11.04.23 Nadja Herz, Rechtsanwältin
Behinderten-gleichstellungs-gesetz (BehiG)
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Themenübersicht
Verfassungsrechtliche Grundlage
Zweck und Inhalt des BehiG
Verhältnis zu Richtlinien und zum kantonalen Recht
Geltungsbereich
Begriffe: Zugang und Verhältnismässigkeit
Beschwerderecht und Verfahren
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Art. 8 Abs. 2 BV Diskriminierungsverbot
Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform , der religiösen, weltan-schaulichen oder politischen Überzeu-gung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Art. 8 Abs. 4 BV Gesetzgebungsauftrag
Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.
-> BehiG in Kraft seit 1.1.2004
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Anzahl Behinderter in der Schweiz
hörbehindert: ca. 550‘000 (8%) gehörlos: ca. 70‘000 (1%)
sehbehindert oder blind: ca. 70‘000 (1%)
gehbehindert: ca. 350‘000 (5%) Rollstuhlfahrer: ca. 35‘000 – 40‘000 (0.5%)
Nadja Herz, Rechtsanwältin
BehiG Zweck (Art. 1)
Das Gesetz hat zum Zweck, Benachteiligun-gen zu verhindern, zu verringern oder zu beseitigen, denen Menschen mit Behinderun-gen ausgesetzt sind.
Es setzt Rahmenbedingungen, die es Men-schen mit Behinderungen erleichtern, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und insbesondere selbständig soziale Kontakte zu pflegen, sich aus- und fortzubilden und eine Erwerbstätigkeit auszuüben.
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Das BehiG regelt:
Anspruch Behinderter auf: Zugang zu Bauten und Anlagen Zugang zu Einrichtungen oder Fahrzeugen
des öffentlichen Verkehrs Inanspruchnahme von Dienstleistungen Inanspruchnahme von Aus- und Weiter-
bildung
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Verhältnis zu Normen und Richtlinien
BehiG
Bei welchen Bauvorhaben muss behindertengerecht gebaut werden?
SN-Norm und Richtlinien
Wie muss genau gebaut werden, damit es behindertenge-recht ist?
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Norm SN 521 500 Behindertengerechtes Bauen
Behinderungsarten: Gehbehinderte, Sehbehinderte, Hörbehinderte
Regelungen über Aussenanlagen undGebäude
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Gehbehinderte Personen
Stufenlose Wege
geringe Steigungen
Genügende Wegbreite und
Manövrierflächen
Bodenbelag eben, hart,
gleitsicher
Handläufe bei Treppen
Behindertenparkplätze
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Sehbehinderte Personen
Erkennen von Verkehrs-flächen
Sicherung von Gefahren-stellen
Verletzungsgefahren ver-meiden
Wegführung, ertastbare Abgrenzung der Fahrbahn
Kontrastreiche Gestaltung Beschriftung und
Information
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Hörbehinderte Personen
Beleuchtung bei Aussen-anlagen
optische Anzeigen, visuelle Führung
Höranlagen in Versamm-lungsräumen
Tonverstärker in öffentlich zugänglichen Telefonanlagen
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Verhältnis zum kantonalen Recht
BehiG Kantonales Recht
Das BehiG steht weitergehenden Bestim-mungen der Kantone nicht entgegen (Art. 4)
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Kanton Zürich (§ 239 Abs. 4 PBG)
Bei Bauten und Anlagen, die dem Publikum zugänglich sind (...) sind hinsichtlich Gestal-tung und Ausrüstung die Bedürfnisse von Behinderten und Betagten zu berücksich-tigen.
In Wohnüberbauungen und Geschäftshäu-sern sind die Bedürfnisse von Behinderten und Betagten angemessen zu berücksich-tigen.
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Kanton Zürich (§ 34 BBV I)
Das behindertengerechte Bauen richtet sich nach dem Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes (...) sowie nach den Bestim-mungen des kantonalen Rechts.
Die Richtlinien und Normalien gemäss Anhang 2.5 sind zu beachten,insbesondere auch für das Innere der Gebäude.
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Kanton Zürich anwendbare Richtlinien
Norm SN 521 500, Behindertengerechtes Bauen, 1988
Empfehlung Wohnungsbau hindernisfrei – anpassbar, Schweizerische Fachstelle für behindertengerechtes Bauen, 1992
Nadja Herz, Rechtsanwältin
GeltungsbereichArt der Bauten (Art. 3)
Öffentlich zugängliche Bauten
Wohngebäude mit mehr als 8 Wohn-einheiten
Geschäftshäuser mit mehr als 50 Arbeitsplätzen
Nadja Herz, Rechtsanwältin
GeltungsbereichAnpassungspflicht (Art. 3)
Das BehiG gilt für Bauten, für welche nach Inkrafttreten eine Bewilligung für den Bau oder die Erneuerung erteilt wird.
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Öffentlich zugängliche Bauten und Anlagen
... die einem beliebigen Personenkreis offen stehen, z.B. Restaurants, Museen, Kinos, Läden, Verkehrsanlagen, öffentliche Plätze, Parkplätze, Haltestellen, Fusswege, Pärke
... in einem besonderen Rechtsverhältnis zum Ge-meinwesen, z.B. Schulen, Spitäler, Kirchen oder Heime
... in denen private Dienstleistungsanbieter per-sönliche Dienstleistungen erbringen, z.B. Arzt-praxen, Architekturbüros
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Wohngebäude (Art. 3 lit. c)
Das BehiG gilt für Wohngebäude mit mehr als acht Wohneinheiten.
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Wohngebäude - Was gilt für bauliche Sondersituationen?
Bauten mit mehreren Hauseingängen
Überbauungen mit mehreren Gebäuden
Aneinandergebaute Gebäude
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Kanton Zürich,BRKE 0043/2005 vom 25.2.2005
Zum Begriff „Wohngebäude“
„Aneinandergebaute Gebäude mit separater interner Erschliessung sind nicht als ein einziges Wohngebäude zu betrachten.“
„Jeder Gebäudeteil zählt als selbständiges Gebäude, wenn ein eigener Zugang von aussen und eine Brandmauer zwischen den Gebäudeteilen existiert.“
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Wohngebäude Lösungsansatz
Das BehiG gilt bei Bauvorhaben, die eine bauliche und wirtschaftliche Einheit bilden und von einer gewissen Grösse sind, sobald insgesamt mehr als 8 Wohnein-heiten betroffen sind.
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Bauten mit Arbeitsplätzen
Das Behig gilt für Gebäude mit mehr als 50 Arbeitsplätzen (Art. 3 lit. d).
Problem: Anzahl der Arbeitsplätze ist bei der Baueingabe meist noch nicht bekannt.
Lösungsansatz: Abstellen auf die Geschoss-fläche:
Richtgrösse: Fläche von 20 m2 pro Arbeitsplatz (inkl. Erschliessungsfläche)
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Zugang (Art. 2)
Eine Benachteiligung beim Zugang zu einer Baute liegt vor, wenn der Zugang für Be-hinderte aus bauli-chen Gründen nicht oder nur unter er-schwerten Bedin-gungen möglich ist.
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Zugang (Art. 2) Anforderungen
Öffentlich zugängliche Bauten: Zugang zum Gebäude und Benutzbarkeit im Innern
Wohnbauten: Zugang zum Gebäude und zu den einzelnen Wohnungen
Geschäftshäuser: Zugang zum Gebäude (bei Bauten mit Publikumsverkehr auch Benutzbarkeit im Innern)
Nadja Herz, Rechtsanwältin
VerhältnismässigkeitAllg. Grundsätze (Art. 11)
Angemessenes Verhältnis zwischen Nutzen und wirtschaftlichem Aufwand
Berücksichtigung der Anliegen der Verkehrs- und Betriebssicherheit
Berücksichtigung der Interessen des Umweltschutzes sowie des Natur- und Heimatschutzes
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Denkmalpflegmalschutz
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Denkmalschutz
Nadja Herz, Rechtsanwältin
VerhältnismässigkeitKostenschranke (Art. 12)
der Aufwand für die Anpassung 5 Prozent des Gebäudeversiche-rungswertes oder des Neuwertes übersteigt.
der Aufwand für die Anpassung 20 Prozent der Erneuerungskosten übersteigt.
Es müssen keine (weiteren) baulichen Anpassungen vorgenommen werden, wenn:
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Klagerecht (Art. 7 und 9)
Behinderte Einzelpersonen
Behinderten-organisationen
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Rechtsansprüche (Art. 7)
während des Baubewilligungs-verfahrens bei der zuständigen Baubehörde.
nach Abschluss des Baubewilligungsverfahrens im Zivilverfahren, wenn das Fehlen der gesetzlich gebotenen Vorkehren im Baubewilligungsverfahren nicht erkennbar war.
Rechtsansprüche können geltend gemacht werden:
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Rechtsansprüche während des Baubewilligungsverfahrens
Massgebend für deren Geltend-machung sind die in den Kantonen geltenden Verfahrensvorschriften und Fristen für Einsprachen bzw. Rekurse.
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Rechtsansprüche im Zivilverfahren Anwendungsfälle
wenn Mängel im Baubewilligungsverfahren nicht erkannt werden konnten
wenn zu Unrecht kein Bewilligungsver-fahren durchgeführt worden ist
wenn sich die Bauherrschaft nicht an die bewilligten Baupläne hält
bei Baubewilligungen im Anzeigeverfahren
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Auswirkungen auf das baurechtliche Verfahren
Ausschreibungen: Bauvorhaben im Gel-tungsbereich des BehiG müssen öffentlich ausgeschrieben werden, damit das Klage-recht wahrgenommen werden kann.
Akteneinsicht: Das Beschwerderecht führt zu einer Erweiterung des Anspruchs auf Akteneinsicht.
Nadja Herz, Rechtsanwältin
Beispiele aus der Praxis:
Zugang zu öffentlichen Bauten (Restaurants, Läden, Praxen)
WC‘s in öffentlich zugänglichen Bauten
Umbau in Teilbereichen
Interessenkonflikte mit Denkmalpflege
Anwendbarkeit bei Wohnbauten