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Dienstgebäude Karl-Friedrich-Straße 17 · 76133 Karlsruhe ·Telefon 0721 926 0 · Fax 0721 93340252 [email protected] · www.rp.baden-wuerttemberg.de · www.service-bw.de ÖPNV Haltestelle Marktplatz · Parkmöglichkeit Schlossplatz Tiefgarage REGIERUNGSPRÄSIDIUM KARLSRUHE ABTEILUNG 5 - UMWELT Würdigung Naturschutzgebiet „Streuobstwiesen Kleingemünd“ Stadt Neckargemünd, Gemarkung Neckargemünd, Rhein-Neckar-Kreis Vom Körnerbock besiedelte und zu seinem Schutz geborgene Obstbaumstämme Aufnahme Körnerbock: F. Geller-Grimm Landschaftsaufnahme: S. Koslowski, 11.04.2011

Würdigung Naturschutzgebiet „Streuobstwiesen Kleingemünd ... · 6 Biotoptyp 2 Bezeichnung RL BW 3 [ha] 41.10 Feldgehölz V 0,476 41.22 Feldhecke mittlerer Standorte 3 0,244 42.20

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REGIERUNGSPRÄSIDIUM KARLSRUHE ABTEILUNG 5 - UMWELT

Würdigung

Naturschutzgebiet „Streuobstwiesen Kleingemünd“

Stadt Neckargemünd, Gemarkung Neckargemünd,

Rhein-Neckar-Kreis

Vom Körnerbock besiedelte und zu seinem Schutz geborgene Obstbaumstämme Aufnahme Körnerbock: F. Geller-Grimm Landschaftsaufnahme: S. Koslowski, 11.04.2011

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Inhalt

1. Einleitung und Aufgabenstellung 3

2. Zusammenfassung 3

3. Gebietsbeschreibung 4

3.1 Lage, Naturräumlich Zuordnung, Böden, potentielle natürliche

Vegetation und Klima

4

3.2 Größe, Besitzverhältnisse und aktuelle Nutzung 4

3.3 Derzeitiger Schutzstatus, Regional- und Flächennutzungsplan 5

4. Wertgebende Biotoptypen 5

4.1 Wiesen 6

4.2 Einzelbäume 8

4.3 Baumgruppen 9

4.4 Feldgehölze und Feldhecken 9

4.5 Gebüsche 10

4.6 Trockenmauer 11

4.7 Wald 11

5. Fauna 12

5.1 Avifauna 12

5.2 Fledermäuse 14

5.3 Heuschrecken 15

5.4 Tagfalter und Widderchen 16

5.5 Xylobionte Käfer 17

6. Schutzwürdigkeit 20

7. Schutzbedürftigkeit 20

8. Schutzzweck 21

9. Besondere Verbote der Verordnung 22

10. Pflege und Entwicklung 23

� Literaturverzeichnis 27

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1. Einleitung und Aufgabenstellung

Wer durch die herrlichen Streuobstwiesen östlich von Kleingemünd wandert, stößt auf

merkwürdige Skulpturen aus zusammengebundenen Baumstämmen. Es handelt sich nicht

um Kunstwerke, die etwa den Niedergang der Streuobst-Wiesen symbolisieren sollen,

sondern im Gegenteil um Rettungsmaßnahmen für einen ihrer Bewohner, den vom Aus-

sterben bedrohten Körnerbock. Dessen Larven entwickeln sich in den aufgestellten

Stämmen, die einem Neubaugebiet weichen mussten. Die ausfliegenden Käfer werden

ihre Eier an andere alte und morsche Bäume in der unmittelbaren Nachbarschaft legen

und so den Fortbestand der lokalen Population sichern.

Im Zuge der Ausweisung des Baugebiets kamen die Stadt Neckargemünd und das Regie-

rungspräsidium überein, dass der dauerhafte Schutz dieser und vieler anderer Tier- und

Pflanzenarten am besten gewährleistet ist, wenn die notwendigen Ausgleichs- und Er-

satzmaßnahmen in einem Gebiet konzentriert werden, welches den dauerhaften Schutz

eines Naturschutzgebiets genießt. Die langfristige Erhaltung und Aufwertung der Streu-

obstwiesen östlich von Kleingemünd wurde so zu einer gemeinsamen Aufgabe, der die

vorliegende Würdigung dient.

2. Zusammenfassung

Die „Streuobstwiesen Kleingemünd“ sind geprägt durch einen teilweise sehr alten, über 10

ha großen Obstbaumbestand mit einem reichen Angebot an Höhlen und mulmigen

Stammabschnitten, sowie das Fehlen intensiver Nutzungen. Sie zeichnen sich durch das

Vorkommen einer vom Aussterben bedrohten Insektenart (Körnerbock) und weiterer ge-

fährdeter Tierarten aus (Wendehals, Kleiner Abendsegler, Großes Mausohr und Breitflü-

gel-Fledermaus sowie die Sumpfschrecke). Damit erfüllt das Gebiet die naturschutz-

fachlichen Kriterien eines landesweit bedeutsamen Naturschutzgebietes. Über die

aktuellen Artvorkommen hinaus hat das Gebiet überregionale Bedeutung als Trittsteinbio-

top für wandernde Arten und für Arten, deren Verbreitungsareal sich aktuell auf Grund des

Klimawandels verschiebt. Seine Gefährdung liegt im Wegfall oder der Intensivierung der

Mahd und der Zunahme privater Nutzungen.

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3. Gebietsbeschreibung

3.1 Lage, Naturräumliche Zuordnung, Böden, potentielle natürliche Vegetation und

Klima

Kleingemünd, eine ehemals ländlich geprägte Gemeinde, gehört schon seit über hundert

Jahren zur Stadt Neckargemünd im Rhein-Neckar-Kreis.

Das „Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutschlands“ (SCHMIDTHÜSEN & MEYNEN

1955, zitiert nach LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG 1992) ordnet

das Untersuchungsgebiet der Haupteinheit des Sandstein-Odenwaldes zu. Die Böden sind

aus Löss und Lösslehm entstandene Parabraunerden, deren landwirtschaftliche Nutzbar-

keit durch Staunässe (Pseudo-Vergleyung) eingeschränkt ist. Die potentielle natürliche

Vegetation, also die Vegetation, die sich einstellen würde, wenn der menschliche Einfluss

aufhörte, wäre ein Hainsimsen-Buchenwald (LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-

WÜRTTEMBERG 1992).

Die Jahresmitteltemperatur liegt weniger als 1 Grad Celsius unter der Jahresmitteltempe-

ratur der wärmsten Gebiete Baden-Württembergs, zu denen das unmittelbar benachbarte

Rheintal und das Stuttgarter Becken gehören (DEUTSCHER WETTERDIENST 1953). Das kli-

mabegünstige Neckartal verbindet diese beiden Regionen als „Wärmekorridor“ und ist da-

her für wandernde Tierarten oder Arten, deren Verbreitungsareal sich auf Grund des Kli-

mawandels verschiebt, von besonderer Bedeutung. Die Niederschlagsmenge liegt mit

900 mm/Jahr rund 100 mm/Jahr über dem Wert für Heidelberg.

3.2 Größe, Besitzverhältnisse und aktuelle Nutzung

Zu 10 % ist das 16,7 ha große Gebiet in kommunalem Besitz, zu 90 % Privateigentum.

Vier Fünftel seiner Fläche sind nicht gedüngte, spät oder nur unregelmäßig gemähte Wie-

sen, großteils mit Obstbaumbestand. Die restliche Fläche wird von Gehölzen, Gebüschen

und Gestrüppen, Wegen und auf 0,5 ha von drei Gärten eingenommen. Eine forstwirt-

schaftliche Nutzung findet auf 0,3 ha im Bereich des Waldrandes statt. Einfriedungen und

bauliche Anlagen (Gartenhäuschen) finden sich nur in sehr geringem Ausmaß.

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3.3 Derzeitiger Schutzstatus, Regional- und Flächennutzungsplan

Das Gebiet liegt im Geltungsbereich der Landschaftsschutzgebietsverordnung „Neckartal I

- Kleiner Odenwald“ vom 12.07.2002. Die Verordnung dieses 6.325 ha großen Land-

schaftsschutzgebiets schützt das Landschaftsbild und den Naturhaushalt, die Nutzungsfä-

higkeit der Naturgüter sowie bestimmte Flächennutzungen. Sie ist für den hier beabsichti-

gen Schutz und die Förderung gefährdeter Biotope und Arten weder ausgelegt noch ge-

eignet und kann daher für den Geltungsbereich der geplanten Verordnung aufgehoben

werden.

Die Raumnutzungskarte des Regionalplans Rhein-Neckar (Stand: August 2011) weist für

das Gebiet ein Vorbehaltsgebiet (G) für die Landwirtschaft sowie Grünzäsuren aus.

Der vom Gemeinderat der Stadt Neckargemünd beschlossene Flächennutzungsplan vom

10.05.2010 weist für das Gebiet eine Grünfläche aus.

4 Wertgebende Biotoptypen1

Hervorzuheben sind

• der hohe Flächenanteil der Wiesen,

• Der beeindruckende Bestand teilweise sehr alter und großer Obstbäume

• die gute Gebietsstrukturierung mit Hecken, Gebüschen und Gehölzen.

Tabelle 1: Flächenanteile aller vorhandenen Biotoptypen; naturschutzfachlich wertvolle Biotoptypen sind fett gedruckt:

Biotoptyp

2 Bezeichnung RL BW

3 [ha]

21.60 Rohboden - 0,032

23.40 Trockenmauer 3 0,003

33.41 Fettwiese mittlerer Standorte (ruderalisiert) V 0,358

33.41 Fettwiese mittlerer Standorte V 11,188

33.43 Magerwiese mittlerer Standorte 3 1,576

35.31 Brennnessel-Bestand - 0,055

35.36 Staudenknöterich-Bestand - 0,003

35.64 grasreiche ausdauernde Ruderalvegetation - 0,014

1 Alle Angaben, soweit nicht anders gekennzeichnet, teilweise wörtlich aus KOSLOWSKI 2012 2 LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG o. J. 3 Angaben zur Gefährdung der Biotoptypen nach BREUNIG 2002; es bedeutet: 3 = gefährdet, V = Vorwarnliste

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6

Biotoptyp2 Bezeichnung RL BW

3 [ha]

41.10 Feldgehölz V 0,476

41.22 Feldhecke mittlerer Standorte 3 0,244

42.20 Gebüsch mittlerer Standorte - 0,081

42.31 Grauweiden-Feuchtgebüsch V 0,007

43.11 Brombeer-Gestrüpp - 0,711

43.13 Kratzbeer-Gestrüpp - 0,007

45.12 Baumreihe - 0,076

45.20 Baumgruppe - 0,263

56.11 Hainbuchen-Traubeneichen-Wald V 0,309

60.10 Von Bauwerken bestandene Fläche - 0,003

60.21 Völlig versiegelte Fläche - 0,005

60.23 Schotterweg - 0,045

60.24 Unbefestigter Weg - 0,025

60.25 Grasweg V 0,368

60.41 Lagerfläche - 0,021

60.61 Nutzgarten - 0,019

60.63 Mischtyp aus Nutz- und Ziergarten - 0,526

4.1 Wiesen

Die mehr als vier Fünftel der Gebietsfläche einnehmenden Wiesen mittlerer Standorte sind

in allen Gebietsteilen und in aller Regel Streuobstwiesen. Größere Bereiche ohne Obst-

baumbestand befinden sich im östlichen und westlichen Gebietsteil. Zur Ausbildung kom-

men artenreichere bis artenarme Ausprägungen. Zu den artenreicheren Formen gehören

vor allem Wiesen in den westlichen und zentraleren Gebietsteilen.

Zum überwiegenden Teil wurden die Wiesen als Magere Flachland-Mähwiesen im Sinne

der FFH-Richtlinie kartiert. In den besser stickstoffversorgten Bereichen dominieren Ober-

gräser und höherwüchsige Stauden. Typische Gebietsarten sind Glatthafer (Arrhenathe-

rum elatius), Wiesen-Knäuelgras (Dactylis glomerata), Spitz-Wegerich (Plantago lanceola-

ta), Wiesen-Sauer-Ampfer (Rumex acetosa) und Weißes Wiesenlabkraut (Galium album).

In den artenreicheren Beständen trifft man auf weitere Arten wie Acker-Witwenblume

(Knautia arvensis), Wiesen-Pippau (Crepis biennis), Scharfer Hahnenfuß (Ranunculus

acris), Wiesen-Bärenklau (Heracleum spondylium), Gewöhnlicher Hornklee (Lotus cornicu-

latus) sowie den Gewöhnlichen Goldhafer (Trisetum flavescens). Das abschnittsweise

häufigere Vorkommen von Wolligem Honiggras (Holcus lanatus) und Kuckucks-Lichtnelke

(Lychnis flos- cuculi) weist auf eine zumindest zeitweise erhöhte Feuchtigkeit des Bodens

hin. Untergräser wie Gewöhnliches Ruchgras (Anthoxanthum odoratum), Rotes Strauß-

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gras (Agrostis capillaris) und Magerkeitszeiger haben nur geringe Bestandsanteile. In sel-

tener gemähten Beständen gehört die Acker-Kratzdistel (Cirsium arvense) und die Brom-

beere (Rubus fruticosus) zum Artenspektrum. Die artenarmen Bestände sind insgesamt

sehr grasreich. Sie werden vor allem von Glatthafer (Arrhenatherum elatius) und Wiesen-

Knäuelgras (Dactylis glomerata) dominiert.

Magerwiesen sind insgesamt auf etwa 1,6 ha vor allem im nördlichen, die oberen Hang-

lagen umfassenden Gebietsteile, und zerstreut vor allem in der Mitte des Gebiets anzutref-

fen. Die Magerwiesen, deren Bestände nach der Roten Liste der Biotoptypen Baden-

Württembergs gefährdet sind (BREUNIG 2002), befinden sich überwiegend außerhalb der

zusammenhängenden Streuobstbestände und in gut besonnten Lücken und Streifen der

Obstbaumbestände. Selten besteht eine Bestockung mit einzelnen hochstämmigen Obst-

bäumen.

In den artenreicher ausgebildeten Magerwiesen trifft man auf einzelne Kennarten des

Magerrasens, die meist nur in geringer Häufigkeit vertreten sind, und auf weitere in der

artenarmen Ausbildung fehlende Magerkeitszeiger. Zu diesen Arten gehören vor allem

Kleine Pimpernell (Pimpinella saxifraga), Kleines Habichtskraut (Hieracium pilosella),

Wald-Ehrenpreis (Veronica officinals) und Zypressen-Wolfsmilch (Euphorbia cyparissias)

sowie Gewöhnliches Zittergras (Briza media), Echtes Johanniskraut (Hypericum perfora-

tum), Kleiner Sauerampfer (Rumex acetosella) und Arznei-Thymian (Thymus pulegoides).

Das Artenspektrum beinhaltet außerdem ästhetisch ansprechende Arten wie die Wiesen-

Flockenblume (Centaurea jacea) und die Rundblättrige Glockenblume (Campanula

rotundifolia).

Bestand der Wiesen-Flockenblume in einer Magerwiese im Gebiet (11.07.2011, Aufnahme S. Koslowski)

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Die artenarmen Ausbildungen stehen den Rotschwingel-Rotstraußgras-Magerwiesen na-

he. Dies sind grasreiche Bestände mit Gewöhnlichem Ruchgras (Anthoxanthum odora-

tum) und Wolligem Honiggras (Holcus lanatus) sowie daneben Rotem Straußgras

(Agrostis capillaris) und Echtem Rotschwingel (Festuca rubra). Zum Artenspektrum gehö-

ren außerdem wenige weitere Magerkeitszeiger wie Feld-Hainsimse (Luzula campestris)

und Gras-Sternmiere (Stellaria graminea).

4.2 Einzelbäume

Obstbäume finden sich im ganzen Gebiet auf den Wiesen. Der Großteil des Bestandes

besitzt ein höheres Alter. Jungbäume sind nur in geringem Umfang vorhanden. Insgesamt

ist der Totholzanteil hoch. Verstreut sind abgestorbene Bäume und relativ oft Exemplare

mit abgebrochenen dickeren Ästen, die nicht entfernt wurden, anzutreffen. Mit Abstand am

häufigsten vorhanden sind Apfelbäume. Gelegentlich sind Kirschbäume, vereinzelt Birne,

Zwetschge und Walnuss anzutreffen.

Blühende Kirschbäume, im Vordergrund ein abgestorbenes Exemplar, umgeben

von Brombeer-Gestrüpp: ideale Bedingungen für Blütenbesucher, totholzbewoh-

nende Käferarten und Brutvögel (17.04.2011, Aufnahme C. Aly)

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4.3 Baumgruppen

Auf etwa 0,3 ha kommen im Gebiet zerstreut kleine bis mittelgroße Baumgruppen vor, die

eine teils sehr unterschiedliche Baumartenzusammensetzung aufweisen. Im Unterschied

zu den Feldgehölzen des Gebiets bestehen sie aus Beständen, deren Bäume entweder

lückig stehen bzw. standortfremd sind oder die zu klein für eine Feldgehölzausbildung

sind. Die Bestände besitzen überwiegend ein mittleres Alter und weisen öfter einen Obst-

baumanteil vor allem mit Vogel-Kirsche (Prunus avium) auf. In mehreren Beständen ver-

treten sind Stiel-Eiche (Quercus robur) und Gewöhnliche Esche (Fraxinus excelsior). Wei-

tere Laubbaumarten, darunter Pionierarten, treten in verschiedenen Beständen hinzu. Ei-

ne Baumgruppe besteht aus einem mehrreihig angepflanzten Bestand mit Fichten (Picea

abies). Eine Strauchschicht ist meist nicht vorhanden oder nur schwach ausgebildet und

nur in einzelnen kleinen Beständen dichter. Mit einigen Exemplaren anzutreffen sind Hasel

(Corylus avellana), Eingriffeliger Weißdorn (Crataegus mnonogyna), Jungbäume der Vo-

gel-Kirsche (Prunus avium) und der Gewöhnlichen Traubenkirsche (Prunus padus). Die

besonders geschützte Gewöhnliche Stechpalme (Ilex aquifolium) ist mit einem baumför-

migen Exemplar innerhalb einer Baumgruppe im Gebiet anzutreffen. In der oft dichteren

Krautschicht dominieren Brombeere (Rubus fruticosus) und nitrophile Arten wie Große

Brennnessel (Urtica dioica) und Gundelrebe (Glechoma hederacea). Teils sind auch gras-

reiche Stellen vorhanden.

Im Grünland stocken außerdem vereinzelt Bäume von Stiel-Eiche (Quercus robur), Sal-

Weide (Salix caprea), Gewöhnlicher Traubenkirsche (Prunus padus), Hainbuche (Carpi-

nus betulus) und Fichte (Picea abies).

4.4 Feldgehölze und Feldhecken

Feldgehölze von mittlerer Größe mit einer Gesamtfläche von knapp 0,5 ha sind im zentra-

leren Bereich und am nördlichen und südlichen Rand des Gebiets in Verbindung mit weite-

ren Gehölzbiotoptypen ausgebildet. Die beiden am südlichen Gebietsrand verlaufenden

Feldgehölze erstrecken sich über den Gebietsrand hinaus bis zum Randstreifen der be-

nachbarten Straße. Mehr oder weniger große Anteile dieser Feldgehölze befinden sich

somit außerhalb des Untersuchungsgebiets.

Die Artenzusammensetzung der überwiegend mittelalten, selten etwas jüngeren Baum-

schicht variiert zwischen verschiedenen Beständen. Zu dem reichen Artenspektrum gehö-

ren verschiedene Pionierbaumarten, Edelbaumarten und Obstbaumarten. Öfter anzutref-

fen sind Robinie (Robinia pseudoacacia), Sal-Weide (Salix caprea), Espe (Populus tremu-

la), Stiel-Eiche (Quercus robur), Vogel-Kirsche (Prunus avium), Schwarz-Erle (Alnus gluti-

nosa) und Gewöhnliche Traubenkirsche (Prunus padus). Nadelbäume sind nur mit einzel-

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nen Exemplaren vertreten. Die Strauchschicht ist häufig dichter und seltener lückig ausge-

bildet. Sie wird von Hasel (Corylus avellana) und Jungbäumen, meist von verschiedenen

bestandsprägenden Baumarten, gebildet. Ziersträucher sind nur in wenigen Exemplaren

vorhanden. Die Krautschicht ist schwach bis stark entwickelt. Sie wird häufig vor allem von

Efeu (Hedera helix) und Brombeere (Rubus fruticosus) gebildet. Bereichsweise besitzen

auch nitrophile Arten oder Farne erhöhte Bestandsanteile.

Feldhecken kommen in geringer Anzahl auf Böschungen am nördlichen und südlichen

Gebietsrand und an wenigen Stellen im Gebietsinnern vor. Sie sind alle als Baumhecke

auf ca. 0,2 ha ausgebildet. Der Biotoptyp Feldhecke wird auf der Roten Liste der Bio-

toptypen Baden-Württembergs als gefährdet eingestuft (BREUNIG 2002). An die He-

cken grenzen unterschiedlich genutzte Flächen (Wege, Straße, Wiesen, Garten) und ver-

schiedene Gehölzbiotope sowie Brombeergestrüpp an. Die dicht, selten lückig stehenden

Bäume der Hecken werden oft von Obstbäumen und seltener von Arten wie Stiel-Eiche

(Quercus robur), Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus) oder Hainbuche (Carpinus betulus)

gebildet. Typische Straucharten sind Eingriffliger Weißdorn (Crataegus monogyna), Pfaf-

fenhütchen (Euonymus europaeus), Gewöhnlicher Liguster (Ligustrum vulgare), Roter

Hartriegel (Cornus sanguinea), und Hasel (Corylus avellana). Im geringeren Umfang sind

Jungbäume verschiedener Laubbaumarten vertreten. Öfter sind Teile der Hecken von

Brombeere (Rubus fruticosus) durchwachsen. Eine Krautschicht ist meist nur schwach

entwickelt.

4.5 Gebüsche

Dem Gebüsch werden die im westlichen Gebietsviertel und im östlichen Gebietsdrittel vor-

handenen kleinen Gehölzgruppen zugeordnet, die überwiegend aus Sträuchern und

Jungbäumen bestehen. Einige haben sich im Umfeld von Obstbäumen entwickelt. Die ins-

gesamt knapp 0,1 ha einnehmenden Gebüsche bestehen aus Rotem Hartriegel (Cornus

sanguinea), Gewöhnlichem Schneeball (Viburnum opulus), Korb-Weide (Salix viminalis),

Sal-Weide (Salix caprea) und verwilderter Zwetschge (Prunus domestica). Das Vorkom-

men von Korb-Weide und Gewöhnlichem Schneeball weist auf lokal feuchtere Standort-

verhältnisse in den mittleren Hanglagen hin. Die Gebüsche sind öfter von Brombeere (Ru-

bus fruticosus) durchwachsen.

Ein kleines, etwa 100 m² großes Feuchtgebüsch mit der Grau-Weide (Salix cinerea) hat

sich am Rand eines Feldgehölzes in der mittleren Hanglage des Gebiets entwickelt. Die

Art kommt wie die ebenfalls vorhandene Korb-Weide (Salix viminalis) i. d. R. bevorzugt auf

nassen Standorten vor. Der Bestand ist von Brombeere (Rubus fruticosus) durchwachsen.

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4.6 Trockenmauer

Eine längere Trockenmauer aus Steinen des Buntsandsteins verläuft am nördlichen Ge-

bietsrand. Die etwa 0,5 m bis 1 m hohe und etwa 100 m lange südwestlich exponierte

Mauer ist in einzelnen kurzen Abschnitten eingestürzt. Die Mauer wird durch Gehölze

stark beschattet. Ein direkter Bewuchs ist daher fast nicht vorhanden.

4.7 Wald

Am nördlichen Gebietsrand bedeckt Wald 0,3 ha der ansonsten von Grünland eingenom-

menen Parzellen. Zum waldtypischen Artenspektrum gehören die in teils größerer Häufig-

keit vertretene Trauben-Eiche (Quercus petraea), Hainbuche (Carpinus betulus) und Vo-

gel-Kirsche (Prunus avium). Zum Wald gehören außerdem einige randlich vorkommende

Obstbäume und eine kleine Gruppe standortfremder Fichten (Picea abies). Die Bestände

besitzen vor allem hinsichtlich der Trauben-Eichen ein höheres Alter. Eine Strauchschicht

ist fast nur am Waldrand ausgebildet. Dort kommen vor allem Hasel (Corylus avellana),

Schlehe (Prunus spinosa), Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus) und Jungbäume von

Pioniergehölzen vor. Eine Krautschicht ist in den relativ dichten Baumbeständen ebenfalls

fast nur randlich vor allem mit Brombeere (Rubus fruticosus) und Efeu (Hedera helix) aus-

gebildet.

Traubeneichen-Hainbuchenwald im Gebiet (Aufnahme 17.04.2011, C. Aly)

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5. Fauna4

5.1 Avifauna

2007 konnten 30 Brutvogelarten, 2011 22 Brutvogelarten nachgewiesen werden. Dieser

Unterschied ist der relativ späten Beauftragung in 2011 und der 2011 geringeren Anzahl

Begehungen zu verdanken: einige Arten hatten im Mai den Reviergesang bereits einge-

stellt oder reduziert und konnten deshalb 2011 nicht oder nur in geringer Dichte nachge-

wiesen werden (besonders auffällig bei der im Gebiet häufigen Möchsgrasmücke, s. Ta-

belle 2). Wir gehen davon aus, dass das Gebiet derzeit noch alle 2007 nachgewiesenen

Arten beherbergt.

Besonders erfreulich war 2011 der Nachweis des stark gefährdeten Wendehalses, des

„Wappentiers“ wertvoller Streuobstbestände. sowie des in der Vorwarnliste geführten

Neuntöters, einer störempfindlichen, auf dornige Hecken angewiesenen Art (Angaben zur

Gefährdung nach HÖLZINGER et al. 2007). Weitere wertgebende, auf Streuobstwiesen an-

gewiesene Arten sind die Goldammer (Emberiza citrinella), der Gartenrotschwanz

(Phoenicurus phoenicurus), der Grauschnäpper (Muscicapa striata), der Buntspecht

(Dendrocopos major), und die als Nahrungsgäste nachgewiesenen Arten Mittelspecht

(Picoides medius) und Grünspecht (Picus viridis).

Singendes (revieranzeigendes) Männchen des Gartenrotschwanzes im Gebiet

(10.05.11, Aufnahme S. Koslowski)

4 Alle Angaben, soweit nicht anders gekennzeichnet, teilweise wörtlich aus KOSLOWSKI 2012

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Tabelle 2: Bestandsliste der Brutvögel (Arten der Roten Liste BW fettgedruckt)

Deutscher Name Wissens. Name RL

BW5

Zahl der Brutpaare

20076

Zahl der Brutpaare

20117

Amsel Turdus merula - 11-20 2-5

Blaumeise Parus caeruleus - 6-10 6-10

Buchfink Fringilla coelebs - 11-20 2-5

Buntspecht Dendrocopos major - 1 1

Eichelhäher Garrulus glandarius - 1 0

Elster Pica pica - 1 0

Fasan Phasianus colchicus - 1 0

Feldsperling Passer montanus V 3 0

Gartengrasmücke Sylvia borin - 6-10 2-5

Gartenrotschwanz Phoenicurus phoenicurus V 0 2

Girlitz Serinus serinus V 1 2

Goldammer Emberiza citrinella V 8 1

Grauschnäpper Muscicapa striata V 1 1

Grünfink Carduelis chloris - 6-10 2-5

Grünspecht Picus viridis - 0 0

Hausrotschwanz Phoenicurus ochruros - 6-10 0

Haussperling Passer domesticus V 11-20 2-5

Heckenbraunelle Prunella modularis - 2-5 0

Klappergrasmücke Sylvia curruca - 1 0

Kleiber Sitta europaea - 1 2-5

Kohlmeise Parus major - 11-20 6-10

Mönchsgrasmücke Sylvia atricapilla - 21-40 1

Neuntöter Lanius collurio V 2 1

Rabenkrähe Corvus corone - 1 0

Ringeltaube Columba palumbus - 2-5 0

Rotkehlchen Erithacus rubecula - 0 2-5

Schwanzmeise Aegithalos caudatus - 1 0

Singdrossel Turdus philomelos - 2-5 2-5

Sommergoldhähnchen Regulus ignicapillus - 1 2-5

Star Sturnus vulgaris 6 0

Sumpfmeise Parus palustris 2-5 0

Stieglitz Carduelis carduelis - 1 2-5

Wendehals Jynx torquilla 2 0 2

Zaunkönig Troglodytes troglodytes - 0 1

Zilpzalp Phylloscopus collybita - 2-5 2-5

5 Angaben zur Gefährdung der Vögel nach HÖLZINGER et. al. 2007: 2=stark gefährdet, V=Vorwarnliste 6 DEUSCHLE 2008 7 KOSLOWSKI 2011

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14

Der relativ harmlos klingende Begriff der „Vorwarnliste“ steht bei vielen Arten für einen

ernst zu nehmenden Rückgang der Bestände 8. Auch im vorliegenden Gebiet wurden von

den genannten Arten oftmals nur zwei Brutpaare oder sogar nur ein einziges Brutpaar an-

getroffen (siehe Tabelle 2). So mag es zunächst verwundern, wenn bekannte Arten wie

Haussperling oder Turmfalke auf der Vorwarnliste geführt werden. Tatsächlich bildet die-

ser Status aber einen Zustand landesweiter Bestandsrückgänge ab, der dem Laien erst

dann zum Bewusstsein kommt, wenn der letzte Vertreter einer ihm bekannten Art ver-

schwunden ist.

Insgesamt ist der Vogelbestand des Gebietes als gut zu bewerten.

5.2 Fledermäuse

2008 wurden neun, 2011 vier Arten nachgewiesen. Hier sind die Unterschiede auf die

Zeitspanne und Intensität der jeweiligen Dokumentation zurück zu führen: in 2007 wurden

die Rufe der Fledermäuse auf 5 nächtlichen Begehungen zwischen April und August, in

2011 lediglich in 8 aufeinanderfolgenden Mainächten und einer Julinacht aufgezeichnet.

So konnten 2007 auch Arten erfasst werden, die das Gebiet lediglich durchwandern (Rau-

hautfledermaus, Großer Abendsegler) und relativ selten bzw. nur zu bestimmten Jahres-

zeiten anzutreffen sind. Wir gehen davon aus, dass die 2007 nachgewiesenen Arten nach

wie vor im Gebiet vorkommen.

Der bevorzugte Jagdbereich liegt im Randes des Gebietes zur Siedlung (Saarstraße, Ne-

ckarsteinacherstraße; DEUSCHLE 2008): dies ist zum einen der Straßenbeleuchtung, zum

anderen aber auch dem Fehlen frisch gemähter Wiesen im Gebiet geschuldet.

Die Unterscheidung von Braunem und Grauem Langohr und von Großer und Kleiner Bart-

fledermaus ist mittels Lautanalyse noch nicht möglich. Da die Große Bartfledermaus stär-

ker an feuchte Wälder mit Gewässern gebunden ist und die Kleine Bartfledermaus die im

Gebiet vorkommende, halboffene Landschaft mit einzelnen Gehölzbeständen sowie He-

cken, Gärten, Siedlungsränder bevorzugt, ist davon auszugehen, dass hier die Nachweise

der Kleinen Bartfledermaus zuzuordnen sind.

8 In der „Vorwarnliste“ werden bei den Vögeln die Arten geführt, „die in ihrem Verbreitungsgebiet in Baden-Württemberg noch befriedigende Bestände haben, die aber allgemein oder regional merklich zurückgehen oder die an seltener werdende Lebensraumtypen gebunden sind“ (HÖLZINGER et al. 2007, S. 16)

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15

Tabelle 3: Bestandsliste der Fledermausarten

Deutscher Name Wissenschaftl. Name RL BW 9

Nachweis

2007

Nachweis

2011

Großer Abendsegler Nyctalus noctula i x x

Kleiner Abendsegler Nyctalus leisleri 2 x -

Großes Mausohr Myotis myotis 2 x -

Kleine Bartfledermaus Myotis mystacinus 3 x x

Breitflügel-Fledermaus Eptesicus serotinus 2 x x

Braunes oder Graues Langohr Plecotes sp. 3 oder 1 x -

Mückenfledermaus Pipistrellus pygmaeus G x -

Rauhautfledermaus Pipistrellus nathusii i x -

Zwergfledermaus Pipistrellus pipistrellus 3 x x

Das Vorkommen von neun Arten weist das Gebiet als wichtiges Fledermaus-Habitat aus.

Auch hinsichtlich der Fledermäuse liegt die Bedeutung des Gebiets im Höhlenangebot für

den Tagesschlaf und eine Optimierungsmöglichkeit in einer früheren Wiesenmahd.

5.3 Heuschrecken

Unerwartet war der Nachweis eines individuenreichen Vorkommens (rund 100 Individuen)

der stark gefährdeten Sumpfschrecke (Stethophyma grossum), die eigentlich an feuch-

tere Biotope gebunden ist.

Sumpfschrecke im Untersuchungsgebiet (11.07.11, Aufnahme S. Koslowski)

9 Alle Angaben zur Gefährdung der Fledermäuse nach BRAUN & DIETERLEN 2003; Es bedeutet: 1: vom Aus-sterben bedroht, 2: stark gefährdet, 3: gefährdet, G: Gefährdung anzunehmen, V: Art der Vorwarnliste; D: Daten unzureichend, G: Gefährdung nicht bekannt, i: auf ihren Wanderungen gefährdete Art.

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16

Die Artenliste zeigt ein reichhaltiges Inventar auf, wobei allerdings das sehr vereinzelte

Vorkommen der Feldgrille (Gryllus campestris) auf die zu dichte Wiesenstruktur hinweist:

Tabelle 5: Bestandsliste der Heuschreckenarten

Deutscher Name Wissens. Name RL BW10

Abundanz11

Sumpfschrecke Stethophyma grossum 2 VI

Wiesengrashüpfer Chorthippus dorsatus V VI

Feldgrille Gryllus campestris V VI

Nachtigall-Grashüpfer Chorthippus biguttulus - V

Gemeiner Grashüpfer Chorthippus parallelus - VII

Langflügelige Schwertschrecke Conocephalus discolor - I

Rote Keulenschrecke Gomphocerippus rufus - IV

Roesels Beißschrecke Metrioptera roeselii - VII

Waldgrille Nemobius sylvestris - III

Gewöhnliche Beißschrecke Pholidoptera griseoaptera - II

Grünes Heupferd Tettigonia viridissima - II

5.4 Tagfalter und Widderchen

Im Untersuchungsgebiet konnten aktuell 17 Tagfalter-Arten nachgewiesen werden, darun-

ter drei Arten der Roten Liste Baden-Württembergs.

Brauner Feuerfalter beim Blütenbesuch (11.07.11, Aufnahme S. Koslowski)

10 Alle Angaben zur Gefährdung der Heuschrecken nach DETZEL 1998 11 Es beutet: I = 1, II = 2-5 , III = 6-10, IV = 11-20, V = 21-50, VI = 51-100, VII = 101-500 Exemplare.

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17

Tabelle 6: Bestandsliste der Tagfalter und Widderchen

Deutscher Name Wissens. Name RL BW12

Abundanz13

Kleiner Feuerfalter Lycaena phlaeas V II

Brauner Feuerfalter Lycaena tityrus V III

Kurzschwänziger Bläuling Cupido argiades V IV

Hauhechel-Bläuling Polyommatus icarus - II

Kleines Wiesenvögelchen Coenonympha pamphilus - IV

Tintenfleck-Weißling Leptidea sinapis agg. - II

Großes Ochsenauge Maniola jurtina - III

Schachbrett-Falter Melanargia galathea - VI

Tagpfauenauge Nymphalis io - I

Rostfarbiger Dickkopffalter Ochlodes sylvanus - II

Waldbrettspiel Pararge aegeria - I

Großer Kohlweißling Pieris brassicae - II

Grünader-Weißling Pieris napi - II

Kleiner Kohlweißling Pieris rapae - II

Schwarzkolbiger Braun-Dickkopffalter Thymelicus lineola - III

Braunkolbiger Braun-Dickkopffalter Thymelicus sylvestris - IV

Admiral Vanessa atalanta - I

Die Artenzahl und Individuendichte ist nicht überwältigend. Sie ist auf die späte Mahd und

die daraus resultierende Vergrasung und Armut an niedrig wachsenden Leguminosen zu-

rückzuführen.

5.5 Xylobionte Käfer

„Xylobiont“ (holzliebend) nennt man diejenigen Käferarten, die für die Entwicklung ihrer

Larven auf altes, teilweise auf abgestorbenes Holz oder auf Holzmulm in Baumhöhlen

angewiesen sind. Bekanntestes Beispiel ist der Hirschkäfer, der zwar im Gebiet von uns

nicht beobachtet wurde, aber nach Auskunft eines interessierten Bürgers dort vorkommt.

Aufgrund des Mangels an Alt- und Totholz in unseren Wirtschaftswäldern weist diese Tier-

gruppe in Baden-Württemberg und Deutschland einen überdurchschnittlich hohen Gefähr-

dungsgrad auf.

Das Untersuchungsgebiet rückte 2009 in den Mittelpunkt naturschutzfachlicher Aufmerk-

samkeit, als im Rahmen der Planung eines Baugebiets der streng geschützte und vom

12 Angaben zur Gefährdung der Schmetterlinge nach EBERT et al. 2008 13 Es bedeutet: I = 1, II = 2-5 , III = 6-10, IV = 11-20, V = 21-50, VI = 51-100, VII = 101-500, VII > 500

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18

Aussterben bedrohte Körnerbock (Megopis scabricornis) in alten Apfelbäumen nach-

gewiesen werden konnte. Ein so weit östliches Vorkommen dieser extrem seltenen Art war

der Fachwelt nicht bekannt gewesen. Es lag daher nahe, das Gebiet genauer nach xylobi-

onten Käferarten zu untersuchen.

Insgesamt wurden 22 xylobionte Käferarten entdeckt, 14 davon sind streng oder beson-

ders geschützt. Der Körnerbock wurde am 12.07. und 02.08.2011 erneut beobachtet. Es

handelt sich hier um ein bedeutendes, weil vergleichsweise individuenreiches Vorkom-

men. Der Körnerbock ist eine Urwaldart: Voraussetzung seines Vorkommens im Gebiet

sind die vorhandenen, sehr alten Obstbäume. Möglicherweise ist die wärmeliebende Art

auf Grund des Klimawandels gerade in Ausbreitung begriffen und nutzt hierzu das klima-

begünstigte Neckartal.

Der in Deutschland stark gefährdete Trauer-Rosenkäfer (Oxythyrea funesta) konnte in

einem Exemplar auf Blüten knapp außerhalb der Untersuchungsgebietsgrenze nachge-

wiesen werden. Diese Art scheint sich in den letzten Jahren regelmäßiger zu zeigen, die

Larven entwickeln sich im Boden. Die Art ist in der Roten Liste Baden-Württembergs nicht

erfasst, da es sich nicht um einen Holzkäfer im engeren Sine handelt.

In einem vom Körnerbock besiedelten Baum fanden wir 10 Schlupflöcher des in Baden-

Württemberg stark gefährdeten Rosthaarbocks (Anisarthron barbipes). Nur wenige Fun-

de dieser an größere Stammverletzungen und Astabschnitte als Entwicklungssubstrat ge-

bundenen Bockkäferart sind außerhalb alter Parkanlagen bekannt.

Der Nachweis des gefährdeten Weberbocks (Lamia textor) im Süden des Untersu-

chungsgebiets in einem Exemplar dürfte auf einen Zuwanderer vom südlich gelegenen

Neckarufer zurückzuführen sein. Die Art entwickelt sich in bodennahen Partien von Wei-

den, besonders im Auebereich.

Der in der Vorwarnliste geführte Mulm-Pflanzenkäfer (Prionychus ater), der zwar aktuell

recht verbreitet gefunden werden kann, ist jedoch in seiner Entwicklung auf das Vorhan-

densein von mulmgefüllten Baumhöhlungen angewiesen. Auch in Bezug auf diese Art be-

sitzen die alten Obstbäume im Untersuchungsgebiet eine wichtige ökologische Funktion.

Die Bestandsliste (Tabelle 4) weist das Gebiet als landesweit bedeutend für den Schutz

xylobionter Käfer aus.

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19

Tabelle 4: Bestandsliste der xylobionten Käferarten

Deutscher Name Wissens. Name Familie Schutz14

RL

BW15

Körnerbock Megopis scabricornis Bockkäfer §§ 1

Rosthaarbock Anisarthron barbipes Bockkäfer § 2

Weberbock Lamia textor Bockkäfer § 3

Mulm-Pflanzenkäfer Prionychus ater Pflanzenkäfer V Trauer-Rosenkäfer Oxythyrea funesta Rosenkäfer

nicht

erfasst

Sägebock Prionus coriarius Bockkäfer § -

Gefleckter Schmalbock Leptura maculata Bockkäfer § -

Stenurella nigra Bockkäfer § -

Eichenwidderbock Clytus arietis Bockkäfer § -

Buchenspießbock Cerambyx scopolii Bockkäfer § -

Moschusbock Aromia moschata Bockkäfer § -

Tabaksböckchen Alosterna tabaciolor Bockkäfer § -

Balkenschröter Dorcus parallelipipedus Hirschkäfer § -

Birnbaumprachtkäfer Agrilus sinuatus Prachtkäfer § -

Grüner Schmalprachtkäfer Agrilus viridis Prachtkäfer § - Gew. Rosenkäfer Cetonia aurata Rosenkäfer § nicht

erfasst Schienen-Scharrkäfer Valgus hemipterus Blatthornkäfer nicht

erfasst

Xestobium rufovillosum Klopfkäfer -

Oedemera viridis Scheinbockkäfer -

Oedemera lurida Scheinbockkäfer -

Blutroter Schnellkäfer Ampedus sanguineus Schnellkäfer -

Ampedus pomorum Schnellkäfer - Körnerbock (Aufnahme: F. Geller-Grimm)

14 §: besonders geschützt, §§: streng geschützt 15 Angaben zur Gefährdung der xylobionten Käfer nach BENSE 2001

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6. Schutzwürdigkeit

Die hohe Schutzwürdigkeit der „Streuobstwiesen Kleingemünd“ steht außer Frage: Das

Gebiet ist allein auf Grund des Vorkommens des Körnerbocks als einer in Baden-

Württemberg vom Aussterben bedrohten Art von landesweiter Bedeutung (Kriterium

nach LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ o. J. und nach RECK 1998). Unterstützt wird die-

se Einstufung durch das Vorkommen weiterer gefährdeter Arten aus verschiedenen Grup-

pen. Bei keiner untersuchten Gruppe wurde eine starke Verarmung festgestellt, auch

wenn der Artenreichtum des Grünlandes dank gegebener Pflegedefizite nicht optimal ist.

Mit der Ansiedlung weiterer seltener und gefährdeter Arten aus der Gruppe der Insekten

ist zu rechnen, sobald die Pflege der Wiesen verbessert wird und in der Folge deren Blü-

tenreichtum zunimmt (siehe Abschnitt 8).

Das Gebiet ist darüber hinaus ein wichtiges Trittstein-Biotop für wärmebedürftige Of-

fenland-Arten, die z. B. auf Grund des Klimawandels ihr Verbreitungsareal nach Osten und

Norden verschieben: für sie ist das Neckartal eine wichtige Verbindung zwischen Rheintal

und Stuttgarter Becken, die diese nur nutzen können, wenn hier nicht bewaldete, war-

sonnige Flächen zur Verfügung stehen.

Auf regionaler Ebene erfüllt das Gebiet das naturschutzfachliche Wertkriterium der

Repräsentanz in hohem Maß: es ist eine Streuobstwiese „wie aus dem Bilderbuch“.

Daraus resultiert der hohe Wert des Gebietes für die Naherholung: ein Besuch kann zu

jeder Jahreszeit Anregung und Inspiration bedeuten. Streuobstwiesen sind der bekanntes-

te, beliebteste und vielleicht sogar landesweit bedeutsamste Kulturlandschaftslebensraum

Baden-Württembergs.

7 Schutzbedürftigkeit

Aufgabe der Landwirtschaft: Gefährdet ist auch das hier besprochene Gebiet in erster Li-

nie durch Aufgabe der Wiesenmahd und der Obstbaumpflege. Werden diese (wirtschaft-

lich nicht attraktiven) Tätigkeiten aufgegeben, machen sich in natürlicher Sukzession Ge-

hölze breit und leiten die Entstehung eines Waldes ein. In der Folge verlieren wärmebe-

dürftige Offenlandarten ihren Lebensraum. Die Unterschutzstellung hat u. a. zur Folge,

dass sich die Naturschutzverwaltung in Abstimmung mit Eigentümern und Bewirtschaftern

der Pflege annehmen wird. Ihre personellen und finanziellen Beiträge werden auch in Zu-

kunft prioritär in den Naturschutzgebieten des Landes eingesetzt werden und damit nach

Unterschutzstellung auch diesem Gebiet zu Gute kommen. Insofern bietet die Unter-

schutzstellung die bestmögliche Gewähr dafür, dass dem Gebiet auf unbefristete Zeit die

notwendige Aufmerksamkeit und das notwendige Geld zur Pflege zugewendet wird.

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Intensivierung der Landwirtschaft: Der rechtliche Schutz der Streuobstwiesen ist in Baden-

Württemberg außerhalb der FFH-Gebiete schwach: sie können durch Fällung der Obst-

bäume, intensive Düngung und frühen Siloschnitt innerhalb eines einzigen Jahres ökolo-

gisch vollkommen entwertet werden, ohne dass damit ein gesetzlicher Verbotstabestand

erfüllt wäre (lediglich die (nur in extremen Fällen gegebene und kaum nachweisbare) Ver-

schlechterung des Erhaltungszustands der lokalen Populationen einer europäischen Vo-

gelart oder einer in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Art wäre gem. § 44

(4) BNatSchG widerrechtlich). Allein daraus resultiert eine hohe Schutzbedürftigkeit der

entsprechend ihrer Artenausstattung und Repräsentativität wertvollsten Ausprägungen, zu

denen das hier behandelte Gebiet zählt. Die regionalplanerische Einstufung ist hier jedoch

die eines „Vorbehaltsgebietes für die Landwirtschaft“. Bedenkt man, das von der Intensi-

vierung der landwirtschaftlichen Nutzung eine ernst zu nehmende Gefährdung für das Ge-

biet ausgeht, unterstreicht diese Einstufung die gegebene Gefährdung.

Freizeitnutzungen: Weiter ist das Gebiet, dank seiner ortsnahen Lage, durch Zunahme

privater Flächennutzungen gefährdet. Auf intensiv beweideten Koppeln stellt sich eine

meist artenarme Vegetation ein, die nur wenigen anspruchslosen Tierarten ein Überleben

ermöglicht. Von Gärten gehen Störungen aus, die störempfindliche Vogelarten von einer

Brut im „Beschallungsbereich“ abhalten. Gleichzeitig geht Biotopfläche verloren.

Freizeitaktivitäten: Erholungssuchende abseits der Wege, frei laufende Hunde, Modellflug-

zeuge oder Lenkdrachen können bei Brutvögeln die Flucht auslösen. Die Folge kann der

Verlust der Brut sein. Nur bei entsprechender Regulierung des Freizeitverhaltens ist zu

hoffen, dass das Gebiet Brutstandort von Wendehals und Neuntöter bleibt und sich künftig

heute noch fehlende, aber erwartbare Vogelarten wie Steinkauz, Baumpieper oder Gar-

tenbaumläufer ansiedeln.

8 . Schutzzweck

Schutzzweck des Naturschutzgebietes ist die Erhaltung, Sicherung und Entwicklung

• eines naturraumtypischen, gut gegliederten Landschaftsausschnitts des Ne-

ckartals mit Obstbaum-Wiesen, Baumgruppen, Feldgehölzen, Gebüschen, ei-

ner Trockenmauer und einem gestuften Waldrand;

• der mageren Wiesen, Obstbäume, Baumgruppen, Hecken, Feldgehölze und

Gebüsche sowie des Waldrandes mit alten Habitatbäumen, jeweils als land-

schaftsprägende Einzelbildungen und als Lebensräume der vorkommenden

Populationen teilweise speziell angepasster, seltener und landesweit be-

standsgefährdeter Tierarten.

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9 . Besondere Verbote der Verordnung

Landwirtschaft: Die Wiesenmahd erfolgt offenbar erst im Juli oder später. Die Verordnung

sollte eine Mahd ab der ersten Juni-Dekade vorsehen und die Düngung auf die für magere

Flachland-Mähwiesen vom Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfoh-

lene Menge begrenzen16. Beides würde Gräser zu Gunsten der Blütenpflanzen zurück-

drängen und eine besser besonnten, wärmeren Boden zu Gunsten dort lebender Entwick-

lungsstadien u. a. von Schmetterlingen begünstigen.

Gülle und Gärreste sollten mit Rücksicht auf die immer noch gut entwickelte Heuschre-

ckenfauna nicht ausgebracht werden. Hierzu schreibt die LANDESANSTALT FÜR UMWELT-

SCHUTZ UND MESSUNGEN BADEN-WÜRTTEMBERG: „Die Gelege der Wiesenheuschrecken sind

empfindlich gegen Nässe und Sauerstoffabschluss. Die Düngung einer Wiese mit

Schwemmmist kann durch den dadurch bedingten Sauerstoffmangel im Boden eine ganze

Heuschreckengeneration vernichten. Von einigen Arten ist bekannt, dass sie Düngung mit

Kuhmist (Stapelmist) oder mit Kompost tolerieren, aber auf Flächen fehlen, die mit Mine-

raldünger oder Jauche gedüngt werden. Heute findet man auf einer intensiv bewirtschafte-

ten Fläche mit Glück noch eine Art.17“. Andere Autoren berichten von direkten (ätzenden)

Einflüssen der Gülle auf Eier und Larvalstadien von Insekten und über physiologische

Veränderungen von Pflanzen, die ihre Brauchbarkeit als Futterpflanze auch für andere

wildlebende Tierarten verlieren (z. B. MAAS et al. 2002).

Mit Rücksicht auf den vom Aussterben bedrohten Körnerbock und die Fledermäuse darf

das Roden von Altbäumen nur im Wege einer Befreiung und mit der Maßgabe der Nach-

pflanzung zulässig sein.

Forstwirtschaft: Höhlenbäume sollten zum Schutz und zur Förderung hier lebender Tierar-

ten erhalten werden.

Jagd: Derzeit ist starker Wiesenumbruch durch Wildschweine festzustellen. Die Wiesen

verarmen dadurch extrem, gefördert wird das Aufkommen des störenden Stumpfblättrigen

Ampfers (Rumex obtusifolius). Es ist zu prüfen, ob die hohe Wildschweindichte durch die

Anlockung der Schweine aus einem weitem Umfeld durch Kirrungen verursacht wird. Im

diesem Fall müssten die Kirrungen eingeschränkt werden. Die Fütterung der Wildschwei-

ne sollte in jedem Fall ganz unterbleiben, sie verschärft das Problem. Hochsitze sollten nur

in landschaftsgerechter Form aufgestellt werden. Um Störungen und Konflikte mit Erho-

16Nach dieser Empfehlung stehen dem Landwirt drei Möglichkeiten der Düngung zur Verfügung: (a) Jährli-che Ausbringung von 100 dt Festmist/ha, oder (b) alle 2 Jahre Ausbringung von 20 m3 Gülle/ha, oder (c) Jährliche Ausbringung von bis zu 35 kg P2O5 plus 120 kg K2O / ha 17 http://www.fachdokumente.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/50130/pabl130007.html?COMMAND=DisplayBericht

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lungssuchenden zu vermeiden sollte der Einsatz von Fahrzeugen auf das unumgängliche

Maß eingeschränkt werden.

Freizeitnutzung: Die ruhige Naherholung soll im Gebiet weiter willkommen sein. Die Ver-

ordnung muss aber sicherstellen, dass Störungen der Brutvögel so weit wie möglich un-

terbleiben. Dazu erscheint es notwendig, das Verlassen der Wege und Pfade, der Einsatz

von Motor-Fahrzeugen (ausgenommen Krankenfahrstühle), das Feiern, Picknicken, Feuer

machen und Abbrennen von Feuerwerk, das Lärmen, Übernachten, Laufen lassen von

Hunden und den Einsatz von Luftsportgeräten einzuschränken. Das Wegegebot und das

Verbot des Einsatzes von nicht motorgetriebenen Fluggeräten kann auf die Vogelbrutzeit

(01.März - 31.Juli) beschränkt sein: außerhalb der Vogelbrutzeit ist hiervon keine Beein-

trächtigung zu erwarten. Dies gilt nicht für die übrigen genannten Freizeit-Aktivitäten: so-

fern sie im Winterhalbjahr stattfinden stellen sie für überwinternde Arten eine starke Stö-

rung dar, die das Verlassen des Gebietes durch die betroffenen Individuen zur Folge ha-

ben kann.

Gärten: Die rechtmäßigerweise betriebene Grundstücksnutzung als Garten in der bisheri-

gen Art und im bisherigen Umfang genießt Bestandsschutz. Dies gilt jedoch nicht für bau-

rechtlich nicht zugelassene Hütten und Zäune. Deren Bestand kann allenfalls geduldet

werden. Es sollte sichergestellt sein, dass motorgetriebene Geräte nicht in der empfind-

lichsten Zeit der Vogelbruten (März, April und Mai) eingesetzt und zur Vermeidung der

Florenverfälschung künftig nur noch heimische Gehölze gepflanzt werden.

10 . Pflege und Entwicklung

DEUSCHLE 2009, S. 10-15) hat im Auftrag der Stadt Neckargemünd detailliert Pflegemaß-

nahmen formuliert, die uneingeschränkt unterstützt werden. Sie werden nicht durch die

Verordnung festgelegt. Diese Maßnahmen werden in Abstimmung mit Eigentümern und

Bewirtschaftern in den Jahren nach der Ausweisung des Naturschutzgebietes und ohne

Kostenbelastung der Eigentümer Zug um Zug auf freiwilliger Basis umgesetzt. Einiges

wird bereits heute als Ausgleichsmaßnahme für Eingriffe an anderer Stelle umgesetzt. Die

Empfehlungen von DEUTSCHLE 2009 werden hier in gekürzter Form wiedergegeben.

• Gründlandnutzung

Grundsätzlich ist für den Erhalt einer kleinteiligen Wiesenlandschaft die Beibehaltung und

langfristige Sicherung der extensiven, ein- bis zweischürigen Mähwiesennutzung über

ortsansässige Landwirte zu sichern. Einer Ausweitung der Gehölze (ausgenommen Obst-

bäume) und einer weiteren Verbrachung ist entgegen zu wirken. Sowohl bei der landwirt-

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schaftlichen Nutzung als auch bei reinen Pflegearbeiten soll die Mahd möglichst mit Mes-

serbalkenmähwerken erfolgen, das Mäh- und Schnittgut ist immer abzutransportieren. Ei-

ne Mulchmahd und zu frühe Silagemahd darf nicht vorgenommen werden. Die Mahdzeit-

punkte sollen sich an den in der Region tradierten Zeiträumen orientieren. Eine feste Vor-

gabe ist nicht zielführend, jedoch wird empfohlen, Anfang Juni zu beginnen. Wichtiger als

die Festlegung von Mahdzeitpunkten ist eine möglichst abschnittsweise Mahd, die immer

nur auf einer oder mehreren zusammenhängenden Parzellen erfolgt, damit Tiere auf an-

dere noch ungemähte Bereiche ausweichen können.

• Nachpflanzung von hochstämmigen Obstbäumen

Auf Flächen ohne oder mit lückigem Obstbaumbestand ist die Nachpflanzung von hoch-

stämmigen Obstbäumen von robusten, pflegeleichten und regionaltypischen Sorten vorzu-

sehen. Dies dient der Verjüngung des Bestandes und der Schaffung unterschiedlicher Al-

tersstadien, da viele ältere Obstbäume stark vergreist sind und ihre Funktion in den nächs-

ten Jahren verlieren werden.

• Wiederaufnahme der Pflege von hochstämmigen Obstbäumen

Viele ältere Obstbäume im geplanten Naturschutzgebiet sind ungepflegt. Sie drohen in

den nächsten Jahren zusammenzubrechen und werden dann ihre Funktion verlieren. Für

ihren Erhalt ist eine Wiederaufnahme der Pflege nach aktuellen fachlichen Erkenntnissen

erforderlich.

• Gehölzpflege

Der Pflegezustand der Feldgehölze ist durchgehend schlecht. Daher ist die Wiederauf-

nahme einer regelmäßigen Pflege notwendig. Die Gehölze sollten zur Verjüngung alle 10

bis 15 Jahre auf den Stock gesetzt werden. Dabei ist abschnittsweise (10 bis 20 m Ab-

schnitte), zeitlich und räumlich verteilt vorzugehen. Überhälter sollen stehen bleiben.

• Gehölzpflanzung am Straßenrand (B 27)

Zur Abschirmung des Naturschutzgebietes vor raumwirksamen Licht- und Lärmemissio-

nen sollten die abschnittsweise bereits vorhandenen Hecken entlang der stark befahrenen

B 27 von der Landesgrenze bis zum Ortseingang ergänzt werden. Die Auswahl der Sträu-

cher sollte vor allem dornenreiche Gehölze umfassen und die Ausbildung eines mehrmo-

natigen Blühhorizontes ermöglichen.

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• Entfernung standortfremder Gehölze

Auf den Flst.-Nrn. 3787, 3788, 3760 und 3761/1 befinden sich standortfremde Fichtenauf-

forstungen. Diese sollten möglichst bald gefällt und die teilweise unmittelbar daneben ste-

henden Obstbäume freigestellt werden. Damit wird am Nordrand des geplanten Natur-

schutzgebietes eine funktionale Anbindung der zwischen Fichtenstreifen und Wald gele-

genen, derzeit isolierten Obstbaumwiesen an den Kernbestand im mittleren Hangbereich

wiederhergestellt.

• Duldung von frühen Stadien der Gehölzsukzession

Auf einzelnen Parzellen mit aufgegebener Grünlandnutzung findet sich eine teilweise flä-

chenhafte Brombeersukzession. Örtlich begrenzt ist dies für gebüschbrütende Vogelarten

von Vorteil, der Flächenanteil dieser Biotopstrukturen darf sich im Gebiet aber nicht erhö-

hen, damit der Charakter einer typischen, extensiv bewirtschafteten Obstwiesenlandschaft

erhalten bleibt.

• Anlage von Steinriegeln

Auf einzelnen besonnten Parzellen könnten quer zum Hang gezielt Steinriegel angelegt

werden. Besonders geeignet sind hierbei die Flst.-Nrn. 3760 und 3761/1 (Fichtenbestand

s. Kap. 5.2.7), aber auch weitere südexponierte und parallel zum Hang verlaufende Par-

zellen. Wo immer möglich, sollten die Steinriegel durch weitere Strukturen wie Totholzsta-

pel oder Reisighaufen ergänzt werden und eine Anbindung an Gehölzstrukturen aufwei-

sen. Auch Totholz sollte an einigen Stellen in die Riegel eingebaut werden. Eine gewisse

Gehölzsukzession (Brombeere) sollte als Versteckmöglichkeit für Reptilien und als Nist-

platz bzw. Pollenquelle für Wildbienen auf den Flächen zugelassen werden.

• Entwicklung trockenwarmer Säume am Rand von Kleinstrukturen

Die Grünlandnutzung sollte zu Strukturen wie Steinriegeln, Feldgehölzen oder Feldgehöl-

zen einen Abstand von mindestens etwa zwei Metern einhalten. Die sich daraus entwi-

ckelnden Säume sind Rückzugsbereiche für Reptilien, Spinnen und Insekten. Damit sich

in diesen Bereichen keine Gehölzsukzession einstellt, sind die Flächen je nach Bedarf und

Lage alle 2-3 Jahre zu mähen. Das Mähgut sollte auch hier abtransportiert werden.

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• Wegenetz und Besucherinformation

Die bisherige Nutzung der gesamten Streuobstwiesen ist ungeordnet. Dies liegt auch dar-

an, dass nur wenige Wege das Gebiet erschließen. Im Rahmen der Erholungsvorsorge

könnte ein Rundwegekonzept an der Peripherie des Schutzgebietes Besuchern die Mög-

lichkeit des stillen Erlebens des Naturschutzgebietes im Rahmen kleiner Spaziergänge

bieten. Denkbar ist die Einrichtung eines Rundwegs auf bestehenden Wegen von der

Fortsetzung der Saarstraße, über den Feldweg an der Landesgrenze (Waldrand) bis zum

Ortsrand an die Merianstraße und die Neuschaffung einer kurzen Wegeverbindung (Fuß-

pfad) am Ortsrand (z. B. auf Flst.-Nr. 3811/2). Im nördlichen Teil des gepl. Schutzgebietes

liegt ein kleiner, von Gehölzen umrahmter Kinderspielplatz. Er kann durchaus im Gebiet

verbleiben und ggf. um verschiedene Komponenten von Naturerfahrungsräumen ergänzt

werden. Natürlich ist auch ein flankierendes Angebot zur gezielten Besucher- und Nutzer-

information vorzusehen, beispielsweise über Schautafeln, themenbasierte Führungen oder

Baumschnittkurse.

Karlsruhe, den 20. März 2012

Dr. Christoph Aly

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