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104 III. Zur Casuistih des Cretinismus. Von Prof. His in Basel. (ttierzu Tar. ll.) Zu Beginn des Jahres 1859 erhielt ich aus dem Spitale einer benachbarten Stadt die Leiche eines cretinenhaften Individuums, tiber die ich mir erlaube im Nachfolgenden einige N0tizen mitzutheilen. Das Individuum hatte, den stattgehabten Erkundigungen zu Fo]ge, ein Alter veil 58 Jahren el;reicht; tiber seine sonstigen Lebensver- hliltnisse bin ich nicht im Stande gewesen, etwas Niiheres zu er- fabren. Was zun~ichst an der Leiche aufffillt, das ist neben der Kleinheit des E6rpers und tier Gliedmaassen, sowie neben einer betr~ichtlichen Kfirze des ttalses ein sehr m~chtiger~ insbesondere sehr breiter Kopf. Der Umfang des Kopfes wird scheinbar noch vermehrt durch einen starken unter dem Kinn sich wegziehenden Fettwulst~ sowie dadurch, dass yon der Parotidengegend aus nach abwiirts eine weich an- zuffihlende Geschwulst sich vortreibt, die lout der weiteren Untersuchung yon der hypertrophischen Parotis gebildet ist. Die Nase ist auffailend breit. Kurz~ eine Aufwulstung der hugenlider und der Lippen, wie man sie sonst bei Cretjnen zu beobachten pflegt, ist nicht vorl~anden, ebensowenig als eine Vortreibung der Zunge. Kropf ist keiner da. -- Der Kbrper crscheint ira Ganzen wohigeniihrt; die Haut ist sehr glatt und zart und auffallend schwach bel!aart. An l~inn und Oberlippe finden sich einige splirliche diinne Haare (~ihnlich etwa wie bei einer /illern Frau). Brust und AchseIgrube sind v611ig unbehaart; der Mons Veneris tr~igt nur einige vereinzeite l~ingere Haare; die feine Behaarung der iibrigen Haut des Rumples ]st i~usserst kurz, an den Extremit/iten fehlt sie anscheinend ~anz. Die Augbraunen bestehen gteichfalls nur aus sp5rlichen kurzen Haaren, wogegen tier Scheitel zwar mit ziemlich reichlichen, dabei aber kurzen und ausserordentlich weiehen und diin- hen Haaren bedeckt ist. -- Die Brustwarze ist sehr klein ~_ ", weiss. Die /iusseren Genitalien ordentlich entwickelt, das Priiputium zurfickgeschlagen. Die Maasse-des Kbrpers sind folgende: Lfinge des ganzen l~6rpers yore Scheite! bis Sohle . . . . . . 1200 Mm. Lange des Rumples vom Manubr. sterni his Symphysis pub. 45ff -

Zur Casuistik des Cretinismus

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Page 1: Zur Casuistik des Cretinismus

104

III.

Zur Casuistih des Cretinismus.

Von Prof . H i s in Basel .

(ttierzu Tar. ll.)

Z u Beg inn des J ah re s 1859 erh ie l t ich aus d e m Spi ta le e i n e r

b e n a c h b a r t e n S tad t die Le iche e ines c r e t i nenha f t en I n d i v i d u u m s , t iber

die ich mi r e r l a u b e im Nach fo lgenden e in ige N0t izen mi tzu the i l en .

Das I n d i v i d u u m h a t t e , den s t a t t gehab t en E r k u n d i g u n g e n zu F o ] g e ,

e in Alter veil 58 J ah ren e l ; re icht ; t iber s e i n e s o n s t i g e n L e b e n s v e r -

h l i l tn isse b in ich n ich t im S t ande g e w e s e n , e twas Niiheres zu e r -

fabren.

Was zun~ichst an der Leiche aufffillt, das ist neben der Kleinheit des E6rpers und tier Gliedmaassen, sowie neben einer betr~ichtlichen Kfirze des ttalses ein sehr m~chtiger~ insbesondere sehr breiter Kopf. Der Umfang des Kopfes wird scheinbar noch vermehrt durch einen starken unter dem Kinn sich wegziehenden Fettwulst~ sowie dadurch, dass yon der Parotidengegend aus nach abwiirts eine weich an- zuffihlende Geschwulst sich vortreibt, die lout der weiteren Untersuchung yon der hypertrophischen Parotis gebildet ist. Die Nase ist auffailend breit. Kurz~ eine Aufwulstung der hugenlider und der Lippen, wie man sie sonst bei Cretjnen zu beobachten pflegt, ist nicht vorl~anden, ebensowenig als eine Vortreibung der Zunge. Kropf ist keiner da. - - Der Kbrper crscheint ira Ganzen wohigeniihrt; die Haut ist sehr glatt und zart und auffallend schwach bel!aart. An l~inn und Oberlippe finden sich einige splirliche diinne Haare (~ihnlich etwa wie bei einer /illern Frau). Brust und AchseIgrube sind v611ig unbehaart; der Mons Veneris tr~igt nur einige vereinzeite l~ingere Haare; die feine Behaarung der iibrigen Haut des Rumples ]st i~usserst kurz, an den Extremit/iten fehlt sie anscheinend ~anz. Die Augbraunen bestehen gteichfalls nur aus sp5rlichen kurzen Haaren, wogegen tier Scheitel zwar mit ziemlich reichlichen, dabei aber kurzen und ausserordentlich weiehen und diin- hen Haaren bedeckt ist. - - Die Brustwarze ist sehr klein ~_ ", weiss. Die /iusseren Genitalien ordentlich entwickelt, das Priiputium zurfickgeschlagen.

Die Maasse-des Kbrpers sind folgende: Lfinge des ganzen l~6rpers yore Scheite! bis Sohle . . . . . . 1200 Mm. Lange des Rumples vom Manubr. sterni his Symphysis pub. 45ff -

Page 2: Zur Casuistik des Cretinismus

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Abstand beider Acromien yon einander . . . . . . . . . 330 Mm. Abstand der zwei Spinae ant. sup. oss. ilei . . . . . . . . 235

Abstand der zwei grossen Troehanteren . . . . . . . . . :270

L/inge des ganzen Armes mit sammt der Hand . . . . . . . 600 n~imlieh Liinge des Oberarms . . . . . . . . 240 Mm.

- 1~orderarras . . . . . . . 210 - der Hand his zur Spitze yore l~littelfinger 150 -

L/inge des Beines vora Trochant raajor his zur Fnsssohle fi80 - niiralich Lange des Oberschenkels . . . . . . 310 Mm.

Unterschenkels his zur Sohle 370 -

Urafang des HaIses . . . . . . . . . . . . . . . 365 - Umfang des Kopfes fiber den Augenh61den gemessen . . . : . 500 - Umfang des Kopfes in der Gegend des Proe. mastoid . . . . . 530 - HSbe des Gesichts~ yore I(inn bis zum Beginn derBebaarung des Scbeitels 200

Abstand des [(inn~ yon der Nasenwurzel . . . . . . . . . 113 L/inge der Nose yon der Wurzel zur Spitze . . . . . . . . 30 Breite derselben yon einem Nasenfliigel zum andern . . . . . 45

Die Seclion ergab folgende Verbilltaisse: Sebr grosser Fettreichthum des Pa-

niculus adiposus. Die ~luscdlatur des K~irpers ist darcbweg blass uiid welch; die einzelnen Muskelbiindel fallen leicbt anseinander, als ob sic macerirt waren; im Uebrigen erscheinen die Muskeln trocken. Einige weiche Gescliwfilste, die an den

Bauchdecken oberbalb des Nabels wahrnehmbar sind~ erweisen sich als Vorf~lle des sebr fettreichen Omentura dorch die Bauchmusculatur hindurch.

Bei ErSffnung der BaucbbShle zeigte sich sowobl im Oraentum ats im Mesen- teriura eine ra/ichtige Fettentwicklung, die ~anz derjenigen entspricht, die sicb schon ira Paniculus adip. rutland.

Die Lagerangsverh~iltnisse der Baucheingeweide zeigen nichts Abnormes ausser einer betr/ichtlichen Ausdebnung der Harnblas% die his i�89 Finger breit unterhatb

des Nabels reicht u n d die ouch nacb hinten bin einen entsprechenden Raura ein- nimrat. Auch dos Coecura zeichnet sieh durch eine starke Entwickelung aus. Ira

Uebrigen zeigen Magen, Darm, Leber, Mesenterialdr~isen und Niqren nichts Unge- wShnliches, die Milz ist klein und derb. Die Aorta abdominalis und die Arteria

iliaca zeigen rcicblicbe verkalkte Stellen; die letzteren Geflisse fallen auf dutch il~ren gewundenen Verlanf. Das Blut in den Abdominalvenen ist d/innflfissig dun-

kelroth.

Die Besichtigung der Brusth6ble ergab ein kleines~ stark zusammengezogenes Herz, in dessert ]inken Ventrike] etwas Cruor, in dessert rechtera wen~g speckh/iu- tiges Gerinnset, des einzigen im ganzen l~Srper, sieh rutland. Die Lungen sind

collabirt~ dunkelblaurotl b a u s den Bronchien eine schanraige Ftfissigkeit entleerend. Yon .einer Tbyrausdr/ise feblt jegliehe Spur. - - Die Schilddrfise ist nicbt hyper- trophisch: sunderu sie zeichnete sich ira Gegentbeil durch excessive Kleinheit aus.

Die ErSlti~ung der Sch/idelh6hle ergab zun/ichst starke Anffillung der Sinus, sowie die Geftisse der Pin mater rait. dunklem dfinnfl~issigen Blur. Das Gehirn

wog 1&92 Grammes~ also ungewShnlieh gross. - - Dabei war es aber ganz a u s -

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nehmend weieh, so dass schon beim Herausnehmen trotz aller Sorgfait die me- duIfa oblongata abriss und weiterhin fiel beim Auflegen auf einer Platte und beim Anfertigen yon Durchschnitten das Organ v61tig auseinander. Es war dan Itirn s:fmme- trisch gebaut, die Gyri schmal und abgeflacht; auf den Durchschnitt markirte sieh die Gr/inze yon grauer und weisser Substanz sehr seharf, indem die an/imisch weisse Substanz unter das Niveau der Schnittfl~.ehe einsank, wfihrend die graue Substanz prominent blieb. Die Breite der grauen Rinde betrug am Grosshirn in der Tiefe der Sulci nur 2�89 auf der HShe der Windungen 3 - - 3 4 Mm. Am Cerebellum be- trug die Brei/e der grauen Binde nut I mm. - - Die Yentrikel des Grosshirns scheinen etwas erweitert zu sein, indess jedenfalls nut unbetr~ichtlich~ sic enthalten einige Tropfen ser6ser Flfissigkeit.

B e s c h r e i b u u g de s S k e l e t t e s . Mit Ausnahme des Schadeldaches~ das

dutch seine t;rSsse nicht minder, als dutch seine Dicke und Festigkeit sich aus-

zeiehnet~ zeigt das fibrige Knocbengerfiste, wie dies die folgende Beschreibung er- geben wird, noeh einen merkwiirdig ju~,enilen Charakter. Die meisten Knochen

sind dabei ungew6hnlich arm an eigentliclien Knoehengewebe; so besteben be-

sonders die oberen Wirbelk6rper gar nicht aus einer compacten I~nochenmasse,

sondern theilweise nur aus einem Conglomerat yon KnochenkSrnern~ die beim ma- ceriren grossentheils auseinander fallen. So zeigen sich aueh die ScbenkelkSpfe aus eine~" sehr morschen, dem maceriren nicht Stand haltenden masse gebildet; ~hnlicb verha[ten sich die Rippenk6pfchen, w,~hrend die Rinde der Rippenk6rper papierdiinn und mit dem Finger ieicht eindr~ickbar ist.

Die L~nge tier ganzen Wirbelsiiule yore Atlas bls Steissbeinspitze betragt am ma- eerirten Skelett . . . . . . . . . . . . . . 470 ram.

Die ttShe der untersten 4 IlalswirbelkSrper nur . . . . . . 5--f i Bin der obersten 2 Brustwirbelk6rper nut . . . . . . . . 7 - Nach abw~,rts nimmt dieselbe zu erreicht erst t 0 - - t 2 und schliesslieh Ifi -

Bie ttShe {let LendenwirbelkSrper betr~igt nur . . . . . . 1 6 ~ 1 8 - Am Kreuz- und Steissbein sind s~mmtliebe Wirbel auf alas vollstfindigste yon

einander getrennt~ mit Ausnahme der 2 obern hreuzbeinwirhel, die mittelst ihrer Querforts~tze ~ unter einander fester zusammenhfingen. Die Rippen sind entspre-

chend tier Entwieklung tier Wirbels5ule nur sehr diinn und schwach. Die grSsste ItShe der mittleren Bippen betr@t . . . . . . . 1 1 ram. Die grSsste Diclee - �9 . . . . . . 5 Bas Brustbein besitzt eine Liinge yon . . . . . . . . . . 117 -

Es besteht 'aus # durch S)nchondrose ~'erbundenen Stiicken; der Processus xi- phoideus ist nur durch due geringe hnorpelmasse reprasentirt, die Scapula iSt in tier mitte papierd~inn, der untere Winkel sowohl als der obere sind noch knorp- lig und enthalten theilweise kSrnige Knochenkerne; analog verb/lit sicl~ wenigstens auf tier linken Seite die Fossa gleno~dalis; der Processus coraeoideus stellt ein ge- sondertes gleichfalIs unregelm~issig bSckriges Knochenstfiek da% durch eine Naht yon der ~ibrigen Scapula sieh abhebeud.

I)i~ HShe der Scapula yore untern nnd obern Winkel bctrfigt: . 123 Mm.

Die ~'~sste Breita yon tier Wurzel der Spina soap. his zur Fossa. glenoid. 80 -

Page 5: Zur Casuistik des Cretinismus

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Der Humerus zeJgt starke Muskelrauhigkeiten, im Uebrigen ist er wohlgebildet und gerade, die Verschmelzung yon Epipbyse und Diapbyse ist wenigstens am un- tern Ende keineswegs ~ol)endet.

Die L~nge betriigt am trockr)en lfnoehen . . . . . . . . . ~15 Mm.

Die Knochen des Vorderarras sind sehwach, aber gut gebauI, das Oleeranori und alas Capitulum radii sind mit deu entsprechenden Diaphysen nicht verwaeh- sen, ebenso stellen sich die unterrt Epipbysen noeh als gesonderte St/ieke dar.

Die L/inge yore Cap. radii bis zum Handgelenke ist . . . . . 165 Mm. Die Hand bietet Nichts beraerkenswertlras; die Rnoehen sind ira Vergieidb zu

raanehen andern Skelettlheilen feat gebaut.

L~inge der Hand . . . . . . . . . . . . . . . . t35 Mra.

Am Os innorainatum ist die Trennung der 3 Knoehen noeh vollst/indig er-

balten. Die Crista ilei ist kuorplig und enth~ilt einen h~iekrigen $ti'eif yon Kno-

chensubstanz; dasselbe zeigt sich am Tuber isehii und am vordern Rande des Ra- mus aseendens dieses Knoehens. Ira Uebrigen zeigen die Beekenknoehen Niehts besonderes.

H6be des Os innonim, yore Tuber ischii zur Mitte der Crista ilei 175 Mm. Gr6sster Abstand beider Darmbeingr/iten . . . . . . . . . 205

Liinge der Coujugata . . . . . . . . . . . . . . . 80 - Das Femur im Ganzen wolff gebaut und gerade. Die Sehenkelk6pfe sind bei-

derseits durcb einen besondern Kern gebildet, der am rnaeerirten Praparate links aus mehreren vSllig zusammenhanglosen Stiieken besteht, ebenso zeigt sieh am untern Ende des Femur eine besondere, rait der l)iaphyse nur unvollstandig ver- schraolzene Platte.

LUnge des Femur yon Trochanter bis Condylus . . . . . . . 310 Mm.

Umfang der Diaphyse in der l~iitle . . . . . . . . . . . fi5 Mm. Tibia und Fibula sind gleicbfalls gerade nnd wahlgebildet; die beiden Geler~ks-

enden der ersteren S:tellen sieh als diinne rait der Diaphyse unvoll st~ir~dig verwach-

senen Platten dar. Ebenso wird yon der Fibula der Malleolus externus dutch ein besonderes Stiick reprfisentirt.

Die Lttnge der Tibia his zum Sprunggelenk betrtigt . . . . . 250 Mm. Ueber den Fuss ist Nicbts zu bemerken, er ist wohl gebaut; *vie an der

Hand so Sitad aueh bier die Epiphysen der Phalangen mit den Diaphysen allent- ha!ben verwacbsen.

Die LUnge des Fusses betragt . . . . . . . . . . . . t 85 Mra. Am Seb~idel f~illt zun~.ehst die bedeutende Entwieklung des Hirnseh~idels ge-

geniiber dem Ges~chtsscb/ideI auf. W~brend ersterer Iaut den nacbfolgenden Maas- sen die Mittelforra unseres Landes in den meistea l}imeasionen besonders in der Breite und ira L/ingenumfan'g (ibertrifft, zeigen die Gesichtsknoehen und theilweise aueh die der Sch~idelbasis Dimensionea, die elner frfiheren Altersstafe entsprecben.

l)ureb dieses Missverb~iltniss in der Entwieklung yon Him- und Gesiclatssehiidel kommt ein ausgezeichneter Orthognathismus zu Stande (Camper'sche Gesichts- winkel 81 Grad). lm Folgenden sind die Maasse des Schiideldaehes des fragtichen

lndividuums in Golonnel. aufgefiihrt. Colonne II. enthalt blittelwerthe, die aus

Page 6: Zur Casuistik des Cretinismus

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den blessungen yon 9 Sehiideln der deutsehen Sehweiz bereehnet stud. Bet den

Maassen der Liingen und H6hen ist als Horizontalebene eine Ebene angenommen,

die den hintern Rand des Foramen magnum mit der St~ina nasal, ant. verbindet.

Die Messung dieser Werthe geschah an den naeh der L u c a e ' s c h e n Methode auf-

genommenen Zeichnungen :

I. lI.

Gr~Ssste Li~nge auf die Horizontale projicirt . . . . . . 173Mm. 174 Mm.

GrSsste HShe fiber der ltorizontalen . . . . . . . 137 136~

GrSsste Breite . . . . . . . . . . . . . . 154 - 144

Breite der Stirn I Cm. fiber dem Orbitalrand . . . . i 0 5 - 96

Gr6sster Ltingenumfang des Sehfideldachs . . . . . 525 - 508

Scheitelbogen (yon Nasenwurzel his For. magnum) 365 - 359

Bogen yon Nasenwurzel bis zum hnfang der Pfeilnaht ] 33 - 124,6 -

Lfinge der Pfeilnath . . . . . . . . . . . . 120 - 123,'2- -

Bogen yore Ende tier Pfeilnath bis zmn For. magn. 112 - 110,6 -

Ouerer hbstand bolder Processus mastoidei . . . . 124 - 123

L~inge des Bogens, der diese beiden Fortsiitze verbindet 360 - 328

Bie linoehen, welche alas Bach des Hinaseh~idels bilden Stirnbein, Scheitelbein

und I4interhauptsschuppe sind dimmlich sehr s lark , nieht nur ,tel dicker, sondern

auch viel sehwerer als normal, die Diploe hat ganz einem compacten Knochen-

gewebe Platz gemacht. Auch die Nahtverbindungen dieser linochen obwohl noch

(iberall deutlich ausgepr/igt sind sehr fester Natur. Ganz anders verhiilt es sich

mit den Knochen der Schiidelbasis, diese sind unter einander und mit den Kno-

chen des Schiideldachs so lose verbunden~ dass sie yore durchschnittenen macerir-

ten Sch/idel ohne Miihe aus ihren Verbindungen zu 15sen stud. Aehnlich geloekerte

Verbindungen zeigen auch die Gesichtsknochen unter einander. Was die Dimen-

sionen der mittlern hbschnitte der Sch/idelbasis betrifft, so giebt der beigelegte

nach der L u e a e ' sehen Methode k i t absoluter Genauigkeit gezeichnete Durchschnilt,

sowie die nachstehende Tabelle Aufsehluss. Die Maasse der telztern sind miiglichst

nach den Principien ausgefiihrt, die V i r c h n w in seinem Bueh tiber die Enlwiek-

lung des Sch/iddgrundes p. 63 u . f . angiebt. - - Rubrik t. enthii/t wiederum die

Maasse meines Sch/idels. Rubrik ll. die ~,on V i r c h o w bestimmten Normalmaasse.

Bubrik IIl. die yon dem letztern angegebenen Maasse eines 53jiihrigen Cretinschiidels.

I,

L~inge des Siebbeines . . . . . . . . . 2~Mm.

Liinge des l~eilbeines (No.l . in mittlerer ttShe

gemessen) . . . . . . . . . . 30 -

L~nge des HinterhauptkSrpers . . . . . . 23 -

Enffernung des For. magn. yore Spina nasal, ant. 8 7 ' -

Enlfern. des For. magn. ~om Ansatz der Nasenbeine 9 2 -

Entfern. des For. magn. ~'om Fossa pituitaria . 32 -

Entfern. des For. magn. yore Tuberculum ephippii 44 -

Entfern. der ~asenwnrzel yore S),nostosis spheno-

ocr . . . . . . . . . . . . 71 -

II, l l I .

30Mm. 34Mm,

33 - 27 -

27 - 21 -

92 - 91 -

100 - 9 1 -

3 7 - 26 -

.t7 - 38 -

80 - 77 -

Page 7: Zur Casuistik des Cretinismus

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Fnffern. der Nasenwurzel yore Tuberculum ephippii 56 Mm. Entfern. der Nasenwurzel yore Oberkiderboden 45 - Durchmesser des Foremen magnum . . . . 3fi - Winkel an der Nasenwurzel . . . . . . 61" Winkel am Oberkiefer . . . . . . . . 90" Winkel am Itinterhauptsloche . . . . . . ~8" Winkel des Clivus gegen die Ebene des For. magn. 1~9'

*) a b

Winkel des Hinterhaupts gegen das lleilbein 149 ~ 1320

i l l Mm. 57 Mm. 54 - ' 51 - 35 - 3fi - 63 ~ 67 ~ 880 86 ~ 3~' 280

140" I~6 ~

143" 1t8 ~'

Aus den angegebenen Maassen, sowohl als aus dem Betrachten

der Zeichnung ergiebt sich, dass die Sch~idelbasis unseres Indivi-

duums um ein ziemliches unter dem Mittelmaasse geblieben ist ;

sowohi Pars basilaris des Hinterhauptknoehens , als KeilbeinkiJrper

und besonde r s das Siebbein sind relativ zu kurz. Es erscheint

dies um so auffallender, als die Synchondrose zwischen Hinter-

haupt und KeilbeinkUrper viSllig unverkMJehert is t , wie dies so-

wohl senkreehte als Ouerschnit te zeigen. Es sind also die Kno-

chert der Basis ~ihnliehen Bedingungen eines verkUmmerten Wachs-

thums unter legen , wie die Kn0ehen am Rumpf und Extremit~iten-

skelett. - - Ich schl iesse dem Mitgetheilten noch einige Worte fiber

das Kiefergeriist a n :

Dieses zeigte ein eigenthiimliches Gemisch yon sen~lem and yon infantilem Charakter. Die Aiveolarforts~,tze fehten am Ober- and Unterkiefer beinahe total. Am linken Oberkiefer liegt die Stelle, wo die Zahne sitzen sollten in einer Ebene mit dem harten Gaumen and zeigte eine unregeim/issig narbige Flache, yon tier sich nicht entseheiden l~isst, ob sie jemals Zahne getragen hat. Reehts finden sich an der Stelle, die den Backzfihnen entspricht einige seichte Gruben, die ver- kr[ippelten Zabnstummeln zur Aufnahme gedient hatten. Schneidezabne sind/iusser- lich keine sichtbar, dagegen erkannte man hoeb oben im Kiefer die wohla-usgebil- dete l~rone 'des reehten Eckzabnes. Der Unterkiefer birgt in seinem etwas bShera Mittelst~ck 3 bleibende Schneidez~hne, die nie zum l)urehbruch gek0mmen waren und fiber welchen einige absolat kriippe]hafte Milchzahnchen sassen. Die Seiten- st/icke des Unterkiefers sind ganz zahnlos and nnterscheiden sich im Allgemeinen nicht yon den entsprechenden Tbeilen eines seniien lfiefers, blos erblickt man auf der linken Seite einen nicht zum Durcbbruch gelangten Weisheitszahn.

Im Ganzen bietet also tier eben besehr iebene Fall ein Beispiel

einer Entwicke lungshemmung, die sieh in ers ter Linie am Knochen-

*) Bei a ist der Winkel verzeiehnet, den die Axe des Os basil, mit der mittlern Axe des KeilbeinkSrpers macht, bei b der Winkel, den dieselbe Linie mit der Oberflfiche des vordern Keilbeink6rpers bildet,

Page 8: Zur Casuistik des Cretinismus

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s?stem, weiterhin auch an der Itaut und theilweise am Muskel- s?stem schlirfer auspr~igte. - - Das Gehirn nebst seinem Geh~iuse zeigte zwar eine die ~orm tibersehreitendc Gri~sse, dagegen l~isst

die ungewiihnliche Weichheit jenes Organes und die wie es scheint geringe Entwieklung der grauen Substanz der Vermuthung Spiel-~ raum, dass bloss die untergeordneten bindegewebigen Bestandtheile

des Organes es sind, die eine ausgiebigere Entwicklung erfahren haben. Die Bildung des Schiidels bietet insofern ein besonderes lnteresse, als sie zeigte, dass die Basis auch ohne vorzeitige Sy- nostosen bios in Folge retardirten Wachsthums der Knochen und Knorpel eine Verktlrzung erfahren kann.

Iu

Sectionen yon Schwerh{ rigen.

Yon Dr. V o l t o l i n i , Kreis-Ph?sikus a. D. in Breslau.

tk Vbwohl es nicht zu liiugnen ist, dass durch die zahlreichen

Untersuchungen yon J o s e p h T o ? n b e e in London eine patholo- gische Anatomie des Ohres geschaffen worden ist (A descriptive Catalogue of preparations illustrative of the diseases of the ear in the museum of J o s e p h To~/nhee , London 1857), so kann man doch nicht umhin, bei aller hnerkennung, die man seiner Arbeit zollen muss, zugestehen, dass sie for die Pathotogie des Ohres sehr wenig geleistet haben. Es kommt in der Ohrenheilkunde, wie iiberhanpt in der Heilkunde darauf an, die pathologischen Vorg~inge am Kranken diagnosticiren zu kiinnen, also S?mptome aufzufinden, welche den pathologisch-anatomischen Ver~inderungen entsprechen. Hierzu ist aber eine genaue Untersuchung des Kranken nothwendig, um dann dutch die Leichcnuntersuchung die S?mptome erklliren zu kiinnen. In dieser Beziehung ist aber der Mangel der T o ? n - hee'schen Schrift sehr ftihllaar, denn es geht aus derselben nicht