Heft 138
KLINISCHE UND ETHISCHE ASPEKTE
DER PHARMAKOGENETIK
Michael T. Zühlsdorf und Jochen Kuhlmann
August 2002
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KLINISCHE UND ETHISCHE ASPEKTE
DER PHARMAKOGENETIK
Michael T. Zühlsdorf und Jochen Kuhlmann
EINFÜHRUNG
Während der letzten Dekade wurden annähernd alle Schritte der Arzneimittelfor-
schung optimiert. Dazu gehören insbesondere die Suche nach neuen Zielstrukturen, die Hoch-
durchsatzsynthese neuer Substanzen mit Hilfe der kombinatorischen Chemie sowie deren
Optimierungsprozess zum geeigneten Entwicklungskandidaten. Dies hat einerseits zu einer
Fülle neuer Entwicklungskandidaten geführt, andererseits aber nicht deren Entwicklungs-
risiken signifikant vermindert. Immer noch gehören unerwünschte Arzneimittelwirkungen
sowie fehlende Wirksamkeit zu den Hauptgründen eines Entwicklungsabbruchs oder im Ex-
tremfall der frühzeitigen Rücknahme marktgeführter Arzneimittelpräparate, wie z.B. Terfena-
din (Seldane®), Felbamat (Felbatol®), Dexfenfluramin (Redux®) oder Troglitazon (Rezulin®)
[Kurth, 2000]. Diese Probleme traten in der Regel nicht bei der Gesamtheit aller untersuchten
Patienten, sondern nur bei einer Subgruppe während der späten klinischen Entwicklung auf.
Die individuelle Auswirkung eines Arzneimittels auf den Organismus ergibt sich aus
dem Zusammenwirken der Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechselung sowie Ausscheidung
(Pharmakokinetik) und der Arzneimittelwirkung (Pharmakodynamik) einer applizierten Sub-
stanz. Die interindividuellen Unterschiede dieser Parameter wiederum beruhen auf den Wech-
selwirkungen verschiedener individueller und ethnischer bzw. kultureller Faktoren, die man
unter dem Begriff Pharmakoanthropologie zusammenfasst (siehe Abbildung 1). Da man in
den klinischen Studien die Unterschiede in den nicht individuellen sowie messbaren individu-
ellen Faktoren (sogenannte Phänotypen) minimiert hat, bleiben als ein bisher noch nicht aus-
reichend untersuchter Aspekt die genetischen Faktoren zur Erklärung unerwarteter Studiener-
gebnisse. Die individuellen genetisch bedingten Unterschiede umfassen insgesamt wahr-
scheinlich ca. 4 Millionen Variationen (sogenannte Einzelbasenmutationen oder SNPs - Sin-
gle Nucleotide Polymorphisms), wodurch statistisch jede 1000ste Nukleinbase der DNA be-
troffen ist. Diese Einzelbasenaustausche sind größtenteils ohne phänotypische Bedeutung,
einige können jedoch drastische Auswirkungen haben. Das Enzym Thioprurin-Methyl-Trans-
ferase beispielsweise ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt in der Verstoffwechselung
von Purinanaloga wie z.B. 6-Mercaptopurin und seiner Prodrug Azathioprin, die in der
Krebstherapie eingesetzt werden. Da sowohl die Nebenwirkungen als auch die Effektivität
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direkt von der Plasmakonzentration abhängen, traten unter 6-Mercaptopurintherapie in Sub-
gruppen vermehrt tödliche Nebenwirkungen als auch hohe Inzidenzen von Sekundärtumoren
auf [Evans et al., 2001]. Der Grund hierfür ist eine starke Variabilität der TPMT-Enzymakti-
vität, die durch 4 genetische Mutationen (TPMT*2, TPMT*3A, TPMT*3B und TPMT*3C)
determiniert ist. Durch Nachweis dieser Mutationen für jeden Patienten vor der Therapie kön-
nen sowohl Patienten ohne TPMT-Aktivität von der Therapie ausgeschlossen, als auch solche
mit sehr hoher Aktivität mit einer höheren Dosis sicher behandelt werden. Ein Beispiel für
eine genetisch bedingte Erkrankung ist das Gilbert Syndrom, bei dem durch eine Mutation in
dem Promotor-Bereich des UDP-Glukuronosyl-Transferase 1A1 Gens die Serumbilirubin
Spiegel sporadisch erhöht sind, was sich in einer Gelbsucht manifestieren kann. Bei 15% aller
Männer und 8,5% der weiblichen Europäer findet sich eine Verlängerung in der Promotorse-
quenz des kodierenden Gens, was mit einer verminderten Sekretion und Aktivität des Enzyms
einhergeht. Patienten mit diesem Genotyp zeigen sporadisch erhöhte Bilirubin-Spiegel als
auch eine höhere Inzidenz schwerer Nebenwirkungen bei der Therapie mit Irinotecan [Ando
et al., 2000]. Durch Typisierung kann in diesem Fall sowohl die ansonsten schwierige
Ausschlussanalyse Gilbert Syndrom ersetzt werden [Rauchschwalbe et al., 2002], als auch
eine Dosisanpassung in der Zytostatikatherapie mit Irinotecan durchgeführt werden.
In der Arzneimittelentwicklung ist die gezielte Untersuchung genetischer (und phar-
makogenetischer) Merkmale weiterhin die logische Fortführung der modernen Ansätze zur
Zielstruktursuche. Diese umfasst den Schritt von Phänotypen oder Tiermodellen bis hin zur
Identifikation molekularer Marker mit Hilfe der "funktionellen Genomik" in humanen Zellen
oder Geweben. Potentielle Zielstrukturen werden weiterhin durch Linkage- bzw. Assozia-
tionsstudien in Patientengruppen sowie aus eingelagertem genomischen Probenmaterial iden-
tifiziert. Diese neuen molekularen Methoden in Kombination mit den Ultra-Hochdurchsatz-
Screening Methoden ermöglichen ein verbessertes Verständnis der molekularen und zellulä-
ren Vorgänge sowie der Pathophysiologie, die das individuelle Krankheitsrisiko, den Krank-
heitsverlauf sowie die Therapiechancen und -risiken beschreiben. Weiterhin ermöglichen sie
der pharmazeutischen Industrie neue Therapiemöglichkeiten zu erforschen, das Risiko für
Fehlentwicklungen zu minimieren und für die individuellen Patientenpopulationen optimierte
Arzneimittel zu entwickeln [Roses, 2000]. Die dazu benötigten Techniken sowie Computer-
programme werden zur Zeit sowohl in der pharmazeutischen Industrie als auch in speziali-
sierten, sogenannten "Genomik-Firmen" etabliert. Diese Parteien stehen in einem stetigen
Wettrennen, um immer neue Zielstrukturen zu identifizieren, zu patentieren und zu validieren,
als auch immer schnellere, mächtigere und präzisere Methoden zu entwickeln. Dies erfordert
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enorme Investitionen, die heutzutage an die Milliarden Dollar/Euro Grenze heranreichen oder
sogar überschreiten.
EINSATZ DER PHARMAKOGENETIK IN DER FORSCHUNG UND
PRÄKLINISCHEN ENTWICKLUNG
Die Herausforderung der pharmazeutischen Forschung besteht seit jeher in der Identi-
fikation und Validierung potentieller Zielstrukturen für eine Arzneimitteltherapie. Während
man früher in der Regel von einem kliniko-chemisch charakterisiertem Patho-Mechanismus
in Tiermodellen nach geeigneten Substanzklassen zur Linderung des Krankheitsgeschehen
suchte, wird dieser verständnis-getriebene Ansatz heutzutage größtenteils durch einen daten-
getriebenen Ansatz ersetzt. Die funktionelle Genomik und insbesondere die sogenannte
"Differential Display" Technik, bei der die Transkription und / oder Expression von gesunden
mit kranken Zellen oder Organen verglichen wird, treiben dieses Umdenken. Bei diesen
Transkriptionsanalysen werden eine große Anzahl möglicher Targets für eine Therapie gelie-
fert, doch ist ein Großteil der gefundenen mRNAs entweder unbekannt oder ihr Anteil am
Pathomechanismus noch unverstanden. Daher ist es unumgänglich, dass diese Daten im Rah-
men der verschiedenen Forschungs- und Entwicklungsphasen erarbeitet werden müssen. Dies
erfordert auch dort den Einsatz von Hochdurchsatzmethoden sowie flexiblen und schnellen
Untersuchungsmethoden, die schon zu möglichst frühen Zeitpunkten eine Beurteilung des
therapeutischen Prinzips sowie der Substanzeigenschaften ermöglichen. Erste Anwendungen
sind heute beispielsweise mit dem Metabolismus-Screening neuer Leitstrukturen oder Ent-
wicklungskandidaten bereits erfolgreich etabliert. Modelle zur enteralen Resorption, die
Transporterstrukturen einschließen, sind in der Entwicklung oder werden bereits eingesetzt.
Im Hochdurchsatzscreening für die biologische Aktivität ist der Einsatz humaner oder rekom-
binanter Systeme bereits Standard. Der Bereich der toxikologischen Untersuchungen wird
bald nachziehen und es werden Screeninsysteme etabliert, bei denen die Transkription / Ex-
pression von nicht-Target-Zellen untersucht wird. Mögliche Auffälligkeiten in diesen Tests
werden Hinweise auf potentielle toxikologische Effekte zulassen, die in die Gesamtbewertung
einer Substanz eingehen. Durch Vergleich mit Referenzsubstanzen mit bekannten Nebenwir-
kungsprofilen kann dann eine Bewertung des Nebenwirkungspotentials erfolgen.
Diese Analysen werden von einer Reihe spezialisierter Biotech Firmen (sogenannte
Genomics Firmen) aber auch den Forschungsabteilungen der Pharmafirmen durchgeführt. Die
funktionelle Genomik wird neben einem vertieften Verständnis der Pathophysiologie einer
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Krankheit und der ihr zugrundeliegenden genetischen Faktoren auch zur Identifikation von
neuen therapeutischen Prinzipien beitragen. Das Verständnis der Gen- und Proteinfunktion
sowie deren Regulation ist der kritische Schritt zur Identifizierung klarer Krankheitskorrela-
tionen und neuen Ansatzstellen einer therapeutischen Intervention.
Die Ergebnisse der nun fast beendeten humanen Genomsequenzierungsprojekte
HUGO und von Celera Genomics zeigen, dass der Mensch ca. 35.000 Gene besitzt [Ewing
und Green, 2000; Venter et. al., 2001], von denen ca. 3.000 - 5.000 als sogenannte "Key Tar-
gets", also potentielle Strukturen für eine Arzneimitteltherapie angesehen werden. Davon sind
heutzutage wiederum etwa 600 Targets bereits bekannt und die neuen genomischen Methoden
eröffnen nun die Möglichkeit die restlichen Gene in kurzer Zeit zu identifizieren, was sich
auch in den dramatisch gestiegenen Zahlen beschriebener Gene/Jahr widerspiegelt. Der Be-
weis, dass ein spezifisches Gen mit einer spezifischen Funktion oder einem spezifischen
Krankheitsgeschehen korreliert, wird heutzutage größtenteils mit Hilfe sogenannter Linkage-
oder Assoziationsstudien gezeigt. Dabei wird entweder an verwandten oder nicht verwandten
Personen eine biochemische Reaktion und/oder Pathophysiologie zu einem bestimmten
Chromosomenbereich oder einem spezifischen Gen gezeigt [Roses, 2000a]. Diese Studien
erfordern Hunderte oder sogar Tausende von Studienteilnehmern, wobei die großen Volks-
krankheiten wie beispielsweise Atherosklerose bedingt durch die Beteiligung mehrerer Gene
am Krankheitsgeschehen sogar Zehntausende von Studienteilnehmer erfordern werden [Ri-
oux, 2000].
Konkrete Projekte, die heutzutage in den Forschungsabteilungen der pharmazeu-
tischen Industrie vorangetrieben werden, bauen auf diesen Erkenntnissen und haben insbe-
sondere die schon besprochene Neuidentifikation von Zielstrukturen als auch die Vorhersage
genetisch determinierter Variabilitäten in Wirkung und Sicherheit sowie der Identifikation
neuer Targets für bestehende Arzneimittel zum Ziel [Gould Rothberg et al., 2000].
Der nächste logische Schritt innerhalb der Forschungsaktivitäten besteht in der Unter-
suchung des Einflusses der verschiedenen Allele auf die Pharmakokinetik, Pharmakodynamik
sowie Sicherheit einer Substanz. Die dazu benötigten Allelfrequenzen und -Typen können
entweder aus der Screeningphase selber, verschiedenen öffentlichen oder kommerziellen Da-
tenbanken sowie aus speziellen Distributionsstudien erhalten werden. Mit dem Wissen, dass
in Patienten zwei verschiedene Allele auftreten, werden dann beide Allele in Expressions-
systeme kloniert und für das jeweilige Screening verwendet. Eine ideale Substanz würde dann
in beiden Fällen eine vergleichbar gute Aktivität zeigen. Ein alternativer Ansatz wäre aber
auch die Optimierung der Wirkung auf ein spezielles Allel hin, deren Träger zur Zeit noch
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nicht oder noch nicht ausreichend therapiert werden kann. Solche Bestimmungen der
"Sensitivitätsunterschiede" werden auch in den toxikologischen Untersuchungen Einzug
halten und die Qualität der Entwicklungskandidaten steigern.
Alle erhobenen in vitro Daten werden integraler Bestandteil der Substanzspezifikationen
werden und zur rationalen Selektion der am besten geeigneten Substanzen für die klinische
Entwicklung führen. Mit dem Wissen relevanter Polymorphismen in wichtigen Strukturen für
Pharmakokinetik, Pharmakodynamik oder Sicherheit einer neuen Substanz können dann
frühzeitig klinische Studien durchgeführt werden, die speziell auf die resultierenden
Fragestellungen optimiert werden und die Erfolgsaussichten für eine Markteinführung
erhöhen. Weiterhin wird die Nutzen-Risikoabwägung durch ein breiteres mechanistisches
Verständnis auch seltener Nebenwirkungen verbessert.
PHARMAKOGENETISCHE ASPEKTE IN DER KLINISCHEN
ARZNEIMITTELENTWICKLUNG
Wie alle anderen in der Forschung und präklinischen Entwicklung erhobenen Daten
gehen auch die pharmakogenomischen Eigenschaften jedes Entwicklungskandidaten in die
abschließende Bewertung sowie eine mögliche Entwicklungsfreigabe ein. Liegen wahr-
scheinlich relevante genetische Einflussfaktoren bei einem Entwicklungskandidaten vor, so
hat dies Einfluss sowohl auf die Entwicklungsstrategie als auch das Design sowie die Größe
jeder einzelnen Studie. Aufgrund der Prävalenz der einzelnen Genotypen und des erwarteten
Effektes kann so sowohl die Anzahl der zu untersuchenden Patienten bzw. Probanden als
auch die Anzahl der einzuschließenden Studienteilnehmer festgelegt werden. Das erwartete
Ausmaß des pharmakogenomischen Effektes bestimmt weiterhin Studiendauer, Dosis und
Dosisintervalle, als auch Untersuchungsmaßnahmen (z.B. Probenabnahmen für pharmako-
kinetische und pharmakodynamische Bestimmungen) für klinische Studien mit bekannten
Arzneimitteln und Entwicklungssubstanzen.
Die Hauptanwendungsgebiete für klinische Studien mit bereits eingeführten Arznei-
mitteln liegen dabei in der Therapieoptimierung bzw. Reduktion von Nebenwirkungen und
der Indikationsausweitung. Bei der Therapieoptimierung wird der Effekt der einzelnen Poly-
morphismen in den pharmakokinetisch sowie pharmakodynamisch relevanten Proteinen un-
tersucht. Dies kann sowohl zur Identifikation einer sensitiven Patientengruppe als auch einer
individuellen Dosisanpassung führen. Bei klinischer Relevanz werden diese Optimierungen
Eingang in die klinische Praxis finden und zur verbesserten Arzneimittelsicherheit führen.
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Anhand von einigen Beispielen kann das Potential der pharmakogenetischen Methoden ex-
emplarisch verdeutlicht werden. Neben einer weiteren großen Anzahl von Arzneimitteln wird
auch das Antikonvulsivum Mephenytoin von CYP2C19 metabolisiert. Mephenytoin ist ein
racemisches Gemisch aus R-(-)- und S-(+)-Mephenytoin und wird bei Epilepsie verordnet.
Während der größte Teil der Bevölkerung das S-Mephenytoin schnell und stereoselektiv zum
unwirksamen Hauptmetabolisierungsprodukt 4-Hydroxy-Mephenytoin biotransformiert, zei-
gen ca. 3-5 % der Europäer und Nordamerikaner sowie bis zu 23 % der Japaner ein fast voll-
ständiges Fehlen dieses Biotransformationsproduktes [de Morais et al., 1994]. Insgesamt
wurden 11 verschiedene Allele identifiziert, die für diesen sogenannten "Poor Metabolizer"
Status verantwortlich sind. Der aktive Metabolit 3-Desmethyl-Mephenytoin kann hingegen
von langsamen und schnellen Metabolisierer in gleichem Ausmaß gebildet werden, wird je-
doch im Gegensatz zu Mephenytoin mit einer Halbwertzeit von mehreren Tagen viel langsa-
mer weitermetabolisiert. Dies erklärt die Häufigkeit toxischer Nebenwirkungen wie Anämien,
Erythemen und Leberschäden in der Gruppe der "Poor Metabolizer". Die genetische Prä-
dispositionen beim Therapieerfolg des M. Alzheimer mit Tacrin untersuchten Poirer et al.
[1995] in einer doppelblinden Studie mit 40 Patienten. Sie konnten eine klare Abhängigkeit
des therapeutischen Erfolgs vom Genotyp des Apolipoprotein E zeigen. Apolipoprotein E
(ApoE) ist ein kritischer Faktor bei der Modulation des Cholesterin- und Phospholipid-Trans-
ports zwischen verschiedenen Zellen. Im Menschen kommen 3 verschiedene ApoE Allele
vor: APO epsilon 2, APO epsilon 3 und APO epsilon 4. Das Apoε4 Allel ist ein Risikomarker
für einen sporadischen und früh-einsetzenden familiär vererbbaren Typ der Alzheimer
Krankheit. Es war bereits bekannt, dass die Anzahl der Apoε4 Allele (die sogenannte Gendo-
sis) nicht nur einen Risikofaktor für diese spezifische Alzheimer-Form, sondern auch mit ei-
nem frühen Beginn, der Akkumulation seniler Plaques im Gehirn und verminderter Cholin-
Acetyltransferase (ChAT) Aktivität im Hippocampus korreliert ist. In der Studie konnte ge-
zeigt werden, dass AD Patienten ohne apoE4 Allele normale ChAT Aktivitäten aufweisen und
nach 30 Wochen zu mehr als 80% sichtbare Verbesserungen zeigten (gemessen anhand des
sogenannten ADAS Score). Demgegenüber zeigten 60% der apoE4 Träger eine Verschlech-
terung ihres ADAS verglichen mit dem Ausgangswert. Aus diesen Resultaten geht hervor,
dass Apoε4 als kritischer Faktor angesehen werden muss, und dass eine Genotypisierung
nicht nur für die genaue Diagnose, sondern auch für die Identifikation geeigneter Patienten
zur Therapie mit Tacrin verwendet werden kann. In einer weiteren klinischen Studien mit
Patienten mit moderatem Asthma konnte gezeigt werden, dass das forcierte Ausatemvolumen
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(FEV1) sowie der allgemeine Effekt nach oraler Administration von Albuterol in Patienten
mit dem wildtypischen ß2-Adrenorezeptor (Arg16/Arg16) stärker als bei der Vergleichs-
gruppe mit heterozygot bzw. homozygot mutiertem (Arg16/Gly16) ß2-Adrenorezeptor ausge-
prägt war. Der maximale Effekt auf die FEV1 (%Delta FEV1) war 18% vs. 4.9% [Lima et al.,
1999]. Die Plasmakonzentration von Albuterol war in allen Gruppen unverändert (s. Abbil-
dung 2). Mit Hilfe der Genotypisierung sind in allen beschriebenen Fällen die gefährdeten
Patientengruppen vor der ersten Applikation der Substanz vorhersagbar, so dass mit einer
Dosisanpassung oder gegebenenfalls mit einer Alternativsubstanz präventiv reagiert werden
kann.
Eine Möglichkeit zur Indikationsausweitung bzw. -suche stellen insbesondere die Ex-
pressionsanalysen dar, da mit ihrer Hilfe eine Vielzahl relevanter Stoffwechselwege parallel
innerhalb kürzester Zeit untersucht und identifiziert werden können. Therapieausweitungen
wie sie für Minoxidil oder insbesondere Acetylsalicylsäure durch jahrzehntelange klinische
Beobachtungen ermöglicht wurden, wären somit innerhalb kürzester Zeit durch ein vertieftes
Verständnis der molekularen Pharmakologie erreichbar. Für die klinische Entwicklung neuer
Arzneimittel ist neben der rationalen Entwicklungsstrategie insbesondere die Reduktion der
Studienteilnehmer interessant, da die Studien kleiner, schneller, fokusierter, organisatorisch
einfacher und besser gepowert werden können [Ledley, 2000; siehe Tabelle 1]. Auch die
Entwicklung von Substanzen für sogenannte kleine Indikationen wird durch die Pharmakoge-
nomik gefördert, da die Entwicklungskosten deutlich reduziert werden können. Dabei ist zu
beachten, dass für die Erstellung des Sicherheitsprofils einer Substanz eine gewisse Anzahl
von Patienten in klinischen Studien nicht unterschritten werden darf.
In den Studien der exploratorischen Phase der klinischen Entwicklung (Phase I und
IIa) wird der Hauptaspekt pharmakogenetischer Untersuchungen in der Identifizierung und
Etablierung von Markern zur Pharmakokinetik sowie Sicherheit und Verträglichkeit eines
Entwicklungskandidaten liegen. Dies umfasst Marker für die Arzneimittelresorption, den Arz-
neimitteltransport, den Arzneimittelmetabolismus, die Arzneimittelausscheidung sowie weite-
rer beteiligter Stoffwechselwege, die nicht das Ziel der Arzneimittelentwicklung sind [Guen-
gerich, 2000]. Da präklinische Daten zu den kritischen Stoffwechselwegen teilweise bereits
vor Studienbeginn vorliegen, können diese Aspekte intensiv gemonitort werden und ermög-
lichen eine frühzeitige Aussage zur klinischen Relevanz. Aber auch die Vorhersage einer
pharmakodynamischen Wirkung mit Hilfe von Biomarkern (bzw. Surrogaten) kann optimiert
und der mögliche Einfluss von Polymorphismen auf die biologische Antwort frühzeitig unter-
sucht werden. Der größte Teil der verfügbaren Biomarker werden biochemische Parameter
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darstellen, da die explorativen Studien meistens in gesunden Freiwilligen durchgeführt wird,
bei denen per se meist keine direkt messbaren Therapieerfolge oder klinische Reaktionen beo-
bachtet werden können. Doch wird auch in dieser Gruppe die Untersuchung des Einflusses
verschiedener Genotypen auf die Biomarkerantwort zumindest teilweise monitorbar sein und
somit auch zur Effektivitätsabschätzung für die Patienten beitragen können. Somit kann teil-
weise mit diesem Ansatz bereits in sehr frühen Phasen die geeignete Patientengruppe sowie
die am besten geeignete Dosierung für die großen konfirmatorischen Studien der Phasen IIb
und III festgelegt werden [Ledley, 2000].
Mit Hilfe der pharmakogenetischen Ergebnisse aus den klinischen Studien können
auch Fragen nach spezifischen, individuellen Einflussfaktoren der Arzneimittelwirkung sowie
-sicherheit durch die Zulassungsbehörden beantwortet werden, was wiederum Einfluss auf die
zukünftigen Forschungsprojekte sowie klinischen Studien haben wird. Die FDA hat sich
bereits 1997 in einer sogenannten Guidance for Industry zu diesem Thema geäußert. Durch
eine individuelle Dosisanpassung könnte die Vermarktung auch solcher Substanzen erreicht
werden, die ohne diese individuellen Anpassungen ein nicht akzeptables und nicht vorhersag-
bares toxikologisches Potential besitzen [U.S. Department of Health and Human Services,
1997]. Diese zusätzlichen Verfeinerungen eines Substanzprofils potentieller Entwicklungs-
substanzen sollte die Akzeptanzkriterien für einen Start in der klinischen Entwicklungsphase
bereichern und so den Entwicklungsstop von Substanzen ohne reale Marktchancen oder ei-
nem nicht akzeptablen Wirksamkeits- oder Sicherheitspotential schon in der präklinischen
und frühen klinischen Entwicklung ermöglichen [Kuhlmann 1999]. Die Identifikation geneti-
scher Polymorphismen als Ursache für Unterschiede im Metabolismus einer Substanz bei
verschiedenen Patientengruppen sollte daher frühzeitig erfolgen und ihr Einfluss auf die
Dosierung für diese Patienten im Beipackzettel beschrieben werden.
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICKE
Die Entdeckungen der letzten Jahre bezüglich genetischer Polymorphismen der für die
Pharmakokinetik und Pharmakodynamik verantwortlichen Proteine haben entscheidend zu
einem besseren Verständnis der interindividuellen Unterschiede der Arzneimittelantwort in
Patienten beigetragen. Erst nach erfolgter Geno- bzw. Phänotypisierung der Patienten kann
bei klinisch relevanten Polymorphismen die Dosis (insbesondere von Arzneistoffen mit ge-
ringer therapeutischer Breite) an den Enzymstatus des jeweiligen Patienten angepasst, die
Nebenwirkungen aufgrund zu hoher Plasmakonzentrationen vermieden und so der ge-
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wünschte Therapieerfolg sichergestellt werden. Die Bestimmung der Aktivität polymorpher
Enzyme ist heute mittels Genotypisierung sowie Phänotypisierung routinemäßig ohne großen
Zeitaufwand durchführbar und sollte daher, analog anderen Laborparametern, eine breite An-
wendung im Hinblick auf eine verbesserte Arzneimittelsicherheit finden. Zur Absicherung der
pharmakogenetischen Ergebnisse werden in naher Zukunft auch Proteomik sowie Metabono-
mik mit ihren analytischen Möglichkeiten beitragen. Dabei werden sowohl alle Proteine
(Proteomik) als auch alle Metaboliten endogener Stoffwechselwege (Metabonomik) be-
stimmt.
Der Einsatz dieser Methoden zusammen mit immer humanspezifischeren Modellen
wie z.B. humanen Zellkulturen, werden zukünftig zu einem verbesserten Verständnis der phy-
siologischen Grundlagen von Krankheiten und der Arzneimitteltherapie führen, was in der
Konsequenz zu sichereren und wirksameren Medikamenten führen wird. Weiterhin ermögli-
chen diese Techniken der pharmazeutischen Industrie eine frühe Abschätzung des möglichen
Potentials neuer Arzneimitteltargets sowie individueller Entwicklungskandidaten. Die Daten-
erhebung sollte möglichst bereits in der präklinischen Phase der Entwicklung erfolgen, da hier
die Ressourceneinsparung am größten ist und die Forschungsaktivitäten noch einfacher auf
erfolgversprechendere Entwicklungskandidaten umgelenkt werden können. Wichtige gene-
tisch polymorphe Stoffwechselwege können teilweise schon heute qualitativ und quantitativ
charakterisiert werden. Die präklinische Toxikologie sowie die Identifizierung und Etablie-
rung von Biomarkern und Surrogatmarkern (Messgrößen, die mit Arzneimittelwirkungen
bzw. klinischen Endpunkten korrelieren) werden voraussichtlich durch die Genomforschung
wesentliche Impulse erfahren, so dass Arzneimittelwirkungen beim Menschen künftig mit
höherer Präzision vorausgesagt werden können. Innerhalb der klinischen Arzneimittelent-
wicklung wird die Pharmakogenetik insbesondere in der Phase-I und Phase-II eingesetzt wer-
den. Hier steht die Untersuchung polymorpher Stoffwechselwege als auch des Anteils gene-
tisch-kontrollierter Faktoren der Wirksamkeit im Vordergrund. Sofern eine Substanz für eine
genetisch definierte Zielgruppe eine Wirksamkeit von 90% oder mehr entfaltet, könnte ein
Wirkungsnachweis bereits mit Phase-II Studien erbracht werden, so dass größere Studien nur
zum Nachweis der Sicherheit durchgeführt werden müssten.
Dies verringert das Risiko von sogenannten Fehlentwicklungen, die entweder in den
kostenintensiven späten Phasen der Arzneimittelentwicklung oder in der frühen Ver-
marktungsphase abgebrochen bzw. aus dem Markt genommen werden müssen. Die dadurch
nicht verbrauchten Ressourcen können in die Entwicklung alternativer, erfolgversprechender
Projekte investiert werden. Letztendlich wird die Anzahl und Qualität neuer Arzneimittel
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durch den Einsatz pharmakogenomischer Techniken steigen. Andererseits bedeutet die höhere
Selektivität dieser Arzneimittel aber auch ein Aufbrechen der heute noch als homogen ange-
sehenen Patientengruppen mit typischen, charakteristischen Gesundheitsstörungen oder Er-
krankungen. Die Entwicklung von sogenannten „block-buster“ (Medikamenten mit hohen
Umsätzen innerhalb eines Indikationsgebietes) wird damit unwahrscheinlicher. Andererseits
erhöhen sich jedoch auch die Entwicklungschancen von Medikamenten, die nur in Subpo-
pulationen wirksam oder sicher angewendet werden können sowie von Substanzen, die mit
den klassischen Entwicklungsstrategien nur schwer oder überhaupt nicht entwickelt werden
können.
Dass solche Produkte einer "individualisierte Therapie" erfolgreich entwickelt und
vermarktet werden können, zeigt die heutige Antibiotika-Therapie. Der gezielte Einsatz mo-
derner Antibiotika bedingt nicht nur den globalen Nachweis des Erregers, vielmehr erfolgt
eine Resistenz-Prüfung des spezifischen Erregers vom einzelnen Patienten. Aus der breiten
Palette geeigneter Antibiotika erfolgt also die Selektion des für den Einzelfall best geeigneten
Therapieansatzes. Diese bei bakteriellen Infektionen seit langem etablierte Technik wird in
den letzten Jahren sehr erfolgreich auch bei der HIV-Therapie angewendet. Nicht nur die Se-
lektion der geeigneten Starttherapien erfolgt an Hand des individuellen HIV-Genotypes, auch
ein möglicher Erregerwechsel bzw. –Veränderung wird mittels Genotypisierung nachgewie-
sen und führt zu einer Therapieoptimierung für jeden einzelnen Patienten. Das erste Medika-
ment, dass eine Typisierung eines menschlichen Gens vor Behandlungsstart erfordert ist
Trastuzumab (Herceptin®), ein monoklonaler Antikörper, der in der Brustkrebs-Therapie
eingesetzt wird. Im Rahmen klinischer Studien konnte gezeigt werden, dass Herceptin in der
Gruppe von Frauen, die eine sehr hohe HER-2-Expression zeigten, sehr gut wirksam war, in
den Gruppen mit geringen Expressionsraten konnte hingegen kein positiver Effekt gezeigt
werden. Das Präparat darf dementsprechend auch nur in der Gruppe mit hoher Expression
klinisch angewandt werden [Cobleigh, 1999]. Diese Beispiele veranschaulichen, wie schnell
eine rationale, auf spezifischer Diagnostik beruhende Arzneimitteltherapie nicht nur zugelas-
sen, sondern auch in der ärztlichen Praxis etabliert werden kann, wenn der Nutzen einer ge-
zielten, und damit erfolgreicheren Behandlung die Kosten für die entsprechende Diagnostik
übersteigt. Es kann daher angenommen werden, dass weitere genetische Marker künftig zur
Indikationsstellung einer Therapie verwendet werden.
Dies führt naturgegeben neben der größeren Anzahl an Präparaten auch zu einem stär-
ker fragmentierten Markt. Die Pharmahersteller können in diesem „neuen“ Markt mit zwei
unterschiedlichen Strategien reagieren: Sie können entweder ein Sortiment maßgeschneiderter
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Medikamente für einzelne Subpopulationen anbieten, oder nur gezielt solche Medikamente
entwickeln, die einen möglichst großen Anteil der Totalpopulation abdecken. Letztendlich
wird dadurch auch das Angebot an Arzneimitteln breiter werden, da es teilweise für unter-
schiedliche Geno- und Phänotypen unterschiedliche Therapiemöglichkeiten geben wird. So-
wohl die Auswahl als auch die Dosierung wird dann auf den einzelnen Patienten zugeschnit-
ten sein.
Pharmakogenetische Aspekte werden nicht nur die Arzneimittelentwicklung und The-
rapie verändern, sondern auch die gesamte Medizin und den gesamten Gesundheitsbereich
[Roses, 2000]. Es wird sich beispielsweise die Frage stellen, ob in Zukunft noch die klinisch-
chemische Anamnese zur Indikationsstellung verwendet wird oder der dann vorliegende Ge-
notyp [Kadens und Le Gear, 2000]. Die Genotypisierung aller Menschen schon vor einem
Krankheitsgeschehen würde weiterhin auch den Einstieg in die Präventivmedizin ermögli-
chen, da die frühzeitige Kenntnis von Risikofaktoren zu einer habituellen oder therapeu-
tischen Prophylaxe genutzt werden kann [Fears et al., 2000; Wolf et al., 2000]. Dies erfordert
jedoch auch ein Umdenken in den Krankenversicherungsträgern, weg vom Behandlungs- und
Service-Gedanken und hin zu einem langfristigen Gesundheitserhaltungs-Denken.
Dazu ist es jedoch notwendig, dass dem Arzt zum Zeitpunkt der Diagnose die geneti-
schen Informationen des individuellen Patienten zur Verfügung stehen. Ob dies mittels geeig-
neten Technologien einmalig erfolgen wird (Datenspeicherung auf einer Chipkarte oder Ähn-
lichem) oder jeweils zum Untersuchungszeitpunkt, muss bis dahin entschieden werden. Insbe-
sondere muss der Zugriff auf diese Daten geregelt werden, damit kein Missbrauch entstehen
kann [Issa, 2000]. Dies trifft insbesondere auf Arbeitgeber, Versicherer sowie sonstige An-
bieter speziell im Gesundheitssystem zu. Insgesamt muss ein gesellschaftlicher Konsens über
das Ausmaß sowie die Verwendung genomischer Daten hergeleitet werden. Dazu muss die
breite Bevölkerung über die Möglichkeiten der genomischen Techniken in positivem sowie
auch negativem Sinne informiert werden.
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BEGRIFFSBESTIMMUNGEN
Allel Sequenzvariante eines Gens
Exon Die kodierenden Teilbereiche eines eukaryonten Gens
Expression Umsetzung genetischer Information in Proteine, umfasst die Schritte
der Transkription der DNA in mRNA, sowie der Translation von
mRNA in Protein
Gen Ein DNA-Bereich, der den kodierenden Bereich eines Proteins enthält
Genom Gesamtheit der genetischen Information eines Organismus
Genotyp Genetische Ausstattung eines spezifischen, individuellen Phänotyps
Herterozygot Ein Organismus enthält unterschiedliche Allele eines Gens
Homozygot Ein Organismus enthält ausschließlich gleichartige Allele eines Gens
Intron Nichtkodierende Teilbereiche eines eukaryonten Gens
mRNA Messenger RNA, Intermediärprodukt des Gens
Metabonom Die Gesamtheit aller endogenen Stoffwechselprodukte (Metaboliten)
eines Organismus
Mutation Vererbte oder erworbene (selten) Veränderung des genetischen
Materials (DNA)
PCR Polymerase-Ketten-Reaktion, Verfahren zur Amplifikation von DNA
Phänotyp Sichtbare oder biochemische Ausprägung eines Merkmals
Polymorphismus Variationen eines Geno-/Phänotyps
Proteom Die Gesamtheit aller expremierten Proteine eines Organismus
SNP (Single Nukleotide Polymorphism) Einzelnukleotid-Polymorphismus
Transkription Umschreibung der DNA-Sequenz in mRNA
Transkriptom Die Gesamtheit aller DNA-Transkripte (mRNAs) eines Organismus
Translation Umschreibung von mRNA in Protein
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16
Tabelle 1: Zusammenhang zwischen Anteil der Responder und Studiengröße, -zeit und -kosten
Responder Patienten Studienkosten Studienzeit
% # Euro Monate
10% 7000 34 M 12-18
20% 1800 9 M 6-9
30% 800 4 M 3-6
50% 300 1.5 M 3
70% 150 750,000 2
90% 87 450,000 1.5 Tabelle 2: Einige Gen-Polymorphismen, die einen bekannten Einfluss auf die
Arzneimittelwirkung oder -Metabolismus haben Gen Arzneimittel Auswirkung Literatur CYP2C9 Warfarin Blutungsrisiko bei Warfarin-Therapie Aithal et al. [1999] CYP2C19 Omeprazol Klinischer Effekt Tanigawara [1999]
(Eradikationsrate H. pylori) CYP2D6 Div. Antidepressiva Sicherheit und klinischer Effekt Bertilsson L und
Dahl ML [1996] NAT2 Isoniazid Sicherheit Deguchi et al.
[1990] TPMT Azathioprin Sicherheit und klinischer Effekt Evans et al. [2001] UGT1A1 Irinothecan Sicherheit der Irinothecan Therapie Ando et al. [2000] MDR-1 Digoxin Sicherheit und klinischer Effekt Hoffmeyer [2000] ADRB2 Albuterol Effektivität der Asthma-Therapie mit Lima et al. [1999]
ß2-Adrenorezeptorblockern CETP Pravastatin Effektivität der Therapie mit Pravastatin Kuivenhoven et al.
[1998] 5-HTT Fluvoxamin Effektivität der antidepressiven Wirkung
von Fluvoxamin Smeraldi et al. [1998]
APOE Tacrin Effektivität der Alzheimer Therapie mit Tacrin
Poirier et al. [1995]
Abbildung 1: Zusammenstellung der für die Arzneimittelantwort verantwortlichen
Faktoren.
17
Funktionale Genomik Expressions-Profile
Pharmakogenetik (Genotypen)
Pharmakogenomik
Extrinsische Faktoren Umwelt Klima Schadstoffbelastung Kultur Sozioökonomische
Faktoren Bildung Medizinische Praxis AM Compliance Ernährung Comedikation Stress
Pharmakoanthropologie
Physiologische und pathologische BedingungenAlter Leber / Niere / Cardio - vasculäre FunktionenErkrankungen AM ComplianceRauchen Alkohol Ernährung Comedikation
Intrinsische Faktoren
Pharmakodynamik Target binding Rezeptorsensitivität Rezeptorzahl Signaltransduktion Allele variants ......
PharmakokinetikADME PGP, OATPsCYPsNATsUGTs......
18
Abbildung 2: Einfluss des genetischen Polymorphismus des ß2-Adrenorezeptors auf die Pharmakodynamik des Bronchodilatators Albuterol (nach Lima et al. 1999)
02468
101214161820
% c
hang
e FE
V1
Arg16/Arg16Arg16/Gly16 & Gly16/Gly16
0
2
4
6
8
10
12
14
0 2 4 6 8 10 1
Time [h]
Alb
uten
ol c
onc.
[ng/
mL]
2
19
ANHANG
LEITLINIEN ZUR GESTALTUNG DER PATIENTEN- BZW.
PROBANDENINFORMATION
UND DER EINVERSTÄNDNISERKLÄRUNG BEI GENETISCHEN STUDIEN *(INKLUSIVE PHARMAKO-GENETIK)
Christine Mannhalter, Christiane Druml und Ernst A. Singer Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität Wien und des Allgemeinen
Krankenhauses der Stadt Wien-AKH, Wien. Osterreich
Einleitung
Die Anzahl der bei Ethikkommissionen eingereichten Projekte/Anträge, die genetische
Untersuchungen/Genanalysen zum Inhalt haben, ist in der letzten Zeit sprunghaft gestiegen. Die
Durchführung von molekularbiologischen Untersuchungen wird immer einfacher und die
Anwendungsgebiete werden immer vielfältiger. Da eine große Unsicherheit bei den Antrag-
stellern, seien sie aus dem akademischen, seien sie aus dem industriellen Bereich, besteht, unter
welchen Voraussetzungen derartige Untersuchungen durchgeführt werden können, erschien die
Erstellung von Leitlinien zur Gestaltung der Patienten/Probandeninformation dringend geboten.
Selbstverständlich sind jedenfalls alle einschlägigen nationalen Gesetze wie auch inter-
nationale Richtlinien zum Schutz des Patienten bzw. Probanden strikt zu beachten.† Die Ethik-
Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität Wien und des Allgemeinen Kranken-
hauses der Stadt Wien-AKH hat im Rahmen einer interdisziplinären Arbeitsgruppe ‡ unter
Beiziehung externer Experten die rechtlichen und ethischen Grundlagen und Erfordernisse dieser
Studien eingehend diskutiert. Die nachstehenden Leitlinien zur Gestaltung der Patienten- bzw.
Probandeninformation und der Einverständniserklärung bei genetischen Studien (inklusive * Nachdruck aus der Wiener Klinische Wochenschrift mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Wilfred Druml und Prof. Dr. Christine Mannhalter.
Quelle: Wien Klin Wochenschr (2001)113/22: 867-869 † Deschènes, Cardinal G. Knoppers BM, Glass KC. Human genetic research, DNA banking and consent: a question of 'form'? Clin Genet (2001) 59; 221-239 ‡ Arbeitsgruppe zur Erstellung einer Patienteninformation für genetische Studien: C. Aufricht, P. Bauer, M. Burgstaller, M. Gnant, H. Greinix, T. Guth-Wagner, C. Kopetzki, U. Körtner, G. Luf, H. Schütz, M. Wolzt sowie
20
Pharmakogenetik) sind das Ergebnis dieser Gesprächsrunden. Die Leitlinien nehmen darauf
Rücksicht, dass die Autonomie, Integrität und Würde des einzelnen Individuums bewahrt
werden.
Die Leitlinien beziehen sich sowohl auf molekulargenetische Studien zu wissen-
schaftlichen als auch zu medizinischen Zwecken, wobei Untersuchungen zum Nachweis von
Erkrankungen, wie auch pharmakogenetische Analysen inkludiert sind. Nicht erfasst sind
Studien mit bereits archiviertem Material. Anzumerken ist, dass bei allen Studien zu medi-
zinischen Zwecken, bei denen die Absicht besteht, den Patienten/Probanden Ergebnisse der
genetischen Untersuchungen mitzuteilen, die Bestimmungen des § 65 Gentechnikgesetz (GTG)
zur Anwendung kommen.
Diese sind:
Genetische Aufklärung vor und nach der Untersuchung. Durchführung der genetischen
Analyse in zugelassenen Labors (Zulassung nach GTG), und besonderer Datenschutz.
Kinder können nur in Studien, die zu medizinischen Zwecken durchgeführt werden,
eingeschlossen werden.
Die Einordnung, ob eine genetische Untersuchung zu medizinischen oder zu wissen-
schaftlichen Zwecken durchgeführt wird, muss vom Studienleiter vorgenommen werden.
Datenbanken können nur mit kodierten Proben angelegt werden.
Gestaltung der Patienten/Probandeninformation bei genetischen Untersuchungen
Projekttitel
Aus dem Titel der geplanten Studie muss die Information hervorgehen. dass die Durchführung
von genetischen Analysen geplant ist.
Die Formulierung der PatientInnen-Information sollte geschlechtsneutral abgefasst sein.
Name und Funktion der Studienleiterin bzw. des Studienleiters
Kooperationspartner
(falls Kooperationen geplant sind)
Studienziele des Projekts Vertreter der Abteilung IX/9 des BM f. Soziale Sicherheit und Generationen
21
Angaben zum Forschungsziel und Forschungsinhalt
Information über das zu untersuchende Gen bzw. die zu untersuchenden Gene und deren
Auswirkungen in einer für die Teilnehmer an der Studie verständlichen Form.
Beispiele zur Gestaltung:
Geplant sind Untersuchungen des Polymorphismus in Genen des CYP 2D6 (Cytochrom
P 450), einem Enzym-System, das dazu beiträgt, bestimmte Medikamente langsamer oder
schneller im Körper umzusetzen. wodurch die Medikamentenwirkung im Blut beeinflusst wird
oder
Es ist beabsichtigt. die Rolle der Mutation R506Q im Gen des Gerinnungsfaktor V bei
habituellen Aborten zu untersuchen. Es ist bekannt, dass diese Mutation in heterozygoter Form
bei etwa 5% der weißen Bevölkerung vorkommt und das Risiko, ein thrombotisches Ereignis zu
erleiden, 8-10fach erhöht. Welche Rolle diese Mutation für den habituellen Abort spielt, soll in
der geplanten Studie evaluiert werden.
Informationen. ob die genetischen Untersuchungen medizinischen Zwecken dienen
sollen (d.h. die Ergebnisse diagnostisch/therapeutisch verwendet werden sollen) oder zu
wissenschaftlichen Zwecken durchgeführt werden.
Beispiel: Wir beabsichtigen, das Vorhandensein der wissenschaftlich gesicherten und
medizinisch bedeutsamen genetischen Veränderung mitzuteilen und haben die
Rahmenbedingungen für eine genetische Beratung geschaffen. Die Beratung wird an ..............
von Dr. ........................ durchgeführt werden.
Angaben zum Untersuchungsmaterial
Information über die geplante Maßnahme bei der Materialgewinnung (z.B. Blutabnahme in der
Menge von x ml, Gewebe im Ausmaß von xx, Sammlung von Speichel, ....)
Information über die Art des körperlichen Eingriffs (z.B. Blutabnahme ) und dessen
allfällige Risiken und – wenn auch nur entfernt – mögliche Nebenwirkungen (die strengen
Anforderungen der Aufklärung bei einem nicht-therapeutischen Eingriff müssen erfüllt werden).
Information über die Anzahl der Eingriffe und die Dauer der Studie
22
Welche genetischen Untersuchungen sind geplant,
welche Methoden werden angewandt?
Information darüber, welche Art der Untersuchungen geplant sind in einer für die
Teilnehmer an der Studie verständlichen Sprache.
Beispiele:
Gewinnung von Erbmaterial/DANN;
Durchführung von PCR-Analyse;
Sequenzierung.
Wo werden die genetischen Untersuchungen durchgeführt?
Information über den Ort, an dem die Analysen durchgeführt werden und das genetische
Material (DNA) aufbewahrt wird, bzw. ob es sich um eine multizentrische Studie handelt und
die Analysen auswärts erfolgen.
Die Untersuchungen werden im Institut/Klinik .............. durchgeführt
oder
Verschiedene Forschungsinstitute werden an dem Forschungsprojekt teilnehmen und alle
Untersuchungen werden in einem zentralen Institut (.........) / an jeder teilnehmenden Einrichtung
(........................) durchgeführt
oder
Die Untersuchungen zu medizinischen Zwecken werden in der für diese Untersuchungen
zugelassenen Einrichtung (........................) durchgeführt.
Bei wie vielen Patienten ist die Untersuchung geplant?
Eine Information über die Anzahl der Teilnehmer sowie über deren Einschlusskriterien muss
gegeben werden.
Archivierung von Material
Information über die geplante Archivierung von Material.
Nach Durchführung der Ihnen hier vorgestellten Studie würden wir gerne Material für
zukünftige Untersuchungen aufbewahren.
23
Information über den Zeitraum und die Art der Aufbewahrung der Proben (DNA).
Ihre DNA wird im Institut/Forschungszentrum ......... für einen Zeitraum von...............
unter der Verantwortlichkeit von .................... aufbewahrt und am Ende dieses Zeitraums
vernichtet.
Ihre DNA wird im Institut/Forschungszentrum .................. für einen Zeitraum von
.................. unter der Verantwortlichkeit von ................... aufbewahrt
Ihre DNA wird in Form von Zellen, die unsterblich gemacht wurden, für einen
unbegrenzten Zeitraum im Institut/Forschungszentrum .............. unter der Verantwortlichkeit von
............ aufbewahrt
Der Schutz vor dem Zugriff Unbefugter ist durch .................. sichergestellt.
Sollten Sie mit der Aufbewahrung von Material nicht einverstanden sein, wird das
Material nach Durchführung der in diesem Projekt geplanten Untersuchungen vernichtet. Die
Verantwortung für die Vernichtung des Materials übernimmt Hr./Fr. ......................
Angaben, ob weitere genetische Untersuchungen
mit dem gewonnen Material beabsichtigt sind
Angabe über die Art der zukünftigen Untersuchungen Wir beabsichtigen, Ihr Material
nach Ende dieses Forschungsprojekts für weitere Untersuchungen der Erkrankung X
oder
Erkrankungen, die mit der Erkrankung X assoziiert sind, zu verwenden
Anonymisierung der Proben
Information darüber, ob die Proben anonymisiert werden und auf welche Art der
Anonymisierung erfolgt.
1. Proben werden offen untersucht (ihr Name steht auf der von Ihnen gewonnenen Probe)
2. Proben werden anonymisiert: Anonymisierung bedeutet, dass nachträglich für niemanden
eine Verknüpfung des genetischen Materials mit der Identität des einzelnen Patien-
ten/Probanden möglich ist. In diesem Zusammenhang erscheint ein Hinweis auf die Folgen
der Anonymisierung angezeigt (nach Anonymisierung hat auch der betreuende Arzt bzw. der
Studienleiter keine Möglichkeit mehr, die Probe eines Einzelnen zu identifizieren. Spätere
Änderungen einer einmal getroffenen Entscheidung sind nicht möglich).
24
3. Proben werden kodiert: Anonymisierung in Form der Kodierung bedeutet, dass die
personenbezogenen Daten und die genetische Information nur an der jeweiligen Einrichtung
von den Projektverantwortlichen mit dem Namen des Patienten/Probanden verknüpft werden
können, d.h. der Schlüsselcode liegt beim Projektverantwortlichen und wird von diesem für
xx Jahre aufbewahrt. Danach ist eine Zuordnung der genetischen Ergebnisse zu personen-
bezogenen Daten nicht mehr möglich.
Probenidentifikation
Es muss sichergestellt sein, dass die Daten der absoluten Geheimhaltung unterliegen
und vor dem Zugriff Unbefugter geschützt sind. Der Patient/Proband darf in allfälligen
Publikationen nicht individuell bestimmbar sein.
Mitteilung von Ergebnissen
Strenge Anonymisierung
Der Patient/Proband ist bei ,,strenger Anonymisierung“ darauf aufmerksam zu machen, dass die
Mitteilung der Ergebnisse solcher Untersuchungen nicht möglich ist.
• Da alle Daten vollständig anonymisiert worden sind, ist es unmöglich Ihnen persönliche
Ergebnisse mitzuteilen. Sie können aber vom Prüfarzt allgemeine Informationen über die
Gesamtergebnisse der Studie bzw. den Status der Studie erhalten.
Kodierung
Bei Untersuchungen, die kodiert durchgeführt werden, sollen dem Patienten/Probanden
Ergebnisse grundsätzlich nur dann mitgeteilt werden,
- wenn die Untersuchungen zu medizinischen Zwecken durchgeführt werden und der
Untersuchungsparameter bereits wissenschaftlich validiert ist.
- wenn die im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung erhobenen Ergebnisse (auch
unerwartete) für die Person von unmittelbarer klinischer Bedeutung und wissenschaftlich
validiert sind.
Der Studienleiter hat im Fall der Mitteilung der Ergebnisse für die im § 65 GTG
geforderte genetische Beratung zu sorgen. den Studienteilnehmer auf die Beratung hinzuweisen
und mitzuteilen, wo die Beratung durchgeführt wird.
25
- Der Patient/Proband sollte auf die Möglichkeit. auf die Information ausdrücklich zu
verzichten. hingewiesen werden. Der Verzicht des Patienten/Probanden auf Mitteilung der
Ergebnisse muss schriftlich festgehalten sein.
Folgende Varianten können dem Patienten bei Anonymisierung in Form der Kodierung
angeboten werden:
• Der Prüfarzt wird Sie über die Gesamtergebnisse der Studie informieren. Individuelle
Ergebnisse werden nicht mitgeteilt.
• Der Prüfarzt wird Sie über den Status oder die Ergebnisse der Studie informieren. Für den
Fall, dass wissenschaftlich gesicherte Ergebnisse von möglicher Bedeutung für Ihre
Gesundheit vorliegen und dass die Untersuchungen in einem für die Analyse zugelassenen
Labor durchgeführt werden, können Sie im Rahmen einer Beratung über die Ergebnisse
informiert werden.
Im Rahmen der Beratung werden Sie über Wesen, Tragweite und Aussagekraft der
Ergebnisse aufgeklärt. Die Aufklärung wird von Dr. .................... durchgeführt.
Wir ersuchen Sie, uns mitzuteilen, ob Sie informiert werden wollen
Ja/Nein
Rechte des Patienten/Probanden
Berücksichtigung der Patientenautonomie: Der Teilnehmer muss darauf hingewiesen
werden, dass die Teilnahme an der Studie absolut freiwillig ist und dass jederzeit und ohne
Nachteil die Möglichkeit des Rücktrittes besteht.
Information über persönlichen Vorteil
- Es gibt für Sie persönlich aus der Studie keinen unmittelbaren Vorteil. Wir hoffen aber, dass
Personen mit ähnlichen Problemen bzw. die Gesellschaft allgemein in Zukunft durch die
Ergebnisse der Studie profitieren wird
oder
- Die Ergebnisse, die wir in dieser Studie erheben, können für Sie bzw. für Mitglieder Ihrer
Familie nützlich sein.
26
Einverständniserklärung
Die Einverständniserklärung ist integraler Bestandteil der Patienteninformation.
Eine ausdrückliche und schriftliche Zustimmung (Unterschrift) ist erforderlich. Der
Name des Teilnehmers und der Name des Studienleiters/Prüfarztes muss leserlich auf dem
Formular vermerkt werden.
Die Formulare sind separat von der Krankengeschichte aufzubewahren
Für eine gültige Zustimmung zur Materialgewinnung und Durchführung einer genetischen
Untersuchung zu wissenschaftlichen Zwecken ist die Fähigkeit des Teilnehmers, die Bedeutung
und Tragweite der Untersuchung einzusehen, erforderlich.
Bei Personen ab dem vollendeten 14. Lebensjahr ist dies zu vermuten. Eine
vertretungsweise Zustimmung durch Eltern oder Sachwalter ist bei rein wissenschaftlichen
Untersuchungen nicht möglich.
Korrespondenz: Prof. Dr. Christine Mannhalter. c/o Ethik- Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität Wien und des Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien-AKH, Spitalgasse 23. A-1090 Wien, Österreich. E-mail: [email protected]
27
NACHWORT ZU DEN WIENER "LEITLINIEN"
Formal orientieren sich klinische Studien immer noch an dem von Bradford Hill in
seinen bahnbrechenden Streptomycin Studien 1946-48 enwickelten Modell von vier placebo-
kontrollierten Phasen. Entlastend in diesem Szenarium eines "soft paternalism" ist die in der
Regel den Patienten und Probanden gegebene Option, aus dem Versuch auszusteigen, soweit
das ohne damit verbundene Gefährdung möglich ist. Das Recht zum "Aussteigen" ist in ge-
wisser Weise eine vertragliche Sicherung der Patientenautonomie innerhalb einer ansonsten
einseitigen Zustimmung zum "Mitmachen". Das Modell des "informed consent" und der be-
gutachtenden Begleitung durch eine Ethikkommission haben gemeinsam zu einem nunmehr
routiniert angewandten Verfahren geführt, innerhalb dessen unterschiedliche Interessen zwi-
schen Forschung, Therapie, Verantwortung für den Patienten und Berücksichtigung des Pati-
entenwillens in ein abgewogenes und meist auch gelingendes Verhältnis zueinander gesetzt
worden sind.
Die Wiener "Leitlinien zur Gestaltung der Patienten- bzw. Probandeninformation und
der Einverständniserklärung bei genetischen Studien (inkl. Pharmako-Genetik)" betreten kli-
nisch und ethisch Neuland: sie geben dem Probanden (1) eine Wahl bezüglich der Informatio-
nen aus dem Forschungsprojekt und (2) die Wahl, ob und wie Blutsverwandete über geneti-
sche oder genetisch relevante Ergebnisse informiert werden. Innerhalb eines durch Klinik und
Sponsor gesetzten Rahmens von "informed consent", "nonmaleficence" und "beneficence"
gab es für Patienten und Probanden nur die zwei vorgegebenen Alternativen: mitmachen oder
nicht mitmachen.
Das bisherige Modell der einfachen "Zustimmung nach Aufklärung" stößt nunmehr an
seine Grenzen: (1) Pharmakogenetische Forschungen zum Arzneimittelstoffwechsel vor allem
des Cytochrom P450 Komplexes lassen es naheliegend erscheinen, große Kohorten von Pati-
enten und Probanden und bisherige heuristische quantitative Methoden zu ersetzen durch ent-
sprechend der individuellen Variation des P450 Komplexes präselektierte Patientengruppen
für differenzierte Arzneimittelprüfungen zu Interaktionen, Inhibitoren und Rezeptoren und für
neue Modelle von qualitativ-quantativer Auswertung für individuelle Arzneimittelverträglich-
keit. Das wird zu alternativen Strategien in der klinischen Forschung und bei den sie kontrol-
lierenden und begleitenden klinisch-ethischen Modellen führen. (2) Das Sammeln und Aus-
werten von Proben für genetische Untersuchungen zu bestimmten Krankheitsbildern führt zu
Informationen, die über den Kreis von einwilligungsgebenden Patienten oder Probanden hin-
aus einen gröβeren Kreis von Blutsverwandten betrifft, die keine Information bekommen und
28
keine Einwilligung gegeben haben. Neuere Guidelines und Richtlinien gehen auf die hiermit
verbundene Problematik leider noch nicht ein. (3) Molekulargenetische Untersuchungen zur
Trägerschaft von Krankheiten eröffnen für Ratsuchende und Blutsverwandte lebensweltliche
Probleme und auch Chancen für Gesundheitspflege und Risikovermeidung.
Das sich abzeichnende neue klinisch-ethische Modell einer verbesserten vertrauens-
und verantwortungsbasierten Interaktion von Forschung, Arzt und Patient/Proband dürfte
mehr und mehr einem Vertragsmodell gleichen, auf das sich die Wiener "Leitlinien" hinbe-
wegen. In einer solchen Vertragsgestaltung müssten vor allem die folgenden Aspekte ange-
sprochen und gestaltbar sein: (1) Umfang und Grenzen des Einverständnisses für die Benut-
zung von Daten, DNA-Proben und DNA-Banking; (2) Umfang und Grenzen der weiteren
Information von Patienten und Probanden über positive oder negative Ergebnisse der Studie,
inklusive des "Rechts auf Nichtwissen"; (3) Umfang und Grenzen der Weitergabe von Infor-
mationen an Blutsverwandte; (4) Art und Weise des Datenschutzes, ob offen, kodiert, anony-
misiert oder anderweitig verabredet. Ist es biometrisch ohne Schaden für das Projekt nicht
durchaus möglich, innerhalb einer Studie individuell unterschiedliche Vertraggestaltungen
vorzunehmen? Die neueren Guidelines der WHO, des European Forum for Good Clinical
Practice, die EU Directives zu Klinischen Prüfungen von 2001 und auch die kürzlich revi-
dierte Helsinki Deklaration orientieren sich leider immer noch an dem alten paternalistischen
Modell und bleiben insofern hinter den Perspektiven der Wiener "Leitlinien" zurück.
Hans-Martin Sass
29
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30