Gliederung
0. Einführung
1. Thünen-Modelle
2. Hotelling-Problem
3. Theorien der Siedlungsstruktur
4. Webersche Standorttheorie
5. Agglomerationseffekte, regionale Standortpolitik und
6. Migration aus volkswirtschaftlicher Sicht
Föderalismus
WS 2008/09 1Theoretische Grundlagen der Regionalökonomik, Prof. Dr. van Suntum
Launhardt´scher Trichter und Marktgebiet(Wilhelm Launhardt, Mathematische Begründung der Volkswirtschaftslehre, 1885)
2.1 Launhardt´scher Trichter
Wilhelm Launhardt• geb. am 07.04.1832 in Hannover• gest. am 14.05.1918 in Hannover
• Wegbauinspektor• Lehrer für Straßen-, Eisenbahn- und
Brückenbau an der Polytechnischen Schule• Direktor der Polytechnischen Schule und
erster Direktor der TH Hannover • Mitglied der Akademie des Bauwesens Berlin• Goldene Münze für verdienstvolle Leistungen
im Bau- und Verkehrswesen • Große Leistungen auf dem Gebiet der
ökonomischen Theorie• Diskussion wirtschaftlicher Probleme im Bereich
des Ingenieurswesens
WS 2008/09 2Theoretische Grundlagen der Regionalökonomik, Prof. Dr. van Suntum
Launhardt-Modell2.1 Launhardt´scher Trichter
• Nachfrage gleichmäßig in Fläche verteilt• Anbieter verteilen sich an einzelnen Standorten• Anbieter beliefern Kunden „frei Haus“, tragen selbst Transportkosten• (alternativ: Kunden kommen zum jeweils nächsten Anbieter)• reiner Produktpreis p für alle Kunden eines Anbieters gleich • aber unterschiedliche Wege- bzw. Transportkosten • Für jeden Anbieter ergibt sich eine Marktunter- und -obergrenze:
Standort
Marktuntergrenze umin
Marktobergrenze ug
• Grund für Marktuntergrenze: Fixkostendegression erfordert Mindestabsatz• Marktobergrenze: Bei zu weitem Weg lohnt sich Transport nicht mehr• Frage: Wie bestimmen sich die Marktgrenzen genau?
WS 2008/09 3Theoretische Grundlagen der Regionalökonomik, Prof. Dr. van Suntum
Launhardt´scher Trichter2.1 Launhardt´scher Trichter
• Ähnelt formal dem Thünen-Modell• Thünen: Anbieter in der Fläche bringen Güter zum punktförmigen
Markt => Kegel• Launhardt: punktförmig lokalisierte Anbieter verteilen Güter in der
Fläche => Trichter
p1 = k1 + t1 up2 = k2 + t2 u
k1 k2
Marktobergrenze(n) ug
stoßen im Gleichgewicht aneinander(d.h. niemand bleibt unversorgt)
WS 2008/09 4Theoretische Grundlagen der Regionalökonomik, Prof. Dr. van Suntum
Genaugenommen gilt in beiden Fällen 2.1 Launhardt´scher Trichter
ug
u
• cif-Preis (Cost, insurance, freight): enthält Transportkosten• fob-Preis (free on board): Preis bei Lieferung frei Haus oder Selbst- abholung
ug
Thünen´scher Kegel Launhardt´scher Trichter
ug
pcif
pfob
(Flächen statt Strecken (ug = Radius der Marktobergrenze))
WS 2008/09 5Theoretische Grundlagen der Regionalökonomik, Prof. Dr. van Suntum
Zusammenhang Entfernung, Fläche und Absatz (1)2.1 Launhardt´scher Trichter
• Fläche steigt in allen Fällen exponentiell mit dem Radius (s.u.)• Bei homogener Besiedelung gilt dies auch für den Absatz
Lineare Kosten- und Absatzfunktionen im Mengendiagramm werden zu nichtlinearen Funktionen im Entfernungsdiagramm!
• Auch denkbar: Besiedelungsdichte sinkt mit Abstand vom Standort bzw. vom Marktzentrum, dann ggfs. lineare Beziehung zwischen Entfernung und Absatz
Kreis Viereck regelmäßiges SechseckUmkreis-Radius
entsprichtGewinn-
maximalerTransport-
entfernung ug
Menge x
Produktionskosten K(X) = kX
Marktobergrenze ug
Produktionskosten K(ug)
WS 2008/09 6Theoretische Grundlagen der Regionalökonomik, Prof. Dr. van Suntum
Zusammenhang Entfernung, Fläche und Absatz (2)2.1 Launhardt´scher Trichter
Zusammenhang Radius und Fläche(Umkreisradius = weiteste Entfernung zum Mittelpunkt)
0
50
100
150
200
250
300
350
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Radius
Flä
che
Kreis: Regelmäßiges Sechseck
Quadrat
Je ähnlicher ein Polygondem Kreis ist, destostärker steigt der Absatzbzw. die Fläche mitdem (Umkreis-)Radius)
2πuF
Zusammenhang (Umkreis-)Radius undAbsatz (bzw. Fläche) bei gleichmäßiger Besiedelung
WS 2008/09 7Theoretische Grundlagen der Regionalökonomik, Prof. Dr. van Suntum
2.1 Launhardt´scher Trichter
Symbole:• u = Entfernung vom Zentrum des Marktgebietes• ug = Radius des Marktgebietes = Marktobergrenze• x(p) = Absatz pro Nachfrager, abhängig vom Preis• Xu(u) = Absatz in Entfernungsring u• X = Gesamtabsatz im gesamten Marktgebiet• Tu = Transportkosten für Nachfrage in Entfernung u• T(ug) = Gesamte Transportkosten im Marktgebiet
)un(n
)px(x)(
Für die Produktmenge pro Nachfrager x und die Zahl derNachfrager n in Entfernung u gelte
z.B. lineare Nachfragefunktion:
z.B. bei kreisförmigem Gebiet: r 2πnb
pax
WS 2008/09 8Theoretische Grundlagen der Regionalökonomik, Prof. Dr. van Suntum
Mathematische Herleitung der Marktober- und –untergrenze im Launhardt-Modell (1)
Mathematische Herleitung der Marktober- und -untergrenze im Launhardt-Modell (2)
2.1 Launhardt´scher Trichter
=> Gesamtabsatz (Integral der „Kreise“):
=> Transportkosten für Entfernung u:
=> Gesamte Transportkosten für das Marktgebiet:
u
ug
Xu
X
=> Absatz im Entfernungsring u
WS 2008/09 9Theoretische Grundlagen der Regionalökonomik, Prof. Dr. van Suntum
)(2 puxX u
)())(2( 2
0
pxudupuxX g
ug
)(2 2 pxututXT uu
)(3
2))(2( 3
0
2
0
pxutdupxutduTT g
uu
u
gg
Mathematische Herleitung der Marktober- und –untergrenze im Launhardt-Modell (3)
2.1 Launhardt´scher Trichter
• Die reinen Produktionskosten seien
kXK(X)K x
• Somit sind die gesamten Kosten in Abhängigkeit von der Marktgrenze:
Produktion Transport
• Der Erlös aus dem gesamten Marktgebiet ist
x(p)pπuX(p)p)E(u 2gg
• Der (zu maximierende) Gewinn ist dann
Es müssen simultan der optimale Preis und das optimale Marktgebietbestimmt werden!
p ist hier der fob-Preis,Transportkosten gehenzu Lasten des Anbieters
WS 2008/09 10Theoretische Grundlagen der Regionalökonomik, Prof. Dr. van Suntum
)(3
2)()( 32 pxutpxukKuK ggg
)(3
2)()();( 322 pxutpxukKppxuKEupG gggg
Mathematische Herleitung der Marktober- und –untergrenze im Launhardt-Modell (4)
2.1 Launhardt´scher Trichter
Der Nettoerlös pro Einheit (p-k) muss also dieTransportkosten pro Einheit gerade noch decken;der Preis ist allerdings noch unbekannt!
Diese Bedingung wird jetzt eingesetzt, um den Gewinn in Abhängigkeitvom Produktpreis p abzuleiten. Interpretation:• ug ist entweder die maximale Entfernung, bis zu welcher der Anbieter beim Preis p frei Haus zu liefern bereit ist (bei freiem Versand)• alternativ ist ug die maximale Entfernung, in der Nachfrager bereit sind, zum Preis p zu kaufen (unfreier Versand oder Abholung)
Ableitung dG/dp = 0 => p* ist i.a. nur numerisch lösbar!
WS 2008/09 11Theoretische Grundlagen der Regionalökonomik, Prof. Dr. van Suntum
t
kpu
pxutpxukppxuu
G
g
gggg
0)(2)(2)(2!
2
)(3
2)()( G(p)
)(3
2)()();(
322
322
pxp
kptpx
p
kpkKppx
p
kp
pxutpxukKppxuupG gggg
Ausweg: Numerische Lösung2.1 Launhardt´scher Trichter
Beispiel für kreisförmiges Absatzgebiet und lineare Nachfragefunktion (s.o):
2ππnb
pax
K3
p
kpt
3
2k)(p
2
p
kpπ
b
pa
K3
p
kpt
3
2k)(p
2
p
kpx(p)π
x(p)3
p
kptπ
3
2x(p)
2
p
kpkπKx(p)p
2
p
kpπ G(p)
Für die Gewinnfunktion ergibt sich dann:
• Marktobergrenze: G ist über p zu maximieren; • Marktuntergrenze: G ist = 0 zu setzen (2. Ableitung beachten!)• Daraus ergeben sich dann ug und alle anderen Variablen.
(z.B. mit Excel-Solver)
WS 2008/09 12Theoretische Grundlagen der Regionalökonomik, Prof. Dr. van Suntum
Zahlenbeispiel2.1 Launhardt´scher Trichter
exogene Variable:t 0,50k 2,00Kquer 2000,00a 10,00b 0,50pi 3,14
Solvervariable p 8,00Hilfsgrößen:ug = (p-k)/t 12,00x(p) =(a-b)/p 4,00Solver-Zielgröße G: 1619,11 => X 1809,56x * p 32,00
9,41
14,831,170,00
809,2511,03
5,86
7,738,270,00
1552,4248,50
G=> max: Marktobergrenze ugMarktuntergrenze Verlustgrenze
nachgefragte Gütermenge pro Nachfrager
0,00
2,00
4,00
6,00
8,00
10,00
12,00
0,00 5,00 10,00 15,00 20,00
Menge x(p)
Pre
is p
Gewinn in Abhängigkeit von Marktgrenze ug (bei jeweils p = k + t*ug)
-5000,00
-4000,00
-3000,00
-2000,00
-1000,00
0,00
1000,00
2000,00
0,00 5,00 10,00 15,00 20,00
Marktgrenze ug
Gew
inn
G
(siehe auch Excel-Datei „Launhardt“)
WS 2008/09 13Theoretische Grundlagen der Regionalökonomik, Prof. Dr. van Suntum
Schlussfolgerungen
• Der gewinnmaximale Standort stellt die Marktobergrenze dar (s.o.)• Marktuntergrenze: Fixkostendegression muss E > K gewährleisten (d.h. G > 0)• Jenseits von Marktobergrenze wird zwar noch Gewinn erzielt, aber geringerer
als bei Beschränkung auf Marktobergrenze• Verlustgrenze relevant bei Pflicht zur Marktbedienung (z.B. Gebietsmonopole Elektrizität, Zeitungsverkauf...)• Bei vorgegebenem Preis (z.B. Zigaretten, Zeitungen, Bücher) vereinfacht sich das Problem mathematisch erheblich• Bei übernormalem Gewinn dürfte Konkurrenz näher rücken, bis dieser verschwindet• => Trotz räumlicher Alleinstellung nicht unbedingt Monopol- gewinne zu erwarten
WS 2008/09 14Theoretische Grundlagen der Regionalökonomik, Prof. Dr. van Suntum
2.1 Launhardt´scher Trichter