Nebenfach UmweltwissenschaftenUniversität Zürich
Prof. Dr. P. Rüedi
Grundlagen der Umweltchemie (PK 2)(Schwerpunkt Organische Chemie)
Umweltverhalten organischer Verbindungen
A. Allgemeine Einführung
1. Emission-Transmission-Immission2. Struktur, Reaktivität → Umweltverhalten; Forschungsansätze
B. Bewertung der Umweltrelevanz von Chemikalien
1. Allgemeines2. Produktion, Mengen, Verfahren; wichtige Xenobiotika3. Anwendungsmuster4. Ausbreitung in der Umwelt (Dispersionstendenz)5. Akkumulation6. Abbau, Persistenz
C. Umwandlungen organischer Stoffe unter Umweltbedingungen (chemische Reaktionstypen)
1. Allgemeines2. Abiotische Umwandlungen
2.1. Hydrolyse2.2. Oxidation2.3. Reduktion2.4. Photochemische Reaktionen
3. Biotische Umwandlungen
3.1. Allgemeines3.2. Oxidation3.3. Reduktion3.4. Hydrolyse3.5. Sekundärreaktionen3.6. Metabolisierung von Metallen
Literatur: G. Fellenberg, 'Chemie der Umweltbelastung', Teubner Studienbücher Chemie, 1997.H. Parlar, D. Angerhöfer, 'Chemische Ökotoxikologie', Springer-Verlag, 2. Aufl., 1995(Quelle der meisten Beilagen).G. Schwedt, 'Taschenatlas der Umweltchemie', Thieme 1996.V. Koss, 'Umweltchemie; Eine Einführung für Studium und Praxis', Springer-Verlag, 1997.
17. Nov. 2004/Rü
- 1 -
Grundlagen der Umweltchemie (PK 2)Organisch-chemischer Teil
Zusammenfassung der Vorlesung
A. Allgemeine Einführung
A.1. Emission-Transmission-ImmissionZentrales Schema bei der Diskussion von stoffbezogener ("Chemie") Umweltproblematik.
� Beilage (S.1a)
A.2. Struktur, Reaktivität, Umweltverhalten; Forschungsansätze;die Aufgabe der Chemie
Grundfrage: Struktur?
Umweltverhalten
"Struktur"
physikalische Eigenschaften chemische EigenschaftenReaktivität
- Dampfdruck (Sdp., Schmp.)
?
- Löslichkeit (H2O, etc.) - Säure-, bzw. Basenstärke (pKa, pKb)- Verteilungskoeffizienten (z.B. Kow)
- funktionelle Gruppen- elektronische Substituenten-Einflüsse- Reaktionsmechanismen
Dispersion in verschiedene KompartimenteMobilität, Toxizität
Umwandlungsprodukte(Abbau)
Chemische Fachkenntnisse sind die Grundlage für das Verständnis des Umweltverhaltens vonStoffen!
Forschungsansätze
Organische Chemie: enorme Fülle von Stoffen, Varietäten → sehr komplexAnorganische Chemie: v.a. Mobilisierung von (Schwer)Metallen, 'Speciation'
"Substanz" Struktur ? Mengen ? qualitativ/quantitativ
Dispersion, Umwandlung "wie" ? Produkte ?
"was" wird "wie" gemessen ? Einzelsubstanzen ?Abnahme Edukt(e) ?Zunahme Produkt(e)
- 2 -
Verbindung UmwandlungsprodukteMetaboliten
Isolierung, Reinheit
Identifizierung, Strukturaufklärung (Spektroskopie)
Analytik
ToxizitätstestsSubstanzen meist in Spuren Synthese
oft viel gefährlicher als Edukt!(biologische) Aktivierung
CHEMIE
(Trenntechniken, z.B. Chromatographie, etc.)
Konsequenz: viele, differenzierte Forschungsaspekte
Aufgaben und Forschungsschwerpunkte in der Umweltchemie
Öko-Diagnostik Öko-Technologie
Monitoring Überwachung
ÖkotoxikologieÖkoepidemiologie
Prophylaxe Abfallbehandlung
Vorkommen und ProduktionshöheAnwendungsmusterAusbreitung in der UmweltAufnahme und Akkumulation in der UmweltToxizität und ÖkotoxizitätPersistenz und AbbauUmwandlungsreaktionen
Emissionsvermeidung bei der ProduktionVermeidung technischer Verunreinigungenverbesserte ApplikationstechnikenSubstitution durch umweltkompatible Produkteverbesserte AbfallbehandlungBodenverbesserung durch spezifische Massnahmen (physikalisch, chemisch, biologisch)
Therapie
� SK 4 im SS: Umweltanalytik, technischer Umweltschutz
- 3 -
B. Bewertung der Umweltrelevanz von Chemikalien
B.1. AllgemeinesEinbringen von "Materie" in ein System → Veränderung der stofflichen Umweltqualität → Störungvon Gleichgewichten
natürlich/anthropogenerwünscht/unerwünschtmessbar/nicht messbar → Umweltanalytik
abhängig vom Verhalten der individuellen Verbindungen → bestimmt das Ausmass und dieDauer von Veränderungen.
Abschätzung und Prognose regionaler oder globaler Veränderungen → Kriterien zur Beurteilung(vgl. Kap. B.2. – B.6.).
B.2. Produktion, Mengen, Verfahren; XenobiotikaBasis: Erdöl, Erdgas (fossile Brennstoffe) als - Brenn- und Treibstoffe
- chemische Grundstoffe (Rohstoffe)
- Petrochemische Industrie: Raffinierien, Aufbereitung von Rohstoffen (Shell, BP, etc.)
- Chemische Industrie: Verarbeitung der Rohstoffe, neue Anwendungsprodukte (Roche, Novartis, etc.)
Probleme: - Veränderung des natürlichen C-Lagers
- gasförmige Emissionen (KW, CO2, NH3 → NOx, H2S → SO2, etc.)
Zahl organischer Verbindungen → "Chemical Abstracts" (seit 1910)USA 1963: 6 Mio. Substanzen registriert, davon ca. 63'000 im täglichen Gebrauch.seither: täglich ca. 6'000 neue Registrationen, ca. 1'000 neue synthetische Produkte (Mengen?!).
seit 1967: 16 Mio. Abstracts mit 27 Mio. Substanzen und 3.8 Mio. Reaktionen. Die Datenbank wirdtäglich aktualisiert und wächst dabei um 2'500 Abstracts und 11'000 Substanzen.Aktuell: Nicht nur die Chemie, sondern auch die Biowissenschaften sind vertreten: So stammen34% der Abstracts aus der Biochemie und bei 26% der Substanzen handelt es sich umBiosequenzen.
Von den chemischen Substanzen sind heute <100'000 im täglichen Gebrauch
Problematik: - Stoffe, insbesondere Mengen an sich- Nebenprodukte (unbeabsichtigt), Verunreinigungen (z.B. Lindan, Dioxin)
Generell gilt für "Zahlen": grösste Vorsicht bei der Interpretation!!
(sind abhängig von der Ermittlungsartund der dahinter stehenden "Philosophie")
� Beilagen (S. 3a – 3e)
aliphatische KW (n- und verzweigte Alkane, -ene, -ine)(substituierte) Aromaten, v.a. Polyzyklen ('PAH', 'PAK')(aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe, Holz)
Benzo[e]pyren Benzo[a]pyren(stark kanzerogen)
Pyren
Kohlenwasserstoffe (KW)*:
z.B.
Umweltchemikalien, XenobiotikaDurch menschliches Zutun (anthropogene Tätigkeit) in relevanten Mengen in die Umwelt emittierte Stoffe. Störung natürlicher Gleichgewichte und potentielle Gefährdung von Ökosystemen; gelangen via Nahrungskette in die Stoffkreisläufe. Weitere Klassifizierung aufgrund struktureller Merkmale in synthetische 'Natur'- (naturidentische oder naturnahe) und eigentliche Fremdstoffe (Xenobiotika). Letztere sind meist schwer abbaubar, da die entsprechenden Enzyme fehlen.
Coronen
Hydraulik- und Getriebeöle
Aromaten, z.B.
Reaktionsnebenprodukte,Kehrichtverbrennung
Reaktionsnebenprodukte,Kehrichtverbrennung
z.B. 2,3,7,8-TCDD («Dioxin»)
Dibenzodioxine*:
Dibenzofurane*:
(pKa = 4,8 ) Verrottungshemmer (Holzschutz)Polychlorierte Phenole*: z.B.
Wärmeleiter (Transformatorenöle)Polychlorierte Biphenyle*:
Halogenierte KW*: R-F, R-Cl, R-Br, z.B.
Wichtige Vertreter organischer Xenobiotika
7
8
3
2
ClmCln
OH
Cl
Cl
Cl
Cl
Cl
O
XmXn
O
OXmXn
Grundlagen der Umweltchemie (OC-Teil)
Fluor-Chlor-KW ('FCKW', Kühlmittel ('Freone'), Treibgase)'PER' (Lösungs- und chem. Reinigungsmittel
1,4-Dichlorbenzol (Mottenschutz, WC-Reiniger)
Beilage 4.1 zu Kap. B.2.- 3d -
('PCPs')
X = H, Cl Isomerengemisch (135)
Isomerengemisch (75)X = H, Cl
Isomerengemisch (209)
Phthalate*:
R = oder ≠ R', n- oder verzweigte Alkane
Weichmacher (in Kunststoffen)
Detergentien: (Tenside, oberflächenaktive Stoffe)
anionische:
z.B. lineare Alkylsulfonsäuren ('LAS')
C10 - C18
kationische: R1, R2 = C16 - C18
neutrale:
Komplexbildner:
Pestizide : Herbizide, Insektizide, Fungizide Strukturell sehr verschiedenartige Verbindungen (ca. 55%) (ca. 37%) (ca. 8%) v.a Organo(thio)phosphate, Carbamate, ������������������������������������������������������������������������������� Halogenide,�Heterocyclen, etc.
Nahrungsmittel-Zusätze: Stabilisatoren, Emulgatoren, Konservierungsmittel, Antioxidantien, Farbstoffe, Duftstoffe, etc.
'NTA''EDTA'
N
n = 4-20
N-CH2-CH2-N N
* = 'Ubiquisten', aufgrund hoher Mobilität nahezu überall vorhanden
Strukturell verschiedenartige, meist aromatische Verbindungen
(verursachen in vielen Fällen Allergien!)
Lösemittel, Schmieröle, Trägersubstanzen
COOR
COOR'
R
SO3
SO3
CH3
R2
H3C
R1
(C8-C10) OO
OH
CH2COOH
CH2COOH
CH2COOH
CH2COOHHOOCH2C
HOOCH2C
HOOCH2C
- 3e -Beilage 4.2 zu Kap. B.2.
- 4 -
B.3. AnwendungsmusterQuantitative Erfassung der Einsatzbereiche von Einzelchemikalien im Endverbrauch.Relativ wenig Chemikalien sind gut untersucht.... v.a. chlorierte KW ( → 80-90% für Reinigung).
� Beilage (S. 4a)
B.4. Ausbreitung in der Umwelt (Dispersionstendenz)Transmission ohne StoffumwandundlungenVerlassen des eigentlichen ApplikationsbereichesTransport zwischen Umweltkompartimenten: Luft-Wasser-Boden
Volailität
Luft
BodenWasserAdsorption
trockene Deposition
allg. physikalisch sehr komplexe Gleichgewichte (Diffusion, Transportphänomene)entscheidend: physikalische Konstanten (vgl. Kap. A.2.)z.B.
OH O OHCl
ClCl
Cl
ClOH
NO2O2N
NO2
pKa=4,8 pKa≈1 (!)
H2O
pKa≈10
H2O-Löslichkeit!
pKa = f (elektronische Substituenten-Effekte) → Art und Lage der Substituenten
e--Donatoren → pKa steigt (pKb sinkt) → weniger sauer (basischer)e--Akzeptoren → pKa sinkt (pKb steigt) → stärker sauer
(vgl. die pKa-Werte von Halogen-substituierten Essigsäuren (Repetitoriumsaufgabe!); s. Kap. C.2.1. ).
- 5 -
B.5. AkkumulationTeilaspekt der Dispersion aus der Sicht des Organismus: Unerwünschte Anreicherung von Xeno-biotika.
Der meistbenutzte Parameter für Umwelt-Diskussionen:
Kow-Wert: n-Octanol als Modell für die biologische Membran. Je höher der Kow desto grösseresumweltgefährdendes Potential.z.B. Phthalate Kow ≈ 30 - 80'000 ( Pow = 1,5 - 4,9);
PCB's ≈ 100'000 (Pow = 5)
� Beilagen (S. 5a – 5c)
B.6. Abbau, Persistenz
Aufenthaltszeit einer Chemikalie in einem definierten Umweltbereich. Abhängig von derGeschwindigkeit des Abbaus → Stoffumwandlung. Hohe Persistenz bedeutet meistAkkumulation. Es gibt kein absolutes Mass für Persistenz, nur relative, z.B. t1/2.
Erwünschte Persistenz: bis optimale Wirkung erreicht (z.B. Dünger, Pestizide).Unerwünschte Persistenz: Stabilität von Verbindungen → Nebenwirkungen, etc.
"Abbau": vollständige Eliminierung aus dem Umweltbereich.Mineralisierung: vollständiger Abbau zu CO2, H2O und Zuwachs an Biomasse der beteiligten
Organismen (biotische Umwandlung, vgl. Kap. C.2.), eher selten.
meistens: indirekt via Metaboliten (niedermolekulare Verbindungen, die in die Stoffkreisläufeeingehen. Die Bildung von CO2 und H2O ist eine Zeitfrage! d.h. jeder organische Stoffist vollständig abbaubar.
Abschätzung der (möglichen) Geschwindigkeit: → "Chemie"; Kenntnis funktioneller Gruppen,Reaktivität und Reaktionsmechanismen.
Wichtigste Abbaureaktion: Oxidation (s. Kap. C.1.3., C.2.2.).
CC
C
C
OHC
O
C
O
HC
resistent
O
Halogen-KW(allg. C-Hal)
OH
leichter abbaubar (reaktiver)
H
SH
C
C
S
C
CC S(Verzweigungen) S
ungesättigte KW
C
C C
allg. reaktive funktionelle Gruppenmit N,S,P,O
� Beilage (S. 5d)
- 6 -
C. Stoffumwandlungen unter Umweltbedingungen
C.1. Allgemeinesvgl. Abbau, Metaboliten (Umwandlungsprodukte) → → "Chemie": Verständnis
StoffkenntnisseReaktionsmechanismen
Das reaktive Verhalten einer chemischen Verbindung in der Umwelt ist sehr komplex undentsprechend schwierig zu untersuchen. � Beilage (S.6a)
2 grundlegende Wege: abiotisch biotisch
in Kompartimenten Luft, Wasser Boden in Organismen→ Temperatur, Licht → Enzyme (spezifisch)
C.2. Abiotische UmwandlungenC.2.1. Hydrolyse
Bindungsspaltung mit "Wasser": H2O als Nucleophil (säure-, oder basenkatalysiert)
Xmeist C X ≠ C,HX = O, N, S, Hal (elektronegative Elemente)
Ester, AmideCarbamateCarbonatePhosphate
Säuren, Alkohole, AmineCO2 + .........CO2 + .........H3PO4 + .......
je nach Rest Metaboliten
Abhängig von den Bedingungen: - basisch → "Verseifung" (irreversibel, MWG!)- sauer → "Hydrolyse" (Gleichgewicht)
Mechanistisch: Addition-Eliminierung via sp2 → sp3 (tetragonales Zwischenprodukt) → sp2
v Hydr. = f (pH, T, e--Donor, e--Akzeptor)
je höher, desto rascher
+σ, +π -σ,-π
Elektrophilie am angegriffenen Zentrum:
langsamer rascher
erniedrigt erhöht
Substituenteneffekte!
- 7 -
Quantitativer Zusammenhang: Hammett-Beziehung (s. Lehrbücher); Säurestärken (pKa) vonsubstituierten Benzoesäuren und Hydrolysegeschwindigkeiten ihrer Ester.
Massgebende Parameter: - Art (Struktur) des Substitutenten (Donor, Akzeptor)
- Ort der Substitution (ortho/para: grosser Einfluss auf Elektronen-dichte im aromatischen π-System; meta: weniger)
Spaltung von C-Halogen
Nucleophile Substitition (sp3 → sp3, SN1, SN2; mechanistisch keine eigentliche Hydrolyse)
C XH2O + HX
Beispiel: C4H9Cl (5 Isomere)
CH3CH2CH2CH2
CHCH2
CH3
CH3
CH3
CH3CH2CHCH3CH3
CH3
C
Cl
t1/2 ≈ 1 Jahr ≈ 1 Monat ≈ 30 sec
(2 Enantiomere)
C OH
Cl
Cl
Cl
Grund: SN2 → SN1 Solvolyse; Stabilität der kationischen Zwischenprodukte;tert. >> sek. > prim. ("Markovnikov-Regel")
� Beilage (S. 7a)
- 8 -
C.2.2. Oxidation
Reaktion mit "Sauerstoff". Es existieren verschiedene Spezies: 3O2, 1O2, atomarer O, OH., O3.Nur bedingt getrennte Betrachtung zulässig, da durch verschiedene Prozesse die Spezies z.T. inGleichgewichten vorliegen (vgl. PC-Teil) → Transmission!
Wichtig: Molekularer O2 ist im Grundzustand ein Biradikal (Triplett, d.h. 2 ungepaarte e- ineinem antibindenden π-Orbital) → paramagnetisch.
σ*2p
π*2p
σ2p
π2p
π*2p
π2p
AO MO AO
σ*2s2
σ2s2
σ1s2
1s2
2s22s2
2px2 2py 2pz
1s2σ*1s2
2px22py2pz
∆E 2. angeregter Zustand
1. angeregter Zustand: Singulett-O2
Grundzustand: Triplett-O2
O O
≈ 160 kJ(760 nm)
≈ 92 kJ(1270 nm)
τGas ≈ 10 sec, τLsg ≈ 1 nsec
τGas ≈ 45 min, τLsg ≈ 1 msec
τ ≈ ∞ O O
π*
(1O2)
(3O2)
Quantenmechanik: Reaktionen von verschiedenen Spinzuständen (Tripletts mit Singuletts) sindverboten. Die allermeisten Moleküle liegen im stabilen Grundzustand alsSingulett (gepaarte e-) vor. Falls O2 im Grundzustand als Singulett vorliegenwürde → Reaktion ("Verbrennen").
Unterschiedliche Reaktionsweise und -Produkte der verschiedenen Sauerstoff-Spezies:
Grundzustand: Autoxidation
Singulett : (Cyclo)Addition
Atomarer O: Epoxide (Oxirane)
OH. : H-Abstraktion, Addition, Anlagerung an Olefine
Ozon: C-C-Spaltung von Olefinen → Ketone, Aldehyde → Säuren
� Beilage (S. 8a)
- 9 -
– Molekularer Sauerstoff (Grundzustand, Triplett-O2 (3O2))
Relativ langsame Reaktion (τ ≈∞, 21%) → Autoxidation, meist (Schwer)metallkatalysiert.
R H R O-OH O2+ + OOH
R O
R "Kette"
R O-O
"Abbruch"(Radikalkettenreaktion)
+ H+
M+IIM+I
++ OHM+II M+I
Typische Redox-Reaktion; v.a. bedeutend bei Lipiden: ZellmembranMembranschädigungenLipidperoxidationAlterungsprozesse
R CH2-CH=CH R CH-CH=CH R CH-CH=CH
OO
R CH-CH=CH
OOH
R'R CH-CH=CH
OH
+
R'-H
(Allylstellung,stabilisiertes Radikal)
Verschiebung von Doppelbindungen
H HH H
vgl. Arachidonsäure-Metabolismus → Schmerzempfindung, Entzündungen, etc.
– Singulett-Sauerstoff (angeregter Zustand (1O2))
3O21O2
Sens.Gebildet durch sog. Sensibilisierung
Sens.: photochemischer Katalysator, Energie-Überträger (strukturell sehr verschiedenartig, auchheterogen)
Wichtig bei Umweltreaktionen → Transmission
[1O2] in Atmosphäre ≈ 10-5 ppm (vgl. Konz. Masse!)
in Gewässern ≈ 10-12 ppm
- 10 -
Strukturell: 1O2 hat gepaarte Aussenelektronen → verhält sich wie ein hochreaktives "Olefin".1O2 hat ein rel. tief liegendes leeres π*-Orbital, d.h. leichte e--Aufnahme → starkesElektrophil.
Reaktivität:
- Addition an Olefine (v.a. bei allylischen H)
- Cycloaddition (Diels-Alder Dienophil)
OO
HOO
OO
H
OO
→ Abbau von natürlichen und anthropogenen Dienen (z.B. Lipide, etc.) � Beilage (S. 8a)
Die Reaktion ist sterisch und elektronisch anspruchsvoll → kein Umsatz mit hochsubstituiertenund/oder perhalogenierten Olefinen (z.B. PER)!
– Atomarer Sauerstoff
v.a. in Atmosphäre O2 2 O
in Bodennähe NO2 NO + Oλ<430nm
UV
vgl. PC-Teil
Verantwortlich für die Bildung von Ozon.
Reaktivität: Addition an Olefine; ähnlich wie 3O2,1O2; es resultieren aber andere Reaktions-produkte → Epoxide (Oxirane).
H
H
H
OH H
H
OO
� Beilage (S.8a)
– Hydroxyl-Radikale (OH.)
v. a. in Troposphäre, τ ≈ 1 sec NOH. ≈ konstant ≈ 106/cm3
Grund: - stat. Konz. H2O- Photodissoziation von O3- Löschung von 1O2
(Z l S i i PC T il!)
- 11 -
Reaktivität:
HO + R-H H2O + R
HO +
OH
HO +
- H-Abstraktion bei Alkanen, Alkoholen, Aminen, Halogen-KW
- Anlagerung an Doppelbindungen
- Addition an Aromaten
H OH
Hydroxylierung � Beilage (S. 11a)
- Ozon (O3)
Bildung, etc. s. PC-Teil
Reaktivität: C-C-Spaltung von Doppelbindungen → Reaktion mit Spuren-Olefinen (→ PAN).� Beilage (S. 11a)
O3 ist ein Dipolarophil. O O
OO O
O
R R RO
RO+ O3
R = H → Aldehyde → SäurenR ≠ H → Ketone
Reaktionsmechanismus (s. Allg. Chemie B, 2.Teil):
CC CO
OO
CO
CO
CO
RR
ox.
Aldehyde (R = H), Ketone (R ≠ H)
Carbonsäuren (R = H), Ketone (R ≠ H)
' Primärozonid'(1,3-dipolarophile Addition)
O3
'Molozonid', ein Peroxi-acetal (nach Umlagerung)
red.
RRRR
Allgemeines für Reaktionen mit Sauerstoff-Spezies:
Die Reaktionen verlaufen sehr ähnlich, führen aber zu unterschiedlichen Produkten inunterschiedlichen Mengen. Erst eine Produkteanalyse zeigt, welche Spezies reagiert hat!
OOH OOH
OOH
Ox
3O2 :1O2 :
5 % 55 % 40 %
90 % - 10 %
+ +
- 12 -
C.2.3. Reduktion
Allgemein: immer REDOX-Reaktionen! Reduktion aus der Sicht des Substrats.
Reduktionen sind bei Xenobiotika nicht häufig und weniger wichtig als die Oxidation.Reduktionen laufen in anaerobem Milieu ab, meist in Sedimenten.
Wichtigstes Redoxsystem Fe2+ → Fe3+ (komplexiert in Porphyrinen, Proteinen, etc.)→ Grenze zwischen abiotischen und biotischen Reaktionen.
Reduktive Prozesse sind noch relativ wenig untersucht.
Typische Beispiele:
Cl
Cl
Cl
Cl
Cl
Cl
Die Synthese des Insektizids Lindan aus Cl2/hν ergibt ein Gemisch von allen möglichen Stereoisomeren; das wirksame Agens (aaaeee) wird nur zu ca. 15% erhalten. Eingesetzt wird das Rohgemisch.
Cl
ClCl
ClCl
Lindan
NO2 NH2Base, Nucleophil → Weiterreaktionpolymerisiert leicht → Bindung an Huminstoffe
HalC C H Dehalogenierungwichtig bei Insektiziden (DDT, Aldrin, etc.)
Cl
- 13 -
C.2.4. Photochemie
Allgemein: thermische Reaktion photochemische Reaktion
"Wärme", ∆T "Licht", hνGrundzustand (HOMO) angeregter Zustand (LUMO)
Produkte aus thermischen und photochemischen Prozessen verschieden. Thermisch "verbotene"Reaktionen sind meist photochemisch "erlaubt" (und umgekehrt).
� Beilage (das 1. Diagramm soll nur die grosse Komplexizität der Reaktionswege aufzeigen!)
Photochemische Raktionen sind typische Transmissionsreaktionen:
- Photooxidation (via O2!)- Photolyse/Photodissoziation (Bindungsspaltung mit hν) → Dealkylierung, Dehalogenierung- viele Reaktionen mit Schwermetallen
z.B. Methylierung von Quecksilber:
[HgCH3]Hg2+ + CH3COO CO2 (CH3)2Hg C2H6 + {Hg0}hν hνhν
+
geht ähnlich auch mit Pb, As, Se, Sn, etc. (vgl. Kap, C.3.6.)
Abbau von Atrazin:
N
N
N
OH
N N
N
N
N
OH
H2N NH2H
hν hνH2O
hν
DealkylierungenH
N
N
N
Cl
N NH H
Nur wenige Abbauwege wurden bisher photochemisch untersucht.
Wichtiger umweltrelevanter Reaktionstyp:Photomineralisierung → Totalabbau von Xenobiotika in adsorbiertem Zustand.
Adsorption wirkt als Sensibilisator: Verschiebung des UV/VIS-Spektrums der adsorbiertenVerbindungen nach längeren Wellen → weniger Energie zur Anregung erforderlich.
� Beilage (S. 13a)
- 15 -
Auch bei allen biotischen Prozessen gilt: unterschiedliche Reaktionsbedingungen gebenverschiedene Metaboliten!
z.B.
CH3 COOH ungiftig, H2O-löslichO2
rasch
toxische Produkte: Chinone, Phenole, etc.
Cl
Cl
Cl
Cl
"PER"
Mikroorg.CO2 + HCl (Totalabbau)
H
Cl
Cl
Cl
"TRI"
OxidaseLeber
OCl
Cl
H
Cl
biotischC CHOCl
Cl
ClCl3C-COOH
Ox
unsymmetr. Epoxidstark genotoxisch!
OH
H
H
Cl
C CHOHCl
ClCl2HC-COOHOx
O2
Interkalation mit DNA, RNAmutagen, kanzerogen(vgl. auch Vinylchlorid!)
anaeroblangsam
thermisch
C.3.3. Reduktion
Reduktive Prozesse wenig untersucht. Enzyme sind Reduktasen (NAD(P)-abhängig).Hydrogenasen - Dehydrogenasen → REDOX.
N
Rib-P-P-Rib-Adenin
CONH2
mechanistisch: Hydrid-ÜbertragungAktives Zentrum:
H H
wichtigste Reduktionen (vgl. auch C.2.3.):
NO2 NH2
Hal H
(Die Nitrogruppe ist eine typisch anthropogene funktionelle Gruppe)
C C� Beilage (S. 15a)
- 16 -
C.3.4. Hydrolyse
Enzyme sind Hydrolasen (Esterasen, Amidasen, Proteasen). Für Xenobiotika nicht selektiv; starkabhängig von der Struktur der abzubauenden Verbindungen:
z.B. Hydrolyse von Phthalaten:
O
O
O
O
O
O
O
O
COOH
COOH( )n OH
+ 2( )n
( )n
Hydrolase
Leber
� Beilage (S.15a)
C.3.5. Sekundärreaktionen
Reaktion von Xenobiotika und deren Metaboliten mit Makromolekülen, sog. Konjugation(in einigen Fällen können Xenobiotika auch untereinander reagieren; Frage der Verdünnung)
Biotransformation in H2O-lösliche Derivate → Ausscheidung (Eliminierung, "Entgiftung")
� Beilage (S. 15a)
Diskussion einiger komplexerer Beispiele - Abbau von Ethen-bis-thiocarbamat- Umwandlung von DDT- Abbau von Parathion- Abbau von aromatischen KW- Abbau von polycyclischen Aromaten- Abbau von 2,4-D
� Beilagen (S. 16a – 16c)
- 17 -
Fallstudie: Chlorphenoxyessigsäuren
OCH2COOH
Cl
X
Cl
OCH2COOH
Cl
X
Cl
OH
Cl
X
Cl
COOH
COOH
Cl
Cl
X
Cl
OH
Cl
X
Cl
O
Cl
X
Cl
O
OX
Cl
Cl
X
O
X = H: "2,4-D"X = Cl: "2,4,5-T"
ClCl
biotischoder hν
O
Verbindungen sind Wachstumshormone → Einsatz als potente Herbizide (Pflanze wächst sich "zu Tode"); rasche Wirkung, problemloser Abbau (τ1/2 = 1-2 Monate)
Cl
(Oxalsäure)
Cl
+
rascher mikrobieller Abbau(s. Beilage)
somit eigentlich "ideales" HerbizidProblematik: Synthese!
Bildungsmengen abhängig von der Reaktionsführung (Druck, Temperatur):T < 500° → 5000 ppm TCDD, T > 800° → 40 ppm
weitere Nebenprodukte:
Polychlor-dibenzofuranePolychlor-diphenylether
DioxineR = Cl: 2,3,7,8-Tetrachlorodibenzodioxin
(TCDD, "Dioxin")
NaOH
Cl-CH2-COOH
O
Cl
X
Cl
2,4-D2,4,5-T
unerwünschte Nebenreaktion:
2
erwünschte Reaktion
- 19 -
Toxische Wirkungen (Auswahl):
Hg: MeHgCl aus Abwässern angereichert in Thunfisch → ZNS-Schäden ("Minimata-Krankheit",Japan)
Cd: Anreicherung in Reis (0,3 ppm) nach Bewässerung aus Bergwerk-Abraumhalden →Zerstörung des Knochenmarks, rasche Entkalkung, Knochenschrumpfung, sehrschmerzhaft ("Itai-Itai-Krankheit", Japan)
Pb: Antiklopfmittel, Wasserleitungen, Farben → ersetzt Calcium in der Knochensubstanz(Erweichung)
Sn: Farbanstriche (z.B. Schutz bei Schiffen) → ZNS-Schäden, Fische, Molluskizide Wirkung,Fertilität (!)
� Kurse über Umwelt-Toxikologie (PK3, SK4).
Zusammenfassung
Dispersion, Akkumulation stark abhängig von den physikalischen Eigenschaften(Kow, Sdp., pKa, etc.); diese folgen aus der Struktur
Reaktionsverhalten extrem abhängig von der Struktur und den Reaktionsbedingungen→ Chemie (elektronische, sterische Effekte)
Wirkung abhängig von chemischen und physikalischen Eigenschaften einer Verbindung,nie voraussehbar! (Zelle, Organismus, Individuum? Population, Ökosystem?)