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OBER­RAMSTADT

OBER­RAMSTADT.

Am 27. Januar, dem internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, stand bei einerVeranstaltung von Stadt, Schule und Kirchen der Ehrenbürger Julius Bendorf im Mittelpunkt.

Persönlich anwesend sein konnte er nicht, dennoch war Julius Bendorf, der gerade 100 Jahre altgeworden ist, allgegenwärtig am Dienstagabend im Prälat­Diehl­Haus in Ober­Ramstadt. Unter dem Titel „Hinsehenstatt wegsehen – erinnern, handeln, begegnen" stellten Schüler der Georg­Christoph­Lichtenberg­Schule (GCLS) inihren Beiträgen den jüdischen Ehrenbürger der Stadt Ober­Ramstadt in den Mittelpunkt des Auschwitz­Gedenktages.Zuvor hatte Bürgermeister Werner Schuchmann vor den rund 150 Gästen zunächst das hohe Gut der Menschenrechtehervorgehoben und „Julius Bendorfs Botschaft an uns heute“ formuliert: Der Gedenktag mache nur wirklich Sinn, wennman der Opfer gedenkt und gleichzeitig für ein „Nie wieder“ eintrete. Dies sei gerade jetzt in Europa gefährdet wielange nicht, so Schuchmann. Er lobte die Willkommenskultur in Ober­Ramstadt, wo 86 Nationalitäten zusammenleben.Der Bürgermeister dankte vor allem den Schülern der GCLS, die „auf besondere Art und Weise für ein Bewahren derErinnerungskultur eintreten und der Gedenkveranstaltung eine besondere Würde verleihen“. Nicht zuletzt mit ihremEinsatz für das Stolperstein­Projekt bauten sie eine Brücke von der dunklen Vergangenheit in eine helle, freundlicheZukunft, „die wir alle zu bewahren haben“, so Schuchmann.

Diakon spricht über Bedeutung von Religion

Diakon Gerd Wagner sprach über die Bedeutung von Religion für die Gesellschaft und forderte, im Dialog derReligionen Wege zu suchen zum Wohle aller. Klaus­Dieter Jung von der Baptistengemeinde las einen Psalm, und dieevangelische Pfarrerin Nicola Bültermann­Bieber legte dar, wie der Holocaust Theologie und Kirche verändert habe,sodass man Anfeindungen gegenüber Juden heute entschieden entgegen trete.

29. Januar 2015 | Von rek |

„Tot sind die, die man vergisst“Holocaust – Stadt Ober­Ramstadt, Schule und Kirchen gedenken der Opfer und Überlebenden – Beiträge von Schülern

Erinnerungen an den Auschwitz­Überlebenden Julius Bendorf sind derzeit im Schaufenster der Bücherei „Bücherblitz“ in Ober­Ramstadt zusehen. Fotos und Texte zum Leben des Ehrenbürgers, der vor wenigen Tagen seinen 100. Geburtstag feierte, rollen parallel zum Schicksaldes früheren jüdischen Mitbürgers ein Jahrhundert deutscher Geschichte auf: von dessen Kindheit an der Modau und seinen sportlichenErfolgen über die beginnende Ausgrenzung und den Aufenthalt im Konzentrationslager Auschwitz­Monowitz bis zum Über­ und Weiterlebenin Amerika.  ipp/Foto: Karl­Heinz Bärtl

Schüler des Geschichtskurses von Archivpädagoge Harald Höflein aus der Jahrgangsstufe zwölf zeigten einen Film überdas Leben des Auschwitz­Überlebenden Julius Bendorf und berichteten über ihn als jüdischen Sportler, der 1936 vonder Teilnahme an den Olympischen Spielen in Berlin ausgeschlossen wurde. Dies ist auch Gegenstand einerAusstellung, die zurzeit in der Buchhandlung „Bücherblitz“ zu sehen ist.Wenn heute etwa Flüchtlinge in Dresden aus Angst nicht mehr zum Fußballtraining gingen, sollte man darüber nichthinwegsehen, appellierten die Schülerinnen Hanna Bartonek, Nina Schmidt und Alexandra Schneider. Schüler der GCLSgestalteten die Gedenkveranstaltung auch musikalisch: Lili Partheil spielte Cello, Binzi Hu und Elli Bauer trugenKlezmer­Stücke mit Klavier und Saxofon vor, ein Chor sang das jiddische Volkslied „Yerushalayim“.Schulband­Mitglied Selina Gaydoul beeindruckte mit dem Lied „Read all about it“ von Emeli Sandé, begleitet von KatiMotz am Klavier und Tim Eichelbaum am Cajon. Die Schüler Ismael Durbak und Maxi Röhl mahnten: "DerAntisemitismus war und bleibt ein Problem unserer Gesellschaft", das belege auch eine Studie.Rafael Riege, Kilian Simon, Marius Tolksdorf und Djordje Ignatovic erinnerten auch daran, Gruppen wie Roma, Sintiund Homosexuelle beim Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus nicht zu vergessen: "Auch in unserem Ortwurden Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt."An den Wert der Stolperstein­Aktion, die viele intensive Beziehungen hervorgebracht habe, erinnerten Philip Karolewiezund Tolga Kala: „Tot sind, die man vergisst.“ Cedrik Nowak erhielt viel Applaus für seine engagierte Rede gegenRassismus und für das Erinnern als Grundlage einer funktionierenden Demokratie in Deutschland.Ein starkes Zeichen waren am Schluss auch die Worte von Vertretern verschiedener Konfessionen und Kulturen inOber­Ramstadt, die biblische oder ethische Sätze wie „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinemanderen zu“ an die Gäste richteten. Gemeinsam zogen die Teilnehmer anschließend noch zum Ort der ehemaligenSynagoge an der Sparkasse.


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