten. Andererseits können auch die einzelnen Funktionen
intakt sein und die Teilleistungsschwäche wird durch eine Störung in der Funktions-
integration der beteiligten Bereiche ausgelöst.
Etliche Autoren widersprechen der Aussage, dass die Dyskalkulie zu den Teilleistungs-
störungen gehört (von Aster, Ganser, Grube, Karch). Sie begründen dies unter anderem
damit, dass es Kinder gibt, „die keinerlei neuro-psychologische Beeinträchtigungen
aufweisen und dennoch im Rechnen versagen, und auch solche, die sich trotz massiver
Handicaps gut zu helfen wissen.“(von Aster, in Lorenz 1991).
In seinem Beitrag über Teilleistungsschwächen zeigt Lorenz (1984) diese als mögliche
Ursache für eine Rechenschwäche auf. Teilleistungsstörungen bezeichnet er als „Störungen
spezifischer kognitiver Funktionen, die u.a. bei der Bearbeitung mathematischer Aufgaben
und Probleme sowie der Aneignung mathematischer Begriffe notwendig sind.“ (Lorenz,
1984, 92). Teilleistungsschwächen können vom Kind bis zu einem gewissen Grad z.B.
über Gedächtnisleistungen ausgeglichen werden.
Lorenz (1984, 80) schreibt über Teilleistungsschwächen im visuellen Bereich: „Relevant
werden diese Schwächen im Mathematikunterricht keineswegs nur in der Geometrie,
sondern beim Dekodieren aller ikonischen Repräsentationen, die in den Eingangsklassen
die Arbeitsanweisungen und Erläuterungen ausmachen.“ An anderer Stelle kann man
lesen: „Etwa 80% der von uns untersuchten Dyskalkulie-Kinder wiesen Störungen in der
Fähigkeit auf, Vorstellungsbilder zu generieren und Vorstellungsbilder zu manipulieren.“
Er zählt folgende Subbereiche auf, die beeinträchtigt sein können:
• Figur-Grund Diskrimination: Das Kind hat die Schwierigkeit, eine Figur nicht aus
ihrem komplexen Hintergrund herauslösen zu können. Eine solche Anforderung
findet man bei Aufgaben wie sie in der ersten Klasse gängig sind, bei denen das
Kind auf einem farbigen Hintergrund mehrere Gegenstände gezeichnet sieht und
eine entsprechende Anzahl dieser Gegenstände umkreisen oder zusammenfassen
soll.
• Wahrnehmungskonstanz (entspricht der Formkonstanz): Schwierigkeiten fallen auf,
wenn das Kind verschiedene geometrische Formen unabhängig ihrer Größen,
34
Schattierungen und räumlichen Stellung nicht von ähnlichen unterscheiden kann,
bzw. wenn es zwei gleiche Formen nicht inmitten von anderen herausfinden kann.
• Räumliche Beziehungen: Bei den räumlichen Beziehungen müssen „Formen und
Muster, die Stellung von Linien und Geraden zueinander“ analysiert werden
(Lorenz 1984, 83). Kinder, die Schwierigkeiten hierin haben, erkennen Längen-
und Größenunterschiede erschwert, können Auffälligkeiten im Aufbau des
Zahlenraumes und beim Vergleichen von Mengen haben.
• Zweidimensionales Sehen: Das Kind nimmt zuerst dreidimensional wahr,
entwickelt erst später „zweidimensionales Sehen und damit das Erkennen flächen-
hafter Darstellungen von Körpern“ (Lorenz 1984, 84).
• Speicherung: Soll das Kind eine Form beschreiben, muss ihm diese zuerst einmal
bekannt sein, d.h. es muss sich diese visuell vorstellen, um dann Fragen über deren
Eigenschaften beantworten zu können. Hat es Schwierigkeiten darin, so erinnert es
sich entweder nicht mehr an bereits behandelte Objekte, kann diese dann nicht
wiedererkennen und reproduzieren.
• Serialität: Kinder mit Schwierigkeiten in der Serialität zeigen Auffälligkeiten in der
räumlich-zeitlichen Anordnung, im Stellenwertsystem und in der Operationsfolge.
Es fällt ihnen z.B. schwer eine Bilderaufgabe in eine Rechenoperation zu
übersetzen, da sie den räumlichen oder zeitlichen Aspekt dabei missachten
(gezeichnet sind 4 Äpfel, zwei Äpfel werden dazugelegt; das Kind schreibt die
Aufgabe: 2+4=6; es vertauscht hierbei die räumlich-zeitliche Anordnung der
Objekte). Auffälligkeiten im Stellenwertsystem erkennt man im Zahlendiktat, da
die Ziffern einer Zahl unabhängig voneinander gesehen werden (die Zahl 8452
sieht das Kind als vier getrennte Zahlen 8, 4, 5, 2).
Die Operationsfolge ist gestört bei Kindern die eine Additions- oder Subtraktions-
aufgabe nur mit weiterzählen lösen, sich aber nicht eine Handlung dazu vorstellen
oder sie mit Material operierend lösen können.
Außerdem kann eine Störung in der Intermodalität zu mathematischen Schwierigkeiten
führen. Intermodalität bedeutet, dass eine Information nicht nur auf einer Sinnesebene
verarbeitet und hernach beantwortet wird, sondern meist mit anderen Sinnesebenen
verschaltet wird, bzw. dass die Reizinformation gleichzeitig in mehreren Ebenen eine
Wahrnehmung aufruft. Beim Anblick eines Quadrates erkennen wir über das visuelle
35
System die Form und gleichzeitig wissen wir auch, dass diese Form Quadrat genannt wird.
Durch eine Teilleistungsstörung im Bereich der Intermodalität kann diese Verknüpfung
zweier Wahrnehmungsbereiche behindert sein. Störungen können beispielsweise darin
bestehen, dass ein Kind problemlos Zahlen abschreiben kann und auch in schriftlichen
Rechenoperationen keine Schwierigkeiten hat. Soll es allerdings Kopfrechenaufgaben
lösen oder gehörte Zahlen wie bei einem Zahlendiktat aufschreiben, so kapituliert es, weil
die Verknüpfung zwischen auditivem und visuellem System nicht ausreichend entwickelt
ist. Es hört zwar die Zahlen und kann diese auch mündlich wiederholen, es verknüpft aber
mit dem Zahlenwort keine visuelle Vorstellung eines Zahlenbildes und weiß dadurch nicht,
welche Zahl es aufschreiben soll.
Als letzte Teilleistungsschwäche im mathematischen Bereich erwähnt Lorenz die
Programmsteuerungsschwäche. Darunter versteht man laut Lempp (1981, 112f. in Lorenz
1984, 91) die Schwierigkeit „Handlungsprogramme aufzustellen und so weit festzuhalten,
als der Ablauf des Programms wichtiger ist als evtl. neu hinzutretende Informationen, es
aber instandsetzt, den Ablauf des Programms dann zu unterbrechen, wenn eine neue
relevante Situation entstanden ist. Es wird hier deutlich, dass neben der
Programmsteuerung auch die funktionale Teilleistungsfähigkeit der Unterscheidung
zwischen wichtig und unwichtig eine wesentliche Rolle spielt“. Auffälligkeiten können
Entscheidungsschwierigkeiten für die notwendige Rechenart in komplexen Aufgaben wie
Textaufgaben sein. Oftmals werden dabei auch für das Lösen der Aufgabe wichtige
weitere Aspekte missachtet. Jansky (in Lorenz, 1984, 91) schildert, dass der
(durchschnittlich intelligente) Schüler mit Teilleistungsstörung beim Lösen einer Aufgabe
den Eindruck vermittelt, als wisse er nicht worum es geht und die in den Aufgaben
vorgegebene Information planlos verwendet.
4.3 Prävention durch Wahrnehmungstrainings
Zur Prävention von Dyskalkulie ist es wichtig während der Vorschulzeit, also dem letzten
Kindergartenjahr, Defizite in den basalen Funktionen zu erkennen und zu diagnostizieren.
Dies kann beispielsweise über einen Entwicklungstest, Wahrnehmungstest oder auch
Schulreifetest bei Kinderärzten, Ergotherapeuten, Psychologen, u.a.m. erfolgen. Eine frühe
Diagnostik mathematischer Vorläuferfunktionen und basaler Funktionen ist ratsam, da der
mathematische Lehrstoff auf sich aufbaut. Das heißt wenn in elementaren Bereichen
Schwierigkeiten bestehen, muss es fast zwangsläufig später zu Lernproblemen kommen.
36
Des weiteren ist der Anteil an mathematischem Wissen in anderen Fächern vor allem im
naturwissenschaftlichen Bereich, nicht zu unterschätzen, wodurch bei einer Dyskalkulie
der allgemeine schulische Lernerfolg beeinträchtigt werden kann.
Nach einem Test mit positivem Befund sollte sich eine gezielte Förderung in den basalen
Sinnesbereichen, in denen Defizite vorliegen, anschließen. Dies kann entweder über ein
bestimmtes Wahrnehmungstraining geschehen, das von Therapeuten oder Erziehern
durchgeführt wird, oder aber mittels Spielen und alltäglichen Handlungen, bei denen sich
das Kind immer wieder mit bestimmten Lerninhalten auseinandersetzen muss.
Ziel von allen Fördermaßnahmen sollte es sein, dem Kind Anregungen und Spielräume zu
geben, sich mit sich selbst und seiner Umwelt auseinander zu setzen. Angebote über die
das Kind mit unterschiedlichen Objekten hantiert, und darüber Erfahrungen mit Formen,
Farben und verschiedenen Materialien sammeln kann. Außerdem sollte über Bewegung
und taktil-kinästhetische Angebote der Aufbau von Körperschema und Körperbewusstsein
unterstützt werden. Die Trainings festigen die Voraussetzung für mathematische
Lernprozesse und begünstigen infolgedessen Fortschritte im ersten Mathematikunterricht.
Sie geben jedoch keine Sicherheit für das Kind nicht dennoch eine Rechenschwäche
ausbilden zu können. Bedeutend für mathematisches Denken sind vor allem die Figur-
Grund Wahrnehmung, das Körperschema und die Raumlageorientierung, räumliches
Vorstellungsvermögen, visuelles und auditives Gedächtnis, sowie die altersentsprechende
Beherrschung der Sprache.
Bei einer bestehenden Rechenschwäche haben jedoch etliche Studien mittlerweile
bewiesen, dass basale Funktionstrainings allein keinen Erfolg mit sich bringen, Defizite zu
beheben (vgl. Brühl et al.). „Mathematik lernen bedeutet aktive Arbeit des Kindes und zwar
Arbeit mit mathematischen Gegenständen und mathematisches Nachdenken über sie.
Keine andere Übung kann diese Arbeit ersetzen. Schlicht gesagt: Rechnen lernt man durch
Rechnen.“ (Gerster, 2004).
4.4 Entwicklung des räumlichen Vorstellungsvermögens
Maier (in Nacke, 2005, 230) schreibt über das räumliche Vorstellungsvermögen: „So
entstehen Vorstellungsbilder, die auch ohne das Vorhandensein der realen Objekte verfüg-
bar sind. Dabei ist zu betonen, dass Raumvorstellung sich jedoch nicht darauf beschränkt,
diese Bilder im Gedächtnis zu speichern und – in Form von Erinnerungsbildern – bei
Bedarf abzurufen. Vielmehr kommt die Fähigkeit, mit diesen Bildern aktiv umzugehen, sie
37
mental umzuordnen und neue Bilder aus vorhandenen vorstellungsmäßig zu entwickeln,
als wichtige Komponente mit hinzu.“
Es gibt viele Modelle zum räumlichen Vorstellungsvermögen. Viele von ihnen basieren
auf dem von Thurstone, der in räumliche Beziehungen, Veranschaulichung und räumliche
Orientierung unterscheidet. „Die räumlichen Beziehungen (...) beinhalten vorwiegend das
richtige Erfassen räumlicher Gruppierungen von Objekten (...) und deren Beziehung unter-
einander. Die Veranschaulichung (...) umfasst die gedankliche Vorstellung von räumlichen
Bewegungen von Objekten oder Teilen von ihnen, ohne Verwendung anschaulicher Hilfen.
Die räumliche Orientierung (...) erfordert die räumliche Einordnung der eigenen Person in
eine räumliche Situation (...).“ (Kaufmann, 2003, 37)
In ihrem Buch „Räumliches Denken im Kindesalter“ (1999) erläutern Lohaus, Schumann-
Hengsteler & Kessler unter anderem die Verarbeitung von statisch-räumlicher und
dynamisch-räumlicher Information. Auf diese Darstellung wird hier verzichtet.
Schon Kleinkinder im Alter von sechs Monaten können „kleine Mengen wiedererkennen,
vergleichen und unterscheiden“ (von Aster, in Lorenz 1991, 41) Wie mehrere Experimente
aufgezeigt haben, haben Kleinkinder bereits die Fähigkeit akustische und visuelle Reize in
Bezug auf ihre Menge und Anzahl zu erkennen. „Kleinkinder erfassen auf diese Weise in
einer impliziten wahrnehmungsbezogenen Weise das Prinzip des Zu- und Abnehmens oder
des Mehr- oder Wenigerwerdens, sowie das Prinzip des Zusammenfügens eines Ganzen
aus Teilen. Hierin ist das Wesentliche des späteren Addieren und Subtrahierens und auch
die Komplementarität dieser Operationen bereits enthalten.“ (von Aster, in Lorenz 1991,
42).
Drei- bis Vierjährige Kinder haben bereits so viel Übung im Zählen, dass sie rasch sagen
können, ob die Zahl 3 oder 5 mehr bedeutet ohne unbedingt abzählen zu müssen. Damit
Kinder diese Leistung erbringen können, benötigen sie frühes Aufmerksamkeits- und
Beobachtungsverhalten, sowie Speicherstrukturen im Gedächtnis.
Für die Entwicklung des räumlichen Vorstellungsvermögens ist laut Ayres, Barth, Affolter,
Nacke et. al. die Körpererfahrung primär. Räumliche Dimensionen wie oben und unten,
vorn und hinten, rechts und links werden zuerst einmal am eigenen Körper erlebt. Danach
findet die Erkundung des persönlichen Raumes statt, d.h. der Raum, der sich ohne
Positionsänderung des Körpers erreichen lässt. Als letzte der drei Stufen wird der
Umgebungsraum erkundet. „Gemäß Lüscher und Maunder-Gottschall (1991) werden die
Körpererfahrungen und die Erfahrungen mit dem persönlichen Raum auf den weiteren
38
Raum übertragen. Das Kind löst sich von seiner egozentrischen Wahrnehmung und setzt
nun auch Objekte in Beziehung zueinander.“ (Nacke, 2005, 233).
Bei Nacke (2005, 230) findet sich eine Auflistung der Sinnessysteme, die zur Raumwahr-
nehmung benötigt werden. Neben dem visuellen System, das Informationen zu räumlichen
Beziehungen, Raum-Lage, Form, Größe, etc. liefert, sind auch Aspekte des auditiven und
des taktil-propriozeptiven Systems wichtig. Des weiteren beeinflusst auch das vestibuläre
System unser räumliches Vorstellungsvermögen, da wir darüber z.B. Informationen über
Bewegung und Schwerkraftverhalten des Objektes erfahren.
Aber auch blinde Menschen können sich ein räumliches Vorstellungsvermögen aufbauen,
obwohl die visuelle Information fehlt. Sie erfassen die räumlichen Aspekte über die taktil-
propriozeptive Wahrnehmung.
4.5 Entwicklung des räumlichen Vorstellungsvermögens nach Piaget
Piaget unterteilt die kindliche Entwicklung in 3 Stufen: die Sensomotorik, die Stufe des
präoperativen Denkens und die Stufe des operativen Denkens.
Die sensomotorische Phase (0-2 Jahre) bildet über die Wahrnehmung mittels den
Sinnessystemen die Grundlage für die kognitive Entwicklung. Das Kind hantiert mit
Gegenständen und Objekten, erfährt darüber sich selbst und seine Umwelt und erwirbt sich
ein Raumkonzept.
Die darauf folgende präoperative Phase unterteilt Piaget nochmals in vorbegrifflich-
symbolisches Denken (2-4 Jahre) und anschauliches Denken (4-7 Jahre). Das Kind
entwickelt die Fähigkeit sich etwas vorstellen zu können, es ersetzt die ihm vorhandenen
Handlungsschemata durch Vorstellungsbilder. Etwas vorher gesehenes kann zu einem
späteren Zeitpunkt nachgeahmt werden, beim Symbolspiel gewinnen Gegenstände einen
symbolischen Sinn. In der Zeichnung malt das Kind Dinge, die es nicht vor sich sieht,
sondern aus dem Gedächtnis abruft, außerdem äußert es sich über Situationen aus der
Vergangenheit und Zukunft. Das Vorstellungsvermögen wird auch unabhängig von der
Präsenz des Objektes ausgeprägt. Hierzu sind analytische und synthetische Fähigkeiten
notwendig. Das Denken ist noch eingleisig, also unidirektional, das heißt es kann nur ein
Aspekt beachtet werden, dies ist meist der für das Kind vordergründigste Aspekt.
Relevante vormathematische Begriffe wie länger – kürzer, größer – kleiner, höher – tiefer,
mehr oder weniger werden in Vorstellungsbildern durch Handlungen aufgebaut.
39
Für die Mathematikdidaktik ergibt sich daraus, dass konkrete Handlungen und nicht
statische Bilder im Anfangsunterricht verwendet werden sollten. Das Denken der Kinder
zum Zeitpunkt der Einschulung ist noch sehr handlungsorientiert; was sie wahrnehmen und
was für sie von Bedeutung ist, hängt von ihrer aktuellen Beschäftigung ab. Die ihnen als
Anschauungsmaterial dargebotenen Rechenwürfel hängen nicht automatisch mit mathe-
matischen Strukturen zusammen, sie können vielmehr auch für andere Beschäftigungen
verwendet werden, wie z.B. zum Türme bauen.
Ein Experiment zeigte, dass schon junge Kinder Vorstellungsbilder in Kombination mit der
taktilen oder motorischen Wahrnehmung nutzen, um einfache Rechenaufgaben zu lösen:
Die Vorschulkinder sollten „die Anzahl an Klötzen bestimmen, die vor den Augen des
Kindes in eine Schachtel gesteckt wurden, aber dort nun nicht mehr sichtbar sind.“ (Lorenz
1991, 57f) Lag die Schachtel tatsächlich vor den Kindern, tippten diese mit dem Finger
darauf, als ob sie die Klötze abzählen würden.
Das operative Denken unterteilt sich in konkrete Operationen (7-11 Jahre) und formale
Operationen (ab 11 Jahren). Gegenüber der vorherigen Phase wird die Invarianz, die
Unveränderlichbarkeit oder auch Konstanz erkannt. „Eine Menge oder eine Gruppe von
Gegenständen ist nur vorstellbar, wenn ihr Gesamtwert unverändert bleibt, gleich welche
Veränderungen in den Verhältnissen der Elemente eintreten mögen.“ (Piaget, in Milz 2004,
40). Mittels mehrgleisigem Denken werden Vorgänge erschlossen. Es gelingt mehrere
Aspekte gleichzeitig zu beachten, sie in Zusammenhang zueinander zu stellen und eine
Gewichtung der Aspekte vorzunehmen. Das Kind kann in seiner Vorstellung Operationen
mit konkreten Objekten ausführen. Diese Fähigkeit ist beim Lösen von Sachaufgaben
notwendig, da hier zuerst die passende Rechnung heraus gefunden werden muss. Weiterhin
gelingt es dem Grundschulkind sich die Reversibilität, also das Umkehren einer Handlung
vorzustellen, was für mathematische Prozesse wichtig ist. Somit kann dann der
Zusammenhang zwischen Addition und Subtraktion sowie Multiplikation und Division
erfasst werden.
Ebenso werden in der Phase des operativen Denkens Fähigkeiten erworben wie Seriation
von Objekten nach einer oder mehreren Dimensionen (z.B. Babuschka), Klassifikation und
Erkennen von hierarchischen Beziehungen (es gibt Tiere – Tiere die fliegen – und ein
Bereich davon sind die Vögel). Die Notwendigkeit von konkretem Anschauungsmaterial
nimmt nach und nach ab, abstraktes, logisches Denken wird möglich, die Realität wird in
40
ein System von inneren Bildern eingeordnet. Später in der formalen Phase entwickelt sich
unter anderem noch das Aufstellen von Hypothesen und das Denken auf Meta-Ebene.
Die Vorstellungsbilder, die sich die Kinder aufbauen, enthalten nicht etwa das konkrete
Handlungsmaterial, das dann vor dem inneren Auge visualisiert wird. Sondern sie bestehen
aus abstrakteren Bildern, welche die strukturellen Eigenschaften des Materials beinhalten
und somit die mathematischen Beziehungen verdeutlichen, sowie Beziehungsnetze
zwischen den einzelnen Rechenoperationen darstellen. Die Visualisierung kann von Kind
zu Kind verschieden sein, ist teils abstrakter, teils konkreter, basiert jedoch auf dem
Material, mittels dessen der Lerninhalt vermittelt wurde. Vorstellungsbilder, die nicht oben
genanntem entsprechen, unterstützen auch keine mathematische Begriffsbildung und sind
für das Kind unbrauchbar. Wie diese inneren Vorstellungsbilder genau entstehen, darüber
gibt es nur Vermutungen. Grundsätzlich spielt aber die Aufmerksamkeitsfokussierung eine
Rolle, da die wesentlichen Anteile z.B. einer Textaufgabe zuerst herausgefiltert und in
mathematische Beziehung gebracht werden müssen.
4.6 Weitere Faktoren, welche visuell-räumliche Vorstellungsleistung im mathematischen Denken beeinflussen
Wie bereits erwähnt ist es laut Michael von Aster (Lorenz 1991), Barth (2000), Maier
(1999) u.v.a. wichtig, dass die Kinder ein gutes Körperschema ausprägen. Räumliche
Beziehungen und Raumlage von Gegenständen können darüber erkannt werden. Dies
ermöglicht es Fähigkeiten wie Erfassen von Größenunterschieden, Ordnen von Mengen
oder Bilden von Reihen zu entwickeln. Fähigkeiten, die für das logische mathematische
Denken, für die Mengenerfassung und den Aufbau von Zahlenvorstellung wichtig sind.
Die Finger seien dabei für die Entwicklung des Bewusstseins für Reihenfolgen wichtig.
Kinder, die sich folglich das Benennen einzelner Finger oder differenzierte Bewegungen
ihrer Finger nicht ausreichend aneignen konnten, haben im rechnerischen Bereich
Schwierigkeiten. Um so differenzierter und automatisierter das Kind sich mit seinem
Körper bewegen kann, rechts und links zu unterscheiden vermag und eigene Handlungen
planen kann, desto stabiler sei der innere Zahlenraum und die mit Rechenoperationen
verbundenen räumlichen Bewegungsfolgen und räumlichen Proportionen. „Solange
einfache Raumzuordnungen am eigenen Körper nicht funktionieren, erscheint es
unmöglich, sie in erweiterten Dimensionen zu beherrschen.“(Schuch & Friedler, 1982, 46
in Lorenz 1984, 77). Demnach sind die taktil-kinästhetischen Erfahrungen und somit die
41
Entwicklung des Körperschemas eine essentielle Voraussetzung für die
Raumvorstellungsfähigkeit und das Operieren mit visuell-vorgestellten Bildern. Die Finger
sind demnach nicht nur eine Zählhilfe, sondern eine Möglichkeit Rechenoperationen zu
veranschaulichen und konkretisieren, und darüber hinaus auf taktile Weise zu
repräsentieren. So wird der Rechenprozess auf mehreren Ebenen unterstützt und kann
verinnerlicht und automatisiert werden.
Außerdem beeinflusst die Raumorientierung die visuell-räumlichen Leistungen im
mathematischen Denken. Über die räumliche Orientierungsfähigkeit werden zuerst einmal
die Charakteristika ähnlicher Ziffern erfasst (2 und 5; 6 und 9), des weiteren das
Stellenwertsystem von Zahlen (Einer - Zehner – Hunderter), und somit auch die
Unterscheidung zwischen den Zahlen 46 und 64.
4.7 Möglichkeiten zur Förderung von räumlichem Vorstellungsvermögen im Mathematikunterricht
Zu Beginn des Mathematikunterrichts sollte aufgrund des Einflusses des räumlichen
Vorstellungsvermögens auf das mathematische Denken vorwiegend mit Anschauungs-
material gearbeitet werden. „Mathematisches Denken ist Denken in Räumen. Auch der
Erwerb der vier Grundrechenarten Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division
erfordert räumliches Vorstellen und Denken. Wir sprechen vom Zahlenraum 10, 20 (...)
Immer geht es dabei um Beziehungen im Raum.“ (Barth, 2000, 149). Fischer (1995)
betont, dass jüngere Kinder mehr Information benötigen als ältere, um die visuelle
Erfahrung und das visuelle Lernen zu festigen. „Dabei erfolgt der Übergang von der
Erfahrung zu kognitiven Prozessen mit drei Komponenten: Übung, physikalische und
logisch-mathematische Erfahrung. Diese Reihenfolge ist in Lernsituationen zu berück-
sichtigen. (...) Die Relevanz visuell-wahrnehmungsmäßiger Faktoren für die schulischen
Leistungen auf allen Stufen ist offensichtlich. Insofern ist die visuelle Wahrnehmung Teil
einer ersten rudimentären Form der Intelligenz oder der Kognition.“
Der Aufbau mathematischer Operationen lässt sich in 4 Stufen einteilen (vgl. das Vier-
Stufenmodell von Aebli wie in Born & Oehler, Buchner, Milz, u.v.m. beschrieben):
Über Handeln und Manipulieren mit Gegenständen wird es den Kindern ermöglicht
Rechenoperationen nachzuvollziehen und damit konkret mathematische Begriffe und
Zusammenhänge zu erfahren und zu verinnerlichen (1.Stufe). Danach folgt in der 2.Stufe
das Arbeiten mit sogenannten Veranschaulichungsbildern, das heißt, dass Rechnungen
42
über bildhafte Darstellungen präsentiert werden. Anschließend in der 3.Stufe werden die
Aufgaben in Ziffern und mathematische Symbole übersetzt und nur noch symbolisch, bzw.
abstrakt bearbeitet. Über diese Vorgehensweise soll jedem Kind der Zugang zu mathe-
matischem Denken ermöglicht werden, so dass auch bei rein schriftlichen Rechen-
operationen eine bildhafte Vorstellung über den Rechnungsinhalt geleistet werden kann
(Radatz in Lorenz 1991, 75; Milz 2004, 93f.). Die 4.Stufe dient dem Automatisieren und
Anwenden verschiedener mathematischer Operationen.
„Der Übergang von Handlung zu visueller Repräsentation verläuft nicht automatisch; es ist
ein selektiver und damit konstruktiver Prozess, nicht ein schlichter Abbildungsvorgang.
Vorstellungsbilder sind aus Wissenselementen aufgebaut; bedeutungshaltige Informationen
werden zu einem Bild zusammengefügt, wobei eine sprachliche Darbietung eines
Sachverhaltes nicht sofort und automatisch zur Visualisierung führt, häufig kann jedoch
ein gezielter Hinweis eine visuelle Vorstellung bewirken. (...) Sind die Vorstellungsbilder
hingegen zu stark an das konkrete Material gebunden, lassen sie sich nicht auf
strukturverwandte Aufgaben übertragen.“ (vgl. Lorenz in Kaufmann, 2003, 45f).
Weiter schildert Radatz, dass oftmals Kinder mit Dyskalkulie Schwierigkeiten zeigen, zu
einer Rechenaufgabe eine passende Handlung oder Bildgeschichte zu beschreiben. „Für
diese Schüler ist, wie Hughes (1986) formuliert, eine mathematische Gleichung mit Ziffern
und anderen Symbolen eine Art Geheimcode, in dem man kontextfrei nach bestimmten
Regeln manipulieren kann. Soll ein derartiger Geheimcode konkretisiert oder erklärt
werden, dann erfolgt sehr oft die Übersetzung in einen anderen Geheimcode, (...).“
(Radatz, in Lorenz 1991, 85). Radatz sieht mögliche Gründe für diese Problematik bei
rechenschwachen Kindern darin, dass im Kindergarten bei Handlungen mit Material das
soziale Verstehen und Lernen gefördert wird, allerdings kaum eine mathematische
Interpretation angestrebt ist. Des weiteren gilt die Mathematik für diese Kinder als ein
abstraktes System, das nichts mit konkreten Handlungsfolgen zu tun hat, bei dem man „mit
Symbolen manipuliert, Regeln und „Tricks“ kennen muss.“ (Radatz, in Lorenz 1991, 85).
Aufgrund dieser fehlenden Vorstellungsfähigkeit entwickeln die Kinder Zähltechniken wie
count-all oder counting-on, die teilweise sogar noch durch das im Unterricht angebotene
Rechenmaterial unterstützt werden (z.B. Zahlenstrahl, Steckwürfel). Letzten Endes fallen
immer wieder auch Schwächen im Bereich der visuellen Wahrnehmungsaufnahme,
besonders der Figur-Grundunterscheidung und der Gestalterfassung, der Verarbeitung und
der Speicherung visuell dargebotener Informationen auf. Rechenschwache Kinder erzielen
beispielsweise im HAWIK-R Intelligenztest in den Untertests „Mosaiktest“,
43
„Zahlennachsprechen“ und „Bilderergänzen“ weniger Punkte als durchschnittliche und
gute Rechner. Dies lässt darauf schließen, dass sie im Mathematikunterricht rasch durch
Hilfsmittel oder Veranschaulichungen visuell überfordert sind, da diese ihnen keine Hilfe
darstellen, sondern eine weitere Hürde bieten.
Lorenz warnt jedoch vor zu unterschiedlichem Veranschaulichungsmaterial, da leistungs-
schwache Kinder oft den Transfer auf die Rechnung selbst nicht schaffen und deshalb
durch das Rechnen mit Material nicht profitieren. Die Automatisierung der Grundrechenart
kann dann nicht stattfinden. „Dies steht in Übereinstimmung mit dem Modell von Dehaene
(vgl. Kapitel 4.8), der aufbauend auf Ergebnissen der Gehirnforschung feststellt, dass
Veranschaulichung einerseits und das Verfügen über numerisches Faktenwissen
andererseits als zunächst voneinander getrennte Prozesse zu betrachten sind – sie werden
an unterschiedlichen Stellen im Gehirn und damit auch in unterschiedlichen neuronalen
Netzwerken abgespeichert.“ (Born & Oehler, 2005).
4.8 Triple-Code-Modell von Dehaene
Ein weiteres Modell, das auf den neuesten kognitiv-neuropsychologischen Forschungs-
ergebnissen aufbaut, ist das „Triple-Code-Modell“ von Dehaene (1992). Er versucht die
Komponenten der Zahlenverarbeitung und des Rechnens darzustellen. Gut erläutert ist dies
in dem Buch „Kinder mit Rechenschwäche erfolgreich fördern“ von Born & Oehler (2005)
oder in seinem eigenen Buch „Der Zahlensinn“ (Dehaene, 1999).
Dehaenes unterscheidet in seinem Modell drei Funktionseinheiten, die zur Zahlen-
verarbeitung benötigt werden. Die Funktionseinheiten können einzeln Input aufnehmen
und Output abgeben. Sie sind aber auch untereinander verbunden, so dass sie
Informationen austauschen können. Im Folgenden sollen die einzelnen Module kurz
erläutert werden:
- Analoge Repräsentation von Größen: Sie ist ein vorsprachliches System, das zum
arithmetischen Denken benötigt wird. „Hierbei handelt es sich um eine innere Zahlen-
vorstellung, welche die grundlegende Fertigkeit des Verständnisses von Mengen und
Zahlen beinhaltet.“ (Born & Oehler, 2005). Mittels diesem Modul können Mengen
geschätzt oder erfasst werden, es dient der Überschlagsrechnung und dem Vergleichen.
Zu dieser Fähigkeit ist eine örtliche und räumliche Wahrnehmung im Zahlenbereich
notwendig, da laut Dehaene der Mensch sich die Zahlen wie auf einem inneren
Zahlenstrahl vorstellt.
44
- Visuell-arabische Repräsentation: Born & Oehler (2005) schreiben, dass es „Zahlen in
Form von arabischen Ziffern (z.B. „13“) repräsentiert. Diesem Modul wird die
Fähigkeit zugeordnet, Zahlen zu steuern und mit ihnen umgehen zu können sowie die
Fähigkeit zu Operation mit Zahlen. (...) Hierzu sind Regelkenntnisse erforderlich. Wir
benötigen das Wissen, dass beispielsweise die Zahl 13 aus einem Zehner und drei
Einsern besteht. (...) Darauf aufbauend werden schriftliche arithmetische Verfahren bei
mehrstelligen Zahlen gelernt. Laut Dehaene befindet sich dieses Modul im visuellen
Kortex.
- Auditiv-sprachliche Repräsentation: Dieses allgemeine Modul für Sprachprozesse
befindet sich im Sprachsystem der linken Hemisphäre. Es dient der sprachlichen
Komponente der Zahlenverarbeitung, z.B. dem Erfassen von geschriebenen oder
gesprochenen Zahlen (Input) sowie dem verbalen Antworten darauf (Output). „Dieses
Modul benötigen wir bei Zählprozeduren, dem Abspeichern von numerischem
Faktenwissen, wie beispielsweise dem Einmaleins.“ (Born & Oehler, 2005).
4.9 Einfluss des visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses auf mathematisches Denken
Das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis würde alleine eine ganze Abschlussarbeit füllen.
Trotzdem möchte ich in diesem Unterkapitel darauf eingehen, da es auch auf Rechen-
leistungen einen großen Einfluss hat. „Visuelles Gedächtnis bezeichnet die Fähigkeit, die
aufgenommenen und verarbeiteten Informationen visuell zu speichern. Derartige
Anforderungen sind im Mathematikunterricht zahlreich: Bildliche Darstellungen sollen
gespeichert werden, Vorstellungen auf Material entwickelt werden, gesehene Ziffern,
Zeichen, Aufgaben im Kopf behalten werden.“ (Kaufmann, 2003, 38).
Von der gängigen Unterteilung des Gedächtnisses in drei Kategorien, nämlich in das
Kurzzeit-, Mittelfristige- und das Langzeitgedächtnis wird hier nur der Bereich des
Kurzzeitgedächtnisses, der das Arbeitsgedächtnis beinhaltet, angesprochen.
Rechenschwache Kinder zeigen laut Gaupp (2003) neben eindeutigen Defiziten in den
Vorläuferfertigkeiten gravierende Schwierigkeiten in zentralexekutiven Arbeitsgedächtnis-
leistungen, sowie eine geringe Problematik im visuell-räumlichen Gedächtnis. Dyskalkulie
stünde nur wenig mit visuell-räumlichen Wahrnehmungsschwierigkeiten unmittelbar im
Zusammenhang. Weitere Studien haben gezeigt, „dass das Rechnen (...) keiner aktuellen
visuell-räumlichen Verarbeitung bedarf“ (vgl. De Rammelaere, 2002 in Grube, 2006).
45
Neben der herabgesetzten Leistung im visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnis bestehen
kaum Auffälligkeiten im phonologischen Gedächtnisbereich. Den Kindern falle es schwer,
Rechenergebnisse aus dem Gedächtnis abzurufen, sich beim Abschreiben von Aufgaben
die Zahlenfolge sowie die Rechenzeichen zu merken oder auf bereits durchgeführte
Teilrechnungen zurückzugreifen. Schließlich müssen beim Kopfrechnen die „Zwischen-
ergebnisse (...) so lange behalten werden, bis die Rechenaufgabe vollständig gelöst ist. Das
Arbeitsgedächtnis stellt somit eine Art „Schnittstelle“ zwischen der Wahrnehmung, der
selektiven Aufmerksamkeit und höheren kognitiven Prozessen dar, deren Untersysteme
durch die Funktion des Arbeitsgedächtnisses als Kontrolleinheit koordiniert und gesteuert
werden.“ (Born & Oehler, 2005).
Das Arbeitsgedächtnis ist eine kognitive Basisleistung. „Baddeley (1997) nimmt an, dass
das Arbeitsgedächtnis Gedächtnisinhalte bereitstellt, während gleichzeitig übergeordnete
geistige Operationen ablaufen.“ (Born & Oehler, 2005). Baddeley und Hitch (in Gaupp,
2003; Grube, 2006; Schumann-Hengsteler, 1995) stellten dazu ein Modell auf, bei der das
Arbeitsgedächtnis in die zentralexekutive Funktion, sowie in visuell-räumlichen Skizzen-
block und phonologische Schleife unterteilt wird. Die zentrale Exekutive (= Leitzentrale)
ist den beiden anderen Bereichen übergeordnet, sie führt die kognitive Koordination
zwischen den Systemen durch, ihr unterliegt die Steuerung von Aufmerksamkeitsprozessen
und sie ist die Kontrollinstanz im System des Arbeitsgedächtnis. Insbesondere bei
komplexen kognitiven Leistungen trägt sie einen wesentlichen Anteil an Planung und
Ausführung bei. Die beiden Subsysteme speichern kurzfristig modalitätsspezifische
Informationen. „Die phonologische Schleife verarbeitet phonologische Informationen, der
visuell-räumliche Skizzenblock visuelle und räumliche Information.“ (Gaupp 2003, 12).
Wie Studien bewiesen haben, sind alle drei Arbeitsgedächtnisleistungen bei der
Informationsverarbeitung und somit auch mehr oder weniger bei Rechenoperationen
beteiligt. Während des Rechenprozess müssen beispielsweise über das Arbeitsgedächtnis
die Zahlen und Rechenzeichen bereitgehalten, geeignete Rechenstrategien gesucht,
Zwischenergebnisse gespeichert werden.
Die folgende Tabelle aus Gaupp (2003, 24) zeigt die Darstellung der Komponenten des
Arbeitsgedächtnismodells von Baddeley und Hitch beim Rechnen:
46
Visueller Speicher Zentrale Exekutive Phonologische Schleife
- Repräsentation eines mentalen Zahlenstrahls
- räumliche Repräsentation von Zahlen
- räumliche Repräsentation von Rechnungen, Gleichungen & Brüchen
- Ausrichten der Aufmerksamkeit
- Auswahl und Ausführen der Rechenstrategie
- Wissensabruf aus dem Langzeitgedächtnis
- Schätzprozesse
- Bereithalten der Aufgabe
- Bereithalten von Zwischenergebnissen
- Ausführen von zählbasierten Rechenstrategien
Bestehen nun gravierende Ausfälle in der zentralen Exekutiven, also der übergeordneten
Steuerinstanz, so muss dies unweigerlich zu Rechenschwierigkeiten führen.
Weiterhin hat Gaupp (2003) in ihrer Studie herausgefunden, dass die Auffälligkeiten im
visuell-räumlichen Skizzenblock auf einen reduzierten visuellen Speicher hindeuten
könnten, „d.h. der Komponente des visuellen Speicher, die für die kurzzeitige Bereit-
haltung unbewegten visuellen Materials zuständig ist.“ Allerdings gibt es andere Studien,
die genau Gegenteiliges beweisen, oder zumindest gleiche Leistungen in diesem Bereich
bei rechenschwachen Kindern und der entsprechenden Vergleichsgruppe belegen. „Unter
Berücksichtigung der widersprüchlichen Befundlage (...) scheint dennoch die Schluss-
folgerung gerechtfertigt, dass Defizite in der temporären Speicherung visueller
Informationen bei Kindern mit Dyskalkulie bestehen.“ (Gaupp, 2003).
Strategien in visuell-räumlichen Gedächtnisspeicherfunktionen sind bei Kindern aus der
Vergleichsgruppe effektiver, während rechenschwache Kinder wohl unzureichende
Strategien benutzen. Um welche Strategien es sich dabei handelt und inwiefern diese
ungenügend ausgebildet sind, bleibt bei dieser Untersuchung jedoch unbeantwortet. „In der
Verarbeitung relativ einfacher visueller und räumlicher Information zeigen die Kinder mit
Dyskalkulie im Vergleich zu den Kindern der Vergleichsgruppe eine nur geringfügig
niedrigere (...) bzw. eine vergleichbare Leistung (...). Je komplexer die zu verarbeitenden
visuellen und räumlichen Informationen und je größer damit die Anforderung an den
visuellen Speicher werden, desto größer werden die Schwierigkeiten der rechenschwachen
Kinder, diese kurzzeitig zu behalten.“ (Gaupp 2003, 79).
47
4.10 Studie zur „Früherkennung von Rechenstörungen in der Eingangsklasse der Grundschule“ von Sabine Kaufmann
Abschließend möchte ich noch die Studie „Früherkennung von Rechenstörungen in der
Eingangsklasse der Grundschule und darauf abgestimmte remediale Maßnahmen“ von
Kaufmann (2003) aufgreifen, da aus ihr Erkenntnisse über den Einfluss der visuellen
Wahrnehmung auf Rechenleistungen gewonnen werden können. In ihrem Kapitel über die
Ursachen für Dyskalkulie findet sich folgende Aussage: „Zwillings- und Adoptionsstudien
deuten darauf hin, ‚dass in der Allgemeinbevölkerung etwa 60 Prozent der Varianz bei den
sprachlichen Fähigkeiten und etwa 50 Prozent der Varianz beim räumlichen
Vorstellungsvermögen auf erblichen Einflüssen beruhen’ (Plomin & DeFries 1999)“
(Kaufmann 2003, 30).
Zuerst möchte ich einen Überblick über die Studie geben.
„Für die empirische Untersuchung wurden folgende Arbeitshypothesen aufgestellt:
- Geringe visuelle Fähigkeiten bei Schuleintritt haben schwächere arithmetische
Leistungen im mathematischen Anfangsunterricht zur Folge.
- Gezielte Förderung kann den Anschluss an die Klasse ermöglichen.
- Zwischen arithmetischen Vorkenntnissen und visuellen Fähigkeiten zum Zeitpunkt des
Schuleintritts besteht ein Zusammenhang.“ (Kaufmann, 2003)
Die Untersuchungen der Studie wurden in drei Phasen durchgeführt. Diese Tests wurden
bevorzugt als Gruppentests durchgeführt, um die „Störung des Regelunterrichts so gering
wie möglich zu halten“. Des weiteren wurden die Daten über Einzelinterviews und durch
Beobachtung ermittelt. Während jeder Untersuchungsphase wurde zusätzlich ein Lehrer-
fragebogen ausgehändigt, um die Einschätzung der Lehrer über die Fähigkeiten der Kinder
einzuholen.
- U1 (Eingangsuntersuchung von September 1999 – Januar 2000)
Es wurden verschiedene Tests durchgeführt zum Erfassen der visuellen Wahrnehmung
(FEW), der Entwicklung von Motorik, Körperbewusstsein, u.a., der Intelligenz, sowie
der arithmetischen Vorkenntnisse.
- U2 (Zweite Untersuchungsphase von März – Juli 2000)
Im März und April wurden verschiedene mathematische Fähigkeiten überprüft,
außerdem wurde der Eingangstest bzgl. der arithmetischen Vorkenntnisse wiederholt.
Im Mai folgte ein Test zum Operationsverständnis und im Juli ein Rechentest.
- U3 (Abschlussuntersuchung von Mai – Juli 2001)
48
Es fand eine Wiederholung des FEW zur visuellen Wahrnehmung statt, sowie eine
Überprüfung der mathematischen Fähigkeiten
Das Förderkonzept basiert auf grundlegenden mathematischen Lernprozessen. Es wird
davon ausgegangen, „dass Kinder mit Defiziten in der visuellen Vorstellung häufig
Lernschwierigkeiten in Mathematik haben; sie erkennen häufig nicht die Struktur des
Zahlenraums und sind dadurch weniger als ihre Mitschüler in der Lage effektive Strategien
zu entwickeln und adäquat einzusetzen. (...) Es wurde versucht, visuelle Fähigkeiten
weitgehend an Inhalten des Mathematikunterrichts zu trainieren.“ (Kaufmann, 2003).
Die Schwerpunkte im Förderkonzept (nach Kaufmann, 2003) sahen wie folgt aus:
- Entwicklung des Zahlbegriffs
- Schwerpunktmäßiges Arbeiten auf enaktiver und ikonischer Ebene/ Intermodaler
Transfer/ Operationsverständnis
- Zählen/ Zählendes Rechnen
- Intensive Arbeit mit Mengenbildern
- Verwenden von Arbeitsmitteln zum Unterstützen von visuellen Vorstellungsbildern
wie Rechenschiffchen, Hunderterfeld und leerem Zahlenstrahl.
Nach der Eingangsuntersuchung wurden die Kinder in Gruppen eingeteilt:
- Fördergruppe: 14 Risikokinder, die während der Untersuchung eine Wochenstunde
zusätzliche Förderung erhielten
- Kontrollgruppe: diese 14 Risikokinder bekamen keine Förderung
- Starke Gruppe: 14 stärkste Kinder nach der ersten Untersuchung
Dabei stellte die visuelle Wahrnehmung ein Hauptkriterium zur Gruppenbildung dar.
Die Ergebnisse der Eingangsuntersuchung lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Die Risikokinder schnitten in den Subtests des FEW mit einem T-Wert zwischen 40-50 ab,
die Kinder der starken Gruppe hatten dagegen in allen Subtests einen T-Wert >60. Beim
Benennen räumlicher Begriffe wie auf, hinter, neben, rechts, links, unter und vor, liegen
keine signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen vor. Während die
Verwendung quantitativer Begriffe (am meisten/ wenigsten, mehr als) signifikant war.
Ebenso auffällig unterschied sich die Risikogruppe beim gedanklichen Operieren (es liegen
3 Würfel in einer Reihe. Frage: Wenn ich den Würfel in der Mitte wegnehmen würde, wie
viele wären es dann?).
Keine signifikanten Unterschiede gab es ansonsten bei der Mengenkonstanz und beim
Körperschema. Während das gezeichnete Selbstportrait der Kinder, die Fähigkeiten in
49
Feinmotorik und Grobmotorik (Körperkoordination und motorischer Ausdauer), sowie im
Grundintelligenztest CFT1 sich signifikant zwischen den Gruppen unterschieden.
Im Lehrerfragebogen wurden die Kinder der starken Gruppe durchweg positiver bewertet,
die Kinder der Risikogruppe negativer dargestellt.
Kaufmann (2003) fand somit über die „Vorhersage der arithmetischen Vorkenntnisse
durch die Untertests des FEW“ heraus, dass der Subtest zur Lage im Raum sich am
stärksten abhebt. „Daneben erbringen noch der Subtest Formkonstanz und der Subtest zu
den räumlichen Beziehungen zwar signifikante, aber deutlich geringere Beiträge zur
Erklärung der Varianz.“
Über die „Vorhersage der nummerischen Vorkenntnisse durch die Untertests des FEW“
stellte Kaufmann fest, dass die Figur-Grund-Unterscheidung dabei am auffälligsten ist.
Grund dafür könnte sein, dass „die Präsentation der entsprechenden Aufgaben (...) die
visuelle Differenzierung in hohem Maß erfordern“.
„Die Hypothese, dass Zusammenhänge zwischen den arithmetischen Vorkenntnissen und
visuellen Fähigkeiten zum Zeitpunkt des Schuleintritts bestehen, kann dem gemäß
angenommen werden. Raum-Lage-Beziehungen/ räumliche Beziehungen erweisen sich
dabei als stärkster Prädiktor.“ (Kaufmann, 2003).
Die zweite Untersuchungsphase ergab in den einzelnen Bereichen folgende Ergebnisse.
Signifikante Unterschiede gab es zwischen Risikogruppe und Starker Gruppe bei:
- Zahlbegriff: Vorwärtszählen ab 15 (Auslassungen, Falschnennungen)
- Zahlauffassung und Zahldarstellung im Quasi-simultan Erfassen einer Menge (die
Zahlen wurden wie im Rechenbus/ Abako als markierte Punkte in Reihen angezeigt;
Fünferreihe wurde farblich abgesetzt: ooooo••• entspricht 8)
- Zahlverständnis beim Ergänzen von Zahlenbildern
- Operationsverständnis („Du hast 4 Bonbons. Ich habe zwei mehr. Wie viele habe
ich?“)
- Lösungsart bei Aufgaben im Zahlenraum bis Zehn
- Verwenden von Hilfsmitteln bis 20
- Lösungshäufigkeit von Aufgaben im Zahlenraum bis 20 (12-8 oder 7+8) sowie deren
Lösungsart und die angewendeten Strategien.
Allgemein schnitt bei den Risikokindern die Fördergruppe besser als die Kontrollgruppe
ab.
50
Bei den übrigen Tests und Überprüfungen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede
zwischen den einzelnen Gruppen.
Des weiteren wurde der Eingangstest der arithmetischen Vorkenntnisse (nach einem
halben Jahr) mit den Kindern wiederholt. Zwar zeigten sich keine großen Unterschiede
zwischen Förder- und Kontrollgruppe, allerdings „zeigt sich, dass der Lernzuwachs der
Fördergruppe signifikant höher ist als in der Kontrollgruppe.“ (Kaufmann, 2003).
Ein Fördererfolg konnte auch noch nicht im Bereich des Operationsverständnis festgestellt
werden. „ Für rechenschwache Schüler existieren offensichtlich Klüfte zwischen den
konkreten Handlungserfahrungen, den vermeintlichen Veranschaulichungen und der
formalen Mathematik. (...) Allerdings muss berücksichtigt werden, dass im Förder-
unterricht zum Testzeitpunkt verstärkt mit Mengenbildern gearbeitet wurde, was die
Bevorzugung der Mengendarstellung erklären könnte.“ (Kaufmann, 2003).
Am Ende des ersten Schuljahres wurde ein Rechentest mit allen Kindern durchgeführt. Die
sich daraus ergebenden Zusammenhänge zwischen visuellen Fähigkeiten, arithmetischen
Vorkenntnissen und mathematischen Leistungen zeigten, dass wieder die räumlichen
Beziehungen der visuellen Wahrnehmung den stärksten Prädiktor darstellen.
Die dritte Untersuchungsphase, also die Abschlussuntersuchung, ergab folgende
Ergebnisse:
Die Wiederholung des visuellen Wahrnehmungstests FEW zeigte eine deutliche Verbes-
serung der visuellen Leistungen in der Fördergruppe im Vergleich zur ersten Durchführung
zu Beginn der Studie. „Untersuchungen von Souvignier (2000) lassen vermuten, dass in
Folge einer Verbesserung visueller Fähigkeiten ein Transfer auf solche Lernsituationen zu
beobachten ist, die eine Verarbeitung visuell präsentierter Informationen erfordern, so dass
die verbesserten Fähigkeiten – bei reflektierendem und bewusstem Umgang – ein vielseitig
anwendbares kognitives Werkzeug (ebd., 170) werden.“ (Kaufmann, 2003).
Die Überprüfung der mathematischen Fähigkeiten zeigte, dass die Fördergruppe von dem
durchgeführten Förderkonzept profitiert hatte, da sie häufig besser abschnitt als die
Kontrollgruppe. Somit unterschied sich die Fördergruppe nicht mehr vom Niveau der
Gesamtgruppe (also allen Schülern aus den Klassen), während sich die Kontrollgruppe
signifikant von der Gesamtgruppe abhob. Auch die Lehrer belegten mit ihrer Beurteilung
in den Lehrerfragebogen die bereits durch Tests herausgefundenen Leistungsunterschiede
zwischen Kontroll- und Fördergruppe bezüglich der Mathematikleistungen.
51
Kaufmann (2003) schreibt abschließend über die „Zusammenhänge zwischen visuellen
Fähigkeiten bei Schuleintritt und mathematischen Leistungen am Ende der zweiten Klasse:
Wird als Leistungskriterium der mathematische Leistungstest U3 angenommen, so könnte
gefolgert werden, dass die visuellen Fähigkeiten bei Schuleintritt zwar an Bedeutung für
mathematische Leistungen im Anfangsunterricht verloren haben, jedoch auch am Ende des
zweiten Schuljahres die Mathematikleistungen noch beeinflussen. (...) Die räumlichen
Beziehungen leisten (...) den stärksten Beitrag.“ Des weiteren äußert sie sich über die
„Zusammenhänge zwischen arithmetischen Vorkenntnissen bei Schuleintritt und
mathematischen Leistungen am Ende der zweiten Klasse: Ein Zusammenhang zwischen
visuellen Fähigkeiten und arithmetischen Vorkenntnissen bei Schuleintritt darf
angenommen werden.“
52
5 Schlusswort
Verschiedene Studien belegen, dass visuelle Wahrnehmungsstörungen allein nicht eine
Rechenschwäche auslösen. Allerdings leuchtet es auch ein, dass gewisse Fertigkeiten im
visuellen Bereich notwendig sind, um mathematische Vorläuferfertigkeiten aufbauen zu
können (wie Gegenstände nach Größe ordnen, Mengenkonstanz erfassen). Des weiteren
zeigen Studien, dass Entwicklungsverzögerungen oder Defizite in neuropsychologischen
und neurophysiologischen Funktionen nicht für den Erwerb einer Rechenschwäche aus-
reichen, folglich die Rechenschwäche nicht eine Teilleistungsstörung ist. Von Aster betont
(in Lorenz, 1991), dass nicht alle rechenschwachen Kinder visuell-räumliche Defizite
ausweisen, ebenso wie nicht alle Kinder, die Schwierigkeiten in diesem Bereich haben,
eine Rechenschwäche ausbilden.
Um rechenschwache Kinder effektiv fördern zu können, ist eine spezifische Fehleranalyse
wichtig, auf die ein gezielter Förderansatz an den Stärken des Kindes folgt. Erfolge können
rascher erreicht werden, wenn die Stärken zum Ausgleich der Schwächen genutzt werden.
Dafür ist es oft hilfreich zu wissen, was für ein Lerntyp das Kind ist (auditiv, visuell, etc.),
also über welchen Wahrnehmungskanal das Kind Inhalte gut aufnehmen kann. Bestehen
beispielsweise Schwierigkeiten im Kopfrechnen, kann mit dem Kind über das
Visualisieren von Aufgaben gearbeitet werden.
Des weiteren ist es notwendig mit dem Kind Strategien zu erarbeiten, die ihm im
mathematischen Denken hilfreich sind. Ein alleiniges Wahrnehmungstraining, das zu einer
Verbesserung beispielsweise im visuellen Bereich führt, kann vom Kind nicht genutzt
werden, wenn der Transfer auf den mathematischen Kontext ausbleibt.
Außerdem sollten Veranschaulichungsmittel gut dosiert in der Förderung von Kindern mit
Rechenschwäche eingesetzt werden. Mittels Material können Handlungsschemata verdeut-
licht werden und das Kind kann sich ein Bild von einer rein abstrakten Operation machen.
Allerdings birgt dieser Einsatz die Gefahr in sich, zu viele verschiedene Veranschau-
lichungsmittel zu verwenden. Die Annahme, dem Kind, das einen Rechenvorgang mit den
Steckwürfeln noch nicht begriffen hat, mittels Hunderterhaus nochmals aufzeigen zu
müssen, ist falsch. Da die Rechenoperationen nämlich von Material zu Material in ihren
Handlungen anders ausfallen, kann diese Vielfältigkeit dem rechenschwachen Kind nicht
nützlich sein. Das heißt, bevor das Kind am Veranschaulichungsmittel die Rechen-
operation begreifen kann, muss es zuerst die Handhabung des Materials verinnerlichen.
53
Hat es den Umgang damit gut erfasst, kann es danach durchaus von dessen Einsatz
profitieren, vor allem wenn es rasch über das visuelle System oder über eigenes Handeln
lernt. Das Kind kann dann Zahlenbeziehungen verstehen und diese mit mathematischem
Denken verknüpfen.
Danach ist es jedoch immer noch wichtig über häufiges Wiederholen mit dem selben
Material und auch ohne Material die Rechenhandlungsschemata zu automatisieren. Ein
stupides Auswendiglernen hilft dabei nicht, da das Gelernte dann rasch wieder vergessen
wird. Ist dem Kind aber der Rechenablauf klar, kann über Wiederholen und Üben die
notwendige Automatisierung stattfinden. „Sicher ist sogar, dass die Automatisierung
unseren Arbeitsspeicher entlastet und damit freie Kapazitäten als Grundlage für höhere
Einsichten schafft.“ (Born & Oehler, 2005).
54
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