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Gipfel der »Raketenmänner«USA und Nordkorea planen historisches Treffen zwischen Trump und Kim

Berlin. China, Russland, Südkorea, Japan, dieEU – die überraschende Ankündigung eineshistorischen Gipfels zwischen den verfeinde-ten USA und Nordkorea zur Lösung des Atom-konflikts wurde weltweit begrüßt; von Mos-kaus Außenminister Sergej Lawrow als»Schritt in die richtige Richtung«, von Kanz-lerin Angela Merkel als »Hoffnungsschim-mer«. Auch US-Präsident Donald Trump, derdem »Raketenmann« Kim Jong Un einst mit»Zorn und Feuer« drohte, sprach von einem»großen Fortschritt«. Doch würden die Sank-tionen gegen Nordkorea vorerst aufrechter-halten. Die LINKE forderte in Berlin deren En-de – im Gegenzug zum Stopp der Atomtests.

Das Treffen zwischen Trump und Kim solle»bis Mai« stattfinden, bestätigte das WeißeHaus am Donnerstagabend (Ortszeit) Anga-ben des nationalen Sicherheitsberaters Süd-koreas, Chung Eui Yong. Der hatte Trump zu-vor über seinen jüngsten Besuch in Pjöngjangunterrichtet. Kimhabe dabei versprochen, dassNordkorea von weiteren Atom- oder Rake-tentest absehen werde; er sei der Denukleari-sierung verpflichtet, erwarte aber Sicherheits-garantien. Kim verstehe auch, dass die routi-nemäßigen gemeinsamen Militärübungenzwischen Südkorea und den USA weiterge-hen müssten. Und er wolle »Präsident Trumpso bald wie möglich treffen«.

Dieses Treffen werde ein »historischer Mei-lenstein sein, um Frieden auf der koreanischenHalbinsel zu schaffen«, sagte Südkoreas Präsi-dent Moon Jae. Wenn Trump und Kim nachdem innerkoreanischen Gipfel im April zu-sammenkommen, werde »die vollständige De-nuklearisierung der Halbinsel auf den Weg ge-bracht«. Während in diesem Punkt viele Ex-perten noch skeptisch sind, gehen die Intenti-onen der mit dem Friedensnobelpreis geehr-ten Internationalen Kampagne für ein Atom-waffenverbot (ICAN) noch weiter. Dort hofftman, »dass die Vereinbarung über das Verbotvon Kernwaffen wichtiger Teil der Diskussionsein wird«. nd/Agenturen Seiten 5 und 11

Trump und Kim stehen auch auf dieser U-Bahn-Station in Seoul im Zentrum der Aufmerksamkeit. Foto: AFP/Jung Yeon-je

STANDPUNKT

Hoffnungund SkepsisOlaf Standke über die Chancenim Atomkonflikt mit Pjöngjang

Es ist eine Chance. Nicht mehr,aber auch nicht weniger. Wieüberraschend die Ankündigungdes ersten Gipfels zwischen denzutiefst verfeindeten Führern derUSA und Nordkoreas kam, zeigtsich auch an Trumps Außenmi-nister Tillerson. Der hatte kurzzuvor noch erklärt, dass unge-achtet aller positiven Signale di-rekte Gespräche mit dem Macht-haber in Pjöngjang über denAtomkonflikt nicht in Sicht seien.Das Problem bei einem errati-

schen und eitlen Präsidenten, derauf seine angeschlagene Popula-rität schielen muss: Ein nächsterplötzlicher Sinneswandel ist nichtauszuschließen. Diese Eigen-schaft scheint er mit seinem Wi-derpart zu teilen. Zu frisch nochsind Erinnerungen an die irratio-nalen Drohungen mit gegenseiti-ger präventiver Vernichtung.Und man sollte auf das Klein-

gedruckte aus Washington ach-ten: Die Sanktionen bleiben, esgehe um ein Treffen, nicht umVerhandlungen. Aber erst kon-krete Vereinbarungen, und auchdie auf Augenhöhe, würden denGipfel aus einem Schlagzeilen-Coup zum Ansatz für eine trag-fähige, nachhaltige politisch-diplomatische Lösung machen –bis hin zur vollständigen Denuk-learisierung der ganzen koreani-schen Halbinsel und einem Frie-densvertrag.Hoffnung dafür findet sich

nicht nur dort. Aber auch großeSkepsis. Denn das Risiko einesdiplomatischen Eklats mit ge-fährlichen Folgen ist mindestensebenso groß wie der Wunschnach einer neuen Zeitrechnungin der Region.

UNTEN LINKS

Nun kann das Vaterland (oderdoch das Mutterland?) wieder ru-hig schlafen – die SPD hat alle ih-re Schäfchen untergebracht. NurSigmar Gabriel wird nicht ganzzufrieden sein, nicht einmal dieStelle als Popbeauftragter ist nochfrei. Dabei war das bestimmt eineschöne Zeit, damals 2003: »Undda ist ganz egal, ob ich nun dieletzte Tournee von Eminem mit-gemacht habe oder ob ich im Un-derground von Berlin unterwegsgewesen bin«, beschrieb er seineStelle damals. Aber Siggi wärenicht Pop, wenn er nicht auf hip-pen Füßen landen würde. In Ber-lin wird nämlich immer noch ge-rappt: »Is’ mir egal«, heißt es auchbeim größten Untergrundklub,den Berliner Verkehrt-Betrieben.Die Filiale mit den wildestenStehpartys, kaputtesten Treppenund schrägsten Tickettypen befin-det sich wahrscheinlich am Her-mannplatz. Aber Gabriel mussnicht mal den Türsteher machen –warum nicht gleich Chef vonsJanze? Was ist schon ein Minis-terposten gegen das Bürgermeis-teramt in Berlin-Neukölln? stf

SPD stellte ihreMinisterriege vorSozialdemokraten besetzen sechsPosten im künftigen Kabinett

Berlin. Als letzte Partei der erneuten GroßenKoalition hat die SPD am Freitag ihre Minis-ter für das neue Kabinett benannt. Das Ar-beitsressort übernimmt überraschend derbisherige Fraktionsvize Hubertus Heil, wiedie Fraktions- und designierte ParteichefinAndrea Nahles und der kommissarische Par-teichef Olaf Scholz in Berlin mitteilten.Bekannt war, dass der bisherige Hambur-

ger Bürgermeister Scholz Vizekanzler und Fi-nanzminister wird. Er soll zudem die Arbeitder sozialdemokratischen Bundesminister ko-ordinieren. Heiko Maas wird Außenminister.Katarina Barley übernimmt das Justizminis-terium. Die bisherige Bürgermeisterin desBerliner Bezirks Neukölln, Franziska Giffey,soll das Familienministerium leiten. Das Um-weltressort bekommt die nordrhein-westfäli-sche SPD-Generalsekretärin Svenja Schulze.Nach einem Bericht der Parteizeitung

»Vorwärts« will die SPD in den ersten hun-dert Tagen der Koalition ein Rückkehrrechtvon Teilzeit- in Vollzeitarbeit durchsetzen.Agenturen/nd Seite 4

Trump macht ernstmit SonderzöllenChina sieht schweren Angriff aufinternationale Ordnung

Berlin. US-Präsident Donald Trump hat mitder Einführung von Sonderzöllen scharfe in-ternationale Kritik auf sich gezogen. Trumphabe Strafzölle angeordnet, die nicht kon-form mit den Regeln der Welthandelsorgani-sation (WTO) seien, erklärte Bundeswirt-schaftsministerin Brigitte Zypries am Freitag.»Gegen den Rat seiner eigenen Partei, vielerUnternehmer und Ökonomen« schotte Trumpsein Land ab. Zuvor hatte Trump am Don-nerstagabend Zölle von 25 Prozent auf Stahlund zehn Prozent auf Aluminium angeord-net, die in 14 Tagen in Kraft treten sollen.Unter anderem China hat die von Trump

verhängten Strafzölle stark kritisiert. Sie sei-en ein »schwerer Angriff« auf die internatio-nale Handelsordnung, schrieb das PekingerHandelsministerium am Freitag in einer Mit-teilung. China werde »wirksame Maßnah-men« ergreifen und seine legitimen Rechteund Interessen verteidigen. Die USA würdendurch die Zölle nicht nur anderen Ländern,sondern auch ihren eigenen Interessen scha-den. Agenturen/nd Seiten 2 und 8

DemokratiegefahrAntisemitismusExperten fordern Beauftragtefür alle Bundesländer

Potsdam. Zur Bekämpfung antijüdischer Ein-stellungen brauchen die Bundesländer nachEinschätzung von Experten eigene Antisemi-tismus-Beauftragte. Der Antisemitismus in derGesellschaft sei der Gradmesser für die De-mokratie, »und der steht im roten Bereich«,sagte die Geschäftsführerin der F.C.Flick-Stif-tung, Susanne Krause-Hinrichs, am Freitagzum Abschluss eines Expertentreffens in Pots-dam. Der rechtsextreme Antisemitismus dür-fe nicht als »Problem von gestern« bagatelli-siert werden, so Gideon Botsch vom Potsda-mer Moses-Mendelssohn-Zentrum. Insbeson-dere die ostdeutschen Landesverbände derAfD seien »rechtsextrem dominiert«. Zur Be-kämpfung des Antisemitismus müssten auchdie Ausbildung von Lehrern verbessert undProgramme für Schulen entwickelt werden.Der Antisemitismus wachse derzeit

deutschlandweit in vielen Bereichen »ein-schließlich der politischen Mitte«, betonteReinhard Schramm, Vorsitzender der jüdi-schen Landesgemeinde Thüringen. Dies sei ei-ne Gefahr für die Demokratie. epd/nd

ISSN 0323-3375

Jätende Roboter und ferngesteuerte FlugkörperDrohnen verteilen Saatgut oder versprühen Pestizide, Roboter stampfen Unkräuter in denBoden: Über den Einsatz von neuen Maschinen in der Landwirtschaft. Seite 25Foto: fotolia/fkinwun

Lehrer dringend gesuchtBildungsforscher erwartet steigende Schülerzahlen an beruflichen Schulen / Kritik an Kultusministern

Den berufsbildenden Schulendroht einLehrermangel. Bis 2025würden knapp 22 000 zusätzli-che Lehrkräfte benötigt, prog-nostiziert eine Studie, die amFreitag vorgestellt wurde.

Von Jürgen Amendt

Die Zahlen überraschen: Statt ei-nes Rückgangs an Schülerinnenund Schülern in berufsbildendenSchulen wird es in den kommen-den Jahren zu einem Anstieg kom-men. Das geht aus der Expertisedes Bildungsforschers Dieter Doh-men hervor, die er für die Ge-werkschaft Erziehung und Wissen-schaft (GEW) erstellt hat. Unterberuflichen Schulen werden zumeinen Berufsschulen des DualenAusbildungssystems verstanden,zum anderen Berufsfachschulen,die als Vollzeitschulen sowohl be-rufliche Qualifikationen als auchschulische Abschlüsse anbieten.Die Ergebnisse Dohmens wi-

dersprechen den Angaben der Kul-

tusministerkonferenz (KMK), dievon einem Rückgang der Schü-lerzahlen bis zum Jahr 2025 aufgut 2,1 Millionen ausgeht. Domenerwartet dagegen, dass 2025knapp 2,5 Millionen junge Men-schen berufliche Schulen besu-chen werden; ihre Zahl wird da-mit etwa auf dem gleichen Niveauwie derzeit liegen. Während dieKMK für 2025 insgesamt 129 000Pädagogen für ausreichend hält,hat Dohmen einen Bedarf vonknapp 151 000 Lehrkräften er-rechnet.»Die höhere Schülerzahl und

der Mehrbedarf an Lehrerstellenbedeutet, dass auch die Bildungs-ausgaben kräftig steigen müssen«,forderte daher der Leiter des Vor-standsbereichs Berufliche Bil-dung, Ansgar Klinger, am Freitagvor Medienvertretern. Zur De-ckung des Lehrkräftebedarfs sei eserforderlich, dass die Länder dieZahl der entsprechenden Studien-plätze an den Hochschulen aus-bauen. Notwendig sei zudem, dass

die Länder bei der Rekrutierungdes Lehrernachwuchses besser zu-sammenarbeiten. Derzeit, soKlinger, würden die Länder sichteilweise Lehrkräfte gegenseitigabwerben. Den finanziellen Mehr-bedarf für das Jahr schätzt Klingerauf 1,6 Milliarden Euro. Davonentfallen nach seiner Rechnunggut 1,3 Milliarden Euro auf die

Länder und knapp 300 Millionenauf die Landkreise sowie kreis-freien Städte als Schulträger.Über zu wenig Fachpersonal

klagen aber auch andere Schul-formen. So nannten in einer eben-falls am Freitag beim Deutschen

Schulleiterkongress in Düsseldorfvom Verband Bildung und Erzie-hung (VBE) vorgestellten Forsa-Studie 57 Prozent der 1200 be-fragten Schulleiter den Lehrer-mangel als ihr größtes Problem.Mehr als ein Drittel (36 Prozent)gab an, derzeit mit LehrerinnenundLehrern unterversorgt zu sein.Rund ein Viertel (23 Prozent)fühlt sich mit der Inklusion Be-hinderter sowie mit der Integra-tion von Flüchtlingskindern über-fordert. Gewalt benennt dagegennur ein Prozent der Befragten alsProblem.An mehr als jeder dritten Schu-

le sind den Angaben zufolge mitt-lerweile Seiteneinsteiger beschäf-tigt, von denen aber 65 Prozentkeine systematische pädagogischeVorbereitung erhalten haben. »Dasist pädagogischer Wahnsinn«, kri-tisierte der VBE-Vorsitzende UdoBeckmann. Viele Lehrer flüchtetensich in Teilzeit, um die Belastun-gen überhaupt noch aushalten zukönnen. Seiten 2 und 16

»Das istpädagogischerWahnsinn.«VBE-BundesvorsitzenderUdo Beckmann

Sonnabend/Sonntag, 10./11. März 2018 73. Jahrgang/Nr. 59 Bundesausgabe 2,30 € www.neues-deutschland.de

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