Die Erde als Beobachtungsort 29
Scheinbare Planetenbahnen
Seit dem Altertum sind 5 Planeten – Wandelsterne, wie sie
auch genannt werden, bekannt. Ihre Bahnen am Himmel
wurden über die Jahrhunderte hinweg von den verschie-
densten Völkern immer wieder beobachtet. Die Protokolle
fanden Archäologen in Form von Zeichnungen an Felsen,
formuliert in Hieroglyphen an Tempelmauern, geschrieben
in Keilschrift auf aus Ton gebackenen Tafeln und auf „Pa-
pyri“ in den unterschiedlichsten Sprachen der verschie-
densten Kulturkreise. Die antike Himmelsbeobachtung
machte sich notwendig, um – besonders als die Menschen
seßhaft geworden waren – verläßliche Zeitsysteme zu
erhalten. Dafür sind die leicht zu beobachtenden periodi-
schen Vorgänge am Himmel wie geschaffen. Dazu kam
noch, daß die im Gegensatz zu den Fixsternen am Himmel
unstetig dahin wandelnden Planeten oft eine religiöse und
daraus abgeleitete astrologische Bedeutung erhielten. Die
Planetennamen, ja sogar einige Namen der Tage einer
Woche, weisen darauf hin. Die heute üblichen Planetenbe-
zeichnungen entstammen dem römischen Pantheon. Ge-
naugenommen stellen sie die römischen Pedanten griechi-
scher Götter dar. Merkur z.B. wird mit dem griechischen
Hermes, dem Götterboten, gleichgesetzt. Das Wort „Her-
mes“ findet man heute auf Merkurkarten, die man seit
Mariner 10 zeichnen kann, in Form der „hermiographi-
schen“ Länge und Breite wieder. Venus entspricht Aphrodi-
te, der „Schaumgeborenen“ (es lohnt, wieder einmal bei
GUSTAV SCHWAB (1792-1850) nachzulesen…), der römische
Kriegsgott Mars entspricht Ares, Jupiter Zeus und Saturn
Chronos. Später, als weitere Planeten entdeckt wurden, hat
man die Tradition der Namensgebung fortgesetzt. Als WIL-
HELM HERSCHEL (1738-1822) am 13. März 1781 den Plane-
ten Uranus entdeckte, nannte er ihn überschwenglich
„Georgium Sidus“ nach seinem königlichen Förderer GEORG
III VON ENGLAND (1738-1820). Schon damals fand man das
unmöglich und JOHANN ELERT BODE (1747-1826) in Berlin
nannte ihn schlicht Uranus, was in der Fachwelt sofort auf
allgemeine Zustimmung stieß (nur nebenbei, siehe Gustav
Schwab: Uranus war Sohn und Geliebter von Gaia, Vater
von Chronos, der Zyklopen und der Titanen).
Wenn man die Planeten von der Erde aus beobachtet und
ihren Weg durch die Sternbilder des Tierkreises verfolgt,
fallen einige Regelmäßigkeiten und Besonderheiten auf, die
man schon in der Antike genauestens registrierte. Erstens:
Merkur und Venus sind immer nur in unmittelbarer Nähe
zur Sonne am Abend- oder Morgenhimmel auszumachen
(die Erkenntnis, daß der Morgen- und Abendstern ein und
derselbe Planet ist, nämlich Venus, haben zuerst die baby-
lonischen Astronomen im 4. Jahrhundert vor Christi festge-
stellt), während die Planeten Mars, Jupiter und Saturn zu
manchen Zeiten, die man Opposition nennt, die ganze
Nacht zu sehen sind. Zweitens: Alle Planeten bewegen sich
in der Ekliptik (zur Erinnerung, sie entspricht der schein-
baren Sonnenbahn am Himmel) bzw. in deren unmittelba-
ren Nähe und zwar überwiegend von West nach Ost. Drit-
tens: Manchmal bewegen sich die Planeten aber auch rück-
läufig von Ost nach West, wobei sie unterschiedlich große
Schleifen unter den Fixsternen ausbilden. Diese Erschei-
nung ist besonders stark bei Mars ausgeprägt, aber auch
bei Jupiter und Saturn während der Oppositionszeit gut zu
beobachten. Bei den sonnennahen Planeten Merkur und
Venus tritt Rückläufigkeit nur dann ein, wenn sie für einen
irdischen Beobachter dicht an der Sonne vorbeiziehen.
Im Großen und Ganzen gesehen, ist die Bewegung der
Planeten unter den Sternen am Fixsternhimmel sehr komp-
liziert und es ist schwierig, Gesetzmäßigkeiten abzuleiten,
die eine genaue Vorhersage zukünftiger Positionen erlau-
ben. Um so größer ist die Leistung besonders der antiken
griechischen Astronomen einzuschätzen, denen es gelang,
eine Planetentheorie zu entwickeln, deren Genauigkeit bis
zu den Zeiten Keplers und Newtons nicht übertroffen wur-
de.
Geozentrisches Weltsystem
Ausgangspunkt – auch wegen seiner scheinbaren Offen-
sichtlichkeit – war eine geozentrische Weltsicht. Der Mit-
telpunkt der Welt ist die Erde. Die von ARISTARCH VON SA-
MOS (ca. 310-230 v.Chr.) vorgeschlagene heliozentrische
Sicht (sein Argument war – wie von PLUTARCH (um 46 bis
Porträt HIPPARCH VON NIKAIA
(* ~190 v.Chr. in Nicaea
† ~120 v.Chr. auf Rhodos ?)
Obwohl über die Lebensdaten dieses griechischen
Astronomen nur wenig bekannt ist, gilt er als einer der
genausten beobachtenden Astronomen der ausgehen-
den griechischen Antike. Als seine größte wissenschaft-
liche Leistung gilt die Entdeckung der Präzession der
Äquinoktien. Von ihm stammt auch ein Katalog mit den
Positionen und Helligkeiten von über 800 Sternen, die
neben vielen anderen Beobachtungen Eingang in den
„Almagest“ des Claudius Ptolemäus gefunden haben.
Hipparchos wird als Vater der wissenschaftlichen
Astronomie angesehen und gilt, zusammen mit Ptole-
mäus und Aristarchos von Samos, als einer der größten
Astronomen der Antike.
30 Scheinbare Planetenbahnen
125 v.Chr.) überliefert – daß das heliozentrische System
die Planetenbewegungen einfacher erklären kann als das
geozentrische System) wurde später von HIPPARCH VON
NIKAIA (ca. 190-120 v.Chr.) verworfen und zwar mit dem
für die damalige (und auch spätere) Zeit schlüssigem Ar-
gument, daß die Fixsterne keine Parallaxe zeigen.
Aus heutiger Sicht betrachtet, war die griechische Astro-
nomie durchaus hoch entwickelt. Mathematische Metho-
den - insbesondere aus der Geometrie – erlaubten aus der
Philosophie geborene Erklärungen auch praktisch zu er-
proben und mit konkreten Messungen der Planetenposi-
tionen zu vergleichen. Um das Jahr 140 veröffentlichte
CLAUDIUS PTOLEMÄUS (ca. 100 – 175) seine 13-bändige
Beschreibung der Welt „Megale Syntaxis“, in der er das
gesamte ihm zugängliche Wissen der Antike in bezug auf
die Astronomie zusammenfaßte. Dabei soll nicht uner-
wähnt bleiben, daß er entgegen dem Ehrencodex der rei-
nen Wissenschaft Beobachtungen erfunden, verfälscht und
Erkenntnisse anderer als seine ausgegeben hat, wie zuerst
1817 der französische Mathematiker JEAN BAPTISTE DE-
LAMBRE (1749-1822) bewiesen hat. Trotz dieses Schattens,
der auf Ptolemäus fällt, hat sein Werk fast 2 Jahrtausende
überdauert, was besonders den arabischen Übersetzern zu
verdanken ist. Für sie war es sogar die „Größte“ („megiste“)
Zusammenstellung, woraus sich der populäre Name des
Werks „Al-magest“ herleitet. Der „Almagest“ ist ein übe-
raus beeindruckendes Werk, welches eine Fülle von The-
men abdeckt. Die ersten beiden Bände beinhalten die
Grundlagen des ptolemäischen Weltbildes sowohl in kos-
mologischer als auch in geometrischer Form. Band 3 ent-
hält die Theorie der Sonnenbewegung und beschreibt das
Deferent-Epizykel-System in allen Details. Die Bände 4, 5
und 6 sind ganz der Mondbewegung und der Erklärung
einzelner Meßgeräte (z.B. des Astrolabs) gewidmet und in
den letzten Bänden entwickelt er in beeindruckender Sou-
veränität seine Planetentheorie.
Das geozentrische Weltbild von Ptolemäus ging von fol-
genden Voraussetzungen aus, die seit ARISTOTELES (384-322
v.Chr.) nicht mehr hinterfragt wurden bis NICOLAUS COPER-
NICUS (1473-1543) um 1510 das neuzeitliche heliozentri-
sche Weltsystem wieder in die Diskussion brachte:
§ Der gesamte Weltraum ist mit einem Medium gefüllt,
dem fünften Element („Äther“) des Aristoteles (diese
Annahme hielt sich bis in die ersten Jahrzehnte des
zwanzigsten Jahrhunderts, wo die „Ätherhypothese“
durch die Messungen von Michelson und Morley
widerlegt und durch Einsteins Spezielle Relativitäts-
theorie auch nicht mehr benötigt wurde. Der „Äther“
des Einundzwanzigsten Jahrhunderts ist das „Physika-
lische Vakuum“ der modernen Quantenfeldtheorien).
§ Die Planeten dürfen sich nur auf Kreisbahnen bewe-
gen, weil das die einzige vollkommene Bewegung ist.
Ihre Bewegung ist gleichförmig (EUDOXOS VON KNIDOS,
um 408–355 v.Chr.).
§ Die Erde ist ruhender Mittelpunkt der Welt.
§ Sie wird in folgender Reihenfolge von den Planeten
umkreist: Mond, Merkur, Venus, dann folgt die Sonne,
dahinter Mars, Jupiter und Saturn
Aus diesen Voraussetzungen galt es eine geometrische
Theorie zu entwickeln, welche die scheinbaren, z. T. rück-
läufigen und unterschiedlich schnellen Bewegungen der
Planeten an der Himmelskugel relativ zu den Sternen er-
klärte und – noch wichtiger - vorhersagbar machten.
1.16. Spätmittelalterliche Darstellung des geozentrischen Weltbildes
(aus Peter Apian, Cosmographica, 1539)
Epizykeltheorie
Die griechischen Astronomen fanden dafür eine geniale
Lösung. Neben der konzentrischen Hauptbewegung um die
Erde bewegen sich die Planeten noch zusätzlich auf einem
Nebenkreis, einem Epizykel. Damit setzt sich die Planeten-
bewegung aus zwei Kreisbewegungen zusammen: Auf dem
Hauptkreis (Deferent) läuft der Epizykel und auf dem Epi-
zykel bewegt sich der Planet, wobei der Mittelpunkt des
Epizykels immer auf dem Deferent liegt. Auf diese Weise
kann man mit günstigen Parametern eine zusammenge-
setzte Bewegung konstruieren, welche z.B. die beobachtete
Schleifenbewegung recht gut wiedergibt. Eine weitere
Verbesserung geht auf Hipparch zurück, der – einer Idee
APOLLONIUS VON PERGE (220-190 v.Chr., er gilt übrigens als
Begründer der Epizykeltheorie) folgend, den Mittelpunkt
des Deferenten exzentrisch zur Erde legte. Da bei Sonne
Die Erde als Beobachtungsort 31
und Mond keine Schleifen zu beobachten sind, kommt ihre
Beschreibung ohne Epizykel aus.
Die ganze Theorie wurde noch komplizierter, weil z.B. für
die inneren Planeten weitere Zusatzannahmen notwendig
waren, um mit den Beobachtungen gerecht zu werden. So
müssen die Epizykelmittelpunkte der Planeten Merkur und
Venus immer eine Linie mit der Erde und der Sonne bilden.
Außerdem muß der Epizykel gegenüber dem Deferenten
geneigt sein, um die gewünschte Schleifenbewegung zu
erzeugen. Bei den äußeren Planeten wurde es auch nicht
einfacher. Der Deferent weist eine gewisse Neigung gegen-
über der Ekliptik auf, der Epizykel ist dagegen parallel usw.
1.17. Entstehung der „Schleifenbewegung“ eines Planeten aus der
Überlagerung der Bewegung auf einem Epizykel, welcher sich
wiederum gleichförmig auf einem Deferenten bewegt.
Ein besonderes Problem für Ptolemäus war der Planet
Merkur. Es gelang ihm nie, mit normalen Epizykeln seine
Bahn befriedigend zu beschreiben. Heute weiß man, daß
die besonders große Bahnexzentrizität von 0.2056 (die
Größte der großen Planeten!) die Ursache dafür ist. Auch
die Mondbewegung läßt sich in der Epizykeltheorie nur
schwer darstellen. Er mußte, um wenigstens befriedigende
Ergebnisse zu erzielen, von der bereits 300 Jahre zuvor von
Hipparch geäußerten Vermutung ausgehen, daß die Mond-
bahn elliptisch ist. Auch die von Eudoxos zuerst formulier-
te Bedingung, daß sich die Planeten immer gleichförmig
auf dem Epizykel bewegen, führte zu gravierenden Abwei-
chungen bei der Berechnung einer Ephemeride. Er war
gezwungen davon auszugehen, daß sich die Planeten doch
nicht gleichförmig bewegen. Deshalb läßt er den Mittel-
punkt des Epyzikels derart auf dem Deferenten laufen, daß
die Winkelgeschwindigkeit nicht in bezug auf diesen Punkt,
sondern in bezug auf einen anderen, davon abweichenden
Punkt konstant ist. Dieser Punkt wird auch als Ausgleichs-
punkt oder lateinisch „punctum aequans“ bezeichnet. Nur
von diesem Punkt aus erscheint die Bewegung gleichför-
mig. In moderner Darstellung und unter Vorwegnahme der
Ergebnisse JOHANNES KEPLER‘S (1571-1630) kann man (bei
kleiner Bahnexzentrizität) den „punctum aequans“ als
zweiten Brennpunkt einer Ellipse deuten und die ungleich-
förmige Bahnbewegung als Resultat des 2. Keplerschen
Gesetzes.
Schon relativ schnell stellte sich heraus, daß die nach der
Epizykeltheorie berechneten Planetenörter im Laufe der
Zeit immer mehr von dem beobachteten Örtern abwichen.
Trotzdem hatte das geozentrische Weltbild bis in das Zeit-
alter der Renaissance und der frühen Neuzeit hin bestand.
Das hatte in nicht unerheblichem Maße auch theologische
Gründe. Erst Nicolaus Copernicus wagte es, die Erde aus
ihrem festen Mittelpunkt zu reißen und die Sonne an ihre
Stelle zu setzen. Aber auch er konnte sich noch nicht von
den Epizykeln trennen und sein System war – was die
Vorhersagekraft betraf – kaum besser als das des Ptole-
mäus. Aber es erscheint uns heute (!) selbstverständlich als
logisch einfacher! Logische Einfachheit ist aber mehr ein
ästhetisches Prinzip (Stichwort „Occam‘s Rasiermesser“)
und kann genaugenommen nicht zur Falsifizierung einer
Theorie ernsthaft herangezogen werden. So gesehen muß-
te man noch mindestens bis JOHANNES KEPLER (1571-1630)
und ISAAK NEWTON (1643-1727) warten, die nach großen
intellektuellen Anstrengungen in der Lage waren, das he-
liozentrische System in seinen Grundzügen zu beweisen.
Aus heutiger Sicht führte ein günstiger gelegtes Koordina-
tensystem zu dieser Vereinfachung.
Wählt man unter Zuhilfenahme der Ergebnisse der moder-
nen Himmelsmechanik die Erde als unbeweglichen festen
Bezugspunkt, dann ergibt sich die Epizykeltheorie als Nä-
herung aus der vektoriellen Addition von Planeten- und
Erdbahn. Von diesem Standpunkt aus beschreibt die Sonne
eine Ellipsenbahn um die Erde und die Planeten bewegen
sich auf Ellipsen um die Sonne. Hieraus erkennt man, daß
das heliozentrische und das geozentrische System im
Grunde genommen kinematisch gleichwertig sind. Was
man wählt ist nur eine Frage der Zweckmäßigkeit und das
heliozentrische System von Copernicus ist ohne Zweifel
zweckmäßiger – und auch physikalisch richtiger, wie die
Entdeckung der Aberration des Lichtes 1500 Jahre nach
Ptolemäus zeigte. Das Ptolemäische System krankt in ers-
ter Linie daran, daß es nur – in heutiger Sprache – die
Richtungen der geozentrischen Ortsvektoren der Planeten
in seine Betrachtungen einbezieht und nicht deren Beträge
respektive Entfernungen. Dadurch wird eine Erklärung
der Bewegungen im mechanischen Sinne unmöglich, da es
prinzipbedingt keine Aussagen über die wechselseitige
räumliche Lage der Planeten (und der Sonne) treffen kann.
Erst die heliozentrische Betrachtungsweise bietet über-
haupt den Rahmen für etwas, das man als „Himmelsme-
chanik“ bezeichnen kann.
32 Scheinbare Planetenbahnen
Scheinbare Planetenbewegungen am Himmel
Nach diesem kleinen geschichtlichen Exkurs zurück zu den
scheinbaren Planetenbewegungen. Die Entstehung der
Schleifenbewegung – ein Hauptproblem der antiken Astro-
nomie – kann aus heliozentrischer Sicht sehr leicht erklärt
werden. Der Hauptgrund liegt in den unterschiedlich gro-
ßen Bahngeschwindigkeiten der Planeten, die im Sonnen-
system von innen nach außen immer mehr abnehmen.
Befindet sich z. B. ein äußerer Planet in Opposition (das ist
dann der Fall, wenn Sonne, Erde und Planet eine Linie
bilden), dann überholt die schnellere Erde diesen Planeten
und es entsteht eine zeitweise entgegengesetzte, rückläufi-
ge Bewegung als Projektion am Himmel, wobei, da die
Ebenen der Planetenbahnen zur Ekliptik geneigt sind,
Schleifen entstehen. Die Zeit der Rückläufigkeit wird oft
auch als Oppositionszeit bezeichnet. In seltenen Fällen
kommt es vor, daß zwei Planeten ihre Oppositionsschleifen
parallel durchführen. In diesem Fall können sich die beiden
Planeten insgesamt dreimal begegnen, d. h. es tritt eine
dreifache Konjunktion auf. Geschieht das mit Jupiter und
Saturn, dann ist das eine Königsgestirnung. Dreifache Kon-
junktionen zwischen den hellen oberen Planeten sind sehr
selten. So waren die letzten dreifachen Konjunktionen
zwischen Mars und Jupiter 1789/90, 1836/37 und
1979/80 und die nächsten dreifachen Konjunktionen zwi-
schen Mars und Jupiter finden erst wieder im Jahr 2123
sowie 2169/70 statt. Zwischen Mars und Saturn fanden die
Hipparch von Nikaia und die wahre Erdbahn
Bereits den Astronomen im alten Babylon war bekannt, daß die Sonne sich auf ihrer jährlichen Bahn entlang der Ekliptik unterschiedlich
schnell bewegt, d.h. die Winkelgeschwindigkeit ist in verschiedenen Teilstücken ihrer Bahn unterschiedlich groß. Das äußert sich darin,
daß das Winterhalbjahr (gerechnet vom Herbstäquinoktium bis zum Frühlingsäquinoktium) kürzer ist als das Sommerhalbjahr (das ist der
Zeitraum zwischen dem Frühlingsäquinoktium und dem Herbstäquinoktium). Wir wissen heute, daß diese Tatsache einfach aus der ellipti-
schen Erdbahn um die Sonne und dem zweiten Keplerschen Gesetz folgt. So gesehen ist es interessant zu sehen, wie Hipparch diese Beo-
bachtung vor weit mehr als 2000 Jahren in eine mathematische Form brachte, aus der sich ein Näherungswert für die Exzentrizität der
Erdbahn ableiten läßt.
Seine Grundidee bestand darin, die Sonnenbahn als geozentrisches Abbild der Erdbahn durch einen exzentrisch gelagerten Kreis darzustel-
len (man beachte, das hat nichts mit „Physik“ und der „wahren“ Bewegung der Erde zu tun), der mit einer gleichmäßigen Winkelgeschwin-
digkeit durchlaufen wird. Den Kreisumfang teilte er so in zwei Bogenstücke auf, daß deren Länge jeweils der Länge des Sommerhalbjahres
und des (kürzeren) Winterhalbjahres entsprach (der Kreisumfang entspricht genau einem Jahr). Der kürzeste Abstand zwischen der Ver-
bindungslinie der beiden Äquinoktien und dem Mittelpunkt M des Kreises sei e (die lineare Exzentrizität) und der Radius des Kreises 1
(d.h. es soll sich um einen Einheitskreis handeln). Verlegt man jetzt den Beobachterstandpunkt auf den Punkt K (dem Schnittpunkt der
Geraden zwischen der Sommer- und Wintersonnenwende und den Äquinoktien), dann ergibt sich für diesen Beobachter eine ungleichför-
mige Winkelgeschwindigkeit für einen Punkt auf dem Kreis, der in bezug auf M eine gleichförmige Winkelgeschwindigkeit aufweist. Da
bekannt ist, in welchen Zeiten die beiden Kreisbögen durchlaufen werden, läßt sich für das „Winterhalbjahr“ schreiben:
�� = �� � − �
� = � �� − �
�
Aufgrund des Einheitskreises kann man die lineare Exzentrizität e gleich der numerischen Exzentrizität � setzen (wegen = � � mit � = 1), woraus
� = � �� − ��
� �
folgt.
Weiterhin zeigten genaue Beobachtungen, daß der Zeitpunkt der größten (Perihel) und der kleinsten Winkelgeschwindigkeit der Sonne
(Aphel) nicht mit dem Winter- bzw. dem Sommersolstitium zusammenfällt. Verbindet man diese beiden Punkte auf dem Einheitskreis
durch eine Gerade, die auch durch M und K geht (Apsidenlinie), dann erkennt man, daß der Winkel � zwischen der Sonnenwendlinie und
der Apsidenlinie ungefähr 13° beträgt. Korrigiert man damit die oben abgeleitete Formel, dann erhält man für die Exzentrizität der Erd-
bahn (die bei Hipparch der scheinbaren Sonnenbahn entsprach)
� = � ��� � �
� − ��� �
Mit T=365.25 Tage, ��=178.83 Tage und � = 13° ergibt sich � = 0.0168. Der exakte Wert ist übrigens 0.0162 – die Übereinstimmung ist
also durchaus bemerkenswert. Der Erfolg des Modells war eine wichtige Motivation für die Einführung des „punctum aequans“ in die
Epizykeltheorie. Physikalisch bedeutet er – zumindest aus heutiger Sicht - eine gewisse Vorwegnahme des Keplerschen Flächensatzes.
Die Erde als Beobachtungsort 33
letzten dreifachen Konjunktionen 1779, 1877 (nur in Rek-
taszension) und 1945/46 statt, während die nächsten
derartigen Ereignisse erst wieder 2148/49, 2185 und 2187
zu beobachten sind.
Die relative Lage der Planeten in bezug auf Sonne und Erde
bezeichnet man als Konstellationen. Bei den inneren Plane-
ten Merkur und Venus unterscheidet man:
• Konjunktion
Befindet sich der innere Planet zwischen Erde und
Sonne, dann spricht man von der unteren Konjunkti-
on; steht er hinter der Sonne, dann hat er die obere
Konjunktion erreicht.
• Elongation
Die Elongation ist der Winkelabstand des Planeten zur
Sonne. Da die inneren Planeten von der Erde aus be-
trachtet niemals in Opposition gelangen können, er-
reichen sie nur eine größte westliche und eine größte
östliche Elongation.
Bei den äußeren Planeten gibt es nur eine Konjunk-
tionsstellung (Gleichschein) und eine Oppositionsstellung:
• Konjunktion
Der Planet befindet sich von der Erde aus gesehen hin-
ter der Sonne und kann deshalb – wie der Neumond –
nicht beobachtet werden. Er erreicht damit die größte
Entfernung zur Erde.
• Opposition
Der Planet bildet mit der Sonne eine Linie mit der Er-
de genau dazwischen. Er geht am Abend auf, wenn die
Sonne untergeht und geht unter, wenn die Sonne auf-
geht. Die Entfernung Erde-Planet ist am geringsten
und sein Winkeldurchmesser im Fernrohr am größten.
Außerdem gibt es noch die Quadraturen, wenn Sonne und
Planet an der Himmelskugel einen Winkelabstand von 90°
haben.
Planetenphasen
Durch die sich ständig ändernde relative Lage von Sonne,
Erde und Planet zeigen alle Planeten Phasen, wobei die
Phasen der inneren Planeten – wie beim Mond – einen
ganzen Phasenzyklus umfassen. Als GALILEO GALILEI (1564-
1642) 1609 mit seinem selbstgebauten Fernrohr die Ve-
nusphasen entdeckte, war für ihn deshalb der Streit zwi-
schen dem geozentrischen und dem heliozentrischen Welt-
system entschieden. Denn nur vom heliozentrischen
Standpunkt aus ist der Phasenzyklus der Venus (und natür-
lich auch des Merkur) verständlich.
Als Phasenwinkel bezeichnet den Winkel, den Erde und
Sonne vom jeweiligen Planeten aus gesehen, bilden. Bei
einem äußeren Planeten wird dieser Winkel zum Zeitpunkt
der Quadratur maximal.
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist der soge-
nannte Schrötereffekt. Darunter versteht man die von
HIERONYMUS SCHRÖTER (1745-1816) im Jahre 1793 zum
ersten mal erwähnte zeitliche Diskrepanz zwischen der
berechneten und der beobachteten Halbphase der Venus
(Dichotomie), d. h. die „Halbvenus“ erscheint im Fernrohr
(je nach Elongation) früher oder später als berechnet.
Konstellation Innerer Planet Phase
Untere Konjunktion Neu
Größte Elongation Erstes Viertel
Obere Konjunktion Voll
Größte Elongation Letztes Viertel
Untere Konjunktion Neu
Äußerer Planet Phase
Konjunktion Voll
Quadratur Fast Voll
Opposition Voll
Quadratur Fast Voll
Konjunktion Voll
Die in diesem Kapitel erwähnten Planetenkonstellationen
(manchmal auch als Aspekte bezeichnet) in bezug auf den
Tierkreis spielen insbesondere in der Astrologie eine große
Rolle und bescheren mehr oder weniger professionelle
Astrologen auf Kosten der Sternengläubigen ein erkleckli-
ches Einkommen. So gesehen gibt es also doch Sterntaler.
1.18. Venusphasenzyklus 2002, fotografiert von C. Proctor (TBGS
Observatory, UK)
34 Geozentrische Planetentheorie
Exkurs: Geozentrische Planetentheorie
Die Sonne- Mond- und Planetentheorie, die CLAUDIUS PTOLEMÄUS
Zweifel zu den erfolgreichsten Gedankengebäuden, die im Laufe der Geschichte der Menschheit errichtet wurden. Schon aus
diesem Grund lohnt es sich, etwas genauer seine Argumentation zu verfolgen. In diesem kleinen Exkurs soll in etwas modern
rer Argumentation die Funktionsweise des Deferent-Epizykel
ren Planeten“ – erläutert werden ohne gar zu tief in die mathematischen Details zu gehen.
Die Motivation der antiken Wissenschaftler war Ordnung in die seltsamen Bewegungen der Himmelskörper mit ihren Bah
schleifen und ungleichförmigen Bewegungen am Firmament zu bringen, um ihre Or
Vergangenheit befriedigend genau vorausberechnen zu können. Eine „physikalische“ Erklärung im heutigen Sinn, wie es z.B. die
Newtonsche Gravitationstheorie leistet, war dagegen nicht ihr Ziel bzw. eine Suche dana
Denkschranken, die aus verschiedensten Gründen nicht mehr hinterfragt wurden. Dazu gehört die von Aristoteles klar form
lierte These, daß alle schweren Dinge bestrebt sind, zum „Weltmitt
in Richtung Erdboden fallen, muß der Mittelpunkt der Erde logischerweise auch der Mittelpunkt der Welt sein (Geozentrismus).
Die zweite These, die theologisch begründet wurde, war die These, daß sich die „göttlichen“ Himmelskö
Bahnen – und das waren bei den Griechen Kreisbahnen – gleichförmig bewegen müssen
net (EUDOXOS, PLATON). Hätte man diese beiden Thesen schon damals in Frage gestellt (wie es teilweise
(~310-230 v.Chr.) in bezug zum Weltmittelpunkt tat), dann hätten die hochgebildeten griechischen Astronomen wahrscheinlich
bereits vor über 2000 Jahren die logische Einfachheit eines heliozentrischen Systems erkannt.
Die große Schwierigkeit, mit der die antiken Astronomen bei der Entwicklung einer Planetentheorie kämpfen mußten, war, daß
sich die scheinbaren Planetenbahnen u.a. aus der Überlagerung der aufgrund der Keplerischen Gesetze ungleichförmigen Er
bewegung und der aus demselben Grund ungleichförmigen Bewegung der Planeten um die Sonne ergeben. Außerdem waren sie
nur in der Lage, Richtungen anzugeben. Die wahren Entfernungen waren bis auf die
bestimmte sie zu 376 000 km (moderner Wert= 384000 km)
stehenden Meßinstrumenten auch gar nicht mit einer einigermaßen befriedigenden Genauigkeit bestimmt werden.
Dazu kam noch, daß die Bewegung der Planeten auf der Himmelskugel überdeutlich von der postulierten
bewegung abwich, was man als „Ungleichheiten“ bezeichnete. Man kannte zwei „große“ Ungleichheiten, wobei sich die Erste auf
die unterschiedliche Geschwindigkeit und die zweite auf die
(genauer Rückläufigkeiten) unter den Sternen bezog.
Zur theoretischen Beherrschung dieser „Ungleichheiten“ wurde ein geniales geometrisches Modell erdacht, welches in gewissem
Sinn das Kreisbahndogma unberührt ließ und die Planetenbewegungen a
und Epizykeln (und später auch Ausgleichspunkten) zurückführte.
1.19. Oppositionsschleife des Planeten Mars im Jahre 2003. Die Bewegung erfolgt von der Nordhalbkugel der Erde aus gesehen von rech
(„rechtläufig“). Der eingezeichnete Planet befindet sich dagegen im rückläufigen Teil seiner Bahn.
TOLEMÄUS im Almagest entwickelte, gehört neben Euklids Geometrie ohne
Zweifel zu den erfolgreichsten Gedankengebäuden, die im Laufe der Geschichte der Menschheit errichtet wurden. Schon aus
ohnt es sich, etwas genauer seine Argumentation zu verfolgen. In diesem kleinen Exkurs soll in etwas modern
Epizykel-Systems am Beispiel eines – wie wir heute sagen würden, “äuß
erden ohne gar zu tief in die mathematischen Details zu gehen.
Ordnung in die seltsamen Bewegungen der Himmelskörper mit ihren Bah
schleifen und ungleichförmigen Bewegungen am Firmament zu bringen, um ihre Orte sowohl für die Zukunft als auch für die
Vergangenheit befriedigend genau vorausberechnen zu können. Eine „physikalische“ Erklärung im heutigen Sinn, wie es z.B. die
Newtonsche Gravitationstheorie leistet, war dagegen nicht ihr Ziel bzw. eine Suche danach scheiterte u.a. an philosophischen
Denkschranken, die aus verschiedensten Gründen nicht mehr hinterfragt wurden. Dazu gehört die von Aristoteles klar form
Dinge bestrebt sind, zum „Weltmittelpunkt“ zu fallen. Und da nach allen Erfahrungen alle Körper
in Richtung Erdboden fallen, muß der Mittelpunkt der Erde logischerweise auch der Mittelpunkt der Welt sein (Geozentrismus).
Die zweite These, die theologisch begründet wurde, war die These, daß sich die „göttlichen“ Himmelskörper nur auf „idealen“
gleichförmig bewegen müssen, was man als Kreisbahndogma bezeic
. Hätte man diese beiden Thesen schon damals in Frage gestellt (wie es teilweise ARISTARCH VON S
in bezug zum Weltmittelpunkt tat), dann hätten die hochgebildeten griechischen Astronomen wahrscheinlich
bereits vor über 2000 Jahren die logische Einfachheit eines heliozentrischen Systems erkannt.
die antiken Astronomen bei der Entwicklung einer Planetentheorie kämpfen mußten, war, daß
sich die scheinbaren Planetenbahnen u.a. aus der Überlagerung der aufgrund der Keplerischen Gesetze ungleichförmigen Er
hförmigen Bewegung der Planeten um die Sonne ergeben. Außerdem waren sie
nur in der Lage, Richtungen anzugeben. Die wahren Entfernungen waren bis auf die (mittlere) Mondentfernung (Ptolemäus
(moderner Wert= 384000 km) völlig unbekannt und konnten mit den damals zur Verfügung
stehenden Meßinstrumenten auch gar nicht mit einer einigermaßen befriedigenden Genauigkeit bestimmt werden.
Dazu kam noch, daß die Bewegung der Planeten auf der Himmelskugel überdeutlich von der postulierten gleichförmigen Krei
bewegung abwich, was man als „Ungleichheiten“ bezeichnete. Man kannte zwei „große“ Ungleichheiten, wobei sich die Erste auf
und die zweite auf die bei manchen Planeten zeitweise auftretenden Schleifenbewegungen
Zur theoretischen Beherrschung dieser „Ungleichheiten“ wurde ein geniales geometrisches Modell erdacht, welches in gewissem
Sinn das Kreisbahndogma unberührt ließ und die Planetenbewegungen auf ein kompliziertes System aus Exzentern, Deferenten
und Epizykeln (und später auch Ausgleichspunkten) zurückführte.
Oppositionsschleife des Planeten Mars im Jahre 2003. Die Bewegung erfolgt von der Nordhalbkugel der Erde aus gesehen von rechts nach links
(„rechtläufig“). Der eingezeichnete Planet befindet sich dagegen im rückläufigen Teil seiner Bahn.
im Almagest entwickelte, gehört neben Euklids Geometrie ohne
Zweifel zu den erfolgreichsten Gedankengebäuden, die im Laufe der Geschichte der Menschheit errichtet wurden. Schon aus
ohnt es sich, etwas genauer seine Argumentation zu verfolgen. In diesem kleinen Exkurs soll in etwas moderne-
wie wir heute sagen würden, “äuße-
Ordnung in die seltsamen Bewegungen der Himmelskörper mit ihren Bahn-
te sowohl für die Zukunft als auch für die
Vergangenheit befriedigend genau vorausberechnen zu können. Eine „physikalische“ Erklärung im heutigen Sinn, wie es z.B. die
ch scheiterte u.a. an philosophischen
Denkschranken, die aus verschiedensten Gründen nicht mehr hinterfragt wurden. Dazu gehört die von Aristoteles klar formu-
allen Erfahrungen alle Körper
in Richtung Erdboden fallen, muß der Mittelpunkt der Erde logischerweise auch der Mittelpunkt der Welt sein (Geozentrismus).
rper nur auf „idealen“
bezeich-
SAMOS
in bezug zum Weltmittelpunkt tat), dann hätten die hochgebildeten griechischen Astronomen wahrscheinlich
die antiken Astronomen bei der Entwicklung einer Planetentheorie kämpfen mußten, war, daß
sich die scheinbaren Planetenbahnen u.a. aus der Überlagerung der aufgrund der Keplerischen Gesetze ungleichförmigen Erd-
hförmigen Bewegung der Planeten um die Sonne ergeben. Außerdem waren sie
(Ptolemäus
ekannt und konnten mit den damals zur Verfügung
gleichförmigen Kreis-
bewegung abwich, was man als „Ungleichheiten“ bezeichnete. Man kannte zwei „große“ Ungleichheiten, wobei sich die Erste auf
enbewegungen
Zur theoretischen Beherrschung dieser „Ungleichheiten“ wurde ein geniales geometrisches Modell erdacht, welches in gewissem
uf ein kompliziertes System aus Exzentern, Deferenten
links
Die Erde als Beobachtungsort 35
Ein erster wichtiger Beobachtungsparameter ist die Dauer der Bewegung eines Planeten um die gesamte Himmelskugel. Helio-
zentrisch betrachtet ist das genau die Umlaufszeit des Planeten um die Sonne (siderisches Jahr �!"). Von der Erde aus betrachtet
gibt es aber Abweichungen davon, die sich daraus ergeben, daß sich z.B. Oppositions- und Konjunktionsstellungen in bezug auf
die Sterne ändern, da sich die Erde mit dem Beobachter selbst um die Sonne bewegt. Die Zeitdauer zwischen zwei Konjunktionen
(innere Planeten) bzw. zwei Oppositionen (äußere Planeten) wird dabei als synodische Periode �#$% bezeichnet. Dabei gelangt
ein äußerer Planet immer dann in Oppositionstellung, wenn der Winkelabstand in Länge zwischen Planet und Sonne 180° be-
trägt. Dieser Fall entspricht genau der Position des Planeten bei seiner Rückbewegung in der Oppositionsschleife, wenn er sich
genau im zeitlichen Mittel zwischen den beiden Stillstandspunkten &� und &� befindet. Stillstände, Oppositionspunkte und Rück-
läufe sind deshalb auch – da sie offensichtlich an die Sonnenbewegung gekoppelt sind – sogenannte synodische Ereignisse.
Zwischen der siderischen und synodischen Periode eines Planeten und der Umlaufsperiode der Erde um die Sonne (�*+,�) be-
steht folgender Zusammenhang:
1�#$%
= 1�!"
− 1�*+,�
Hieraus erkennt man schon, daß bei inneren Planeten die synodische Umlaufszeit immer größer als ihre siderische sein muß und
daß es bei den äußeren Planeten (mit Ausnahme des Mars) gerade andersherum ist. Das ist auch verständlich, denn je weiter ein
Planet von der Erde entfernt ist, desto mehr sollte sich dessen synodische Umlaufszeit der Erdumlaufszeit annähern.
Diese Periodizitäten (wenn auch nicht ihre Ursachen) waren schon den babylonischen Astronomen gut bekannt, wie folgende
Tabelle zeigt (VAN DER WAERDEN, 1988):
Merkur 145 synodische Perioden = 46 �*+,� + 1° Venus 5 synodische Perioden = 8 �*+,�– 2°15‘ Mars 37 synodische Perioden = 42 �*+,� +3°10‘ Jupiter 65 synodische Perioden = 6 �*+,� – 4°50‘ Saturn 57 synodische Perioden = 2 �*+,� + 1°43‘
Moderne Werte
Daraus schlußfolgerte man, daß sich die Bewegung der Planeten aus zwei Perioden zusammensetzen muß, die sich überlagern:
Einmal aus der Periode, welche für die Bewegung entlang der Ekliptik in Länge verantwortlich ist (d.i. die „tropische Längenbe-
wegung“) und zweitens aus der Periode, die sich relativ zum Sonnenstand vollzieht (d.h. die „synodische Bewegung“). Das bedeu-
tet, daß sich ein Planet täglich um den Winkel
-. = 360°�01,
entlang der Ekliptik von West nach Ost und um den Winkel
-# = 360°�0$%
relativ zum Sonnenstand bewegt. Aus diesen Überlegungen heraus entwickelte APOLLONIOS VON PERGE (262-190 v.Chr.) ein geo-
metrisches Modell, das in einer ersten Näherung aus einem Deferentenkreis besteht. Die Position der Erde entsprach in diesem
Modell dem Mittelpunkt des Deferentenkreises und dessen Umfang bildete quasi den Tierkreis nach, durch den sich der Planet
während seines Erdumlaufs bewegt. Um auch die periodischen Rückläufigkeitszyklen modellmäßig erfassen zu können, wurde
zusätzlich ein rasch rotierender Epizykel eingeführt, dessen Mittelpunkt anstelle des Planeten den Deferenten umläuft und auf
Siderisch (d) Synodisch (d) Merkur 87.969 115.88 Venus 224.701 583.92 Mars 686.980 779.94 Jupiter 4334.151 398.88 Saturn 10832.327 378.09
36 Geozentrische Planetentheorie
dessen Peripherie man sich den Planeten „angeheftet“ dachte. Wenn nun die Rotationsgeschwindigkeit des Deferenten ungefähr
-. und die Rotationsgeschwindigkeit des Epizykels -# beträgt, dann lassen sich zumindest schon in grober Näherung die auffäl-
ligen Rückwärtsbewegungen in den Schleifen quantitativ erfassen.
Um mit diesem Modell auch die Schleifenform erfassen zu können, muß offensichtlich noch die Epizykelebene über einen gewis-
sen Winkelbereich gegenüber der Deferentenebene geneigt werden. Dazu später mehr. Befassen wir uns erst einmal mit der
Bewegung in Länge (die Länge 2 wird vom Frühlingspunkt aus in Richtung der scheinbaren Sonnenbewegung gemessen).
Solange man sich den Beobachter im Punkt D, d.h. im Mittelpunkt des Deferentenkreises dachte, solange konnte man die „erste
Ungleichheit“ (das ist die ungleichförmige Bewegung der Himmelskörper unter den Sternen um die Himmelskugel) nicht erfas-
sen. Die Idee, wie man trotz des Kreisbahndogmas dieses Phänomen „retten“ konnte, bestand daran, den Deferentenkreis etwas
aus der „Weltmitte“ herauszurücken. Dazu wurden symmetrisch zu D zwei neue Punkte T (Position der Erde) und E (Ausgleichs-
punkt oder punctum aequans) eingeführt und postuliert, daß die Winkelgeschwindigkeit des Punktes C (Epizykelzentrum) in
Bezug auf E weiterhin konstant ist (d.h. die Strecke E-C überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Winkel). In Bezug auf T ergibt sich
jetzt aus der exzentrischen Lage (ihr Ausmaß wird durch den Abstand der Punkte E und T bestimmt, der gleich 2e ist, wobei e die
Exzentrizität bezeichnet) eine sich mit der siderischen Periode ändernde Winkelgeschwindigkeit. Obwohl sich C nach wie vor
von E aus gesehen mit konstanter Geschwindigkeit auf dem Deferenten bewegt, kommt es dem Beobachter auf T so vor, als ob C
zeitweilig beschleunigt oder zeitweilig abgebremst wird. Dabei wird der Punkt mit der größten Geschwindigkeit als Perigäum PE
und der Punkt mit der kleinsten Geschwindigkeit als Apogäum AP bezeichnet. Das Perigäum entspricht dabei dem geringstmög-
lichen Abstand von T zu C und das Apogäum dem Größtmöglichen. Verbindet man diese beiden Punkte, dann erhält man die
Apsidenlinie, welche selbstverständlich auch durch E und T verläuft.
An dieser Stelle ist es sinnvoll, noch ein paar weitere Grö-
ßen einzuführen. Der Winkel v heißt z.B. seit alters her die
„wahre Anomalie“. Unter diesem Winkel erscheint der
Planet (genauer der Punkt C, wenn wir den Epizykel erst
einmal außen vor lassen) für einen irdischen Beobachter
vom Perigäum entfernt. Der Winkel 3 dagegen, welche die
Gerade E-C mit der Apsidenlinie bildet, ist die „mittlere
Anomalie“ des zu T exzentrischen Kreises (dessen Mittel-
punkt D ist). Die Differenz zwischen wahrer und mittlerer
Anomalie wird manchmal auch Mittelpunktsgleichung
genannt. Da es nur auf Winkel ankommt und nicht auf
Entfernungen, kann man im Prinzip den Radius R des Defe-
renten willkürlich wählen, wobei sich – wenn man R=1
setzt – die „ganze Exzentrizität“ aus der Summe der
Die Erde als Beobachtungsort 37
Exzentrizität des Äquanten e‘ (E-D) und der Exzentrizität des Deferenten e (D-T), also bei symmetrischer Lage zu D, zu e+e‘=2e
ergibt. Nach dem Sinussatz gilt dann für den Winkel 4 (wegen R=1): sin 4 = sin 3 . Und da die wahre Anomalie offensicht-
lich 6 = 3 + + 4 ist, muß zuvor noch aus dem Dreieck D-C-T der Winkel berechnet werden. Wie man aus der Abbildung
entnehmen kann, ist der Winkel T-D-C = 3 + 4, woraus 8� = 1 + � − 2 cos<3 + 4= und sin = �> sin<3 + 4= folgt (r=Länge
der Strecke T-C, d.h. die „Entfernung“ von C vom „Weltmittelpunkt“ T). Damit kann die „wahre“ Position des Punktes C in bezug
auf die Apsidenlinie berechnet werden. Läßt man nun den Winkel 3 über eine volle Umlaufsperiode um die gesamte Himmelsku-
gel gleichmäßig rotieren 3<?= = -. ∙ ?, dann läßt sich für ein geeignet gewähltes e die „erste Ungleichheit“ der Planetenbewe-
gung durchaus befriedigend reproduzieren.
Das Problem der „Zweiten Ungleichheit“ wurde von den griechischen Astronomen durch die Einführung eines weiteren Kreises,
des Epizykels, gelöst. Dieser Kreis, dessen Radius r kleiner als der des Deferentenkreises gewählt wird, „trägt“ den Planeten P
und dreht sich mit gleichmäßiger Winkelgeschwindigkeit -# um den Punkt C. Schaut man nun von T aus in Richtung C, dann
erscheint die Bewegung des Planeten im oberen Teil des Epizykels rechtläufig und im unteren rückläufig.
Die Linie, die durch C, T und den oberen Schnittpunkt des Epizykels A‘ geht, ist die „wahre“ Apsidenlinie. Befindet sich der Planet
P im oberen Schnittpunkt dieser Linie mit dem Epizykelkreis, dann befindet sich der Planet im „wahren“ Apogäum A‘, ansonsten,
wenn er sich im unteren Schnittpunkt befindet, im „wahren“ Perigäum P‘.
Die Bewegung des Planeten P in Länge setzt sich also aus
der von der Erde aus gesehenen ungleichförmigen Bewe-
gung des Punktes C entlang des Deferenten und aus der
gleichförmigen Bewegung des Planeten auf dem Umfang
des Epizykels zusammen. Dabei ist die Position des Plane-
ten auf dem Epizykel mit der Lage der mittleren Sonne auf
der Ekliptik verbunden und zwar derart, daß die Strecke P-
C immer parallel der Strecke ist, die von T aus zur Position
der mittleren Sonne gezogen wird. Auf diese Weise gelingt
es, die Rückläufigkeit der äußeren Planeten in die Nähe zur
Opposition der Sonne zu verlegen – genauso, wie es die
Beobachtungen auch zeigen.
Die nach Ptolemäus „wahre“ Bewegung, die man von der Erde aus nur als Projektion auf die Himmelssphäre wahrnehmen kann,
ist dann eine komplizierte Schleifenbewegung in Form einer Trochoide:
1.20. Das Titelblatt von Keplers „Astronomia Nova“ von 1609 zeigt die Marsbahn von 1580 bis 1596
38 Geozentrische Planetentheorie
Wenn die Lage der Apsidenlinie des exzentrischen Kreises (=Abstand des Perihels vom Frühlingspunkt), die Exzentrizität e und
das Verhältnis des Radius des Deferenten zum Radius des Epizykels bekannt ist, kann über die Position von C und der Position
der mittleren Sonne für jeden beliebigen Zeitpunkt die ekliptikale Länge des Planeten P berechnet werden, wobei beide Un-
gleichheiten Berücksichtigung finden.
Schwieriger ließen sich dagegen die beobachteten Breitenschwankungen während eines siderischen Umlaufs erklären, die der
Längenbewegung bezüglich der Ekliptik überlagert sind und in den Oppositionszeiten zu der eigentlichen Schleifenbildung bei
den äußeren Planeten führen. Ptolemäus hat sich im 13. Buch des „Almagest“ ausgiebig mit diesem Problem beschäftigt und eine
befriedigende Lösung gefunden.
Ptolemäus erkannte, daß (im Gegensatz zum Mond) der größte Winkelabstand eines äußeren Planeten zur Ekliptik stets im
gleichen Längenabstand zur Apsidenlinie erreicht wird. Das bedeutet, daß auch die Verbindungslinie der Durchstoßungspunkte
der Planetenbahn mit der Ekliptik eine feste, aber für jeden Planeten andere Lage hat. Diese Verbindungslinie ist die Knotenlinie.
Sein erster Schritt war deshalb, die Ebene des Deferenten um einen bestimmten Winkel i aus der Ekliptikalebene herauszuheben,
wobei die „Drehachse“ die Knotenlinie bildet. Den Winkel i wählte er dabei so, daß damit gerade der maximale Breiteneffekt, der
während der Phase der Rückläufigkeit erreicht wird, ausgeglichen wird. Für den Mars ist das z.B. ein Winkel von ~1°50‘ und für
Saturn sogar von 2°30‘. Das reichte aber noch nicht aus, um die Breitenschwankung vollständig zu eliminieren. Er mußte auch
noch die normalerweise in der Deferentenebene liegende Epizykelebene um einen Winkel A heraus kippen, wobei der Kippwin-
kel von der Lage des Punktes C in bezug auf die Knotenlinie abhängt. Während der Bewegung des Epizykelzentrums vom auf-
steigenden Knoten bis zum Apogäum AP neigt sich die Epizykelebene langsam, wobei sich das wahre Apogäum des Epizykels
nach Süden und das wahre Perigäum des Epizykels nach Norden wendet. Die Kippachse ist dabei der Durchmesser des Epizy-
kels, der als Tangente zum Deferentenkreis fungiert und der immer parallel zur Ekliptik verbleibt. A erreicht offensichtlich sei-
nen Maximalwert, wenn sich der Planet im wahren Apogäum A‘ des Epizykels befindet um danach wieder abzunehmen, bis der
Planet den Punkt P‘ erreicht. Diese komplizierten Bewegungen wurden später von Ptolemäus weiter verbessert und vereinfacht,
wie seine überlieferte Schrift Hypotheseis ton planomenon („Hypothesen über die Planeten“) beweist. Er richtete darin auf der
gesamten Bahn (wir sprechen hier nur von den äußeren Planeten) die Epizykelebene streng nach der Ekliptik aus, was helio-
zentrisch gesehen soweit in Ordnung ist, da die Epizykelbewegung nichts anderes als die jährliche Bewegung der Erde um die
Sonne aus geozentrischer Sicht darstellt.
Hier ist es jetzt interessant, die Frage nach der „Richtigkeit“ bzw. „Falschheit“ der ptolemäischen Lehre in einem zeitlichen Ab-
stand von fast 2000 Jahren zu stellen. Man weiß mittlerweile, daß physikalisch alle gleichförmig und geradlinig gegeneinander
bewegten Bezugssysteme (Inertialsysteme) physikalisch gleichberechtigt sind (beschrieben durch die Galilei-Transfor-
mationen). Diese „Relativitätsprinzip“ sagt aus, daß die Geschwindigkeit keine inhärente Eigenschaft eines Körpers ist, sondern
nur in Relation zu anderen Körpern existiert. ALBERT EINSTEIN hat 1905 weiterhin dargelegt, daß dieses Prinzip unter Beachtung
der von jedem Bezugssystem (genauer Inertialsystem) unabhängigen Vakuumlichtgeschwindigkeit auch für nichtmechanische
Vorgänge gilt (insbesondere für die Maxwellschen Gleichungen der klassischen Elektrodynamik). Wendet man dieses Prinzip auf
das geozentrische System der alten Griechen und auf das heliozentrische System des COPERNICUS oder KEPLER an, dann ergeben
sich zwei verschiedene Bezugsysteme, in denen die Bewegung der Planeten sowie der Sonne und des Mondes beschrieben wer-
den. MAX BORN hat das in seinem Buch „Die Relativitätstheorie Einsteins und ihre physikalischen Grundlagen“ überspitzt wie
folgt ausgedrückt: „Von Einsteins hoher Warte gesehen haben Ptolemäus und Kopernikus gleiches Recht: beide Standpunkte liefern
dieselben Naturgesetze… Welchen Standpunkt man wählt, ist nicht aus Prinzipien entscheidbar, sondern Sache der Bequemlichkeit.“
Dieser Argumentation kann man sich anschließen, solange man nur an einer befriedigenden Beschreibung der Phänomene und
weniger an ihren physikalischen Ursachen interessiert ist. Im Prinzip ist es möglich, in einer ersten Näherung das ptolemäische
Epizykel-System aus dem heliozentrischen abzuleiten, in dem man das Bezugsystem vom Sonnenmittelpunkt in den Erdmittel-
punkt verlegt und die Eigenrotation und die Neigung der Erdachse zur Ekliptik berücksichtigt. Es bleibt aber eine Näherung,
solange man sich nicht vom Kreisbahndogma verabschiedet. Das war auch der Grund, warum Nicolaus Copernicus mit seinem
neuen System zwar einen riesigen Sprung in der Frage der logischen Einfachheit (man schaue sich nur einmal die unterschiedli-
che Behandlung der Oppositionsschleifen in beiden Weltsystemen an), aber nur einen relativ bescheidenen in punkto Verbesse-
rung der Vorhersagegenauigkeit erreichte (auch Copernicus benötigte noch Epizykel). Erst die Entdeckung des Gravitationsge-
setzes erlaubte eine physikalische Begründung und die Entwicklung einer Himmelsmechanik. Die Entdeckung der jährlichen
Aberration des Sternlichts durch Bradley zeigte dann endgültig, daß sich die Erde um die Sonne bewegt. Die sogenannte „koper-
nikanische Revolution“ bereitete also gewissermaßen eine Physikalisierung des Weltbildes vor, bei dem es nicht nur um die
adäquate Beschreibung von Erscheinungen in Sinne ihrer Vorhersagbarkeit ging (was das ptolemäische System ja über 1400
Jahre lang mit befriedigender Genauigkeit leistete), sondern um ihre Ursachen und ihre Begründung. Nicht nur aus Bequemlich-
keit ist es sinnvoller, bei der Beschreibung der Bewegungen im Sonnensystem von der Sonne als deren Mittelpunkt auszugehen.
Die Erde als Beobachtungsort 39
Kapitelzusammenfassung
Scheinbare Planetenbahnen
n Sonne, Mond und Sterne werden schon seit altersher aufmerksam beobachtet. Ihre Bewegung am Himmel bildete in
den frühen Kulturen die Grundlage für die ersten Kalendersysteme, die für das Zusammenleben der Menschen sehr
wichtig sind. In dem man die Himmelskörper als sichtbare Zeichen der Götter betrachtete, entstanden die ersten Ast-
ralreligionen.
n Wenn man sich über die Herkunft unserer heutigen Namen der großen Planeten und eines Großteils ihrer Monde aus
erster Hand informieren möchte, ist Gustav Schwabs "Sagen des klassischen Altertums" ein guter Ausgangspunkt.
n Alle Planeten bewegen sich im Bereich der Ekliptik (scheinbare Sonnenbahn am Himmel) innerhalb einer siderischen
Periode überwiegend von West nach Ost (rechtläufig) durch den Tierkreis (Zodiakus).
n Bei den äußeren Planeten beobachtet man zur Zeit der Opposition auch rückläufige Bewegungen, die zu Bahnschleifen
unter den Sternen führen. Solche Oppositionsschleifen sind besonders beim Planeten Mars sehr auffällig.
Geozentrisches Weltsystem
n Die geozentrische Weltsicht ist die natürliche Erklärung für die tägliche Bewegung der Himmelskörper von Ost nach
West über die Himmelskugel. Sie konnte erst endgültig überwunden werden, als man das Rotationsverhalten der Erde
absolut nachweisen konnte. Das gelang zu Beginn der Neuzeit (tägliche Aberration, Foucaultsches Pendel).
n Mathematisch-geometrische Modelle zur Erklärung der Himmelserscheinungen wurden insbesondere im alten Grie-
chenland entwickelt. Dabei gelangen eine Vielzahl erstaunlicher Entdeckungen: Präzession der Äquinoktien (Hipparch
von Nicaia), Größe und Entfernung des Mondes, Nachweis, daß die Sonne viel weiter entfernt ist als der Mond und des-
halb auch viel größer als die Erde sein muß (Aristarch von Samos), Messung des Erdumfangs (Eratosthenes), Entwick-
lung des Deferent-Epizykel-Modells, mit dem es unter Beibehaltung des Kreisbahndogmas (EUDOXOS, PLATON) gelang,
die Positionen von Sonne, Mond und Planeten mit einer für die damalige Zeit genügenden Genauigkeit voraus zu be-
rechnen (APPOLONIUS VON PERGE, CLAUDIUS PTOLEMÄUS).
n Das geozentrische Weltsystem geht davon aus, daß der Erdmittelpunkt auch der Weltmittelpunkt ist. Um diese Welt-
mitte bewegen sich die Himmelskörper in der Reihenfolge Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn auf
idealen Kreisbahnen (Kreisbahndogma, PLATON). Dahinter folgt die Fixsternsphäre, deren Entfernung aufgrund des
Fehlens einer Parallaxe nicht angegeben werden kann.
n Physikalisch wurde das geozentrische Weltsystem durch den Lehrsatz der peripatetischen Schule, nach dem alle
schweren Körper bestrebt sind, in Richtung Weltmitte zu fallen, begründet.
Epizykeltheorie
n Die Epizykeltheorie ist eine mathematische Theorie, die es erlaubt, ohne explizite Begründung der Ursachen die Bewe-
gung der Planeten auf der scheinbaren Himmelskugel mit einer durchaus erstaunlichen Genauigkeit vorherzusagen. Sie
geht auf APPOLONIUS VON PERGE zurück und wurde von CLAUDIUS PTOLEMÄUS weiterentwickelt.
n In dieser Theorie bewegt sich der Mittelpunkt eines Epizykels innerhalb einer siderischen Umlaufsperiode auf einem
Kreis, der als Deferent bezeichnet wird, um die Himmelskugel. Der Planet selbst bewegt sich wiederum auf der Peri-
pherie des Epizykels in einer synodischen Periode gleichmäßig um dessen Mittelpunkt. Seine aktuelle Position ist durch
die (auf den Frühlingspunkt) bezogene Richtung (Winkelabstand) gegebenen. Durch diese zusammengesetzte Bewe-
gung konnte die zeitweilige Rückläufigkeit der äußeren Planeten („Zweite Ungleichheit“) beschrieben werden.
n Um die „Erste Ungleichheit“ zu erfassen, wurde ein aus der Mitte des Deferenten um einen bestimmten Abstand
herausgerückter Punkt eingeführt, der als Ausgleichspunkt (punctum aequans) bezeichnet wird. Er hat die Eigenschaft,
daß sich die Epizykelmitte um diesen Punkt mit gleichförmiger Winkelgeschwindigkeit bewegt. Die Erde befindet sich
dagegen im gleichen Abstand wie der Ausgleichspunkt auf der anderen Seite der Mitte des Deferenten, wobei alle drei
40 Kapitelzusammenfassung, Aufgaben
Punkte auf einer Gerade liegen. Die Planetenbewegung, die vom Ausgleichspunkt gesehen noch gleichförmig verläuft,
erscheint vom Weltmittelpunkt aus ungleichförmig. Dabei wird die Stelle auf dem Deferenten, wo die Geschwindigkeit
am größten ist, als Perigäum und die Stelle, wo sie am geringsten ist, als Apogäum bezeichnet. Verbindet man beide
Punkte, dann erhält man die Apsidenlinie. Der Abstand zwischen Ausgleichspunkt (bzw. Weltmittelpunkt) vom Zent-
rum des Deferenten ist die Exzentrizität.
n Im geozentrischen Weltsystem werden die inneren Planeten (Merkur und Venus), die äußeren Planeten (Mars, Jupiter,
Saturn), der Mond und die Sonne unterschiedlich behandelt. Besondere Schwierigkeiten bereiteten dabei die inneren
Planeten und dort insbesondere Merkur.
n Das ptolemäische System ist ohne Zweifel eines der erfolgreichsten Gedankengebäude der Menschheit. Es hatte über
1400 Jahre Bestand und wurde erst zu Beginn der Neuzeit durch das kopernikanische System abgelöst, bei dem wieder
– wie bei ARISTARCH VON SAMOS – die Sonne im Weltmittelpunkt steht.
Scheinbare Planetenbewegungen am Himmel
n Die relative Lage der Planeten in bezug auf Sonne und Erde bezeichnet man als Konstellationen. Bei den inneren Plane-
ten Merkur und Venus unterscheidet man untere und obere Konjunktion sowie die Elongation. Bei den äußeren Plane-
ten gibt es dagegen Konjunktions- und Oppositionsstellungen. Außerdem gibt es noch die Quadraturen, wenn Sonne
und Planet an der Himmelskugel einen Winkelabstand von 90° haben.
n Die Zeit, in der sich ein äußerer Planet auf seiner scheinbaren Bahn rückläufig bewegt, bezeichnet man als Oppositions-
zeit.
n Phasen treten sowohl bei inneren als auch bei äußeren Planeten auf. Jedoch nur die inneren Planeten Merkur und Ve-
nus besitzen einen kompletten Phasenzyklus.
Aufgaben / Diskussionen
1. Diskutieren Sie den Zusammenhang zwischen dem
Äquanten und der Zeitgleichung. Stellen Sie sich ihn
dazu als einen fiktiven Punkt am Himmel relativ zur
Sonne vor.
2. Erklären Sie, warum die äußeren Planeten keinen
vollständigen Phasenzyklus für einen irdischen Beo-
bachter aufweisen können. Welcher der äußeren Pla-
neten zeigt den größten maximalen Phasenwinkel?
3. Merkur befindet sich im Perihel 0.304 AU und im
Aphel 0.467 AU von der Sonne entfernt. Berechnen Sie
für diese beiden Fälle die maximale Elongation für ei-
nen Beobachter auf der Erde.
4. Was versteht man unter Erster und Zweiter Ungleich-
heit? Wodurch wird im heliozentrischen System die
erste Ungleichheit hervorgerufen?
5. Was ist ein Epizykel und warum ist er so wichtig, um
im ptolemäischen System die zeitweise retrograde
Bewegung der Planeten zu erklären?
6. Wie läßt sich die retrograde Bewegung eines Planeten
im heliozentrischen System erklären und warum ist
diese Erklärung logisch einfacher?
7. Wie kann man im Epizykel-Modell erklären, daß ein
äußerer Planet während der Oppositionszeit beson-
ders hell erscheint?
8. Erklären Sie die Konstellationen der inneren und
äußeren Planeten aus heliozentrischer Sicht!
9. Der griechische Gelehrte Eratosthenes bemerkte um
225 v.Chr., daß, wenn die Sonne in Syene zu Mittag
keinen Schatten wirft, in Alexandria die Sonne ca. 7.2°
vom Zenit entfernt steht. Aus der Entfernung von
Syene zu Alexandria von ca. 5000 Stadien (er nutzte
wahrscheinlich die Daten ägyptischer Landvermesser)
berechnete er den Erdumfang. Wenn ein Stadium ei-
ner Länge von 148.5 m entspricht und man sein Er-
gebnis mit dem modernen Wert vergleicht (U=40008
km), um wieviel lag er falsch?
10. Was ist der Unterschied zwischen der siderischen und
synodischen Periode eines Planeten?
11. Warum nähert sich die synodische Periode eines äu-
ßeren Planeten immer mehr der siderischen Umlaufs-
periode der Erde an, je weiter er entfernt ist?
12. Wie groß ist die maximale Elongation von Merkur und
Venus für einen Beobachter auf dem Mars?
Die Bewegungen aller Himmelskörper so vollständig kennen zu lernen, daß für jede
Zeit genügende Rechenschaft davon gegeben werden kann, dieses war und ist die Auf-
gabe, welche die Astronomie aufzulösen hat.
Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846)
Populäre Vorlesungen über wissenschaftliche Gegenstände, 1848