Verhaltenstherapie ausgewählter
psychiatrischer Erkrankungen
Prof. Dr. Jürgen ZulleyPsychiatrische Universitätsklinik
Bezirksklinikum Regensburg
Verhaltenstherapie ausgewählter psychiatrischer Erkrankungen
Zulley und AssistentenWS 08/09
Ort: Hörsaal, Haus 8
Zeit: Dienstag 15:15 – 16:45
14.10.08 Grundlagen der VT J. Zulley 21.10.08 Diagnostik K. Gürtler 28.10.08 VT der Depression J. Zulley
04.11.08 VT bei Schlafstörungen T. Crönlein 11.11.08 VT bei Angsterkrankungen J. Zulley
18.11.08 VT bei Demenzerkrankungen K. Gürtler
25.11.08 VT bei Schizophrenie V. Dittmar
11.12.08 Medikamentöse Behandlung und VT G. Hajak 09.12.08 VT bei Suchterkrankungen R. Friedl 16.12.08 VT bei Kindern und Jugendlichen M. Russ
13.01.09 Trauma-Behandlung V. Dittmar 20.01.09 Multimodale Therapie bei essgestörten Jugendlichen S. Treffler 27.01.09 Psychoanalyse / Verhaltenstherapie K. Kronbeck, J. Zulley
Definition:• Die VT ist eine, auf der empirischen Psychologie basierende
psychotherapeutische Grundorientierung. Sie umfasst störungsspezifische und –unspezifische Therapieverfahren, die aufgrund von möglichst hinreichend überprüften Störungswissen und psychologischen Änderungswissen eine systematische Besserung der zu behandelnden Problematik anstreben.
Definition:Die Maßnahmen verfolgen konkrete und operationalisierte
Ziele auf verschiedenen Ebenen des Verhaltens und Erlebens, leiten sich aus einer Störungsdiagnostik und der individuellen Problemanalyse ab und setzen an prädisponierenden, auslösenden und/oder aufrechterhaltenden Problemänderungen an.
Definition:• Die in ständiger Entwicklung befindliche
Verhaltenstherapie hat den Anspruch, ihre Effektivität empirisch abzusichern.
Verhaltenstherapie:Der Name:• Missverständnisse
Prinzipien der Lerntheorie –
Anwendung wissenschaftlicher Methoden auf klinische Probleme
Historische Entwicklung:• Vorläufer - little Albert – kleiner Peter
(1920) - Enuresis (1930)
• Wolpe (Südafrika) seit den 40´er Jahren: „experimentelle Neurose“ bei Katzen bis zur „systematischen Desensibilisierung“ beim Menschen.
• Eysenk kritisiert polemisch den psychoanalytischen Ansatz und forderte emprisch-psychologische Forschung für Psychiatrie. In den 60´er Jahren große Fortschritte.
• Aversionstherapie• Operante Verfahren (isolierte Entwicklung in den USA, Skinner)• Konsolidierung (Brengelmann, MPI; Tunner, Birbaumer,; Münster,
Kemmler)
Gründungsphase:
• Watson benutzte ihn als Kampfbegriff• Metaphysischer Behaviorismus
- lehnt Existenz eines Bewusstseins ab. Nur Beobachtbares gilt (Watson)
• radikaler Behaviorismus - Nur Materie (Geistiges ist sprachliche Illusion; Skinner)
• Methodologischer Behaviorismus - Nur Festlegung methodologischer Prinzipien (empirische Psychologie)
Behaviorismus:
Drei-Ebenen-Ansatz Lang
• Kognitive Wende Modellernen als Ursprung der kognitiven Wende Selbstinstruktionsansatz (Meichenbaum, 1975)
• RET - (Beck, Ellis) anfangs getrennt, seit den 80´er Jahren zusammen. Therapie der Depression; kognitive Triade(Selbst, Welt, Zukunft)
• Integration Kognitiver und behavioraler Ansätze: Individuelle Verknüpfung verzerrten Denkens und nicht-zielführenden Verhaltens des Patienten erkennen und verändern
Weitere Entwicklung:
• kognitiv – verbal - Gedanken; Bewertungen, Sprache
• Motorisch-behavioral - Bewegung, Mimik, Gestik, Körpersprache
• Physiologisch, humoral - Gehirnaktivität, Herzklopfen, Schweißausbruch
Drei Ebenen des Verhaltens:
Drei-Faktoren-Modell
• Prädisposition (Vulnerabilität, Anfälligkeit)• Auslösende Bedingungen (vor dem Hintergrund
einer Vulnerabilität• Aufrechterhaltende Bedingungen
Keine umfassende „Erklärung“, sondern Denkansatz für das therapeutische Vorgehen
S S – O S – O – R S – O – R – K
• Basisfertigkeiten (Gesprächsführung, Motivationsarbeit)• Störungsübergreifende verhaltenstherapeutische Maßnahmen
Konfrontationsverfahren: Reizüberflutung, Habituationstraining, EntspannungsverfahrenOperante Verfahren: positive VerstärkungKognitive Methoden: Problemlösetraining, Modifikation dysfunktionaler KognitionenKommunikationstraining, soziale Kompetenz
• Störungsspezifische Therapieprogramme
Programme für Angst, Depression, Schlafstörungen, usw.
Verhaltenstherapeutische Verfahren
Verhaltenstherapeutische Verfahren I
• Systematische Desensibilisierung• Reizkonfrontation• Rollenspiele• Training sozialer Kompetenz• Kognitive Verfahren• Operante Verfahren
Verhaltenstherapeutische Verfahren II
• Systematische Desensibilisierung- Zwei Komponenten:
Systematisch gesteigerte Reizkonfrontation Entspannungstraining
- Vorgehen: Besprechung Entspannungstraining Vorstellungsübungen Darbietung der Angstitems
Verhaltenstherapeutische Verfahren III
• Systematische Desensibilisierung1. Erstellen der Angsthierachie
Klärung der Angsthematik durch Verhaltens- und Problemanalyse, konkret angstauslösende Situationen abgrenzen (Angstitems)In Hierachie gliedern: Thermometer Rangordnung Paarvergleichsmethode
2. Darbietung der Items Schrittweise Konfrontation mit den Items von keine Angst – max. Angst Entspannungsübung – erstes Angstitem vorstellen bis keine Angst mehr. Bei erneuter Angst – Entspannung
3. Einzel- oder Gruppenverfahren
Verhaltenstherapeutische Verfahren IV
• Reizkonfrontation1. Habituation an Problemsituation2. Veränderung der Wahrnehmung3. Aufbau neuer Verhaltensmuster
diagnostische Phase Kognitive Vorbereitung Reizkonfrontation Selbstkontrollphase
Verhaltenstherapeutische Verfahren V
• ReizkonfrontationKognitive Vorbereitung
Erklärungsmodell Veränderungsmodell
Systemimmanenz Therapeut versetzt sich in das kognitive und emotionale System des Pat., verbalisiert dieses und bezieht das Erklärungsmodell auf die Annahmen des Pat.
Modell soll:Kompatibel sein (wissenschaftliches und subjektives vereinbar machen)Nicht-falsifizierbar sein (nicht durch Einzelerfahrung widerlegbar sein)Eine angemessene Perspektivität aufweisen (kurze Therapiedauer, Betonung der direkt zugänglichen aktuellen Störungen)Plausibilität (Pat. sollen aktiv in die Entwicklung des Modells miteinbezogen werden, das Modell soll sparsam aufgebaut sein)
Verhaltenstherapeutische Verfahren VI
• Reizkonfrontation
Direkte Konfrontation Reaktionsverhinderung Langdauernde Exposition Massiertes Vorgehen Graduiertes Vorgehen In vivo Selbstkontrollphase
Verhaltenstherapeutische Verfahren VII
• RollenspieleRolle = Strukturierung
= Normen unterworfen = Veränderungen
Rollenspiel = Modell einer realen Rollensituation mit mehreren Lösungen
Vorgehen (Einzel- oder Gruppe): Problemschilderung Herausarbeiten einer spielbaren Situation Alternativen Therapeutisches Rollenspiel Feedback Übertragung in Realsituation
Verhaltenstherapeutische Verfahren VIII
• Kognitive Verfahren Durch gezielte Strategien der Gesprächsführung und durch Verhaltensexperimente soll Wahrnehmung, Bewertung und Attribution überprüft und verändert werden
Diagnostische Phase Kontrolliert vs. automatisch ablaufende Kognitionen
Kognitive Vorbereitung Systemimmanenz (Hineinversetzen, Vorwegnehmen, Berücksichtigung) Entstehungs- und Aufrechterhaltungsbedingungen
Systemimmanente Gesprächsführung Gedanken systemimmanent vorwegnehmen und zu Ende denken Kognitive Fallen verdeutlichen Dilemma des Problemverhaltens aufzeigen Kognitiv-affektive Reaktanz auflösen
VerhaltensexperimenteSelbstkontrollphase
Verhaltenstherapeutische Verfahren IX
• Kognitive Therapie von Beck
Denkfehler tragen zu unangemessenen Grundannahmen bei:Willkürliche Schlußfolgerung Kontrolliert vs. automatisch ablaufende Kognitionen Übergeneralisierung Maximierung und Minimierung Personalisierung Dichotomes Denken
VerfahrenVerbale Verfahren (Tagebuch) Rollenspiel Entkatastrophisierung Reattribuierung Evidenzen überprüfen
Verhaltenstherapeutische Verfahren X• Operante Verfahren
Spontan gezeigtes Verhalten kann durch seine Konsequenzen verändert werdenPrimäre Verstärker Sekundäre Verstärker Intermittierende Verstärkung Soziale Verstärker Selbstverstärkung Komplexe Verstärkungssystem
Token economyKontingenzverträge
Spezifikation des Zielverhaltens Prinzip der kleinen Schritte
BestrafungDirekte Indirekte
LöschungStimuluskontrolleVerhaltensaufbau chaining
prompting fading
VerhaltenstherapieMissverständnisse:• Untersuchungen widerlegen die These der Symptomverschiebung• Das Erleben starker Gefühle bei der Konfrontationstherapie birgt
keine Gefahr für den Patienten.• Die Gedanken und Gefühle des Patienten werden nicht ignoriert,
sondern direkt bearbeitet.• Psychische Störungen sind nicht alle durch einfache
Konditionierungsprozesse erlernt• VT und medikamentöse Therapie sind vereinbar
VerhaltenstherapiePrinzipien VT ist:1. orientiert an Empirischer Psychologie2. Problemorientiert3. bezogen auf die prädisponierenden, auslösenden und aufrechterhaltenden
Problembedingungen.4. Zielorientiert5. Handlungsorientiert6. Nicht auf therapeutisches Setting begrenzt7. Transparent8. Hilfe zur Selbsthilfe9. Bemüht um Weiterentwicklung