1
5 Mechanik starrer Körper
Warum gibt es Atome ?
5.1 „Starre Körper“
Viele Massenpunkte, deren Relativkoordinaten zeitlich konstant sind.
Bei hinreichend großer Zahl von Massenpunkten betrachtet man dasObjekt als „starren Körper“ mit kontinuierlicher Massenverteilung.
Durch die Festlegung der Relativkoordinaten werden die Freiheitsgrade des starren Körpers auf 6 reduziert:
3 Komponenten der Schwerpunktsgeschwindigkeit3 Komponenten des Drehimpulses
Bewegungen starrer Körper werden zerlegt in Translation und Rotation.
2
5.1 Schwerpunkt
Für die Translation des Schwerpunktes gelten die bisher gelernten Gesetze.
Schwerpunkt
∑
∑
=
==n
ii
n
iii
S
m
rmr
1
1
r
r massengewichtete Durchschnittskoordinate
Erinnerung:
Übergang zu kontinuierlicher Massenverteilung
MassendichteVd
Md=ρ
Gesamtmasse ( )∫=K
dVrMrρ
Schwerpunktsvektor ∫=K
S dMM
rr
rr
5.1 Schwerpunktsbewegung
Der Schwerpunktsbewegung kann noch eine Rotation überlagert sein, wobei jedoch nur Drehachsen durch den Schwerpunkt möglich sind.
Der Schwerpunkt bewegt sich auf einer Parabel (schiefer Wurf)
Gleichzeitig wird eine Drehung ausgeführt
HochsprungSchwerpunkt bleibt unter der Latte
3
5.2 Trägheitsmoment und Rotationsenergie
( ) 2
212
21 rdMvdMEE dM
kindMrot
rr ×=== ω
Rrr ωαωω ==× sinrrrr
2221 RdME dM
rot ω=
Verallgemeinerung für starren Körper: Drehachse
rr
αsinrRr= dM
αωr
Trägheitsmoment eines Massenpunktes 2mrJ = Ursprung in Bewegungsebene !
Dies gilt für starren Körper nicht mehr !
( ) 222
2
1
2
1 ωρω J
J
dVrREK
rot =
=
= ∫43421
rRotationsenergie
( )∫=K
dVRrρJ 2rTrägheitsmoment
5.2 Versuch: Fallmaschine
Geschwindigkeitsmessung mit Lichtschranke
Gewicht100 g
Drehbalken
Potentielle Energie des Gewichtes → Rotationsenergie des Balkens
4
5.2 Versuchsauswertung
hgmJ =2112
1 ω hgmJ =2222
1 ω
mm
∑=
+=2
1
2
iiiBalken RmJJ
21 JJ <
21 ωω >im im
LSLSLS
BalkenLS ttm
m
tR
s
R
vRrv
Jmsmkghgm
∆∆∆∆ωωω 166.0
3.0
05.0
196.02.081.91.0 2
====⇒=×=
=⋅⋅= −
rr
5.2 Trägheitsmoment eines Zylinders
RVd
221
421
0
3
2
max
2
2
max
max
R
V
RM
Rhρπ
dRRhρπ
dV
dRhRπRρJ
=
=
=
=
∫
∫ 43421
hRM 2maxπρ=Gesamtmasse: Zylinderachse = Drehachse
Trägheitsmoment:
5
5.2 Trägheitsmoment einer Kugel
25
0
4
0 0
34
0 0
34
0 0
2
0
2
2
22
2
5
2
53
42
3
42
sin2
sin2
sinsin
RMR
drr
drdr
drdr
drddrr
dVRJ
R
R
R
R
Kugel
Kugel
drdbdadVR
==
=
=
=
=
=
∫
∫ ∫
∫ ∫
∫ ∫ ∫
∫
=
ρπ
ρπ
ϑϑρπ
ϑϑρπ
ϑϕϑϑρ
ρ
π
π
π π
44 344 2143421
R
5.2 Rollen auf der schiefen Ebene
ωrv =
222
22
2
1
2
12
1
2
1
ωω
ω
Jrm
JvmEkin
+=
+=
Jrm
hgmrv
hgmJrm
EE potkin
+=
=+
=
2
222
2
2
1
2
1
∆
∆ωω
∆
Endgeschwindigkeit ist bei gleicher Masse und Abrollradius nur vom Trägheitsmoment abhängig
6
5.2 Steinerscher Satz
Ist das Trägheitsmoment bezüglich einer Achse durch den Schwerpunkt
bekannt, ergibt sich für eine andere dazu parallele Achse:
Achse durchSchwerpunkt
andere Achse
ar
iRr
iR′r
∑∑∑
∑
∑
∑
+
=
′+′=
′+′⋅+=
′+=
=
iii
iii
ii
iii
i
iii
iii
maRmaRm
RRaam
Ram
RmJ
22
22
2
2
0
2
)2(
43421
rr
rr
rr
Das Trägheitsmoment bezüglich der neuen Achse:
2aMJJ S += a : Abstand der Achse vom Schwerpunkt
5.3 Drehmoment
ωωω rr ⋅== JJErot 212
21 Rotationsenergie
ωωJ)ωωωω(Jtd
dErot r&r&rrr&r ⋅=⋅+⋅= 21
td
dωJtd
dErot ϕr&r ⋅=
ϕr&r dωJdErot ⋅=
{∫ ⋅
=
= ϕrr&r d
M
ωJErot
:
ω&rr
JM =
{∫ ⋅= sd
F
vmEkin
r
r&ranalog zu:
Aktionsprinzip, analog zu: amvmFr&r
r==
Drehmoment:
7
5.3 Drehmoment und Kraft
ϕrd
rr ϕd s
rd
Achse
Mr
Fr
erhält man ( )rdFdErrr
×⋅= ϕ
( ) ϕrrr
dFrdE ⋅×=
FrMrrr
×=
∫ ⋅= ϕrr
dMErotRotationsenergie
ϕrr
dMdE ⋅=somit gilt:
sdFdErr
⋅=Außerdem gilt
rdsdrrr ×= ϕmit
Kreuzprodukt! Es gilt folglich ebenso:
Somit:
5.3 Gleichgewicht
indifferent
labil
Ein statisches Gleichgewicht ist immer dann vorhanden, wenn ein Körper über längere Zeit seine Lage und seine Form beibehält.
stabilDazu müssen folgende zwei Beziehungen erfüllt sein:
1. Die Summe der Kräfte muss verschwinden
0...1
21 ==+++ ∑=
n
iin FFFFrrrr
2. Die Summe der Momente muss verschwinden
0...1
21 ==+++ ∑=
n
iin MMMMrrrr
→ Hebelgesetze
8
5.4 Drehimpuls eines starren Körpers
prLrrr
×=Drehimpuls einer PunktmasseL
r
[ ] sJsmkgL 11 12 == −r
Drehimpuls eines starren Körpers
Drehimpuls L im allgemeinen nicht parallel zu ω !→ →
( )
( )
( )( )∫
∫
∫
⋅⋅−⋅=
=
××=
×=
V
V
V
dMrrr
Ld
dMrr
dMrvrL
rrrr
44 344 21 r
rrr
rrrr
ωω
ω
2
5.4 Berechnung des Drehimpuls
Drehimpuls Masse m1
SpiegelsymmetrischeMasse m2=m1
Gesamtdrehimpuls ist parallel zu ω.
→
Für Körper die spiegelsymmetrisch zu einer Ebene in der die Drehachse liegt ist der Drehimpuls L parallel zur
Winkelgeschwindigkeit ω.→
→
( ) ( )( ) ( )( )
211
122
11
112
11
11111
sin
cossin
cos
Rm
rrm
Lrrm
LrrmL
ωωω
ωωω
ωω
=
∠=
∠∠=
∠××=
rr
rrrr
rrrrrr
Gesamtdrehimpuls für symmetrischen Körper ( ) JdVRrLV
ωρω == ∫ 2r
9
Bewegungsgleichung für Drehimpuls
5.4 Drehimpuls und Drehmoment
MLr&r =
( ) ( ) MFrFrpvdt
pdrp
dt
rd
dt
Ld rrrrrrrr
rrrr
=×=×+×=
×+
×=
Für Punktmasse auf Kreisbahn gilt:
Für rotierenden starren Körper:
2
2
1 ωJErot = Rotationsenergie
( )dt
dJJ
dt
dJ
dt
dErot ϕωωωωr
&r&rr === 2
2
1Kettenregel, Vektoren !
ϕω r&r dJdErot = ·dt
{∫= ϕω r
r&r d
M
JErot ∫
5.4 Drehimpulserhaltung
Analog zu der Schreibweise des Newtonschen Aktionsprinzips der
Translation:
ergibt sich für Rotation um feste Achse:
Wenn kein äußeres Drehmoment wirkt, bleibt der Drehimpuls
erhalten:
vtd
md
td
vdm
td
rrrr
+==
ωtd
Jd
td
ωdJ
td
LdM
rrr
r+==
const.LMtd
Ld =⇒==rr
r
0Drehimpulserhaltungssatz
10
5.6 Drehimpuls eines starren Körpers
( )
( )
( )( )
( )∫∫
∫
∫
∫
⋅⋅−⋅=
⋅⋅−⋅=
=
××=
×=
VV
V
V
V
dMrrdMr
dMrrr
Ld
dMrr
dMrvrL
rrrr
rrrr
44 34421 r
rrr
rrrr
ωω
ωω
ω
2
2
Vektorgleichung in Komponenten zerlegen
≠=
=
−=∑ ∫∫
= ji
jimit
J
dMrrdMrL ijjj
ij
V
ji
V
iji 0
1:
3
1
2 δωδ4444 34444 21
Definition: Trägheitstensor ( )∫ −=V
jiijij dMrrrJ 2δ
5.6 NR: Trägheitstensor
( )
ωωωω
δωδ
ωω
ωω
ωω
r
44 344 21
r
4444 34444 21
rr
J
J
JJJ
JJJ
JJJ
L
ji
jimit
J
dMrrdMr
dMrrdMr
dMrrdMr
dMrrdMrL
ijjj
ij
V
ji
V
ij
j V
jij
V
i
V jjji
V
i
V
i
V
ii
ˆ
ˆ
0
1:
3
2
1
333231
232221
131211
3
1
2
3
1
2
3
1
2
2
=
=
≠=
=
−=
−=
−=
⋅⋅−=
∑ ∫∫
∑ ∫∫
∫ ∑∫
∫∫
=
=
=
Trägheitstensor verknüpft Drehachse und Drehimpuls
11
5.6 Beispiel: Trägheitstensor eines Quaders
+−−−+−−−+
=
−= ∫
22
22
22
2
ˆ
yxyzxz
zyzxxy
zxyxzy
j
dM
j
rrrJV
ij
jiijij 43421δ
( )
+=
+=+= ∫ ∫ ∫
− − −12121212
22222
2
2
2
2
2
2211
cbM
cbcbadzdydxzyJ
c
c
b
b
a
a
ρρ
++
+=
22
22
22
00
00
00
12ˆ
ba
ca
cbM
JTrägheitstensor eines Quaders mit homogener Dichte
z
yx
ωL→
→
5.6 Drehung eines Quaders um Raumdiagonale
kgMmcmbma 2,1,3,2 ====
2
22
22
22
1300
050
0010
12
2
00
00
00
12ˆ mkg
ba
ca
cbM
J
=
++
+=
1
1
3
2−
= sradωr
sJJsL
=
=
13
15
20
12
1
1
3
2
1300
050
0010
12
1r
Drehimpuls ist nicht parallel zu Drehachse
Drehimpuls bewegt sich auf einem Kegel
12
5.6 Trägheitsellipsoid
Das Ellipsoid hat drei
Hauptachsen (die senkrecht
zueinander stehen).
Die Trägheitsmomente in
diesen Richtungen nennt man
„Hauptträgheitsmomente“.
Trägheitstensor erlaubt nun die Berechnung des
Drehimpulses für jede Drehachse durch den Schwerpunktωr
rJL ˆ=
Trägt man für jede mögliche Achse durch den
Schwerpunkt auf, erhält man einen Ellipsoid.
J1
ωr
rL
J =
Beispiel: Quader
5.6 Hauptträgheitsmomente
Mit einem kartesischen Koordinatensystem
entlang der Hauptachsen ist der
Trägheitstensor diagonal
Ja, Jb und Jc sind die Hauptträgheitsmomente.
=
c
b
a
J
J
J
J
00
00
00ˆ
Oblates Trägheitsellipsoid
Ein großes und zwei kleine
Hauptträgheitsmomente
Prolates Trägheitsellipsoid
Zwei große und ein kleines
Hauptträgheitsmoment
13
5.6 Freie Achsen
Nach Freigabe der Achse erfolgt die Drehung
um die Richtung von Lr
0d
d =t
Lr
Kräfte wirken nur noch entlang der
Stange (innere Radialkräfte).
Auf die Achse wirkt kein Drehmoment.
Solche Achsen bezeichnet man als
„freie Achsen“
Die eingezeichnete Drehachse kann nur durch
Kräfte auf die Achse beibehalten werden, denn
0d
d ≠t
Lr
Achse
ωr
2m
1m
Lr
kräftefreieAchse
ωr
2m
1m
Lr
5.6 Freie Achsen und Hauptträgheitsmomente
und somit . Lrr
||ω
Der Vektor hat nur eine Komponente, z.B ),0,0( cωω =rωr
Achsen in Richtung der Hauptachsen des Trägheitsellipsoids sind
freie Achsen.
),0,0( ccJL ω=r
oder
Also ist die Achse kräftefrei.
⋅
=
cc
b
a
c
b
a
J
J
J
L
L
L
ω0
0
00
00
00
damit folgt
14
5.6 Stabilität Freier Achsen
Rotationen um die Achse mit dem größten und mit dem kleinsten
Trägheitsmoment sind stabil.
Rotation um die Achse mit dem mittleren Trägheitsmoment ist nicht
stabil.
(kleine Störungen führen zum Torkeln).
5.7 Kreisel
Definition: Ein Kreisel ist ein an einem Punkt P festgehaltener
rotierender starrer Körper
Die Bewegung des Kreisels ist bestimmt durch
seine Massenverteilung (Trägheitstensor)
die Art und Lage des Unterstützungspunktes P
(d.h. durch die auf den Kreisel wirkenden Kräfte )
Daher werden unterschieden:
symmetrischer und unsymmetrischer Kreisel
kraftfreier und schwerer Kreisel
unsymmetrischer Kreisel: 3 unterschiedliche Hauptträgheitsmomente
symmetrischer Kreisel: mindestens 2 gleiche Hauptträgheitsmomente
15
5.7 Versuch: Kugelkreisel
Bewegungsformen mit angeschraubter Achse (schwerer Kreisel):
- langsame Drehung der Drehachse um vertikale Mittelachse
- überlagerte schnelle Kreisbewegung der Drehachse nach „Stoß“
Bewegungsformen ohne Achse (kräftefreier Kreisel):
- Drehachse der Kugel bleibt in Ruhe
- schnelle Kreisbewegung der Drehachse nach „Stoß“
5.7 Kräftefreier symmetrischer Kreisel
symmetrischer Kreisel: o.B.d.A. cba JJJ ≠= → Figurenachse c
kräftefreier Kreisel:
zwei Beispiele zur kräftefreien Lagerung eines Kreisels
reibungsfreie und frei beweglicheUnterstützung der Figurenachse in zwei Punkten die Kräfte (z.B. Schwerkraft) auf Kreisel genau ausgleicht
→ Gyroskop
reibungsfreie direkte Unterstützung des Schwerpunktes
→ Kreisel nach Rozé, „Kleinscher Kreisel“
16
5.7 Nutation des symmetrischen Kreisels
Durch kurze äußere Einwirkung wird ein
Drehimpuls um eine beliebige Achse
übertragen
Richtungen von Drehimpuls,
momentaner Winkelgeschwindigkeit
und Figurenachse sind verschieden
Nach Drehimpulserhaltung ist neuer
Drehimpuls raumfest
Ausgangszustand: seFigurenachωrrL
Figurenachse
ωrLr
aaa JL ω=
ccc JL ω=
a
c
Schwerpunkt
5.7 Nutation
Figurenachse
ωrLr
a
c
Nutationskegel
Rastpolkegel
Die Richtung der Figurenachse kreist um die Drehimpulsrichtung
→ Nutation (Figurenachse bewegt sich auf dem Nutationskegel)
Die Richtung der momentanen Drehachse kreist um die
Drehimpulsrichtung (Rastpolkegel)
Die Bewegung ist notwendig, um Drehimpuls und Energie zu erhalten.
17
Schwerpunkt
5.7 Präzession
Ein Kreisel, auf den äußere Drehmomente (Kräfte) wirken, präzediert.
Insbesondere meint man Drehmomente auf die Figurenachse, die die
Richtung, aber nicht den Betrag des Drehimpulses ändern.
Gewicht GFr
rr
Mr
LMrr
⊥
Lr
dtMLrr
+M
td
Ld rr
=
Bewegung des
Drehimpulses
gemäß
5.7 Präzessionsfrequenz eines sym. Kreisels
( )tLr
Ldr
( )dttL +r
αd
In der Zeitspanne dt hat sich
um dα gedreht, daraus ergibt sich
die Präzessionsfrequenz:
Lr
dt
dP
αω =
Mit wird:L
dLd =α
ωω
ω
ω
J
ML
Mdt
dL
L
P
P
P
=
=
⋅= 1
18
5.8 Zusammenfassung Kapitel 5
5 Mechanik starrer Körper6.1 „Starre Körper“6.2 Trägheitsmoment und Rotationsenergie6.3 Drehmoment6.4 Drehimpuls eines starren Körpers6.5 Anwendungen6.6 Drehimpuls eines starren Körpers6.7 Kreisel
5.8 Literatur
KreiselDavid Himmel,„Theorie und Experimente zum mechanischen Kreisel als Grundlage eines Versuchs im Anfängerpraktikum“ ZulassungsarbeitZulassungsarbeit, 1998, Kölnhttp://www.paehler.org/tim/archiv/extern/david/
Der Stehaufkreisel
http://www.physik.uni-augsburg.de/~wobsta/tippetop/index.shtml.de
Der Büroklammerkreisel – Sakai-Kreisel
Christian Ucke, „Kreisel aus Büroklammern“Physikalische Blätter 54 (1998), 440-442