AgrArforschung schweiz
O k t o b e r 2 0 1 3 | H e f t 1 0
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Pflanzenbau Weissklee und Wiesenrispengras erneut geprüft Seite 416
Pflanzenbau Serie ProfiCrops: Wissenstransfer im Schweizer Gemüsebau Seite 432
Kurzbericht Tête de Moine AOP: eine neue Kultur für den Herkunftsnachweis Seite 448
ImpressumAgrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös sische Ämter und weitere Fachinteressierte.
HerausgeberinAgroscope
Partnerb Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil ACW;
Agroscope Liebefeld-Posieux und Schweizerisches Nationalgestüt ALP-Haras; Agroscope Reckenholz-Tänikon ART), www.agroscope.ch
b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern, www.blw.chb Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Zollikofen, www.hafl.chb Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne, www.agridea.ch b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich,
Departement für Umweltsystemwissenschaften, www.usys.ethz.ch
Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agro nomique Suisse, Forschungs anstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21 Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: [email protected]
Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW Postfach 1012, 1260 Nyon 1, E-Mail: [email protected]
Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Direktor ACW), Sibylle Willi (ACW), Evelyne Fasnacht (ALP-Haras), Erika Meili (ART), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (HAFL), Esther Weiss (AGRIDEA), Brigitte Dorn (ETH Zürich).
AbonnementPreiseZeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten),inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–** reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch
AdresseNicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP Postfach 64, 1725 Posieux, E-Mail: [email protected], Fax +41 26 407 73 00
AdressänderungenE-Mail: [email protected], Fax +41 31 325 50 58
Internet www.agrarforschungschweiz.chwww.rechercheagronomiquesuisse.ch
ISSN infosISSN 1663-7852 (Print)ISSN 1663-7909 (Internet)Schlüsseltitel: Agrarforschung SchweizAbgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz
© Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion.
Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS
415 Editorial
Pflanzenbau
416 Weissklee und Wiesenrispengras erneut geprüft Daniel Suter, Hansueli Hirschi, Rainer Frick und
Philippe Aebi
Pflanzenbau
424 Empfindlichkeit der Kartoffel gegenüber der durch Dickeya spp. verursachten Stängelfäule
Jérémie Rouffiange et al.
Pflanzenbau – Serie ProfiCrops
432 Wissenstransfer im Schweizer Gemüsebau
Robert Baur, Simone Fähndrich, Brigitte Baur
und Thomas Wieland
Kurzbericht – Serie ProfiCrops
440 Forschen für einen nachhaltigen Schweizer Obstbau trotz Feuerbrand
Esther Bravin
Kurzbericht
444 Rasche Entwicklung neuer Diagnostikwerk zeuge für die Landwirtschaft
Christophe Debonneville, JeanSébastien
Reynard, Olivier Schumpp und Santiago Schaerer
Kurzbericht
448 Tête de Moine AOP: eine neue Kultur für den Herkunftsnachweis
John Haldemann et al.
451 Porträt
452 Aktuell
455 Veranstaltungen
InhaltOktober 2013 | Heft 10
Landwirtschaftliche Erzeugnisse mit geschützter Ursprungsbezeichnung (GUB/AOP) wie Tête de Moine- Käse erzielen auf dem Markt als traditionell hergestellte Produkte einen Mehrwert. Forschende von Agroscope haben auf der Basis von Markerbakterien eine Methode entwickelt, um die Herkunft des Tête de Moine AOP nach-zuweisen. (Foto: Olivier Bloch, ALP-Haras)
Editorial
415Agrarforschung Schweiz 4 (10): 415, 2013
Liebe Leserin, lieber Leser
Als Max Frisch 1979 seine Erzählung «Der Mensch erscheint im Holozän»
veröffentlichte, ahnte er kaum, dass ebendieses geologische Zeitalter im
Begriff ist zu Ende zu gehen. Auch wenn der Titel naturwissenschaftlich
gesehen falsch ist, hat er doch in Bezug auf den modernen Menschen seine
Richtigkeit: Das Holozän – ein relativ warmer und klimatisch stabiler Zeit
raum von 10 000 bis 12 000 Jahren – hat die günstigen Rahmenbedingungen
für die kulturgeschichtliche Entwicklung geschaffen, die den heutigen Men
schen prägen.
Doch in den letzten 200 Jahren ist der Mensch zunehmend selber zu
einem geologischen Faktor geworden: Ein neues Zeitalter, das Anthropozän
hat begonnen. Die immer deutlicher werdenden Folgen des menschlichen
Wirkens auf Klima und Ökosystem sind uns allen bekannt. Gemäss Paul J.
Crutzen, Athmosphärenforscher und Nobelpreisträger, der massgeblich den
Begriff Anthropozän geprägt hat, kann das neue Zeitalter – bislang – in drei
Phasen unterteilt werden. Die erste Phase von zirka 1800 bis 1945, also im
Wesentlichen das Industriezeitalter umfassend, steht für den sich verbreiten
den Einsatz von fossilen Brennstoffen. Bis 1945 stieg die CO2Konzentration
bereits auf ein Mass an, das die statistische Variation während des Holozäns
bei Weitem überstieg. In der zweiten Phase, die von 1945 bis – wie Crutzen
erwartet – zirka 2015 dauern wird und die er «The Great Acceleration» nennt,
nimmt die Dynamik des menschlichen Einflusses auf die Umwelt dramatisch
zu. Typisch für diese Phase ist, dass ein Umdenken beim Einzelnen wie auch
bei den zentralen Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik nur zöger
lich beginnt, und Anstrengungen, um auf internationaler Ebene Lösungen
zu finden, nur mit sehr bescheidenem Erfolg gesegnet sind.
Dass die Menschheit für die nächsten Tausende wenn nicht für die nächs
ten Millionen Jahre ein wichtiger geologischer Einflussfaktor bleiben wird,
ist unbestritten. Die grosse Frage für die dritte Phase des Anthropozän ist
jedoch, welche Rolle der Mensch in Zukunft dabei übernimmt. Die Entwick
lung von international anerkannten, wirkungsvollen Strategien, um das
menschliche Handeln und das globale Ökosystem in eine nachhaltige Balance
zu bringen, ist eine der grössten politischen und wissenschaftlichen Heraus
forderungen überhaupt. Und da sich langsam die Erkenntnis durchsetzt, dass
herkömmliche Denkansätze, etwa zur Reduktion des CO2Ausstosses, wohl
zu wenig schnell wirken werden, um für den Menschen schwerwiegende
Folgen des Klimawandels noch rechtzeitig abwenden zu können, werden
immer mehr Wege diskutiert, wie in Zukunft aktiv in das globale Klimage
schehen eingegriffen werden kann. Diese unter dem Begriff GeoEnginee
ring zusammengefassten Ansätze haben in der Regel das Bremsen der Klima
erwärmung, den Abbau der CO2Konzentration oder die Verhinderung der
Übersäuerung der Meere zum Ziel.
Wir stehen in dieser Entwicklung noch ganz am Anfang und es ist zu
hoffen, dass der Mensch seine Fähigkeiten dazu einsetzen wird, seine Rolle
als «geologischer Faktor» in Zukunft verantwortungsbewusst wahrzuneh
men. Einer auf nationaler wie internationaler Ebene erfolgreichen Agrarfor
schung wird in diesem Zusammenhang eine grosse Bedeutung zukommen.
Paul Steffen, Leiter Agroscope Reckenholz-Tänikon ART
Anthropozän – ein neues Zeitalter
416 Agrarforschung Schweiz 4 (10): 416–423, 2013
P f l a n z e n b a u
E i n l e i t u n g
Weissklee: wertvoll und ausdauernd
In häufig genutzten Wiesen hält sich auf Dauer nur eine
Kleeart: der Weissklee (Trifolium repens L.). Aufgrund
seiner Wuchsform werden beim Mähen lediglich die
Blattspreiten und Blattstiele entfernt. Der Stengel
wächst als Kriechtrieb unversehrt am Boden weiter.
Diese Kriechtriebe (Abb. 1) ermöglichen es dem Weiss
klee, sich nach Störeinwirkung wie Mahd, Verbiss oder
Tritt rasch zu regenerieren, entstandene Lücken sofort
zu schliessen und, ausser mit der Verbreitung durch
Samen, sich auch vegetativ zu vermehren. Diese Regene
rationsfähigkeit macht den Weissklee zur idealen Klee
art für Weiden.
Der Weissklee bildet bei sämtlichen dreijährigen
und längerdauernden KleeGrasMischungen des
Standardmischungssystems vom zweiten Hauptnut
zungsjahr an das Rückgrat für den Kleeanteil im
Bestand (Suter et al. 2012b). Er erfüllt dabei eine wich
tige Funktion, weil Mischungen aus Klee und Gras
gegenüber Gräserreinsaaten grosse Vorteile bieten
(Finn et al. 2013, Nyfeler et al. 2009). Da, wie bereits
erwähnt, nur Blattspreiten und Blattstiele des Weiss
klees geerntet werden, sind Bestände mit Weissklee
wegen der mehr oder weniger gleichbleibenden Qua
lität des Ernteguts nutzungselastischer als Bestände
mit Rotklee oder Luzerne. Der Weissklee besitzt die
interessante Eigenschaft, seine Blattstiele strecken zu
können, um die Blattspreiten in Bestandesschichten zu
platzieren, in welchen mehr Licht vorhanden ist. Er
kann sogar die Blattspreiten in Richtung des einfallen
den Lichtes drehen (Marcuvitz und Turkington 2000).
Trotz dieser Eigenschaften sollten Bestände mit Weiss
klee häufig genutzt werden, damit sie gegenüber
rasch aufwachsenden Konkurrenten bestehen können
(Winkler 1984). Aus demselben Grunde muss die erste
Nutzung im Jahr früh erfolgen, wenn der Weissklee im
Bestand erhalten oder gar gefördert werden soll.
Ideal für den Weissklee sind frische, nährstoffrei
che Böden. Anhaltende Trockenheit erträgt der Weiss
klee wegen seines oberflächlichen Wurzelwerks
schlecht. Der Düngerbedarf beschränkt sich in der
Regel auf die Elemente P, K und Mg. Als Leguminose
bezieht der Weissklee den benötigten Stickstoff mit
Hilfe der Rhizobien aus der Luft. Nicht nur der Weiss
klee profitiert von diesem Stickstoff, sondern auch die
anderen Pflanzen im Bestand (Nyfeler et al. 2011).
Somit benötigen GrasWeisskleeMischungen weniger
Stickstoffdünger als reine Grasbestände.
Der Weissklee erträgt starke Kahlfröste schlecht.
Unter langdauernden Schneedecken wird er, abhängig
von der Sorte, mehr oder weniger stark vom Kleekrebs
Daniel Suter1, Hansueli Hirschi1, Rainer Frick2 und Philippe Aebi2
1Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich2Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon 1
Auskünfte: Daniel Suter, E-Mail: [email protected], Tel. +41 44 377 72 79
Weissklee und Wiesenrispengras erneut geprüft
Abb. 1 | Weissklee (Trifolium repens) und Wiesenrispengras (Poa pratensis). Zeichnung aus dem Buch «Wiesen- und Alpenpflanzen» von Walter Dietl und Manuel Jorquera, Österreichischer Agrarver-lag, Leopoldsdorf, 4. Auflage 2012. (Zeichnungen: Manuel Jorquera, Zürich. Alle Rechte vor behalten. Copyright: AGFF, Zürich. Mit freundlicher Genehmigung der AGFF.)
Weissklee und Wiesenrispengras erneut geprüft | Pflanzenbau
417
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Agrarforschung Schweiz 4 (10): 416–423, 2013
In den Jahren 2010 bis 2012 führten die
Forschungsanstalten Agroscope Reckenholz-
Tänikon ART und Agroscope Changins-
Wädenswil ACW Versuche mit 20 Sorten
Weissklee und zwölf Sorten Wiesenrispen-
gras durch. Beim Weissklee waren zehn
davon Neuzüchtungen, beim Wiesenrispen-
gras waren es acht. Beurteilt wurden die
Jugendentwicklung, die Güte des Bestandes
(allgemeiner Eindruck, Bestandesdichte,
Nachwuchsvermögen), die Toleranz gegen-
über Wintereinflüssen, die Krankheitsresis-
tenz gegenüber Blattkrankheiten, die
Ausdauer (Güte am Ende des letzten Ver-
suchsjahres) sowie die Anbaueignung für
höhere Lagen. Beim Weissklee wurde zudem
der Gehalt an blausäureabspaltenden
Glykosiden beurteilt und beim Wiesenrispen-
gras der Gehalt an verdaulicher organischer
Substanz. Vier Neuzüchtungen von Weissklee,
nämlich «CW 0905», «CW 0904», «TR 0505»
und «TR 0705», und drei beim Wiesenrispen-
gras, «PP 0515», «PP 0425» und «Varenzo 5»,
erbrachten für eine Empfehlung genügende
Leistungen. Leider fehlt bei allen noch das
Bestehen der sogenannten Registerprüfung,
damit sie empfohlen werden dürfen. Auf-
grund der Ergebnisse werden die bisher
empfohlenen Weisskleesorten «Vysocan»
und «Seminole» sowie die Wiesenrispengras-
sorte «Tommy» nicht mehr empfohlen.
(Sclerotinia trifoliorum) befallen (Michel et al. 2000).
Diese Pilzkrankheit kann die Ausdauer einer Klee
pflanze bedeutend vermindern. Weisskleepflanzen
enthalten oft bedeutende Mengen an cyanogenen
Glykosiden, aus welchen mit Hilfe pflanzeneigener
oder im Pansen vorhandener Enzyme Blausäure freige
setzt werden kann. Damit verbunden ist eine mögliche
Gefährdung der Tiergesundheit. Deshalb werden nur
Sorten in den Sortenempfehlungen berücksichtigt,
deren Gehalt an cyanogenen Glykosiden nicht signifi
kant über demjenigen der Referenzsorte «Sonja» liegt.
Zwei Weissklee-Typen für Standardmischungen
•• Mittel bis kleinblättrige Sorten (HollandicumTyp):
Sorten dieser Form bleiben eher klein, aber in der
Regel nicht so klein wie der Wildtypus (forma
sylvestris). Sie eignen sich bestens für die Weidenut
zung. Manche Sorten dieses Typs sind im Sommer
sehr blühfreudig.
•• Grossblättrige Sorten (hauptsächlich LadinoTyp,
synonym GiganteumTyp): Sie sind hochwachsend und
ertragreich und eignen sich eher für die Schnittnut
zung. Ihre Blühneigung im Sommer ist verhältnismäs
sig gering. Grossblättrige Sorten, vor allem des
LadinoTyps, weisen häufig deutlich niedrigere
Gehalte an cyanogenen Glykosiden auf als mittel bis
kleinblättrige Sorten. Mittlerweile sind auch gross
blättrige Sorten erhältlich, die nicht eindeutig dem
LadinoTyp zugeordnet werden können.
Wiesenrispengras: langsamer Start
Was bei den Kleearten der Weissklee, ist bei den Gräser
arten das Wiesenrispengras (Poa pratensis L.). Es gehört
zu den ausdauerndsten Arten unter intensiver Nutzung
und ist, zusammen mit dem Englischen Raigras (Lolium
perenne L.), das typische Gras ertragreicher Mähweiden
und Weiden. Es ersetzt dieses vollständig unter weniger
günstigen Wachstumsbedingungen oder wenn dieses
mit der Zeit aus dem Bestand verschwunden ist. Wie der
Weissklee kann sich das Wiesenrispengras mittels Kriech
trieben im Bestand erhalten. Diese sind jedoch im
Gegensatz zum Weissklee als unterirdische Rhizome aus
gebildet. Das Wiesenrispengras entwickelt sich nach
dem Keimen der Saat nur sehr zögerlich – unabhängig
davon, ob die Keimung künstlich beschleunigt worden
ist oder nicht. Bis es sich richtig etabliert hat, kann deut
lich mehr als ein Jahr vergehen. Im Mischbestand können
konkurrenzstarke Partnerpflanzen wie das Knaulgras
(Nösberger und Moser 1988) oder der Wiesenfuchs
schwanz (Lehmann 1995) das Wiesenrispengras in seiner
Jugendentwicklung stark hemmen. Behindert wird vor
allem die Bildung der Ausläufer. Es dauert in diesem Fall
bedeutend länger, bis sich ein entsprechender Anteil
Wiesenrispengras im Bestand etabliert hat. Voll entwi
ckelte Bestände von Wiesenrispengras bilden einen dich
ten, trittfähigen Rasen. Einmal entstandene Lücken wer
den dank Ausläufern rasch wieder geschlossen, was es
Unkräutern erschwert, sich anzusiedeln. Diese Eigen
schaft kommt auch in Mischbeständen zur Geltung. Es
hat deshalb in längerdauernden Mischungen eine wich
tige Funktion (Suter et al. 2012b).Das Wiesenrispengras besitzt eine bessere Trocken
heitstoleranz als beispielsweise das Englische Raigras und
wächst unter vielfältigen klimatischen Bedingungen. Es
erträgt Kälte und langdauernde Schneedecken gut. Das
Wiesenrispengras kann intensiv genutzt werden. Da es
bis zu einem gewissen Grad schattentolerant ist, ist es
auch für die Mahd geeignet. Nicht zu tiefes Mähen ist für
die Ausdauer dabei förderlich. Das Ertragspotenzial
erreicht nicht ganz dasjenige des Englischen Raigrases
Pflanzenbau | Weissklee und Wiesenrispengras erneut geprüft
418 Agrarforschung Schweiz 4 (10): 416–423, 2013
und wird nur ausgeschöpft, wenn genügend Nährstoffe
vorhanden sind und das Wasser nicht zu knapp ist. Zwi
schen den Sorten gibt es beträchtliche Unterschiede in
der Resistenz gegen Rostpilze, welche vor allem die
Schmackhaftigkeit des Futters vermindern (Michel et al.
2000). Die Rostanfälligkeit ist aber bei allen Sorten mehr
oder weniger hoch. Eine weitere häufig auftretende
Krankheit ist Drechslera, die gewisse Einbussen an
Schmackhaftigkeit und Futterertrag bewirken kann.
Da für die Futtererzeugung vor allem die Blattmasse
von Bedeutung ist, haben agronomisch interessante Sor
ten des Wiesenrispengrases ein niedriges Stengel/Blatt
Verhältnis. Der geringe Anteil an blütentragenden Trie
ben hat jedoch einen schwachen Samenertrag je Hektare
zur Folge. Diese schlechte Vermehrbarkeit macht die
Saatgutproduktion oft unwirtschaftlich. Deshalb ist das
Angebot an guten Sorten stark begrenzt und deren
Saatgut ist bedeutend teurer als dasjenige von stengel
reichen, futterbaulich schlecht geeigneten Varietäten.
Trotzdem lohnt es sich, «teurere» Qualitätssorten einzu
setzen. Denn die sind auf Grund ihres höheren futter
baulichen Wertes auf die Dauer kostengünstiger.
M a t e r i a l u n d M e t h o d e n
Im Feldversuch geprüft
Die Forschungsanstalten Agroscope ReckenholzTänikon
ART und Agroscope ChanginsWädenswil ACW prüften
in den Jahren 2010 bis 2012 insgesamt 20 Sorten von
Weissklee und zwölf Sorten von Wiesenrispengras. Von
den Weisskleesorten waren zehn Neuzüchtungen, die
Abb. 2 | Sortenversuch mit Weissklee im Frühlingsaufwuchs. Sorte «CW 0904»: Dichte, ebenmässige Bestände, ohne Beeinträchtigung durch Krankheiten, sind der Grundstein für einen hohen Ertrag. (Foto: ART)
Ort, KantonHöhe
(m ü. M.)Saatdatum Weissklee Wiesenrispengras
Wiederholungen Ertragserhebungen Wiederholungen Ertragserhebungen
Reinsaat1 Mischungen2 2011 2012 Reinsaat3 Mischungen4 2011 2012
Changins, VD 430 16/04/2010 3 – 4 – 3* – 4 3
Reckenholz, ZH 440 17/04/2010 4 – 5 5 4 – 5 5
Seebach, ZH 440 19/04/2010 – 3 – – – 3 – –
Oensingen, SO 460 16/04/2010 4 4 5 5 4 3 5 5
Ellighausen, TG 520 13/04/2010 3 3 5 5 – –
26/08/2010 1 – 5 5 4 3 5 5
Goumoëns, VD 630 15/04/2010 3 3 5 5 3 – 4 4
La Frêtaz, VD 1200 28/04/2010 3 – – – 3 2 – –
Maran, GR 1850 10/05/2011 – – – – 3 – – –* + 1 Wiederholung für die Frühreifeerhebung1 Reinsaaten: 150 g/100 m2 Weissklee (Sorte «Sonja» als Standard für die Saatmenge)2 Mischungen: 50 g/100 m2 Weissklee (Sorte «Sonja» als Standard für die Saatmenge) + 100 g/100 m2 Knaulgras «Pizza»3 Reinsaaten: 200 g/100 m2 Wiesenrispengras (Sorte «Nixe» als Standard für die Saatmenge)4 Mischungen: 150 g/100 m2 Wiesenrispengras (Sorte «Nixe» als Standard für die Saatmenge) + 25 g/100 m2 Weissklee, grossblättrig «Seminole» + 15 g/100 m2 Weissklee,
kleinblättrig «Sonja»
Tab. 1 | Orte und Daten der im Jahre 2012 abgeschlossenen Sortenversuche mit Weissklee und Wiesenrispengras
Weissklee und Wiesenrispengras erneut geprüft | Pflanzenbau
419Agrarforschung Schweiz 4 (10): 416–423, 2013
schen Methode (Suter et al. 2013) in Noten umgewan
delt. Beim Weissklee wurde zudem der Gehalt an
blausäureabspaltenden Glykosiden mit einer auf derje
nigen von Pulss (1962) aufbauenden Methode gemessen.
Das analysierte Pflanzenmaterial stammte aus Stichpro
ben am Standort Reckenholz, die im zweiten bezie
hungsweise dritten Versuchsjahr in drei Wiederholun
gen gezogen worden waren.
Beim Wiesenrispengras wurden im Labor die Werte für
den Anteil der verdaulichen organischen Substanz (VOS)
im Futter ermittelt. Die Gehalte waren mit der sogenann
ten NahinfrarotReflexionsspektroskopie (Norris et al.
1976) gemessen und die Messwerte mit der Pansensaftme
thode nach Tilley und Terry (1963) validiert worden. Das
Pflanzenmaterial stammte aus Stichproben, die am Stand
ort Reckenholz im ersten, zweiten und dritten Aufwuchs
des zweiten Versuchsjahres jeweils an drei Wiederholun
gen gezogen worden waren. Die VOSGehalte wurden auf
dieselbe Weise wie der Ertrag in Noten umgerechnet.
erstmalig in den Feldversuchen auf ihre Anbauwürdig
keit überprüft worden waren. Beim Wiesenrispengras
waren es deren acht.
In den an sieben beziehungsweise acht Orten durch
geführten Versuchen mit Weissklee respektive Wiesen
rispengras wurden die Beobachtungen nach einer neun
stufigen Notenskala vorgenommen, wobei eine Eins die
beste und eine Neun die schlechteste Note bezeichnet.
Als Beobachtungsflächen dienten Reinsaaten in Klein
parzellen von 1,5 × 6,0 Metern. Zu den Beobachtungen
gehörten die Jugendentwicklung, die Güte des Bestan
des (allgemeiner Eindruck, Bestandesdichte, Nachwuchs
vermögen), die Toleranz gegenüber Wintereinflüssen,
die Krankheitsresistenz gegenüber Blattkrankheiten,
die Ausdauer (Güte am Ende des letzten Versuchsjahres)
sowie die Anbaueignung für höhere Lagen (Güte an den
Versuchsstandorten über 900 m ü. M.). Die im Feld
gemessenen Werte des Trockensubstanzertrages wur
den zu Jahreserträgen addiert und mittels einer statisti
Sortenname Ertrag1 Güte* Jugendent-wicklung
Konkurrenz-kraft
Ausdauer*Resistenzen/Toleranzen: Anbaueignung
für höhere LagenIndexwert
Wintereinflüsse* Blattkrankheiten*
Mittel- bis kleinblättrige Sorten
1 Pepsi 5,0 3,1 3,8 4,9 3,4 4,4 2,0 3,6 3,61
2 Rabbani 4,8 3,0 3,4 5,0 3,4 4,8 2,5 3,1 3,64
3 Sonja 5,6 3,0 3,3 5,0 3,4 4,7 2,5 3,8 3,74
4 Hebe 5,4 3,3 3,6 5,1 3,8 4,7 2,2 3,6 3,80
5 Tasman 5,3 3,1 3,8 4,7 3,3 5,0 2,7 4,3 3,85
6 Vysocan 4,8 3,4 3,7 5,0 4,5 5,3 2,6 3,2 4,01
Mittel (Standard) 5,2 3,2 3,6 4,9 3,6 4,8 2,4 3,6 3,78
7 AberPearl 5,4 3,1 3,6 5,1 2,6 4,8 1,8 3,2 3,50
8 AberAce 5,3 3,4 3,7 5,2 3,1 5,2 2,1 3,8 3,81
9 ZE-JP-1 5,2 3,1 3,5 5,1 3,7 5,2 2,7 3,7 3,90
10 Numuniai 6,0 3,5 3,4 5,2 4,4 5,1 2,9 3,1 4,15
Grossblättrige Sorten
11 Apis 4,3 2,7 3,4 4,6 2,8 4,8 2,6 3,1 3,43
12 Bombus 4,3 2,7 3,7 4,5 2,8 5,3 3,1 3,8 3,67
13 Fiona 4,8 3,0 3,7 4,7 3,3 4,8 3,3 3,5 3,78
14 Seminole 6,0 4,0 4,5 5,0 4,8 6,1 4,0 4,6 4,83
Mittel (Standard) 4,8 3,1 3,8 4,7 3,4 5,3 3,2 3,7 3,93
15 CW 0905 3,8 2,4 3,2 4,5 2,5 4,9 2,7 3,2 3,31
16 CW 0904 4,0 2,7 3,3 4,6 2,5 5,2 3,1 3,7 3,54
17 TR 0505 4,4 2,7 3,5 4,4 3,2 4,8 3,0 3,4 3,60
18 TR 0705 4,8 2,8 4,1 4,6 2,9 4,5 2,9 3,4 3,61
19 Giga 5,0 3,2 3,3 4,5 4,0 5,0 2,6 3,8 3,85
20 Florida 5,7 3,9 3,9 5,0 3,9 6,0 3,4 4,7 4,48
Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten
Notenskala: 1 = sehr hoch bzw. gut; 9 = sehr niedrig bzw. schlecht1 Ertragsnoten von 5 Versuchsstandorten mit je 4 bzw. 5 Erhebungen 2011 und von 4 Versuchsstandorten mit 5 Erhebungen 2012*Hauptmerkmal mit doppelter Gewichtung
Tab. 2 | Weissklee: Ergebnisse der Ertragserhebungen und Bonitierungen in den Jahren 2010 bis 2012
Pflanzenbau | Weissklee und Wiesenrispengras erneut geprüft
420 Agrarforschung Schweiz 4 (10): 416–423, 2013
Gesamtbeurteilung mittels Index
Zur Gesamtbeurteilung einer Sorte diente ein aus den
Noten aller erfassten Merkmale gemittelter Indexwert.
Dabei zählten beim Weissklee die Güte, die Ausdauer,
die Toleranz gegenüber Wintereinflüssen sowie die Resis
tenz gegen Blattkrankheiten doppelt. Beim Wiesenris
pengras erhielten die Güte, die Konkurrenzkraft, die
Ausdauer, die Resistenz gegen Blattkrankheiten sowie
die Anbaueignung in höheren Lagen doppeltes Gewicht.
Damit eine Sorte neu in die «Liste der empfohlenen
Sorten von Futterpflanzen» (Suter et al. 2012a) aufge
nommen werden kann, muss ihr Indexwert den Mittel
wert der Indices der mitgeprüften bisher empfohlenen
Sorten (Standard) um mindestens 0,20 Indexpunkte
unterschreiten (geringerer Wert = besser). Hingegen ver
liert eine bis anhin empfohlene Sorte ihre Empfehlung
und wird aus der Liste gestrichen, wenn ihr Indexwert
SortennamePotentiell freisetzbares HCN
(mg/kg TS)% von Sonja
Mittel- bis kleinblättrige Sorten
1 Pepsi 327 70
2 Rabbani 402 86
3 Sonja 463 100
4 Hebe 427 92
5 Tasman 338 73
6 Vysocan 170 36
7 AberPearl 906 195*
8 AberAce 637 137
9 ZE-JP-1 600 129
10 Numuniai 141 30
Grossblättrige Sorten
11 Apis 505 109
12 Bombus 348 75
13 Fiona 59 12
14 Seminole 469 101
15 CW 0905 397 85
16 CW 0904 471 101
17 TR 0505 255 55
18 TR 0705 323 69
19 Giga 15 3
20 Florida 310 66
Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten*Sorten, welche «Sonja» im HCN-Gehalt signifikant übertreffen, können nicht emp-
fohlen werden (n = 120; P < 0,05; Tukey-HSD)
Tab. 3 | Weissklee: Potentieller Gehalt an Blausäure (HCN)
Konkurrenzkraft wichtig für Mischungen
Da in der Schweiz Klee und Gräserarten fast ausnahms
los als Mischungen gesät werden, ist die Beurteilung der
Konkurrenzkraft einer Sorte wichtig. Dazu wurden beim
Weissklee, zusätzlich zu den Reinsaaten, Versuche mit
einfachen Gemengen angelegt, in welchen die zu prü
fenden Sorten sich gegen Knaulgras behaupten mussten.
Beim Wiesenrispengras wurde als Mischungspartner
Weissklee eingesetzt. Aus dem vor dem Schnitt erhobe
nen Anteil der zu prüfenden Sorte am Gesamtertrag des
Bestandes wurden die Noten für die Konkurrenzkraft
nach folgender Formel berechnet:
Konkurrenzkraft = 9 – 0,08 × Ertragsanteil %.
Basierend auf Beobachtungen zur Blattgrösse wurden
die Weisskleesorten mittels Clusteranalyse in zwei Grup
pen eingeteilt. Weitere Angaben zu Versuchsorten, Saat
und Anzahl Ertragserhebungen können der Tabelle 1
entnommen werden.
Sortenname Antragsteller Kategorie1
Mittel- bis kleinblättrige Sorten
1 Pepsi DLF-Trifolium, DK 1
2 Rabbani DLF-Trifolium, DK 1
3 Sonja Svalöf-Weibull, SE 1
4 Hebe Svalöf-Weibull, SE 1
5 Tasman Barenbrug, NL 1
6 Vysocan Agrogen, CZ 2/3
7 AberPearl Germinal Holdings, GB 4
8 AberAce Germinal Holdings, GB 3
9 ZE-JP-1 NPZ-Lembke, DE 3
10 Numuniai Agrolitpa, LT 3
Grossblättrige Sorten
11 Apis DSP, CH 1
12 Bombus DSP, CH 1
13 Fiona DSP, CH 1
14 Seminole Cal West, US 2/3
15 CW 0905 Cal West, US 1*
16 CW 0904 Cal West, US 1*
17 TR 0505 DSP, CH 1*
18 TR 0705 DSP, CH 1*
19 Giga Jouffray-Drillaud, FR 3
20 Florida Allied Seed, US 3
Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten
Tab. 4 | Weissklee: Geprüfte Sorten und Kategorieeinteilung
1 Kategorieeinteilung der Sorten aufgrund der Ergebnisse aus den Versuchen: Kategorie 1: In der Schweiz in der «Liste der empfohlenen Sorten von Futter-
pflanzen» geführtKategorie 1*: Kann erst nach Erfüllen der für die Handelbarkeit in der Schweiz ge-
setzlich festgelegten Kriterien empfohlen werden (siehe Saat- und Pflanzgut-Verordnung des EVD, SR 916.151.1)
Kategorie 2/3: Sorte vom 1. Januar 2016 an nicht mehr empfohlen Kategorie 3: Nicht empfohlen. Zeichnet sich weder durch gute noch durch
schlechte Eigenschaften ausKategorie 4: Nicht empfohlen. Eignet sich nicht für den Anbau in der Schweiz
Weissklee und Wiesenrispengras erneut geprüft | Pflanzenbau
421Agrarforschung Schweiz 4 (10): 416–423, 2013
sen erzielte «CW 0905» den zweitbesten beziehungs
weise drittbesten Wert. Die drei Neuzüchtungen «CW
0904», «TR 0505» und «TR 0705» aus den USA bezie
hungsweise der Schweiz erwiesen sich alle als in etwa
gleich stark. Ihre Indices waren um mehr als 0,30 Punkte
besser als der Standard. «CW 0904» überzeugte mit einer
sehr guten Ausdauer und mit den jeweils zweitbesten
Ergebnissen in Ertrag, Güte und Jugendentwicklung.
Neben überdurchschnittlich guten Leistungen in Ertrag
und Güte tat sich «TR 0505» mit der besten Konkurrenz
kraft des Versuches und vielversprechenden Werten für
um mehr als 0,20 Punkte über demjenigen des Standards
zu liegen kommt (höherer Wert = schlechter). Ausser
dem kann eine Sorte nicht empfohlen werden, wenn sie
in einem wichtigen Einzelmerkmal den Mittelwert des
Standards um 1,50 Punkte oder mehr überschreitet.
Zudem werden beim Weissklee Sorten nur berücksich
tigt, wenn der Gehalt an blausäureabspaltenden Glyko
siden statistisch (P < 0,05) nicht höher ist als derjenige
der Referenzsorte «Sonja».
R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n
Vier leistungsfähige grossblättrige Neuzüchtungen
Während bei den mittel bis kleinblättrigen Sorten die
Neuzüchtung «AberPearl» trotz hervorragender agro
nomischer Eigenschaften (Tab. 2) aufgrund ihres hohen
Gehaltes an blausäureabspaltenden Glykosiden (Tab. 3)
für eine Empfehlung nicht in Frage kommt, erfüllen von
den sechs geprüften grossblättrigen Neuzüchtungen
deren vier die in der Prüfung festgelegten Anforderun
gen für eine Empfehlung (Tab. 4). Allen voran glänzte
«CW 0905» aus den USA mit einem hervorragenden
Gesamtergebnis (Tab. 2). Sie übertraf den Standard um
mehr als 0,60 Punkte und lag im Ertrag, der Güte, der
Jugendentwicklung und der Ausdauer auf dem ersten
Platz aller geprüften grossblättrigen Sorten. In der Kon
kurrenzkraft und der Anbaueignung für höhere Lagen
belegte sie Platz zwei und in der Resistenz gegen Blatt
krankheiten und der Toleranz gegenüber Wintereinflüs
Sortenname Ertrag1* Güte*Jugendent-wicklung
Konkurrenz-kraft*
Ausdauer*
Resistenzen/Toleranzen:
VOS2Anbaueignung
für höhere Lagen*
Index-wertWinter-
einflüsseBlattkrank-
heiten*
1 Nixe 3,2 2,5 5,3 4,6 2,7 4,0 3,9 4,3 3,2 3,59
2 Likollo 3,6 2,6 5,2 4,6 2,5 4,0 3,9 5,3 3,5 3,71
3 Lato 2,6 3,0 4,4 4,1 3,2 4,2 5,2 3,7 3,6 3,71
4 Tommy 4,0 3,4 5,8 5,0 2,7 4,7 4,5 6,7 4,3 4,34
Mittel (Standard) 3,4 2,9 5,2 4,6 2,8 4,2 4,4 5,0 3,6 3,84
5 PP 0515 2,5 2,6 4,3 4,0 2,7 3,9 4,2 3,7 3,7 3,41
6 PP 0425 3,1 3,0 4,6 3,7 2,4 4,7 4,3 3,7 4,1 3,61
7 Varenzo 5 3,2 2,5 4,8 4,7 2,5 4,0 4,3 4,7 3,3 3,64
8 Rhenus (ST 250) 4,8 3,5 5,3 4,8 3,3 4,4 5,1 4,7 4,1 4,37
9 Hekate (LL HZ 39) 6,4 3,4 4,6 5,6 3,3 4,4 5,5 5,7 3,6 4,70
10 Helios (LL HZ 38) 6,6 3,6 5,0 5,5 3,4 4,5 6,3 5,7 3,9 4,92
11 Europa 7,5 5,4 5,5 6,3 5,6 4,7 6,7 2,3 4,6 5,66
12 Mercury 8,7 6,1 6,6 6,4 5,9 6,0 4,8 9,0 6,1 6,52
Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten
Notenskala: 1 = sehr hoch bzw. gut; 9 = sehr niedrig bzw. schlecht1 Ertragsnoten von 5 Versuchsstandorten mit je 4 bzw. 5 Erhebungen 2011 und 3 bis 5 Erhebungen 20122 VOS = Verdauliche organische Substanz: Mittel von 2 Terminen im Jahre 2011 und einem Termin im Jahre 2012, Standort Reckenholz*Hauptmerkmal mit doppelter Gewichtung
Tab. 5 | Wiesenrispengras: Ergebnisse der Ertragserhebungen und Bonitierungen in den Jahren 2010 bis 2012
Abb. 3 | Wiesenrispengras entwickelt sich zwar langsam, bildet in der Folge jedoch sehr dichte Bestände. Leider sind viele Sorten sehr anfällig auf Rostkrankheiten, was an den starken Verfärbungen im Bestand leicht zu sehen ist. (Foto: ART)
422
Pflanzenbau | Weissklee und Wiesenrispengras erneut geprüft
Agrarforschung Schweiz 4 (10): 416–423, 2013
die Anbaueignung in höheren Lagen hervor. «TR 0705»
zeigte ebenfalls achtbare Ergebnisse, sowohl mit dem
drittbesten Wert in der Güte als auch mit der besten
Toleranz gegenüber Wintereinflüssen und einer guten
Resistenz gegen Blattkrankheiten. Leider können die vier
beschriebenen Neuzüchtungen erst empfohlen werden,
wenn sie auch in Verkehr gebracht werden dürfen. Die
dazu notwendigen positiven Ergebnisse der im Ausland
durchgeführten sogenannten Registerprüfung (Tests auf
Unterscheidbarkeit von anderen Sorten, Homogenität im
Erscheinungsbild und Beständigkeit der Sortenmerk
male) liegen bislang noch nicht vor.
Die beiden bis anhin empfohlenen Sorten, «Vysocan»
aus dem mittel bis kleinblättrigen Sortiment und «Semi
nole» aus dem grossblättrigen Sortiment, können auf
grund ihrer Ergebnisse nicht weiter in der «Liste der
empfohlenen Sorten von Futterpflanzen» geführt wer
den (Tab 4). Sie dürfen deshalb nur noch bis Ende 2015
als «empfohlene Sorte» verwendet werden.
Drei vielversprechende neue Wiesenrispengräser
Unter den geprüften Neuzüchtungen fallen «PP 0515»,
«PP 0425» und «Varenzo 5», allesamt aus der Schweiz,
durch ihre herausragenden Leistungen auf (Tab. 5). «PP
0515» glänzte durch Bestnoten beim Ertrag, der Jugend
entwicklung und der Toleranz gegen Wintereinflüsse. In
der Konkurrenzkraft und der VOS belegte sie Rang 2
und ihre Güte des Bestandes war die drittbeste aller
geprüften Sorten, ebenso ihre Resistenz gegen Blatt
krankheiten. Dies führte zum besten Index des ganzen
Versuches, womit «PP 0515» um 0,18 Punkte besser war
als «Nixe», die beste der bereits empfohlenen Sorten.
Die beiden anderen der oben erwähnten Neuzüch
tungen belegten in der Konkurrenzkraft und der Aus
dauer den ersten Rang («PP 0425») beziehungsweise in
der Güte des Bestandes («Varenzo 5»). Sie reihten sich
insgesamt knapp hinter «Nixe» ein und erfüllen wie «PP
0515» mit ihren um mindestens 0,20 Punkte besseren
Indices als der Standard die agronomischen Anforderun
gen für eine Empfehlung. Leider erfüllen alle drei Neu
züchtungen die rechtlichen Voraussetzungen für ein
Inverkehrbringen und somit für eine Aufnahme in die
empfehlende Sortenliste noch nicht (Tab. 6). Denn die
dazu notwendigen positiven Ergebnisse der Registerprü
fung liegen noch nicht vor. Es bleibt zu hoffen, dass dies
demnächst der Fall sein wird, damit die Vermehrung von
Saatgut dieser Sorten baldmöglichst in Angriff genom
men werden kann.Die bis anhin empfohlene Sorte «Tommy» wird auf
grund ihrer Ergebnisse nach über zwanzig Jahren aus der
«Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen»
gestrichen (Tab. 6). Diese Sorte darf deshalb nur noch bis
Ende 2015 als «empfohlene Sorte» in den Standardmi
schungen von Agroscope und anderen Mischungen, die
auch das AGFFGütezeichen tragen, eingesetzt werden.�n
Sortenname Antragsteller Frühreife-Index1 Kategorie2
1 Nixe SZ-Steinach, DE 51b 1
2 Likollo Euro Grass, DE 51b 1
3 Lato SZ-Steinach, DE 52a 1
4 Tommy DLF-Trifolium, DK 52b 2/3
5 PP 0515 DSP, CH 53a 1*
6 PP 0425 DSP, CH 51b 1*
7 Varenzo 5 DSP, CH 51b 1*
8 Rhenus (ST 250) SZ-Steinach, DE 53a 3
9 Hekate (LL HZ 39) Životice, CZ 52b 4
10 Helios (LL HZ 38) Životice, CZ 53a 4
11 Europa Freudenberger, DE 52a 4
12 Mercury Freudenberger, DE 51b 4
Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten1 Frühreife-Index: Die erste Ziffer bezeichnet den Monat, die zweite Ziffer die Dekade; a bezeichnet die erste, b die zweite Hälfte der Dekade. Beispiel: 51b = 06.-10. Mai2 Kategorieeinteilung der Sorten aufgrund der Ergebnisse aus den Versuchen:
Kategorie 1: In der Schweiz in der «Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen» geführt
Kategorie 1*: Kann erst nach Erfüllen der für die Handelbarkeit in der Schweiz gesetzlich festgelegten Kriterien empfohlen werden (siehe Saat und Pflanzgut-Verordnung des
EVD, SR 916.151.1)
Kategorie 2/3: Sorte vom 1. Januar 2016 an nicht mehr empfohlen
Kategorie 3: Nicht empfohlen. Zeichnet sich weder durch gute noch durch schlechte Eigenschaften aus
Kategorie 4: Nicht empfohlen. Eignet sich nicht für den Anbau in der Schweiz
Tab. 6 | Wiesenrispengras: Geprüfte Sorten, Frühreife-Index und Kategorieeinteilung
423
Weissklee und Wiesenrispengras erneut geprüft | Pflanzenbau
Ria
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nto
Sum
mar
y
Agrarforschung Schweiz 4 (10): 416–423, 2013
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Trifoglio bianco e poa pratense
Tra il 2010 e il 2012 le Stazioni di ricerca
Agroscope Reckenholz-Tänikon ART e
Agroscope Changins-Wädenswil ACW hanno
condotto esperimenti con 20 varietà di
trifoglio bianco e 12 di poa pratense. Per
quanto riguarda il trifoglio bianco vi erano
10 novità varietali, per la poa pratense 8.
Sono stati valutati la precocità, l'aspetto
generale (impressione generale, densità di
popolamento, facoltà di ricaccio), l'idoneità
allo svernamento, la resistenza a malattie
fogliari, la persistenza (aspetto alla fine
dell’ultimo anno di esperimento) nonché
l'idoneità alla coltivazione ad alta quota.
Inoltre per il trifoglio bianco è stato valutato
il tenore di glicosidi cianogenetici e per la
poa pratense il tenore di sostanza organica
digeribile. Quattro novità varietali di
trifoglio bianco, ovvero «CW 0905»,
«CW 0904», «TR 0505» e «TR 0705», e tre di
poa pratense, «PP 0515», «PP 0425» e
«Varenzo 5», hanno fornito prestazioni
sufficienti per costituire un riferimento.
Purtroppo a tutte manca ancora il cosiddetto
test DUS (Distinguibilità, Uniformità e
Stabilità) per poter essere raccomandate.
Sulla base dei risultati non sono più racco-
mandate le finora consigliate varietà di
trifoglio bianco «Vysocan» e «Seminole»
nonché la varietà di poa pratense «Tommy».
White clover and smooth-stalked meadow-grass
retested
From 2010 to 2012, the Agroscope Reckenholz-
Tänikon ART and Agroscope Changins-Wädenswil
ACW research stations conducted experiments with
20 varieties of white clover and 12 of smooth-stalked
meadow-grass. Ten of the white clover and eight of
the meadow-grass varieties were new cultivars.
Juvenile development, vigour (general impression,
stand density, regenerative capacity), winter-hardi-
ness, resistance to leaf diseases, persistence (quality
at the end of the final test year) and suitability for
cultivation at higher altitudes were assessed. In
addition, the content of cyanogenic glycosides of the
white clover and the content of digestible organic
matter of the meadow-grass were assessed. Four
new white-clover cultivars, viz., «CW 0905»,
«CW 0904», «TR 0505» and «TR 0705», and three
meadow-grass cultivars – «PP 0515», «PP 0425» and
«Varenzo 5» – performed sufficiently well to earn
recommendation. Unfortunately all these varieties
have yet to pass the DUS test which will allow their
recommendation. Based on the results, recommenda-
tions have been withdrawn for the previously
recommended white clover varieties «Vysocan» and
«Seminole», as well as for the meadow-grass variety
«Tommy».
Key words: Trifolium repens, white clover, Poa
pratensis, smooth-stalked meadow-grass, variety
testing, yield, disease resistance.
424 Agrarforschung Schweiz 4 (10): 424–431, 2013
E i n l e i t u n g
Die pektinolytischen Bakterien, welche die Kartoffel
befallen, sind für zahlreiche Krankheiten sowohl im Feld
wie auch im Lager verantwortlich. Diese Bakterien gehö
ren zu den Gattungen Pectobacterium und Dickeya. Bei
der Kartoffel unterscheidet man grundsätzlich vier
pathogene Arten: Pectobacterium atrosepticum, Pecto-
bacterium carotovorum, Dickeya dianthicola und
‘Dickeya solani’ (Toth et al. 2011). ‘Dickeya solani’ wird
zwischen Anführungszeichen aufgeführt, da dieser
Name von der Wissenschaft noch nicht offiziell bestätigt
worden ist (Toth et al. 2011). Ihre Verbreitung wird im
Wesentlichen von den Umweltbedingungen (Tempera
turansprüche) und der Anwesenheit oder dem Fehlen
empfindlicher Wirte wie etwa der Kartoffel bestimmt.
P. atrosepticum kommt in Regionen mit gemässigten
Temperaturen vor. Die Entwicklung dieser Art verläuft
optimal im Temperaturbereich zwischen 15 °C und 25 °C.
P. carotovorum gedeiht hingegen in einem weiteren
Temperaturbereich von 20 °C bis 40 °C. Die DickeyaArten
stammen aus subtropischtropischen Klimaregionen oder
aus einem warmen gemässigten Klima. Das Temperatur
optimum dieser Arten liegt zwischen 25 °C und 40 °C,
und so können sich Krankheitssymptome während heis
sen Perioden in gemässigten Klimaregionen Westeuro
pas entwickeln (Hélias und Gaucher 2007; Pasco et al.
2005). Unterschiedliche Populationsentwicklungen gibt
es überdies auch in Abhängigkeit von der Umgebungs
feuchtigkeit. Diese Populationen treten in trockenen
Böden global schwach auf, sind hingegen unter feuchten
Bedingungen oder in bewässerten Böden stark vertreten
(Pérembelon und Lowe 1974). Die an oberirdischen Pflan
zenteilen verursachten Symptome von Dickeya spp.
unterscheiden sich von jenen, die durch P. atrosepticum
verursacht werden (Toth et al. 2011). P. carotovorum ver
ursacht üblicherweise keine Symptome an oberirdischen
Pflanzenteilen (Bartz et Kelman 1984), es sei denn, es lie
gen aussergewöhnliche Bedingungen vor wie zum Bei
spiel nach Hagelschlägen (persönliche Beobachtungen),
oder beim Auftreten von virulenten Stämmen (Johan
Van Vaerenbergh, persönliche Mitteilung).
Empfindlichkeit der Kartoffel gegenüber der durch Dickeya spp. verursachten StängelfäuleJérémie Rouffiange1, David Gerardin2, Isabelle Kellenberger3, Santiago Schaerer3 und Brice Dupuis3
1Institut supérieur industriel agronomique Huy-Gembloux, 4500 Huy, Belgien2UFR PEPS, Université de Haute Alsace, 68000 Colmar, Frankreich3Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon, Schweiz
Auskünfte: Brice Dupuis, E-Mail: [email protected], Tel. +41 22 363 47 48
P f l a n z e n b a u
Abb. 1 | Gesamtansicht des Versuches über die Aggressivität der Isolate von Dickeya spp. (Foto: J. Rouffiange)
425
Zusa
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Agrarforschung Schweiz 4 (10): 424–431, 2013
Empfindlichkeit der Kartoffel gegenüber der durch Dickeya spp. verursachten Stängelfäule | Pflanzenbau
Dickeya dianthicola und 'D. solani' sind die
Bakterien, welche bei der Kartoffelproduktion in
der Schweiz am meisten Probleme verursachen. Sie
lösen an den Stängeln (oberirdische Triebe)
Fäulnissymptome aus, was mit dem allgemein
üblichen Begriff der Schwarzbeinigkeit umschrie-
ben wird. Die vorliegende Studie verfolgt zwei
Hauptziele: einerseits soll die Empfindlichkeit der
Sorten Agria, Victoria, Charlotte, Innovator, Arinda
und Lady Claire gegenüber Dickeya spp. geprüft
werden, andererseits soll die Aggressivität von je
drei Isolaten von D. dianthicola und von 'D. solani'
gegenüber der Sorte Agria geprüft werden. Für
diese Untersuchungen wurden Topfversuche im
Gewächshaus angelegt. Die Sorte Agria scheint in
Bezug auf die Schwarz beinigkeit anfälliger zu sein
als die übrigen geprüften Sorten. Die aggressivsten
Isolate von 'D. solani' sind nicht virulenter als die
aggressivsten Isolate von D.dianthicola. Die
Aggressivität der Isolate von D. dianthicola scheint
variabler zu sein als jene von 'D. solani'. Schliesslich
scheinen die Isolate von Dickeya spp. wichtiger für
das Risiko der Entstehung von Schwarzbeinigkeit
zu sein als die Sorte. In der Tat entwickelt die
empfindlichste Sorte sechs Mal mehr Symptome als
die unempfindlichste Sorte, während jedoch das
aggressivste Isolat vierzig Mal mehr Symptome
hervorruft als das am wenigsten aggressive Isolat.
Bei Infektionen durch Dickeya spp. können die Fäulnis-
symptome an höher gelegenen Pflanzenteilen auftreten,
während die Basis der Stängel gesund bleibt (Abb. 2;
Laurila et al. 2010). Die typischen oberirdischen Symp
tome, welche von P. atrosepticum herrühren, sind was-
sergetränkte Läsionen mit einer dunkelbraunen Fäulnis
auf den untersten Abschnitten der Stängel (Abb. 3; Lau
rila et al. 2010). Allerdings sind diese Symptome recht
variabel und die Identifizierung des Krankheitserregers
erfordert eine Untersuchung im Labor. Unter trockenen
Bedingungen löst Dickeya spp. weniger Stängelfäulnis
aus als P. atrosepticum. Im Gegensatz dazu löst bei
erhöhten Temperaturen Dickeya spp. mehr Fäulnis auf
den Knollen aus, welche sich aber nicht systemisch auf
die Stolonen und die Stängel ausbreitet (Toth et al. 2011).
Auf 718 Proben kranker Pflanzen, die in der Schweiz von
1986 bis 2010 untersucht wurden (Stängel und Knollen),
isolierte man im Mittel 66% DickeyaArten und 34%
PectobacteriumArten (Cazelles und Schwaerzel 1992;
Dupuis et al. 2010). Die vorliegende Studie befasst sich
daher mit den oberirdischen Symptomen, welche durch
Dickeya spp. verursacht werden.
Ist das Bakterium in der Mutterknolle vorhanden,
kann es direkt in die Stängel, in die Stolonen und in die
Tochterknollen transportiert werden, und dies mittels
des Saftstromes in den Gefässen, angetrieben von der
Evapotranspiration (Czajkowski et al. 2010). Falls das
Inokulum im Boden vorhanden ist, können infizierende
Abb. 2 | Symptome hervorgerufen durch Dickeya spp. (Photo: G. Riot)
Abb. 3 | Symptome hervorgerufen durch Pectobac-terium atrosepticum. (Photo: B. Dupuis)
426 Agrarforschung Schweiz 4 (10): 424–431, 2013
Pflanzenbau | Empfindlichkeit der Kartoffel gegenüber der durch Dickeya spp. verursachten Stängelfäule
Bakterien auch über die Wurzeln eintreten und via das
Gefäßsystem der Pflanze in die Stängel transportiert
werden (Czajkowski et al. 2009; Helias et al. 2000a,
2000b). In einer ersten Phase können hauptsächlich
unter trockenen Bedingungen Welkesymptome sowie
Chlorosen des Blattwerkes auftreten (Czajkowski et al.
2010; Laurila et al. 2010). Man geht davon aus, dass die
Bakterien das Gefäßsystem der Pflanze verstopfen. In
einer zweiten Phase, sofern feuchte Bedingungen herr
schen, können sich die Symptome zu Fäulnis der Stängel
weiterentwickeln, was sich in einem Zerfall der Leitbün
delgewebe durch die pektinolytischen Enzyme der Bak
terien äussert (Czajkowski et al. 2010; Laurila et al. 2010).
Verschiedene Hypothesen versuchen die unterschiedli
che Symptomausprägung der Schwarzbeinigkeit bei den
diversen Sorten zu erklären. Eine erste Hypothese geht
davon aus, dass diese Unterschiede auf einer Suberineinlagerung in den Lentizellen der Mutterknolle beruht
(Suberin = pflanzliches Biopolymer, das in den Zellwän
den eingelagert ist). Diese Lentizellen sind die Eintritts
pforten für die durch Dickeya spp. ausgelösten Infektio
nen (Pérembelon und Lowe 1974; Scott et al. 1996). Diese
Eintrittspforten weisen mehrere Zellschichten auf, die
mit Suberin imprägniert sind. Die Dicke dieser Zellschich
ten, welche wie Barrieren gegen das Eindringen von Bak
terien wirken, ist von Sorte zu Sorte unterschiedlich
(Scott et al. 1996). Es ist bewiesen worden, dass die Akti
vität der pektinolytischen Enzyme vom Grad der Vereste
rung der Pektine in den Zellwänden abhängt (Pagel und
Heitefuss 1990), wobei sich der Veresterungsgrad von
Sorte zu Sorte verändern kann (McMillan et al. 1993).
Auch eine bedeutsame Menge von Kalziumpektat in den
Zellwänden oder eine geringe Konzentration von freien
Kalziumionen könnten die unterschiedliche Anfälligkeit
der Sorten erklären (McGuire und Kelman 1984; Pagel
und Heitefuss 1990). Schliesslich könnten die Unter
schiede in der Sortenanfälligkeit auch mit einer unter
schiedlichen Produktion von Proteaseninhibitoren und
Phytoalexinen in den Stängeln im Zusammenhang ste
hen (Yang et al. 1992). Auch wenn die Resistenzmecha
nismen bekannt sind, gibt es bis heute wenig Daten zur
Anfälligkeit der Sorten gegenüber Dickeya spp. in Bezug
auf die Entwicklung oberirdischer Symptome (Toth et al.
2011). Unterschiede in der Aggressivität der Isolate sind
auch beobachtet worden. Im Allgemeinen verursacht ‘D.
solani’ die gewichtigeren Schäden als D. dianthicola (Toth
et al. 2011). Die Entwicklung von ‘D. solani’ kann sowohl
bei tiefen wie bei hohen Temperaturen (>39 °C) ablaufen,
und die optimale Wachstumstemperatur ist höher als
jene von D. dianthicola (Czajkowski et al. 2012; Tsror et al.
2009). Im Rahmen eine Projektes zur integrierten Bekämp
fung der Schwarzbeinigkeit (Information im Kasten)
Konzept der integrierten Bekämpfung der
pektinolytischen Bakterien in der Kartoffel-
produktion.
Im Rahmen eines internationalen Projektes
(2010–2014) wird ein Konzept der integrierten
Bekämpfung von Dickeya spp, Pectobacterium
carotovorum subsp. carotovorum und Pecto-
bacterium atrosepticum entwickelt. Dieses
Projekt wird von der Kommission für Techno-
logie und Innovation KTI unterstützt.
Ziele des Projektes:
• Entwicklung einer Standardanalysen-
methode zur Feststellung latenter Infekti-
onen der Knollen während des Zertifizie-
rungsprozesses der Kartoffelpflanzgut.
• Identifizierung und Quantifizierung der
hauptsächlichen Faktoren, die für die Konta-
minierung von Kartoffelposten verantwort-
lich sind.
• Entwicklung eines integrierten Bekämp-
fungskonzeptes in Zusammenarbeit mit al-
len Vertretern aus den verschiedenen Berei-
chen der Kartoffelbranche.
Partner des Projektes:
• Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmit-
telwissenschaften HAFL, Zollikofen (Leitung
des Projektes in der Schweiz)
• Agroscope Changins-Wädenswil ACW,
Changins
• BIOREBA AG, Reinach
• Swisssem, Dachorganisation der Saatgut-
vermehrer für die ganze Schweiz
• Swisspatat, Branchenorganisation der
Kartoffelwirtschaft
• Institut National de la Recherche Agrono-
mique INRA, Rennes (Leitung des Projektes
in Frankreich)
• Interprofessionelle Nationale Gruppierung
für Samen und Pflanzen (Groupement Natio-
nal Interprofessionnel des Semences et
plants – GNIS)
• Nationale Vereinigung der Produzenten von
Kartoffelpflanzen (Fédération Nationale des
Producteurs de Plants de Pomme de Terre –
FN3PT)
427Agrarforschung Schweiz 4 (10): 424–431, 2013
Empfindlichkeit der Kartoffel gegenüber der durch Dickeya spp. verursachten Stängelfäule | Pflanzenbau
Die Inokulation der Knollen läuft während 48 h in
vier Etappen ab: Eintauchen in Wasser während zwei
Stunden, Öffnen der Lentizellen während 22 Stunden
(Relative Luftfeuchtigkeit nah bei 100 % und 25 °C), Ein
tauchen in die Bakteriensuspension während zwölf
Stunden und anschliessendes Trocknen während zwölf
Stunden. Diese Methode hat den Vorteil, dass eine
grosse Zahl von Knollen in relativ kurzer Zeit inokuliert
werden kann. Ab Beginn des sichtbaren Auftretens von
Symptomen der Schwarzbeinigkeit werden wöchentlich
zwei Beobachtungen vorgenommen. Bei jeder Beobach
tung wird der Anteil infizierter Stängel als prozentuelle
Häufigkeit berechnet. Schliesslich wird die Fläche unter
der Kurve berechnet (Bonierbale et al. 2007), welche die
Entwicklung der Krankheit aufzeichnet (AUDPC.rel). Wir
haben die Winkeltransformation verwendet, damit die
Prozentangaben zum Anteil infizierter Triebe die Bedin
gungen erfüllen, um eine Varianzanalyse durchführen
zu können (ANOVA) (Dagnelie 1975). Für die statistische
Analyse wurde das Softwarepaket Statistica verwendet
(Statsoft, Tulsa, USA). Für jeden Versuch wurde eine
zweifaktorielle Varianzanalyse (ANOVA) vorgenommen.
Der erste Faktor entspricht der Wiederholung des Versu
ches über die Zeit. Der zweite Faktor entspricht der Sorte
im ersten Versuch und dem Isolat von Dickeya spp. im
zweiten Versuch. Die Interaktion zwischen den beiden
Faktoren wurde auch geprüft. Falls sich ein signifikanter
Unterschied (p<0,05) ergab, wurde zusätzlich ein Test
nach Newman und Keuls durchgeführt (Vergleich von
Mittelwerten).
R e s u l t a t e
Versuch A: Sortenempfindlichkeit
Die Pflanzen in den Kontrolltöpfen entwickelten keine
Stängelfäule. Dies belegt, dass die für die Versuche ver
haben wir uns auf die Bedeutung der Interaktion Pflanze–
Krankheitserreger konzentriert sowie auf die Sortenan
fälligkeit der Kartoffel bei Infektion durch diverse Bakte
rienisolate. Im ersten Teil dieser Studie wird versucht,
allfällige Unterschiede in der Anfälligkeit der wichtigsten
in der Schweiz angebauten Kartoffelsorten herauszuar
beiten. Der zweite Teil der Studie befasst sich mit der
Aggressivität mehrerer Isolate von Dickeya spp. gegen
über der Sorte Agria, welche die in der Schweiz am häu
figsten angebaute Sorte ist (Swisspatat 2013).
M a t e r i a l u n d M e t h o d e n
Es wurden zwei verschiedene Versuche durchgeführt.
Der erste Versuch (A) befasste sich mit der Anfälligkeit
von sechs Sorten: Agria, Victoria, Charlotte, Innovator,
Arinda und Lady Claire. Dieser Versuch wurde im
Gewächshaus durchgeführt und zweimal wiederholt
(Versuch A1 und A2). Von jeder Sorte wurden zwanzig
Knollen inokuliert. Die Inokulation erfolgte durch Ein
tauchen in eine Bakteriensuspension mit einer Konzent
ration von 106 kbE/ml (koloniebildende Einheit) mit dem
Isolat Dickeya dianthicola 8823. Anschliessend wurde
jede Knolle in einen Topf gepflanzt. Für jede Sorte stan
den 20 Kontrollpflanzen zur Verfügung, welche in Was
ser eingetaucht wurden.
Der zweite Versuch (B) befasst sich mit der Aggressi
vität der Dickeya spp. Isolate. Für diesen Versuch wurden
sechs Bakterienisolate auf der Kartoffelsorte Agria in
einer Kozentration von 106 kbE/ml getestet; Dickeya
dianthicola 980, Dickeya dianthicola 8823, Dickeya dian-
thicola 12, ‘Dickeya solani’ 2222, ‘Dickeya solani’ 05026
und ‘Dickeya solani’ 07044. Dieser Versuch wurde eben
falls zweimal im Gewächshaus durchgeführt (Versuch B1
und B2). Für jedes Isolat sowie für die Kontrolle standen
je 20 Töpfe zur Verfügung (Abb. 1).
Abb. 4 | Entwicklung des Anteils infizierter Stängel mit Symptomen von Fäulnis in den Versuchen A1 und A2, in welchen die Anfälligkeit der Sorten gegenüber Dickeya spp. geprüft wurde.
0 5
10 15 20 25 30 35 40 45
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23
Ante
il in
fizie
rter
Stä
ngel
(%)
Tage seit dem Auflaufen
A1
0
5
10
15
20
25
30
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0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Ante
il in
fizie
rter
Stä
ngel
(%)
Tage seit dem Auflaufen
Arinda Innovator Charlotte Victoria Agria
A2
0 5
10 15 20 25 30 35 40 45
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23
Ante
il in
fizie
rter
Stä
ngel
(%)
Tage seit dem Auflaufen
A1
0
5
10
15
20
25
30
35
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Ante
il in
fizie
rter
Stä
ngel
(%)
Tage seit dem Auflaufen
Arinda Innovator Charlotte Victoria Agria
A2
428 Agrarforschung Schweiz 4 (10): 424–431, 2013
Pflanzenbau | Empfindlichkeit der Kartoffel gegenüber der durch Dickeya spp. verursachten Stängelfäule
wendeten Knollen gesund waren und die Entwicklung
von Krankheitssymptomen aufgrund natürlicher Infekti
onen ausgeschlossen war. Aufgrund der Analyse der Flä
che unter der Entwicklungskurve der Krankheit (AUDPC.
rel: Abb. 4) konnten zwischen den Sorten keine Unter
schiede (p>0,05) in der Anfälligkeit festgestellt werden.
Dies bedeutet, dass über die gesamte Dauer des Versu
ches betrachtet die Unterschiede in der Symptomausbil
dung bei den Sorten zu gering waren, um entdeckt zu
werden. Beobachtet man jedoch die Kurven der Sympto
mentwicklung entlang der Zeitachse (Abb. 4), stellt man
fest, dass einige Sorten die Symptome spät ausbilden.
Dies ist insbesondere bei Agria im Versuch A2 der Fall
(Abb. 4). Diese späte Entwicklung der Symptome hat
wenig Einfluss auf die Fläche unter der Kurve (AUPDC.
rel), aber sie führt zu wichtigen Unterschieden zwischen
den Sorten gegen Ende des Versuches. Daher treten die
grössten Abweichungen zwischen der anfälligsten und
der am wenigsten anfälligen Sorte am letzten Beobach
tungstag auf (Abb. 5) 23 Tage nach dem Auflaufen im
Versuch A1 beziehungsweise 20 Tage nach dem Auflau
fen im Versuch A2. Der Statistiktest ANOVA, der an die
sen Daten vorgenommen wurde, erlaubt es, Unter
schiede in der Anfälligkeit zwischen den Sorten
herauszuarbeiten (p<0,001). Hingegen wurden zwischen
dem Versuch und den geprüften Sorten keinerlei Inter
aktionen festgestellt (p>0,05).
Arinda mit 6,1% Anteil infizierter Stängel erwies sich
als sechs Mal weniger anfällig als Agria mit 37,4% Anteil
infizierter Stängel. Zwischen diesen beiden Extremen lie
gen Charlotte (16,6% infizierte Stängel), Lady Claire
(17,3%), Innovator (22,6%) und Victoria (27,7%) (Abb. 5).
Versuch B: Aggressivität der Isolate
Untersucht man die Daten von AUDPC.rel, so stellt man
einen Unterschied in der Aggressivität der geprüften Iso
late von Dickeya spp. fest (p<0,001). Indessen trat zwi
schen der Sorte und der Wiederholung des Versuches
eine Interaktion auf (p<0,001). Es scheint, dass das Isolat
D. dianthicola 8823 für diese Interaktion verantwortlich
ist, denn wird es vom ANOVA-Test ausgeschlossen, ver-
schwindet die Interaktion (p>0,05). Dieses Isolat hat in
der Tat signifikant weniger Symptome im Versuch B1
erzeugt als im Versuch B2 (Abb. 6). Ursache für den
beobachteten Unterschied könnte eine schlechte Aufbe
wahrung der Probe des verwendeten Stammes im Ver
such B1 sein. Dieses Isolat wurde daher für die statisti
sche Analyse nicht weiter berücksichtigt.
Wenn man, wie im Versuch zur Sortenanfälligkeit,
die Daten analysiert für welche die Abweichungen zwi
schen den Isolaten am grössten sind (15 Tage nach dem
Auflaufen), so beobachtet man ebenfalls signifikante
Unterschiede zwischen den Isolaten (p<0,001). Die Iso
late D. dianthicola 980, ‘D. solani’ 2222 und D. dianthi-cola 05026 sind weniger aggressiv als die Isolate ‘D. solani’
07044 und D. dianthicola 12 (Abb. 7). Der Unterschied in
der Aggressivität zwischen den Isolaten derselben Art ist
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
100
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Ante
il in
fzie
rter
Stä
ngel
(%)
Tage seit dem Auflaufen
KontrolleD. dianthicola 980 ‘D. solani’ 2222 ‘D. solani’ 05026 ‘D. solani’ 07044 D. dianthicola 12 D. dianthicola 8823
B2
0 5
10 15 20 25 30 35 40 45
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Ante
il in
fzie
rter
Stä
ngel
(%)
Tage seit dem Auflaufen
B1
Abb. 6 | Versuch B1 und B2: Entwicklung der Befallshäufigkeit von Schwarzbeinigkeit auf oberirdischen Trieben, hervorgerufen durch die verschiedenen geprüften Isolate.
0 5
10 15 20 25 30 35 40 45 50
Arinda Charlotte Lady Claire Innovator Victoria Agria
Ante
il in
fizie
rter
Stä
ngel
(%)
a
c
bc
ab ab ab
Abb. 5 | Am Ende des Versuches festgestellte Häufigkeit infizierter Stängeln bei den verschiedenen Sorten (Mittelwerte der Versuche A1 und A2). Als Mass für die Streuung ist der Standardfehler als T-Balken über den Säulen eingezeichnet. Statistisch gesicherte Unterschiede sind durch unterschiedliche Kleinbuchstaben gekennzeichnet.
429Agrarforschung Schweiz 4 (10): 424–431, 2013
Empfindlichkeit der Kartoffel gegenüber der durch Dickeya spp. verursachten Stängelfäule | Pflanzenbau
thicola. Tatsächlich finden sich unter den aggressivsten
Stämmen in unseren Versuchen Isolate von D. dianthi-
cola und von ‘D. solani’. Andererseits beobachtet man
bei den Isolaten von D. dianthicola eine grössere Varia
bilität als bei den Isolaten von ‘D. solani’. Dieser Unter
schied mag sich damit erklären, dass ‘D. solani’ im Ver
halten einen «klonalen» Eindruck macht, das heisst eine
eingeschränktere genetische Variabilität aufweist als
dies bei D. dianthiocola der Fall ist (Bourget 2012; Czaj
kowski et al. 2012; Pritchard et al. 2012). Diese bei den
Isolaten von D. dianthicola beobachtete höhere geneti
sche Variabilität könnte auch die Gene betreffen, wel
che bei den Entwicklungsmechanismen der Fäulnissymp
tome mitspielen. Dies könnte die beobachteten, nicht
unerheblichen Unterschiede in der Aggressivität erklä
ren. Vergleicht man schliesslich die Resultate aus den
Versuchen zur Sortenanfälligkeit und zur Aggressivität
der Isolate, so stellt man fest, dass die Unterschiede in
der Aggressivität zwischen den Isolaten wesentlich wich
tiger sind als die Anfälligkeitsunterschiede zwischen den
Sorten. Betrachtet man die maximal erhaltenen Häufig
keiten (%) an Stängelfäulnis, so zeigen sich bei der an
fälligsten Sorte sechsmal mehr Stängelsymptome als bei
der robustesten Sorte. Das aggressivste Isolat indessen
führt zu 40 Mal mehr Symptomen auf den Stängeln als
das am wenigsten aggressive Isolat. Dies deutet darauf
hin, dass das sortenbedingte Risiko für Krankheitssymp
tomentwicklung tiefer ist als jenes, das durch das Bakte
rienisolat bedingt ist. Aus der vorliegenden Studie leiten
sich neue Fragen und Aspekte ab. Es wäre wichtig zu
grösser für die Isolate von D. dianthicola (D. dianthicola
12 ist 40 mal aggressiver als D. dianthicola 980) als jener
für die Isolate von ‘D. solani’ (‘D. solani’ 07044 ist sechs
mal aggressiver als ‘D. solani’ 2222).
D i s k u s s i o n
Diese Studie hat aufgezeigt, dass es Unterschiede in der
Sortenanfälligkeit gegenüber der Schwarzbeinigkeit
gibt, welche durch Dickeya spp. hervorgerufen wird. Die
gegenüber dieser Krankheit anfälligste Sorte dürfte
zugleich auch die in der Schweiz am häufigsten ange
baute Sorte sein. 2012 wurde auf 22 % der Kartoffelan
baufläche die zum Frittieren geeignete Sorte Agria kul
tiviert. Victoria und Innovator, die sich ebenfalls zum
Frittieren eignen, belegten 6 % respektive 7 % der Kar
toffelanbaufläche in der Schweiz. Während Innovator
weniger anfällig scheint als Agria (40 % weniger infi
zierte Stängel), erweist sich Victoria als ebenso anfällig.
Die Sorten Charlotte und Lady Claire rangieren in unse
ren Versuchen unter den am wenigsten anfälligen Sor
ten. Charlotte ist die führende festfleischige Sorte in der
Schweiz. Sie wird auf 14 % der Anbaufläche kultiviert.
Lady Claire ist die erste Sorte des Typs «Chips» mit einem
Anteil an der Anbaufläche von 4 % (Hebeisen et al. 2012;
Swisspatat 2013). Die Versuche haben auch gezeigt, dass
es Unterschiede in der Aggressivität der Isolate von
Dickeya spp. gibt. Im Gegensatz zur Literatur (Toth et al.
2011) fanden wir, dass die Isolate von ‘D. solani’ nicht
systematisch virulenter waren als die Isolate von D. dian-
0
10
20
30
40
50
60
70
D. dianthicola 980 ‘D. solani’ 2222 ‘D. solani’ 05026 ‘D. solani’ 07044 D. dianthicola 12
Ante
il in
fizie
rter
Stä
ngel
(%)
a
ab
b
c c
Abb. 7 | Am Ende des Versuches festgestellte Häufigkeit infizierter Stängel bei Infektion durch diverse Isolate (Mittelwerte der Versuche B1 und B2). Als Mass für die Streuung ist der Stan-dardfehler als T-Balken über den Säulen eingezeichnet. Statistisch gesicherte Unterschiede sind durch unterschiedliche Kleinbuchstaben gekennzeichnet.
430 Agrarforschung Schweiz 4 (10): 424–431, 2013
Pflanzenbau | Empfindlichkeit der Kartoffel gegenüber der durch Dickeya spp. verursachten Stängelfäule
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wissen, ob die Reaktion der Sorten und der Isolate unter
Feldbedingungen gleich ausfallen würde wie in der prä
sentierten Gewächshausstudie. Ebenso wäre es interes
sant zu bestimmen, ob zwischen Sorte und Aggressivität
des Isolats eine Interaktion besteht. Die oben dargestell
ten Resultate erlauben es, die guten Sorten und die bes
ten Kandidaten von Isolaten zu bestimmen, we dlche für
solche Interaktionsstudien geeignet wären.
S c h l u s s f o l g e r u n g
Es ist selbstredend, dass nicht der Produzent den Typ
von Bakterienisolat auswählt, der seine Pflanzen konta
miniert. Der Produzent hat jedoch einen gewissen Ein
fluss auf die Wahl der Kartoffelsorte, die er anbaut. Er
kann also das Risiko einer Aberkennung seiner Kartof
felkultur beim Expertenbesuch minimieren, in dem er
bei der Sortenwahl die Empfindlichkeit gegenüber der
Schwarzbeinigkeit, welche durch Dickeya spp. hervor
gerufen wird, berücksichtigt. Falls die Resultate, wel
che in Feldversuchen erzielt werden, mit jenen aus den
Gewächshausversuchen vergleichbar sind, könnten
letztere eine schnellere und billigere Alternative dar
stellen, um die Anfälligkeit der Sorten gegenüber
Dickeya spp. zu prüfen.� n
Dank
Die Autoren sind folgenden Organisationen zu grossem Dank verpflichtet: Swiss-sem, Swisspatat, Bioreba und der Kommission für Technologie und Innovation, welche zur Finanzierung dieser Studie beigetragen haben. Unser Dank gilt auch Andreas Keiser und Patrice de Werra von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) Zollikofen für ihre beratenden Kommentare bei der Abfassung dieser Publikation.
431
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
Agrarforschung Schweiz 4 (10): 424–431, 2013
Empfindlichkeit der Kartoffel gegenüber der durch Dickeya spp. verursachten Stängelfäule | Pflanzenbau
Potato susceptibility to aerial stem rot
caused by Dickeya spp.
Dickeya dianthicola and 'Dickeya
solani' are the most problematic
bacteria in the Swiss seed-potato
production. They are responsible for
aerial stem rot symptoms in the field,
usually named «blackleg». This study
has two main objectives. On the one
hand, to study the susceptibility of five
cultivars, namely Agria, Victoria,
Charlotte, Innovator, Arinda and Lady
Claire, to Dickeya spp. On the other
hand, to study the aggressiveness of
three D. dianthicola and 3 'D. solani'
isolates on the cultivar Agria. Trials
using plants in pots were managed in
the greenhouse to achieve both
objectives. Agria appears to be the
most susceptible cultivar to Dickeya
spp. The most virulent 'D. solani' are
not more aggressive than the most
virulent D. dianthicola isolates tested.
The aggressiveness of the D. dian-
thicola isolates seems to be more
variable compared to that of the 'D.
solani' isolates. Finally, the risk of
developing stem rots appears to be
more closely correlated to the isolate
used than to the cultivar tested.
Indeed, the most susceptible cultivar
presents a six-fold increase in symp-
toms, compared to the least suscepti-
ble one, while the most aggressive
isolate causes a 40-fold increase in
symptoms, compared to the least
aggressive one.
Key words: Dickeya, blackleg, potato,
aerial stem rot, Pectobacterium.
Sensibilità della patata ai marciumi
dello stelo provocati da Dickeya spp.
Dickeya dianthicola e ‘Dickeya solani’
sono i batteri che causano la maggior
parte dei problemi nella produzione di
piante di patate in Svizzera. Essi
provocano in campo dei sintomi di
marciumi aerei degli steli comune-
mente chiamati gambe nere. Lo studio
qui presentato ha due obiettivi
principali: da un lato studiare la
sensibilità a Dickeya spp. delle varietà
Agria, Victoria, Charlotte, Innovator,
Arinda e lady Claire e dall’altro di
studiare l’aggressività di tre isolati di
D. dianthicola e di tre isolati di
‘D. solani’ sulla varietà Agria. A questo
scopo si sono condotte delle prove in
vaso sotto serra. La varietà Agria
sembra essere più sensibile allo
sviluppo di marciume degli steli delle
altre varietà testate. Gli isolati più
aggressivi di ‘D. solani’ non risultano
essere più virulenti di quelli più
aggressivi testati di D. dianthicola.
Infine, il rischio di sviluppo di sintomi
sugli steli legati agli isolati di Dickeya
spp. sembra più importante di quello
legato alla varietà. In effetti, la varietà
più sensibile sviluppa sei volte più
sintomi della varietà meno sensibile,
mentre l’isolato più aggressivo
sviluppa 40 volte più sintomi dell’iso-
lato meno aggressivo.
432 Agrarforschung Schweiz 4 (10): 432–439, 2013
E i n l e i t u n g
Die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit eines Betriebes
oder Wirtschaftszweigs erfordert hohe unternehmeri
sche Fähigkeiten und eine ausgeprägte Offenheit
gegenüber Innovationen (Gielen et al. 2003). Das bedeu
tet für Schweizer Landwirtschaftsbetriebe auch die Mög
lichkeit, neues Wissen betreffend Anbau von Kulturen,
Absatz der Ernten, Kosten, sowie Rahmenbedingungen
und Richtlinien für die Produktion zu erwerben und zu
nutzen. Zu viele, nicht aufeinander abgestimmte Infor
mationskanäle können eine Behinderung für die Wis
sensempfänger sein. Für Gemüsebaubetriebe gilt dies in
besonderem Mass wegen der grossen Vielfalt von Kultu
ren, der oft hohen Technisierung und der vielfältigen
und sich besonders rasch verändernden Rahmenbedin
gungen, die für die Produktion und den Absatz von
Frischprodukten gelten. Das Wissen über Absatzmärkte
hat deshalb eine grosse Bedeutung, weil nur ein gerin
ger Anteil des Einkommens auf staatlichen Beiträgen
basiert. Der Gemüsebau ist in der Schweiz stark aufge
gliedert, sowohl geografisch, mit Anbauregionen prak
tisch in allen Landesteilen, als auch bezüglich Betriebs
strukturen, Absatzkanälen und betriebsspezifischen
Schwerpunkten im Anbau (Möhring et al. 2012). Vogler
und Baur (2011) haben bereits aufgezeigt, dass unter
solchen Bedingungen sowohl der Aufbau von professio
nellen Netzwerken als auch ein wirkungsvoller Transfer
von Informationen aus Forschung und Beratung zu den
Gemüsebaubetrieben eine Herausforderung ist.
Der Wissenstransfer im Schweizer Gemüsebau ist
stark segmentiert (Alföldi et al. 2003). Die Anbieter von
Wissen koordinieren ihr Angebot teilweise, indem sie
zum Beispiel Tagungen gemeinsam organisieren. Sie ste
Fachtagungen werden von Gemüseproduzenten für die Vermittlung von Wissen als sehr wichtig ein-geschätzt und erlauben den Austausch mit Branchenkollegen.
Robert Baur1, Simone Fähndrich1, Brigitte Baur1 und Thomas Wieland2
1Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 8820 Wädenswil2Schweizerische Zentralstelle für Gemüsebau und Spezialkulturen SZG, 3425 Koppigen
Auskünfte: Robert Baur, E-Mail: [email protected], Tel. +41 44 783 63 33
Wissenstransfer im Schweizer Gemüsebau
P f l a n z e n b a u
Serie ProfiCrops
433Agrarforschung Schweiz 4 (10): 432–439, 2013
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
Eine im Jahr 2010 durchgeführte Auswertung
einer schriftlichen Umfrage analysierte den
Wissenstransfer im Schweizer Gemüsebau
und die Bedeutung der Wissensquellen in
den Fachgebieten Produktionstechnik, Markt
und Betriebswirtschaft für Gemüsebaube-
triebe. 226 Fragebögen von Gemüsebaube-
trieben und Beratern wurden analysiert. Es
zeigte sich, dass eigenes Hintergrundwissen
von den Betrieben als sehr wichtig einge-
schätzt wurde. Sehr hoch ist auch die
Bedeutung von Wissen, das aus personali-
sierter Wissensvermittlung (Beratung) oder
aus Tagungsangeboten stammt. In keinem
der abgefragten Fachgebiete sah eine
Mehrheit der an der Umfrage Teilnehmenden
bedeutende Defizite an verfügbarem Wissen.
Knapp die Hälfte wünscht sich allerdings eine
verbesserte Vermittlung des Wissens über
den Kanal Internet oder in Form von elektro-
nischen Datenträgern. Die Umfrageresultate
dienen als Grundlage für eine bessere
Koordination und Ausrichtung des Wissen-
stransfers für den Schweizer Gemüsebau.
Wissenstransfer im Schweizer Gemüsebau | Pflanzenbau
hen aber bezüglich Sichtbarkeit bei den Leistungsbezü
gern auch in Konkurrenz zueinander.
Im Rahmen von ProfiGemüse CH, einem integrier
ten Projekt des AgroscopeForschungsprogramms Pro
fiCrops, wurde untersucht, wie die Aufnahme und
Umsetzung des von den ProfiGemüseCHPartnern ver
mittelten Wissens in der Praxis verbessert werden kann.
Dazu wurde 2010 eine Umfrage zur Nutzung von Wis
sen im Gemüsebau durchgeführt. Erste Ergebnisse die
ser Umfrage haben gezeigt, dass weiterhin eine Nach
frage nach Informationen in gedruckter Form besteht,
gleichzeitig aber der Bedarf an elektronisch abrufba
ren Informationen zunimmt (Vogler et al. 2012, Vogler
und Baur 2011).
M e t h o d e
Der Fragebogen wurde gemeinsam mit den an ProfiGe
müse CH beteiligten Partnern1 vorbereitet. Er wurde
in die Abfrage von Strukturdaten wie zum Beispiel
Betriebsgrösse, sowie in drei Fragen mit Unterfragen
gegliedert:
1. «Woher beziehen Sie Ihr Fachwissen und Ihre Infor-
mationen zu den Bereichen Produktionstechnik,
Markt und Betriebswirtschaft, und wie wichtig sind für
Sie persönlich die folgenden Informationsquellen bei
der Beschaffung von Informationen für diese The-
men.» Antworten als Wertung in einer Skala von 4
(sehr wichtig) bis 1 (unwichtig).
2. «Für welches Thema besteht Ihrer Meinung nach ein
Defizit an verfügbaren Informationen?» Die Antwor
ten bestanden aus Auswahllisten mit der Möglichkeit,
eine oder mehrere Optionen anzukreuzen.
3. «Wo sehen Sie Verbesserungsmöglichkeiten beim
Informationsangebot, so dass Ihr Nutzen höher ist?»
Auswahllisten wie in Frage 2. Die Teilnehmenden
konnten dabei vorgegebene Verbesserungsvorschläge
ankreuzen oder eigene Vorschläge formulieren.
Ergänzende Erläuterungen konnten jeweils nach den
Fragen angefügt werden. Die Begriffe Information und
Wissen wurden gemäss der gängigen Interpretation
verwendet, wonach Information sich auf einzelne Fak
ten bezieht und Wissen auf vernetzte Information unter
Einbezug des Kontextes.
Die Fragebögen wurden im November 2010 via kanto
nale Fachstellen für Gemüsebau an 1432 von den Fach
stellen ausgewählte Gemüsebaubetriebe und Beratende
in allen Kantonen mit Gemüsebau verschickt..
Mit 206 Antworten von Betrieben und 20 von Bera
tern wurde eine Rücklaufquote von 16,5 % erreicht, mit
grossen Unterschieden von Kanton zu Kanton. So ant
worteten zum Beispiel 3,7 % der angeschriebenen
Betriebe im Kanton Bern, 18,9 % im Kanton Aargau und
51,4 % im Tessin. Die Antworten stammten von 90 Betrie
ben, die nur Freilandgemüse anbauten, 109 Betrieben
mit Freiland und Gewächshausanbau und sieben Betrie
ben mit ausschliesslich Gewächshausanbau. Die Ant
worten wurden nach diesen Kategorien strukturiert
aus gewertet. Bezüglich Betriebsgrösse wurden die teil
nehmenden Betriebe in drei Klassen eingeteilt, wobei
die Klassengrenzen so gewählt wurden, dass die Klassen
nach Einschätzung der am Design der Umfrage beteilig
ten Projektpartner den empirischen Begriffen «Klein
betrieb», «Mittlerer Familienbetrieb» und «Grossbe
trieb» entsprechen (Tab. 1).
1Partner von ProfiGemüse CH sind die Fachstellen für Gemüsebau der Kantone TG, ZH, AG, VS, FR, das Inforama Ins, Agridea, Agroscope, die Schweizerische Zentral-stelle für Gemüsebau und Spezialkulturen (SZG) und der Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP).
Pflanzenbau | Wissenstransfer im Schweizer Gemüsebau
434 Agrarforschung Schweiz 4 (10): 432–439, 2013
ten. Insgesamt waren die Antworten nur wenig von den
verschiedenen Betriebskategorien (Tab. 1) abhängig. Die
Bedeutung, welche die Produzenten ihrem eigenen
Fachwissen und demjenigen ihrer Branchenkollegen im
Bereich Pflanzenschutz und Düngung beimessen, ist
gross (Abb. 1). In den Bereichen Produktionstechnik und
Betriebswirtschaft wird das eigene Fachwissen klar
höher gewichtet, als das Wissen, das aus externen Quel
len verfügbar ist (Kategorien 2 und 3 in Tabelle 2).
Die Antworten geben den Anbietern von Wissen
Hinweise auf die relative Einschätzung ihres Angebotes.
So ist zum Beispiel die Bewilligungssituation für Pflan
zenschutzmittel im Gemüsebau komplex. Kantonale
Fachstellen sowie Agroscope betreiben viel Aufwand,
um die Produzenten bezüglich korrekter Anwendung
von Pflanzenschutzmitteln zu sensibilisieren. Die Resul
tate der Umfrage zeigen nun, dass Informationen der
Firmenberater zum Thema Pflanzenschutz und Dün
gung eine gleich grosse oder grössere Wichtigkeit haben
als die Informationen der Fachstellen und jene von
Agroscope (Abb. 1). Dies deutet darauf hin, dass die
Beratung der Pflanzenschutzmittelfirmen in Bezug auf
Schutz der Kulturen und Vermeidung von Fehlanwen
dungen als zuverlässig wahrgenommen wird. Im Weite
ren zeigt Abbildung 2, dass Informationen der kantona
len Fachstellen und von Agroscope bezüglich Maschinen,
Geräte und Infrastruktur als unwichtig eingeschätzt wer
den. Da diese Institutionen nur punktuell Informationen
zu diesem Thema anbieten, ist diese Einschätzung nach
vollziehbar.
Insgesamt ergaben die Antworten, dass Gemüsebau
betriebe vor allem bezüglich Produktionstechnik dem
betriebsintern verfügbaren Wissen und dem Wissen von
2Um den Text leicht lesbar zu halten, wird in Bezug auf die Teilnehmenden an der Umfrage ausschliesslich die männliche Form verwendet. Die Formulare wurden anonym beantwortet und analysiert.
Kategorie(empirische Umschrei-bung)
Gesamte Produktionsfläche1
Anzahl Betriebe
Anteil aller Betriebe
Klein(Kleinbetriebe, Markt-fahrer, Zulieferer regio-nale Gastronomie)
< 2 ha 60 29,1 %
Mittel(Zulieferer für Plattformbetriebe)
≥ 2 – 19 ha 98 47,6 %
Gross(oft Plattformbetriebe, eigene Lager- und Auf-bereitungsinfrastruktur)
> 19 ha 48 23,3 %
Tab. 1 | Differenzierung der 206 teilnehmenden Betriebe nach Grösse der Anbaufläche.
1Summe Freiland und Gewächshaus
R e s u l t a t e
Bedeutung der Kanäle im Wissenstransfer
Informationen, respektive Wissen wird über verschie
dene Kanäle vermittelt. Damit verfügen Nutzer2 diesbe
züglich über verschiedene Quellen. Die für den Gemüse
bau relevanten Quellen sind in Tabelle 2 aufgelistet. Zur
Bedeutung dieser Quellen für die Gemüseproduzenten
wurde die Frage 1 gestellt (siehe Methode). Dabei
umfasste der Bereich Produktionstechnik mehrere The
men, zum Beispiel Kulturführung Freiland und Gewächs
haus; Düngung und Pflanzenschutz; Maschinen, Geräte
und Infrastruktur; Produktionsrichtlinien und vorschrif
Abb. 1 | Bedeutung unterschiedlicher Quellen, die mit einer Zuordnung zu den Kategorien 1 – 4 (siehe Tabelle 2) gekennzeichnet sind, für Fachwissen und Informationen zum Thema Pflanzen-schutz und Düngung. Resultate für alle 206 Betriebe. Die durchschnittliche Balkenlänge (Summe aller Farben) entspricht 76,5 %, da für jede Quelle ein Anzahl Anworten keine Angabe enthielt.
selbst bezahlter Kulturberater 3
Regionale Beratungsorganisation 3
Freies Internet (Google etc.) 2
Website Agroscope 2
Fachzeitschriften Ausland 2
Website, Newsletter Fachstellen/Firmen 2
Zeitschrift «der Gemüsebau» 2
Agroscope Bulletin «GemüsebauInfo» 3
Fachberater kant. Fachstellen 3
Firmenberater 3
Fachtagungen 4
Diskussion mit Branchenkollegen 1
Eigenes Wissen und Erfahrungen 1
% Nennungen
wichtig
sehr wichtig
eher unwichtig
unwichtig
Wissenstransfer im Schweizer Gemüsebau | Pflanzenbau
435Agrarforschung Schweiz 4 (10): 432–439, 2013
Kategorie Typ Wissensquelle In Umfrage zur Auswahl
1
Hintergrundwissen:• Betriebsintern verfügbar• Nicht kurzfristig zu beeinflussen• Intuition als Faktor
• Eigenes Wissen und Erfahrungen• Eigene Erhebungen, Berechnungen• Diskussion mit Branchenkollegen
2
Unidirektional vermitteltes Wissen:• Print-, Digitalquellen• Bring- und/oder Holprinzip• Einwegkommunikation• Ohne soziale Interaktion• Individuelle Wahl des Zeitpunktes der Akquisition • Wissen ist nach Akquisition mittel- und langfristig
verfügbar
• Schweizer Fachzeitschrift «Der Gemüsebau»• Fachzeitschriften Ausland• Agroscope Bulletin «Gemüsebau Info GBI»• Website Agroscope• Information von Kant. Fachstellen (Website, Newsletter)• Website, Newsletter Firmen• Freies Internet (Google etc.)• Information durch den Abnehmer der Ware• Bulletin, Marktinformation VSGP1 (Branchenverband)• Preisbulletin Gemüsebörsen (Handelsplattform)• Bulletins Swissmip.ch / SZG2 (offizielle Brancheninformation zu Preisen und
Abnahmekonditionen)• Informationen AGRIDEA• Informationen ART• SZG-Informationen zu Produktionskosten
3
Personalisierte Wissensvermittlung• Persönliche Kontakte mit externen Wissensvermittlern• (zeitlich begrenzt verfügbar)• Termine beeinflussbar• Reziproke Interaktion
• Firmenberater• Fachberater Kant. Fachstellen• Regionale Beratungsorganisation• Selbst bezahlter Kulturberater• Treuhandstelle, Buchhalter
4
Personalisierte Vermittlung von vorgefertigtem WissenKombination von Kategorie 1, 2, 3• An vorgegebene Termine gebunden• Beschränkt möglich: reziproke Interaktion
• Fachtagungen• Kurse, Seminare
1Verband Schweizer Gemüseproduzenten2Schweizerische Zentralstelle für Gemüsebau
Tab. 2 | Die im Fragebogen zur Auswahl aufgelisteten Wissensquellen für Schweizer Gemüseproduzenten können folgendermassen katego-risiert werden:
Abb. 2 | Bedeutung unterschiedlicher Quellen, die mit einer Zuordnung zu den Kategorien 1 – 4 (siehe Tabelle 2) gekennzeichnet sind, für Fachwissen und Informationen zum Thema Maschinen, Geräte und Infrastruktur. Resultate für alle 206 Betriebe. Die durchschnitt-liche Balkenlänge (Summe aller Farben) entspricht 73,4 %, da für jede Quelle ein Anzahl Anworten keine Angabe enthielt.
selbst bezahlter Kulturberater 3
Website Agroscope 2
Regionale Beratungsorganisation 3
Fachberater Kant. Fachstellen 3
Website, Newsletter Fachstellen/Firmen 2
Firmenberater 3
Zeitschrift «Der Gemüsebau» 2
Freies Internet (Google etc.) 2
Fachzeitschriften Ausland 2
Fachtagungen 4
Diskussion mit Branchenkollegen 1
Eigenes Wissen und Erfahrungen 1
% Nennungen
wichtig
sehr wichtig
eher unwichtig
unwichtig
Pflanzenbau | Wissenstransfer im Schweizer Gemüsebau
436 Agrarforschung Schweiz 4 (10): 432–439, 2013
Branchenkollegen sehr viel Gewicht beimessen. Daraus
kann abgeleitet werden, dass der Berufsausbildung viel
Bedeutung zukommt, wenn es darum geht, neues Wis
sen auf den Gemüsebaubetrieben zu verankern. Im Wei
teren ergaben die Resultate, dass das über Print oder
Digitalquellen verbreitete Wissen (Kategorie 2 in Tab. 2)
im Vergleich zur Wissensvermittlung im persönlichen
Kontakt (Kategorie 1 in Tab. 2) als weniger wichtig ein
geschätzt wurde. Dies deutet darauf hin, dass in einer
Zeit mit einem breiten, auf mehreren Kanälen verfügba
ren Angebot an Wissen die direkte Beratung, sei dies
durch kantonale Fachstellen oder Firmen, grosse Bedeu
tung behält. Es zeigte sich ausserdem, dass Tagungen
generell als wichtig eingeschätzt werden. Dies ist inso
fern bemerkenswert, als in den letzten Jahren die Teil
nehmerzahl an Tagungen für Gemüseproduzenten stag
niert oder abnimmt. Mit den Erkenntnissen aus dieser
Umfrage kann dies so interpretiert werden, dass Tagun
gen grundsätzlich als wichtig eingeschätzt werden, die
Zeit dafür aber nur limitiert eingesetzt werden kann,
oder dass die Tagungen zeitlich und örtlich nicht optimal
platziert sind.
Informationsdefizite der Gemüsebaubetriebe
Die Ergebnisse zu allen Fachbereichen, aufgeteilt nach
den Betriebskategorien sind in Tabelle 3 zusammenge
fasst. Es fällt auf, dass zu keinem Thema eine Mehrheit
der Umfrageteilnehmer ein Informationsdefizit meldet.
Im Fachbereich Produktionstechnik nehmen hinsichtlich
Kulturberatung für Freilandkulturen insgesamt 31,4 %
aller Betriebe ein Defizit wahr, für Gewächshauskulturen
nur 18,4 %. Beim Pflanzenschutz und, zumindest bei
mittleren und grossen Betrieben, bei der Düngung
wünscht ein beträchtlicher Teil der Produzenten mehr
Informationen. Grosse Betriebe nehmen eher ein Defizit
an verfügbarem Wissen wahr als kleine. Aus den Resul
taten geht nicht hervor, ob dies darauf zurückzuführen
ist, dass grosse Betriebe für ihre Entscheidungen gene
rell stärker auf neues Wissen und aktuelle Informatio
nen zurückgreifen als kleine, oder ob das vermittelte
Wissen den Bedürfnissen grosser Betriebe weniger ent
gegen kommt. Bezüglich der Themen zum Fachbereich
Markt werden je nach Betriebskategorie unterschiedli
che Informationsdefizite wahrgenommen (Tab. 3). Eine
bedarfsgerechte Versorgung der Betriebe mit Informati
onen und Wissen ist aber umso schwieriger, je unter
schiedlicher die Bedürfnisse sind. Tendenziell bestehen
für die Fachbereiche Markt und Betriebswirtschaft mit
zunehmender Betriebsgrössere grössere Informations
defizite. Besonders auffällig ist, dass jeweils über 40%
der grossen Betriebe sowohl in Bezug auf Produktions
kosten als auch bezüglich Informationen zu ausländi
schen Märkten einen Mangel an Informationen melden.
Aus den ergänzenden Bemerkungen der Befragten geht
weiter hervor, dass teilweise auch Betriebe, welche nach
Richtlinien des Biolandbaus produzieren, in den Berei
chen Produktionstechnik und Betriebswirtschaft über zu
wenig Informationen verfügen.
Verbesserungsmöglichkeiten beim Informationsangebot
Die Resultate zeigen klar, dass Verbesserungen primär
beim Angebot an Informationen in digitaler Form
gewünscht werden (Tab. 4). Insgesamt 48,1 % der
Betriebe wünschen ein zentrales, nach Themen struktu
riertes Internetportal. Mehr als ein Drittel der Betriebe
würde ein verbessertes Angebot an Wissen auf Daten
trägern begrüssen. Verschiedene Befragte äusserten
zudem den Wunsch nach besserer Koordination des
Angebotes der verschiedenen Anbieter. Die als mangel
haft wahrgenommene Übersichtlichkeit des Angebotes
kann mit ein Grund dafür sein, dass Internetangebote
als Kanäle für die Wissensvermittlung gemäss den Abbil
dungen 1 bis 3 nicht zu den wichtigsten zählen.). Berater
schätzten in ihren Antworten die Verbesserungsmög
lichkeiten sehr ähnlich ein wie die Produzenten (Tab. 5).
% Nennungen
Fläche< 2 ha(n=60)
Fläche> 2 bis 19ha
(n=98)
Fläche> 19 ha(n=48)
Prod
ukti
onst
echn
ik
Kulturberatung Freiland 25,0 31,6 37,5
Kulturberatung Gewächshaus 15,0 21,4 18,8
Saatgut, Sorten, Jungpflanzen 25,0 28,6 14,6
Düngung 18,3 27,6 33,3
Pflanzenschutz 25,0 30,6 29,2
Maschinen, Geräte, Infrastruktur 10,0 21,4 22,9
Produktionsrichtlinien 15,0 20,4 27,1
Mittelwert % Nennungen 19,0 25,9 26,2
Mar
kt
Preise, Richtpreise 30,0 23,5 18,8
Angebot, Nachfrage 16,7 31,6 33,3
Abnehmer 11,7 18,4 22,9
Qualitätsanforderung 11,7 7,1 18,8
Ausländische Märkte 8,3 17,3 45,8
Mittelwert % Nennungen 15,7 19,6 27,9
Betr
iebs
wir
tsch
aft
Betriebsorganisation 8,3 17,3 18,8
Unternehmensführung 10,0 24,5 20,8
Arbeitswirtschaft 8,3 16,3 10,4
Produktionskosten 20,0 24,5 41,7
Personalrekrutierung, -führung 8,3 26,5 20,8
Ausländische Arbeitskräfte 10,0 23,5 22,9
Mittelwert % Nennungen 10,8 22,1 22,6
Tab. 3 | Informationsdefizite in den Fachbereichen Produktions-technik, Markt, Betriebswirtschaft – Resultate der drei Betriebska-tegorien nach Tabelle 1. Für eine bessere Übersichtlichkeit sind Werte ≥ 25 % blau hinterlegt.
Wissenstransfer im Schweizer Gemüsebau | Pflanzenbau
437Agrarforschung Schweiz 4 (10): 432–439, 2013
sei. Es brauche nicht ein grösseres Angebot, sondern
eine Strukturierung und Bündelung. Als Vorbild wurde
mehrfach Hortigate (www.hortigate.de), die deutsche
Internetplattform für Wissensvermittlung im Gartenbau
genannt. Weil die Zeit, welche auf den Gemüsebaubetrie
ben für die Beschaffung von Wissen zur Verfügung steht,
heute knapp und unter Druck ist, sei eine Optimierung
des Angebotes notwendig. Um die Effektivität der Wis
sensvermittlung zu steigern, müssten die Anbieter von
Wissen gemeinsam diese Aufgabe wahrnehmen. Unklar
ist allerdings, ob diesbezüglich die Führungsrolle von den
Branchenverbänden, der Offizialberatung oder von der
Forschung (Agroscope) wahrgenommen werden soll.
Die Resultate unterstreichen die wichtige Rolle der
personalisierten Wissensvermittlung durch die Beratung.
Obwohl bei der Offizialberatung der Kantone in den
letzten Jahren die für persönliche Beratung verfügbaren
Ressourcen gekürzt wurden, sieht eine klare Mehrheit
der Betriebe noch keinen Verbesserungsbedarf. Bei einer
zukünftigen Optimierung des Ressourceneinsatzes für
Da sie in ihrer Funktion Informationen erwerben, aufbe
reiten und über verschiedene Kanäle an die Produzen
ten weitergeben, werden sie bei der Umsetzung der Ver
besserungen eine zentrale Rolle spielen.
Obwohl Fachtagungen zu den wichtigsten Kanälen
für Wissensvermittlung zählen (Abb. 1 und 2), wünschen
nur wenige Befragte eine Ausweitung des Angebotes.
Verbesserungen im Tagungsangebot müssten also eher
in qualitativer als in quantitativer Hinsicht erfolgen. Bei
den als wichtig bezeichneten Kategorien «Förderung
des Wissensaustausches unter den Betrieben» und «ein
zelbetriebliche Beratung» (Abb. 1 und 2) sehen jeweils
weniger als ein Viertel der Antwortenden Verbesse
rungsbedarf.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
In den Begleitkommentaren zur Umfrage wurde festge
stellt, dass die grösste Herausforderung bei der Beschaf
fung von Wissen die Bewältigung der Informationsflut
Vorgegebene Auswahl an Verbesserungsmöglichkeiten
% Nennungen
Fläche<2 ha(n=60)
Fäche>2 bis 19 ha
(n=98)
Fläche> 19 ha(n=48)
Themengebündeltes und -strukturiertes Informationsangebot über ein Internetportal 38,3 56,1 43,8
Themengebündeltes Informationsangebot in gedruckter Form (z.B. Dossier, Ordner) 20,0 20,4 10,4
Mehr Informationsaustausch unter den Betrieben 20,0 22,4 16,7
Themengebündeltes Informationsangebot in digitaler Form (z.B. CD, Mail) 28,3 33,7 43,8
Mehr Fachtagungen zu Einzelthemen 10,0 12,2 8,3
Grösseres Angebot einzelbetrieblicher Beratung 18,3 21,4 29,2
Mittelwert % Nennungen 22,5 27,7 25,4
Tab. 4 | Verbesserungsmöglichkeiten beim Informationsangebot – Vergleich der drei Betriebskategorien nach Tabelle 1. Für eine bessere Übersichtlichkeit sind Werte ≥ 25 % blau hinterlegt.
Abb. 3 | Bedeutung unterschiedlicher Quellen, die mit einer Zuordnung zu den Kategorien 1 – 4 (siehe Tabelle 2) gekennzeichnet sind, für Fachwissen und Informationen zum Thema Produktionskosten. Resultate für alle 206 Betriebe. Die durchschnittliche Balkenlänge (Summe aller Farben) entspricht 70,0 %, da für jede Quelle ein Anzahl Anworten keine Angabe enthielt.
Freies Internet
InformationenART
Informationen AGRIDEA
Fachzeitschriften Ausland
Information Kant. Fachstellen
Treuhandstelle, Buchhalter
Kurse, Seminare
Zeitschrift «Der Gemüsebau»
Produktionskosten Db-Kalkulation VSGP, SZG
Diskussion mit Branchenkollegen
Eigene Erhebungen, Berechnungen
% Nennungen
wichtig sehr wichtig eher unwichtig unwichtig
438
Agrarforschung Schweiz 4 (10): 432–439, 2013
Pflanzenbau | Wissenstransfer im Schweizer Gemüsebau
den Wissenstransfer soll aber nicht ausser Acht gelassen
werden, dass der interaktive Kontakt zwischen For
schung, Beratung und Produktion sowohl von Beratern
als auch von Produzenten zu den wichtigsten Formen
der Wissensvermittlung gezählt werden. In Deutschland
hat der Abbau der Offizialberatung und die vermehrte
Erhebung von Gebühren für Beratungsleistungen dazu
geführt, dass privatwirtschaftliche Angebote einen gros
sen Teil der Beratung übernehmen konnten, weil von
Seiten der Betriebe die Nachfrage nach Beratung vor
handen ist, selbst, wenn diese eingekauft werden muss
(Dirksmeyer 2009).
In Bezug auf Tagungen und Veranstaltungen hat
ProfiGemüse CH einen ersten Schritt in die richtige Rich
tung getan, indem die Partner einen zentralen Bran
chenkalender geschaffen haben (Wieland 2010), der zur
besseren Koordination von Veranstaltungen der Bran
che dienen soll. Zusätzlich wurde ein Konzept erstellt,
wie in Zukunft jährlich unter der Leitung der SZG das
Angebot an Fachtagungen auf nationaler und regiona
ler Ebene für das Folgejahr koordiniert werden soll.Um den Wissenstransfer im Schweizer Gemüsebau
weiter zu verbessern, braucht es koordinierte Anstren
gungen aller Akteure, auch von Agroscope. Die detaillier
ten Ergebnisse der Umfrage, die in einem bei Agroscope
verfügbaren Bericht vorliegen, bilden für eine Diskussion
des weiteren Vorgehens eine gute Grundlage. n
Tab. 5 | Verbesserungsmöglichkeiten beim Informationsangebot – Vergleich der Angaben der Betriebe mit jenen der Berater. Bei der Beantwortung der Frage waren Mehrfachnennungen möglich.
ProfiCrops
Das Forschungsprogramm ProfiCrops
(www. proficrops.ch) von Agroscope hat zum
Ziel, die Konkurrenzfähigkeit des schweizeri-
schen Pflanzenbaus in einem zunehmend libe-
ralisierten Umfeld zu garantieren. Zugleich soll
das Vertrauen der Konsumenten in die Schwei-
zer Produkte gestärkt werden. Die bei Projekt-
beginn gesetzten Ziele sind eine effizientere
Produktion, eine Verbesserung der Innovation
und eine Erhöhung des Mehrwertes, die Stär-
kung des Vertrauens der Konsumenten sowie
die Anpassung der Rahmenbedingungen. Die-
se Aspekte waren Gegenstand interdisziplinä-
rer Forschung in Form der vier Module Effizi-
enz, Innovation, Konsumenten und Rahmenbe-
dingungen sowie der integrierten und assozi-
ierten Projekte Feuerbrand, ProfiVar, ProfiGe-
müse CH, Zusammenarbeit beim Fruchtwech-
sel, ProfiViti, WIN4 und FUI.
Eine Serie von Artikeln, die in der Agrarfor-
schung Schweiz unter dem Überbegriff «Profi-
Crops» publiziert worden sind, hat die Verbrei-
tung von Resultaten und Lösungen ermöglicht,
welche der Erhaltung der Wettbewerbsfähig-
keit der pflanzlichen Produktion in der Schweiz
dienen. Diese Resultate und Lösungen sind bei-
spielhaft. Ein Synthesebericht wird ab Anfang
2014 zur Verfügung stehen.
Der Artikel «Wissenstransfer im Schweizer
Gemüsebau», welcher dem integrierten Projekt
ProfiGemüse CH* entstammt, stellt eine konkre-
te Initiative einer intensivierten Koordination
zur Weitergabe von Kenntnissen im Rahmen ei-
ner Branche dar.
Der Artikel zeigt das Bedürfnis auf, den Infor-
mationsfluss zu koordinieren, und er weist
auch auf die Bedeutung der Netzwerke für die
Weiterleitung der Erkenntnisse hin. Diese
Kenntnisse sind sehr wichtig, da sie den Produ-
zenten erlauben, im Rahmen dieses speziell dy-
namischen Sektors innovativ zu sein. *http://www.agroscope.admin.ch/profi-
crops/05372/index.html?lang=fr
Vorgegebene Auswahl an Verbes-serungsmöglichkeiten
% Nennungen Betriebe
% Nennungen Berater
Themengebündeltes und -strukturier-tes Informationsangebot über ein Internetportal
48,1 42,9
Themengebündeltes Informations-angebot in gedruckter Form (z.B. Dossier, Ordner)
18,0 23,8
Mehr Informationsaustausch unter den Betrieben
20,4 19,0
Themengebündeltes Informationsan-gebot in digitaler Form (z.B. CD, Mail)
34,5 38,1
Mehr Fachtagungen zu Einzelthemen 10,7 0,0
Grösseres Angebot einzelbetrieblicher Beratung
22,3 9,5
439Agrarforschung Schweiz 4 (10): 432–439, 2013
R
iass
un
to
Sum
mar
y
▪ Vogler U. & Baur R. 2011. ProfiGemüse CH – ein neues Netzwerk als inte-griertes Projekt von ProfiCrops. Agrarforschung Schweiz 2, 470–475.
▪ Vogler U., Fähndrich S., Crole-Rees A. & Baur R. 2012. Gemüseproduzen-ten wünschen bessere Informationen. Der Gemüsebau/Le Maraîcher 4/2012, 29.
▪ Wieland T. 2010. Novum: Zentraler Veranstaltungskalender für die Schweizer Gemüsebaubranche im Internet. Medienmitteilung 08.11.2010. Schweizerische Zentralstelle für Gemüsebau und Spezialkulturen.
Literatur ▪ Alföldi T., Weidmann G., Schmid O. & Niggli U. 2003. Herausforderungen für den Wissenstransfer in der Schweiz. Zugang: http://orgprints.org/525/1/alfoeldi-t-herausforderung-wissenstransfer-schweiz-2003.pdf.
▪ Dirksmeyer W. 2009. Exkurs: Beratungsstrukturen im Produktionsgarten-bau. Landbauforschung Sonderheft 330, 163–167.
▪ Gielen P.M., Hoeve A. & Nieuwenhuis L.F.M. 2003. Learning entrepre-neurs: learning and innovation in small companies. European Educational Research Journal 2, 90–106.
▪ Möhring A., Mack G. & Willersinn C. 2012. Gemüseanbau – Modellierung der Heterogenität und Intensität. Agrarforschung Schweiz 3, 382–389.
Wissenstransfer im Schweizer Gemüsebau | Pflanzenbau
Knowledge dissemination in the Swiss
vegetable production
A survey on knowledge dissemination
in the vegetable sector and on infor-
mation sources used by vegetable
farms was conducted in 2010. 226
questionnaires returned by growers
and advisors were analyzed. Informa-
tion domains were: technical aspects of
production, market access and farm
economics. Results show that growers
attached a high value to their own
basic knowledge and information
transferred through inter-farm per-
sonal contacts. In addition, knowledge
available from advisory services or
acquired at information days for
farmers was also considered to be of
major importance. Most of the growers
do not recognize relevant gaps in the
available knowledge in any of the
covered domains. However, half of
them wish an improvement in the
electronic dissemination pathways
such as internet or other media. The
results of this survey will help to focus
and improve knowledge dissemination
within the Swiss horticultural sector.
Key words: knowledge dissemination,
vegetable production, survey, Profi-
Crops.
Transfer di conoscenze nell’ambito
dell’orticoltura svizzera
Un’inchiesta condotta nel 2010 ha
analizzato il transfer di conoscenze
nell’ambito dell’orticoltura svizzera
attraverso 226 risposte scritte. E’ stata
registrata l’importanza delle fonti di
conoscenza nei settori della tecnica di
produzione, mercato e gestione
aziendale delle aziende orticole. Si è
dimostrato che la propria conoscenza
di base delle aziende è valutata più
importante di quelle acquisite tramite
consulenza o giornate informative. La
maggior parte dei partecipanti all’in-
chiesta non ha percepito in nessuno
dei settori intervistati delle carenze
significative di conoscenze disponibili.
Tuttavia, quasi la metà dei partecipanti
desidera un miglioramento nello
scambio di conoscenze attraverso
internet o sotto forma di banche dati
elettroniche. I risultati di quest’inchie-
sta possono servire come base per un
migliore coordinamento e orienta-
mento del transfer di conoscenze per
l’orticoltura svizzera.
Bildlegende
440
Serie ProfiCrops
Am 2. Juli 2013 führte die Forschungsanstalt Agro-
scope an der Eidgenössischen Technischen Hochschule
Zürich (ETH) eine Veranstaltung zum Abschluss des
Integrierten Projektes (IP) Feuerbrand durch. Die Ver-
anstaltung wurde im Rahmen des Forschungspro-
gramms ProfiCrops von Anna Crole-Rees (Leiterin von
ProfiCrops) mit Eduard Holliger (Koordinator IP Feuer-
brand) organisiert (Abb. 1). Es nahmen rund sechzig
Gäste aus Forschung, Branche und Praxis aus der gan-
zen Schweiz teil.
Motion von Nationalrat Walter Müller
Das Projekt wurde von der Forschungsanstalt Agro
scope ChanginsWädenswil ACW als Reaktion auf das
verheerende Feuerbrandjahr 2007 initiiert. Dank der
Motion Müller konnten für die Obstbauforschung
zusätzliche Mittel (0,5 Mio. Franken pro Jahr für vier
Jahre) eingesetzt werden.
Mit IPFeuerbrand konnten die Aktivitäten von Agro
scope und zahlreichen Partnern (Tab. 1) unter einem
Dach vereint werden. Synergien konnten besser genutzt
K u r z b e r i c h t
Agrarforschung Schweiz 4 (10): 440–443, 2013
Esther Bravin
Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 8820 Wädenswil
Auskünfte: Esther Bravin, E-Mail: [email protected], Tel. +41 44 783 62 44
Forschen für einen nachhaltigen Schweizer Obstbau trotz Feuerbrand
Feuerbrand: eine gravierende Krankheit, die man bewältigen muss (Symptome bei Gala).
441
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
werden. Die hohe fachliche Kompetenz im Rahmen des
IPFeuerbrand hat andere Institutionen zur Finanzierung
(Tab. 1) zusätzlicher Projekte veranlasst.
Eduard Holliger, stellte das Ziel des Projektes vor:
Konkurrenz und Zukunftsfähigkeit des Schweizer Obst
baus mit einer nachhaltigen Prävention und Bekämp
fung des Feuerbrandes sichern. «Dieses Ziel kann erreicht
werden, wenn der Feuerbranderreger besser verstanden
und diagnostiziert wird und geeignete Massnahmen für
die Bekämpfung und Regulierung des Feuerbrandes ent
wickelt werden«, so Holliger. Als Beitrag zur Lösung des
akuten Feuerbrandproblems wurden Forschung und
Kooperation in den Bereichen Diagnostik, Genomik und
Züchtung verstärkt.
Resultate für Forschung und Praxis
Obwohl die Forschung im Obstbau oft lange Fristen
braucht, um nachhaltig wirksame Resultate zu erarbei
ten, sind nach nur sechs Jahren hochwertige und praxis
relevante Resultate für den Schweizer Obstbau entstan
den:
•• FeuerbrandSchnelltest für die Diagnose im Feld
•• Genom des Erregers entschlüsselt
•• Molekulare Charakterisierung der Isolate
•• Erkenntnisse zu feuerbrandrobusten Apfelunterlagen
•• Übersicht der Feuerbrandanfälligkeit vieler Kernobst
sorten
•• Robuste Apfelsorte Ladina in Pilotanlagen in der
Praxis
Brion Duffy, Bakteriologe bei Agroscope, hat im Jahre
2011 mit seinem Team das Genom des Feuerbrander
regers Erwinia amylovora entschlüsselt und stellte Ergeb
nisse vor. Mit molekularbiologischen Methoden kann
eine allenfalls auftretende Resistenz des Bakteriums
gegen Streptomycin identifiziert werden. Mit angepass
ten Bekämpfungsstrategien werden Resistenzen vermie
den. Dank EaAgriStrip (FeuerbrandSchnelltest) können
die Fachstellen einfach, rasch und zuverlässig Feuer
brandbakterien direkt in der Obstanlage nachweisen.
Die Kombination von EaAgriStrip und Blüteninfektions
prognosemodell Marybliyt hilft bei der optimierten
Anwendung von Bekämpfungsmethoden. Verschie
denste Bakterienprodukte mit Bacillus subtilis, Pseudo-
monas fluorescens oder Pantoea agglomerans oder
Hefen wurden gegen Feuerbrand getestet. Für Duffy
bleibt die Unterstützung der Koexistenz zwischen Hoch
stamm und Erwerbsobstbau ein wichtiges Ziel der Feuer
brandForschung. Markus Kellerhals, Obstzüchter bei
Agroscope, stellte umfassende Ergebnisse zur Feuer
brandanfälligkeit von Sorten und Zuchtmaterial vor und
den wichtigen Durchbruch mit robusten Sorten wie bei
Forschen für einen nachhaltigen Schweizer Obstbau trotz Feuerbrand | Kurzbericht
Agrarforschung Schweiz 4 (10): 440–443, 2013
ProfiCrops
Das Forschungsprogramm ProfiCrops (www.
proficrops.ch) von Agroscope hat zum Ziel,
die Konkurrenzfähigkeit des schweizerischen
Pflanzenbaus in einem zunehmend liberali-
sierten Umfeld zu garantieren. Zugleich soll
das Vertrauen der Konsumenten in die Schwei-
zer Produkte gestärkt werden. Die bei Projekt-
beginn gesetzten Ziele sind eine effizientere
Produktion, eine Verbesserung der Innovation
und eine Erhöhung des Mehrwertes, die Stär-
kung des Vertrauens der Konsumenten sowie
die Anpassung der Rahmenbedingungen.
Diese Aspekte waren Gegenstand interdiszi-
plinärer Forschung in Form der vier Module
Effizienz, Innovation, Konsumenten und Rah-
menbedingungen sowie der integrierten und
assoziierten Projekte Feuerbrand, ProfiVar,
Profi-Gemüse CH, Zusammenarbeit bei den
Fruchtfolgen, ProfiViti, WIN4 und FUI.
Eine Serie von Artikeln, die in der Agrar-
forschung Schweiz unter dem Überbegriff
«ProfiCrops» publiziert worden sind, hat die
Verbreitung von Resultaten und Lösungen
ermöglicht, welche der Erhaltung der Wettbe-
werbsfähigkeit der pflanzlichen Produktion in
der Schweiz dienen. Diese Resultate und Lö-
sungen sind beispielhaft. Ein Synthesebericht
wird ab Anfang 2014 zur Verfügung stehen.
Der Artikel «Forschen für einen nachhaltigen
Schweizer Obstbau trotz Feuerbrand», der mit
dem Projekt Feuerbrand verbunden ist, stellt
ausführlich die herausragendsten Resultate
des Projektes dar, welche dank einer gut un-
terstützten und interdisziplinären Forschung
erzielt worden sind.
442
Agrarforschung Schweiz 4 (10): 440–443, 2013
Kurzbericht | Forschen für einen nachhaltigen Schweizer Obstbau trotz Feuerbrand
spielsweise Ladina. Jennifer Gassmann von Agroscope
präsentierte Resultate aus dem Bereich der Obstgenres
sourcen. Über 200 alte Sorten wurden auf Feuerbrand
anfälligkeit geprüft. Einige Sorten wie Alant, Enterprise,
Rubinola und Dalinette zeigen ermutigende Resultate.
Es gibt aber noch über 1700 Sorten in der Schweiz, die
noch nicht getestet wurden. Sarah Perren von Agro
scope zeigte Resultate über die Feuerbrandanfälligkeit
nach künstlicher Inokulation der Blüten. Bei der Blüten
inokulation (Feldversuch) schneiden nicht alle Sorten
gleich ab wie bei der Triebinokulation im Gewächshaus,
was die Notwendigkeit beider Tests belegt.
Feuerbrand in der Politik
In den letzten zwanzig Jahren haben Bund und Kantone
über 100 Millionen Franken für phytosanitäre Massnah
men im Bereich Feuerbrand ausgegeben, so Hans Dreyer
vom Bundesamt für Landwirtschaft. Diese Massnahmen
und der Einsatz von Streptomycin sind nicht unumstrit
ten. Der Motion von Nationalrätin Maya Graf fehlten vor
zwei Jahren zur Annahme nur drei Stimmen. Sie forderte
eine radikale Änderung der Feuerbrandstrategie. Ob
wohl das IP Feuerbrand zu Ende geht, gibt es für Georg
Bregy, Direktor des Schweizer Obstverbands, und David
Szalatnay von der Fachstelle Obstbau Strickhof weiter
hin grossen Forschungsbedarf in:
•• Alternativen zu Streptomycin
•• Kenntnisse zum Erreger und der Epidemiologie
•• Züchtung robuster Sorten und längerfristiger Erhalt
der Robustheit
•• Akzeptanz robusterer Sorten auf dem Markt (Marktof
fensive)
•• Kommunikation zum Thema Feuerbrand
Feuerbrand-Management
Vor mehr als zehn Jahren sind Praxis, Beratung und For
schung in der Schweiz in Anbetracht der zunehmenden
Verbreitung des Feuerbranderregers davon abgekom
men, den Feuerbranderreger durch verschiedene Mass
nahmen von Anbaugebieten fernhalten zu wollen: Es
geht nun um die Eindämmung des Feuerbranderregers
Partnerinstitutionen Finanzierungsorgane
Agroscope Agroscope
Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)
Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) Bundesamt für Umwelt (BAFU)
Fruture CAVO-Stiftung
Institut national de la recherche agronomique (INRA – Frankreich) Eidgenössische Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS)
Julius Kühn-Institut (JKI – Deutschland) Eidgenössische Technische Hochschule (ETH)
Kantonale Fachstellen: Aargau, Luzern, St. Gallen, Thurgau und Zürich EU Rahmenprogramm für Forschung
Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee (KOB – Deutschland) EUPHRESCO (EU)
Lubera European Cooperation in Science and Technology (COST)
Mabritec Fructus
Universität Genf (UNIGE) Interreg IV
Universität Hohenheim (Deutschland) Kantonale Fachstellen: Aargau, Luzern, St. Gallen, Thurgau und Zürich
Universität Konstanz (Deutschland) Kommission für Technologie und Innovation (KTI)
Varicom Quality Juice Foundation
Schweizerischer Nationalfonds (SNF)
Tab. 1 | IP Feuerbrand: Partnerinstitutionen und Finanzierungsorgane (alphabetisch)
443
Forschen für einen nachhaltigen Schweizer Obstbau trotz Feuerbrand | Kurzbericht
Agrarforschung Schweiz 4 (10): 440–443, 2013
Auszüge des Artikels wurden bereits in der Schweizer
Zeitschrift für Obst und Weinbau (SZOW) vom 2. August
2013 (15. Ausgabe 2013) veröffentlicht. n
Abb. 1 | An der Schlussveranstaltung des Integrierten Projektes Feuerbrand nahmen gut sechzig Vertreterinnen und Vertreter aus Forschung, Branche und Praxis teil.
Mehr Informationen zur Feuerbrandforschung bei Agroscope: www.feuerbrand.chProgramm und Präsentationen von IP Feuerbrand: http://www.agroscope.admin.ch/proficrops/05416/07157/index.html?lang=de
und den Schutz der Obstanlagen vor Infektionen durch
Bekämpfungs und Regulierungsmassnahmen. Man
spricht also nicht mehr von Feuerbrandbekämpfung. Die
Devise ist jetzt Feuerbrandmanagement. Die Obstbau
praxis muss mit Unterstützung von Forschung und Bera
tung trotz Feuerbrand auch in Zukunft, mit akzeptablen
Rahmenbedingungen, nachhaltig Obst produzieren.
Wissenschaftlicher Workshop
Die Schlussveranstaltung IPFeuerbrand hat den 13. ISHS
FeuerbrandWorkshop (www.fireblight2013.org) an der
ETH in Zürich eine optimale Verbindung von Praxis und
Wissenschaft ermöglicht. Der Workshop wurde von
Agroscope und ETH Zürich organisiert, und es konnten
sich 120 Forschende aus der ganzen Welt zum Thema
Feuerbrand austauschen.
Die rege Teilnahme der Expertinnen und Experten
und die Grosszügigkeit der Schweizer Sponsoren an der
Tagung zeigen das Engagement der Akteure und die
Bedeutung der Schweiz in der weltweiten Feuerbrand
Forschung.
444 Agrarforschung Schweiz 4 (10): 444–447, 2013
Angesichts des stetigen Auftretens neuer Krankheiten
sowie neuer Stämme von Viren, Bakterien oder Pilzen
müssen rasch und kostengünstig neue Diagnostikme-
thoden entwickelt werden. Die «Phagen–Display»
genannte Methode ermöglicht die schnelle und verläss-
liche Isolierung neuer Antikörper. Dies erlaubt es, ein
breites Spektrum von Zielorganismen bei Pflanzen-
krankheiten, im Veterinärwesen oder im Lebensmittel-
bereich zu analysieren. Ein nachfolgend dargestelltes
Beispiel eines Zielorganismus ist das Virus, welches die
viröse Kleinfrüchtigkeit der Kirsche hervorruft.
Der hohe Stand der Landwirtschaft in der Schweiz
beruht zu einem grossen Teil auf der Wissenschaft und
der technischen Innovation. Im Gebiet des Pflanzen
schutzes trägt die wissenschaftliche Entwicklung in
massgebender Weise dazu bei, dass schnelle und präzise
Diagnostikmethoden für Infektionskrankheiten verfüg
bar werden, welche die Wahl der wirksamsten Bekämp
fungsstrategien ermöglichen.
Die Entdeckung der Methode zum immunologischen
Nachweis mittels ELISA (Enzyme Linked Immunosorbent
Assay; Abb. 1) und deren Anwendung für die Diagnose
von kultivierten Pflanzen (Clark und Adams 1977) waren
wegweisende Etappen. Seit mehr als dreissig Jahren
wird die Qualität bei der Zertifizierung diverser wichti
ger Kulturpflanzen (Gugerli 1978), die in der Schweiz
erzeugt und verkauft werden, durch die Anwendung
dieser Methode gewährleistet.
Die Intensivierung des globalen Austausches von
Pflanzenmaterial, die Zunahme der Gesetzgebung und
der Kontrollen sowie das Auftreten neuer Krankheiten
Christophe Debonneville, Jean-Sébastien Reynard, Olivier Schumpp und Santiago Schaerer
Station de recherche Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon, Schweiz
Auskünfte: Christophe Debonneville, E-Mail: [email protected], Tel. +41 22 363 43 71
Rasche Entwicklung neuer Diagnostikwerkzeuge für die Landwirtschaft
K u r z b e r i c h t
Isolierung von Antikörpern, welche mit Phagen-Display ausgewählt wurden.
Rasche Entwicklung neuer Diagnostik werkzeuge für die Landwirtschaft | Kurzbericht
445Agrarforschung Schweiz 4 (10): 444–447, 2013
hat zu einer rasanten Zunahme der Bedürfnisse nach
neuen Diagnostikwerkzeugen geführt. Die immunologi
sche Diagnostik vom Typ ELISA und die Immunochroma
tographie sind die am meisten verwendeten Methoden.
Im Vergleich zu den Methoden der molekularen Diag
nostik, welche auf der genetischen Einmaligkeit der
pathogenen Stämme beruht, ist die immunologische
Analyse billiger und kann von NichtSpezialisten wie Ein
zelpersonen oder Produzenten verwendet werden (De
Boer und Lopez 2012). Aus denselben Gründen kommt
der immunologischen Analyse für die Bearbeitung der
grossen Zahl von Proben, welche bei der Zertifizierung
von Pflanzenmaterial anfällt, beträchtliche Bedeutung
zu. Die immunologische Diagnostik in der Landwirt
schaft beruht auf der Erzeugung spezifischer Antikörper,
deren Einsatz dem Nachweis von Krankheitserregern
dient. Bei Agroscope entwickelt die Gruppe Virologie
und Phytoplasmologie ständig neue Antikörper für den
Nachweis auftretender oder neuer Krankheiten, welche
die Kulturen in der Schweiz befallen.
A
B
sekundärer Antikörper
primärer Antikörper
Virus
Enzym-konjugierter Antikörper
Virus
Beschichtungsantikörper
Farbindikator
Farbindikator
Abb. 1 | Schematische Darstellung der Methode ELISA.A: ELISA «indirekt»: das Virus wird auf einer stabilen Oberfläche festgehalten, danach wird ein primärer Antikörper verwendet, um das Virus zu detektieren. Ein angehängter, sekundärer Antikörper erlaubt das Erkennen der Proben (Änderung der Farbe bei den positiven Proben). B: ELISA «Sandwich Doppelantikörper» (DAS): Der Beschichtungsantikörper wird auf einer soliden Un-terlage festgehalten, danach wird die Probe angesetzt. Ein damit verbundener Enzym-konjugierter An-tikörper erlaubt es, die Proben zu identifizieren (Änderung der Farbe bei den positiven Proben).
Antikörperfragmente (AkF)
genetische Information
Exposition
Waschen
Eluieren
Titration, Amplifikation, Lagerung
Phagenbank(3,109 Klone)
Anrei
cherung
Abb. 2 | A: Partikel filamentöser Phagen, welche modifizierte DNA enthalten. Dies erlaubt die Expression des Anti-körperfragmentes in Relation zu seiner Oberfläche (Genotyp gebunden an den Phänotyp)B: Zyklus der Selektion – Amplifikation des «Phagen-Display». Das gesuchte Ziel wird auf einer soliden Oberfläche festgehalten und danach gegenüber der Phagenbank exponiert. Nach der Waschung werden die Phagen, die sich ans Ziel angelagert haben, eluiert, titriert und verstärkt. Nach zwei bis vier Selektionszyklen werden die Antikörperfrag-mente in Bezug auf die zu untersuchenden Eigenschaften analysiert.
A B
Antikörperfragmente (AkF)
genetische Information
Exposition
Waschen
Eluieren
Titration, Amplifikation, Lagerung
Phagenbank(3,109 Klone)
Anrei
cherung
Kurzbericht | Rasche Entwicklung neuer Diagnostik werkzeuge für die Landwirtschaft
446 Agrarforschung Schweiz 4 (10): 444–447, 2013
Die sogenannte «PhagenDisplay»Technik, die nachste
hend vorgestellt wird, kommt üblicherweise in der thera
peutischen und diagnostischen Medizin zum Einsatz.
Indem diese Technik an die Bedürfnisse der Landwirtschaft
angepasst wird, gelingt es rasch und preiswert neue, hoch
spezifische, monoklonale Antikörper zu erzeugen.
Die Technik des «Phagen–Display»
Die Entwicklung eines neuen monoklonalen Antikörpers
ist ein komplexer Prozess.
Bisher wurden mehrere Methoden erfolgreich einge
setzt, insbesondere die Erzeugung von Hybridomzellen
und die «PhagenDisplay»Technik. Mit der letztgenann
ten Technik werden exogene Peptide (in unserem Falle
ein Antikörperfragment oder AkF) an die Oberfläche
eines faserförmigen Bakteriophagen angebracht,
wodurch verschiedene Zielorganismen angepeilt wer
den können (Abb. 2a). Dies erlaubt in vitro die natürli
che Selektion von Immunoglobulinen. Ausgangspunkt
ist üblicherweise eine grosse, stark diversifizierte Band
breite von Phagenpartikeln (genannt Bank, welche 106
bis 1010 verschiedene Kandidaten enthält). Dieses breit
gefächerte Angebot wird dem zu untersuchenden Ziel
organismus entgegen gestellt, damit jene Kandidaten
identifiziert und isoliert werden können, die sich daran
ankoppeln (Abb. 2b). Die Phagen, welche die AkF erzeu
gen, werden in dieser Weise isoliert und anschliessend
vermehrt sowie erneut gegen denselben Zielorganismus
selektioniert. Nach zwei bis vier Selektions und Vermeh
rungszyklen werden die Kandidaten auf die gesuchte
Aktivität hin geprüft, wobei hautpsächlich die ELISA
Methode angewendet wird. Diese Strategie, welche auf
der Selektion beruht, ist deutlich schlagkräftiger als eine
Strategie, welche auf der klassischen Selektion (unter
Verwendung von Zellkulturen) beruht, welche mehr
zeitlichen und materiellen Aufwand erfordert. Es kön
nen 106 bis 1010 verschiedene Kandidaten dem Selekti
onsprozess unterworfen werden, eine Zahl, die unmög
lich mit der Zellkultivierung gemäss der traditionellen
Methode erreichbar wäre. Die Verbindung von Phäno
typ (Antikörperfragmente an der Phagenoberfläche
exprimiert) und Genotyp (DNA durch den Phagen
kodiert) erlaubt einen raschen Zugriff auf die selektio
nierten Molekülsequenzen. Dank dieser effizienten
Methode kann ein spezifischer Phage in der Original
bank selektioniert werden. Der Zugang zur genetischen
Information ermöglicht auch einen nachfolgenden Opti
mierungsschritt in dem beispielsweise ein DNAAbschnitt
an bestimmten Stellen durch gezielte Mutagenese mani
puliert wird. Damit wird die Affinität der ausgewählten
Antikörperfragmente verbessert. Beispiele von mono
klonalen Antikörpern, die dank dieser Technik entwi
ckelt wurden, gibt es in der Medizin (Geyer et al. 2012;
Hairul Bahara et al. 2013) sowie in der Pflanzenvirologie
(Ziegler et al. 1995).
Abb. 3 | Gesunde Kirschen (links) und von viröser Kleinfrüchtigkeit befallene Kirschen (rechts). (Foto: ACW).
Rasche Entwicklung neuer Diagnostik werkzeuge für die Landwirtschaft | Kurzbericht
447Agrarforschung Schweiz 4 (10): 444–447, 2013
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Die Technik des «Phagen–Display» ist nicht nur schnell
und billig, sie eröffnet auch ein weites Spektrum von
Anwendungen bei der Entwicklung diagnostischer
Werkzeuge für die Landwirtschaft. Es ist nicht mehr
nötig, dass man Krankheitserreger anreichern und rei
nigen kann, da es jetzt möglich ist, ein Protein des in
vitro erzeugten Zielorganismus zu verwenden. Die
Technik kann somit nicht nur in der Virologie eingesetzt
werden, sondern auch in der Bakteriologie und der
Phytoplasmologie (zum Beispiel bei der phytoplasma
bedingten Vergilbungskrankheit der Rebe). Es sei daran
erinnert, dass Phytoplasmen Organismen sind, die nicht
ex vivo (ausserhalb des Lebendigen) kultiviert werden
können. Die «PhagenDisplay»Technik ermöglicht
auch die Isolierung eines Antkörpers, der gegen ein
Toxin oder eine ganz andere Zielsubstanz mit poten
zieller Anwesenheit in Lebensmitteln gerichtet ist. Es ist
theoretisch möglich, einen Antikörper gegen irgend
eine Zielsubstanz oder einen Zielorganismus zu erhal
ten, was diese Technik zu einem bemerkenswert schlag
kräftigen Werkzeug macht. n
Die viröse Kleinfrüchtigkeit der Kirsche
Die viröse Kleinfrüchtigkeit der Kirsche ist eine kom
plexe und noch wenig bekannte Krankheit, die mit meh
reren faserartigen Viren der Famillie der Closteroviridae
(Hadidi et al. 2011) in Verbindung gebracht wird. Diese
Viruskrankheit verringert bei befallenen Bäumen die
Qualität der zu erntenden Früchte in erheblichem Masse.
Anfällige Sorten erzeugen kleine, farblose, fade Kir
schen, welche unverkäuflich sind (Abb. 3). Ein vorzeiti
ges, herbstliches Verfärben des Blattwerkes und eine
Verringerung der Wuchskraft der Bäume sind weitere
Symptome der Krankheit. Die Krankheit wird beim
Pfropfen sowie durch natürliche Vektoren wie Schild
läuse übertragen. Die Krankheit ist allein anhand der
Symptome schwierig zu diagnostizieren. Die Indizierung,
die erlaubt Krankheiten virösen Ursprungs nachzuwei
sen, stellt das klassische diagnostische Hilfsmittel dar,
was jedoch jahrelange Studien erfordert. Es ist daher
unabdingbar, über zuverlässige und schnelle diagnosti
sche Werkzeuge zu verfügen, damit wirksam gegen
diese Krankheit vorgegangen werden kann. Mit Hilfe
der Phagen–DisplayTechnik werden gegenwärtig Anti
körper erzeugt, damit ein schneller und spezifischer
Nachweistest für diese Krankheit entwickelt werden
kann. Es sind bereits mehrere Antikörperfragmente
selektioniert worden, welche das Eiweiss der Virusum
hüllung erkennen können (Abb. 4). Die Entwicklung
eines ELISATests mit diesem neuen Antikörper wird die
Diagnose dieser Krankheit beschleunigen und die Kennt
nisse zur virösen Kleinfrüchtigkeit der Kirsche in der
Schweiz verbessern.
Literatur ▪ Clark M. F. & Adams A. N., 1977. Characteristics of the microplate method of enzyme-linked immunosorbent assay for the detection of plant viruses. Journal of General Virology 34, 475–483.
▪ De Boer S. H. & Lopez M. M., 2012. New grower-friendly methods for plant pathogen monitoring. Annual Review of Phytopathology 50, 197–218.
▪ Engvall E. & Perlmann P, 1971. Enzyme-linked immunosorbent assay (ELISA). Quantitative assay of immunoglobulin G. Immunochemistry 8, 871–874.
▪ Geyer C. R., McCafferty J., Dubel S., Bradbury A. R. & Sidhu S. S., 2012. Recombinant antibodies and in vitro selection technologies. Methods Mol Biol 901, 11–32.
▪ Gugerli P., 1978. Detection of 2 Potato Viruses by Enzyme-Linked Immu-nosorbent Assay (Elisa). Phytopathologische Zeitschrift-Journal of Phyto-pathology 92, 51–56.
▪ Hadidi A., Barba M., Candresse T. & Jelkmann W., 2011. Virus and virus-like diseases of pome and stone fruits. American Phytopathological Soci-ety. 429 p.
▪ Hairul Bahara N. H., Tye G. J., Choong Y. S., Ong E. B., Ismail A. & Lim T. S., 2013. Phage display antibodies for diagnostic applications. Biologicals 41, 209–216.
▪ Ziegler A., Torrance L., Macintosh S. M., Cowan G. H. & Mayo M. A., 1995. Cucumber mosaic cucumovirus antibodies from a synthetic phage display library. Virology 214, 235–238.
Abb. 4 | Resultate eines ELISA-Tests mit mehreren Antikörperfrag-menten (AkF), welche mit «Phagen-Display» isoliert wurden. AkF 1 erkennt spezifisch das Virus, welches die viröse Kleinfrüchtigkeit der Kirsche hervorruft. AkF 2 und AkF 3 erkennen das Virus jedoch nicht. AkF 1 könnte als Basis für die Entwicklung eines Diagnostik-testes dienen, welcher erlauben würde die viröse Kleinfrüchtigkeit der Kirsche nachzuweisen.
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
AkF 1 + virus AkF 2 + virus AkF 3 + virus
Opt
isch
e Di
chte
(mO
D)
448 Agrarforschung Schweiz 4 (10): 448–450, 2013
Landwirtschaftliche Erzeugnisse mit geschützter Ur-
sprungsbezeichnung (GUB/AOP) erzielen auf dem
Markt als traditionell hergestellte Produkte mit geogra-
fisch definierter Herkunft einen Mehrwert. Es kommt
aber immer wieder vor, dass AOP-Produkte kopiert
werden. Agroscope Liebefeld hat eine Methode entwi-
ckelt, mit der über die eingesetzten Kulturen die Her-
kunft des Tête de Moine AOP nachgewiesen werden
kann. Die Kultur für den Herkunftsnachweis ist seit
Januar 2013 im Einsatz.
Den Tête de MoineKäsern entgehen jedes Jahr Einnah
men aufgrund von gefälschtem, nicht nach den strengen
Richtlinien des AOPPflichtenhefts hergestellten Käse,
welcher illegal auf den Markt gelangt. Um dagegen
anzukämpfen und um die Konsumenten vor Täuschung
zu schützen, hat Agroscope ein neues Verfahren mit
molekularbiologischen Methoden entwickelt, das effizi
ent und kostengünstig ist. Das Prinzip des Verfahrens
besteht darin, mit Hilfe von molekularbiologischen
Methoden Bakterien nachzuweisen, die während der
Herstellung des Käses als Kultur zugegeben wurden. Der
Nachweis der Bakterien erfolgt über die Analyse ihres
Erbguts (Eugster et al. 2013; Eugster et al. 2011). Analog
eines Vaterschaftstests können die sogenannten «Mar
kerbakterien» in einem Stück reifen Tête de Moine AOP
nachgewiesen werden (World Intellectual Property Orga
nization, 2011).
Hohe, langjährige Kompetenz im Bereich Kulturenent-
wicklung im Liebefeld
Die Entwicklung von Kulturen für den Herkunftsnach
weis begann vor etwa zehn Jahren und wurde in einem
zwölfköpfigen Team vorangetrieben. 2006 wurden AOP
John Haldemann, Hélène Berthoud, Alexandra Roetschi, Ueli von Ah, Deborah Rollier und Elisabeth Eugster,
Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras, 3003 Bern, Schweiz
Auskünfte: John Haldemann, E-Mail: [email protected], Tel. +41 31 323 43 34
Tête de Moine AOP: eine neue Kultur für den Herkunftsnachweis
K u r z b e r i c h t
Abb. 1 | Beim Vergleich der Schnittbilder der Tête de Moine-Proben aus dem Praxisver-such gibt es keine Auffälligkeiten zwischen der Kontrolle (oben links) und den Versuchs-käsen.
Tête de Moine AOP: eine neue Kultur für den Herkunftsnachweis | Kurzbericht
449Agrarforschung Schweiz 4 (10): 448–450, 2013
Kulturen für den Gruyère und 2011 die Herkunftsnach
weiskulturen für den Emmentaler AOP lanciert. Da
Agroscope diese Kulturen exklusiv nur an Betriebe in der
Schweiz verkauft, ist der Nachweis der darin enthalte
nen Stämme ein sicherer Indikator dafür, dass der Käse
tatsächlich in der Schweiz hergestellt wurde. Weitere
Sortenorganisationen – darunter auch die Sortenorgani
sation Tête de Moine – erteilten Agroscope daraufhin
ebenfalls ein Mandat für die Entwicklung von Kulturen
für den Herkunftsnachweis in Käse.
Dazu musste zuerst nach geeigneten Bakterien
gesucht werden, die natürlicherweise im Käse vorkom
men, die Käseherstellung überleben und die auch nach
einer Reifungszeit von drei und sechs Monaten noch
nachgewiesen werden können. Zudem dürfen solche
Kulturen keinen Einfluss auf das Aussehen und die orga
noleptischen Eigenschaften des Käses haben. In der
AgroscopeStammsammlung, die etwa 13 000 Bakterien
isolate umfasst, konnten schnell geeignete Bakterien
gefunden werden.
Die Wahl fiel auf Milchsäurebakterien, die aus dem
Ursprungsgebiet des Tête de Moine stammen und die, in
sehr kleiner Zahl zugesetzt, nach sechs Monaten Rei
fungszeit im konsumreifen Käse sowie in Rosetten nach
gewiesen werden können. In einem weiteren Schritt
ging es darum, unter diesen Milchsäurebakterien geeig
nete Stämme zu finden, die sich anhand stammspezifi
scher Sequenzen durch molekularbiologische Methoden
nachweisen lassen.
Aufwändige Versuchsreihen
Die ausgewählten Milchsäurebakterien wurden sowohl
im Labor als auch in der Praxis auf ihre Tauglichkeit
geprüft. Die Stämme A, B und C wurden für Anwen
dungstests im Pilot Plant und in der Praxis ausgewählt.
Im Folgenden sind die Ergebnisse aus zwei Versuchen
dargestellt. Die ausgewählten Markerbakterien können
je nach Dosierung den Gehalt an freien Aminosäuren
sowie den pHWert und die Gasbildung im Käse beein
flussen. Mit zunehmender Dosierung der Herkunfts
Zugabe KbE/ml
Stamm A Zugabe KbE/ml
Stamm B Zugabe KbE/ml
Stamm C
1 M 3 M 6 M 1 M 3 M 6 M 1 M 3 M 6 M
ohne 103 – – – 103 – – –
ohne 104 + + + ohne
ohne 104 + + + ohne
ohne ohne 104 – – –
ohne ohne 105 –/+ + –/+
102 + + + 105 + + + 103 – – –
102 + + + 105 + + + 104 – – –
Tab. 1 | Spezifische Nachweisbarkeit von drei Markerbakterien in Tête de Moine (Pilot-Plant-Versuch)
+: positiver Nachweis: Kopien pro Reaktion liegt über 104
–: negativer Nachweis: Kopien pro Reaktion liegen unter 103
+/-: kein eindeutiges Ergebnis: Kopien pro Reaktion liegen zwischen 103 und 104
VarianteTotal FAS (OPA)
mmol/kgTotal FAS (HPLC)
mg/kgTotal fl. FSmmol/kg
Citronensäuremmol/kg
pH-Wert biogene Aminemg/kg–
Kontrolle 196,7 21 383 15,7 5,5 5,68 599
ABC 216,7 na 17,9 5 5,7 na
AB 201,7 21 925 17,3 5,2 5,7 524
AC 191,5 na 14,8 5,6 5,64 na
ohne 196,7 21 383 15,7 5,5 5,68 599
mit 203 21 925 16,6 5,3 5,68 524
t-Test ns ns ns ns ns ns
Tab. 2 | Mittelwerte (n=7) der Ergebnisse der chemischen Untersuchung nach 100 Tagen Lagerung
na: nicht analysiertns: nicht signifikant
Kurzbericht | Tête de Moine AOP: eine neue Kultur für den Herkunftsnachweis
450 Agrarforschung Schweiz 4 (10): 448–450, 2013
nachweiskultur nehmen der Gehalt an freien Aminosäu
ren (gemessen mit der OPAMethode) und der pHWert
zu (Tab. 2). Dies bedeutet, dass das Gleichgewicht zwi
schen Nachweisbarkeit der Markerbakterien und deren
Einfluss auf die Käsequalität optimiert werden muss.
In einem PilotPlantVersuch wurden die drei Markerbak
terien (Stamm A, B und C) in unterschiedlicher Konzent
ration – allein oder in Kombination – eingesetzt. Stamm
A konnte bei einer Animpfmenge im Kessi von 102 KbE/
ml im Käse über die gesamte Reifungsdauer nachgewie
sen werden (Tab. 1). Bei Stamm B ist die Nachweisbarkeit
im Käse ab einer Zugabemenge von 104 KbE/ml Kessi
milch gewährleistet. Eine Zugabemenge von 105 KbE/ml
ist wirtschaftlich nicht interessant, weshalb Stamm C als
Kultur für den Herkunftsnachweis nicht in Frage kam.
Der Effekt der ausgewählten Markerbakterien auf
die organoleptischen Eigenschaften im konsumreifen
Käse wurde in mehreren Praxisversuchen untersucht.
Insbesondere der pHVerlauf, die Bildung von freien
Aminosäuren, die Bildung von biogenen Aminen sowie
die Gasbildung wurden genau beobachtet. In Tabelle 2
sind die Ergebnisse der chemischen Untersuchung der
Tête de MoineKäse im Alter von 100 Tagen dargestellt.
An diesem Versuch nahmen sieben (der insgesamt acht)
Tête de MoineKäsereien teil; die Zugabemenge in die
Kessimilch betrug bei der Variante ABC 102 KbE/ml für
den Stamm A sowie 103 KbE/ml für den Stamm B und
Stamm C; bei der Variante AB 102 KbE/ml für Stamm A
sowie 5×104 KbE/ml für den Stamm B; bei Variante AC
102 KbE/ml für Stamm A sowie 105 KbE/ml für Stamm C.
In der Molekularbiologie konnten die beiden
Stämme A und B in allen Proben nachgewiesen werden.
Wie bereits in den PilotPlantVersuchen beobachtet,
erwies sich der Stamm C auch im Praxisversuch als
schlecht nachweisbar. Die Auswertung der Käseproben
aus dem Labor mit Hilfe eines tTests ergab keine signifi
kanten Unterschiede zwischen den Proben, die mit Mar
kerbakterien hergestellt wurden und der Kontrolle
(Abb. 1). Die Variation über die sieben Käsereien war
grösser als der Effekt der Markerbakterienzugabe.
Beim Vergleich der Schnittbilder der Kontrolle (ohne
Markerbakterien) mit den Versuchskäsen konnte in
Bezug auf die Lochbildung kein Unterschied festgestellt
werden (Abb. 1).
Standardisierte Versandkultur
Zur gleichen Zeit wurde auch der Herstellprozess für die
Produktion einer standardisierten lyophilisierten Kultur
(Abb. 2) in der AgroscopeKulturenproduktion im Liebe
feld entwickelt. Die fertige CCOTdM (culture pour la
certification d‘origine) wird seit dem 1. Januar 2013 alle
drei Monate an die Tête de Moine AOPKäsereien ver
schickt. Können die zugesetzten Milchsäurebakterien im
untersuchten Käse (als Schnittkäse oder als Rosette)
nicht nachgewiesen werden, ist davon auszugehen, dass
es sich um ein Imitat handelt. n
Literatur ▪ Eugster E., Wechsler D. & Von Ah U. Keine Nachsicht mehr mit Emmen-taler Fälschern, dmz 2/2013.
▪ Eugster E., Guggenbühl B. & Wechsler D. Käsefälschern geht es nun an den Kragen. Lebensmittel-Technologie 4/2011.
▪ World Intellectual Property Organization, Authentication method of dairy products, WO 2011/039359 A2, 7. April 2011
Abb. 2 | Versandkultur CCO-TdM.
451Agrarforschung Schweiz 4 (10): 451, 2013
P o r t r ä t
«Ich bin sehr neugierig. Die Komplexität des Lebens zu
verstehen und zu erforschen, fasziniert mich», begründet
Elisabeth Eugster (Jahrgang 1966) ihren Entscheid, For
scherin zu werden. Ein Ereignis, an das sie sich als Forsche
rin besonders gerne erinnert, ist das grosse Echo, das die
Herkunftsnachweiskulturen sowohl in der Milchbranche
als auch in den Medien auslösten. «Das zeigt, wie wichtig
unsere Arbeit ist.» Überhaupt liegen ihr die Schweizer
Landwirtschaftserzeugnisse – und vorweg der traditio
nelle Käse – sehr am Herzen. «Ich wünschte mir, dass auf
der ganzen Welt noch mehr Menschen Schweizer Käse
wegen seiner hervorragenden Qualität essen würden.»
Nach dem Gymnasium in St. Gallen studierte Elisa
beth Eugster an der ETHZürich Lebensmittelwissen
schaften. Ihre erste Anstellung führte sie für vier Jahre
zu LiptonSais in die Produktentwicklung und Qualitäts
sicherung. Von 1995 bis 2003 unterrichtete sie als
Dozentin für Milchwirtschaft an der Schweizerischen
Hochschule für Landwirtschaft (heute HAFL) in Zolli
kofen BE. Gleichzeitig arbeitete sie an der Forschungs
anstalt für Milchwirtschaft (damals FAM, heute ALP
Haras) in Liebefeld in der Sektion Molkereitechnologie.
In ihrem Forschungsprojekt beschäftigte sie sich mit den
Emulgatoreigenschaften der Milchproteine; daraus ent
stand ihre Doktorarbeit «Adsorptionsverhalten der
Milchproteine an Phasengrenzflächen». «Dann bekam
ich meine Kinder, Patrick 1998 und Lea 2001», erzählt
sie. Hochschwanger absolvierte sie die Dissertationsprü
fung. Bis 2003 beschränkte sich ihre berufliche Tätigkeit
auf den Unterricht. Ab 2003 leitete sie im Jobsharing die
Forschungsgruppe Kulturen, Biodiversität und Terroir.
«So konnte ich Familie und Beruf gut meistern», freut
sie sich.
Ab dem 1. Januar 2014 schreibt Elisabeth Eugster an
einem neuen Kapitel in ihrer beruflichen Karriere: Sie
übernimmt bei Agroscope die Leitung des Forschungs
bereichs tierische Lebensmittel. Die Verarbeitung der
landwirtschaftlichen Rohstoffe Milch und Fleisch, die
Lebensmittelsicherheit und qualität, die Kulturenent
wicklung und produktion für fermentierte Milch und
Fleischprodukte, die Sensorik, die Ernährungsphysiolo
gie und – nicht zu vergessen – der Wissenstransfer und
die Beratung stehen in diesem Forschungsbereich im
Mittelpunkt. Ihr oberstes Ziel: «Das neue Institut für
Lebensmittelwissenschaften zum Fliegen bringen.» Die
Zusammenarbeit mit den drei anderen AgroscopeInsti
tuten, die Aufrechterhaltung des engen Bezugs zur Pra
xis sowie Mitarbeitende, die Spass an ihrer Tätigkeit
haben, heissen ihre weiteren Ziele.
Was tut die Forscherin, die in der Stadt Zürich lebt
und in Liebefeld arbeitet, wenn sie nicht forscht? – Da ist
ihre Familie. Hinzu kommt ihr grosses Bedürfnis, sich in
der freien Natur zu bewegen: Wandern, Skitouren,
Schwimmen, Fahrradfahren, «meine Fitness ist mir wich
tig». Und da war diesen Sommer auch noch ihr Projekt
Auszeit: Drei Monate, verbrachte sie auf der Alp Mal
schüel im St. Galler Rheintal und war für die Produktion
des Ziegenkäses verantwortlich. Selber Käse herzustel
len, war für sie nichts Neues: Bereits in ihrer Studienzeit
arbeitete sie während vier Monaten als Praktikantin in
einer Appenzeller Käserei. Zusammen mit einem Hirten,
einer Zusennerin und einer weiteren Hilfskraft küm
merte sie sich von Juni bis September um 260 Ziegen.
Während sie auf der Alp war, blieb ihre Familie zu Hause;
erst in den Sommerferien kamen ihr Ehemann und ihre
Kinder zu ihr auf den Berg. Elisabeth Eugster: «Ich hatte
schon etwas Heimweh!»
Christine Caron-Wickli, Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras
Elisabeth Eugster:«Ich bin Forscherin, weil ich sehr neugierig bin»
452
A k t u e l l
Agrarforschung Schweiz 4 (10): 452–455, 2013
N e u e P u b l i k a t i o n e n
ART-Bericht 763
Die Gemeine Rispe (Poa trivialis) ist eine konkurren
starke Pflanze, die mit ihren Ausläufern Bestandeslücken
besiedelt und andere Pflanzen unterdrückt. Dieses Gras
besitzt nur ein geringes Ertragspotenzial und führt zu
bedeutenden Mindererträgen im Futterbau. Übersteigt
der Anteil 20 % des Futters, wird dieses wegen des muf
figen Geruchs und der verminderten Schmackhaftigkeit
vom Rindvieh weniger gern gefressen. In zwei Versuch
serien in der Schweiz und in Österreich wurden unter
schiedliche Massnahmen untersucht, um die Gemeine
Rispe in Wiesen einzudämmen. Die Massnahmen unter
schieden sich in ihrer Intensität (sanft/intensiv) und Häu
figkeit (jährlich/ einmalig). Die sanfte Massnahme, eine
Kombination aus frühjährlicher Wiesenpflege und Über
saat, konnte selbst nach vierjähriger Wiederholung kein
befriedigendes Ergebnis liefern. Dagegen reagierte die
Gemeine Rispe empfindlicher auf das spätsommerliche
intensive Ausstriegeln. Ein Vergleich verschiedener Strie
gelarten zeigt, dass enge Strichabstände und hoher Zin
kendruck zu einer besseren Wirkung führen. Durch
mehrmaliges Striegeln werden kurzfristig über 70 % der
Bodenoberfläche offen gelegt. Aufgrund des hohen
Aufwandes für mehrmaliges Striegeln, Schwaden sowie
des nötigen Abtransportes von 17 bis 40 t Striegelgut
pro Hektar, kann dieses intensive Verfahren nur als ein
malige Sanierung empfohlen werden.
Joachim Sauter und Roy Latsch, ART
ART-Bericht 763
Eindämmung der Gemeinen Rispe
Lücken führen zum Erfolg
Autoren
Joachim Sauter und Roy Latsch,Agroscope, 8356 Ettenhausen,SchweizAlfred Pöllinger, Lehr- und For-schungszentrum LFZ, RaumbergGumpenstein, 8952 Irdning,ÖsterreichAuskünfte: Joachim Sauter, E-Mail:[email protected], Tel. +41 52 368 31 31
Impressum
Herausgeber:Forschungsanstalt AgroscopeReckenholz-Tänikon ARTTänikon, CH-8356 Ettenhausen,Redaktion: Etel Keller,ART
Die ART-Berichte/Rapports ARTerscheinen in rund 20 Nummernpro Jahr. JahresabonnementFr. 60.–. Bestellung von Abonne-ments und Einzelnummern:ART, Bibliothek, 8356 EttenhausenT +41 (0)52 368 31 31F +41 (0)52 365 11 [email protected]: www.agroscope.ch
ISSN 1661-7568
März 2013
Die Gemeine Rispe (Poa trivialis) ist einekonkurrenzstarke Pflanze, die mit ihrenAusläufern Bestandeslücken besiedelt undandere Pflanzen unterdrückt. Dieses Grasbesitzt nur ein geringes Ertragspotenzialund führt zu bedeutenden Mindererträ-gen im Futterbau. Übersteigt der Anteil20% des Futters, wird dieses wegen desmuffigen Geruchs und der vermindertenSchmackhaftigkeit vom Rindvieh wenigergern gefressen.In zwei Versuchsserien in der Schweiz undin Österreich wurden unterschiedlicheMassnahmen untersucht, um die GemeineRispe in Wiesen einzudämmen. Die Mass-nahmen unterschieden sich in ihrer Inten-sität (sanft/intensiv) und Häufigkeit (jähr-lich/einmalig). Die sanfte Massnahme,
eine Kombination aus frühjährlicher Wie-senpflege und Übersaat, konnte selbstnach vierjähriger Wiederholung keinbefriedigendes Ergebnis liefern. Dagegenreagierte die Gemeine Rispe empfindlicherauf das spätsommerliche intensive Aus-striegeln. Ein Vergleich verschiedenerStriegelarten zeigt, dass enge Strichab-stände und hoher Zinkendruck zu einerbesseren Wirkung führen. Durch mehrma-liges Striegeln werden kurzfristig über70% der Bodenoberfläche offen gelegt.Aufgrund des hohen Aufwandes für mehr-maliges Striegeln, Schwaden sowie desnötigen Abtransportes von 17 bis 40 tStriegelgut pro Hektar, kann dieses inten-sive Verfahren nur als einmalige Sanierungempfohlen werden.
Eine frühjährlicheWiesenpflege dient in erster Linie demEinebnen derWiesen. (Foto: J. Sauter)
Eindämmung der Gemeinen Rispe
453
A k t u e l l
Agrarforschung Schweiz 4 (10): 452–455, 2013
ART-Bericht 764
Die Blackenbekämpfung im Biolandbau ist eine zeitrau
bende und anstrengende Arbeit. Neben dem Einsam
meln der Samenstängel lässt sich die Wiesenblacke nur
durch Ausstechen mit dem Blackeneisen zurückdrängen.
Diese Handarbeit kann in Nebenzeiten des Betriebes
erledigt werden. Da diese Arbeit jedoch mühsam ist,
kämpfen viele Betriebe mit einem hohen Blackenbesatz,
was zu bedeutenden Einbussen beim Ertrag und der Fut
terqualität führt. Ein neues Verfahren zur BioBlacken
bekämpfung arbeitet mit Heisswasser. In Vergleich zum
Blackeneisen bringt es eine höhere Flächenleistung und
eine geringere körperliche Belastung mit sich. Das Ver
fahren ist mittlerweile so weit ausgereift, dass die Ein
führung in die Praxis ansteht.
Roy Latsch und Joachim Sauter, ART
Impressum
Herausgeber:Forschungsanstalt AgroscopeReckenholz-Tänikon ARTTänikon, CH-8356 Ettenhausen,Redaktion: Etel Keller,ART
Die ART-Berichte/Rapports ARTerscheinen in rund 20 Nummernpro Jahr. JahresabonnementFr. 60.–. Bestellung von Abonne-ments und Einzelnummern:ART, Bibliothek, 8356 EttenhausenT +41 (0)52 368 31 31F +41 (0)52 365 11 [email protected]: www.agroscope.ch
ISSN 1661-7568
ART-Bericht 764
Bio-Blackenbekämpfung –Heisswasser öffnet neue Perspektiven
Autoren
Roy Latsch, Joachim Sauter
Juni 2013
Die Blackenbekämpfung im Biolandbauist eine zeitraubende und anstrengendeArbeit. Neben dem Einsammeln derSamenstängel lässt sich die Wiesenblackenur durch Ausstechen mit dem Blackenei-sen zurückdrängen. Diese Handarbeitkann in Nebenzeiten des Betriebes erle-digt werden. Da diese Arbeit jedochmühsam ist, kämpfen viele Betriebe miteinem hohen Blackenbesatz, was zu
bedeutenden Einbussen beim Ertrag undder Futterqualität führt. Ein neues Ver-fahren zur Bio-Blackenbekämpfung arbei-tet mit Heisswasser.In Vergleich zum Blackeneisen bringt eseine höhere Flächenleistung und einegeringere körperliche Belastung mit sich.Das Verfahren ist mittlerweile so weitausgereift, dass die Einführung in die Pra-xis ansteht.
Optimierung des Heisswasserverfahrens zur Bio-Blackenbekämpfung.
Bio-Blackenbekämpfung –Heisswasser öffnet neue Perspektiven
454
www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen
Aktuell
N e u e P u b l i k a t i o n e n
Agrarforschung Schweiz 4 (10): 452–455, 2013
M e d i e n m i t t e i l u n g e n
20.09.2013 Neue Pilzkrankheit entblättert Apfelbäume Im Jahr 2010 wurde in der Ostschweiz bei einzelnen unbe
handelten Apfelbäumen vor der Ernte ein starker Blattfall
beobachtet. Forscher von Agroscope konnten nachweisen,
dass die bei uns bisher nicht bekannte Pilzkrankheit Mars
sonina den Blattfall verursachte. Die Apfelkrankheit brei
tet sich seither aus. Viele unbehandelte Apfelbäume in
Hausgärten und Wiesen zeigen in diesem Jahr bereits
Mitte September einen starken Blattverlust.
05.09.2013 Landwirtschaftliche Einkommen 2012 tiefer Hauptsächlich wegen tieferen Erträgen im Pflanzenbau
haben die landwirtschaftlichen Einkommen der Refe
renzbetriebe 2012 gegenüber dem Vorjahr um 5,9 Pro
zent abgenommen. Sie betrugen im Mittel 56 000 Fran
ken je Betrieb. Demgegenüber stieg der Arbeitsverdienst
je VollzeitFamilienarbeitskraft im Vergleich zu 2011
leicht auf 43 700 Franken. Diese unterschiedliche Ent
wicklung ist auf den stark sinkenden Zinsanspruch für
das Eigenkapital bei der Berechnung des Arbeitsver
dienstes zurückzuführen.
03.09.2013 Zeitbudgeterhebung in der Landwirtschaft: Starker Rückgang der Haushaltarbeit Ein Arbeitstag von Bäuerinnen ist seit 1974 zwar kürzer,
aber zum Teil intensiver, anspruchsvoller und vielfältiger
geworden. Tätigkeiten im Haushalt und auf dem Betrieb
werden heute rascher als früher erledigt, während für
Erziehung und ausserbetriebliche Erwerbsarbeit mehr
Zeit eingesetzt wird. Besonders gefordert sind Betriebs
leiterinnen: Im Haushalt erhalten sie von ihren Partnern
in der Regel wenig Unterstützung. Dies zeigt eine Erhe
bung von Agroscope auf 223 bäuerlichen Familienbe
trieben der ganzen Schweiz.
www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen
ALP aktuell 46
Bei der Beschreibung der
sensorischen Eigenschaf
ten eines Produkts und
der Erstellung von senso
rischen Profilen, wie es in
der Produktentwicklung,
Produktion oder in der
Qualitätskontrolle zur Anwendung kommen kann, wer
den häufig hedonisch gefärbte Begriffe (Beispiele: ange
nehm, gut, schlecht), allgemeine und unklare Begriffe
(harmonisch, rein, typisch) oder intensitätsbezogene
Begriffe (ausgewogen) verwendet. Diese Begriffe sind
schwer zu definieren, was zu deren unterschiedlichem
Gebrauch innerhalb der Prüfergruppe und weiter zu
ALP aktuell
Standardisierte sensorische Sprachefür die Beurteilung von TrockenfleischMerkblatt für die Praxis
Nr. 46 | 2013
Autoren
Patrizia PiccinaliJessika MessadeneAgroscopeLiebefeld-Posieux ALP-HarasSchwarzenburgstrasse 161CH-3003 [email protected]
Bei der Beschreibung der sensorischenEigenschaften eines Produkts und derErstellung von sensorischen Profilen, wie esin der Produktentwicklung, Produktionoder in der Qualitätskontrolle zur Anwen-dung kommen kann, werden häufig hedo-nisch gefärbte Begriffe (Beispiele: ange-nehm, gut, schlecht), allgemeine undunklare Begriffe (harmonisch, rein, typisch)oder intensitätsbezogene Begriffe (ausge-wogen) verwendet. Diese Begriffe sindschwer zu definieren, was zu deren unter-schiedlichem Gebrauch innerhalb der Prü-fergruppe und weiter zu mangelnder Über-einstimmung bei der Beschreibung/Beurteilung führen kann. Um dem entge-gen zu wirken, ist es von Vorteil, ein defi-niertes Vokabular einzusetzen. Dabei ist eswichtig, dass die an der Prüfung teilneh-menden Personen das gewählte Vokabularverstehen, sich die entsprechenden Begriffeeinprägen und diese schliesslich einheitlich
anwenden. Um dieses Ziel zu erreichen, istes empfehlenswert, spezifische Definitio-nen und/oder Referenzen für jeden ausge-wählten Begriff festzulegen. Aufgrund dersystematischen Vorgehensweise bei derEntwicklung des Vokabulars spricht manvon einer „standardisierten sensorischenSprache“.
Das vorliegende Merkblatt stellt eine stan-dardisierte Sprache für die Beschreibungvon Trockenfleisch vor, die als Hilfsmittel inder Praxis benutzt werden kann. Es enthält:
• Deskriptoren für Aussehen, Geruch,Textur und Flavour
• Definitionen und/oder Referenzen fürjeden Deskriptor
• Empfehlungen für die Vorgehensweisebeim Testen
ALP
Impressum
Herausgeber:AgroscopeLiebefeld-Posieux ALP-Haraswww.agroscope.ch
Redaktion:Christine Caron-Wickli, Agroscope
Gestaltung:RMG Design, Fribourg
Druck:Tanner Druck AG,Langnau im Emmental
Copyright:Nachdruck, auch auszugsweise,bei Quellenangabe und Zustellungeines Belegexemplars an dieHerausgeberin gestattet.
ISSN 1660-7570
alp actuel 46_all.indd 1 18.09.13 16:20
Standardisierte sensorische Sprachefür die Beurteilung von Trockenfleisch
mangelnder Übereinstimmung bei der Beschreibung/
Beurteilung führen kann. Um dem entgegen zu wirken,
ist es von Vorteil, ein definiertes Vokabular einzusetzen.
Dabei ist es wichtig, dass die an der Prüfung teilnehmen
den Personen das gewählte Vokabular verstehen, sich
die entsprechenden Begriffe einprägen und diese
schliesslich einheitlich anwenden. Um dieses Ziel zu
erreichen, ist es empfehlenswert, spezifische Definitio
nen und/oder Referenzen für jeden ausgewählten
Begriff festzulegen. Aufgrund der systematischen Vor
gehensweise bei der Entwicklung des Vokabulars spricht
man von einer «standardisierten sensorischen Sprache».
Patrizia Piccinali und Jessika Messadene
Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras
455
Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen
Aktuell
Agrarforschung Schweiz 4 (10): 452–455, 2013
V e r a n s t a l t u n g e n
Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen
I n t e r n e t l i n k s
Forschung zu Feuerbrand
www.feuerbrand.ch
Feuerbrand ist eine meldepflichtige Pflanzenkrankheit,
die durch Bakterien verursacht wird. Auf der Webseite
findet man alles zur Feuerbrandforschung bei Agroscope
und wichtige Links und Publikationen zu Feuerbrand
projekten.
November 2013
05. – 06.11.2013Weiterbildungskurs für BaufachleuteAgroscope ReckenholzTänikon ARTEttenhausen
21.11.2013Fachtagung NAP-PGREL15 Jahre Nationaler AktionsplanDie Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt – Wo stehen wir heute?BLW und Schweizerische Kommission zur Erhaltung der KulturpflanzenInforama Rütti, ZollikofenInformationen: www.cpcskek.ch
Januar 2014
18.01.2014Infotag HAFLHochschule für Agrar, Forst und LebensmittelwissenschaftenZollikofenInformationen: www.hafl.bfh.ch
21. – 24.01.2014Agroscope an der AgrovinaMartigny
23.01.2014Nachhaltigkeitstagung 2014«Wasser in der Landwirtschaft – heute und in Zukunft»AgroscopeAgroscope, 8046 Zürich
V o r s c h a u
November–Dezember 2013 / Heft 11–12
Erdmandelgras ist ein invasiver Neophyt, der sich in den letzten zwei Jahrzehnten in der Schweiz stark verbreitet hat. Einmal an-gesiedelt, lässt sich das gefürchtete Ackerunkraut nur mit grossem Aufwand bekämpfen. (Foto: Carole Parodi, ACW)
V o r s c h a u
•• Erdmandelgras (Cyperus esculentus L.): die aktuelle
Situation in der Schweiz Christian Bohren und
Judith Wirth, ACW
•• Ausführungsbestimmungen der Agrarpolitik
20142017, Thomas Meier, BLW
•• Einfluss der Wasserverfügbarkeit auf die Futterproduk
tion im Ackerbau, Eric Mosimann et al., ACW
•• Auswirkungen einer ausgeprägten Sommertrocken
periode auf eine montane Dauerweide im Jura,
Marco Meisser et al., ACW
•• Abdrift – Reduzierende Massnahmen im Praxisversuch,
Simon Schweizer et al., ACW und Zürcher Hochschule
für Angewandte Wissenschaften ZAHW
•• Schweizerische Sortenliste für Kartoffeln 2014,
Thomas Hebeisen et al., ART und ACW
Dienstag/Mittwoch, 5./6. November 2013
Weiterbildungskurs für Baufachleute WBK2013Gemeinsame Tagung der ALB-CH, AGRIDEA, Agroscope und suissemelio
Themen• Agrarpolitik 2014–2017 – die wichtigsten Fakten• Moderne Stallbaukonzepte für Milchvieh in Bayern• Konfliktmanagement bei landwirtschaftlichenNeubauten
• Stallklima und Emissionen• Dürrfutterverfahren• Workshop zu aktuellen Stallbaukonzepten
TagungsorteGemeindezentrum Aadorf,CH-8355 Aadorf TGund Agroscope, Tänikon,CH-8356 Ettenhausen TG
Detailprogrammwww.agroscope.ch/veranstaltungen
Aktuelle Forschungsergebnisse
für Beratung und Praxis:
Agrarforschung Schweiz publiziert 10-mal
im Jahr Forschungsergebnisse über
Pflanzenbau, Nutztiere, Agrarwirtschaft,
Landtechnik, Lebensmittel, Umwelt und
Gesellschaft.
Agrarforschung ist auch online verfügbar
unter: www.agrarforschungschweiz.ch
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AGrArForSchUNGSchweiz
rechercheAGroNomiqUeSUiSSe
Talon einsenden an:redaktion Agrarforschung Schweiz, Forschungsanstalt AgroscopeLiebefeld-Posieux ALP-haras, Postfach 64, 1725 PosieuxTel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00e-mail: [email protected] | www.agrarforschungschweiz.ch
Name/Firma
Vorname
Strasse/Nr
PLZ/Ort
Beruf
Datum
Unterschrift
Agrarforschung Schweiz/RechercheAgronomique Suisse ist die zeitschrift
der landwirtschaftlichen Forschung von
Agroscope und ihren Partnern. Partner der
zeitschrift sind das Bundesamt für Landwirt-
schaft, die hochschule für Agrar-, Forst- und
Lebensmittelwissenschaft hAFL, die Bera-
tungszentralen AGriDeA, die eidgenössische
Technische hochschule eTh zürich, Departe-
ment für Umweltsystemwissenschaften und
Agroscope, die gleichzeitig herausgeberin der
zeitschrift ist.
Die zeitschrift erscheint in Deutsch und Fran-
zösisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus
Forschung, industrie, Lehre, Beratung
und Politik, an kantonale und eidgenössische
Ämter und an weitere Fachinteressierte.