OMT-Thesis
Motivational Interviewing
(Motivierende Gesprächsführung)
- ein neues Konzept in der physiotherapeutischen
Behandlung von Patienten mit chronischen
Rückenschmerzen
Thomas Janser
Praxis für Physiotherapie und Manuelle Therapie
Anna Katrin Frank
Gartenstraße 3
D - 50321 Brühl
2009
Die Thesis ist Bestandteil der OMT-Ausbildung des Deutschen
Verbandes für Manuelle Therapie (Maitland-Konzept) DVMT e.V.
OMT-Thesis
Motivational Interviewing
(Motivierende Gesprächsführung)
- ein neues Konzept in der physiotherapeutischen
Behandlung von Patienten mit chronischen
Rückenschmerzen
Thomas Janser
Praxis für Physiotherapie und Manuelle Therapie
Anna Katrin Frank
Gartenstraße 3
D - 50321 Brühl
2009
Die Thesis ist Bestandteil der OMT-Ausbildung des Deutschen
Verbandes für Manuelle Therapie (Maitland-Konzept) DVMT e.V.
ii
Danksagungen
Der Autor bedankt sich bei Uwe Harste für die hilfreichen
Anregungen und Tipps, sowie bei Fiona Morrison, der Leiterin der
OMT-Ausbildungskommission des DVMT, für die Unterstützung bei
der Literaturbeschaffung.
iii
Zusammenfassung
Titel
Motivational Interviewing (Motivierende Gesprächsführung) - ein
neues Konzept in der physiotherapeutischen Behandlung von Pati-
enten mit chronischen Rückenschmerzen
Autor
Thomas Janser
Hintergrund
Die Ursachen für die Entwicklung chronischer Rückenschmerzen
sind vielfältig. Biomedizinische und psychosoziale Aspekte sollten in
der Physiotherapie berücksichtigt werden. Die Motivation des Pati-
enten zur Veränderung seiner Situation und seine Einbindung in die
Behandlungsplanung sind von großer Bedeutung für einen mögli-
chen Therapieerfolg. Dabei kommt den empathischen, kommunika-
tiven und sozialen Kompetenzen des Therapeuten eine entschei-
dende Rolle zu. Es existieren unterschiedliche Konzepte für Ge-
sprächsführung und Beratung.
Ziele
� Die vorhandenen qualitativen und quantitativen Forschungser-
gebnisse hinsichtlich der Wirksamkeit des Motivational Intervie-
wing (MI) als Konzept oder zu Bestandteilen der Methode kurz
darzustellen.
� Mögliche Wirksamkeitsnachweise bezüglich der Anwendung von
MI in der Therapie von Patienten mit chronischen Rückenschmer-
zen herauszufinden.
� Das Konzept des MI einführend vorzustellen und zu prüfen, ob MI
als Rahmenkonzept für die Physiotherapie bei Patienten mit chro-
nischen Rückenschmerzen geeignet ist.
� Eine hypothetische Übertragung der Methoden des MI in die phy-
siotherapeutische Praxis bei Patienten mit chronischen Rücken-
schmerzen herzustellen.
iv
Methode
Zwischen Januar und Juli 2009 erfolgte eine Literaturstudie.
Ergebnisse
MI ist eine Evidenz-basierte, klientenzentrierte und direktive Me-
thode zur Verbesserung der intrinsischen Motivation für eine Ver-
änderung mittels der Erforschung und Auflösung ambivalenter Ein-
stellungen, mit dem Ziel die Selbstverpflichtung des Patienten zu
erhöhen. Entwickelt wurde MI ursprünglich für die Behandlung von
Patienten mit Suchterkrankungen. In adaptierter Form wird MI bei
anderen Indikationen erfolgreich praktiziert. Nachweise für eine
Anwendung in der Physiotherapie liegen nicht vor. Die ethischen
Grundhaltungen, Prinzipien, Strategien und Methoden des MI wer-
den ausführlich vorgestellt. Ein hypothetischer Transfer stellt An-
wendungsmöglichkeiten in der Physiotherapie bei Patienten mit
chronischen Rückenschmerzen dar. Das MI-Ausbildungskonzept
wird kurz präsentiert.
Schlussfolgerungen
MI erscheint als ein geeignetes ergänzendes Rahmenkonzept für
die physiotherapeutische Behandlung von Patienten mit chroni-
schen Rückenschmerzen, welches es optimal ermöglicht, Partner-
schaftlichkeit und Evidenz-basierte Praxis miteinander zu verbin-
den. Die Anwendung von MI wird in Deutschland durch die für Phy-
siotherapeuten gültigen gesetzlichen Rahmenbedingungen er-
schwert.
Schlüsselwörter
Motivational Interviewing, neuromuskuloskelettale Physiotherapie,
chronische Rückenschmerzen, biopsychosoziales Modell, Patienten-
zentrierung
iv
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 1
1.1 Hintergrund der Literaturstudie 2
1.2 Ziele der Literaturstudie 9
2. Forschungsmethode 9
3. Ergebnisse der Literaturstudie 10
3.1 Entwicklung des Motivational Interviewing 10
3.1.1 MI - Definition und Ziele 11
3.1.2 Anwendungsgebiete 12
3.1.3 Wirksamkeitsnachweise 13
3.2 Transtheoretisches Modell - Veränderungsstadien 14
3.3 Motivational Interviewing - Grundannahmen 18
3.3.1 Ambivalenzmodell 18
3.3.2 Veränderungspotenzial des Patienten 19
3.4 Ethische Grundhaltungen des MI 20
3.4.1 Partnerschaftlichkeit 22
3.4.2 Evokation 22
3.4.3 Autonomie 23
3.5 Allgemeine Prinzipien des MI 23
3.5.1 Empathie ausdrücken 23
3.5.2 Diskrepanzen entwickeln 24
3.5.3 Widerstand umlenken 25
3.5.4 Selbstwirksamkeit fördern 27
3.6 Strategien des MI 27
3.6.1 Offene Fragen stellen 28
3.6.2 Aktives Zuhören 29
3.6.3 Bestätigen 30
3.6.4 Zusammenfassen 30
3.6.5 Change-Talk hervorrufen 31
v
3.7 MI in der Praxis für Physiotherapie 34
3.7.1 Phase 1
- Motivation und Zuversicht aufbauen 37
3.7.2 Phase 2
- Einen Veränderungsplan aushandeln 43
3.8 Motivational Interviewing lernen 46
4. Diskussion und Schlussfolgerungen 49
5. Literatur 54
6. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 58
7. Anhang 59
Tab. 2 Acht Methoden
um Change-Talk hervorzurufen 59
Tab. 3 Acht Methoden
zum Umgang mit Widerstand 60
Tab. 4 Vier Methoden
um auf Change-Talk zu antworten 61
Tab. 5 Acht Methoden
zum Hervorrufen von Confidence-Talk 62
1
1. Einleitung
Die vorliegende Literaturstudie befasst sich mit der Suche nach ei-
nem Rahmenkonzept für Gesprächsführung und Patientenmanage-
ment in der Physiotherapie, das die bislang geringen Behandlungs-
erfolge von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen in der
ambulanten Praxis verbessern kann.
Im ersten Schritt wurde die Relevanz der Thematik ergründet. An-
schließend wurden Faktoren eruiert, die einen Behandlungserfolg
begünstigen. Hierbei stellte sich heraus, dass einerseits die Motiva-
tion des Patienten zur Veränderung seiner Situation und seine Ein-
bindung in die Behandlungsplanung wesentlich sind. Andererseits
sind die empathischen, kommunikativen und sozialen Fähigkeiten
und Fertigkeiten des Therapeuten von großer Bedeutung für einen
Therapieerfolg. Weiterhin muss dem eigentlichen medizinischen
Behandlungsauftrag des Physiotherapeuten Rechnung getragen
werden.
Gesucht wurde nun nach einem Konzept, das alle oben genannten
Aspekte adäquat berücksichtigt.
Das Motivational Interviewing (MI) von William R. Miller und Ste-
phen Rollnick [42] scheint ein geeignetes Konzept zu sein.
Zum einen beruht es auf den nicht-direktiven Prinzipien der klien-
tenzentrierten Gesprächsführung, wie sie zuerst von Carl Rogers
[14] definiert wurden. Diese anzuwenden ist erwiesenermaßen för-
derlich und oft notwendig für den Aufbau einer guten therapeuti-
schen Beziehung, sowie zur Exploration der Ziele, Werte, Glau-
benssysteme und Erwartungen der Patienten. Zum anderen werden
im MI gezielt direktive Methoden in der Gesprächsführung verwen-
det, um die Selbstverpflichtung der Patienten in Bezug auf die An-
wendung effektiver Bewältigungsstrategien im Alltag zu stärken
2
und damit langfristige Verhaltensanpassungen zu erzielen. Rau und
Petermann [56] empfehlen, MI in der medizinischen Behandlung
von chronischen Schmerzpatienten zu einzusetzen. Turk [64] be-
trachtet MI als generelles Rahmenkonzept für die psychologische
Behandlung mit kognitiver Verhaltenstherapie, um Patienten mit
chronischen Schmerzen auf die Behandlung vorzubereiten und ihre
Therapiebindung zu erhöhen. Volker Köllner [34] sieht in MI eine
gute Möglichkeit, die Praxis in der Verhaltens- und Rehabilitations-
medizin effektiver zu gestalten. Nach Renate Wiesner [67] stellt MI
eine ideale Ergänzung für Physiotherapeuten dar. Daher wird expli-
zit dieses Konzept ausführlich vorgestellt.
Das MI wurde als Evidenz-basierte Methode für die psychothera-
peutische Behandlung von suchtkranken Patienten entwickelt und
inzwischen in adaptierter Form erfolgreich auf andere Gesundheits-
bereiche übertragen [57]. Da es bisher keine Belege für den Ein-
satz bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen in der Physio-
therapie gibt, erfolgt im nächsten Schritt eine direkte hypothetische
Übertragung der Methode in die Praxis. Anschließend wird das Aus-
bildungskonzept von MI kurz vorgestellt. In der Diskussion und den
Schlussfolgerungen werden die Möglichkeiten und Grenzen einer
Anwendung dieser Methode unter den für Physiotherapeuten gege-
benen Bedingungen in Deutschland erläutert.
1.1 Hintergrund der Literaturstudie
Rückenschmerzen sind in Deutschland, wie auch in anderen Indust-
rienationen weit verbreitet. 2003 wurde im Rahmen einer Längs-
schnittstudie des „Deutschen Forschungsverbundes Rücken-
schmerz“ in fünf westdeutschen Städten nach einer Zufallsauswahl
15.750 Personen postalisch ein Screeningfragebogen zugeschickt.
9263 Personen sandten ausgefüllte Fragebögen zur Auswertung zu-
rück.
3
Nach den Ergebnissen aus den Datensätzen lag unter den Erwach-
senen die Punkt-, Einjahres-, Lebenszeitprävalenz bei 37, 76 bzw.
86%. Von den Personen mit Rückenschmerzen zum Zeitpunkt der
Befragung litten 8% an starken Schmerzen und 11% entwickelten
starke Behinderungen mit kognitiven, emotionalen und behaviora-
len Beeinträchtigungen [61]. Nur ein Drittel der Personen mit
hochgradigen chronischen Rückenschmerzen beurteilten den
Schmerz als das alleinige herausragende gesundheitliche Problem.
Aber weitere 30% gaben drei oder mehr behandlungsbedürftige Er-
krankungen an. Bei Patienten mit einfachen Rückenschmerzen wa-
ren es 5%. Im Vergleich zu Menschen ohne Rückenschmerzen lit-
ten stark chronifizierte Patienten deutlich häufiger an Bluthoch-
druck (16%/39%), Asthma (4%/20%), Arthrose (4%/37%), De-
pressionen (3%/36%), Magenproblemen (2%/18%) oder Atem-
wegserkrankungen (1%/21%). Risikofaktoren resultierend aus ei-
nem ungesunden Lebensstil werden als gemeinsame ätiologische
Faktoren vermutet [27]. Chronizität wird unterschiedlich definiert.
Es überwiegen zeitliche Konzepte. Komplexere Systeme verwenden
multidimensionale Definitionen. Sie bezeichnen Rückenschmerz als
chronisch, wenn er sich in der Zeit ausgeweitet hat und auf weitere
somatische und psychische Systeme übergreift [53]. Da sich in vie-
len Fällen keine eindeutige organische Ursache feststellen lässt,
verwenden manche Autoren auch die Bezeichnung nicht-spezifische
Rückenschmerzen [70].
Auf der Suche nach spezifischen Ursachen liefert die Schmerzfor-
schung wichtige Ergebnisse. Das Gehirn stellt laut Miltner et al. das
zentrale Organ dar, das für die Empfindung von Schmerz verant-
wortlich ist. Die Erfahrung von Schmerz wird bei vorliegender noxi-
scher Schädigung durch die Tätigkeit mehrerer, räumlich verteilter,
kortikaler und subkortikaler Hirnareale vermittelt. Erwartungen,
Lernprozesse und Erfahrungen modulieren das System ständig neu
4
[45]. Moseley verdeutlicht, dass die Schmerzmodulation auch be-
einflusst wird durch Stimmungslage, Aufmerksamkeit, Empathie,
Placebo- und Schmerzmedikamente [48]. Lange währender
Schmerz, Angst, Katastrophisieren und andauernder propriozepti-
ver Input aus der Peripherie können nach Zusman eine zentrale
Sensibilisierung bewirken, der eine Herabsetzung der Schmerz-
schwelle folgt. Bewegungen, die die Gewebetoleranz nicht über-
schreiten, können als schmerzhaft und bedrohlich empfunden wer-
den. Die neuralen Netzwerke, die an der zentralen Sensibilisierung
beteiligt sind, werden auch bei Lernprozessen und der Gedächtnis-
bildung aktiviert. Es besteht die Gefahr, dass sich ein Schmerzge-
dächtnis entwickelt [70]. Aufgrund der Plastizität des Gehirns sind
maladaptive Prozesse reversibel, eine Reorganisation ist möglich
[8, 45].
Nach epidemiologischen Studien begünstigen mehrere Risikofakto-
ren die Gefahr einer Chronifizierung. Main und Spanswick untertei-
len diese Faktoren in Red Flags, Yellow Flags, Blue Flags und Black
Flags.
� Red Flags sind klinische Zeichen, die auf eine erhöhte Wahr-
scheinlichkeit für das Vorliegen einer ernsthaften biomedizini-
schen Pathologie hinweisen und umgehend eine weitere medizini-
sche Evaluierung erfordern [4].
� Yellow Flags fassen die personalen psychosozialen Risikofaktoren
zusammen: Angst, Katastrophisieren, falsche Vorannahmen hin-
sichtlich Krankheitsursache und Prognose, geringe Verände-
rungsbereitschaft, passive Bewältigungsstrategien (Coping),
überfürsorgliches Umfeld, negative Vorerfahrung mit Ärzten und
Therapeuten [37].
� Blue Flags stehen für subjektiv empfundene Merkmale der Ar-
beitsplatzsituation: geringe Kontrollmöglichkeit bei hoher Anfor-
derung, mangelnde Zufriedenheit im Beruf, erlebter Zeitdruck,
5
schwacher sozialer Rückhalt durch Kollegen, abträgliche Um-
gangsformen der Unternehmensleitung [37].
� Black Flags beziehen sich auf die gesetzlichen Bestimmungen
hinsichtlich Beschäftigung und Krankenstand und die vom Arbeit-
geber gesetzten Arbeitsbedingungen: Kündigungsschutz und
Lohnfortzahlung, Rentenansprüche, ungünstige Ergonomie, hohes
Ausmaß körperlicher und zeitlicher Belastung [37].
Die Anwendung biopsychosozialer Krankheitsmodelle in der Physio-
therapie, sowie die Hinwendung zur Evidenz-basierten Praxis, führ-
ten zur Aufwertung und Weiterentwicklung des Clinical Reasoning
(CR). Edwards und Jones et al. entwickeln ein patientenzentriertes
und partnerschaftliches Modell des CR
(vgl. Abb. 1). Sie definieren CR als kritisches und analytisches
Denken, welches mit dem Prozess der klinischen Entscheidungsfin-
dung verbunden ist. CR ist ein dynamischer Prozess der Hypothe-
senbildung, indem der Therapeut gemeinsam mit dem Patienten
und eventuell weiteren wichtigen Personen die Bedeutung, Ziele,
und Strategien einer Therapie strukturiert [13, 30, 31].
Wie Vlayen et al. darstellen, sind psychosoziale Aspekte in der Be-
handlung von Schmerzpatienten unbedingt zu berücksichtigen.
Angst vor Schmerzen erzeugt bei manchen Patienten Angst vor
Bewegung und kann zu einem Vermeidungsverhalten führen. Wei-
tere körperliche Dekonditionierung, Stress und Depressionen kön-
nen die Folge sein. Diese Reaktionen wirken sich weiter Schmerz
verstärkend aus und tragen zur Entwicklung des Teufelskreises der
Chronifizierung bei [66].
6
Abb. 1 Clinical Reasoning - Prozess (aus [67])
Strategien der kognitiven Verhaltenstherapie, wie graduiertes Aus-
setzen mit stufenweise erfolgender Aktivitätssteigerung (Pacing)
sollten in die Physiotherapie chronischer Schmerzpatienten integ-
riert werden. Außerdem kommt dem Selbstmanagement des Pati-
enten durch Änderung von Einstellung und Verhalten laut Turk und
Zusman für die Schmerzbewältigung eine wichtige Bedeutung zu
[64, 70, 71].
Schwierigkeiten in der Behandlung von Patienten mit chronischen
Rückenschmerzen können nach Moffet et al. sowohl im Verhalten
des Therapeuten als auch des Patienten begründet sein. Physiothe-
rapeuten neigen aufgrund des biomedizinischen Schwerpunktes der
Berufsausbildung eher dazu, Schmerz und Behinderung aus einer
7
biomechanischen Perspektive zu betrachten. Häufig werden die
notwendigen kommunikativen Fähigkeiten nicht ausreichend entwi-
ckelt und es fehlen die theoretischen Hintergründe psychosomati-
scher Konzepte. Um ihre Effizienz zu erhöhen, benötigen sie ent-
sprechendes Training. Bei den Patienten stellen unzureichende The-
rapiebindung, sowie geringe Motivation zur Veränderung von Ver-
halten und Einstellung die größten Hürden dar [47]. Ein weiteres
Problem ergibt sich aus den für die Physiotherapeuten in Deutsch-
land gültigen gesetzlichen Rahmenbedingungen, die die Behand-
lungsplanung und den Therapieverlauf prägen.
Holtz et al. betonen, dass motivationale Aspekte (vgl. Abb.2) im
Management chronischer Schmerzpatienten besonders berücksich-
tigt werden müssen. Die Bereitschaft der Patienten ihre Einstellun-
gen und Verhaltensweisen zu verändern gilt als Voraussetzung um
optimale Selbstmanagement-Strategien erfolgreich in den Alltag
umzusetzen [25]. Auch die WHO bezeichnet der ICF folgend das
Patient-Empowerment als einen zentralen Aspekt aller gesundheits-
fördernden Maßnahmen.
Abb. 2 Einfluss der Patientenmotivation (aus [25])
8
Verbeek et al. untersuchten in einer Systematic Review, welche
Erwartungen Rückenschmerzpatienten an die Physiotherapie stellen
und kamen zu folgenden Ergebnissen: Primär wünschten die Pati-
enten mehrheitlich eine klare Diagnose bezüglich der Ursache ihrer
Schmerzen, sowie Informationen und Anleitungen zum besseren
Umgang mit den Beschwerden, Schmerzerleichterung und eine um-
fassende körperliche Untersuchung. Weiter erwarteten die meisten
Patienten von ihren Physiotherapeuten:
� dass mehrere diagnostische Tests durchgeführt werden,
� einen Wechsel der Therapiemethode oder eine Überweisung an
einen Spezialisten im Falle ausbleibenden Erfolges,
� eine Bestätigung ihres Krankseins,
� eine Bestätigung des Therapeuten, dass ihre Schmerzen real sind
� eine vertrauensvolle und respektvolle Zusammenarbeit mit dem
Therapeuten
� dass der Therapeut ihnen zuhört und ihre Situation versteht
� einen Einbezug in die klinische Entscheidungsfindung [65].
Die oben angeführten Studien und Artikel verdeutlichen die Not-
wendigkeit für Physiotherapeuten, die sich mit dem Management
chronischer Rückenschmerzpatienten befassen, ihre sozial-
kommunikativen Kompetenzen auszubilden und weiter zu entwi-
ckeln. Sie belegen die Sinnhaftigkeit, in der Behandlung oben ge-
nannter Patientengruppe, psychosoziale Aspekte wesentlich stärker
zu berücksichtigen und einen personenzentrierten, partnerschaftli-
chen Kommunikationsstil aufzubauen. Nur so können Individualität
des jeweiligen Patienten, dessen Wünsche, Bedürfnisse, Kompeten-
zen und Ressourcen adäquat berücksichtigt, und ein individuelles
Behandlungskonzept erarbeitet werden.
Auch die International Federation of Orthopaedic Manipulative The-
rapists (IFOMT) beschreibt in ihrem Positionspapier „Educational
9
standards in orthopaedic manipulative physical therapy“ den OMT-
Physiotherapeuten unter anderem als: Kommunikator, Partner des
Patienten, Manager, Gesundheitsanwalt, lebenslang Lernenden
[28].
1.2 Ziele der Literaturstudie
Die Studie verfolgt folgende Zielsetzungen:
� Eine kurze Übersicht der vorhandenen qualitativen oder quantita-
tiven Forschungsergebnisse hinsichtlich der Wirksamkeit des MI
als Konzept oder zu Bestandteilen der Methode darzustellen.
� Mögliche Wirksamkeitsnachweise bezüglich der Anwendung von
MI bei den für Patienten mit chronischen Rückenschmerzen in der
Praxis erprobten Therapieformen herauszufinden.
� Das Konzept des MI einführend vorzustellen und zu prüfen, ob MI
als Rahmenkonzept für die Physiotherapie bei Patienten mit chro-
nischen Rückenschmerzen geeignet ist.
� Eine hypothetische Übertragung der Methoden des MI in die phy-
siotherapeutische Praxis bei Patienten mit chronischen Rücken-
schmerzen herzustellen.
2. Forschungsmethode
Eine Literatursuche in deutscher und englischer Sprache in den Da-
tenbanken CINHAL, PubMed, Medline, MEDPILOT und PEDro erfolg-
te in zwei Schritten. Berücksichtigt wurden hochwertige qualitative
und quantitative klinische Studien, Systematic-Reviews und Bü-
cher, Fachartikel namhafter Autoren aus den Disziplinen Physiothe-
rapie, Psychologie und Medizin. Die erste Suche hatte zum Ziel, ei-
ne Übersicht hinsichtlich der Evidenz zu schaffen, die die Sinnhaf-
tigkeit biopsychosozialer Behandlungsansätze in der muskuloske-
lettalen Physiotherapie chronischer Rückenschmerzpatienten
10
belegen. Zwischen Januar und April 2009 wurden die Datenbanken
zu folgenden Themen und Begriffen durchsucht: Physiotherapie,
chronischer bzw. nicht-spezifischer Rückenschmerz, Patientenzent-
rierung, Shared-Decision-Making (partizipative Entscheidungsfin-
dung), Biopsychosoziales-Modell, kognitive Verhaltenstherapie, Pa-
tienten-Erwartungen, Therapeutische-Beziehung, Kommunikations-
training, Placebo, Schmerzphysiologie und Schmerzpsychologie.
Daraufhin erfolgte im Juli 2009 in den Datenbanken eine zweite Li-
teratursuche zu folgenden miteinander kombinierten Begriffen: Mo-
tivational Interviewing, Motivierende Gesprächsführung, Transtheo-
retisches Modell, Physiotherapie, Schmerz und Übungen.
Die auf der MI-Homepage (www.motivationalinterview.org) darge-
stellte Bibliographie von 1983 – 2009 wurde nach relevanten Arti-
keln durchsucht. Berücksichtigt wurden auch die Archive entspre-
chender Fachzeitschriften, wissenschaftlicher Fachverlage und der
Bestand der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED) in
Köln. Die Literaturlisten der relevanten Artikel wurden gesichtet.
Das neue Buch „Motivierende Gesprächsführung“ von Miller und
Rollnick stellt die Grundlage zur Darstellung von Konzept, Prinzi-
pien, Strategien und Methoden des MI dar [42].
3. Ergebnisse der Literaturstudie
3.1 Entwicklung des Motivational Interviewing
William R. Miller (Universität New Mexico) und Stephen Rollnick
(Universität Wales) entwickelten MI in den 80er Jahren als Ansatz
der Gesprächsführung, Beratung und Therapie für die Arbeit mit
Suchtpatienten. MI basierte ursprünglich auf Carl Rogers´ Ansatz
der nicht-direktiven, klientenzentrierten Gesprächsführung [14]
und dem Transtheoretischen Modell von Prochaska und DiClemente
[51]. Es beinhaltet außerdem wissenschaftliche Erkenntnisse zur
11
Selbstwirksamkeitstheorie von Bandura [5] und zur Selbstregulati-
onstheorie von Carver und Scheier [52] [43].
Das Konzept entstand in der klinischen Praxis und wird laufend
weiterentwickelt und erforscht [42]. Ausgangspunkt für die syste-
matische Entwicklung des MI war die Erkenntnis, dass traditionell
konfrontative Therapieansätze in der Behandlung von Substanzmit-
telmissbrauch wenig erfolgreich waren. Häufig kam es zu unbefrie-
digenden Auseinandersetzungen zwischen Therapeuten und Patien-
ten, in denen die Therapeuten immer mehr sachliche Argumente
für eine Veränderung anführten und die Patienten sich immer mehr
gegen diese wehrten („Die Falle, einseitig Partei zu ergreifen“). Das
Anheften eines diagnostischen Etiketts wie Alkoholiker oder Psy-
chosomatiker führte ebenfalls meist zu Widerstand seitens der Pa-
tienten, die sich oft die Problematik selber nicht eingestehen konn-
ten („Etikettierungsfalle“) [42].
3.1.1 MI – Definition und Ziele
Miller und Rollnick definieren MI als klientenzentrierte, direktive
Methode zur Verbesserung der intrinsischen Motivation für eine
Veränderung mittels der Erforschung und Auflösung ambivalenter
Einstellungen. Das bedeutet, dass MI zielgerichtet die positiven und
negativen Seiten des derzeitigen Verhaltens hinsichtlich einer mög-
lichen Verhaltensänderung erkundet, und zwar so wie sie sich dem
Patienten subjektiv darstellen. Grundannahme ist, dass ungelöste
Ambivalenzen des Patienten den Versuch einer Verhaltensänderung
untergraben und dass jede Person ein Veränderungspotenzial be-
sitzt. Es wird davon ausgegangen, dass durch eine empathische,
respektvolle, nicht wertende Erkundung, auch der sinnvollen Seiten
des derzeitigen Verhaltens, eine Öffnung für die nachteiligen Seiten
erfolgt. Der Patient entwickelt die Bereitschaft, über die in ihm ru-
henden Beweggründe für eine Veränderung zu reden und er wird
zunehmend offener für eine Verhaltensänderung, wenn er erlebt,
12
dass sein bisheriges Verhalten mit wichtigen Werten oder Zielen im
Leben nicht vereinbar ist. Der Therapeut ermutigt den Patienten
seine Gedanken und Gefühle auszudrücken, eigene Ideen und Vor-
stellungen zu entwickeln und vermeidet den Aufbau von Wider-
stand gegen eine Verhaltensänderung beim Patienten.
Das erste Ziel von MI besteht folglich darin, mit dem Patienten ge-
meinsam seine Ambivalenzen hinsichtlich seines derzeitigen Ver-
haltens zu erkunden und Motivation zur Veränderung aufzubauen -
Phase 1. Zeigt der Patient seine Bereitschaft zur Veränderung, be-
steht in Phase 2 die Aufgabe, Veränderungsziele, den Verände-
rungsweg und einen konkreten Veränderungsplan zu erarbeiten mit
dem Ziel seine Selbstverpflichtung zu stärken [42].
3.1.2 Anwendungsgebiete
In seiner ursprünglichen Form setzen Psychologen und spezialisier-
te Trainer MI erfolgreich in der Behandlung von Patienten mit Sub-
stanzmittelmissbrauch ein [3]. Als generelles Problem gilt im Ge-
sundheitswesen, dass es den Klinikern häufig schwerfällt, bei Pati-
enten mit Risikoverhalten eine gute Therapiebindung zu erreichen
und ihre Bereitschaft zur Verhaltensänderung zu erzielen. Deshalb
wird eine für medizinisches Fachpersonal adaptierte Form des MI
inzwischen auch in anderen Zusammenhängen angewendet, wie
zum Beispiel in der Gewichtskontrolle, der Medikamenteneinname,
im Schmerzmanagement oder der Bewegungssteigerung [57].
MI dient als zusätzliche Vorbereitung für weitere Behandlungen, als
Kurzintervention, kann aber auch als Therapie- und Kommunikati-
onsstil in den gesamten Verlauf einer Behandlung integriert werden
[42].
13
3.1.3 Wirksamkeitsnachweise
Mehrere systematische Reviews und Meta-Analysen weisen die
Wirksamkeit des MI in der Anwendung durch nicht auf Substanz-
mittelmissbrauch spezialisiertes medizinisches Fachpersonal, Ärzte
und Psychologen bei Patienten mit Suchtproblemen nach [11, 12].
In der Behandlung von Diabetes-, Krebs-, oder Schmerzpatienten,
sowie bei Programmen zur Aktivierung geriatrischer Patienten lie-
fert die große Mehrzahl der Studien positive Resultate hinsichtlich
der Wirksamkeit von MI, sowohl für Kurzinterventionen, als auch
für mehrwöchige Programme. Eine abschließende wissenschaftliche
Beurteilung der Effektivität von MI in oben genannten Bereichen
kann auf Grundlage der derzeit verfügbaren Reviews nicht getrof-
fen werden, da Anzahl, Qualität und Validität der Studien in der
Summe nicht ausreichend sind. Die Autoren bemängeln: eine zu
geringe Teilnehmerzahl, das Fehlen valider Outcome-Parameter,
sowie unzureichende Beschreibung der angewendeten Therapie-
und Trainingsmaßnamen. Unklar bleiben teilweise auch Art und
Umfang des Trainings in MI der an den Studien beteiligten Thera-
peuten [33, 39].
Studien, die die Effektivität von MI in Verbindung mit Physiothera-
pie untersuchten, wurden bisher nicht veröffentlicht. Friedrich et al.
erforschten die Wirksamkeit von einem kombinierten Übungs- und
Motivationsprogramm, welches Elemente des MI enthält, im Ver-
gleich zu einem reinen Übungsprogramm bei 93 chronischen Rü-
ckenschmerzpatienten. Noch nach 5 Jahren waren die positiven Ef-
fekte in Bezug auf Behinderung, Schmerzintensität, und Arbeitsfä-
higkeit in der Experimentalgruppe doppelt so hoch wie in der Kon-
trollgruppe [15, 16]. Eine systematische Review von George unter-
suchte die Effektivität der Behandlung chronischer Rückenschmerz-
patienten durch Physiotherapeuten, die psychosoziale oder motiva-
tionale Interventionen in ihrer Tätigkeit integrierten und die teilwei-
14
se ähnlichen Prinzipien folgten wie MI, bzw. mit dessen Annnahmen
vereinbar waren. Die analysierten RCT lieferten klare Evidenz für
die höhere Effektivität biopsychosozialer Vorgehensweisen im Ver-
gleich zu biomedizinischen Ansätzen [17].
Von Interesse für das physiotherapeutische Management chroni-
scher Rückenschmerzpatienten sind Studien und Artikel zu MI, die
Mediziner und Psychologen zu den Themen Bewegungssteigerung
und chronische Schmerzen veröffentlichten [2, 19, 21, 23, 29, 55,
62].
3.2 Transtheoretisches Modell - Veränderungsstadien
Da die Motivationsbereitschaft zur Veränderung von Einstellungen
und Verhalten bei Patienten unterschiedlich ausgeprägt ist, entwi-
ckelten Prochaska et al. in den 80er Jahren das Transtheoretische
Modell (TTM) der Verhaltensänderung. Es entstand in Zusammen-
hang mit der Raucherentwöhnung. Eines der Kernelemente des
TTM ist das Konzept der Veränderungsstadien, die das Ausmaß der
Veränderungsbereitschaft von Einstellung und Verhalten auf ein
konkret definiertes Problem beschreiben. Fünf zeitliche Stadien
(vgl. Abb. 3) werden beschrieben. Inzwischen konnte das Sta-
dienmodell erfolgreich angepasst werden an die Behandlung von
Patienten mit Risikoverhalten aus anderen Gesundheitsbereichen
[41]. Die Veränderungsmotivation des Patienten und der Verlauf
des Veränderungsprozesses sollte nach Holtz et al. deshalb in der
klinischen Entscheidungsfindung bei Schmerzpatienten Berücksich-
tigung finden [25].
15
Abb. 3 TTM-Stadien der Verhaltensänderung (aus [67])
Für die Beschreibung des Ausmaßes der Veränderungsbereitschaft
bei Patienten mit chronischen Schmerzen wurde das Modell auf vier
Stadien begrenzt. Das Stadium 2 der Absichtsbildung konnte laut
Maurischat et al. in Studien zu dieser Patientengruppe nicht nach-
gewiesen werden [40].
� Stadium der Absichtslosigkeit
In diesem Stadium haben Patienten keine Absicht etwas an ihrem
bisherigen Umgang mit den Schmerzen zu ändern. Zum Beispiel
weil sie annehmen, dass Schmerzen ein hauptsächlich biomedizi-
nisches Problem darstellen, an dem sie selber nichts verändern
können. Sie erwarten von ihren Physiotherapeuten die Lösung
des Schmerzproblems. Sie wünschen passive Anwendungen wie
Manuelle Therapie, Fango und Massage mit der Hoffnung, dass
sich dadurch die Schmerzen vollständig beseitigen lassen. Da sich
diese Erwartungen bei chronischen Schmerzen meist nicht erfül-
len lassen, kann als Folge dessen Frustration entstehen. Dies
kann die Compliance nachhaltig stören. Für Patienten im Stadium
der Absichtslosigkeit ist der Einsatz von MI laut Rau und Peter-
16
mann besonders empfehlenswert. Es entspricht der Phase 1 des
MI.
� Stadium der Vorbereitung
Die Patienten sind erstmals bereit ihre Einstellungen zu verän-
dern. Sie realisieren langsam ihre eigene Verantwortung für einen
verbesserten Umgang mit den Schmerzen und erkennen, dass
sich die Schmerzproblematik nicht so schnell wie gewünscht lö-
sen lässt. Sie erleben weiter, dass Eigeninitiative, gegenwärtige
Akzeptanz der Beschwerden und Ausdauer derzeit auch Voraus-
setzung für kleine Erfolge sind. Im Laufe des Prozesses entsteht
eine Vorstellung davon, welche individuellen Veränderungen not-
wendig werden. Es entspricht dem Beginn der Phase 2 des MI.
� Stadium der Handlung
In diesem Stadium zeigen Patienten Veränderungsabsichten, in-
dem sie selbständig Strategien zur Schmerzbewältigung entwi-
ckeln und umsetzen.
� Stadium der Aufrechterhaltung
Wenn die Patienten ihre individuellen Verhaltensstrategien zur
Schmerzbewältigung unter schwierigeren Alltagbedingungen seit
mehr als einem Monat erfolgreich anwenden und beibehalten, be-
finden sie sich im Stadium der Aufrechterhaltung. Sie vermeiden
möglichst Rückfälle, sind aber in der Lage solche zu bewältigen
[54, 69].
Der Prozess der Verhaltensänderung ist zyklisch und kann von den
Patienten im Sinne einer Spirale durchlaufen werden. Ein Wechsel
und Überspringen der Stadien ist in beide Richtungen möglich. Es
wird angenommen, dass Patienten mit chronischen Schmerzen alle
vier Stadien durchlaufen müssen, um eine Verhaltensänderung
dauerhaft im Alltag umzusetzen. Maurischat et al. und Zenker et al.
weisen nach, dass mit dem Freiburger Fragebogen - Stadien der
Bewältigung chronischer Schmerzen (FF-STABS) ein valider
17
deutschsprachiger Fragebogen zur Erfassung der TTM-Stadien exis-
tiert, der für den diagnostischen Einsatz in Schmerzzentren geeig-
net ist (Freiburg Questionaire - Stages of Chronic Pain Management
(FQ-STAPM) englische Übersetzung) [40, 69].
Rau und Petermann empfehlen in der Behandlung von Patienten
mit chronischen Schmerzen das TTM als gute Ergänzung zu MI
[56]. Ursprünglich integrierte MI Elemente des TTM [43], aber in-
zwischen ist es als eigenständiges Konzept soweit ausdifferenziert,
dass Miller und Rollnick den Begriff TTM in der Neuauflage ihres
Buches „Motivierende Gesprächsführung“ nicht mehr verwenden,
um Verwechslungen zu vermeiden [42].
Zwei Studien von Rau et al. und Holtz et al. mit 147 chronischen
Schmerzpatienten aus dem rheumatischen Formenkreis kamen zu
folgenden Ergebnissen: Patienten des TTM-Stadiums „Aufrechter-
haltung“ weisen ein signifikant geringeres Ausmaß schmerzbeding-
ter Beeinträchtigungen in familiären, sozialen und beruflichen Be-
reichen auf, als Patienten mit niedrigeren Motivationsstadien. Die
Selbstwirksamkeitserwartungen nehmen mit steigendem TTM-
Stadium zu [54]. Ein höheres Motivationsstadium geht mit einer
geringeren psychischen Beeinträchtigung und einer signifikant op-
timierten kognitiven Schmerzbewältigung einher. Bei den Items
schmerzbedingter Hilflosigkeit, Depression, schmerzbedingter
Angst und schmerzbedingtem Ärger zeigen Patienten höherer Moti-
vationsstadien eine geringere Beeinträchtigung. Diese Ergebnisse
werden durch eine deutliche Zunahme des Kompetenzerlebens der
Patienten in höheren TTM-Stadien erklärt [25]. Erst im Handlungs-
stadium wird für die Patienten ein Erfolg durch geringere schmerz-
bedingte Beeinträchtigungen und höhere Sicherheit im Umgang mit
den Schmerzen spürbar [54].
18
3.3 Motivational Interviewing - Grundannahmen
3.3.1 Ambivalenzmodell
Miller und Rollnick gehen davon aus, dass Patienten mit chroni-
schen Rückenschmerzen nicht unmotiviert sind, sondern ambiva-
lent. Sie haben Gründe, die für und gegen eine Veränderung spre-
chen. Manche Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, möch-
ten sich einerseits mehr bewegen und trainieren, haben aber ande-
rerseits Angst vor Schmerzen. Viele möchten wieder zur Arbeit ge-
hen, trauen sich aber eventuell nicht zu, der Belastung stand zu
halten. Der derzeitige Status Quo beinhaltet für die Patienten sub-
jektiv Vor- und Nachteile. Als Vorteil kann zum Beispiel eine ver-
stärkte Zuwendung seitens des sozialen Umfelds oder die Abnahme
alltäglicher Pflichten empfunden werden. Als Nachteil wird häufig
ein schleichender und schmerzhafter Verlust der körperlichen Vitali-
tät registriert. Auch physiotherapeutische Rehabilitationsprogram-
me können von Patienten als vor- und nachteilig wahrgenommen
werden. Manche Patienten haben in der Vergangenheit unange-
nehme Erfahrungen mit Bewegungsübungen gemacht, da sie zu
Schmerzverstärkung führten. Als vorteilig sehen sie meist die
Chance, zukünftig die Schmerzen besser zu kontrollieren und lieb-
gewonnene aber verlorengegangene Beschäftigungen wieder auf-
nehmen zu können.
Das Abwägen zwischen Vorteil/Nutzen und Nachteil/Kosten einer
Veränderung bzw. einer Beibehaltung des Status Quo kann mit
dem Modell der Entscheidungswaage dargestellt werden (vgl.
Abb.4). Der für eine Veränderung stehenden linken Seite soll
durch MI mehr Gewicht verliehen werden.
19
Abb. 4 Entscheidungswaage (aus [35])
Aus Sicht des MI ist ein Ambivalenzkonflikt psychodynamisch zu
verstehen, als Ausdruck eines begründeten inneren Zwiespalts.
Ambivalenz wird als normaler Zustand der menschlichen Natur be-
trachtet und ist ein natürlicher Vorgang im Prozess der Verände-
rung. Nur wenn Menschen in der Ambivalenz verhaftet bleiben,
können die Probleme fortdauern oder sich sogar intensivieren. Da-
her stellen Miller und Rollnick Ambivalenz als die zentrale Heraus-
forderung dar, die gelöst werden muss, wenn eine Veränderung
stattfinden soll. Im Falle, dass eine Multivalenz besteht, das heißt
wenn mehr als zwei Optionen vorliegen, wird die Erörterung der
anderen Optionen zunächst ausgesetzt. Das Gespräch fokussiert
sich zunächst nur auf das Pro und Kontra der Option, deren Lösung
im Bereich des Möglichen liegt und real erreichbar scheint [42].
3.3.2 Veränderungspotenzial des Patienten
Veränderungen sind im Leben ein natürlicher fortlaufender Prozess.
MI geht dem Ambivalenzmodell folgend davon aus, dass jeder
Mensch, also auch der Schmerzpatient ein Veränderungspotential
besitzt. Therapeutische Interventionen sollen den natürlichen Ver-
änderungsprozess unterstützen, indem sie die intrinsische Motivati-
on des Patienten hervorlocken und stärken [42]. Die Bereitschaft
des Patienten zur Verhaltensänderung hängt zentral vom Ausmaß
20
seiner Selbstverpflichtung ab. Diese wird von vier kognitiv-
emotionalen Mediatoren beeinflusst (vgl. Abb. 5) [1].
Abb. 5 Mediatoren des Veränderungsprozesses (aus [56])
Die Lösung eines Problems kann für den Patienten noch so dringlich
sein, wenn er nicht zuversichtlich ist, es auch lösen zu können,
wird der Versuch wenig erfolgreich sein. Selbst wenn er zuversicht-
lich scheint und über die notwendigen Fertigkeiten verfügt das
Problem zu lösen, wird eine Verhaltensänderung unwahrscheinlich,
wenn die Bereitschaft und das Bedürfnis dazu nicht ausgeprägt sind
[42].
3.4 Ethische Grundhaltungen des Motivational Interviewing
Essentiell für die Anwendung des MI ist das Einnehmen bestimmter
ethischer Grundhaltungen seitens des Therapeuten. Miller und Roll-
nick nennen sie den Geist (Spirit) des MI. Dieser Geist ist wesent-
lich geprägt vom Menschenbild der humanistischen Psychologie und
drückt sich in Respekt und Achtung für den Patienten aus. MI geht
folglich über die geschickte Anwendung von Techniken und Metho-
den der Gesprächsführung hinaus. Die zentralen Komponenten
sind: partnerschaftliche Zusammenarbeit, evokatives Vorgehen und
Wahrung der Patientenautonomie. Dadurch unterscheidet sich MI
von traditionellen paternalistischen Ansätzen (vgl. Tab. 1) [42].
21
Tab. 1 Spirit des MI versus traditionelle Ansätze (nach [42])
Eine gute konzeptübergreifende Darstellung der empirisch gesi-
cherten wirksamen Variablen einer guten therapeutischen Bezie-
hung liefert die Arbeit von Schmidt-Traub [60]. Hierdurch wird
auch das Konzept von MI untermauert.
Die Qualität der Beziehung zwischen Physiotherapeut und Patient
hat nach einer Review von Klaber-Moffet nachweislich großen Ein-
fluss auf die Wirksamkeit der Behandlung. Sie beeinflusst
Schmerzerleben und Ausmaß der Behinderung [32]. Beutel et al.
stellen in einem interessanten Artikel aktuelle Ergebnisse der neu-
robiologischen Forschung zur Bedeutung der therapeutischen Be-
ziehung vor. Diese bestätigen, dass besonders chronische
Schmerzkranke sehr empfindlich auf Zurückweisung reagieren. Das
Erleben von Zurückweisung kann zu Kränkung und Zunahme der
Schmerzintensität führen. Dagegen gibt es deutliche Hinweise,
dass zum einen ein freundlich-zuversichtlicher und ermutigender
Umgang des Therapeuten mit dem Patienten positive Effekte auf
Compliance, Wohlbefinden und Heilungsverlauf haben und zum an-
22
deren, dass durch Suggestion von Symptomlinderung durch den
Therapeuten das körpereigene Opiatsystem aktiviert wird [7].
3.4.1 Partnerschaftlichkeit
Im MI baut der Therapeut auf eine partnerschaftliche, gleichbe-
rechtigte, nicht bevormundende Zusammenarbeit mit dem Patien-
ten. Beide begegnen sich auf Augenhöhe. Der Therapeut verfällt
nicht in die Rolle des belehrenden Experten. Der Patient als Experte
für sich selbst wird ermutigt, eigene Erfahrungen und Lösungsvor-
schläge, von denen auch der Therapeut lernen kann, in die Be-
handlung einzubringen. Als Experte muss der Physiotherapeut zu
gegebener Zeit sein Fachwissen, seine Erfahrung und Vorstellungen
in den klinischen Entscheidungsprozess einbringen, sofern der Pati-
ent bereit ist diese aufzunehmen und der Therapeut nicht bean-
sprucht, dass seine Sichtweise die einzig richtige ist. Es ist auch
nicht sinnvoll, dem Patienten allein die Wahl von Inhalt, Richtung
und Tempo der Therapie zu überlassen. Die partnerschaftliche Me-
thode erfordert, dass der Therapeut sich seiner eigenen Intentio-
nen und Erwartungen bewusst ist und diese stetig evaluiert [42].
Die Bedeutung der Partnerschaftlichkeit für die Physiotherapie stellt
Edwards ausführlich in einem Artikel dar [13].
3.4.2 Evokation
Evokation steht für eine Grundhaltung des Therapeuten. Es wird
angenommen, dass Ressourcen und die Motivation zur Verände-
rung beim Patienten selbst vorhanden sind. Die Aufgabe des The-
rapeuten besteht nun darin, diese Ressourcen den Patienten selbst
finden zu lassen, indem er dessen subjektive Wahrnehmung, Ziele
und Werte einbezieht. Dies dient der Stärkung der intrinsischen
Motivation und Handlungskompetenz des Patienten. In diesem Sin-
ne vergleichen Miller und Rollnick die Rolle des Therapeuten mit ei-
nem Geburtshelfer [42].
23
3.4.3 Autonomie
Die Autonomie des Patienten zu wahren, bedeutet zu akzeptieren,
dass die Verantwortung für eine Veränderung beim ihm selbst liegt.
Während des Therapieprozesses wird das Selbstbestimmungsrecht
des Patienten, sowie seine Wahl- und Entscheidungsfreiheit respek-
tiert. Es wird kein Druck auf ihn ausgeübt. Der Patient entscheidet
was er verändern möchte, welches Ziel er anstrebt und auf wel-
chem Weg er sein Ziel erreichen möchte. Eingeschränkte Patien-
tenautonomie wird gefördert, soweit sie vorhanden ist, ausgebaut
[42].
3.5 Allgemeine Prinzipien des Motivational Interviewing
Vier Prinzipien stellen die Verbindung zwischen dem Spirit des MI
und den zum Einsatz kommenden Strategien und Methoden dar:
Empathie ausdrücken, Diskrepanzen entwickeln, Widerstand um-
lenken und Selbstwirksamkeit fördern. Auf diesen Prinzipien baut
die praktische Anwendung des MI auf [42]. Ihre Relevanz für die
Entwicklung einer guten therapeutischen Beziehung und der Stei-
gerung der Veränderungsbereitschaft ist empirisch über verschie-
dene theoretische Ansätze hinweg belegt [24, 60].
3.5.1 Empathie ausdrücken
Eine angemessene empathische Haltung des Therapeuten gilt als
Fundament des MI. Die Bereitschaft und Fähigkeit zur Empathie ist
nach Rogers das zentrale Merkmal erfolgreicher therapeutischer
Gesprächsführung. Empathie auszudrücken bedeutet, sich in den
Patienten hinein zu versetzen, um sein Verhalten und Erleben aus
seiner Sicht verstehen zu können. Dies erfordert die therapeutische
Fertigkeit des aktiven Zuhörens. Die dem Prinzip der Empathie
zugrunde liegende Einstellung lässt sich als Akzeptanz bezeichnen.
Die Perspektive des Patienten auf seine Schmerzen wird akzeptiert,
24
was jedoch nicht gleichbedeutend mit Zustimmung ist. Der Thera-
peut kann anderer Meinung sein als der Patient. Er vermittelt ihm
jedoch Verständnis für dessen Wahrnehmung der Situation zu ha-
ben. Dies ermöglicht es dem Patienten, mehr Energie darauf zu
verwenden, für sich zu entdecken, was er selber tun kann und will,
anstatt sein bisheriges Verhalten zu rechtfertigen. Eine akzeptie-
rende und respektvolle Einstellung unterstützt das Selbstwertgefühl
des Patienten und fördert seine Veränderungsbereitschaft [42].
Um die klinische Bedeutung empathischen Verhaltens zu verste-
hen, spielt das System der so genannten Spiegelneuronen eine
wichtige Rolle. Es wurde von Giacomo Rizzolatti (Universität Par-
ma) entdeckt und liefert neurobiologische Erklärungen hinsichtlich
der Voraussetzungen und Möglichkeiten im therapeutischen Pro-
zess. Es handelt sich um Neuronen-Netzwerke mit doppelter Funk-
tion. Sie werden sowohl dann aktiv, wenn die eigene Person fühlt,
handelt oder über Handlungsabsichten nachdenkt, als auch dann,
wenn miterlebt wird, wie sich die entsprechenden Vorgänge in ei-
ner anderen Person abspielen, die gegenwärtig ist und im Zentrum
der Aufmerksamkeit steht. Die Spiegelneurone befähigen den Men-
schen, in sich widerzuspiegeln, was in einem anderen vorgeht. Die-
se Fähigkeit wird bereits im Säuglings- und Kleinkindalter entwi-
ckelt. Die Spiegelneurone spielen eine wichtige Rolle in Zusam-
menhang mit Lernprozessen [6].
3.5.2 Diskrepanzen entwickeln
Diskrepanzen zu entwickeln bedeutet dazu beizutragen, dass der
Patient in seiner Selbstwahrnehmung Widersprüche entdeckt und
erlebt. Er kann realisieren, dass sein gegenwärtiges Verhalten mit
wichtigen persönlichen Werten und zukünftigen Zielen in Konflikt
steht. Durch das Aufdecken der Diskrepanzen können Anstöße zur
Verhaltensänderung in Gang gesetzt werden. Diskrepanzen können
25
in allen Lebensbereichen sichtbar werden: Arbeitsplatz, Familie,
Gesundheit, Partnerschaft oder Freizeitverhalten. Aufgabe des The-
rapeuten ist es dem Patienten zu ermöglichen - aus sich selbst her-
aus - die Wichtigkeit einer Veränderung zu erkennen. Dies gelingt
am besten, wenn der Patient selbst - und nicht der Therapeut - die
Gründe für eine Veränderung formuliert. Diese Aussagen werden in
der Terminologie des MI als Change-Talk (früher auch Selbstmoti-
vierende Aussagen) bezeichnet [42].
3.5.3 Widerstand umlenken
Wenn der Therapeut den Patienten gegen seinen Willen zu etwas
motivieren möchte und ihn nicht da abholt, wo er sich gerade be-
findet, wird die Wahrscheinlichkeit einer Veränderung sehr gering.
Es ist möglich, dass der Patient durch eine direkte Argumentation
oder Beweisführung seine bisherigen Einstellungen und Verhal-
tensweisen verteidigt und Widerstand gegen eine Veränderung
entwickelt.
Miller und Rollnick unterscheiden vier Kategorien von Widerstands-
verhalten bei Patienten:
� Argumentieren: Der Patient greift die Kompetenz oder Integrität
des Therapeuten an („Was wissen Sie schon über Rückenschmer-
zen? Sie wollen doch nur Geld verdienen!“).
� Unterbrechen: Der Patient fällt dem Therapeuten ins Wort oder
unterbricht ihn abwehrend („Hören Sie mir doch auf mit ihren Ge-
rede!“).
� Negieren: Der Patient bagatellisiert oder leugnet das Problem,
kooperiert wenig, weigert sich Verantwortung zu übernehmen
und zeigt eine pessimistische Haltung („Das liegt nur an meiner
Bandscheibe und hat nichts mit meiner Fitness zu tun“).
� Ignorieren: Der Patient steigt aus dem Dialog aus und folgt dem
Therapeuten nicht mehr, indem er unaufmerksam ist, nicht rea-
26
giert oder das Thema wechselt („Haben Sie gestern auch das
Fußballspiel gesehen?“).
Widerstand des Patienten wird vom Therapeuten nicht direkt ange-
sprochen. Er wird geringfügig umformuliert oder umgelenkt, um so
einen neuen Impuls in Richtung einer Veränderung zu erzeugen
und den Patienten wieder in den Prozess der Problemlösung einzu-
binden. (Patient: „Diese Forschungsergebnisse beweisen gar
nichts.“ Therapeut: „Es erscheint Ihnen unwahrscheinlich, dass ihre
Schmerzen was mit dem Nervensystem zu tun haben. Sie denken
es liegt nur an der Bandscheibe.“)
Im MI verfügt der Therapeut über acht nicht konfrontative Metho-
den mit Widerstand umzugehen: einfache Reflexionen, verstärkte
Reflexionen, doppelseitige Reflexionen, den Focus verändern, um-
formulieren, Zustimmung mit einer Wendung, Betonung der per-
sönlichen Wahlfreiheit, auf die andere Seite treten.
Die ersten drei Methoden bestehen aus reflektierenden Aussagen
und sind relativ leicht anzuwenden. Sie zeigen dem Patienten an,
dass der Therapeut seine Einwände anerkennt. Dies genügt oft
schon, um den Widerstand abzubauen und einer Konfrontation aus-
zuweichen. Die anderen fünf Methoden enthalten Erwiderungen, die
über Reflexion hinausgehen. Sie erfordern Übung in der Anwen-
dung und sollten mit Vorsicht eingesetzt werden. Weitere inhaltli-
che Erläuterungen zu den Methoden sind in Abschnitt 3.7.1 „Phase
1 - Motivation und Zuversicht aufbauen“ aufgeführt. Miller und
Rollnick gebrauchen das Beispiel eines Kung-Fu Kämpfers, der dem
Angriff keine brachiale Kraft entgegensetzt, sondern versucht die
anstürmende Energie aufzunehmen und umzulenken. Widerstands-
verhalten seitens des Patienten ist ein Zeichen von Dissonanz in
der therapeutischen Beziehung und erfordert Vorgehen und Ge-
sprächsverhalten zu überprüfen. Starker Widerstand entsteht durch
27
nicht ausreichend gewürdigte Ambivalenzen und ist das Problem
des Therapeuten und nicht das des Patienten. Dass der Patient Wi-
derstand gegen eine Veränderung aufbringen kann, wird als nor-
males, verstehbares Verhalten aufgefasst [42].
3.5.4 Selbstwirksamkeit fördern
Zuversicht und Hoffnung seitens des Patienten, sowie seine Über-
zeugung, wirklich etwas bewirken zu können, sind Voraussetzung,
um zu einem veränderten Umgang mit den Schmerzen zu gelan-
gen. Seine Selbstwirksamkeitserwartungen sind der Schlüssel zum
Aufbau der Veränderungsmotivation und ein Prädiktor für das Be-
handlungsergebnis [42].
Nach Main et al. und Ruoß geht eine Steigerung der schmerzbezo-
genen Selbstwirksamkeit einher mit geringerer Schmerzwahrneh-
mung, reduzierter körperlicher Einschränkung und erhöhter Bereit-
schaft zu körperlicher Aktivität [38, 58].
Ziel des MI ist es die Selbstwirksamkeitserwartungen des Patienten
zu fördern, zum Beispiel indem auf seine vergangenen, erfolgrei-
chen Veränderungsprozesse in anderen Lebensbereichen oder Er-
folge von Anderen hingewiesen wird. [42].
3.6 Strategien des Motivational Interviewing
MI verwendet fünf spezielle Strategien die besonders zu Beginn der
Therapie und auch im weiteren Verlauf sehr hilfreich sein können:
offene Fragen stellen, aktives Zuhören, Bestätigen, Zusammenfas-
sen und selbstmotivierende Aussagen (Change-Talk) hervorrufen.
Zusammengefasst bilden sie das Gerüst für die praktische Anwen-
dung. Die ersten vier Strategien wurden von Rogers in der nicht-
direktiven klientenzentrierten Gesprächsführung entwickelt. Chan-
ge-Talk hervorzurufen ist eindeutig direktiv und spezifisch für MI.
28
Der Gebrauch der ersten vier Strategien wird geleitet von dem Ziel
Change-Talk hervorzurufen [42].
Die Anwendung von MI erfolgt auf nicht-direktive Weise, um dem
Patienten anfangs zu helfen, seine Ambivalenz zu erforschen und
persönliche Motive für eine Veränderung zu finden. Der Patient soll
sich seiner Möglichkeiten und deren etwaigen Konsequenzen be-
wusst werden. Dazu vermittelt der Therapeut, falls erwünscht, In-
formationen, äußert aber selber keine eigenen Vorstellungen oder
persönlichen Werte. Ebenfalls nicht-direktiv ist die Vorgehensweise,
wenn die persönlichen Ziele und zentralen Werte des Patienten er-
kundet werden sollen. In ihnen liegen die Schlüssel zur Auflösung
der Ambivalenz, sie geben die Richtung vor. Entscheidend ist he-
rauszufinden, was für den Patienten derzeit die größte Bedeutung
hat und welche Werte für die anstehende Entscheidung besonders
wichtig sind. Mögliche Lösungen müssen mit diesen Zielen und
Werten vereinbar sein. Wenn die Ambivalenz des Patienten, sowie
seine Werte erkundet wurden und der Patient eine Zielrichtung
vorgegeben hat, nehmen die Interventionen, die zur Auflösung der
Ambivalenz und zur Förderung der Veränderungsbereitschaft abzie-
len, direktiven Charakter an. Das Ausmaß der Direktivität wird da-
bei bestimmt von der Fragestellung, der Dringlichkeit des Problems
und der Richtung, in die die Veränderung gelenkt werden soll [42].
3.6.1 Offene Fragen stellen
Offene Fragen sind W-Fragen, die nicht mit ja/nein oder wenigen
Worten zu beantworten sind. (offene Frage: „Wie ging es denn mit
der Übung vom letzten Mal?“, anstelle von: „Haben Sie die Übung
vom letzten Mal gemacht?“) Sie erfragen inhaltliche Informationen,
erfordern wenig Energieeinsatz vom Therapeuten und gewähren
dem Patienten viel Redezeit. Sie ermutigen den Patienten zu reden,
seine Sichtweise ausführlich darzustellen und erlauben es dem The-
29
rapeuten seine Ziele, Werte und Einstellungen zu erkunden. Offene
Fragen sind Einleitungen, die dem Therapeuten im Gesprächsver-
lauf Möglichkeiten eröffnen andere Strategien, wie aktives Zuhören
anzuwenden. Geschlossene Fragen können in bestimmten Situatio-
nen notwendig sein, sollten aber zu Beginn wohl dosiert und weit
verstreut eingesetzt werden. Als Faustregel gilt, keine drei W-
Fragen nacheinander zu stellen [42].
3.6.2 Aktives Zuhören
Aktives Zuhören ist eine der wichtigsten Fertigkeiten des Therapeu-
ten, die für die Anwendung des MI notwendig sind. Es ist die me-
thodische Umsetzung der empathischen, patientenzentrierten
Grundhaltung. Aktives Zuhören bedeutet, dass der Therapeut fähig
ist, die Aspekte der Botschaften herauszufiltern, die zwischen den
Zeilen stehen und zu überprüfen, ob seine Wahrneh-
mung/Interpretation der Botschaft/Aussage der Patienten ent-
spricht. Dies bezieht auch emotionale Zwischentöne mit ein. Er
spiegelt seine Wahrnehmung dem Patienten in Form einer reflektie-
renden Aussage zurück. Dies kann auch durch einfache Wiederho-
lungen oder Paraphrasieren geschehen.
(„Wenn ich Sie richtig verstanden habe, möchten Sie an ihrem Um-
gang mit den Schmerzen etwas verändern, sind sich aber unsicher,
ob mehr Bewegung und Training Ihnen dabei behilflich sind.“) Re-
flektieren ist ein aktiver und direktiver Vorgang. Der Therapeut
entscheidet, was reflektiert und was ignoriert wird, was abge-
schwächt und was verstärkt wird. Dies ermöglicht es Bedeutung
und Aspekte der Aussage leicht zu verändern. Es wird besonders
Chang-Talk reflektiert, damit der Patient seine Aussagen mehrfach
hört.
Thomas Gordon hat zwölf Arten von Reaktionen beschrieben, die
mit aktivem Zuhören nicht vereinbar sind.
30
Sie werden als Kommunikationssperren bezeichnet, da sie den Pa-
tienten von seinen Gedankengängen ablenken:
� befehlen, kommandieren, anordnen;
� warnen, ermahnen, drohen;
� beraten, Lösungen geben, Vorschläge machen;
� Vorhaltungen machen, belehren, logische Argumente anführen;
� predigen, zureden, moralisieren;
� urteilen, kritisieren, widersprechen, beschuldigen;
� loben, zustimmen;
� beschimpfen, lächerlich machen, beschämen;
� interpretieren, analysieren, diagnostizieren;
� beruhigen, mitleiden, trösten, unterstützen;
� forschen, fragen, verhören;
� zurückziehen, ablenken, aufheitern, zerstreuen [42].
3.6.3 Bestätigen
Positive Bestätigungen des Patienten stärken die therapeutische
Beziehung und ermutigen ihn, das Risiko einer Veränderung einzu-
gehen. Aussagen die Anerkennung, Würdigung oder Verständnis
vermitteln drücken die positive Haltung des Therapeuten aus („Vie-
len Dank, dass Sie heute wieder pünktlich zur Behandlung gekom-
men sind.“, „Das ist ein Zeichen großer Stärke, dass Sie sich ent-
schieden haben wieder arbeiten zu gehen.“, „Schwimmen zu gehen
ist ein guter Vorschlag“) [42].
3.6.4 Zusammenfassen
Gelegentliche Zusammenfassungen bewirken, dass der Patient im-
mer wieder seine Argumente für und gegen eine Veränderung hört
und ermutigen ihn, sich weiterhin mit seiner Ambivalenz auseinan-
der zu setzten. Zusammenfassungen verstärken getroffene Aussa-
gen und demonstrieren die Aufmerksamkeit des Therapeuten. Zu-
sammenfassungen können einzelne Gesprächsabschnitte, zum Bei-
31
spiel mehrere Argumente für eine Veränderung, während einer Be-
handlung sammeln. Überleitende Zusammenfassungen markieren
den Wechsel von einem Thema auf ein anderes und können als
Vorbereitungen für den Abschluss einer Behandlung verwendet
werden. Verbindende Zusammenfassungen helfen zu Beginn einer
neuen Behandlung inhaltlich an der vorigen anzuknüpfen. Oder sie
verbinden aktuelle Aussagen mit Inhalten, die in früheren Behand-
lungen thematisiert wurden und ermutigen so den Patienten, über
die Zusammenhänge verschiedener Themen nachzudenken [42].
3.6.5 Change-Talk hervorrufen
Das Hervorrufen von Change-Talk ist eine Schlüsselfertigkeit im MI,
weil Aussagen des Patienten, die Motivation und Selbstverpflich-
tung zur Veränderung spiegeln, nachfolgendes Verhalten tenden-
ziell voraus sagen. Je häufiger der Patient über Gründe und Zuver-
sicht für eine Veränderung spricht, desto eher wird das Auflösen
der Ambivalenz wahrscheinlich.
Die vier Kategorien des Change-Talk umfassen kognitive, emotio-
nale und behaviorale Dimensionen:
� Erkennen der Nachteile des Status Quo
„Ich könnte meinen Job verlieren wegen der ewigen Fehlzeiten.“
� Erkennen der Vorteile einer Veränderung
„Meiner Frau würde es gefallen, wenn ich am Wochenende wieder
mit ihr spazieren könnte. Sie sagt dauernd, dass ich mich mehr
bewegen soll.“
� Zuversicht bezüglich einer Veränderung
„Ich hoffe in einem Monat kann ich mit dem Bus zur Physiothera-
pie kommen und muss nicht mehr mit dem Taxi gebracht wer-
den.“
� Veränderungsabsicht
„Ab morgen hole ich mir die Zeitung selbst aus dem Briefkasten.“
[42]
32
Um Change-Talk hervorzurufen, kann der Therapeut im MI acht
Methoden anwenden: offene Fragen stellen, Gebrauch der Dring-
lichkeitsskala, Explorieren der Entscheidungswaage, Themen ent-
wickeln, Extreme erwägen, zurückblicken, in die Zukunft blicken,
Ziele und Werte erkunden.
Besonders eignen sich unterschiedliche Formen offener Fragen. Sie
unterstützen die Entwicklung von Diskrepanzen. Um die Argumente
der Ambivalenz klar zu strukturieren und festzuhalten, ist es hilf-
reich eine Entscheidungswaage für jede der Optionen zu erstellen
(siehe 3.3.1 „Ambivalenzmodell“). Zusammenfassende Reflexionen
zum Abschluss des Gesprächs beinhalten die wesentlichen Aspekte
beider Seiten des Konfliktes.
Wenn es gelungen ist Change-Talk hervorzurufen, ist es wichtig,
dass der Patient damit fortfährt. Wie der Therapeut auf Change-
Talk reagiert, hängt davon ab, ob der Patient sich seinem Verände-
rungsziel weiter nähert oder entfernt. Es gibt vier Methoden um auf
Change-Talk zu antworten: Change-Talk entwickeln, Change-Talk
reflektieren, Change-Talk zusammenfassen, Change-Talk bestäti-
gen.
Während Change-Talk auf eine Bewegung in Richtung einer Verän-
derung hindeutet, spiegelt sprachlicher Widerstand ein Entfernen
von der gewünschten Veränderung wider. Dieser ist offensichtlich,
wenn der Patient die Vorteile des Status Quo sowie die Nachteile
der Veränderung betont, oder Pessimismus und geringe Absicht zur
Veränderung ausdrückt.
In diesem Sinne stellen Change-Talk und Widerstandsprache die
zwei Seiten der Ambivalenz dar. Der Patient signalisiert durch Wi-
derstandsverhalten seinen Unwillen oder seine Überforderung, dem
Therapeuten in einer Situation zu folgen. Dann kann es erforderlich
sein, den Grund für das Widerstandsverhalten zu erforschen und
33
die Schwierigkeiten zu besprechen. Der adäquate Umgang mit Wi-
derstandsreaktionen und Change-Talk ist in der Praxis entschei-
dend für den Behandlungserfolg. Wie gut es gelingt selbstmotivie-
rende Aussagen beim Patienten hervorzurufen, hängt ab von der
Kunstfertigkeit des Therapeuten und der Ausgangslage des Patien-
ten.
Miller und Rollnick unterscheiden zwei Arten von selbstmotivieren-
der Sprache:
� Change-Talk bezieht sich auf Aussagen bezüglich der Verände-
rungsabsicht.
� Confidence-Talk bezeichnet optimistische Äußerungen des Patien-
ten hinsichtlich seiner Veränderungszuversicht und -bereitschaft.
Das Hervorrufen von Confidence-Talk dient somit dazu seine
Selbstwirksamkeitserwartungen zu steigern. Um diese einzuschät-
zen, kann der Therapeut zum Beispiel die Zuversichtsskala einset-
zen. Oft hilft es die Zuversicht zu steigern, wenn der Therapeut den
Patienten nach früheren Erfolgen in seinem Leben, seinen persönli-
chen Stärken oder nach möglicher Unterstützung durch Personen in
seinem sozialen Umfeld fragt.
MI unterscheidet acht Methoden zum Hervorrufen von Confidence-
Talk: hervorrufende Fragen stellen, Zuversichtsskala, frühere Erfol-
ge besprechen, persönliche Stärken und soziale Unterstützung,
Brainstorming, Informationen und Ratschläge, umformulieren,
hypothetische Veränderungen [42]. Weitere inhaltliche Ausführun-
gen zur Anwendung der Methoden des MI werden im Abschnitt
3.7.1 „Phase 1 - Motivation und Zuversicht aufbauen“ beschrieben.
34
3.7 MI in der Praxis für Physiotherapie
Physiotherapeuten sind Spezialisten für Bewegung, körperliche
Funktionsstörungen und Schmerz. Das MI-Konzept wurde von Psy-
chologen entwickelt, die jedoch selbst betonen, dass es sich nicht
zur Behandlung gravierender psychischer Störungen eignet. Liegen
bei einem Patienten mit chronischen Rückenschmerzen explizit be-
handlungsbedürftige gravierende psychische Störungen vor, so be-
darf dies psychotherapeutischer Behandlung. Eine enge Kooperati-
on zwischen Psychotherapeut/Psychologe und Physiotherapeut ist
empfehlenswert.
Um in der Physiotherapie gezielte Interventionen und planbare Be-
handlungsprozesse ermöglichen zu können, wird die Vorgehenswei-
se individuell bestimmt von den dominierenden Schmerzmecha-
nismen, dem klinischen Muster und dem psychosozialen Profil des
Patienten. Das setzt eine umfangreiche biomedizinische und sys-
temische Anamnese, sowie eine angepasste Funktionsuntersuchung
voraus. Dieser diagnostische Prozess der Hypothesenbildung und -
bestätigung erfolgt in mehreren Schritten.
Die Ursachen für chronische Rückenschmerzen können vielfältig
sein. Eine umfassende Übersicht zu Diagnose und Klassifikation
chronischer Rückenschmerzen liefert die Arbeit von Peter
O`Sullivan. Er klassifiziert drei klinische Subgruppen:
� Gruppe 1
Schmerzen entstehen als Folge von pathologischen peripheren
Prozessen, die zu sekundären adaptiven Bewegungsstörungen
führen. Diese Gruppe umfasst Patienten mit spezifischen patho-
anatomischen Störungen, die kontinuierlich nozizeptives Input
generieren. Die Therapie zielt primär auf eine Wiederherstellung
der gestörten biomechanischen Funktionen ab.
35
� Gruppe 2
Zentrale Sensibilisierungsprozesse des Nervensystems unter Ein-
fluss von psychologischen und sozialen Faktoren sind dominant
für die Schmerzen verantwortlich. Typischerweise liegen Schmer-
zen und Bewegungsstörung keine organischen Ursachen zu
Grunde. Mechanische Reize führen zu widersprüchlichen Reaktio-
nen. Schmerzerleben, Bewegungsverhalten und emotionale Reak-
tionen sind nicht proportional zum auslösenden Reiz. In der Be-
handlung spielen psychologische Aspekte und Behandlungsansät-
ze eine entscheidende Rolle.
� Gruppe 3a
Eine schmerzhafte maladaptive Bewegungsstörung entsteht
durch Angstvermeidungsverhalten. Charakteristisch sind verhal-
tene Bewegungen (mono- oder multidirektional), ungünstige
muskuläre Kokontraktionen und Muskelverspannungen. Eine
übertriebene muskuläre Stabilisation soll eine Schmerzauslösung
vermeiden helfen. Patienten dieser Gruppe nehmen meist irrtüm-
licherweise an, dass Schmerz mit Schaden gleich zu setzen ist.
Weitere periphere und zentrale neurale Sensibilisierungsprozesse
können folgen. Eine Normalisierung der Bewegungsmuster führt
zu einer Lösung oder besseren Kontrolle des Problems.
� Gruppe 3b
Schmerzen entstehen durch maladaptive Beeinträchtigungen der
motorischen Kontrolle/Stabilität. Oft ist nur eine Bewegungsrich-
tung betroffen, aber auch multidirektionale Muster sind möglich.
Die Patienten meiden berechtigterweise die Schmerz auslösenden
Bewegungen und setzen Bewegung mit Schaden gleich. Auch in
dieser Gruppe können weitere periphere und zentrale neurale
Sensibilisierungsprozesse die Folge sein. Eine Normalisierung der
Bewegungskontrolle ist das Ziel der Behandlung [49].
36
Turk und Rudy berichten, dass die psychosozialen Profile chroni-
scher Schmerzpatienten sich stark voneinander unterscheiden. Sie
identifizierten drei Subgruppen, die in mehreren Studien bestätigt
wurden:
� Dysfunktionale Gruppe
starke Schmerzen, eingeschränkte Alltagsaktivitäten, Verlust an
Lebensfreude, Kontrollverlust, hohes emotionales Stresslevel
� Interpersonal gestresste Gruppe
hohes Schmerzniveau, affektiver Stress, geringe Unterstützung
des sozialen Umfelds
� Gruppe der adaptiven Bewältiger
hinsichtlich der Dauer ihrer Schmerzen relativ gute Bewältigungs-
strategien, geringes Schmerzerleben, wenig funktionelle Ein-
schränkungen, geringer emotionaler Stress [63].
Zusman empfiehlt zur physiotherapeutischen Behandlung von Pati-
enten mit chronischen Rückenschmerzen und maladaptiver zentra-
ler Sensibilisierung, unter Berücksichtigung des individuellen Be-
fundes, besonders folgende Therapieansätze, wie sie bei O´Sullivan
beschrieben werden:
� Entspannungs- und Atemtraining,
� Erlernen selektiver Beckenbewegungen,
� Schulung neuer Bewegungsmuster,
� Optimierung der aktiven Haltungskontrolle und Ergonomie,
� selektive Mobilisationsübungen,
� propriozeptives Training,
� selektive muskuläre Stabilisation,
� passive Behandlungen mit inhibitorischem Effekt.
Zusätzlich rät er Physiotherapeuten, Strategien der kognitiven Ver-
haltenstherapie, wie sichereres graduiertes Aussetzen und stufen-
weise erfolgender Aktivitätssteigerung (Pacing) anzuwenden.
37
Ein Behandlungsziel besteht in der kontinuierlichen kortikalen Re-
organisation, das Schmergedächtnis soll umgeschrieben werden
[70]. Zusman begründet, dass es notwendig ist, chronische
Schmerzpatienten vor Beginn der physischen Behandlung mental
vorzubereiten. Dies gilt besonders bei sehr ängstlichen Patienten,
um den Teufelskreis von exzessiver Hypersensibilisierung und
Überprotektion zu durchbrechen. Diese Vorbereitung beinhaltet:
� die Exploration der Schmerzerfahrung des Patienten,
� die Exploration missbräuchlicher maladaptiver Vorstellungen,
� eine Erklärung über Bedeutung und Ursachen des Schmerzes,
� eine Versicherung, dass aktive Bewegungen im Rahmen der Un-
tersuchung und Behandlung absolut gefahrlos und unbedenklich
sind,
� die Darlegung einer positiven Prognose [70].
3.7.1 Phase 1 - Motivation und Zuversicht aufbauen
In der Phase 1 des MI ist der Patient noch ambivalent hinsichtlich
einer Verhaltensänderung. Der Therapeut ergründet, zu welcher
klinischen Gruppe von Rückenschmerzen der Patient gehört, wel-
ches psychosoziale Profil er besitzt und unterstützt ihn, gezielt Mo-
tivation und Zuversicht zu entwickeln. Die Phase 1 kann langwierig
sein, da die Veränderung automatisierter Verhaltensweisen und
Einstellungen komplexer Natur ist.
In diesem Abschnitt werden die Methoden des MI vorgestellt:
� Change-Talk hervorrufen
� Umgang mit Widerstand
� Change-Talk beantworten,
� Hervorrufen von Confidence-Talk
Der erste Kontakt zwischen Therapeut und Patient kann entschei-
dend sein für die Atmosphäre und den Verlauf der Therapie [42].
Es obliegt der Verantwortung des Therapeuten einen einladenden
38
und freundlichen Rahmen für die Behandlung zu schaffen. Um
rasch einen guten Kontakt zum Patienten herzustellen, sollte der
Therapeut sich bewusst sein, dass die Kommunikation mit dem Pa-
tienten sowohl auf der verbalen, als auch auf der nonverbalen Ebe-
ne stattfindet. Wenn der Therapeut freundlichen Augenkontakt her-
stellt, mit dem Kopf zustimmend nickt, und sich dem Patienten
körperlich-räumlich respektvoll zuwendet, signalisiert dies dem Pa-
tienten seine Offenheit und sein Interesse. Diese einfachen nonver-
balen Botschaften erleichtern es dem Patienten sich zu öffnen und
sie hinterlassen in der Wahrnehmung des Patienten einen intensi-
veren Eindruck als die verbalen Aussagen [57]. Die Bedeutung ver-
baler und non-verbaler Kommunikationstrategien für die Herstel-
lung von Rapport und wie sie gezielt in der Physiotherapie einge-
setzt werden können, beschreiben ausführlich Uwe Harste und An-
ke Handrock, sowie Heike Hoos-Leistner und Michael Balk [20, 26].
Zu Beginn der Behandlung ist es sinnvoll, eine kurze und einfache
Erklärung über Struktur und Ablauf der ersten Intervention und des
weiteren Therapieprozesses zu geben.
Die Erklärung sollte beinhalten:
� den zur Verfügung stehenden Zeitrahmen,
� Erklärung der Rolle und Ziele des Therapeuten,
� Beschreibung der Rolle des Patienten,
� eine Erklärung über den geplanten Ablauf der Untersuchung,
� eine offene Frage [42]
(„Was führt Sie zu mir?“, „Was ist ihr Hauptanliegen?“).
Die grundlegenden Strategien der patientenzentrierten Gesprächs-
führung werden während des gesamten Untersuchungs- und Be-
handlungsverlaufes angewendet. In der biomedizinischen Anamne-
se kann es jedoch erforderlich sein auch geschlossene Fragen ein-
fließen zu lassen. Der Therapeut benötigt die Einsicht und die Zu-
39
stimmung des Patienten, um die erforderlichen diagnostischen und
therapeutischen Schritte einzuleiten. Offene Fragen, aktives Zuhö-
ren und gelegentliche Zusammenfassungen eignen sich:
� um das Schmerzerleben,
� das Ausmaß der Beeinträchtigung,
� die Vorannahmen bezüglich Ursachen und Bedeutung der
Schmerzen,
� die derzeitigen Bewältigungsstrategien des Patienten,
� seine Vorstellungen und Erwartungen hinsichtlich der Behandlung
genau zu erfassen.
Auf diese Weise erhält der Therapeut ein erstes Bild hinsichtlich der
aktuellen Situation und Veränderungsbereitschaft des Patienten,
sowie die notwendigen Informationen zur Planung der Funktionsun-
tersuchung und kann das Gespräch auf änderungsrelevante Inhalte
lenken.
Vor der Vermittlung von Fachinformationen, wie zum Beispiel über
Schmerzmechanismen, sollte das Einverständnis des Patienten ein-
geholt werden. Die Informationen werden auf eine neutrale Weise
vermittelt. Wichtig ist auch im Anschluss den Patienten zu fragen,
wie er persönlich über das Gehörte denkt und welche Rückschlüsse
er daraus zieht. Therapeut: „Würden Sie gerne erfahren,
was...?...Wissenschaftliche Untersuchungen der Schmerzforschung
haben nachgewiesen, dass.... Können Ihnen selbst diese Informati-
onen weiterhelfen?...“ Wenn der Patient die Erklärung annimmt
und seine Schlussfolgerungen ausdrückt, ist das Change-Talk. Pati-
ent: „Dann habe ich so was wie ein Schmerzgedächtnis entwickelt
und das liegt gar nicht nur an der Bandscheibe. Ich kann mich also
bewegen, ohne dass da was weiter kaputt geht.“ Da der Patient
Change-Talk entwickelt hat, ist es wichtig, dass das Thema weiter
ausgebaut wird. Der Therapeut führt seine Erläuterungen zum op-
40
timierten Umgang mit den Schmerzen weiter aus. Im Anschluss
ermutigt er den Patient weiter mit Change-Talk fortzufahren. The-
rapeut: „Welche Gründe fallen Ihnen sonst noch ein, die für mehr
Bewegung sprechen?“ Es ist aber auch möglich, dass der Patient
die Erklärung nicht akzeptiert und Widerstandsverhalten entwickelt.
Patient: „Diese Forschungsergebnisse beweisen gar nichts.“ Dann
bietet es sich an, zum Umlenken des Widerstandes verstärkte Re-
flexionen und einen anderen Erklärungsansatz zu wählen. Hilfreich
ist oft der Hinweis auf die Erfolge anderer Patienten oder die Ausei-
nandersetzung mit dem Thema auf einen anderen Zeitpunkt zu
verschieben. Therapeut: „Es erscheint Ihnen unwahrscheinlich,
dass ihre Schmerzen etwas mit dem Nervensystem zu tun haben.
Sie denken es liegt nur an der Bandscheibe. ...Ich kann verstehen,
dass Sie das so sehen, schließlich haben Sie in der Vergangenheit
von vielen Seiten diese Diagnose bestätigt bekommen. ...Vielleicht
interessiert es Sie, wie andere Patienten in ähnlicher Situation...?
...Ich biete Ihnen an, ein aktuelles Selbsthilfebuch über das Ver-
ständnis von chronischen Schmerzen zum Lesen mit nach Hause zu
nehmen. ...“
Die Exploration der Ziele und Werte des Patienten hilft seine Priori-
täten zu erkunden und Diskrepanzen zu seinem derzeitigen Verhal-
ten aufzuspüren. Therapeut: „Was ist Ihnen im Leben am wichtigs-
ten?...Wenn ich Sie richtig verstanden habe ist es Ihre Familie. Zu-
dem sagen Sie, dass Sie keine gemeinsamen Ausflüge mehr unter-
nehmen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie das in einen Zwiespalt
bringt...“
Um die Bedeutung oder Wichtigkeit einer Verhaltensänderung zu
untersuchen, bietet sich der Einsatz der Dringlichkeitsskala an.
Therapeut: „Auf einer Skala von 0 (nicht wichtig) bis 10 (sehr wich-
tig): Wie wichtig ist ihnen die Wiederaufnahme der Arbeit?“
41
Die anschließende Frage erlaubt dem Patienten auszudrücken, wel-
che Form der Unterstützung er sich wünscht. Therapeut: Was wäre
nötig um Sie von...auf...zu bringen?“
Die Entscheidungswaage dient der Exploration der Vor- und
Nachteile einer Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Verhaltens
sowie einer möglichen Veränderung. Dies kann Veränderungsim-
pulse stärken. Zunächst werden die Nachteile diskutiert, um dann
über die Formulierung der Vorteile einer Veränderung neue Mög-
lichkeiten aufzuzeigen. Vorteile des Status Quo: „Inwiefern profitie-
ren Sie davon, den Patientenstatus zu haben?“ Nachteile des Sta-
tus Quo: „Was glauben Sie wird geschehen, wenn Sie nichts unter-
nehmen?“ Nachteile einer Veränderung: „Was befürchten Sie könn-
te passieren, wenn Sie etwas an Ihren bisherigen Gewohnheiten
ändern?“ Vorteile einer Veränderung: „Wie würde ihr Leben in 3
Jahren aussehen, wenn Sie weniger starke Rückenschmerzen hät-
ten?“, Was spricht dafür dieses Ziel schon jetzt anzugehen?“ Um
mehr Change-Talk hervorzurufen sind weitere offene Fragen hilf-
reich. Veränderungsabsicht: „Was wären Sie bereit zu unterneh-
men, um Ihre Schmerzen besser kontrollieren zu können?“ An die-
sem Punkt ist es möglich, dass der Patient Widerstand äußert.
Dann eignen sich doppelseitige Reflexionen, denn sie schließen bei-
de Seiten der Ambivalenz ein. Patient: „Ich weiß, dass Walking und
Übungen gut für mich wären, aber Sie verstehen nicht wie schlimm
der Schmerz ist. Es tut die ganze Zeit weh.“ Therapeut: „Sie den-
ken, dass Ihnen auf lange Sicht Übungen helfen könnten die
Schmerzen zu lindern, gleichzeitig leiden Sie im Moment stark un-
ter Ihren Schmerzen und das macht es schwer mit dem Walking
anzufangen.“ Patient: „Bis vor fünf Jahren habe ich jeden Morgen
Gymnastik gemacht. Es wäre bestimmt sinnvoll wieder mit den
Übungen zu beginnen, aber beim letzten Mal konnte ich mich da-
nach eine Woche kaum bewegen vor Schmerzen.“ Auf diese Aussa-
ge kann der Therapeut mit einer selektiven Reflexion reagieren.
42
Therapeut: „Ich freue mich, dass Sie aktiv geworden sind und ver-
sucht haben an Ihr Gymnastikprogramm von vor fünf Jahren anzu-
knüpfen. Ich biete Ihnen an gemeinsam ein wohldosiertes Übungs-
programm zu entwickeln.“
Um die Veränderungsabsicht zu stärken ist es notwendig herauszu-
finden, was aus der Sicht des Patienten persönlich relevant ist.
Zur Einschätzung der Selbstwirksamkeitserwartungen kann die Zu-
versichtsskala verwendet werden. Therapeut: „Wie zuversichtlich
sind Sie Ihren Trainingsplan umsetzen zu können? Auf einer Skala
von 0 bis 10, wobei 0 gar nicht zuversichtlich bedeutet und 10 sehr
zuversichtlich, wo befinden Sie sich da?...Warum sind Sie bei...und
nicht bei 0?“ Dabei ist es wichtig nicht nach 10 zu fragen, sondern
nach 0. In der Begründung kann der Patient seine vorhandenen
Fähigkeiten und Ressourcen zum Ausdruck bringen.
Hervorrufende Fragen eignen sich die Veränderungszuversicht zu
fördern. Therapeut: „Was stimmt Sie zuversichtlich Ihr Ziel, die
Einkäufe zu besorgen, erreichen zu können?“...Was wäre ein erster
Schritt?...“
Eine weitere Methode ist das Umformulieren von Patientenaussa-
gen. Patient: „Ich schaffe es einfach nicht länger als vier Stunden
auf den Beinen zu bleiben, ich habe es ein paar mal probiert.“ The-
rapeut: „Sie schaffen es bereits vier Stunden auf den Beinen zu
bleiben und wünschen sich in Zukunft noch länger durchhalten zu
können.“
Auch Fragen zu persönliche Stärken und sozialer Unterstützung
dienen diesem Zweck. Therapeut: „Über welche Stärken und Ei-
genschaften verfügen Sie, die Ihnen helfen können Ihre Vorstellun-
gen hinsichtlich des Tagesablaufs erfolgreich umzusetzen?...Wer
könnte Ihnen dabei behilflich sein?“
43
Durch positive Bestätigung wird der Patient in seinen Verände-
rungsabsichten gestärkt. Therapeut: „Ich freue mich, dass Sie sich
entschieden haben die Möglichkeiten der Physiotherapie zu nutzen,
um wieder besser auf die Beine zu kommen.“
Im Anhang befinden sich vier Tabellen mit weiteren Beispielen zu
den Methoden des MI.
3.7.2 Phase 2 - Einen Veränderungsplan aushandeln
Äußert sich der Patient vornehmlich veränderungsbereit und hat er
sein Vertrauen in die Möglichkeit einer Veränderung deutlich aus-
gedrückt, können in der Phase 2 des MI die für die jeweilige klini-
sche Gruppe geeigneten Therapieansätze vom Physiotherapeuten
angewandt und ein erfolgreiches Selbstmanagement des Patienten
realisiert werden. Dies beinhaltet realistische Zielvereinbarungen,
die Entwicklung und Umsetzung konkreter Handlungsoptionen, so-
wie die Bestätigung der Selbstverpflichtung des Patienten [42].
Die Phase 2 beginnt damit, dass der Patient vom Therapeuten eine
Zusammenfassung der Ergebnisse aus Phase 1 erhält. Diese bein-
haltet die entscheidenden Argumente, die für eine Veränderung
sprechen (Change-Talk) und bezieht die Überlegungen ein, die ihn
zuversichtlich stimmen diese Veränderung vollziehen zu können
(Confidence-Talk). Der Therapeut lässt sich vom Patienten die
Richtigkeit der Zusammenfassung bestätigen: „Ich habe nun alles
zusammengefasst, was wir bis jetzt erörtert und an Befunden fest-
gestellt haben. Habe ich das alles in Ihrem Sinne wiedergegeben?“
Nun folgt die sogenannte Schlüsselfrage: „Wenn Sie sich die Ein-
schränkungen, die sich aus den Schmerzen ergeben und die Ergeb-
nisse der Untersuchung vor Augen halten, was wäre aus Ihrer Sicht
der nächste Schritt?“, „Welche Maßnahmen und Veränderungen in
44
Ihren Tagesabläufen glauben Sie wären notwendig, um Ihre Situa-
tion zu verbessern?“ Diese Schlüsselfragen verstärken die Ent-
scheidung für eine Veränderung und sie gewährleisten, dass die
Vorstellungen und Möglichkeiten des Patienten berücksichtigt wer-
den.
Die Beantwortung der Schlüsselfragen fördert die Selbstverpflich-
tung des Patienten und führt zur Formulierung realistischerweise
erreichbarer kurz-, mittel- und langfristiger Zielvereinbarungen. Im
Gesprächsverlauf verwendet der Therapeut weiterhin die Strategien
der patientenzentrierten Gesprächsführung: offene Fragen, Reflexi-
onen, Zusammenfassungen und Bestätigungen, da wo sie ange-
bracht sind. Selbsteinschätzungen der Zuversicht, die Ziele errei-
chen zu können, tragen dazu bei, die Aufmerksamkeit auch auf
mögliche Schwierigkeiten bei der Zielerreichung (zum Beispiel eine
kurzfristige verstärkte Schmerzzunahme, wie sie bei verstärkter
körperlicher Aktivität nach längeren Phasen körperlicher Inaktivität
vorkommen kann) zu lenken.
Vor der Entwicklung eines Veränderungsplans erwägen Therapeut
und Patient gemeinsam die Behandlungsoptionen, die zum Errei-
chen der Therapieziele führen sollen. Der Physiotherapeut als
Fachmann informiert den Patienten, basierend auf den Erkenntnis-
sen der klinischen Untersuchungen, über die möglichen Behand-
lungsstrategien. An diesem Punkt weisen Miller und Rollnick auf
den „Es richten wollen Reflex“ hin [42]. Sie beobachten bei vielen
Fachleuten des Gesundheitswesens ein reflexartiges Verhalten dem
Patienten ihr Expertenwissen aufzudrängen, mit dem Wunsch ihm
zu helfen. Dies führt meist zu einer Verletzung der Patientenauto-
nomie, wirkt sich negativ auf die Therapeuten-Patienten-Beziehung
aus, kann Rückschläge oder sogar Behandlungsabbrüche herbei-
führen. In der Erörterung der Behandlungsstrategien gelten die
45
Prinzipien der Informationsweitergabe und Beratung: neutral ver-
mitteln, über Erfolge Anderer sprechen, Zustimmung einholen und
rückversichern.
Am Ende der Phase 2 sollte der Patient einen Verände-
rungs/Therapieplan erhalten, der folgende Charakteristika/Aspekte
beinhaltet:
� der Patient war aktiv an der Entwicklung des Plans beteiligt,
� der Patient ist zuversichtlich, dass er die angestrebten Ziele er-
reichen kann,
� Frequenz und zeitlicher Rahmen der Behandlung sind definiert,
� der Patient weiß, wie er welche Maßnahmen dauerhaft im Alltag
umsetzen kann (z.B. Ergonomie, therapeutisches Training, Struk-
turierung des Tagesablaufes, Steigerung der Gehstrecke, Ent-
spannungstraining),
� der Patient kennt verschiedene Lösungswege,
� der Patient weiß, auf wessen Unterstützung er in seinem sozialen
Umfeldes zugreifen kann,
� der Patient hat realistische Erwartungen hinsichtlich der Ergeb-
nisse der Maßnahmen und das Erreichen der spezifischen ange-
strebten Ziele ist für den Patienten erfahrbar und messbar,
� der Patient hat seine größten Hürden auf dem Weg das Ziel zu
erreichen ausgedrückt.
Zur Stärkung der Verbindlichkeit des Veränderungsplans empfehlen
Miller und Rollnick sich die Zustimmung und Unterschrift des Pati-
enten zu dem erarbeiteten Plan einzuholen. Sollte es Probleme im
Behandlungsprozess geben, so kann es nötig sein in vorausgegan-
gene Therapiephasen zurück zu kehren, oder die Behandlung um-
zustrukturieren.
46
3.8 Motivational Interviewing lernen
Das MINT-Netzwerk (Motivational Interviewing Network of Trai-
ners) ist eine internationale Vereinigung zertifizierter MI-Trainer,
die sich die Qualitätssicherung der Lehre, die Weiterentwicklung
und Verbreitung von MI zum Ziel setzt. Auf der Website
www.motivational-interview.de stellt die GK Quest Akademie ihr
Ausbildungsangebot zu MI in Deutschland vor. Die Seminarkonzep-
te zu MI werden nach eigenen Angaben laufend evaluiert und auf
unterschiedliche Arbeitsgebiete angepasst. Die MI-Ausbildung um-
fasst sieben Seminartage in drei Abschnitten. Nach Abschluss der
Ausbildung können Aufbaukurse, die die Anwendung von MI auf ein
konkretes Arbeitsfeld thematisieren, besucht werden und/oder MI-
Supervisionen genutzt werden. Einzelne Abschnitte der MI-
Ausbildung können auch einzeln gebucht werden. Spezielle Semi-
nare für Physiotherapeuten werden bisher nicht angeboten [18].
Motivational Interviewing zu lernen ist laut Miller und Moyers ein
komplexer Prozess, der Zeit benötigt. Basierend auf wissenschaftli-
chen Forschungen und ihren eigenen Erfahrung in der Entwicklung
und Umsetzung von MI-Trainingsprogrammen für Fachleute des
Gesundheitswesens beschreiben sie acht Trainingsstufen, die voll-
ständig zu durchlaufen notwendig sind, um die komplexen Metho-
den des MI kompetent anwenden zu können.
Phase 1 des MI:
� Stufe 1: Der Therapeut beginnt die dem MI zugrunde liegende
Philosophie und Grundhaltung zu verstehen und sie in der Inter-
aktion mit dem Patienten praktisch umzusetzen. Er fängt an MI
mit anderen therapeutischen Konzepten zu kombinieren.
� Stufe 2: Die Grundtechniken der patientenzentrierten Gesprächs-
führung werden erlernt, dazu zählen offene Fragen, Bestätigen,
Reflektieren und Zusammenfassen.
47
� Stufe 3: Change-Talk erkennt der Therapeut zunehmend. Er kann
es gezielt hervorlocken und verstärken.
� Stufe 4: Der Therapeut wird sicherer im Nachfragen, Reflektieren
und Betonen von Change-Talk, wenn er bemerkt, dass der Pati-
ent droht im Prozess stecken zu bleiben. Sein Umgang mit Wider-
standsverhalten wird souveräner.
� Stufe 5: Der Therapeut akzeptiert zunehmend mehr, dass Wider-
standsverhalten eine natürliche Reaktion des Patienten im Verän-
derungsprozess darstellt. Er erkennt, dass richtig umgelenkter
Widerstand wertvoll für die Entwicklung einer Verhaltensände-
rung sein kann.
Phase 2 des MI:
� Stufe 6: Die Fähigkeit des Therapeuten einen konkreten Hand-
lungsplan mit dem Patienten zu entwickeln beginnt sich auszubil-
den.
� Stufe 7: Der Therapeut ist in der Lage, dem Patienten ausrei-
chend zu helfen, dem Veränderungsplan zu zustimmen. Der The-
rapeut erkennt die entstehenden Synergieeffekte, wenn er MI mit
anderen Behandlungsformen kombiniert.
� Stufe 8: Der Therapeut kann MI sicher mit anderen Therapiefor-
men verbinden. Er erkennt, wer von MI profitieren könnte und für
welche Patienten andere Therapieansätze sinnvoller wären.
Miller und Moyers betonen, dass dieses Modell für das Erlernen von
MI eine logische und sinnvolle Struktur darstellt, die weiterer empi-
rischer Untersuchungen bedarf, damit ihre Relevanz für die Trai-
ningsprogramme und Implementierung des MI in der klinischen
Praxis beurteilt werden können [44].
Madson et al. untersuchten in einer systematischen Review 27 Stu-
dien zu MI-Trainingsprogrammen die zwischen 1999 und 2007 ver-
öffentlicht wurden. Die Programme richteten sich an Allgemeinme-
48
diziner, Medizinstudenten, Pflegepersonal, Sozialarbeiter und Psy-
chologen. Die Länge der Programme variierte: 7 Studien umfassten
weniger als 8 Stunden Training, 16 Studien zwischen 9 und 16
Stunden und nur 1 Studie untersuchte ein Programm mit mehr als
24 Stunden. Die längeren Programme waren intensiver und bein-
halteten mehr Variationen in den Trainingsmethoden. Diese um-
fassten: didaktischen Unterricht, Partner- und Gruppenarbeit, den
Einsatz simulierter Patienten, Videoaufzeichnungen, Feedbackge-
spräche, Supervision und Coaching. Insgesamt führten die Trai-
ningsprogramme sowohl nach Aussagen der Teilnehmer (TN), als
auch nach der Auswertung standardisierter Evaluierungs-
Fragebögen von Patienten und Therapeuten zu positiven Ergebnis-
sen. Nur in 2 Studien konnte kein nennenswerter Profit für die TN
konstatiert werden. Madson et al. stellten in ihrer Review fest, dass
fast alle Trainingsprogramme ihren Schwerpunkt auf die einführen-
de Vorstellung des Konzeptes MI legten. Alle Studien bezogen sich
auf die Phase 1 des MI, kein Programm trainierte nachweislich Fer-
tigkeiten, die speziell in Phase 2 notwendig sind. Sie plädieren für
möglichst homogene Gruppen von TN und favorisieren ein spezifi-
sches Training für gleiche oder ähnliche Berufsgruppen und
Einsatzbereiche. Die Autoren weisen auf die Beobachtung hin, dass
wenn das Berufsumfeld der TN eine Anwendung von MI nicht un-
terstützt, ein nachhaltiger Transfer von Kursinhalten in die Praxis
erschwert bis unmöglich wird, im Sinne von „use it or lose it“. Re-
gelmäßige kollegiale Beratung und Supervision am Arbeitsplatz
sollte den Unterrichtskursen folgen. Dies scheint erforderlich zu
sein, um MI effektiv in die Praxis umzusetzen [36].
49
4. Diskussion und Schlussfolgerungen
Aus den erfolgten Recherchen ergeben sich einige diskussionswür-
dige Aspekte. Diese werden einzeln zusammengefasst und an-
schließend direkt Schlussfolgerungen daraus abgeleitet.
a) Diskussion: Die derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Er-
kenntnisse bestätigen, dass Physiotherapeuten in der Behandlung
von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen biopsychosoziale
Krankheitsmodelle anwenden sollten, die auf einer partnerschaftli-
chen und patientenzentrierten Methode aufbauen. Eine biopsycho-
soziale Perspektive scheint sogar notwendig zu sein, um Evidenz-
basierte Medizin im Sinne von Sackett zu praktizieren. Sackett et
al. [59] definieren Evidenz-basierte Medizin als eine Verknüpfung
der bestmöglichen wissenschaftlichen Beweislage mit den klini-
schen Erfahrungen des Therapeuten unter Berücksichtigung der
einzigartigen Vorlieben, Sorgen und Vorannahmen, die Patienten zu
einer Behandlungssitzung mitbringen. Gemäß der Lernpsychologie
ist die Motivation des Patienten entscheidend für Lernbereitschaft
und -erfolge.
Schlussfolgerungen: MI ist aus dieser Sicht und nach den Er-
kenntnissen dieser Literaturstudie, ein geeignetes Rahmenkonzept
für die physiotherapeutische Behandlung von Patienten mit chroni-
schen Rückenschmerzen, welches es optimal ermöglicht, Partner-
schaftlichkeit und Evidenz-basierte Praxis miteinander zu verbin-
den. Das Konzept des MI scheint auch auf andere Indikationen
übertragbar zu sein, da die Grundlagen und Methoden nicht auf ei-
ne bestimmte Personengruppe zugeschnitten sind. Die nicht-
direktiven Strategien der patientenzentrierten Gesprächsführung
alleine sind nicht ausreichend, um dem Behandlungsauftrag der
Physiotherapeuten zu genügen, sondern es sind auch direktive Me-
thoden erforderlich, damit die Eigenverantwortlichkeit und Selbst-
verpflichtung der Patienten gestärkt werden kann.
50
b) Diskussion: Die Forderung der WHO, die Perspektiven, Bedürf-
nisse und Rechte der Patienten vermehrt in den Mittelpunkt der
Physiotherapie zu stellen, trug mit zu einer Veränderung des Be-
rufsbildes bei. Wesen und Umfang der Physiotherapie wurden 2003
im Benchmark-Statement der europäischen Region des World Con-
federation for Physikal Therapy (WCPT) [68] neu formuliert. Die
Autoren bezeichnen die Entwicklung empathischer, kommunikativer
und sozialer Kompetenzen auf Seiten der Physiotherapieschüler als
eines der Schlüsselziele der primären Ausbildung. Die Ausbildung
der Physiotherapeuten sollte nach einem biopsychosozialen Para-
digma erfolgen. Die WCPT verortet die physiotherapeutische Aus-
bildung auf der Ebene des tertiären Bildungssektors.
In Deutschland gilt die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Phy-
siotherapeuten [10] (PhysTh-APrV) von 1994. Sie beinhaltet theo-
retischen und praktischen Unterricht an Berufsfachschulen von
2900 Stunden und eine praktische Ausbildung von 1600 Stunden.
Für Unterricht in Psychologie, Pädagogik und Soziologie werden zu-
sammen 60 Stunden veranschlagt. Zwar existieren neue Ausbil-
dungsrichtlinien für Physiotherapieschulen der Ministerien für Ar-
beit, Gesundheit und Soziales der Bundesländer [46], die in Anleh-
nung an das Benchmark-Statement des WCPT entwickelt wurden.
Sie empfehlen die notwendigen kommunikativen und sozialen
Schlüsselqualifikationen fächerübergreifend zu vermitteln. Aber in-
wieweit dies umgesetzt und geprüft wird ist praktisch schwer zu
ermitteln.
Schlussfolgerungen: Die derzeitige Form der Grundausbildung
scheint nicht ausreichend zu sein, um Physiotherapieschüler für
psychosoziale Aspekte zu sensibilisieren und sie adäquat auf die
Arbeit mit chronischen Schmerzpatienten vorzubereiten.
Eine Einführung des Faches Gesprächsführung analog zur Medizi-
ner- und Pädagogenausbildung erscheint erforderlich.
51
c) Diskussion: In der Ausbildung vieler älterer Kollegen dominier-
ten noch biomedizinische Paradigmen. Psychosoziale Kenntnisse
fehlen häufig.
Schlussfolgerungen: Auch sie benötigen eine entsprechende be-
rufsbegleitende Weiterbildung in Gesprächsführung.
d) Diskussion: MI lernen erfordert einerseits Grundkenntnisse in
Gesprächsführung und andererseits Praxiserfahrung als Physiothe-
rapeut, um einschätzen zu können, wann diese Methode sinnvoll in
der Behandlung eines Patienten indiziert ist.
Schlussfolgerungen: MI sollte in zusätzlichen berufsbegleitenden
Fortbildungen erlernt werden, die auf eine Spezialisierung von Phy-
siotherapeuten für das Management von Patienten mit chronischen
Schmerzen abzielen.
e) Diskussion: Weiterhin sollten Physiotherapeuten nach dem
WCPT dazu ausgebildet werden als First Contact Practitioner (Di-
rektzugang) ohne Überweisung eines Arztes autonom die Behand-
lung von Patienten durchzuführen. Nach dem gültigen Berufsgesetz
[9] obliegt jedoch in Deutschland dem Mediziner die Verantwortung
zur Feststellung der Indikation von Physiotherapie.
Schlussfolgerungen: Damit Physiotherapeuten in Deutschland MI
praktizieren können, ist eine partnerschaftliche Haltung sowohl des
Therapeuten, als auch des überweisenden Arztes erforderlich.
Ärzte und Physiotherapeuten sind Fachleute in ihrem jeweiligen
Gebiet und sollten entsprechend kooperieren. Die Möglichkeiten mit
MI zu arbeiten werden eingeschränkt, wenn der Arzt dem Physio-
therapeuten dazu keinen expliziten Auftrag erteilt und ihm die Be-
handlungsmethoden und -ziele vorschreibt.
f) Diskussion: Im Heilmittelkatalog der Krankenkassen sind keine
Abrechnungspositionen für physiotherapeutische Behandlungen bei
chronischen Schmerzpatienten, die einem biopsychosozialen Ansatz
folgen, enthalten. Die angegebene Behandlungsdauer für eine Ein-
heit Physiotherapie beträgt 20 Minuten, die Vergütung ca. 15,- €.
52
Schlussfolgerungen: In den Heilmittelkatalog sollten entspre-
chende Abrechnungspositionen für Anamnese, Diagnose, Hand-
lungsplanung und Therapiedurchführung für chronische Schmerz-
patienten aufgenommen werden. Für den Erstkontakt sollten in der
Praxis 60 Minuten veranschlagt werden, wie dies auch in vielen
multimodalen Schmerzzentren vorgesehen ist.
Die finanzielle Honorierung spezieller physiotherapeutischer Leis-
tungen muss verbessert werden, um Physiotherapeuten zu fachli-
chen Weiterbildungen zu motivieren.
g) Diskussion: Eine kontinuierliche Weiterbildung in MI und
Schmerzmanagement ist wünschenswert. Supervisionen während
der MI-Ausbildung sind obligatorisch und im weiteren Berufsalltag
sinnvoll. Es gibt jedoch keine Refinanzierungen in freien Praxen.
Schlussfolgerungen: Regelmäßige Supervision und Weiterbildung
sollte von den Kostenträgern gefördert werden.
h) Diskussion: Stationäre multimodale Therapie verfügt bei Pati-
enten mit chronischen Rückenschmerzen nach Aussage der europä-
ischen Leitlinien [22] über die beste Evidenz von allen Behand-
lungsoptionen. Effektivität und ein Konzept multimodaler Therapie
stellen Pfingsten und Hildebrandt [50] in ihrem Artikel vor. Derzeit
stehen multimodale Therapieplätze nicht in ausreichender Anzahl
zur Verfügung.
Schlussfolgerungen: Eine bessere Weiterbildung in MI von Phy-
siotherapeuten bei entsprechender Vergütung der abgegebenen
Leistungen seitens der Krankenkassen würde die Behandlungskos-
ten kurzfristig erhöhen, doch könnte dies langfristig rentabel sein,
wenn es gelänge die höheren Folgekosten einer Schmerzchronifi-
zierung zu reduzieren. Auch für Patienten, die nach einer multimo-
dalen Therapie wieder in den Alltag entlassen werden, wäre es hilf-
reich, wenn Physiotherapeuten vor Ort besser in MI und Schmerz-
management ausgebildet wären, da sie dann den Patienten effekti-
ver helfen könnten, ein klares Handlungskonzept in den Alltag zu
53
übertragen. Klinikaufenthalte wären eventuell rückläufig, durch ei-
ne bessere wohnortnahe ambulante physiotherapeutische Versor-
gung.
Resümee: Motivational Interviewing erscheint als ein geeignetes
ergänzendes Konzept in der physiotherapeutischen Behandlung von
Patienten mit chronischen Rückenschmerzen. Es kann zur Steige-
rung der Qualität und Effektivität der Arbeit von Physiotherapeuten
beitragen. Voraussetzung ist die Teilnahme an einer entsprechen-
den Weiterbildung, durch die der Physiotherapeut in einem MI-
Trainingsprogramm in acht Stufen angeleitet wird, die komplexe
Methode kompetent anzuwenden. Das humanistische Menschenbild
und die Einhaltung ethischer Werte stellen die Grundlage verant-
wortungsvollen Handelns in der Physiotherapie dar. Dies ersetzt in
der Therapie von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen je-
doch weder das physiotherapeutische Spezialwissen, noch ein ho-
hes manuelles Geschick bei der Untersuchung und Behandlung. Um
MI zu praktizieren, ist weiterhin die Entwicklung der personalen
Kompetenz des Physiotherapeuten erforderlich, also seiner Fähig-
keit zur Selbststeuerung, Eigenverantwortlichkeit und zum Erken-
nen eigener Stärken und Grenzen. Auch methodische Kompetenz
ist notwendig. Diese beinhaltet die Fähigkeit zur Therapieplanung
und -steuerung, als auch die Analyse- und Reflexionsfähigkeit des
Behandlungsprozesses.
54
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6. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen
Abb. 1 Clinical Reasoning-Prozess (aus [67]) 6
Abb. 2 Einfluss der Patientenmotivation (aus [25]) 7
Abb. 3 TTM-Stadien der Verhaltensänderung (aus [67]) 15
Abb. 4 Entscheidungswaage (aus [35]) 19
Abb. 5 Mediatoren des Veränderungsprozesses (aus [56]) 20
Tab. 1 Spirit des MI versus traditionelle Ansätze (nach [42]) 21
Tab. 2 Acht Methoden um Change-Talk hervorzurufen
(nach [42]) 59
Tab. 3 Acht Methoden zum Umgang mit Widerstand
(nach [42]) 60
Tab. 4 Vier Methoden um auf Change-Talk zu antworten
(nach [42]) 61
Tab. 5 Acht Methoden zum Hervorrufen von Confidence-Talk
(nach [42]) 62