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Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde, Bd. 168, S. 345--383 (1952). Aus dem Max Planck-Institut ffir Hirnforschung Neuroanatomische Abteilung in Giel3en (Prof. Dr. I-I. SI'ATZ). Zur Faseranatomie des Stamm- und Riechhirns auf Grund yon Experimenten an jugendlichen Tieren. Zugleich ein Beitrag zur Umgestaltung des vor der Reifung gesehiidigten Gehirns und zur Agenesiefrage% Von HERMANN BECKER. Mit 9 Textabbildungen. (Eingegangen am 18. Mdirz 1952.) Fasersystematische Studien lassen sich auf dreierlei Weise anstellen : Erstens negativ, indem man den im Faserbild entstandenen Lficken nach- geht, oder zweitens positiv, indem man die zerfallende Markscheide als Kriterium benfitzt (MARcHI-F~rbung). Die dritte, ebenfalls positive Methode wird wenig angewandt, weft die Voraussetzungen dazu meist nicht erffillt sind. Es handelt sich darum, die intakten Fasern in einer weitgehend faserfreien Umgebung zu verfolgen. Das gelingt nur, wenn der Markfasergehalt durch besondere Umst/~nde fiber grSi3ere Strecken so stark vermindert ist, dab die notwendige Kontrastwirkung entsteht; also dann, wenn mSglichst alle li~ngeren Fasersysteme ausgefallen sind, so daf~ sich die kiirzeren, z.T. weniger gut bekannten, vom hellen Unter- grund besser abheben, als sie dies normaler Weise tun. In einer friiheren Arbeit (1949) wurde eine Methode mitgeteilt, die es gestattet, bei neugeborenen Hunden durch VerschluB der intra- cerebralen Gef/il3e eine Hemisphi~re (Endhirn und Teile des oralen Zwischenhirns) zur Einschmelzung zu bringen. Es resultieren hydran- encephale Defekte ohne bindegewebige Narben und als Folge dieser Defekte ausgedehnte degenerative Ver/inderungen an den verbliebenen Formationen des Stammhirns. Solche direkten (retrograden) und indi- rekten (transneuronalen) Ausf/ille sind in einer ausffihrliehen Arbeit be- schrieben und ftir eine neue Vorstellung yon der transneuronalen Degene- ration nutzbar gemacht worden (1952). Es handelt'sich um 2 ttunde (Jupp und Bobby), denen in den ersten Lebenstagen eine Paraffin-01misehung in die rechte A. carotis injiziert worden war. Sie iiber- lebten 9 bzw. 12 Monate. Das Versorgungsgebiet der A. cerebri med. war vfllig geschwunden; von dem der A. cerebri ant. blieben allein die oralsten Windungen * Herrn Prof. Dr. JULIUS HALLERVORDEN ZUseinem 70. Geburtstag gewidmet. Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde, Bd. 168. 24

Zur Faseranatomie des Stamm- und Riechhirns auf Grund von Experimenten an jugendlichen Tieren

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Page 1: Zur Faseranatomie des Stamm- und Riechhirns auf Grund von Experimenten an jugendlichen Tieren

Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde, Bd. 168, S. 345--383 (1952).

Aus dem Max Planck-Institut ffir Hirnforschung Neuroanatomische Abteilung in Giel3en (Prof. Dr. I-I. SI'ATZ).

Zur Faseranatomie des Stamm- und Riechhirns auf Grund yon Experimenten an jugendlichen Tieren.

Zugleich ein Beitrag zur Umgestaltung des vor der Reifung gesehiidigten Gehirns und zur Agenesiefrage%

Von

HERMANN BECKER.

Mit 9 Textabbildungen.

(Eingegangen am 18. Mdirz 1952.)

Fasersystematische Studien lassen sich auf dreierlei Weise anstellen : Erstens negativ, indem man den im Faserbild entstandenen Lficken nach- geht, oder zweitens positiv, indem man die zerfallende Markscheide als Kri ter ium benfitzt (MARcHI-F~rbung). Die dritte, ebenfalls positive Methode wird wenig angewandt, weft die Voraussetzungen dazu meist nicht erffillt sind. Es handelt sich darum, die intakten Fasern in einer weitgehend faserfreien Umgebung zu verfolgen. Das gelingt nur, wenn der Markfasergehalt durch besondere Umst/~nde fiber grSi3ere Strecken so stark vermindert ist, dab die notwendige Kontrastwirkung entsteht; also dann, wenn mSglichst alle li~ngeren Fasersysteme ausgefallen sind, so daf~ sich die kiirzeren, z.T. weniger gut bekannten, vom hellen Unter- grund besser abheben, als sie dies normaler Weise tun.

In einer friiheren Arbeit (1949) wurde eine Methode mitgeteilt, die es gestattet , bei neugeborenen Hunden durch VerschluB der intra- cerebralen Gef/il3e eine Hemisphi~re (Endhirn und Teile des oralen Zwischenhirns) zur Einschmelzung zu bringen. Es resultieren hydran- encephale Defekte ohne bindegewebige Narben und als Folge dieser Defekte ausgedehnte degenerative Ver/inderungen an den verbliebenen Formationen des Stammhirns. Solche direkten (retrograden) und indi- rekten (transneuronalen) Ausf/ille sind in einer ausffihrliehen Arbeit be- schrieben und ftir eine neue Vorstellung yon der transneuronalen Degene- ration nutzbar gemacht worden (1952).

Es handelt'sich um 2 ttunde (Jupp und Bobby), denen in den ersten Lebenstagen eine Paraffin-01misehung in die rechte A. carotis injiziert worden war. Sie iiber- lebten 9 bzw. 12 Monate. Das Versorgungsgebiet der A. cerebri med. war vfllig geschwunden; von dem der A. cerebri ant. blieben allein die oralsten Windungen

* Herrn Prof. Dr. JULIUS HALLERVORDEN ZU seinem 70. Geburtstag gewidmet.

Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde, Bd. 168. 24

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346 H~RMASn BECKER:

des Neocortex und der orale Anteil des Palaeocortex (des Riechhirns) erhalten, vom Posteriorgebiet nur kleine Abschnitte des Archicortex (des Ammonshorns), und zwar ein ventraler bei Jupp, ein dorsaler bei Bobby. In der an Stelle der I-Iemi- sphare liegenden grol3en Blase (fiir Einzelheiten s. die angezogene Arbeit) waren vom Endhirn auch Striatum, Claustrum und Mandelkern, yore Zwisehenhirn Pallidum und orale Teile des Thalamus aufgegangen!

Die nachfolgende Beschreibung stiitzt sich auf Stufenserien in NISSL- und ~-~EIDENI~AIN-WoELKE- bzw. VAN GIEsoN-Pr~paraten. - - Wenn nicht besonders vermerkt, handelt es sich bei den besprochenen Strukturen immer um die der rechten gesch~digten Seite.

Infolge der umfangre ichen Ausf~lle, des fr i ihen Termins der Aus- schal tung und des dadurch bed ing ten schnellen Schwunds al ler durch Isch~mie und durch Degenera t ion zum Unte rgang b e s t i m m t e n S t ruk- tu ren z s ind bei diesen Versuchen besonders giinst~ge Bedingungen ffir das F a s e r s t u d i u m gewonnen worden. Sie e r lauben die Anwendung der d r i t t en der genann ten Methoden und versprechen gerade dadurch eine ana tomische Ausbeute . Hinzu kommt , dab durch die unb lu t ige Methode der GroBhirnausschal tung bindegewebige Na rben und d a m i t modifi- z ierende Einfliisse auf F o r m und En twick lung der verb l iebenen S t ruk- tu ren vSllig umgangen werden. Dieser Vortei l , den alle anderen umfang- re icheren Ausscha l tungsexper imente vermissen lassen, k o m m t zugleich und besonders der Ana lyse des f r f ihinfant i len S t ruk tu rwande l s zugute.

Befunde.

Es werden hier aus den bei diesen Versuchen gewonnenen Ergebnissen al le in diejenigen heraus gegriffen, die sich fase r sys temat i sch und zur Erwe i t e rung unserer Kenntn isse der Agenesie bzw. , ,Pseudoagenesie" be- s t i m m t e r Hi rn te i le auswer ten lassen; sie wurden in der erw/~hnten Ver- 6ffentl ichung fiber die r e t rograde und t ransneurona le Degenera t ion der Neurone nur gestreif t .

Zuerst seien 2 malcroskopische Be/unde im Bereich des Zwischenhirns genannt: Der auf dem Frontalschnitt sonst queroval geformte Thalamus ist, im Zuge des

degenerativen Verlustes seines wesentlichen Kernbestandes, zu einem auf ein Drittel verkleinerten, nunmehr hochoval geformten Gebilde geworden (Abb. 1 a) ; vor allem der Verlust der neothalamischen Anteile der KniehScker und des ebenfalls phylo- genetisch jtingeren Pulvinar hat zu dieser Umformung den AnlaB gegeben.

Mit dieser Ver~tnderung des Thalamus geht Hand in Hand das Wiederau/treten der Fissura telodiencephalica. Diese auf tieferen phylogenetischen Stufen und in der frfihen menschlichen Ontogenese noch vorhandene Furche schwindet durch den Vorgang der ,,Suppression" des Zwischenhirns (SPATZ) zwischen die Endhirn- hemispharen und wird zur ,,telodiencephalen Grenzfl/~che" (SPATz), die sich am Gehirn nicht mehr markiert; eine r~umliche Trennung yore Endhirn liegt bekannt- lieh schon vor dem Geburtstermin erst vom Mittelhirn an abwarts vor. Wghrend die li., unversehrte Seite meiner Pr/~parate diese Verh/~ltnisse in der normalen Weise wiedergibt, ist das Zwischenhirn re. noch ziemlich welt oral durch die Fissura telodiencephaliea yon der ]-Iemisph/~renblase abgetrennt, so auf Abb. 1 a, die einen Schnitt durch die Ebene des C. mamillare darstellt.

z Uber die Bedeutung des Zeitmoments fiir die Degeneration siehe bei I-I. BEeKER, 1952.

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Zur Faseranatomie des S tamm- und Rieckhirns. 347

Auf die Projektionssysteme soll hier nicht weiter eingegangen werden. Nur 2 Punk t e seien erw/ihnt, die zugleieh zu den histologisehen Befunden fiberleiten: Die im Bereieh des GroBhirnmarklagers direkt zerstSrte Pyramidenbahn ist in ihrem weiteren Ver lauf vSllig degeneriert , d . h . markfaserfrei . I m m e r h i n li~llt sie

Ggl.habenulae mit Tract. retroflexus

Ggl. laterale

geniculat.

Fiss. telo- dienceph. zw. Tract. reti- notect. u. Blasenwand

Markflecke

Ausschnitt Abb. lb

re. C. man~illare

Decussat. tegmenti ventralis

Decussat. supra-

snmmillari

Tract, tegmenti centralis in einem Mark- fleck

Abb. la und b. Hund Bobby. HEIDENHAIN-WO~ZKE. Frontaischnitt durch das Zwischenhirnin einer Ebene, die zugleich das Ggl. habenulae und das C. mamillare trifft, la 4fach. Der rechte Thalamus ist zu einem querovalen Gebilde verformt, in dem sich neben einigen Markflecken nur vereinzelt ge- richtete Markfasern abgrenzen lassen. Mit Ausnahme des Ggl. habenulae sind alle Kernstrukturen verwischt. Auch das rechte C. mamillare fehlt. Bemerkenswert das Wiederauftreten der Fissura telo- diencephalica rechts, die aul3en vonder Blasenwand, innen yore Tractus retinotectalis begrenzt wird. lb. Ausschnitt aus Abb. la. 30fach. Innerhalb eines Markflecks finden sich quergetroflenc Fasern,

die dem diencephalen Anteil des Tractus tegmenti centralis zuzurechnen sind.

an einigen Stellen ihre ehemalige Lage in Gestal t eines, yon leicht gewucherger Glia durchsetzt~n hellen Feldes noch e ikennen (Abb. 2a). Es gibt aber auch Stellen, an denen sie so vSllig geschwunden ist, da$ m a n meinen mSchte, sie sei niemals dagewesen: I m caudalen Mitgelhirn an der Grenze zum Rau tenh i rn w61bg sich die Trapezfaserung frei an die Oberfl/~che, gerade so, als w/ire die Pyramide vom Pr~para t , ,abgefallen" (Abb. 2b).

24 ~

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la t . u. reed.

Schleife

caud. An-

s c h n i t t d. Bri ik-

ken- ful3grau

li. Py ra - miden- fasern

348 ~-~ E R M A N N B E C K E R :

Hin t . IV. v e n t r i k d n a h e s , m a r k a r m e s Lgngsbfindel Ventr . vege t a t i ve s Gebiet

. *o

lelnnisci lat .

Fel(1 d. ehem. re. Py ra - miden- l'aSerll

Bri ik . k e n a r n t

Nucl. ler- ntillal l)rinei- pa l . t r i - gemin i

~'erv. tr ige- lltillU8

Oliva Sill).

T r a p e z o f a s e r u n g

I v li. Py ramide m.ed. Sehleife

Abb. 2 a und b. H u n d Bobby. HEIDNNHAII~'-WOI~LKIg. 10faeh. F r o n t a h b s e h n i t t dureh das orale Rau tenh i rn . 2a . Sehn i t t in der l~bene des eaudalen Brf iekenfuggrau. Die Py ramiden fa se rn fehlen reehts , ihr Feld is t aber noeh zu erkennen. /gieht s ieher zu b e s t i m m e n s ind die mediale und laterale

Sehleife. 2 b. Sehn i t t e twas eauda | yon 2 a in H6he der oberen Olive. Dort , wo die reehte P y r a m i d e liegen sollte, wSlben sieh die Trapezfasern frei an die ventra le Oberllgehe; ein Pyramidenfe ld fehl t je tz t

vSllig. Das Feld der medialen Schleife i s t s t a rk gelichtet,

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Zur F a s e r a n a t o m i e des S t a m m - u n d Riechhi rns . 3 4 9

Von der G e s a m t f a s e r u n g des re. T r a c t u s op t icus is t n u r e in s chma le r Fa se r zug u n v e r s e h r t : Tractus retinotectalis. E r z ieht m i t za r t en , hell gef/~rbten F a s e r n aul len u m den R e s t t h a l a m u s h e r u m , u m sich fiber da s B r a c h i u m colliculi oral is in die mi t t l e re u n d t iefe Mark lame l l e des ora len Zweihfigels zu begeben (Abb. l a , 6b) . Dieser Fa se r zug i s t b e k a n n t (wenn a u c h n ich t so b e n a n n t ) ; er h e b t sich yon d e m a n M a r k f a s e r n seh r v e r a r m t e n T h a l a m u s ungewShnl ich deut l ich ab.

oraler Balkenrest

Fornix long. mit Fasern, die aus d. li. Septum nach 1i. u, re, in d. Balken ein- strahlen

HShle

Septum

Pars ant° d, vord. Komu~issur

Area olfactoria

Abb. 3." Hund Bobby. HEIDENHAIN-WOELKE. 7fach. Frontalscbnitt etwas vor der Ebene der vorderen Kommissur. Von der rechten tIemisph~ire ist nut ein /~indenrest an der Mantelkante erhalten (ent- sprechend ist der Balken sehr verdiinnt), ein ventraler Rest der Area olfactoria und eine sehmale, fast vSllig laser- (und zell-)freie Septumzone neben der Mittellinie. Aus dem linken Septum ziehen zarte Fasern, dem Fornix longus zugehSrig, in den Balken hinein, wo sic sicb unCer partieller Oberkrel zung

der Mittellinie als Fibrae perforantes verlieren.

V o m Endhirn sollen zue r s t die besonde ren Verh~l tn i sse an den Kommissuren- systemen, besonder s a m Balken besp rochen werden , der yon d e m Eingr i f f sowohl d i rek t , als a u c h degene ra t i v betroffen wurde . E r is t eben so wel t e rha l t en , wie a u f d e r gesch~d ig ten re. Seite noch R i n d e v o r h a n d e n ist. Wie schon:erwi~hnt, ende t sie bei I-[und J u p p h i n t e r den o ra l s t en W i n d u n g e n des Neopa l l i um; in der f ron ta len Schn i t t ebene der vo rde ren K o m m i s s u r is t sie berei ts (mi t A u s n a h m e eines k le inen R e s t e s basa l e r Riechr inde) vSllig ge schwunden . Bei Hun(I B o b b y dagegen re icht die R i n d e de r M a n t e l k a n t e wei ter caudalw/~rts (zuletzt a l lerdings , wie Abb. 19 der vor igen Arbe i t zeigt , n i ch t m e h r ven t r a l , s onde rn n u r noch oral durch eine Briicke m i t d e m t ibr igen t t e m i s p h ~ r e n r e s t ve rbunden) . D a h e r k o m m t es, d a b bei H u n d B o b b y de r B a l k e n n u r seines Sp len ium, bei H u n d J u p p aber zus~tzl ich noch des

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350 HERMANN BECKER:

grSBten Teiles seines Corpus beraubt ist. Aber auch dort, wo Balkenfasern noch vorhanden sind (bei Hund Jupp nur im Abschnitt des Knies), finden sich schon erhebliche Abweichungen yon der Norm. Schon ganz oral f~llt die geringe Dicke des Balkens und die Auflockerung der verbliebenen Fasern auf, so daB das Balken- feld heller tingiert ist, als gewShnlich und zum Tell sogar heller, als das auf der li. unversehrten Seite oral ebenfalls noch erhaltene und schon normalerweise licbtere Stratum subcallosum. Die Reduktion der Fasern entspricht der des Neopallium auf der re. Seite, ist also betr~chtlich.

Ein Befund verdient besonders erwahnt zu werden: Im ganzen Verlauf des Balkens sind, zumal bei Hund Bobby, fiberraschend deutlich Fasern erkennbar, die den Balken mit ventralen Himteilen verbinden. Im Bereich des Septum, das bei WINKLER-POTTER iibrigens nicht benannt wird, ist der Faseraustausch mit seiner Riechfaserung besonders gut erkennbar (Abb. 3). Es sei hier schon darauf aufmerk- sam gemacht, dab dabei Fasern yon li. nach re. herfiberwechseln, auf deren Be- deutung ich noch zu sprechen komme. Es dfirfte sich hier um den Tell des Fornix longus handeln, der die Verbindung zwischen den sekundaren (also vor allem Septumgrau) und den tertii~ren Riechzonen (Ammonshorn) herstellt. Seine Fort- setzung in Gestalt der Fibrae perforantes ist im Balken nicht mehr welter verfolgbar. Auf der re. Seite, die eine septale Faserung nur in sp~rlichster Andeutung im ventralen Abschnitt aufweist, werden diese Fasern erst dicht unterhalb des Balkens yon li. herfiberkreuzend deutlich. Auch welter caudal ist ein Faseraustausch, dies- mal aber mit dem Fornix im eigentlichen Sinne, gut erkennbar, und zwar besonders deutlich durch die Elongation dieses Abschnittes (Abb. 5b); fiber eine Faser- kreuzung l~tBt sich hier allerdings nichts Sicheres aussagen. Die Fibrae perforantes treten aber jetzt durch die Umformung dieses Abschnittes besser zutage, als man sie sonst zu sehen gewohnt ist.

Etwas sehr Bemerkenswertes vollzieht sich dort, wo der verkfimmerte Balken sein caudales Ende erreicht, also bei Hund Jupp noch vor dem Chiasma, bei Hund Bobby in einer etwa dem GgI. habenulae entsprechenden Frontalebene. Die Balken- fasern lichten sich zunehmend und erfahren gleichzeitig eine erhebliche Ausbuch- tung nach ventral (Abb. 1 a). Dann h5rt die Querverbindung aufi Gleich dahinter steht auf der unversehrten li. Seite noch eine schmale, mehr vertikale Marklamelle, die zwischen dem Gyrus fornicatus und dem Ammonshorn (bei Hund Bobby) bzw. der Columna fornicis horizontalis (bei Hund Jupp, Abb. 14 der vorigen Arbeit) ausgespannt ist. Es handelt sich offenbar um Auslaufer des Fornix longus (Striae LANCISI), und in einer tieferen Schicht um Fasern, die einem L~ngsfasersystem des Balkens angehSren; sie liegen hier noch zerstreut. Zwischen den stark reduzierten Fasern ist die Glia m~Big vermehrt. Einige Schnitte welter caudal hat sich das Bild abermals ge~ndert: Dem beschriebenen, vertikal umgebogenen ehemaligenBalken- feld liegt nunmehr eine dfinne Schicht yon Nervenzellen auf, die ihren morpholo- gischen Eigentfimlichkeiten nach bereits zur Ammonshornformation zu rechnen sind. Sie gewinnen dorsal AnschluB an die zweite und dritte Rindenschicht des Gyr. fornicatus, biegen nach medial und ventral um das ehemalige Balkenfeld und, soweit sie noch nach hinten reicht, um die Columna fornicis horizontalis herum und mfinden in den Gyrus hippocampi ein (Abb. 4a). Es handelt sich dabei um eine Formation, die dem Induseum griseum bzw. der Taenia tecta im Sinne yon M. ROSE entsprechen dfirfte; bei WINKLER-POTTER wird sie hinter dem Balkensplenium als Area 33 bezeichnet. Das Induseum griseum liegt dem Balken normalerweise horizontal aus- gebreitet als scbmales, beiderseits der Mittellinie etwas gewulstetes Band auf. Info]ge der Umformung zeigt sich jetzt an der Medianseite der erhaltenen ttemi- sphere keinerlei Defekt und kein Residuum, das auf das Abschmelzen des ehemaligen Balkens hinwiese. Das Grau dieser Rindenformation ist durch eine normale Deck- schicht gegen den Subarachnoidealraum abgeschlossen. Das Feld des Balkens ist auf der erhaltenen Seite, medial zwischen Gyrus fornicatus und Ammonshorn, vSllig faserfrei bis auf eine Anzahl quergetroffener lockerer Bfindel bei Hund Bobby und ein schmales quergetroffenes Faserfeld bei Hund Jupp (Abb. 4b). Es handelt sich um das gleiehe Langsfasersystem, yon dem eben die Rede war. Es hat sich bei t tund Jupp infolge der grSBeren L~ngsausdehnung des zerstSrten Balkenanteils zu einem geschlossenen System samme]n kSnnen. Es hebt sich yon dem hellen, wenn

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Zur Faseranatomie des Stamm- und Rieehhirns. 351

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352 HERMANN BECKER:

auch schmalen Degenerationsfeld des Balkens und yon dem darunter liegenden Fornixrest deutlich ab. Auf die Bedeutung dieses Balkenl~ngsbtindels komme ich noch zurfick. Ers t weiter lateral, wo aus dem Markraum unter der Kuppe des li. Gyrus fornicatus Markfasern basalwarts streben, fiillt sich auch der auf dem I-IEIDE~HAI~-Bild helle Streifen des ehemaligen Balkens allm~hlich wieder mit Fasern und verl iert sich bei gleichzeitigem Schwun4 der gliSsen Zellwucherung im Marklager. Das helle, schmale und markfaserfreie B la t t des ehemaligen li. Splenium- anteils lal~t sich auf eaudaleren Schnit tebenen noch weir nach hinten verfolgen, t r i t t dabei aber immer mehr yon der Mittellinie zurfick. Durch den Balkenverlust kommt der Plexus des dr i t ten Ventrikels, nur yon seiner Tela bedeckt, frei zwischen beide I-Iemisph~ren zu liegen.

Die vordere Kommissur ist in ihrer Pars ant. leidlieh gut erhalten, dureh die Umformung der re. I-Iemisph~re zu einer Blase aber s tark verschoben. Auf oraleren Schni t ten durch das Riechhirn bekommt man sie nur re. (Abb. 3), auf caudaleren nur li. zu Gesicht (Abb. 5a). Die dem Neopallium zugeordnete Pars post. fehlt nahezu vSllig, nur einige, die oralsten Windungen des Neopallium verbindende Fasern stehen noch 1.

Die hintere Kommissur (Abb. 7a), die Commissura habenularum und die Kom- missur der oralen (Abb. 7a) und caudalen Zweihi~gel lassen eine wesentliche Faser- einbuBe nicht erkennen.

Die Commlssura /ornicis post. d. i. hippocampi ( Psalterium) ist in Entsprechung zu der Redukt ion des re. Ammonshorns hochgradig zurfickgebildet. Da dieses bei ]~und Bobby nur noch als kleiner doisaler Rest besteht , beschrankt sich der Psal ter hier auf einige wenige kurze Querfasern (Abb. l a u. 6b). Die Fimbria fornicis, ihres Ammonshorns beraubt , stellt als markfaserfreier Gliasaum einen TeiI der Blasenwand dar, dort, wo diese mi t der Medialwand des Seitenventrikels gegen die Fissura telodiencephalica identisch ist. Bei t Iund Jupp ist das Ammonshorn ausgedehnter, es behMt, wenn auch s tark geschrumpft und verander t , seine dem ehemaligen Unte rhorn folgende Ausdehnung teilweise bei. Entsprechend n immt auch der Psal ter in der I-Iirnachse eine langere Strecke ein, wenn er auch in seiner Faserzahl hochgradig rarefiziert ist ; die Fimbria ist im Gegensatz zu I-Iund Bobby aber markfaserhaltig. - - Uber die Commissura media s. u.

Auch das sog. Riechsystem 2 ist ein Opfer sowohl der Einschmelzung, als auch degenerativer Ver~nderungen geworden. Der re. Tractus olfactorius zeigt oral noch keine wesentliche Differenz, entsprechend dem Erhal tensein des oralen Riechhirns. Gegen die Ebene des Caudatumkopfes zu verdfinnt er sich aber rapide, um in HShe des Septum-Anschni t tes in dem I-Iemisphi~rendefekt aufzugehen. Die weiteren Ver- bindungen des Riechapparates sind hochgradig zerstSrt, was zum Teil schon an der Vernichtung der sekundaren Riechzonen gelegen ist: Der Lobus olfactorius und der Nucl. olfactorius ant. sind re. zwar im wesentlichen noch erhal ten (entsprechend auch ihre Kommissur, n~mlich der vordere Teil der Commissura ant .) ; durch die HShle grSBtenteils zerstSrt ist, aber schon das Tuberculum olfactorium (-- Area olfactoria, beim Menschen zur Lamina perforata ant. zurfickgebildet), die pr~op- tische Region yon RIoc~ u .a . (besser Prothalamus nach B R o c x ~ v s ) und das Grau des Septalgebietes 3, besonders in caudalen Anteilen; vSllig zerstSrt ist (bis

Eine ausgezeichn ere ~bers ich t fiber die Faserbeziehungen der vorderen Kom- missur ist 1948 yon BRODAL vorgelegt worden.

Ich hal te mich im folgenden noch tiberwiegend an die Bezeichnungsweisen, die yon EDINGER und anderen Autoren seiner Zeit eingefiihrt worden sind. In den letzten 10--15 Jah ren ha t nicht nur die Nomenkla tur teilweise geweehselt - - ich habe das verschiedentl ich berticksichtigt - - , sondern es sind auch einige der bisher als gesichert angesehenen Faserverbindungen, besonders zwischen den sekund~ren und den ter t iaren Riechzonen, angezweifelt worden (s. hierzu die (~bersicht yon ]~RODAL). Noeh aber sind die Akten hierfiber nicht geschlossen. Ich werde un ten auf einige Punkte noch eingehen.

;Nicht identisch mi t dem Septum pellucidum des Menschen; dieses ist zellarm und postcommissural gelegen, jenes, hier interessierende, aber ist zellreich und er- s t reckt sich, pr~commissural, yon der vorderen Kommissur bls zum Tuberculum olfactorium (s. auch BRODAL).

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Zur Faso rang tomi~ d~s Stature- u n d Riechhi rns .

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354 HERMANN BECKER:

auf einen ganz kleinen medio-oralen zellfreien Rest) der Lobus piriformis mit der Area praepiriformis und entorhinalis, sowie der Mandelkern (vergl. Abb. 3, 5a u. b). Es ergibt sich allein daraus ein hochgradiger Ausfall an Projektions- und Asso- ziationsfasern des Riechapparates, soweit sie nicht selbst sehon direkt der Zer- st6rung zum Opfer gefallen sind.

Von der Verbindung der sekund/~ren mit den terti/iren ,,Riechzoen" ist folgendes zu sagen: Der Tract. olfacto-ammonicus ( ~ Striae olfatoriae reed.) yon der sekun- d/~ren Riechzone, besonders der Septalregion, fiber den l~ornix longus, den Fornix und die Fasern der Taenia tecta zum Ammonshorn, ist auf der re. Seite im Septum praktisch ausgel6scht. Im Fornix longus, dem Hauptteil des ZVCXERKA~D~chen Biindels (O. VOGT), finder aber eine Faserkreuzung yon li. her statt , deren Forts/~tze als Fibrae perforantes re. der Mittellinie in den Balken einstrahlen; die Zahl der li. bleibenden Fasern ist nicht wesentlich grS~er. Es wurde im Zusammenhang mit dem Balken hierauf schon hingewiesen. Demgegenfiber treten die fibrigen Fasern des ZVCKERKA~DLschen Bfindels zurfick. Im Fornix sind gegenl/~ufige, archicorti- copetale Zfige praktisch auszuschlieBen, da er bis auf vereinzelte F/~serchen, die dem Tractus eortico-habenularis zuzuordnen sind (s. unten), zerstSrt worden ist. In der Taenia tecta (Induseum griseum) sind die Striae longitudinales auf der re. Seite bei t tund Bobby auBerordentlich sp/irlich, aber immerhin noch vorhanden (vgl. das oben fiber die Areae 33 Gesagte). Li. sind die Striae longitudinales bei beiden Tieren deutlich, aueh dort, we das Induseum griseum, wie oben beschrieben, mehr vertikal fiber das faserfreie Balkenfeld ausgebreitet ist. Die Striae olfactoriao fat. zum Lobus piriformis ~ und zum Mandelkern sind re. direkt unterbroehen. Die Ver- bindung yon der oralen Riechrinde zum re. Ammonshornrest ist also eigentlich nur eine gekreuzte.

Ganz anders verh/~lt es sich mit dem Tract. septo- bzw. olfacto-habenularis. Er ist nicht nur, wie der vorige, weitgehend seines Ursprunges beraubt, sondern auch direkt zerst6rt und zwar dort, we sich die Fasern zur Stria medullaris sammeln sollten (caudal der vorderen Kommissur). Damit ist natfirlich auch der umgekehrte Leitungsweg, n/~mlich der Tract. habenuloseptalis und der Faserzug zu den iibrigen sekund/~ren Riechfeldern unterbrochen. Das Gleiche gilt fibrigens ffir die Stria terminalis, wobei zus/~tzlich auch noch der Ursprung ihrer Fasern, der Mandelkern, zerst6rt ist, sowie ffir ihren Nucl. proprius und seine Verbindungen zur Stria ter- minalis.

tJber den Fornix ist folgendes zu sagen: Ich erw/~hnte im Zusammenhang mit dem Balken schon die Persistenz derCommissura hippocampi. Das stark geschrumpfte re. Ammonshorn (bei t Iund Bobby ist es bis auf dorsale Reste zerst6rt (s. unten) ; steht also mit dem Ammonshorn der Gegenseite (daneben, wie schon erw/~hnt, mit der Riechrinde der Gegenseite) in Verbindung. Damit sind seine Verbindungen aber nahezu ersch6pft. Veto F~)rnix als Projektionssystem des Ammonshorns zu Epithalamus und Mamillare ist praktisch nichts mehr erhalten. Er verdfinnt sich oral vom Psalterium zu einem dfinnen gli6sen Blatt , in dem nur unmittelbar neben der Mittellinie ganz vereinzelt ein paar sehr zarte Markfasern verlaufen, die noch dem re. Fornix zugerechnet werden k6nnen. Verfolgt man diesen ehemaligen Fornix nach oral, so bemerkt man in der Commissura fornicis ant. einen gewissen, wenn auch nicht sehr umfangreichen, Faserzuwachs yon der anderen Seite her (Abb. 5a). Ventral davon formiert sich nunmehr ein deutliches 1/~nglich-rundes Faserbfindel, das anfangs in der Richtung des ehemaligen re. Crus fornicis descendens und etwa in der gleiehen H6he mit dem erhaltenen tier Gegenseite nach caudal zurfickl/~uft (Abb. 5b). Dann aber biegt dieser Trakt, w/~hrend sich der Fornix der li. Seite weiter ventralw/~rts begibt, leicht nach dorsal um und verl/~uft als distinkt abgehobenes Biindel in der sonst v611ig markfaser- und zellfreien Wand zwischen ttemisph/~ren- h6hle und dritten Ventrikel weiter dorso-caudalwarts (Abb. 6a), um schliel]lieh Verbindung mit dem Ggl. habenulae aufzunehmen (Abb. 6b). Zweifellos handelt es sieh hier um die Stria medullaris (Taenia thalami), die in diesem Fall ausschlieB- lich aus dem Tract. cortlco-habenularis reed. besteht, um zwar fiberwiegend der Ge-

l Damit ist also auch der ~aupt te i l der Riechfaserung zum Ammonshorn (fiber die Entorhinalrinde) und der Tract. cortico-habenularis lat. zerst6rt.

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Zur F a s e r a n a t o m i e des S t a m m - u n d Riechhi rns .

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3 5 6 HERMANN BECKER :

gensei te . DaB der Trac t . septo- bzw. o l fac to -habenu la r i s a n der B i l dung der re. St r ia medu l l a r i s n i ch t be te i l ig t is t , g e h t d a r a u s hervor , dab die re. Septa l region oral schon seh r f a s e r a r m is t (Abb. 3), u n d vor a l l em da raus , dab wel ter cauda l , we s ich die F a s e r n zu r St r ia medu l l a r i s s a m m e l n (in e iner Ebene zwischen Abb. 5b u n d 6a), ga r ke in P a r e n c h y m m e h r bes t eh t , sonde rn n u r noch die gliSse B l a s e n w a n d . Die F a s e r k r e u z u n g in de r C o m m i s s u r a fornicis an t . k a n n keine L e i t u n g s e l e m e n t e m i t a n d e r e m Ziel a ls z u m re. E p i t h a l a m u s en t ha l t en . D e n n ein Crus fornicis descendens

Comnlissara co|liculi oralis

Commissura post.

~bergang zw. ]II, Ventrike 1 u. -~qu~tdukt

.Ne t,v. oculonlotorius

Einstrahlung d. Tract. retino- tectalis in d. oralen Zweihiigel

~tuBere Blasen- wand

Tract. tegmenti eentralis

Rest d. reed. KniehSckcrs

Brach. colliculi caudalis

Ausschnitt Abb. 8 b

1test d. lat. Schleife Nucl. ruber

Fasc. rubro- tectalis ventr.

Pedunculus Tract. Tract. Pedun- Feld d. ehem. Pedunculus c. mamill, retroflexus rubro- culus c. cerebri, faserfrei

spinalis mamill.

Abb. 7 und 8. Hund Bobby. ]TIEIDENHAIN-WOEZKE. Abb. 7. 10fach. Frontalschnitt durch das oralc Mittelhirn in ttShe dcr hinteren Kommissur. Der ehemalige Pedunculus cerebri ist vSnig faserfrei. Dorsal der verklclnerte und verzogene orale Zwei- hiigcl mit der Einstrahlung des Tract. retino-tectalis. Die zentrale Haubenbahn ist dorsal geriickt und nut noch schlecht abgrenzbar. Einige Fasern aus der Decussatio tegmenti ventralis biegen nach-

dorsolateral um die Ruberkapsel herum gegen das Tectum: Fasciculus rubro-tectalis ventralis.

ex i s t i e r t n ieh t meh r , es is t ebenso wie der gr6Bte Tell seines E n d k e r n e s , n~ml ieh des C. mami l l a r e , in der H6hle a u f g e g a n g e n ; u n d eine u m g e k e h r t e L e i t u n g s r i c h t u n g der so sp~trlichen F a s e r n i m re. F o r n i x {also v o m re. A m m o n s h o r n z u m li. A m m o n s h o r n . Mami l la re oder E p i t h a l a m u s ) is t ebenfal ls n i ch t m6gl ich , weft c[ann de r zwischen se inen beiden C o m m i s s u r e n ve r l au fende F ase r r e s t s t a rke r ka l ibr ie r t se in miiBte als die St r ia medu l l a r i s ; das u m g e k e h r t e i s t aber der Fal l . (Dieso Verh~l tn isse s ind bei H u n d J u p p u n d B o b b y in d e n g roben Ziigen gleich, l assen sich bei d e m ers te ren aber besser analys ieren . )

Das Ggl. habenulae i s t e rha l t en , h a t abe r n i ch t m e h r se inen urspr i ing l iehen Zell- geha l t : Vor a l lem der L a t e r a l k e r n i s t deu t l i ch rarefizier t (Abb. l a , 6b), weniger de r Medialkern . Die den Trac t . re t rof lexus (habenulo-peduncu la r i s ) b i ldende Mark- kapse l is t demzufo lge besonders l a t e ra l e rhebl ich ge l ich te t (Abb. l a , 6b). Die Com- m i s s u r a h a b e n u l a r u m , die vor a l len die be iden Media lkerne ve rb inde t , e n t s p r i c h t noeh ungefi~hr der N o r m .

Page 13: Zur Faseranatomie des Stamm- und Riechhirns auf Grund von Experimenten an jugendlichen Tieren

Zur Faseranatomie des St~mm- und Riechhirns. 357

~u(,]. tuber

Fasc. rubrotectalis ventr.

Abb. 8a. Ausschnitt aus einem etwas welter oral gelegenen Schnitt. 30lath. Die Abbildung zeigt die rubro-tectalen Fasern zusammen mit den rubro-spinalen nach ihrem tibertritt iiber die Mittellinie.

Abb. 8b. Ausschnitt aus Abb. 7. 30fach.

Der MamiUark6rper, der als Knotenpunkt eine entseheidende Rolle im sog. Rieehsystem spielt, ist seiner wesentlichen afferenten und efferenten Verbindungen beraubt: Die Hauptzuleitung fiber den Fornix ist zerst6rt, ebenso die Weiterleitung fiber den vorderen Thalamuskern zum Gyrus einguli. Die (bei Carnivoren schon nicht mehr so bedeutende) Afferenz iiber das basale Riechbfindel yon ~¥ALr~N~ERO,

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358 ~-~ERMAN~ BECKER:

paralat . Zell-

gruppe

Fasciculi pyrami-

dales ventrale

Zeilgr. paranmd.

Zell- grupp~

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8

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Brilckenfu6grau Stra t . superficiale

Abb. 9 a lind b. Fron~atschnttt durcb das orale l~horabencephalon in einer mittieren Brtickenebeno. Abb. 9a . H a n d Bobby. :~IssI,. 1Ofach. Links sind die Pyram.idenbiindel yon den dicht gefiigten BriiekenfuBzellen umgeben, reehts sind nu t noch l~este der paramedianen and paralateralen Grnppe vorhanden* dis ehemalige ventrale Gruppe and das Feld der degenerlerten P)wamidenbiindel sind zu einer sehmalen Zone zusammengeritckt, die yon einigen transversalen Gliakernzfigen im Verlauf der degenerterten Transversalfasern dnrchzogen wi l l . Der NucL retieularis tegmenti ventralis i s t seitengleich, durch die Versehiebung des rechten Tegmentum uach ventral sind die Zellen des rechten

Kerns abet allselnandergezogen und lockerer gefiigt. Abb. 9b. ]~und gupp. VAN GIBSON. 8fach. Der rechte Briickenfu6 ist s tark verschmlilert, die Pyra- midenfasern fehlen. Die Transversalfasern t reten reehts deutlicher iu Erscheinung, als links, was aUein auf ihrer diehteren Lage b e r e t . ])er linke Briiekenaxm erscheint etwas breit~r, als der reehte, dafiir liegen die Fasern etwas lockerer. Die Faserzabl diirfte beiderseits die gleiche sein. Die laterate $chleife ist. rechts sebmaler, als links, die mediale Schleife dagegen kaum auszumachen. Bindearm

links deutlich schw~cber.

Page 15: Zur Faseranatomie des Stamm- und Riechhirns auf Grund von Experimenten an jugendlichen Tieren

Zur Faseranatomie des St'amm- und Riechhiras. 359

einen Tell des ,,medial forebrain bundle", ist ebenfalls durch den Einschmelzungs- herd zerstSrt. Dazu kommt die teilweise Vernichtung des Mamillare selbst (Abb. la, 6b) ; nur ein kleiner Zellrest, der Nucl. intercalatus yon LE GROS CLARK, hat sich unversehrt erhalten; er bezieht seine Afferenzen aus der Decussatio C. Mamillaris und fiber den Pedunculus C. Mamillaris aus der medialen Schleife (WALLnNBEaG), seine Axone dfirften im efferenten Anteil des letzteren verlaufen (VAN VALKENBURG).

Auch aus den Zwischenhirn.Befunden will ich nur 2 herausgreifen. Der eine betrifft sehr zarte Kommissuren-Fasern in der Massa intermedia, die den Rest* Thalamus der re. mit dem unversehrten der li. Seite verbinden; sie treten in der Massa intermedia fiber die Mittellinie (Abb. 6b). Sie kSnnen kaum mehr Verbindung mit den Kernen der Mittellinie haben, soweit diese in der Massa intermedia selbst oder in ihrer n/~chsten Nachbarschaft liegen (also vor allem Nucl. centralis reed. und reuniens), da sie weitgehend degeneriert sind. Ich habe ~erkunf t und Ziel der Fasern nicht genau bestimmen kSnnen, im degenerierten Thalamus begeben sieh die Fasern aber nach lateral.

Im Bereich des I-Iypothalamus f/illt ein Faserzug besonders auf, der sich, auf Frontalschnitten quergetroffen, zuerst in der Ebene des caudalen Mamillare nahe der Mittellinie und ventromedial vom ehemaligen Feld der medialen Schleife lose zu formieren beginnt (Abb. lb). Er nimmt caudalw/~rts rasch an Umfang und Dichte zu, um in HShe des oralen Ruberanschnittes etwas welter dorsalw/~rts zu riicken; bier hebt er sich yon den dichteren ]Vfarkfasern nicht mehr so gut ab (Abb. 7). Es handelt sich offenbar um einen dicncephalen Anteil des Tract. tegmenti centralis, dessen relative M~chtigkeit etwas fiberrascht.

Im Mittelhirn sei die Aufmerksamkeit auf Faserverbindungen des Nncl. Ruber und der Substantia nigra gerichtet. Neben den bekannten rubrofugalen Verbin. dungen zum Tectum f/~llt an den Pr/~paraten ein bisher nicht beschriebener ge: kreuzter Faserzug auf, der aus dem li. Ruber iiber die FORELsche ventrale Hauben- kreuzun9 in den li. Ful3 fibertritt. Er trennt sich vom Tract. rubrospinalis, zieht dicht fiber dem leeren Pedunculusfeld zuerst lateralw/irts und wendet sich dann um dem rechten Ruber herum nach dorsal (Abb. 7, 8), um schlieBlich offenbar An- schlufl an die tie/en Schichteu des oralen Zweihi~gels, evtl. auch an die hintere Kom- missur zu gewinnen.

Von der Subst. nigra ist nur ein lateraler Kernrest mit unversehrten Zellen der Degeneration entgangen (s. Abb. 9, H. BECKER, 1952). Er scheint einmal mit zarten Fasern Verbindung mit dem erhaltenen Tell des Nucl. entopeduncularis auf- zunehmen, zum anderen ist er ganz offenbar fiber Fasern des Tract. nigro-tectalis lat. mit den tiefen Schichten des oralen Zweihfigels verbunden.

Im Rautenhirn beschr~nke ich mich auf die Beschreibung des Bri~clcen/uBgrau. Briickenarmsystems (Abb. 9a u. b). Der ventrale 1 BrfickenfuBkern ist (transneuronal) nahezu vSllig geschwunden; weitgehend degeneriert ist die paramediane Kerngruppe (mit Ausnahme eines dorsalen Kernrests), yon der paralateralen Kerngruppe ist nur in caudalen Schnittebenen ein lateraler Zellrest yon der Degeneration verschont worden. Ziemlich unversehrt ist allein der (unpaare)Mediankern, und unversehrt ist schlieBlich auch der Nucl. retieularis tegmenti ventralis. Bemerkenswerterweise sind trotz dieser schweren Ausfalle im Brfickenful]grau die Brfickenarme kaum beeintriichtigt ; bei tIund Jupp sind sie v611ig seitengleich (Abb. 9b), bei Hund Bobby hat der li. allerhSchstens ein Sechstel an Volumen und Faserzahl eingebfi6t.

1. Zur Faseranatomie des S tamm. und Riechhirns.

1. D ie F a s e r v e r b i n d u n g y o n de r R e t i n a z u m ora len Zweih i ige l i s t

z w a r b e k a n n t (GUDDEN h a t t e sieh schon e i n g e h e n d m i t ih r besch~f t ig t ) ,

s ie b l e ib t g e m e i n h i n a b e r in den b e n a c h b a r t e n F a s e r m a s s e n v e r b o r g e n

u n d h e b t sich n u r im MARCKi-S tad ium so d i s t i n k t ab wie in m e i n e n

Pr i~paraten. E s h a n d e l t sich u m eine i ibe rwiegend k r e u z e n d e V e r b i n d u n g

m i t s t r enge r r e t i n o t o p e r P r o j e k t i o n (APTER), die bei d e n S u b m a m m a l i e r n

Die Terminologie entspricht der yon BESTS. bzw. yon BOROWIECKI.

Page 16: Zur Faseranatomie des Stamm- und Riechhirns auf Grund von Experimenten an jugendlichen Tieren

360 HEI~YIAN'N BECKER :

noch die einzige, bei Marsupialiern und selbst Rodentiern aber immer noch den wesentlichen Teil der Sehbahn darstellt, entsprechend der iiber- ragenden Bedeutung der oralen Zweihiigel fiir den Sehakt auf den niederen und mittleren phylogenetischen Stufen. Beim Menschen sind diese Fasern stark reduziert, aber zweifellos noch vorhanden; sie haben hier wahr- scheinlich mit der ,,Motorezeption", den Einstellreflexen etwas zu tun, mittels derer das Sehobjekt auf derMacula zur Projektion gebracht wird (yon APTER neurophysiologisch an der Katze nachgewiesen). Aueh die Autoren, die sich a.natomisch bzw. esperimentell intensiv mit dieser Ver- bindung beschaftigt haben (z. B. BARRIS, I~GRAM U. I%A~SON u.a.) , sprechen hie von einem Trakt, sondern stets nu r von Fasern; so benennt sie BRODAL als retino-eolliculgre Fasern oder er spricht von einer retino- collicul~ren Projektion. In Anbetracht der noch bei den Carnivoren ge- schlossenen Lage der Fasern scheint es mir aber richtig, dieser Faserung einen eigenen Namen zu geben und schlage vor, sie als Tractus retino- tectalis zu bezeichnen. (Ngheres darfiber siehe auch bei H. BECKER, 1952, Kapitel V und VII.)

2. Die Massa intermedia ist unterhalb des Menschen ein konstantes Gebilde, das stets einige Kerne (vor allem den Nucl. centralis med. und den Nucl. reuniens), aber nut sehr wechselnd Kommissurenfasern ent- hi~lt. EDI:NGER bezeichnet die letzteren bei kleinen Si~ugern (Ratte, Maus) als stark entwickelt. GURDJIAN beschreibt an der l~atte Kommissuren- fasern, die die vorderen, medialen, ventralen und lateralen Thalamus- kerne miteinander verbinden; fiir die Lateralkerne ist dies an der gleichen Tierart yon KRIEG und fiir die Medialkerne yon LE GRos-CLARK bei Insektivoren best~tigt worden. Bei den hSheren Tierarten sind ein- schlKgige Angaben sehr sp/~rlich. Im allgemeinen ist nur yon Fasern die Rede, die yon den genannten Kernen zu anderen Kerngruppen des Thalamus, zum Hypothalmaus und zum Vierhiigelgebiet ziehen (EDI~- GER~ LE GRos-CLARK U. BOGGON U. a.), und auch RIocE spricht beim Hund nur allgemein von Kommissurenfasern. Bei Pr imaten (Macaeus) haben, im Gegensatz zu C. VoGT, neuerdings GLEES U. WALL echte Kommissurenfasern besehrieben, die die Lateralkerne beider Seiten mit- einander verbinden. Anders liegen die Dinge beim Menschen: Die Massa intermedia fehlt in einem wechselnd angegebenen Prozentsatz (ARIi~NS KAPPERS, HUBER U. CROSBY: 70°~o , HOFF: 10 ~o) ganz. Wo sie vorhanden ist, werden gewShnlich nur die Zellen, nicht aber die Fasern beschrieben; wenn man der letzteren iiberhaupt Erwi~hnung rut, so nicht unter Ab- trennung der afferenten bzw. efferenten yon den Kommissurenfasern i. e. S. ZAWISCH hat eben ein besonders ausgepr/~gtes Kommissuren- system an einem Einzelfall beschrieben (Verbindungen verschiedener Thalamuskerne miteinander, daneben Fasern zwischen den Kernen der Massa intermedia einerseits und dem Nucl. lateralis thalami bzw. dem

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Zur Faseranatomie des Stamm- und Riechhirns. 361

Nucl. paraventriculari hypotha lamis andererseits) und auf die besondere Variabilit~t dieser Fasern beim Menschen hingewiesen.

Er vermutet, 4a0 eine Kommissur wohl in jedem Fall vorhanden sei (aus- genommen die 10°/o, in denen die Massa intermedia fehlt), dal~ es sich meist aber um kurz geschlossene Neuronenketten handele, die in den Kernen der Massa inter- media synaptisch unterbrochen sind. Die Kommissur sei wahrscheinlich ein in Evolution begriffenes Gebilde; da die nicht unterbrochene Faservariante grJl]ere Reaktionsgeschwindigkeiten in der Verkniipfung der Hemisph~ren gewahrleiste, stelle sie demnach wohl die giinstigere, also jfingere Entwicklungsform dar (ZAwIsc~ spricht letzteres allerdings nicht aus, scheint es aber, wenn ich ihn recht verstehe, andeuten zu wollen). Diese Vorstellung ffigt sich allerdings nicht ganz in die yon GL~ES U. WALL ein, die das Fehlen der Commissura med. beim Menschen mit der (~berwertigkeit einer ttirnh~lfte erkl~ren mJchten (etwas ~hnliches haben PA2~.z u. ARONSO~ schon bezfiglich der Massa intermedia fiberhaupt beziiglich ihrer Kerne ge~uBert).

I n meinen Beobachtungen kann ieh eine Aussage fiber den Faser- ver lauf nur 13er exclusionem machen: Es mfissen groBenteils echte Kom- missurenfasern sein, da die Massa intermedia nur mehr wenig Zellen enth~lt, die als Faserursprung in Frage kommen kJnnten. Von den in der Li tera tur genannten Thalamuskernen kommen bei mir als Quell- und E n d p u n k t allein der teilweise noch erhaltene Lateralkern und daneben allenfalls noch die Reste des Mediallcernkomplexes (Nucl. mediodorsalis und parafascicularis) in Bet racht ; die erhaltenen Zellen des Ventralkerns dagegen sind wohl zu sp~rlich. Demnach dfirften diese Kerne auch beim Hund an der Thalamuskommissur beteiligt sein.

Es sieht so aus, als wtirde in der aufsteigenden Tierreihe die Zahl der ,,Anlieger- kerne" dieser Kommissur immer sp~rlicher; yon den bei Nagern noch angeschlos- senen 4 Kernen ist beim Macacus nur mehr der Lateralkern iibrig geblieben.

Die funktionelle Bedeutung der thalamischen Kommissur ist noch weitgehend unklar. Neuerdings versucht man sie mit der Funkt ion des Nucl. reuniens in Verbindung zu bringen. Nach Untersuchungen yon PENFIELD U. JASPER bzw. y o n JASPER u. DROOGLEEVER-FoRTUYN ist in diesem ein , ,Schri t tmacher" zu suchen, der eine teilweise Synchroni- sierung der Hirnt~tigkeit gew~hrleistet, eine vollkommene, die Bewu~t- losigkeit zur Folge haben soll, aber verhindert (n~heres siehe auch bei HOFF). Reizung der Massa intermedia und ihrer n~chsten Umgebung ffihrt jedenfalls (nach den genannten Autoren) zum sofortigen Bewul~t- seinsverlust mit bilateral-symmetrischen, ftir peti t mal spezifischen elektrobiologischen Potentialen fiber beiden Hemisph~ren.

Wenn man die Vorstellung yon der Synchronisierungsfunktion des Nucl. reuniens akzeptiert , so kaim man dami t die durchlau/enden, echten Kommissurenfasern jedoch kaum in Verbindung bringen, wie es ZAWISCH tut , sondern hJchstens die von dort ausgehenden oder ebenda endenden. Es gibt aber noch einen andsren Umstand, der gegen eine groBe oder gar

Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde, Bd. 168. 25

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362 HERMANN BECKER:

entscheidende Bedeutung dieser Kommissur spricht 1. Am Laboratoriums- tier sind nach Hemidekortikation bei l~ngerer l~berlebenszeit Zell- ver~nderungen im kontralateralen Thalamus nicht bekannt; ich selbst habe sie ebenfalls nicht gesehen, wenn man nicht gelegentliche pyk- notische Zellbilder als Rest einer reversiblen Chromatolyse ansehen will (sie kSnnen, abet sie mfissen es nicht sein). Nur NISSL hat am Kanin- chen, und zwar nach 15 Tagen, ,,gelegentlich" ver~,nderte Zellen im Thalamus der anderen Seite beobachtet, die ich als reversibel ansehen mSchte. Es scheint mir naheliegend, hierin den Ausdruck einer trans- neuronalen Alteration zweiter oder dritter Ordnung zu sehen, die fiber Thalamuskerne der betroffenen Hirnh~lfte (direkt oder unter Einschal- tung des Striatum, vielleicht auch der Kommissuralkerne) abl~uft und sich zum l~berschreiten der Mittellinie eben dieser Kommissur bedient. Nun spricht, wie ich in meiner Degenerationsarbeit ausgefiihrt habe, das Ausbleiben transneuronaler Degenerationsmerkmale oder das Auf- treten nur reversibler transneuronaler Zellalterationen entschieden gegen eine e~ge funktionelle Kopplung der anliegenden Grisea. Auf die Com- missura media angewandt heis t das: Die/unktionelle Bedeutung der in der Massa intermedia verlau/enden, beide Thalami verbindenden Fasern kann (entgegen der yon GURDJIA~ ffir das Kaninchen ge~uBerten An- sicht) nur als gering veranschlagt werden, jedenfalls bei den Laboratoriums- tieren, die bisher fiir Entrindungsexperimente zur Verffigung gestanden haben.

3. Bisher unbekannt scheint ein gekreuzter Faserzug vom Nucl. Ruber der einen zum Tectum der anderen Seite zu sein, der sich voriibergehend der ventralen Haubenkreuzung zugesellt. Ich habe diesen Trakt, d e r n u r infolge der Faserarmut des Mittelhirnfu~es zutage tri t t , sonst aber offenbar verborgen bleibt, in der Literatur nicht erw~hnt gefunden. RIOOH, der, wohl die genaueste Beschreibung der tegmentalen Grisea des Mittelhirns und ihrer Faserverbindungen beim Hund gibt, bildet solche Fasern weder ab, noch tu t er ihrer Erw~hnung; die yon ihm beschrie- benen tectalen Ruberfasern treten in der dorsalen Haubenkreuzung fiber die Mittellinie. Ober die Leitungsrichtung der in meinen Pr~paraten sichtbaren Fasern kann ich keine Aussage machen, schlage aber, ohne in dieser Hinsicht pr~judizieren zu wo!len, vor, diesen Faserzug vorl~ufig Fasciculus rubro-tectalis ventralis zu nennen.

4. Pallidofugale Fasern zur Nigra spielen heute in der Li teratur (im Gegensatz zu frfiher) eine recht untergeordnete Rolle; solche vom Nucl. entopeduncularis (der yore Pallidum oft nicht getrennt wird) zur Nigra sind so gut wie nie beachtet worden und demzufotge nahezu unbekannt.

Auch R. JU~G (schriftliche Mitteilung) mSchte, trotz der erw~hnten elektro- physiologischen Ergebnisse), der Commissura thalami eine funktionelle Bedeutung eher absprechen.

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Zur Faseranatomie des Stamm- und Riechhirns. 363

Nun sind nach SPATZ sowie HALLERVORDEN U. SPATZ Subst. nigra (d. h. ihre rote Zone ~ Zona reticulata), Nucl. entopeduncularis und Globus pallidus ontogenetisch, strukturell und histochemisch sehr nahe verwandt (sie s tammen aus einer gemeinsamen Matrix, und zwar mit gleichem Reifungstempo, siehe auch KAHLE; sie gehen beim Menschen nahezu kontinuierlich ineinander fiber und besitzen ein morphologisch sehr Rhnlich gebautes Parenchym; sie sind exquisit eisenreich). Die Fasern, die ich zwischen Nucl. entopeduncularis und Subst. nigra ge- sehen habe, dfirfen also als ein Teilsystem der dichten Faserung zwischen Pallidum und Nigra angesehen werden. SPATZ hat 1935 (entgegen einer 1927 ge/~uBerten Ansicht) vermutet , dal~ die fiberwiegende Zahl der Axone dieses Fasersystems nigropetal gerichtet sei (vor ihm EDINO~R u. a.), und die Bezeichnung Tractus pallido-entopeduncularis gepriigt; dabei war neben den schon erw/~hnten Gemeinsamkeiten der Kerne auch eine phylogenetische Verwandtschaft ffir die Namengebung bestimmend (der Nucl. entopeduncularis ist bei nJederen Vertebraten die vermutliche Urform der Nigra) 1. Die heute allgemein gfiltige Ansicht ist dem aber entgegengesetzt: Man glaubt, eine pallidopetale Leitungsrichtung vor sich zu haben. Hiergegen sind jedoch schwerwiegende Bedenken an- zumelden. Ich habe an Hand der bisher vorliegenden pathologisch- anatomischen und der Experimentall i teratur zeigen kSnnen, dab die Degeneration dot Nigra nach Striatum- und Palliduml/ision ganz fiber- wiegend eine transneuronale sein mul3, dab also die oralw/~rts gerichteten Nigraaxone nur einen recht kleinen Teil in der Gesamtfaserung zwischen Striopallidum und Nigra ausmachen kSnnen (1952, Kap. V; dort auch Literatur zur Frage der nigrofugalen und nigropetalen Pallidumfasern und zu den Verbindungen der Nigra fiberhaupt; siehe auch SPATZ 1923 und 1935) e. Daraus folgt aber, dal~ nicht nur die strio-nigralen Fasern nigropetal gerichtet sind (RIESE, C., u. O. VOGT), sondern dab die Subst. nigra auch aus dem Pallidum afferente Fasern erh/~lt, die denen aus dem Striatum nicht wesentlich nachstehen dfirften. Ich mSchte deshalb vor- schlagen, dem von C. u. O. VOGT so benannten Fasciculus strio-nigralis einen Fasciculus pallido.nigralis an die Seite zu stellen a, 4. Nach dem Wegfall der bisher wichtigsten efferenten Nigrafaserung mul~ nach anderen

1 SPATz begriindete eine pallidofugale Leitungsrichtung u.a. mit dem Fehlen einer Faserabnahme nach frfihor durchgemachter Encephalitis epidemica mit Schwund der Nigrazellen.

2 Die nigrppetale Faserrichtung gilt, wie ich (s. I. c.) ausgeftihrt habe, fiir den orhaltenen Kernmst iibrigens nahezu 100%ig.

8 Die yon SPATZ vorgeschlagene Bezeichnung Tractus pallidoentopeduncularis hat sich nicht durchgesetzt, well die phylogenetischen Beziehungen zwischen dem Nucl. entopeduncularis und der Subst. nigra weitgehend unbekannt sind.

4 Daneben diirfte die Nigra auch aus der Rinde, aus dem ThMamus und yon den I-Iinterstrangkernen Zufliisse erhalten, wenn sie auch nur yon geringerer funk- tioneller Bedeutung sind.

25*

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efferenten Verbindungen gesucht werden. Wahrscheinlich spielen solche zum Nucl. ruber (WINKLER U. a.) eine grSl~ere Rolle, als bisher angenom- men, daneben sind wohl die nigro-tectalen Fasern ebenfalls nicht un- bedeutend (jfingst M~mBURG) und schliei31ich mSgen noch Fasern zu den iibrigen Haubengrisea (neuerdings wieder PAPEZ) und zum BrfickenfuB- grau eine Aufgabe erffillen. Diese Faserziige sind aber bekannt (wenn auch vielleicht etwas unterbewertet) und bediirfen somit keiner weiteren Besprechung.

5. Die Diskussion fiber den Ursprung der zentralen Haubenbahn war 1937 mit der ausffihrlichen Arbeil yon WEISSCHEDEL ZU einem vor- l~ufigen Abschlul~ gekommen. Danach s tammt der Hauptbestandteil der ZHB aus dem roten Kern, ein kleiner Tell aus dem Pallidum, dem Nucl. interstitialis Cajal und vielleicht auch mit einigen Fasern aus dem Thalamus und dem Corpus Luysi. Ein wesentlicher thalamischer Faser- zuflul~, an den BECHTEREW, FLECHSIO und zuletzt noch I~IESE gedacht hatten, wurde dagegen ebenso abgelehnt, wie ein stri~rer Ursprung (Putamen, WALLENBERG). Die phylogenetischen Difterenzierungen, die WEISSCHEDEL unter Bezugnahme auf ALEXANDER vornimmt, beziehen sich nur auf die unterschiedliche Entwicklung des Neorubrum und des yon ihm abh~ngigen Anteils dieser Bahn. Bei der Katze hat 1939 OOAWA unter Zurfickstellung des Ruber i. e. S. den Nucl. Darkschewitsch und interstitialis Cajal sowie im Zwischenhirn den Nucl. campi Foreli als Ursprungsort herausgestellt. KUHLENBECK U. MILLER betonen jfingst neben dem Nucl. ruber und anderen Kernen des Tegmentum (z. B. Nucl. Darkschewitsch) und in teilweiser l~bereinstimmung mit A~Ii~Ns KAP- PERS und mit ALEXANDER die Praetektalregion als Ursprungsgebiet der ZHB. VER~AART dagegen liel~ kurz vor WEISSCHEDEL und auch jiingst wieder ffir den Macacus und fiir den Menschen nur den Nucl. ruber als Ausgangskern der ZHB gelten.

Ich selbst land ein nicht unbetr~chtliches Biindel, das der ZHB often- bar angeh6rt, im caudalen Hypothalamus (i. w. S.), ohne allerdings seine Herkunft genau best immen zu k6nnen. Sie l~l~t sich aber per exclusionem betr~chtlich einengen: Der Thalamus scheidet nach Lage und Verlauf der Fasern aus, desgleichen das v611ig zerst6rte Pallidum (und selbst- verst~ndlich erst recht das Striatum). Es bleiben einmal die erhaltenen Strukturen des durch seinen Markreichtum ~usgezeichneten Subthalamus und zum anderen die erhaltenen etwas markreicheren latero-caudalen Anteile 1 des sonst markarmen Hypothalamus (i. e. S.). Fiir die sub- thalamische Herkunft wfirden verschiedene Angaben aus der Literatur sprechen; WEISSC~EDEL: Corpus Luysi, OOAWA: Nucl. campi Foreli,

1 :Nach den Untersuchungen von PACH~ und yon SrATZ ist os erlaubt, die Mark- faserarmut eines Gobietes als Kriterium fiir vegetative Funktionen heranzuziehen; alas gilt nicht f/Jr den ttypothalamus, sondern fiir das ganze Zentralnervensystem.

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RIOCH: Zona incerta und schlieBlich PROBST und auch KORNYEY, die beide ganz allgemein von subthalamischen Strukturen sprechen. Nicht recht vereinbaren l~13t sich ein solcher Faserursprung mit dem relativ geringen Restbestand dieser Strukturen in meinen Pr~paraten, der zu der Faserzahl dieses Bfindels in einem gewissen MiBverh~ltnis steht 1. Es bleibt also nur noch (allein oder in Verbindung mit dem Subthalamus) der latero-caudale Hypothalamus als zus~tzliches Ursprungsfeld. Ich denke vor allem an die Area hypothalamica lat. (RIOC~). Es handelt sich hier um ein schon relativ markreiches Gebiet; gegen eine solche Zuord- nung sind also prinzipielle Einw~nde kaum zu erheben. In guter ~ber- einstimmung hiermit stehen Ergebnisse, die S~IDE~ u. BARXARD mittels der physiologischen Neuronographie gewonnen haben: Von der unteren Olive lieBen sich charakteristische elektrobiologische Potentiale nicht nut bei Reizung des Subthalamus, des Tegmentum und des periventricul~ren Mittelhirngrau, sondern auch 5ei Reizung der Area hypothalamica lat. ableiten (Katze). Da entsprechende morphologische Beobachtungen yon anderer Seite nicht vorliegen, und da meine Prgparate eine sichere Entscheidung nicht zulassen, mSchte ich diese Frage einstweilen zur Diskussion stellen.

6. Nicht ganz leicht zu deuten ist das Fehlen einer zum Hirnde]e]ct kontralateralen Briickenarmatrophie. Die bei einem Tier vSllig, beim anderen fast vSllig seitengleiche Ausbildung der Brfickenarme ist in Anbetracht der schweren einseitigen Degeneration des Brfickenfu~grau auflerordentlich fiberraschend und zwingt zu der Annahme, dab entweder die Axone der geschwundenen Nervenzellen nicht im Brfickenarm liegen, oder dab gekreuzte und ungekreuzte Fasern sich die Waage halten. Beides ist in der Literatur als mSglich schon besprochen, merkwfirdiger- weise aber kaum beachtet worden; so werden die bezfiglich des ersten dieser Punkte einschl~gigen Arbeiten bei ARIi~NS KAPPnRS, HUBER u. CROSBY gar nicht erw~hnt. Vor allem waren es BOROWIECKI und BESTA, die vor dem ersten Weltkrieg in umfangreichen Experimentalunter- suchungen bei Hunden, Katzen und Kaninchen feststellten, dal~ fiber- haupt nut ein Tell der im Brfickenfu~grau entspringenden Fasern durch die Brfickenarme verl~uft und das Kleinhirn erreicht. Als Projektionsfeld der anderen Fasern konnte BOROWIECKI vor allem die Haube (fiber die Fibrae rectae) bestimmen, dann die mediale Schleifenschicht (?), daneben aber such das Brfickenful~grau der Gegenseite. Die Ursprungszellen aller dieser Fasern sollen gerade such in den Kernen gelegen sein, die in meinen F~llen ganz oder weitgehend degeneriert sind (Nucl. para- medianus, Nucl. ventralis). Hierdurch vermindert sich der im kontra-

10b der Nucl. campi Foreli in meinen Pr~tparaten erhalten ist, vermag ich nicht zu sagen; die Verschiebungen sind dort zu groi3, um einen so kleinen Kern noch erkennen zu lassen.

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lateralen Brfickenarm meiner Pr~parate verlaufende Anteil an degene- rierten BriickenfuBfasern 1, 2 schon um ein gewisses, wean auch nicht n~her bestimmbares MaB. Da ein Tell der BrfickenfuBfasern aber natfir- lich doch durch die Brtickenarme zum Kleinhirn zieht, wird damit eine Seitendifterenz der Brtickenarme noch nicht beseitigt, sondern hSchstens weniger aufdringlich. Unerl~01iche Voraussetzung zur Erkl~rung des Fehlens einer solchen Difterenz bleibt also doch die Annahme des teil- weise homolateralen Verlaufs der ponto-cerebell~ren Fasern. In einem gewissen AusmaB ist dies yon einigen Autoren auch schon betont worden (LEWANDOWSKI, SPITZER U. KARPLUS CAJAL, MAR~ORO, SAITO, WINK- LE~, TSCHERNYSCHEFF, der letztere leider nicht immer ganz klar), im allgemeinen wird es aber abgelehnt, als vSllig unwesentlich bezeichnet oder often gelassen (etwa POLLACK). Fiir meine Fragestellung wirklich brauchbare Detailangaben finden sich wiederum bei BESTA. Danaeh ent- springen homolaterale Briickenarmfasern aus den paralateralen und zum Tell aus den ventralen Kerngruppen; TSCHERNYSCHEFF vermutet ffir sie in ghnlicher Weise eine Herkunft aus lateralen BrfickenfuBkernen. Da die paralaterale und die ventrale Kerngruppe in meinen Prgparaten weit- gehend bzw. vSllig untergegangen sind, ist also auch der homolaterale Faserzug im Briickenarm groBenteils ausgelSscht. Wir diirfen danach vermuten, dab bei dem an sich schon nicht so sehr groBen Anteil der BriickenfuBgrauaxone an den Brfickenarmen (beim Hund) die homo- laterale und die kontralaterale Degeneration sich dort tats~chlioh an- niihernd die Wage halten mSgen. Das, was yon den BriickenfuBzellen noch erhalten ist, dfirfte dem eerebellofugalen System des Brtickenarms zur Haube (das ,,Haubenbiindel des Brfiekenarms") angeh5ren.

Zwei Fragen sind dabei abet noeh zu kl~ren. Erstens: Warum hat v. MONA- KOW an Katze und Hund eine Seitendifferenz der Briickenarme gesehen ? l~ber das AusmaB dieser Difterenz kann man sich nut schwer ein Bild maehen, die Tatsache fordert im Vergleich mit meinen Befunden aber auf jeden Fall eine Stellungnahme. Man muB, glaube ieh, bier daran denken, dab Faserkreuzungen zu den besonders variablen Strukturen gehSren. Ieh verweise auf EDINGE~ u. WALLENBERG, die an der gleichen Spezies (Kaninchen), ja sogar an Tieren derselben Rasse einmal eine sehr ausgeprggte Fornixkreuzung vor dem Mammillare beobachteten und dann wieder so gut wie gar keine. WAI~I~ER betont das gleiche fiir die pontine Geschmacksleitung, neuerdings yon FABER U. JUnO wieder auf-

1 DaB die Haube bei meinen I-Iunden intakt ist, spricht nicht gegen diese Faserzusammenhgnge, sondern, wie ieh in meiner Degenerationsarbeit zeigen konnte, nur gegen ihre funktionelle Wertigkeit.

Die Fasern, die im kontralateralen BriickenfluBgrau endigen, schalten fiir eine Briiekenarmdegeneration im Tierexperiment vermutlieh ebenfalls aus, da die Fortsetzung der transneuronalen Degeneration auf das n~chste, zum Briiekenarm diesor SeRe ziehende Axon hierfiir die Voraussetzung wgre. Mit einer solchen ist aber beim ~Iund so gut wie gar nicht zu rechnen.

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gegriffen; fiber die Variabilitgt der Commissura thalami s. o. Es scheint, dab diese Variabilitdt besonders dort ausgeprdgt ist, woes sich um eine phylogenetische Entwicklungsstu]e handelt, au/ der die betre/]enden Struk- turen einer stdrkeren Umbildung unterworfen sind, und das trifft ffir das Brfickenarmsystem der Carnivoren offenbar zu 1. Das leitet zu der zweiten Frage fiber: Warum ist beim Menschen und fiberhaupt beim Primaten die Degeneration des Brfickenful~grau stets auch mit einer Brfickenarm- atrophie hohen Ausmal3es verbunden ? Einmal offenbar deswegen, weil der homolaterale Anteil an der ponto-cerebellaren Faserung stark und ohne Ausnahme zurficktritt; greifbare Variationen in dem Verhgltnis beider Teile zu einander scheinen oberhalb der Carnivoren nicht mehr vorzukommen! Und zum anderen, weft der Anteil der Brficken- kerne an den extracerebellaren Fasergruppen viel geringer ist. Das, was nach Pedunculuslgsion in der Brficke degeneriert, gehSrt beim Menschen tatsgchlich auch ganz fiberwiegend zum pontocerebellaren System; es muI~ sich also eine Degeneration im BrfickenfuBgrau auch maximal in der Seitendifferenz der Brfickenarme auswirken. So wird, im Rahmen einer phylogenetischen Betrachtung, das Fehlen einer Brfickenarm- differenz nach Degeneration des BrfickenfuBgrau bei meinen Hunden ebenso verstgndlich, wie ihr konstantes Vorliegen, auch bei nur geringeren L~sionen, beim Menschen.

7. Einer genaueren Besprechung bedfirfen die fornikalenFaserkreuzungen (nicht Kommissur en 2) im sog. Riechs ystem. Bisher ist hierfiber nur wenig be- kannt, und auch das bekannte ist nicht unwidersprochen geblieben. Wir mfissen bei den hier interessierendenFasersystemen die archicorticopetalen vonden archicorticofugalen abtrennen. Hinsichtlich der ersteren scheiden die im Fornix (der Hauptfasermasse entgegengesetzt) verlaufenden Zfige aus unserer Betrachtung aus, sie sind mit diesem vernichtet; mir ist fiber eine Kreuzung dieses fornicalen Tractus olfacto-hippocampicus auch niehts bekannt geworden. - - Die Angaben fiber Faserkreuzungen im Fornix /ongus a sind widersprechend.

1 Ein weiteres Beispiel ffir die Richtigkeit diese Satzes stellt die Pyramiden- bahn dar, die ja erst bei den Primaten eine nennenswerte morphologische (und funktionelle, s. tt. B~CXER 1952) Ausformung erfahrt. Schon D_~s.c~sm hatte fest- stellen k5nnen, dal3 die Kreuzungsrate beim Menschen einer erheblichen Variation unterworfen ist. Das Pyramidensystem ist noch nicht ,,zur l~uhe gekommen".

2 Es sei daran erinnert, dab man unter Kommissur einen Faseraustauseh zwischen 2 gleichwertigen, unter Decussatio dagegen einen solchen zwischen 2 un- gleichwertigen Grisea beider ttirnhglften versteht. Die deutsche Sprache bezeiclmet das letztere als Kreuzung, fiir den erstgenannten Begriff besitzt sie jedoch keinen eigenen Ausdruck.

3 Diese Bezeichnung wird nicht einheitlich angewandt. Ein Teil der Autoren versteht nur die dorsal yore Balken gelegenen und um das Balkenknie herum- ziehenden Faszikel darunter (z. B. CLARA); andere (K6~a~n~R, O. Voc~T, EDI~GER U. WALL~B~RO, M. ROSE und die Mehrzahl der I.elarbuchautoren) meinen cl~mit auBerdem alle die Fasern, die den Balken als Fibrae perforantes durchbmcheu. Ieh selbst gebrauche den Begriff ebenfalls im letzteren Sinne.

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KOLLIKER, O. VOGT, sowie EDINGER U. WALLENBERG lehnen eine Kreuzung ab, in den meisten Lehrbuchdarstellungen wird sie nicl~t erw~hnt, HOSEGG~R, ELZE und M. Ros~, erkennen sie dagegen an. In meinen Pr~paraten ist an einer Kreuzung yon Fomix-Longus-Fasern aus dem erhaltenen li. Riechhirn (wahrscheinlich Sep- turn) in den oralen Balkenrest der re. Seite nicht zu zweifeln. Sie finden sich welter caudal in der Taenia tecta der re. Seite, wenn auch sp~rlich, wieder. Es handelt sich um schw~cher myelinisierte Fasern, die sich in Farbe und Kaliber yon den kr~ftigeren Balkenfasern deutlich abheben 1. Die Leitungsrichtung dieser Fasern scheint noch nicht endgfiltig gekl~rt. ELZ~ vermutet nuT ffir einen amygdal~ren Anteil (?) einc archicorticopeta]e Leitungsrichtung, ffir den septalen dagegen eine archicorticofugale. Die letztere wird auch yon KOLLIKER und yon ELLIOT-SMITH angegeben. EDII~GER U. WALLEI~BERG denken im gleichen Sinne an eine Ver- bindung vomAmmonshorn zum Septalgebiet. Beide Leitungswege h~lt Ari~ns KAPPERS ftir mSglich. O. Vol t schliel31ieh sieht im Fornix longus kein Projektions-, sondern ein Assoziationssystem, womit eine reziproke Leitung a priori voraus- gesetzt ist.

Ich selbst k a n n die Frage nach der Faser r ichtung nicht beantworten. Fest steht nuT, dal~ es sich in meinen Pr~para ten um einen kreuzenden Faserzug zwischen dem l inken unversehr ten Septum und dem rechten reduzierten Archicortex handelt , der mi t dem nach ELZE tiberwiegend kreuzenden amygdal$iren Antei l nichts zu t un hat. An dem Vorkommen dieser Kreuzung diirfte dami t m. E. nicht mehr zu zweifeln sein.

Die Literatur der letzten Jahre neigt dazu, eine Verbindung zwischen Septum und Ammonshorn iiberhaupt zu leugnen. BRODAL, der diese Angaben sehr fiber- sichtlich zusammengestellt hat, gibt jedoch Fasern vom Septum tiber perforierende Balkenfasern und ,,supracallosal striae" zum Induseum griseum und yon diesem weitere Fasern zum Ammonshorn zu. Das wfirde also lediglich besagen, daft in den oben beschriebenen Faserzug eine Synapse interpoliert ist. Daneben sollen auch Fasern vom Bulbus olfactorius direkt zur ,,anterior continuation hippocampi", dem oralen Pol des Induseum griseum im Septalgebiet, verlaufen.

Eine Riechfaserkreuzung (nicht Kommissur wle beim Psal ter ium!) archicortico/ugaler Fasern im Fornix i. e. S. ist m. W. bisher nicht be- schrieben. W e n n es sich auch nicht um sehr zahlreiche Fasern handelt , so seheint mir ein gekreuzter Verlauf eines Tells der vom Ammonshorn zum Epi tha lamus ziehenden Fasern (Tractus cortico-habenularis) doch wichtig genug, um mit einigen Wor ten noch darauf einzugehen. Dieser Seitenwechsel vollzieht sich dort, wo der Fornix , nach vent ra l und caudal umbiegend, den oralsten P u n k t seines Verlaufes erreieht. WINKLER- POTTER sprechen in ihrem Katzena t las hier yon der Commissura fornicis ant . (die von ihnen mit fiberraschender M~chtigkeit dargestellt wird).

Merkwfirdigerweise entspricht dieser Kommissur in dem Katzenatlas der Verff. keine irgend nennenswerte hintere Fornixkreuzung (Psalterium). Nur auf Tafel XIII sind einige Querfasern angedeutet, sie werden abeT im Gegensatz zu dem yon den Verff, herausgcgebenen Kaninchenatlas nicht bezeichnet oder erw~hnt 2. Bei

1 0. VOGT spricht umgekehrt yon starker kalibrierten Fasern, meint damit aber nut den eingul~ren Anteil. Ich selbst kann fiber dessen Beteiligung nichts aussagen.

Die Durchsicht einer normalcn Katzenserie zeigt, dab die Verh~ltnisse be- ziiglieh der oro-caudalen Ausdehnung des Psalterium praktisch die gleichen sind, wie sie yon EDING:ER am Itund abgebildet und von TUMBELAKA, ebenfalls am Hund, beschrieben wurden. Die Darstellung yon WI~KLEJa-POTTER ist hierin zweifellos lmrichtig, ebenso bezfiglich der Mhchtigkeit der yon ihnen abgebildeten vorderen Fornixkommissur.

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EDINGER hingegen ist fiir den Menschen wie fiir den Hund nur yon einem sehr ausgedehnten Psalterium die Rede, nicht aber yon einer vorderen Fornixkommissur. (Ob die beztiglich der Kommissuren so differenten Befunde auch durch die Varia- bilit~t dieser Strukturen bedingt sein kSnnen, lasse ich often; s. auch S. 367.) Bei ARIi~NS KAYYERS wird die Commissura fornicis in Anlehnung an GUDDEN yon dem Psalterium getrennt: Der iiberwiegende Tell des Psalter wird in der Phylogenese durch die machtige Entwicklung des Balkens naeh hinten gedr~ngt, nur der zwischen den Crura fornicis liegende kleine Kommissurenanteil bleibt oral liegen. ARfi~NS KAPPERS l~Bt diese Commissura fornicis auch bei Primaten noch bestehen, w~hrend ARIi~NS KAPP~RS, HUBER U. CROSB¥ sich darin unbestimmt ausdriicken. TUM- BEL~KA hat sie bei seinem balkenlosen Affengehirn beschrieben (am normalen Macacus und am Menschen auch S~IMOZONO); er halt sie fiir eine Kommissur des oralen Induseum griseum, eine Decussatio sei wenig wahrscheinlich. In der tibrigen Literatur wird diese Kommissur fast einhellig abgelehnt. Die Autoren einzeln zu nennen eriibrigt sich.

Die Fasern , die in meinen P r~pa ra t en an dieser Stelle kreuzen, s ind keine zwischen beiden AmmonshSrne rn ve rmi t t e lnden Kommissuren- fasern, sie gehSren v ie lmehr zum l inken .Trac tus cor t ico-habenular is , de r hier teihveise zur 1Edierten rech ten Seite hini iber wechselt , b i lden also eine Decussat io. Daneben nehmen an der Bi ldung der rech ten S t r ia medul lar i s nur noch sp~rliche Fase rn aus dem rechten Fo rn ix r e s t teil.

D a m i t wird n icht nur die Exis tenz yon kreuzenden Fase rn im Forn ix - Knie des Hundes be tont , sondern es erscheint diese Kreuzung much zusammen mi t der vorerw~hnten in e inem besonderen Licht , das uns zugleich die Phylogenese des ,,Oralsinnes" n~her br ingt . Die S i tua t ion is t diese : Das rest l iche Ammonshorn der zers tSr ten Hemisphere is t fiber eine spi~rliche Commissura h ippocampi (Psal ter ium) mi t dem der Gegen- seite ve rbunden und s teht fiber den zum Teil k reuzenden F o r n i x longus mi t der Septa l region der unversehr ten Seite in K o m m u n i k a t i o n ; das Ggl. habenulae der l~dier ten Seite is t n icht nur (fiber die Commissura habenu la rum) an den gegenfiberl iegenden Ep i tha l amus , sondern auch fiber den tei lweise kreuzenden Trac tus cor t ico-habenular i s an das Ammonshorn der Gegensei te angeschlossen.

Das gemeinsame ist bier offenbar die vielfache Verknfipfungsweise der Grisea, die im Dienste des ED:~GERschen ,Ora l s innes" stehen. Wi r er innern uns in d iesem Zusammenhang, dab der Oralsinn (einschliel~lich der Riechfunkt ion) zum frfihen Erwerb in der Tierreihe gehSrt und weiter, dab die morphologischen Substrate aller primordialen nerv6sen Leistungen dutch viel/ache und zumeis t h~ufig unterbrochene Faserverbindungen auf verschiedenen Wegen miteinander ver]cni~p]t sind. (Eine teleologische Be- t rachtungsweise , der ich mich hier n icht anschlieI~en mSchte, wfirde da r in evt l . eine erhShte Sicherung der v i t a l besonders bedeu tsamen Sys teme schen kSnnen.) E in gutes Beispiel sind e twa die Verbindungen der vege ta t iven S tammhirngr i sea , dann das H6r- und Ves t ibu la r sys tem, aber much das p r imi t ive opt isehe Sys tem (neben dem Chimsma op t i cum Commissura post . und Commissura colliculi oralis). Wenn man die Fase rve rb indungen der verschiedenen Riechhi rnante i le in der phy lo -

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3 7 0 HER~IANN BECKER :

genetischen Reihe verfolgt, so stS~t man auf den pr imi t ivs ten Stufen schon auf sehr verschlungene Wege.

Ich halte reich im folgenden vor allem an die allerdings recht verstreuten und nach anderen Gesichtspunkten zusammengetragenen Angaben yon ARIi~NS K~PERS bzw. yon ARISes K~PERS, HUBER U. CROSBY. Bereits bei den Fischen (GANOIDEN und SELACHIER) bestehen neben den auch bei Petromycon und bei Plagiostomen schon nachweisbaren Kommissuren 1 auch Riechfaserkreuzungen, die vom Bulbus olfactorius der einen Seite zum Lobus olfactorius ~-- Epistriatum der anderen Seite verlaufen; sie bedienen sich dazu der Commissura ant. Diese Kreuzung l~flt sich bis zu den Amphibien und den Reptilien aufw~rts (besonders Eidechsen) verfolgen, wird dann aber unsicher. Mit dem Auftreten des Fornix und Fornix longus bei den Amphibien tauchen auch Faserkreuzungen im Tract. cortico-olfactorius reed. bzw. septo-hippocampicus (im Bereich des Fornix longus) und in der Commissura pallii ant. (~ sparer Commissura fornicis ant.) auf. "~ber die Kreuzung der Fasern in der letztgenannten Kommissur besteht keine vSllige Klarheit. Im wesentlichen scheint es sich bei Reptilien und Amphibien um eine Kreuzung innerhalb des Fornix selbst, d. h. also der zum Hypothalamus absteigenden Fasern zu handeln, ~hnlich etwa der yon den Reptilien an zus~tzlich entwickelten Decussatio suora- mamillaris. Cortico-habenulare Fasern, die, entsprechend dem sehr frfihen ~uf- treten des Ggl. habenulae, schon bei Fischen gefunden werden, sind bisher innerhalb dieser Decusatio nicht beschrieben worden. Weiter aufw~rts in der Wirbeltierreihe wird der Kreuzungscharakter dieses Faseraustausches tiberhaupt angezweifelt, und TUMB~LA~A, der sich mit dieser Frage sehr eingehend beschaftigt hat, sieht in der Commissura fornicis ant. lediglieh ein ttomologon der Commissura pallii (ant.), d. h. der sp~teren Commissura hippoeampi.

I m ganzen finden wir die meisten Kreuzungen und Kommissuren etwa au/ der Stu/e der Reptilien. Spdter Icommt es zu einer leichten Redulction. Diese entspricht aber in lceiner Weise dem Wechsel, dem die Bedeutung der Riech/unktion unterworfen ist; zumal am l~bergang yon den makros- mat ischen zu den mikrosmatischen S~ugern 2 besteht in dieser Hins icht kein irgend bedeutsamer Unterschied. Das steht in Parallele zu der im Vergleich zum Palaeocortex nur geringen Rfickbildung des Archicortex, Ep i tha lamus und Mamillare im gleichen phylogenetischen Entwicklungs- abschnit t . Bereits EDI~GER hat te auf diese Unst immigkei t , besonders ffir das Gg]. habenulae, hingewiesen, sie aber durch seine Konzept ion des Oralsinns zu umgehen gesucht. M. R o s e bzw. ST. ROSE und danach C. u. O. VOGT, PAPEZ und zuletzt BRODAL sowie LE GRoS-CLARK machten iihnliche Fests te l lungen beziiglich des Ammonshorns , die sie an dessen ausschliei]licher Riechfunkt ion bei den mikrosmatischen S~ugern und

1 1. Commissura ant. als Homologon des sp~teren Balkens; 2. Commissura superior telencephali, sparer zur Commissura habenularum zuriickgebildet und 3. Commissura pallii, die sp~tere Commissura hippocampi (Psalterium) der Mam- malier.

Im allgemeinen wird die Grenze zwischen beiden bei den primitiven Affen gezogen, etwa bei Lemur catta. Danach w~re der Hund noch ein makrosmatischer S~uger. Zweifellos hat aber bei ihm der Geruchs-(Oral-)Sinn im Vergleich etwa mit den Nagern schon an Bedeutung abgenommen. Die Einteilung yon CLARA, der zu den makrosmatischen S~ugern nur die z~hlt, die mit der Nase am Boden leben (Edentaten, Marsupialier, Nager und Musteliden) hat daher manches fiir sich. - - Beide Gruppen werden als osmotische den anosmotischen S~ugern (Walfische) gegeniibergestellt.

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beim Menschen zweifeln liel~en; BRoDAL hat diese ~berlegungen auch auf den Gyr. cinguli ausgedehnt. Der AnstoB, diesen Zweifel auch auf das Corpus mamillare zu iibertragen, kam vonder Klinik durch die bekannten GAMPERschen Befunde bei Polioencephalitis h~morrhagica mit dem klinischen Bild des amnestischen Symptomenkomplexes. Inzwischen sind die Zusammenh~nge zwischen dem amnestischen Syndrom und einer Sch~digung des C. mamillare vielfach best~tigt worden, so dab aiL ihnen kaum mehr gezweifelt werden kann.

Ich will diese Frage hier kurz streifen, weft von meinen Untersu- chungen her ein doppelter Zugang zu diesem Problem besteht. Der eine liegt in der Tendenz zur vielfachen faseranatomischen Verknfipfung der einzelnen Grisea des sog. Riechuystems auch bei den hSher entwickelten S~ugern, die der abnehmenden funktinoellen Bedeutung der Riechfunk- tion keineswegs zu entsprechen schei~t. Den anderen Zugang sehe ich in dem in meiner Degenerationsarbeit (1. c.) entwickelten Prinzip der trans- neuronalen Degeneration als Ausdruck der/unktionellen Wertigkeit eines Systems. Diese steigt n~mlich von den Carnivoren an bis herauf zum Menschen fi~r das System Ammonshorn ~ Mamillare ---+ Thalamus ein- d~utig an (fiir eine entsprechende Feststellung bezfiglich des Systems Ammonshorn --+ Epithalamus genfigen die Unterlagen bisher nicht). Beide Tatsachen decken sich durchaus mit den eben genannten ana- tomischen Feststellungen der anderen Autoren.

An diesen Ergebnissen und aus den erw~hnten Befunden und (~ber- legungen anderer Autoren l~Bt sich vorl~ufig und mit Vorbehalt fiir die Phylogenese des Oralsinnes folgender SchluB ziehen : Das sog. Riechsystem der Submamalier und makromatischen S~uger bzw. der EDINGERsche Oralsinn (die Integration von Geruehs- und Geschmacksreizen mit den zugeordneten motorischen Korelaten) ist in der aufsteigenden Tierreihe einem Leistungswandel unterworfen. Mit der abnehmenden Bedeutung des l~iechens und Schmeckens fiir die Aufrechterhaltung der Umwelt- beziehungen des Individuums erfahren die dieser Aufgabe dienenden Strukturen keine Riickbildung, sie werden vielmehr mit einer anderen Aufgabe betraut. Diese hat offenbar etwas mit der Merkleistung (nicht mit dem Ged~chtnis !) zu tun. Da das sog. l~iechsystem in mannigfacher Weise mit den Strukturen verbunden ist, die sensorischen Leistungen zugeordnet sind (besonders mit dem Thalamus, in Richtung zum Cyrus einguli, aber auch, vom Mittelhirn her, fiber das basale Riechbfindel zum C. mamillare; EDINGER, WALLENBERG, WINKLER), kSnnte man sich vor- stellen, dab es, grob gesprochen, gewissermai~en ,,Zubringerdienste" zur GroBhirnrinde ffir alle die Umwelteindrficke leistet, die mit dem Akzent des zu Merkenden versehen werden sollen. Selbstverst~ndlich handelt es sich dabei nieht nur um eine Leitungsfunktion; man wird vielmehr jedem der in diesem System arbeitenden Grisea eine bestimmte Sonderleistung

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372 HER~A~ BECKER:

zusprechen mfissen, zumal wir wissen, daI3 L~sionen der einzelnen Grisea

je bes t immte Syndrome zur Folge haben. So unterscheidet sich nach

GRONTHAL klinisch der Totalausf~ll des Ammonshorns recht erheblich

yon dem bekannten Bild des amnest ischen Syndroms bei Zerst6rung des

C. Mamillare, er scheint dari iber hinaus sogar den , ,Boden" zu zerstSren,

auf dem die normale Rindenfunkt ion wurzel t (GRONTHAL).

LE GROS-CL~K hat eben wieder auf unsere Unkenntnis fiber die Bedeutung des Ammonshorns und damit des yon ihm abh~ngigen Systems bis zum vorderen Thalamnskern hingewiesen. Der tIippocampus sei kein ,,primiires Geruchsfeld", da er seine Impulse nicht yon olfaktorischen Zentren empfange, sondern yon der nicht-olfaktorischen Rinde des ,,limbic lobe". Auch sonst besteht bezfiglich der Ammonshornfunktion in der neuesten Literatur groI3e Unsicherheit. BRODAL denkt mit PAPEZ an autonome und emotive Leistungen, ALLEN vormutet einen ,,ampli- fication mechanism" ffir einfache olfaktorische Reflexe. Auch wenn es zutrifft, da6 das Ammonshorn nur mehr wenig Riechimpulse empf~ngt, so besagt das doch nichts gegen die phylogenetische Verknfipfung der jetzt an seine Struktur gebun- denen Leistungen mit denen, die friiher yon ihm vermittelt wurden. Auf eine mit einem Leistungswandel in der Phylogenese verbundene Umstrukturierung der Faserztige babe ich in meiner Degenerationsarbeit (am Beispiel des Nucl. medialis dorsalis thalami) schon hingewiesen.

Die Frage der Verkntipfung der sekund~ren mit den terti~ren Riechzonen beim S~uger und besonders beim Primaten ist, soweit ich sehe, noch nicht endgfiltig entschieden. Auch nach BRODAL gelangen Riechfasern in den Hippocampus und zwar aus dem Septalgebiet mit Unterbrechung ira Induseum griseum (CAJAL, GUR])JIAN, Fox) und aus dem Lobus piriformis mit Unterbrechung in der Ento- rhinalrinde (CAJAL, LORENTE DE N6; diese synaptische Koppelung ist auch yon ALLEN jfingst wieder betont worden). Der Auffassung BRODALS, dab die Stellung des Ammonshorns in Anbetracht der synaptischen Unterbrechungen eine andere sei, als dann, wenn die Fasern aus den sekund~ren Riechzonen direkt dorthin gelangten, mul~ allerdings widersprochen werden : Die Existenz yon Schaltneuronen ist gerade ein Merkmal vital bedeutsamer Systeme (z. B. zentrale ttaubenbahn) und wtirde deshalb nicht gegen den Zustrom yon Geruchsreizen sprechen, die an der Funktion dieses Systems durchaus noch mitbeteiligt sein mSgen. - - (Ybrigens sind Untersuchungen wie die yon LE GRos-CLARK u. MEYER zur Kl~rung der Riechverbindungen nur bedingt geeignet, da mit der dort verwandten Methode nur das erste olfaktorische Neuron verfolgt werden kann.

Die efferenten Faserverbindungen ziehen nach B~O])AL und in Ubereinstimmung mit LE GRos-CL~K u. BOGGO~ u. a. wie bisher angenommen vor allem fiber den Fornix, das C. mamillare, den Tract. mamillo-thatamicus und den Nucl. ant. thalami zum Cingulum ~ und zur pr~motorischen Rinde (also entgegen der 1947 yon GRiiN- TItAL ge~uBerten Meinung, nach der die Fornixfasern keine Ammonshornneurone i. e. S., sondern nur ~olche yore Subiculum und der benachbarten Hippocampus- rinde enthalten sollen).

0ffenbar entspringen in der ,,limbischen Region" (~ vordere und hintere cingulare sowie retropleniale Area) aber auch riickl~ufige Fasern zum Ammonshorn (ahnlich auch in der pri~motorischen Rinde), die teilweise unter Benutzung des CAJALschen ,,perforierenden Tract. temporo-ammonicus" Anschlul] an den Gyrus dentatus, das Praesubiculum und das Subiculum gewinnen (ADEr). Nach den von I)RIBRAM, LENNOX U. DUNSMORE mittels der ,,physiologischen Neuronographie" gewonnenen Ergebnisse kann es sich allerdings kaum um eine funktionetl bedeut- same Verbindung handeln.

1 Die Verbindung zwischen vorderem Thalamuskern und Cingulum ist von LE GRoS-CLARK u. BOGGON und jfingst mit sehr genauen topographischen Be- ziehungen yon J. E. ROSE u. WOOLSEr beschrieben worden.

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Zur Faseranatomie des Stamm- und Riechhirns. 373

Ob man nun GRii~Tm~L bei seinen Uberlegungen folgen will oder nicht, sicher scheint mir heute eines zu sein: Zum ungestSrten Ablauf der mnestischen Leistungen gehSrt neben anderen, ebenso unerl~i~lichen Strukturen, aueh die Unversehrthrit des Systems, das auf frfiheren phylogenetischen Stufen die l~iechfunktion garantiert.

Ich gehe auf diese hier absichtlich nur skizzierte Theorie nicht n~her ein. Sie soll an anderer Stelle ausffihrlich begrfindet werden.

2. Onto- und phylogenetische Parallelen bei der Umgestaltung des vor seiner Rei/ung geschiidigten Gehirns. - - Zur Agnesie/rage.

Bei dem schweren, das Gehirn meiner Versuchstiere gleich nach der Geburt treffenden Eingriff kommt es fiber die histologischen Reaktionen hinaus zu charakteristischen Umbildungen. Sie waren zum Teil auch den ersten, mit der GUDDENschen Methode arbeitenden Autoren, ja sogar GUDDEN selbst schon bekannt. Au/ der einen Seite werden Strukturen im Sinne einer l~fickffihrung auf frfihere Entwicklungsstufen verdndert, au/ der anderen Seite werden sie beseitigt, und zwar so vollkommen, als ob sie nie angelegt worden wgren; auch dieses entspricht einer Riickffihrung auf frfihere Entwicklungsstadien und zwar im Sinne einer ,,Pseudo- agenesie ''1. Als Beispiel ffir eine solche Umgestaltung sei auf die Dege- neration der groBen Fasermassen hingewiesen. Sie vollzieht sich z. T. mit einer solchen Vollst~ndigkeit, daB man von ,,spurlos" sprechen mSchte. Die Pyramiden/asern etwa im Rhombeneephalon sind so vSllig weggergumt, dab man glauben mSchte, sie hgtten fiberhaupt nie existiert (auch v. MONAKOW hatte das tibrigens schon bemerkt). Das morpho- logische Bild wfirde ohne Kenntnis der Zusammenh"~ge an eine Agenesie, d. h. an eine HemmungsmiBbildung durch Ablenkung der normalen Ent- wicklung auf einer frfihfetalen Stufe vor Anlage der Pyramidenbahn denken la~sen, und nicht an das l~esultat eines postnatalen Prozesses 2.

1 Zum Begrifflichen: Mit Agenesie ist im allgemeinen ein schon im Keimplasma (Idioplasma) bestimmter angeborener Mangelgemeint. ,,Pseudoagenesie" will besagen, dab eine Agenesie durch Einwirkung aul]erer Ursachen nach Anlage des betreffenden Teils vorget~uscht wird. Allerdings kann auch eine echte Agenesie einmal durch ~uBere Ursachen zustande kommen, wenn es n~mlich (zu einem friihen Termin der Keimentwicklung) durch solche zum Wegfall yon Bildungsreizen kommt. Es ist houte fiblicher, an Stelle yon Agenesie yon ttemmungsbildung zu sprechen, wie es andererseits auch nicht mehr Brauch ist, die inneren und ~uI~eren Ursachen einer MiBbildung als idiogen und peristatisch zu bezeichnen (E. FISCHER, SPATZ), obwohl diese Kennzeichnung pr~gnanter ist, als die jetzt allgemein gebri~uchliche (s. z. B. bei GRVBEa).

2 SPATZ (1921, 1948) hat diesen, in der menschlichen Pathologie oft zu MiB- deutungen fiihrenden Mangel an Spuren eines Krankheitsprozesses im Endstadium als charakteristische Besonderheit der ,,Reaktionsweise des unreifen Zentralnerven- systems" hervorgehoben (vgl. auch LANGE-CosAcK). Diese Eigenart gilt nach SeATz sowohl beziiglich der primgren (z. B. traumatischen) Vorgi~nge, als auch beziiglich dor Degenerationen.

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374 HERMANN BECKER:

Ein besonders ir~struktives Beispiel ist der BaUcen. Hier lassen sich beide Formen morphologischer Abwandlung, n~mlich die Beseitigung yon Strukturen und die Umstrukturierung auf den Stand friiherer Ent- wicklungsstufen, nebeneinander demonstrieren. Bereits GUDDEN bringt 2 Abbildungen, die den Rest des Balkens auf der rechten Hemisphere yon einer grauen Schicht belegt zeigen; er geht im Text allerdings nicht weiter darauf ein. Auf meinen Pr~paraten ist ersichtlich, daB das In- duseum griseum, das Rudiment des Ammonshorns frfiher Entwicklungs- stufen vor Ausbildung des Balkens (niedere S~uger, etwa Opossum, und auch darunter), sich stark gekantet hat und nunmehr als nahezu vertikale Schicht in ungewShnlicher Ausdehnung bis welt nach oral den abge- schmolzenen Rand des ehemaligen Balkens bedeckt. Histologisch ist diese Bildung durch die Ausstattung mit einer normalen Deckschicht ausgezeichnet und dadurch, dab aus dem urspriinglich doch sehr zell- armen Grau eine richtige l~indenformation geworden ist. Sie tr~gt im Prinzip durchaus den Charakter des Hippocampus, ann~hernd so wie bei niederen Si~ugern, und gleicht jedenfalls aufs Haar der Formation, die sonst bei Hund und Katze den ~bergang zwischen Induseum griseum und Ammonshorn vermittelt . Vom ehemaligen Balken ist hier (bis auf eine bestimmte Struktur, s. unten) nichts mehr zu sehen. Das Bild gleicht dem der sog. Balkenagenesie (wenn man sich die fehlende Hemisphere dazu erg~nzt denkt); hier wie dort kommt der Plexus des dritten Ven- trikels, nur yon seiner Tela bedeckt, in direkte nachbarliche Beziehung zur Fatx. Phylogenetisch gleicht das Bild dem bei den niederen S~ugern (etwa dem Opossum als Vertreter der Beuteltiere), wo der Balken nut ganz oral angelegt ist; ontogenetisch entspricht das Fehlen des Balkens dem Zustand des menschlichen GroBhirns vor dem dritten Monat, also etwa bei 60 mm Scheitel-Steil~-L~nge.

Es ist ersichtlich, dab man mit der Diagnose Agenesie ebenso vorsichtig sein mull, wie mit Schlfissen aufden Sch~digungstermin. Wenn LA~GE-CosAcK aUS einer ahnlichen Bildungsanomalie im ersten ihrer Falle yon Hydranencephalie schlieBt, dab der ProzeB das Gehirn vor der Anlage des Balkens getroffen haben mtisse, so ergibt sich nunmehr, dab ein SchluB auf diesen Sch~digungstermin zwar mSglich aber nicht zwingend ist.

Der Schwund des Balkens ist noch durch eine Besonderheit aus- gezeichnet, die ein neues Licht auf eine in vielen Jahrzehnten nicht ent- schiedene Streitfrage beim Problem des Balkenmangels zu werfen geeignet ist. Bei meinen Hunden findet sich inmitten des ehemaligen Balkenfeldes der unversehrten Hemisphere ein markhaltiges L~ngsbfindel, das sich aus dem oralen, noch erhaltenen Tell des Balkens entwickelt, und sich caudal im Tapetum des Hinterhorns verliert. Eine ~hnliche, wenn auch massivere Bildung, das sog. ,,Balkenldngsbiindel" (PROBST) ist e ineganz gewShnliche Erscheinung bei angeborenem Balkenmangel, an der sich die Meinungen immer wieder entzfindet haben. Eine Entscheidung fiber

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Zur Faseranatomie des Stamm- und Riechhirns. 375 /

die Morphogenese konnte aber bisher nicht gefallt werden, weil die Un- gewiBheit fiber Entstehungstermin und -weise einen bindenden SchluB nicht zulieB. Die beiden Ansichten, die sich schroff gegenfiberstehen, sind folgende: Die eine sieht das Balkenl/~ngsbfindel als eine normale For- mation an, die erst durch den Balkenmangel zutage tr i t t ; zuerst von O:NUFROWICZ mit FOREL vertreten, dann von KAUFMANN, HOC~HAUS und O. VOGT (letzterer jedenfalls im Sinne der Ablehnung einer tIetero- topie); sie wurde dann aber spiiter mehr und mehr verlassen. Die andere erblickt im Balkenl~ngsbfindel einr Heterotopie im Sinne einer Ab- weichung der ursl~rfinglich ffir die Kommissur vorgesehenen Fasern in die L~ngsrichtung: H. SAC~S, MA~CHAND, PROBST, H. VOGT, TUM- BELAKA, JURA U. a., jfingst KIRSCHBAUM, MARBURG. Nur ST6CK~R nimmt eine vermittelnde Stellung ein; er 1/iBt auch im normalen Balken L/ings- fasern gelten, glaubt aber, dab sie sich erst nach Wegfall der Querfasern zu einem so groBen L/ingssystem entwickeln. Von den Verfechtern der ersten These werden verschiedene normale Systeme als Homologon des Balkenli~ngsbfindels herangezogen : Neben dem Fornix longus vor allem der Fasciculus frontooccipitalis yon ~)~JI~RINE, der mit dem Balken ja eigent- lich nichts zu tun hat; sp/iter sprach man mit ONUFROWmZ vom fronto- occipitalen Assoziationsbfindel und lieB seine Beziehungen zu bekannten Faserstrukturen mehr-minder often. (Die Gleichstellung mit dem MURA- TOFFschen Fasciculus subcallosus, mit Septumfasern usw.wurde dagegen schon bald vSllig abgelehnt.) Da in meinen Pr/~paraten die L~ngsfasern im Feld des ehemaligen Balkens liegen, dfirften in Anbetracht des post- natalen L/isionstermins heterotope, aus ihrer Riehtung abgelenkte Fasern auszuschlieBen sein. Es besagt dies so viel, dab auch beim angeborenen Ballcenmangel das Balkenl5ngsbi~ndel mindestens aus normal angelegten Fasern bestehen k a n n. Diese MSglichkeit ist um so eher gegeben, als sich sonst nur selten der Zeitpunkt genauer bestimmen l~Bt, zu dem diese MiBbildung entstanden ist, sich also much nur selten entscheiden 1/iBt, ob es sich um eine Agenesie des Balkens durch Ablenkung der normalen Entwicklung vor dem dritten Fetalmonat handelt, oder um einen Verlust infolge eines danach einwirkenden, sonst aber spurlosen Prozesses. Die Schwierigkeit dieser Entscheidung wurde fibrigens schon yon FOREL betont, der, gleich nach der VerSftentlichung seines Schfilers ONUFRO- WmZ, ffir die Entstehung des Balkenmangels auch an irgendeine Noxe dachte, die auf dem Umweg fiber eine Atrophie des Balkens eine Agenesie vielleicht nur vort~usche. In ~hnlichem Sinne hat sich HOCHE ge/iuBert 1.

1 In seiner erst nach seinem Tode ver6ffentlichten Arbeit fiber den Balkenmangel lehnt dies MARBURG iibrigens ab. Jeder Balkenmangel entstehe durch L/~sion der Kommissurenplatte, aus der sich der Balken erst entwickelt. Alle dureh sp/~tere 1.4sionen entstandenen Balkendefekte sollen sich dagegen durch das Fehlen des Balkenl~ngsbiindels auszeichnen. DaB diese Auffassung, fiir den tIund mindestens, irrig ist, zeigen meine Beobachtungen.

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3 7 6 HERMANN BECKER:

In gewissen Grenzen 1ABt sich der Entstehungstermin des Balkenmangels aller- dings doch festlegen. In der Mehrzahl der Fi~lle ist ni~mlich das Windungsrelief der medialen Hemispharenflache in charak~teristischer Weise verandert: Der Sulcus cinguli fehlt, dafiir treten Radiiirfurchen auf. Da der Gyr. cinguli erst zu Beginn der zweiten tt~lfte der Embryonalzeit auftritt, muB also die MiBbildung vorher entstanden sein. Zwischen diesem Termin und dem Auftreten des Balkens liegt aber ein Spielraum yon ca. 2 Monaten, innerhalb derer der schon angelegte Balken durch ~uBere Ursachen wieder beseitigt worden sein kann.

Natfirlich sieht das LKngsbiindel meiner PrKparate nicht genau so aus, wie das Balkenl~ngsbiindel beim Menschen; es ist nicht so mKchtig und liegt nicht so geschlossen. Aber das kSnnte bei einer Noxe, die vor der Geburt ansetzt, sehr wohl anders sein; zudem wissen wir gar nicht, wie das Balkenl~ngsbfindel bei echter Agenesie beim Hund aussehen mfiBte. Fest steht, dab es sich um ein offenbar ziemlich weitreichendes, leidlich geschlossenes System yon L~ngsfasern inner/alb des Balkens handelt, das schon vor dem Eingriff bestanden haben muB. Wahrschein- lich sind die Fasern - - das ist wohl der einzige Unterschied zum normalen Zustand - - durch den Wegfall der Querfasern aus ihrer mehr verstreuten Lage zusammengeriickt und damit deutlicher geworden. Nachdem eine solche Entstehung des Balkenli~ngsbiindels prinzipiell mSglich ist, will mit scheinen, dab diese Deutung auch beim angeborenen Balkenmangel des Menschen mehr Wahrscheinlichkeit fiir sich hat als die auf einer Heterotopie aufbauende Erkl~rung 1.

Die phylo-ontogenetische Parallelit~t im Rahmen der um den Geburts- termin einsetzenden Umstrukturierung des Gehirns l~Bt sich noch an 2 weiteren Punkten aufzeigen. Der eine ist das Wiederau/treten der Fissura telodiencephalica. Durch diesen Spalt sind auf frfihen phylo- wie onto- genetischen Entwicklungsstufen (etwa Reptilien und VSgel bzw. menseh- liche Embryonen yon 50 mm Scheitel-SteiB1Knge) die beiden Hemi- sph~renanlagen yon der Zwischenhirnanlage noch weitgehend getrennt. Erst sparer schwindet er groBenteils infolge zunehmender Verbreiterung der telodiencephalen Grenzfl~tche w~hrend des Vorganges der Intussus- ception des Zwischenhirns (SPATz) und bleibt nur noch weiter caudal als Fissura transversa bestehen. Durch die Umbildung des Stammhirns im Zuge der postnatalen Hemisph~renausschaltung hat sich nun diese Fissur wieder nach oral vorgeschoben, wenigstens so weit, dab man von einer Parallele zu den niederen S~ugern (Beuteltiere) bzw. zu dem menseh- lichen Embryonalstadium des dritten Monats (60 mm Scheitel-SteiB- l~nge) sprechen kann. Diese Riickverkleinerung der telodiencephalen GrenzflKche (SPATZ) steht in engem Zusammenhang mit der Umbildung, die gleichzeitig das Zwischenhirn selbst erleidet: Der Thalamus ist einer

1 0brigens besteht eine gewisse Xhnlichkeit zwischen meinen experimentellen Beobachtungen von Balkenschwund und den FAllen partiellen angeborenen Balken- mangels, bei denen der orale Teil erhalten bleibt, z. B. bei O~UFROWXOZ, ITIOOH- HAUS U. a.

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Umformung von queroval nach hochoval unterworfen diese makro- skopische Umformung entspricht wiederum dem Zustand bei primitiven S~ugern (oder auch Reptilien); ontogenetisch wiirde dem der Thalamus eines Embryo yon nicht ganz 60 mm Scheitel-SteiBl~nge vor der Ent- wicklung der neothalamischen Hauptkerne der beiden KniehScker glei- chen (gegen Ende des dritten Monatsl).

Bisher f~llt uns auf, dal~ uns der Vergleich der Umbildungen mit friiheren phylo- und ontogenetischen Stadien in beiden Reihen immer wieder auf ungef~hr die gleiche Stufe gefiihrt hat. Wir miissen uns aber sehr hiiten, solche Vergleiche zu weir zu treiben. Man k6nnte natfirlich daran denken, ob nicht das, was an thalamischen Kernstrukturen im einzelnen erhalten ist, ebenfalls einer friiheren Entwicklungsstufe ent- spricht, also einen archithalamischen Anteil darstellt, w~hrend der neo- thalamische untergegangen ist ~. Einen solchen Schlul~ haben PAPEZ und RUNDLES anl/il31ich ihrer Beobach~ung eines Hundes mit angeboxenem Hemisph/~renmangel tatsi~chlich auch gezogen und die erhaltenen Tha- lamusstrukturen den bei Reptilien bereits vorhandenen Kernen gleich- gesetzt. Eine solche Vergleichung h~lt aber einer genaueren Priifung nicht stand. Zwar sind es im Bereich derKniehScker die phylo- und onto- genetisch/~lteren Nebenkerne, die sich erhalten haben, andererseits sind aber, bei I°APEZ und RUNDLES wie bei mir, auch jfingere Kerne unbe- troffen (etwa Teile des Medialkerns), w~hrend gltere zugrunde gegangen sin@. Ebenso zeigt ein Vergleich mit dem Thalamus des Opossum, einem niederen SRuger, bei dem man erstmalig in cinen vontralen {~ glteren) und einen dorsalen (= jtingeren) Thalamus differenziert hat (BODIA~ 4) die Haltlosigkeit einer solehen Konstruktion; denn es entspricht der erstere keineswegs den Kernen, die die Entrindung beim neugeborenen Tier fiberstehen.

Wir miissen uns also in unserer Betrachtung an die malcroskopiache Dimension halten, wenn wir phylo- und ontogenetische Vergleiche mit

1 Herrn Dr. K~LE danke ich fiir die liebenswtirdige Unterstiitzung bei der Bestimmung der ontogenetischen Vergleichsstadien an I-Iand seiner Serien.

2 Diese phylogenetische Trennung stammt m.W. yon WALLE~BERG; NISSL hatte zwar schon friiher yon palaeo- und neencephalen Teilen des Thalamus ge- sprochen, das Vorhandensein der ersteren gleichzeitig aber in Frage gestellt. Sp/~ter wurde eine solche Differenzierung fibrigens auch yon anderen, z. B. yon SAGER, als undurchfiihrbar abgelehnt.

s Es richtet sich das, wie in meiner Degenerationsarbeit (dort aueh Einzelheiten fiber die Thalamusver/~nderungen) ausgeffihrt, nicht nach dem Entwicklungsalter, sondern naeh den Faserbeziehungen. Der relativ jtingere Nuel. medialis dorsalis hat eben beim ~Iund noch enge Verbindungen mit dem Hirnstamm, die sparer fiberwie- genden Verbindungen mit dem Stirnhirn entwickeln sich erst bei den Primaten.

4 Um MiBverst/~ndnissen vorzubeugen, sei festgestellt, dal3 die Unterteilung in einen dorsalen und einen ventralen Thalamus meist in anderem Sinne vorgenommen wird. ARIi~NS KAPPERS, HUMOR u. C~OSBY U. a. verstehen unter dem ersteren den eigentlichen Thalamus mit seinen s~mtlichen Kernen, unter dem letzteren den sog. Subthalamus (s. auch bei KUHLENBECK).

Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde, Bd. 168. 2 6

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3 7 8 HERMANN BECKER :

dem Ergebnis meiner Experimente anstellen wollen. Dann allerdings scheinen mir solche durchaus berechtigt. Man kann ganz allgemein sagen, dab nach L~sionen auch noch zur Zeit des Geburtstermins das Gehirn mit einer Umbildung antwortet, die einer in der Phylo- und Onto- genese einmal durchlaufenen Periode entspricht. Es kommt mit anderen Worten zu einer Reparation auf primitiverer Stufe. Geht man in der Phylogenese noch welter zurfick, so verh~lt sich das Gehirn bzw. der Organismus anders.

Wenn man bei Amphibienembryonen (z. B. Amblystoma punctatum) eine Hemi- sphere abtr~gt, so wird sie wieder vSllig erg~nzt; bei ]-Ifihnerembryonen gelingt das dagegen schon nicht mehr (PIATT). Bestimmte Amphibien (z. B. Triton) regene- rieren amputierte Extremit~ten oft vSllig, oftmals aber auch nur in verkleinerter oder verkfirzter Form (PRZ~BRAM). Diese Fahigkeit ist dem ontogenetischen Alter umgekehrt proportional; so kSnnen bestimmte Krebse ihre grSBere Schere nur in frfiheren Stadien regenerieren, tritt der Verlust sparer ein, so resultiert eine kleine Schere (PRzIBR~).

Trotz der verschiedenartigen Ergebnisse und trotz der nur sehr be- dingten Vergleichbarkeit der Gehirn- und Extremit~tenregeneration scheint mir eine Gemeinsamkeit doch gegeben: Je friiher in der Onto- genese eine Li~sion einsetzt, desto eher gelingt die Wiederherstellung, je spi~ter sie den Organismus trifft, desto geringer ist die ,,potentia" (PRzIB~AM) hierzu; vgl. auch ]~)URKEN. Beim Hund kann yon einer Regeneration im fiblichenSinne iiberhaupt keine Rede sein. Wenn a be r der Eingri// das Gehirn vor seiner Ausrei/ung tri//t, so wird eine Rest- ,,potenz" mobilisiert, die zwar ]ceinen Formbestandteil mehr zu ersetzen, die aber den versti~mmelten Tell in ein schon durchlau/enes Entwic]clungs- stadium zuri~clczu/ormen vermag, das dieser Versti~mmelung am ndchsten ]commt. Wenn also der Balken zerst6rt ist, dann wird - - anthropozen- trisch gesprochen - - ,,aus der Not eine Tugend gemacht"; die ganze Umgebung gleicht sich mit nicht unbetr~chtlichen Umbildungen diesem Defekt im Sinne einer (yon der Entwicklung aus gesehen) ,,Optimal- 15sung" an. Auch diesen Vorgang kann man m. E. unter einem, aller- drags sehr erweiterten, Regenerationsbegriff subsumieren.

Wenn wir diese Erkenntnis auf die Pathologie anwenden, so erhellt daraus, daI~ wir uns bei jeder Hirnmiflbildung nicht nur die Frage vor- legen miissen: Ist sie idiogen (aus im~erer) oder ist sie peristatisch (aus ~ul~erer Ursache) zustande gekommen, sondern auch: Handelt es sich um eine peristatische Hemmungsmii~bildung durch den Wegfall yon Bildungsreizen oder urn eine Umbildung nach ZerstSrung der bereits angelegten Struktur ? Denn wir miissen nunmehr ja grunds~tzlich damit rechnen, dal~ eine vor der Hirnreifung ansetzende Noxe zu Bildern fiihren kann, die durch Rfickformung des betreffenden Tells auf die Zeit vor seiner Terminationsperiode eine Agnesie nur vort~uscht. Zwar ist man heute ganz allgemein sehr viel eher geneigt, das peristatische

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Moment mehr in den Vordergrund zu rficken (vgl. z. B. die Bi3c~N]~R- schen Untersuehungen fiber die Einwirkung des Sauerstoffmangels auf die Keimentwicklung). Aber es scheint doch wesentlich, diese Ent- stehung peristatischer ,,Pseudoagenesie" in der beschriebenen Weise als grunds~tzliche biologische ~eaktions/orm eines erweiterten Regenerations- verm6gens des Organismus zu verstehen und damit aus dem Bereich der nicht berechenbaren Zuf~lligkeiten herauszuheben 1.

Zusammen/assung. 1. Wenn bei neugeborenen Hunden wenige Tage nach der Geburt

dutch Injektion einer Paraffin-01mischung in die Carotis eine Hemi- sh~re zum Einschmelzen gebracht wird, so kommt es schon nach a/~ Jah- ren zum vSlligen degenerativen Schwund aller der Hirnteile, die yon den ausgeschalteten Strukturen abh~ngig sind. Es entstehen dadurch gr56ere Bezirke, die an Markfasern so stark verarmt sind, da6 die wenigen ver- bliebenen Fasern sich von ihrer Umgebung ausgezeichnet abheben. Sie lassen sich dadurch nahezu ebenso leicht verfolgen, wie sonst nur degene- rierende Fasern mittels der MARcHI-Methode.

2. Es wird auf ein schmales, aber sehr deutliches Faserbfindel auf- merksam gemacht, das gut sichtbar an der Aul~enfl~che des faserarmen Thalamus vorbei yon der Retina zum oralen Zweihfigel verl~uft und seiner relativen M~chtigkeit wegen eine Eigenbenennung verdient hat: Tractus retino-tectalis. Es handelt sich um die bei Carnivoren an Bedeu- tung schon stark abnehmenden phylogenetisch alte Sehbahn zu den auf niederen Stufen allein bedeutsamen Sehzentren.

3. In der Massa intermedia heben sich Kommissurenfasern ab, die offenbar die beiden Lateralkerne des Thalamus miteinander verbinden. ~ber diese, wahrscheinlich bis herauf zu den t)rimaten (Macacen) kon- stante, beim Menschen abet sehr variable Thalamuskommissur diirften nach einseitiger Entrindung transneuronale Degenerationseinflfisse im kontralateralen Thalamus wirksam werden. Da diese Ver~tnderungen aber nur reversibler Natur sind, darf die funktionelle Bedeutung der Commis- sura media als gering veran£ehlagt werden.

4. Nucl. ruber und oraler Zweihfigel sind neben den bekannten gleichseitigen und gekreuzten rubrotectalen Verbindungen noch dutch einen gekreuzten Faserzug verknfipft, der sich voriibergehend der yen-

1 DaI3 solche Vorgi~nge beim neugeborenen I-hnd auch noch nach der Geburt, beim Menschen aber woht nur bei einem friiheren Sch~digungstermizl mSglich sind, wundert uns nicht, da das phylo- und das ontogenetische Prinzip in einem Er- g~nzungsverh~ltnis zu einander stehen: Alle Ablaufsformen, bei denen das Ent- wicklungsalter iiberhaupt yon Bedeutung ist, kommen auf phylogenetischen :Friih- stufen auch in der sp~teren Ontogenese vor, auf phylogenetischen Sp~tstufen aber nur dann, wenn sie entsprechend friiher angestoBen werden; siehe hierzu auch I-1. BECKER 1952.

26*

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tralen Haubenkreuzung anschlieSt und sich dann um den kontralateralen Ruber herum nach dorsal wendet : Fasciculus rubro-tectalis ventralis.

5. Zwisehen dem Nucl. entopeduncularis und einem erhaltenen Kern- rest der Subst. nigra lassen sich Fasern naehweisen, die nigropetal ver- laufen diirften. Sie stellen wahrseheinlich ein Teilbiindel der Fasernng zwischen Pallidum und Nigra dar, die, im Gegensatz zu der heute iiber- wiegend nigrofugal vermuteten Leitungsrichtung, nigropetal verlaufen dfirfte und als Fasciculus pallido-nigralis bezeichnet wird.

6. Es wird ein diencephales Teilbiindel der zentralen Haubenbahn be- schrieben, das nur aus Resten des Subthalamus und aus laterocaudalen Anteilen des nicht mehr ausgesprochen markarmen Hypothalamus (Area hypothalamica lat.), und zwar wahrscheinlich aus beiden gemeinsam, s tammen kann.

7. Das Fehlen einer Seitendi//erenz der Briickenarme trotz ausgedehnter Degeneration des Briicken/uflgrau wird damit erkl/~rt, dab der Faser- verlauf des Tractus ponto-cerebellaris in den Briickenarmen auf den phylogenetisch tieferen Stufen zu einem grSl3eren Prozentsatz ein homo- lateraler ist, als beim Menschen, und dal~ ein Teil der aus den Briicken- fui~kernen entspringenden Fasern fiberhaupt nicht zum Briickenarm gelangt. Von wesentlicher Bedeutung scheint auch die Variabilit/~t der Faserkreuzung im Brfickenarm zu sein, da gelegentlich bei (neugeborenen) Carnivoren eine Brfickenarmatrophie beobachtet wird (v. MO~AKOW). Eine Variabilitdt der Kreuzungen schlechthin diir/te in der Phylogenese besonders dort ausgeprdgt sein, wo die betre//enden Strukturen einer stdrkeren Umbildung unterworfen sind.

8. Im Bereich des sog. Riechsystems werden 2 Faserkreuzungen be- schrieben: Die eine im Fornix longus zwischen sekund~ren (Septum) und terti~ren Riechzonen (Ammonshorn), die andere im Fornix selbst, und zwar in seiner vorderen, vom Psslterium getrennten Kommissur. Diese letztere Kreuzung stellt eine Verbindung zwischen Ammonshorn und Epithalamus her.

Vielfache und teilweise zur Gegenseite hinfiber wechselnde Verbin- dungen sind, ebenso wie auch hgutiger unterbrochene Neuronenketten, ganz allgemein ein Kennzeichen fiir solche Strukturen, die primordialen Leistungen dienen. Die Zahl der Kreuzungen und Kommissuren im sog. Riechsystem vermindert sich in der aufsteigenden Tierreihe nur un- wesentlich, trotz der sicherlich stark abnehmenden Bedeutung der Riech- funktion und des Oralsinnes. Das steht im Einklang mit dem Fehlen einer Reduktion des Ammonshorns, des C. Mamillare und des Epithala- mus, sowie mit der an anderem Ort bewiesenen Zu- und nicht Abnahme der funktionellen Bedeutung der Ammonshorn --~ Mamillare--* Tha- lamus--~ Rindenverbindung. Da an der Bedeutung der Mamillark6rper- l~sionen ffir das klinische Bild des amnestischen Syndroms nicht zu

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zweifeln ist, wird versucht, diesen Zusammenhang v o n d e r Phylogenese des Oralsinnes her zu entwickeln: Die urspriinglich dem Oralsinn dienen- den S t ruk tu ren sind einem Leistungswandel unterworfen, durch den sie (neben anderen !) beim Menschen tiberwiegend zu mnest ischen Leistungen Beziehung haben (ohne dal~ m a n das Merken dor thin ,,lokalisieren" diirfte).

9. Bei Liisionen vor der Hirnrei]ung k6nnen bereits angelegte Struk'turen spurlos beseitigt werden, z. B. die Pyramidenbahn; das Ergebnis dieser Umwand lung wird als ,,Pseudoagenesie" bezeichnet. Es kSnnen ferner Umstrukturierungen s ta t thaben , die die Verhi~ltnisse ]ri~herer phylo- und ontogenetischer Stadien wieder herstellen. So ist der Schwund des Balkens mit einer Umgestaltung des Induseum griseum zu einer Rindenformat ion vom Ammonsho rn typ ve rbunden (Stufe der Beutelt iere bLw. mensch- licher Keime von 60 m m Scheitel-Stei~lange).

Bei dem pos tna ta len Balkenschwund beim H u n d bleibt ein L~ngs- fasersystem zuriick, das an das Balkenl~ingsbiindel der menschlichen F~lle von Balkenmangel er innert . Es wird die Frage zur Diskussion gestellt, ob n icht beim angeborenen Balkenmangel das Balkenl~ngs- bfindel ebenso aus normal angelegten Fasern bestehen k5nnte , wie bei dem postnata l en t s t andenen Balkenschwund des Hundes.

10. Auch das Wiederau]treten der nur niederen Wirbel t ieren und menschlichen Fe ten eigenti imlichen Fissura telodiencephalica stellt eine Umst ruk tu r i e rung auf friihere Entwicklungss tad ien dar.

11. Diese nach der Geburt , aber noch vor der Hirnrei fung s tat t - f indenden Umformungen werden unter Heranziehung experimental- zoologischer Li te ra tur als grunds~itzliche Reaktions]ormen eines erweiterten Regenerationsverm6gens gedeutet.

L i t e r a t u r .

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