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Schrempf 4
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7-10
I. Kapitel:
Historisch-kritische Betrachtungen
ber Probleme der Physik.
1. Das Gravitationsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11-26
2. Der Aether in der Geschichte der Physik . . . . . . . . . . . 26-35
3. Betrachtungen ber die klassische Mechanik . . . . . . . 35-44
II. Kapitel:
Die Aetherwirbeltheorie.
1. Aethermechanik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45-51
2. Die Schwerkraft in der Aetherwirbeltheorie . . . . . . . . . 51-54
3. Die Aetherwirbeltheorie als Kosmogonie . . . . . . . . . . . 54-74
4. Die Aetherwirbeltheorie erklrt die Ergebnisse
der Interferenzversuche von Fizeau, Sagnac und
Michelson widerspruchslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74-76
5. Aetherwirbeltheorie gegen Relativittstheorie . . . . . . 76-77
Schluwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78-79
Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
Schrempf 5
Vorwort.
Als ich vor 12 Jahren die R e l a t i v i t t s t h e o r i e E i n s t e i n s
kennen lernte, konnte ich mich nicht darein finden, da durch die Relativie-
rung von Raum und Zeit die Grundlagen jeder exakten Naturbeschreibung
aufgegeben werden sollten. Warum soll die strenge Gesetzmigkeit, das
Kausalprinzip, nur fr die mittleren Grenbereiche gelten?
Welches sind die physikalischen Voraussetzungen fr Einsteins Theorie?
Im Grunde ist es doch nur das negative Ergebnis des M i c h e l s o n schen
V e r s u c h e s. In der Ratlosigkeit darber, und weil er auf einen bewegungs-
losen Aether eingeschworen war, stellte L o r e n t z vollkommen willkrlich
seine Kontraktionshypothese auf, und auf den L o r e n t z-Transformationen
baute E i n s t e i n seine Theorie auf.
Eine einfache, natrliche Erklrung fr das Ergebnis des M i c h e l s o n
schen Versuches liefert die fast vergessene Wirbeltheorie D e s c a r t e s.
Diese war einst durch die N e w t o n i a n e r ganz in Verruf gekommen.
Es war mir von Anfang an klar, da man sie nur dann wieder hervorholen
konnte, wenn man den Beweis erbringen konnte, da auch die Wirbeltheorie
auf die K e p l e r schen P l a n e t e n g e s e t z e fhrt. Im Jahr 1931 fand
ich diesen Beweis. Herr Prof. G e h r c k e an der Physikalisch-Technischen
Reichsanstalt in Charlottenburg, dem ich den ersten Entwurf meiner Arbeit
vorlegte, schrieb mir darber: Ich sehe in ihr eine interessante Hypothese
einer mechanischen Aethertheorie. Sie erschien mir etwa in gleichem Mae
bewiesen oder nicht bewiesen wie die Aethermodelle des magnetischen
Feldes von M a x w e l l und L o d g e.
Je lnger ich mich in diese Idee vertiefte, umso mehr wurde ich
darin bestrkt, zumal ich in der Geschichte der Physik eine Menge von
Besttigungen fand. Die bedeutendsten Gelehrten des 17. und 18. Jahrhun-
derts: H u y g e n s , L e i b n i z , C h r i s t i a n W o l f , L e o n h a r d
E u l e r und viele andere bis in die Gegenwart konnten sich die Schwerkraft
nicht denken ohne die Vermittlung des Aethers. N e w t o n selbst hatte eine
Attraktionskraft nur aus methodischen Grnden angenommen, wie er selbst
sagt, und er verwahrte sich fter gegen die Meinung, da er eine den Massen
Schrempf 6
innewohnende Attraktionskraft lehre. Die Schler N e w t o n s waren es,
welche den Irrtum verankerten, da die Gravitation eine von den Massen
ausgehende Fernkraft sei.
E i n s t e i n rhmt zwar von seiner Relativittstheorie, da hier die
Gravitation den Charakter einer Fernkraft verloren habe. Was er aber dafr
setzt, sind leere Begriffe: Gravitationsfeld, gekrmmter Raum, ohne physikali-
sche Vorstellbarkeit. Es ist schon so, wie der ungarische Philosoph P a l g y i
sagt: Der heutige R e l a t i v i s m u s ist eine extreme Fortbildung des
N e w t o n i s m u s, und wenn man auf einen soliden physikalischen Grund
kommen will, mu man beide widerlegen. Dies ist in der vorliegenden Arbeit
geschehen.
Ludwigsburg, Juli 1934.
Der Verfasser.
Schrempf 7
Einleitung.
Da die Welt eine auf wenigen Grundgesetzen aufgebaute Einheit bildet,
ist wohl jedem philosophisch Denkenden unzweifelhaft. Diese Gesetze zu
erkennen, nach welchen aus dem einheitlichen Urgrund der Welt eine Vielheit
der Erscheinungen herauswchst, ist die Aufgabe der Wissenschaft.
Als Mittel der Erkenntnis dienen dem Menschen zunchst seine Sinne.
Diese reichen aber nicht aus, da hinter der sichtbaren Welt eine unsichtbare
sich verbirgt. Auf zwei Wegen sucht die Wissenschaft zu dem Ziele zu
gelangen, die unsichtbare Welt dem menschlichen Geiste fabar zu machen:
erstens konstruiert sie Werkzeuge, welche die Sinne ergnzen knnen;
zweitens setzt sie die Erscheinungen in logische oder mathematische
Beziehung zu einander.
In Bezug auf die Erkenntnis gibt es die verschiedensten philosophischen
Systeme. Die M e t h a p h y s i k e r suchen hinter der stofflichen Welt noch
eine andere geistige Welt. Im Gegensatz dazu lt der wissenschaftliche
M a t e r i a l i s m u s nur eine stoffliche Welt gelten; er hat das Ziel und die
Hoffnung, einmal die letzten Zusammenhnge dieser stofflichen Welt zu
erfassen. Die P o s i t i v i s t e n (B. B a v i n k nennt sie Negativisten, weil sie
zuletzt fast alles verneinen) wollen sich in der Physik auf das experimental
Feststellbare beschrnken; haben sie aber einmal die Theorien unter ihre
kritische Lupe genommen, so finden sie berall hypothetische Momente; die
einen kommen dann zuletzt zu der Behauptung, da die Welt nur in unsern
Sinnen und in unserem Bewutsein existiere; andere verschreiben sich einem
reinen Mathematismus. Wie heute die Entwicklung der modernen Physik in
der letzteren Richtung geht, beschreibt H. D i n g l e r in seinem Buche: Der
Zusammenbruch der Wissenschaft. Dort heit es: Was an diesem Mathema-
tismus das Charakteristische ist, das ist der Glaube, in der Methode der
symbolischen Analysis eine letzte Geltungsbegrndung vor sich zu haben...
Manche Physiker und Mathematiker finden es heute fr richtig, aus der
Schnheit und Geschlossenheit eines Formelsystems auf dessen Geltung in
der Wirklichkeit als einer Physik zu schlieen". Denen, die immer wieder
betonen, da nur der Physiker, der die mathematischen Hilfsmittel beherrscht,
Schrempf 8
das moderne Weltbild ganz verstehen knne, entgegnet D i n g l e r: In den
Sportberichten von Alpenvereinen liest man oft, wie ein besonders schwieriger
Umweg ber steile Felsen fr einen Kletterer eine besonders erfreuliche
Schnheit der Besteigung eines auf dem normalen Wege leicht zu ersteigen-
den Berges biete. Das ist ganz analog. Wir sehen, da das hier verwendete
Argument einfach mathematische Sportbegeisterung ist.
Nach unserer Meinung mu eine exakte Wissenschaft wie die Physik
immer materialistisch orientiert sein, d.h. sie mu nach einem Weltbild
streben, das von stofflichen und mechanischen Vorstellungen ausgeht. Erst
hatte man die Vorstellung unteilbarer Atome; dann konstruierte man ein
Weltbild der Elektronen und Protonen; heute beginnt auch dieses zu wanken
(Wellenmechanik von S c h r d i n g e r und andern). Statt nun zu dem
Welturstoff Aether zurckzukehren, der durch die Relativittstheorie in
Mikredit gekommen war, behilft man sich mit Begriffsbildungen (Kraftfelder,
Wellenpakete und dergl.), ohne damit stoffliche Vorstellungen zu verbinden;
man ist zufrieden, wenn sich nur damit mathematische Formeln aufstellen
lassen.
Ein rein mathematisches Weltbild ist aber kein echtes Weltbild und hat so
wenig Wert, wie ein Bauplan, der sich nicht in einer stofflichen Konstruktion
verwirklichen lt.
Wohin der Mathematismus fhrt, zeigen die Ausfhrungen des engli-
schen Physikers J. J e a n s in seinem Buche: Der Weltraum und seine Rtsel":
Ich glaube, es ist das Beste, den Aether als ein Schema anzusehen, auf
das man Bezug nehmen kann... Seine Existenz ist genau so wirklich und genau
so unwirklich, wie die des Aequators oder des Nordpols... Er ist ein Gedanken-
gebilde und hat keine Substanz... Unsere fernen Vorfahren versuchten, die
Natur nach ihren anthropomorphen Vorstellungen zu deuten, und gingen in
die lrre. Die Bemhungen unserer nheren Vorfahren, die Natur mechanisch
zu deuten, erwiesen sich ebenfalls als unzulnglich. Andererseits haben unsere
Bemhungen, die Natur in Begriffen der reinen Mathematik auszulegen, bis
jetzt glnzenden Erfolg gehabt... Eine mathematische Formel kann uns nie
sagen, was ein Ding ist, sondern nur, wie es sich verhlt... Dieser Gesichtspunkt
befreit und von vielen Schwierigkeiten und scheinbaren Inkonsequenzen der
heutigen Physik. Wir brauchen nicht mehr zu errtern, ob Licht aus Stoffteil-
chen oder Wellen besteht; wir wissen alles Wissenswerte darber, wenn wir
eine mathematische Formel gefunden haben, die genau sein Verhalten
beschreibt... Ebenso brauchen wir nicht zu errtern, ob das Wellensystem einer
Gruppe von Elektronen in einem dreidimensionalen oder vierdimensionalen
Raum oder berhaupt nicht existiert. Es existiert in einer mathematischen
Formel; diese und nichts anderes drckt die letzte Wirklichkeit aus...
Schrempf 9
Bei diesen Anschauungen brauchen wir die Art der fortlaufenden
Berhrung unseres Bewutseins mit der leeren Seifenblase, die wir Raum-Zeit
nennen, gar nicht geheimnisvoll zu finden, denn sie wird blo eine Berhrung
zwischen Geist und Geistesschpfung - wie das Lesen eines Buches oder das
Anhren von Musik ... Wenn irgend etwas dazu bestimmt ist, den Platz der
Mathematik einzunehmen, so knnte man hundert gegen eins wetten, da es
nicht die Mechanik sein wird. (??)
Solche Anschauungen fhren zum N i h i l i s m u s in der Wissenschaft.
Aber eine derartige Weltanschauung wird sich auf die Dauer ebenso wenig
behaupten, wie die kubistische und futuristische Malerei oder die atonale
Musik. Im Gegenteil glaube ich, da sich ein gesunder R e a l i s m u s in der
Wissenschaft sehr bald wieder durchsetzen wird; das wird aber nur geschehen
knnen durch einen neuen groen Fortschritt in der physikalisch-
mechanischen Deutung des Naturgeschehens.
Der groe H u y g e n s sagt: In der wahren Wissenschaft knne man
die Ursachen aller Wirkungen nur durch die Denkweise der Mechanik
begreifen, wolle man nicht fr immer auf jede Hoffnung verzichten, berhaupt
je etwas in der Physik zu verstehen. (Erwhnt bei A. Haas: Materiewellen).
Aehnlich uert sich H. H e r t z im Vorwort zu seiner Mechanik: Alle
Physiker sind einstimmig darin, da es die Aufgabe der Physik sei, die
Erscheinungen der Natur auf die einfachen Gesetze der Mechanik zurckzu-
fhren. Welches aber diese einfachen Gesetze sind, darber herrscht nicht
mehr die gleiche Einstimmigkeit. Die meisten verstehen unter jener Bezeich-
nung wohl schlechthin die N e w t o n schen Gesetze.
H e r t z geht aber ber N e w t o n weit hinaus, wenn er schreibt: Wir
berzeugen uns, da die Mannigfaltigkeit der wirklichen Welt grer sein mu
als die Mannigfaltigkeit der Welt, welche sich unsern Sinnen unmittelbar
offenbart. Wollen wir ein abgerundetes, in sich geschlossenes, gesetzmiges
Weltbild erhalten, so mssen wir hinter den Dingen, welche wir sehen, noch
andere unsichtbare Dinge vermuten... Wir knnen zugeben, da ein verborge-
nes Etwas mitwirke... Es steht uns frei, anzunehmen, das auch das Verborgene
nichts anderes sei, als wiederum B e w e g u n g u n d M a s s e ... W a s w i r
g e w h n t s i n d , a l s K r a f t u n d E n e r g i e z u b e z e i c h n e n ,
i s t d a n n f r u n s n i c h t s w e i t e r a l s e i n e W i r k u n g v o n
M a s s e u n d B e w e g u n g .
Auf die Notwendigkeit einer physikalisch-mechanischen Erklrung der
Naturerscheinungen weist auch Fr. Alb. L a n g e in seiner Geschichte des
Materialismus hin (Bd. I, Seite 260 f.): Man kann sich einbilden, mit dem
Satze: Keine Kraft ohne Stoff etwas sehr Materialistisches ausgesprochen zu
haben, whrend man doch die Stoffteilchen ganz ruhig durch den leeren
Schrempf 10
Raum hin ohne irgend ein materielles Band auf einander wirken lt. Von
einer solchen Vorstellung waren die groen Mathematiker und Physiker des
17. Jahrhunderts weit entfernt...
In zwei wichtigen Punkten war nun das mathematisch formulierte Gesetz
der physikalischen Erklrung vorangeeilt: in den K e p l e r schen Gesetzen
und in dem von G a l i l e i entdeckten Fallgesetze... In der konsequenten
Durchfhrung dieser Forderung (des Beweises, der mathematischen Formel)
liegt das Uebergewicht G a l i l e i s ber D e s c a r t e s , N e w t o n und
H u y g e n s ber H o b b e s und B o y l e. Nun geschah es aber zum dritten
male, da die mathematische Konstruktion der physikalischen Erklrung
voraneilte. (In der N e w t o n schen Gravitationstheorie).
Es gab eine Zeit am Ende des 19. Jahrhunderts, als das Ziel, die physika-
lisch-mechanische Deutung aller Naturerscheinungen, greifbar nahe vor
Augen schien. L. G r t z konnte in seiner Schrift Aether und Relativittstheo-
rie schreiben: Bis auf die Schwerkraft, die allgemeine Attraktion, knnen alle
Erscheinungen, die wir kennen, durch einen derartigen (elektro-magnetischen)
Aether erklrt werden.
Die in diesem Satze ausgedrckte Entwicklung der Physik des 19.
Jahrhunderts wurde unterbrochen durch die Konfusion, welche durch das
negative Ergebnis des M i c h e l s o n schen Versuches entstanden war.
lm ll. Kapitel dieser Schrift wird gezeigt, wie gerade das negative Ergebnis
des M i c h e l s o n schen Versuches, welches den Ausgangspunkt fr die
Relativittstheorie bildete, den Weg weisen kann zu einem einheitlichen, auf
den Aether gegrndeten, physikalisch-mechanischen Weltbild.
Schrempf 11
l. Kapitel.
Historisch-kritische Betrachtungen ber Probleme der Physik.
1. Das Gravitationsproblem.
Nachdem G a l i l e i die Erscheinung der Schwerkraft in den Fallgesetzen,
K e p l e r die Bewegung der Himmelskrper in seinen drei Planetengesetzen
mathematisch erfat hatte, versuchte N e w t o n eine Zusammenfassung
dieser beiden Erscheinungen in seinem Gravitationsgesetz. Dieses lautet:
Irgend zwei Massen (M und m) ziehen einander an proportional den
Massen und umgekehrt proportional dem Quadrate ihrer Entfernungen (r).
In Zeichen: 2Pr
Mmk = , wobei k ein konstanter Faktor ist. Die mathema-
tische Formulierung dieses N e w t o n schen Gesetzes hat sich als sehr
fruchtbar erwiesen fr die Berechnung der Strungen der Planetenbahnen; ja
es gelang mit Hilfe solcher Berechnungen die Entdeckung noch unbekannter
Planeten. Aber N e w t o n handelte bei Aufstellung seiner Gravitationstheorie
doch gegen seinen Grundsatz: Hypothesen erdenke ich nicht, indem er eine
Aussage ber die physikalische Ursache der Schwerkraft machte, obwohl er
zugab, da er dieselbe nicht kenne. Zwar nahm er eine Attraktion der Massen
nur aus methodischen Grnden an, aber seine Anhnger machten daraus ein
Axiom und wiesen bald jeden Versuch einer physikalisch-mechanischen
Deutung der Schwerkraft als berflssig, ja strend ab. So kommt es, da die
physikalischen Gravitationstheorien D e s c a r t e s , H u y g e n s , L e i b n i z
und anderer Gelehrter heute fast vergessen sind.
Heute wagt niemand mehr, gegen die Annahme einer allgemeinen
Massenanziehung Stellung zu nehmen: ja E i n s t e i n macht dieselbe in
seiner Gravitationstheorie zur Grundlage der gesamten Mechanik, indem er
auch die Trgheit der Masse darauf zurckfhrt.
Schrempf 12
Der Physiker D r u d e machte allerdings auf das Hypothetische der
N e w t o n schen Theorie aufmerksam, wenn er in einer Leipziger Antrittsrede
sagte: Man hat frher von einer Erklrung der K e p l e r schen Gesetze
durch die N e w t o n sche Annahme einer Gravitationskraft zwischen den
Himmelskrpern geredet. Was hat N e w t o n aber in Wirklichkeit getan?
Er hat die Bahngleichungen der Planetenbewegungen zweimal nach der Zeit
differenziert. Dabei ergab sich ein System von Gleichungen, welches aus-
spricht, da die Beschleunigung, welche ein Planet in einem bestimmten
Augenblick erfhrt, in der Richtung nach der Sonne hin liegt und mit dem
Quadrat des augenblicklichen Abstandes umgekehrt proportional ist.
Multipliziert man diese Beschleunigung noch mit der Masse des Planeten und
nennt das Produkt, wie berall in der Mechanik, Kraft, so hat man einen
einfachen und wegen des mit dem Worte Kraft instinktiv verbundenen
Anthropomorphismus noch dazu hchst anschaulichen Ausdruck fr den
Tatbestand, der jedoch in Wirklichkeit kein anderer als der der K e p l e r schen
Gesetze ist. Er ist nur in eine mehr denkkonomische und auch heuristisch
brauchbare Form gebracht worden. Denn diese neue Formulierung leitet uns
nun zur Auffindung weiterer hierhin gehriger Tatsachen hin (Strungen,
Gezeiten usw.).
Diese Kritik warnt wohl vor einer Ueberschtzung der N e w t o n schen
Gravitationstheorie; aber sie weist nicht deutlich genug auf das Verhngnisvol-
le der Annahme einer Attraktionskraft hin. Unsere ganze Physik wurde durch
die Attraktionshypothese auf ein falsches Gleise geschoben.
Der nachfolgende Beweis gegen die Attraktionshypothese soll die
Bereitwilligkeit erzeugen, eine andere Erklrung der Gravitation wenigstens
objektiv zu prfen.
Die Bahnen der Himmelskrper sind Ellipsen. Ein Planet eilt mit beschleu-
nigter Bahngeschwindigkeit seinem Perihelium zu, um von dort aus mit
abnehmender Geschwindigkeit sich wieder von der Sonne zu entfernen. Er
gleicht also in gewissem Sinne einem Pendel. Ein Pendel hat aber einen festen
Aufhngepunkt, was fr den Planeten nicht zutrifft. Nach der N e w t o n
schen Gravitationstheorie halten sich zwar die aus der Entfernung von der
Sonne zu berechnende Zentripetalkraft und die aus der Bahngeschwindigkeit
resultierende Zentrifugalkraft an jedem Punkte der Bahn das Gleichgewicht.
Aber ist nicht die Bahnbeschleunigung im Perihelium (bei den N e w t o n
ianern) eine Wirkung der von der Sonne ausgehenden Attraktion? Wie kann
diese Wirkung der Attraktion ihre eigene Ursache, die in Sonnennhe immer
strker werdende Attraktion berwinden, so da sich der Planet nun wieder
von der Sonne entfernen kann? Erinnert man sich hier nicht an die Schnurre
von Mnchhausen, der sich an seinem eigenen Zopfe aus dem Sumpfe zieht?
Schrempf 13
Auch H. H e r t z uert diesbezglich in der Einleitung zu seiner Mecha-
nik schwere Bedenken: Drfen wir (in Bezug auf die Zentrifugalkraft), ohne
unsere Begriffe zu verwirren, jetzt auf einmal von Krften reden, welche erst
durch die Bewegung entstehen, welche eine Folge der Bewegung sind?
Schon der Begriff Zentripetalkraft (Hinstreben nach dem Zentrum) weist
darauf hin, da die N e w t o n sche Gravitationstheorie eigentlich keine
Erklrung abgibt fr die Umlaufsbewegung der Planeten, d.h. fr die
ursprngliche Trgheitsbewegung, sondern hchstens fr die Krmmung der
Bahn, fr die Beschleunigung nach dem Zentrum hin.
N e w t o n hat die sehr exzentrischen Bahnen der Kometen als Beweis
gegen die Aetherwirbeltheorie D e s c a r t e s geltend gemacht. Aber eben die
groe Exzentrizitt der Kometenbahnen erweckt aus obigen Grnden auch
schwere Bedenken gegen die Attraktionshypothese der N e w t o n ianer.
N e w t o n s Theorie erklrt in keiner Weise die Eigenrotation der Him-
melskrper. Man hlt heute die Attraktion fr eine experimentell
nachgewiesene Tatsache; C a v e n d i s h hat sie mit der Drehwaage gemessen
und andere Physiker, neuestens E t v s, mit andern hchst empfindlichen
Vorrichtungen. Aber wenn man von der modernen Atomtheorie ausgeht, so
kann man sich sehr wohl vorstellen, da um die ponderablen Massen
Kraftfelder vorhanden sind, deren Wirkung einer Anziehung gleichkommt und
die man doch nicht als Anziehung bezeichnen darf. Im zweiten Kapitel wird
dafr eine ganz neue Erklrung gegeben.
Es sind von D e s c a r t e s bis zur Gegenwart viele Versuche gemacht
worden, die Gravitation aus Vorgngen im Aether zu erklren.
Fr. Alb. L a n g e macht in seiner Geschichte des Materialismus darauf
aufmerksam, da die groen Mathematiker und Physiker des 17. Jahrhunderts,
die Zeitgenossen N e w t o n s, ja N e w t o n selbst, weit davon entfernt
waren, an Fernwirkungen zu glauben. Er schreibt:
Wir haben uns heute so sehr an die abstrakte, oder vielmehr in einem
mystischen Dunkel zwischen Abstraktion und konkreter Fassung schwe-
bende Vorstellung von Krften gewhnt, da wir gar nichts Anstiges
mehr darin finden, ein Teilchen der Materie ohne unmittelbare Berhrung
auf ein anderes wirken zu lassen...
D e s c a r t e s stand mit seiner Ableitung der Schwere aus dem Sto
therischer Krperchen durchaus nicht vereinzelt. Es ist heutzutage blich
geworden, seine verwegenen Hypothesen gegenber den Demonstratio-
nen eines H u y g e n s und N e w t o n sehr scharf zu beurteilen; darber
vergit man anzuerkennen, was unzweifelhaft der Fall ist, da diese Mnner
in der einheitlichen und m e c h a n i s c h e n A u f f a s s u n g der
Schrempf 14
N a t u r v o r g n g e doch alle mit D e s c a r t e s bereinstimmten,
durch dessen Schule sie gegangen waren.
Die jetzt herrschende Annahme einer Wirkung in die Ferne hielt man
einfach fr absurd. N e w t o n machte davon keine Ausnahme. Wieder-
holt erklrte er im Laufe seines groen Werkes, da er die unbekannten
physikalischen Ursachen der Schwere aus methodischen Grnden bei Seite
lasse, aber an ihrem Vorhandensein nicht zweifle. So bemerkt er z.B., da er
die Zentripetalkrfte als Anziehungen betrachte, obgleich sie vielleicht,
wenn wir uns der Sprache der Physik bedienen wollen, richtiger Anste
genannt werden mten. Ja, als der Eifer seiner Anhnger dazu berging,
die Schwere fr eine Grundkraft aller Materie zu erklren (womit dann jede
weitere mechanische Erklrung aus dem Sto imponderabler Teilchen
abgeschnitten wurde), sah sich N e w t o n veranlat, noch im Jahre 1717,
in der Vorrede zur zweiten Auflage seiner Optik, ausdrcklich gegen diese
Anschauung zu protestieren.
Schon bevor diese Erklrung N e w t o n s erschienen war, uerte sein
groer Zeitgenosse H u y g e n s, er knne nicht glauben, da N e w t o n
die Schwere als eine wesentliche Eigenschaft der Materie betrachte... Man
sieht jetzt, wie diese Anschauungen zusammenhngen, und man begreift,
da auch Mnner wie L e i b n i z und Johann B e r n o u l l i an dem
neuen Prinzip Ansto nahmen; ja, da der letztere sogar nicht ablie, zu
versuchen, ob sich nicht aus D e s c a r t e s Prinzipien eine mathematische
Konstruktion ableiten liee, welche den Tatsachen ebenfalls gengte.
Alle diese Mnner wollten die Mathematik von der Physik nicht trennen,
und als physikalisch vermochten sie die Lehre N e w t o n s nicht zu begrei-
fen.
Aus dem Triumph der rein mathematischen Leistung N e w t o n s
erwuchs so in seltsamer Weise eine neue Physik. Der Gang der Geschichte
hat die unbekannte materielle Ursache eliminiert und das mathematische
Gesetz selbst in den Rang der physikalischen Ursache eingesetzt... was
N e w t o n fr eine so groe Absurditt erklrte, da kein denkender Kopf
darauf verfallen knnte, das preist die Nachwelt als N e w t o n s groe
Entdeckung der Harmonie des Weltalls!
Was L a n g e hier in diesen Ausfhrungen kurz zusammenfat, das zeigt
auch Rosenberger in einem umfangreichen Werk: N e w t o n und seine
physikalischen Prinzipien 1895, nmlich da N e w t o n weit davon entfernt
war, in der Attraktion jene Grundkraft der Materie zu erblicken, als deren
Entdecker man ihn jetzt zu preisen pflegt, und da er die Frage nach der
physikalischen Ursache der Gravitation offen lie. Das Werk R o s e n b e r g -
Schrempf 15
e r s ist eine reiche Fundgrube von Stoff ber die in Vergessenheit geratenen
Bemhungen um ein Weltbild in D e s c a r t e s schem Sinne. Wir werden auf
den nchsten Seiten das bringen, was wir, als wesentlich fr den Zweck dieser
Abhandlung, dem Buche R o s e n b e r g e r s entnommen haben.
R o s e n b e r g e r Seite 105: Eine Schrift Newtons aus dem Jahre 1675
mit dem Titel: Theorie des Lichtes und der Farben enthlt eine auf den
Aether gegrndete Gravitationstheorie:
Ebenso wie hier die elektrische Anziehung wird auch die Anziehungskraft
der Erde, welche wir Schwere nennen, durch immerwhrende Kondensation
einer hnlichen therischen Flssigkeit verursacht sein. Denn wenn
grungsfhige oder brennbare Krper eine groe Menge therischer
Flssigkeit in sich zu halten vermgen, so darf man auch von dem groen
Krper der Erde annehmen, da er immerwhrend groe Mengen theri-
scher Flssigkeit in sich zu kondensieren vermag. Dann aber mu auch
immerwhrend von allen Seiten die therische Flssigkeit mit groer
Schnelligkeit zum Ersatz nach der Erde hinstrmen, und diese Aetherstrme
werden die Krper ber der Erde mit sich fhren nach der Erde, und zwar
mit einer Kraft, welche den Oberflchen aller Teile, auf welche die Strme
wirken, proportional ist. Und wie die Erde, so mag auch die Sonne diese
Substanz einsaugen und dadurch sich nicht blo ihre Leuchtkraft bewahren,
sondern auch die Planeten verhindern, sich weiter von ihr zu entfernen."
In dem Buche R o s e n b e r g e r s finden wir auch die Gravitations-
theorie D e s c a r t e s (Rbg. Seite 144):
Weil die irdische Materie in groen Massen zusammenhngt, so folgt sie
nicht so leicht dem Drucke nach auen, der durch die Rotation der Erde
erzeugt wird, wie der himmlische Stoff, der zwischen der irdischen Masse
sich befindet. Der himmlische Stoff kann aber nicht in den durchaus mit
Stoff erfllten Himmelsraum sich entfernen, ohne andere Stoffe nieder, d.h.
nach dem Zentrum der Erde zu drcken. Und da nun berall der himmli-
sche Stoff das gleiche Streben nach auen besitzt und der irdische Stoff
berall diesem nachsteht, so wird an allen Orten der irdische Stoff nach
dem Zentrum gedrngt, und diese Erscheinung ist es, die man als die
Schwere bezeichnet. S c h w e r e i s t a l s o k e i n d e m S t o f f
i n n e w o h n e n d e s S t r e b e n , s o n d e r n n u r d e r
R c k s t o , den die vom Zentrum sich entfernenden Himmelskgelchen
auf die irdische Materie ausben.
Frh schon wurden gegen die D e s c a r t e s sche Gravitationstheorie
verschiedene Bedenken geuert. Wenn die Schwere von einer Rotation um
eine feste Achse herrhre, so msse sie senkrecht auf diese Achse und nicht,
wie die Erfahrung zeige, auf das Zentrum des Wirbels gerichtet sein,
Schrempf 16
Rbg. Seite 227: Claude P e r r a u l t nahm deshalb in seinen Essais de
physique von 1680 an, da die Teile des Wirbels an den Polen schneller
rotieren.
Jakob B e r n o u l l i stellte in einer Abhandlung, die 1686 in den Acta
Eruditorum erschien, zwei Hypothesen auf, durch welche man der oben
genannten Schwierigkeit ausweichen knne: entweder msse man annehmen,
die Wirbelbewegungen der einzelnen Teilchen geschehen nicht blo parallel
zu dem Aequator, sondern auch parallel zu allen andern grten Kreisen; oder
der Druck der Zentrifugalkraft treffe auf Reihen kugelfrmiger Elemente, die in
geraden Linien nach dem Zentrum angeordnet seien und diesen Druck nur
nach dem Zentrum fortpflanzen.
Rbg. Seite 228: 1690 sucht Pierre V a r i g n o n einem andern Einwurf
gegen die Cartesianische Theorie zu entgegnen, dem Einwurf, da in einem
rotierenden Wirbel durch die Zentrifugalkraft doch eher die grobe Materie
nach oben steigen und die feineren Stoffe nach unten drngen mte als wie
umgekehrt, wie Descartes es behauptete. V a r i g n o n betonte, da die der
Erde benachbarten Planeten-wirbel den Erdwirbel gleichsam in ein festes
Gewlbe einschlssen, von dessen Wnden berall durch die Zentrifugalkrfte
der Nachbarwirbel ein nach dem Zentrum gerichteter Druck ausgebt werde.
Dieser Druck verbreite sich durch die flssige Wirbelmaterie gleichmig im
ganzen Wirbel und setze sich berall mit der Zentrifugalkraft zu einer Kraft
zusammen, die in einer gewissen Entfernung vom Wirbelzentrum auf Null
reduziert werde und dort eine neutrale Zone ergebe. Unter dieser Zone wrde
alle Materie nach dem Zentrum des Wirbels hin, ber ihr von demselben
weggetrieben. Die neutrale Zone der Erde zeige sich vielleicht durch die
Wolken an, die in ihr schwebend blieben. Auch in dem groen Sonnenwirbel
mchten hnliche Verhltnisse herrschen, und dort knnten wohl in der
neutralen Zone die Planeten sich schwebend erhalten, so da sie trotz des
Druckes der Nachbarwirbel und trotz ihrer Zentrifugalkraft sich nicht ber
gewisse Grenzen hinaus der Sonne nherten oder von ihr entfernten.
Rbg. Seite 231: L e i b n i z verffentlichte 1689 in den Acta Eruditorum
eine Theorie der Schwere mit dem Titel: Tentamen de Motuum coelestium
causis. Er will nachholen, was D e s c a r t e s versumt hatte: er will die
K e p l e r schen Gesetze aus Aetherwirbeln ableiten. Zu diesem Zwecke
vereinigt L e i b n i z C a r t e s i a n ische und N e w t o n sche Ideen. Er
bezeichnet diejenigen Bewegungen um ein festes Zentrum, bei Welchen die
Geschwindigkeiten den Entfernungen vom Zentrum umgekehrt proportional
sind, als harmonische Zirkulation. In jeder harmonischen Zirkulation werden
von dem Radius in gleichen Zeiten gleiche Flchenrume berstrichen. Nach
dem zweiten K e p l e r schen Gesetz bewegen sich also die Planeten um die
Schrempf 17
Sonne, die Monde um die Planeten in harmonischen Zirkulationen; damit ist
notwendig verbunden, da auch der umgebende Aether in harmonischer
Zirkulation sich befinden mu. Jeder Planet bewegt sich durch das Zusam-
menwirken einer harmonischen Zirkulation und einer parazentrischen
Bewegung (Bewegung auf dem Radius). Die harmonische Zirkulation
geschieht durch die Bewegung des Aethers, in welchem der Planet gleichsam
schwimmt und dessen Bewegung er sich anbequemt. Die parazentrische
Bewegung der Planeten wird verursacht durch einen Antrieb nach auen und
durch die Attraktion der Sonne. Die Zentrifugalkraft, die durch die Bewegung
erzeugt wird, mu durch die Attraktion der Sonne kompensiert werden. L e i b
n i z rhmt von seiner Theorie, da er aus ihr mit Hilfe der neuerfundenen
Infinitesimalrechnung nicht blo fr die Planetenbewegung das zweite und
dritte K e p l e r sche Gesetz, sondern auch die umgekehrt quadratische
Proportionalitt der Attraktion mit der Entfernung habe ableiten knnen. Rbg.
Seite 234: Auch H u y g e n s hat sich eifrig bemht, auf C a r t e s i a n
ischem Grunde eine mechanische Erklrung der Schwerkraft zu geben. Seine
Abhandlung ber die Schwerkraft erschien im Jahre 1690 als Beilage zu
seinem Werke ber das Licht. H u y g e n s vereinigt darin die Wirbeltheorie,
die ihm in der D e s c a r t e s schen Ausfhrung unmglich erschien, mit
den alten atomistischen Vorstellungen der nach allen mglichen Richtungen
hin erfolgenden Bewegungen der Aetheratome. D e s c a r t e s habe, sagt
H u y g e n s in der Vorrede, zuerst erkannt, da man in der Physik nicht
weiterkommen werde, wenn man nicht alle Erscheinungen aus Prinzipien
ableite, welche innerhalb der Sphre unseres Geistes lgen; wenn man nicht
die Materie, statt aus wunderbar wirkenden Eigenschaften, nur aus Bewegun-
gen der Teilchen konstituiere. Er selbst msse gestehen, da die C a r t e s i a
n ischen Ansichten, obgleich sie in Bezug auf die Schwere falsch seien, ihm
doch den Weg zu seiner Erklrung gezeigt htten.
H u y g e n s fhrt dann ein schon 1661 von ihm ersonnenes Experiment
dafr an, da wirklich die festen in dem Wirbel schwimmenden Teilchen durch
die Zentrifugalkraft der flssigen Wirbelmaterie nach dem Zentrum des
Wirbels getrieben werden. Ein zylindrisches, mit Wasser geflltes Gef von
kreisfrmiger Grundflche ist um seine senkrechte Achse drehbar, und auf
seiner Grundflche kann eine Kugel von beliebigem Material zwischen
gespannten Fden lngs eines Durchmessers rollen. Wird das anfangs ruhende
Gef gedreht, so entfernt sich die Kugel vom Mittelpunkt der Grundflche
gegen den Umfang und bleibt dort so lange als die Rotationsgeschwindigkeit
nicht abnimmt. Wird aber pltzlich das Gef in Ruhe versetzt, so wird das in
demselben weiterkreisende Wasser die ruhende Kugel vom Umfange gegen
den Mittelpunkt hin drngen. Die Kugel bewegt sich also unter dem Einflu
Schrempf 18
einer wirbelnden Flssigkeit wirklich so, als ob sie einer zentripetalen Kraft
unterworfen wre; sie strebt wie alle schweren Krper nach dem Mittelpunkt
hin. Trotzdem bleibt es richtig, da durch eine Wirbelbewegung um eine
Achse die Schwere nicht erklrt werden kann, weil sie dann eben nur senkrecht
gegen diese Achse und nicht nach dem Mittelpunkte hin wirken knnte. Diese
Schwierigkeit wird dadurch gelst, da man die Rotationen in dem Wirbel
nicht um eine, sondern um alle mglichen durch den Mittelpunkt des Wirbels
gehenden Achsen geschehen lt. H u y g e n s nimmt also an, da die sehr
feine, aus sehr kleinen Teilchen bestehende flssige Wirbelmaterie, welche
den ganzen sphrischen Raum um die Erde bis auf sehr weite Entfernungen
vollstndig erfllt, sich in jedem Punkte nach allen mglichen Richtungen hin
mit sehr groer Schnelligkeit bewegt. Da die Teilchen nicht aus diesem Raume,
der von anderen Krpern umgeben ist, hinausgehen knnen, so mssen ihre
Bewegungen, auch wenn sie anfangs geradlinig gewesen wren, nach und
nach zu kreisfrmigen werden, die nun aber nicht in parallelen, sondern
vielmehr in allen mglichen Richtungen um dasselbe Zentrum, den Mittel-
punkt der Erde, geschehen. Diese Bewegungen werden sich auch in keinem
Punkte hindern (trotz ihrer verschiedenen Richtungen), wenn wir die Teilchen
der Wirbelmaterie nur klein genug annehmen; denn auch kochendes Wasser
hat sehr verschiedene Bewegungen in sich, und die Flssigkeit der himmli-
schen Materie ist noch sehr viel grer als die des Wassers. Die Schwere ist
danach leicht zu erklren. Wenn innerhalb der flssigen Wirbelmaterie sich
Krper befinden, deren Teile viel grer als die Teile der Flssigkeit sind, so
knnen diese Krper den Bewegungen des Wirbels nicht folgen, weil die
Ste von allen Seiten ganz gleichmig auf sie treffen. Da aber doch die
Zentrifugalkraft die flssige Materie nach auen drngt, so werden jene
Krper, wie die Kugel im Experiment, nach innen getrieben werden und also
gegen das Zentrum schwer erscheinen...
Nach dem Erscheinen der Prinzipien N e w t o n s fgte H u y g e n s
seiner Abhandlung einen Nachtrag an, in welchem er sich ber die Theorie
N e w t o n s aussprach:
D i e s e s P r i n z i p , n a c h d e m d i e T e i l c h e n a l l e r
K r p e r s i c h g e g e n s e i t i g a n z i e h e n o d e r s i c h e i n
a n d e r z u n h e r n s t r e b e n, v e r m a g i c h n i c h t a n z u -
n e h m e n , w e i l i c h k l a r z u s e h e n g l a u b e , d a e i n e
s o l c h e A t t r a k t i o n w e d e r d u r c h e i n e R e g e l d e r
B e w e g u n g , n o c h d u r c h e i n m e c h a n i s c h e s P r i n z i p
e r k l r b a r i s t... Das System N e w t o n s hat die Schwierigkeit, da
N e w t o n, indem er die C a r t e s i a n ischen Wirbel negiert, auch nur
eine sehr vereinzelte Materie in den himmlischen Rumen zult, damit die
Schrempf 19
Planeten und Kometen so wenig Widerstand als mglich in ihrem Laufe
erfahren. Danach erscheint mir die Erklrung der Schwere ebenso unmg-
lich, wie die der optischen Erscheinungen, wenigstens in der Weise, in der
ich sie gegeben habe.
Der bedeutende Mathematiker Leonhard E u l e r neigt ebenfalls dazu,
wie D e s c a r t e s , H u y g e n s und L e i b n i z eine mechanische Ursache
der Schwerkraft anzunehmen, obwohl er mit dem N e w t o n schen Kraftge-
setz groe Erfolge hatte in der Berechnung der Strungen der planetarischen
Bewegungen. Dies ist ein Beispiel dafr, da die Annahme einer physikalischen
Ursache der Schwere der wissenschaftlichen Bestimmtheit und Sicherheit nicht
schdlich ist. E u l e r schreibt in seinen Briefen an eine deutsche Prinzessin:
Die Meinungen der Physiker und Philosophen teilen sich in zwei Haupt-
klassen: nach der einen Partei geschieht die gegenseitige Anziehung zweier
Krper durch ihre unmittelbare Wirkung aufeinander, und die anziehende
Kraft ist eine wesentlich innere Eigenschaft der Krper selbst; dagegen
behauptet die andre Partei, da die Anziehung mittelbarer Weise durch die
Hilfe irgend einer feinen unsichtbaren Materie geschehe. Die erstere Mei-
nung ist besonders von englischen Physikern verteidigt worden, die sich
vermutlich durch den Ausdruck Anziehung, dessen sich N e w t o n zur
Bezeichnung einer in der Natur unverkennbaren Wirkung bedient hatte,
verleiten lieen zu glauben, da er die Ursache dieser Wirkung oder die
anziehende Kraft wirklich fr eine den Krpern eigentmliche Kraft gehal-
ten habe. Doch ist es jedenfalls nur eine bequeme Art der Erklrung, wenn
man sagt, da sich zwei Krper darum anziehen, weil sie eine gewisse
geheime Kraft haben, einander anzuziehen.
Die andere Meinung, da die Schwere die Wirkung einer feinen Materie
sei, haben besonders D e s c a r t e s und H u y g e n s verteidigt. U n d
i n d e r T a t w e r d e n w i r g e n e i g t e r s e i n z u g l a u b e n ,
d a z w e i w e i t v o n e i n a n d e r e n t f e r n t e K r p e r
d u r c h i r g e n d e i n e M a t e r i e g e g e n e i n a n d e r
g e t r i e b e n w e r d e n , a l s d a d e r e i n e d e n a n d e r n
o h n e a l l e Z w i s c h e n m i t t e l b l o a u s i n n e r e r K r a f t
a n s i c h r e i e n s o l l t e. W e n i g s t e n s s t i m m t d a s
e r s t e r e a l l e i n m i t u n s e r e r E r f a h r u n g b e r e i n. (Rbg.
Seite 251.)
Sehr hervorheben mssen wir, da Newton selbst sich fter gegen die
Meinung verwahrt, als sei er derjenige, der eine den Krpern innewohnende
Attraktionskraft lehre. Einen Brief an Bentley vom 17. Januar 1693 schliet er
mit einem solchen Protest. Bentley spreche einige mal von der Schwere so, als
ob dieselbe der Materie wesentlich und inhrent sei. Das mge er aber ja nicht
Schrempf 20
als seine (Newtons) Meinung ausgeben; denn er beansprucht nicht, zu wissen,
was die Ursache der Schwere sei. In einem Brief vom 25. Februar 1693 an
Bentley schreibt Newton (Rbg. Seite 267.):
E s i s t i n W a h r h e i t u n b e g r e i f l i c h , w i e u n b e s e e l t e ,
u n v e r n n f t i g e M a t e r i e , o h n e d i e V e r m i t t l u n g v o n
i r g e n d e t w a s a n d e r e m , w e l c h e s n i c h t m a t e r i e l l
i s t , a u f a n d e r e M a t e r i e w i r k e n u n d d i e s e l b e o h n e
g e g e n s e i t i g e B e r h r u n g a f f i z i e r e n k n n t e , w i e e s
g e s c h e h e n m s s t e , w e n n d i e G r a v i t a t i o n i n d e m
S i n n e v o n E p i k u r d e r M a t e r i e w e s e n t l i c h , i n h r e n t
s e i n s o l l t e. U n d d i e s i s t e i n G r u n d , w a r u m i c h n i c h t
m c h t e , d a S i e m i r d e n B e g r i f f e i n e r e i n g e b o r e n -
e n G r a v i t a t i o n z u s c h r e i b e n. D a d i e G r a v i t a t i o n
d e r M at e r i e w e s e n t l i c h , i n h r e n t u n d a n e r s c h a f f e n
s e i n s o l l e n , s o d a e i n K r p e r a u f e i n e n a n d e r n
w i r k e n k n n t e a u f d i e E n t f e r n u n g h i n d u r c h d e n
l e e r e n R a u m , o h n e d i e V e r m i t t l u n g v o n i r g e n d
e t w a s , d u r c h w e l c h e s i h r e K r a f t u n d A k t i o n
v o n e i n e m z u m a n d e r e n g e l e i t e t w e r d e n k n n t e ,
d a s i s t n a c h m e i n e m D a f r h a l t e n e i n e s o g r o e
A b s u r d i t t , d a i c h g l a u b e , k e i n M e n s c h , w e l c h e r
i n p h i l o s o p h i s c h e n D i n g e n e i n e g e n g e n d e
D e n k f h i g k e i t h a t , k a n n j e m a l s d a r a u f v e r f a l l e n.
Die Gravitation mu durch ein Agens, welches konstant nach gewissen
Gesetzen wirkt, verursacht sein; ob aber dieses Agens materiell oder imma-
teriell ist, habe ich der Ueberlegung meiner Leser berlassen.
Trotz dieser Verwahrung Newtons gingen seine Anhnger bald dazu ber,
die den Massen anerschaffene Attraktion zu einem Axiom zu erheben. So
schreibt K e i l 1708 eine Abhandlung ber die Gesetze der Attraktion, in
welcher er von drei Axiomen ausgeht:
1) da ein leerer Raum existiere,
2) da jede Quantitt bis ins Unendliche teilbar sei,
3) da die Teilchen aller Materie anziehende Krfte ausben.
Die N e w t o n i a n e r gewannen immer mehr Einflu.
Die C a r t e s i a n e r behaupteten sich zwar noch einige Zeit, besonders
in Frankreich. V o l t a i r e schildert in seinen Briefen ber die Englnder den
sonderbaren Zustand der nebeneinander bestehenden Weltanschauungen
(Rbg. Seite 520):
Ein Franzose, welcher nach L o n d o n kommt, findet die Dinge in der
Philosophie, wie berhaupt, sehr stark verndert. Er hat die Welt gefllt
Schrempf 21
verlassen und findet sie nun leer. In P a r i s sah er das Universum aus
lauter Wirbeln einer feinen Materie zusammengesetzt, in London ist nichts
davon zu bemerken. Bei uns ist es der Druck des Mondes, welcher die
Meeresflut verursacht, bei den Englndern strebt das Meer selbst nach dem
Monde hin. In F r a n k r e i c h tut die Sonne nichts in dieser Sache, dort
trgt auch sie ihr Teil dazu bei. Bei uns Cartesianern geschieht alles durch
eine Impulsion, welche man kaum versteht; bei N e w t o n wirkt statt
dessen eine Attraktion, deren Ursache man auch nicht besser kennt...
D e s c a r t e s versichert, da die Materie nur in der Ausdehnung besteht,
N e w t o n fgt dazu noch die Dichte.
Den ganzen Streit der beiden Weltanschauungen hier zu schildern,
wrde zu weit fhren. Wir konnten zeigen, da im 17. und zu Anfang des
18. Jahrhunderts alle bedeutenden Physiker und Mathematiker einschlielich
N e w t o n dazu neigten, die Naturerscheinungen durch den Aether zu
erklren. Aber dann war fast ein Jahrhundert lang der Aether aus der Physik
verbannt, da sich im Schatten der G r a v i t a t i o n s t h e o r i e auch
die Newtonsche E m i s s i o n s t h e o r i e des Lichtes lange Zeit gegen die
H u y g e n s sche U n d u l a t i o n s t h e o r i e behaupten konnte.
Als dann aber im 19. Jahrhundert die Physik durch die Erforschung der
elektrischen Erscheinungen einen groen Aufschwung nahm, wurde die
Annahme des Aethers wieder notwendig; die Undulationstheorie siegte ber
die Emissionstheorie.
Nun wurden auch wieder Versuche gemacht, die Gravitation aus dem
Aether zu erklren; aber von D e s c a r t e s schen Wirbeln war nicht mehr die
Rede; in den mechanischen Gravitationstheorien des 19. Jahrhunderts wurde
dafr die kinetische Gastheorie auf den Aether angewandt; dies war von
Anfang an ein viel schwcheres Prinzip als die Wirbeltheorie.
Caspar I s e n k r a h e stellt in seiner Schrift: Das Rtsel der Schwerkraft
1879 die neueren Theorien ber die Gravitation zusammen:
1876 erschien ein Buch von Ph. S p i l l e r: Die Urkraft des Weltalls, in
welchem die Gravitation aus einem statischen Aetherdruck erklrt wird. Zwei
Krper sollen nach dieser Theorie auf den voneinander abgekehrten Seiten
einen Druck erleiden, whrend die Druckkrfte, welche die einander zugekehr-
ten Seiten treffen, sich gegenseitig aufheben sollen; so sollen sich die Krper
gegeneinander bewegen, als wenn sie sich anziehen wrden.
Nach mehreren anderen Theorien wird die Gravitation verursacht durch
den Sto der Aetherteilchen, die mit groen Geschwindigkeiten hin- und
herfliegen. Die erste dieser Sto- und Schirmwirkungstheorien wurde von
L e s a g e ums Jahr 1800 aufgestellt. Nach L e s a g e wird der Raum nach
allen Richtungen von Aetherteilchen mit einer fast unendlich groen
Schrempf 22
Geschwindigkeit durcheilt. Ein einzelnes Atom im Raume wrde keinen
Bewegungsimpuls erhalten, da die von allen Seiten kommenden Ste sich
gegenseitig aufheben wrden. Befinden sich aber zwei Krper in dem Raume,
so schtzen sie sich gegenseitig vor den Sten und werden dadurch
zueinander hingetrieben.
H. S c h r a m m verffentlicht 1872 eine Schrift: Die allgemeine Bewe-
gung der Materie als Grundursache der Naturerscheinungen, worin er eine
ganz hnliche Erklrung der Schwerkraft gibt wie L e s a g e.
1874 schrieb F. F r i t s c h eine Abhandlung: Theorie der Newton schen
Gravitation und des M a r i o t t e schen Gesetzes. Eine Durchfhrung des
H u y g e n s schen Gedanken ber die Schwere. Darin geht er von folgenden
Voraussetzungen aus:
1) Auer der schweren Masse enthlt der Raum noch andere, fein verteilte
Masse, den sogenannten Aether; seine Teilchen sind unendlich klein ge-
gen die schweren Teilchen; die Berechtigung dieser Annahme erfolgt aus
der Optik.
2) Die kleinsten Teile - Atome - sowohl des Aethers wie der schweren
Masse sind vollstndig hart, d.h. in ihrer Form unvernderlich...
3) Der Aether ist in fortwhrender sehr schneller Bewegung nach allen
Richtungen hin; bertragen wird diese Bewegung von Teilchen zu Teil-
chen nur durch Aufeinanderstoen...
Baron N. von D e l l i n g s h a u s e n verffentlichte 1872:
Grundzge der Vibrationstheorie der Natur. D e l l i n g s h a u s e n
nimmt eine kontinuierliche Raumfllung an. Seine Atome sind Vibrationsato-
me, von welchen nach allen Seiten fortschreitende Wellen ausgehen.
Begegnen sich zwei Wellenzge, so bilden sie stehende Wellen. Es kann an
irgendeinem Orte durch einen Erkaltungsproze eine Kondensation zustande
kommen. Treten nun in der Tat in dem bis dahin ruhenden und gleichmi-
gen Weltaether solche Kondensationen an einer oder mehreren Stelle ein, so
mu durch das Zusammenflieen mehrerer Vibrationsatome dieselbe Wirkung
geuert werden, als ob mehrere Vibrationsatome aus dem Weltther
herausgenommen worden wren. Vom Orte der Kondensation konnten von
nun an die Wrmewellen weder in gleicher Anzahl, noch in gleicher Art, wie
vorher, ausgesandt werden. Die nach dem Mittelpunkte der Kondensation
gerichteten Wrmewellen des Weltthers muten sich, ihres Komplements zur
Bildung stehender Wellen beraubt, als fortschreitende Wellen weiter fortpflan-
zen und durch ihre bewegende Kraft ein allgemeines Strmen des Weltthers
nach dem Orte der Kondensation veranlassen. Wegen der vollkommenen
Elastizitt der Materie knnen wir annehmen, da die innere lebendige Kraft
und die Quantitt der Bewegung, welche in den fortschreitenden Aetherwellen
Schrempf 23
in einem bestimmten Momente auf einer Kugelflche enthalten sind,
nach einiger Zeit bei der konzentrischen Bewegung der Aetherwellen, wie
bei dem vollkommen elastischen Stoe zweier Krper, ohne jeden Verlust auf
eine kleinere Kugel bertragen werden... Die Kugeloberflchen aber verhalten
sich wie die Quadrate ihrer Halbmesser. Aus seinen Annahmen leitet dann
D e l l i n g s h a u s e n das zweite und dritte Keplersche Gesetz ab.
Eine besondere Art von Gravitationstheorie liefert der Astronom P. S e c -
c h i in seinem Buche: Die Einheit der Naturkrfte 1864.
Die Elastizitt des Aethers leitet S e c c h i von der inneren Rotation
desselben ab. Nehmen wir nun an, da die Elemente des Mittels mit
Rotationsbewegung begabt sind, so wird der Sto nicht eine in gerader
Richtung fortschreitende Bewegung hervorbringen, sondern die Bewegung
wird sich ber eine Kugel ausbreiten, die den stoenden Krper umgibt. Denn
da der Sto im allgemeinen nicht im Pole der Rotation erfolgen, und da er
auch gewhnlich gegen die Achse eine schrge Richtung haben wird, so wird
sie durch die Zusammensetzung der drehenden und der fortschreitenden
Bewegung im stoenden Atom eine schrg gerichtete Resultante ergeben,
und sein Schwerpunkt wird von gestoenen Atom direkt nach dem nchst
benachbarten und von diesem zum darauffolgenden zurckprallen, gerade
wie ein vollkommen elastischer Krper inmitten anderer...
Sicherlich sind die Aetherwirbel oder vielmehr Zentra und Ausdeh-
nungsphren unendlich klein, so da viele Millionen derselben auf die Lnge
einer Lichtwelle kommen: und daher wird die Erregung der Atome unseren
Sinnen weder als Wrme noch als Licht wahrnehmbar, weil jene Bewegung
in einem sehr viel kleineren Raume erfolgt, als die Lichtwellen. Jeder dieser
Wirbel, die wir als unendlich kleine Gren bezeichnen knnen, wrde nun
zur Bildung der Molekle der Krper beitragen, welche in dem brigen, nicht
zu Aggregaten vereinigten Aether schwimmen... Im Wesentlichen ist auch
T h o m s o n (L o r d K e l v in), wie ich gesehen habe, zu einer ganz
hnlichen Vorstellung gelangt; denn auch er sieht die wgbaren Molekle als
Aetherwirbel an.
Nach S e c c h i nimmt die Dichtigkeit des Mittels vom Zentrum eines
Aetherwirbels nach auen zu, und S e c c h i folgert daraus, da ein Wirbel in
den andern fallen msse; dies ist seine Erklrung der Schwerkraft.
Nachdem im 19. Jahrhundert die Wissenschaft sich bemht hatte, alle
Naturerscheinungen auf der Grundlage des Aethers zu erklren, unternahmen
es am Anfang des 20. Jahrhunderts die Relativittstheoretiker, die Existenz des
Aethers ganz zu leugnen.
Schrempf 24
Es scheint nun der gleiche Fall einzutreten wie in der Zeit nach Newton:
da nmlich durch einen groen mathematischen Apparat die anschaulich-
mechanischen Vorstellungen ganz verdrngt werden.
Gegen die Negierung des Aethers bei den Relativittstheoretikern wen-
den sich verschiedene Schriften von H. F r i c k e: Eine neue und einfache
Deutung der Schwerkraft und eine anschauliche Physik des Raumes 1919.
Die neue Erklrung der Schwerkraft 1920. Der Fehler in Einsteins Relativi-
ttstheorie 1920. F r i c k e aus der Aetherstotheorie Lesages eine
Aetherstrmungstheorie; dabei dienen ihm die Strmungsvorgnge im
Wasser, wir sie R m l e i n in seiner Schrift: Wie bewegt sich flieendes
Wasser? dargestellt hat, als Vorbild F r i c k e betrachtet den Aether als
inkompressible Flssigkeit.
Neu und bemerkenswert bei F r i c k e ist, da er die Oberflchentempe-
raturen der Himmelskrper in Beziehung zur Schwerkraft setzt. Er fat seine
Ausfhrungen in folgenden Stzen zusammen (Fricke: Eine neue und einfache
Deutung der Schwerkraft):
1) Die Schwerkraft lt sich als eine Energiebewegung von neuer bisher
unbekannter Form deuten. Diese Deutung steht nicht nur in keinem Wi-
derspruche mit der Erfahrung, sondern klrt sofort in einfachster Weise
die grten Probleme der Astronomie und Physik, besonders die Herkunft
der Sonnenwrme, auf.
2) Die Oberflchentemperaturen der Weltkrper unseres Planetensystems
verhalten sich wie die Strke der Schwerkraftfelder auf ihren Oberflchen.
3) Von der Schwerkraft wird den Masseeinheiten in der Zeiteinheit eine
konstante Energiemenge zugefhrt, und diese verlt die Massen nach
den Gesetzen, die der Wrmestrahlung zu entsprechen scheinen.
Aus der Zusammenfassung der Theorie F r i c k e s am Schlu seiner
Schrift: Eine neue und einfache Deutung der Schwerkraft sollen noch einige
Stze folgen:
Eine weitere Aufklrung des Schwerkraftproblems kann nur auf Grund
einer Vorstellung von der Natur des Weltthers erfolgen, der als eine
absolut inkompressible Flssigkeit betrachtet wird. Eine solche kann sich
aber nur gleichfrmig bewegen. Im Anschlu an die kinetische Gastheorie
des Aethers und die Wirbeltheorie L o r d K e l v i n s wird man so
zwangslufig zur Vorstellung eines mit Lichtgeschwindigkeit sich in sich
selbst verwlzenden Kontinuums als zur einzigen logisch durchfhrbaren
Aethertheorie gefhrt. Die Massen treten dann als Strmungsfiguren in
dem stetigen Flievorgang auf, und die Krfte und Beschleunigungen
existieren nur relativ zu diesen Scheingebilden, nicht absolut im Aether. Da
Schrempf 25
die Masse somit unmittelbar aus der Aetherbewegung hervorgeht, stellt
sich auch die Widerstands- oder Reibungslosigkeit, mit der sie sich durch
den leeren Raum bewegt, nur als scheinbar dar; wir sehen den geheimen
Mechanismus nur nicht, der sie antreibt. Damit wird aber der grte Wider-
spruch beseitigt, der bisher noch in der Aetherphysik bestand. Wir
gelangen so zu der Erkenntnis, da hinter der G a l i l e i - N e w t o n sche
Mechanik mit ihren trgen und schweren Massen und der L o r e n t z
schen Elektronentheorie mit den elektrischen und magnetischen Massen,
also hinter der auf dem Massenbegriff aufgebauten (d.h. materialisti-
schen) Physik noch eine andere, viel einfachere und viel vollstndigere
Physik steht, in der es nur noch die Lichtbewegung gibt - ein Ergebnis, das
sich aufs engste an die moderne Relativittstheorie anschliet. In dieser
Physik stellen sich dann Schwerkraft und Trgheit als entgegengesetzt
gleiche Komponenten derselben Wirbelstrmung dar. Eine Erklrung der
Schwerkraft kann daher nur aus den Bewegungen eines trgheitsfreien
Mediums erfolgen; die Mechanik eines mit trger Masse begabten Aethers
erweist sich in Uebereinstimmung mit den neueren Anschauungen der
Physik als undurchfhrbar.
Auch O. W i e n e r versucht in einer Schrift: Das Grundgesetz der Natur
und die Erhaltung der absoluten Geschwindigkeiten im Aether die Gravitation
aus Aetherbewegung zu erklren. In der Einleitung zu dieser Schrift heit es:
Der Weg, ein solches Grundgesetz der ganzen Natur zu finden, schliet
sich unmittelbar an die Entwicklung der Physik im 19. Jahrhundert an. Die
vorliegende Untersuchung geht also aus von dem Gedanken der Uebertra-
gung der Fernkrfte durch einen zusammenhngenden Stoff, den Aether.
Sie geht ferner aus von der Annahme, da es nur eine Form von Energie
gibt, nmlich der Bewegung... Der Raum ist stetig erfllt mit einem beweg-
lichen Stoff; die Geschwindigkeitsnderung jedes Teilchens oder
materiellen Punktes ist nur bedingt durch seine Eigengeschwindigkeit und
den Bewegungszustand in seiner Umgebung. Das Gesetz, welches diese
Abhngigkeit regle, heie das Grundgesetz... Die Ausschlieung von Fern-
krften lt sich durch die Forderung erfllen, da der Zuwachs der
Bewegungsenergie in einem bestimmten Raume und zu einer bestimmten
Zeit gleich ist dem Zuwachs der durch seine Begrenzungen in derselben
Zeit mehr ein- als ausstrmenden Beweg-ungsenergie. Dieser Satz ist
nichts anderes als der Satz der Erhaltung der Energie, wie er unter den
angenommenen Grund-vorstellungen ausgesprochen werden mu.
Zum Schlu dieses Kapitels wollen wir noch die Einsteinsche Gravitations-
theorie erwhnen. Mit dem Aether hat dieselbe allerdings nichts zu tun, da
Schrempf 26
Einstein, ebenso wie die Newtonianern, die Gravitation nur als eine gegensei-
tige Wirkung der ponderablen Massen aufeinander ansieht. Eine wirklich
physikalische Deutung der Schwerkraft finden wir bei E i n s t e i n so wenig
wie bei N e w t o n ; beide begngen sich mit mathematischen Formulierun-
gen.
Im Anschlu an E. M a c h, der die Trgheit als eine Gravitationswirkung
der gesamten Massen des Weltalls zu deuten sucht, stellt E i n s t e i n das
Prinzip der Gleichheit der trgen und schweren Masse an die Spitze der
Mechanik. In seinem Aequivalenzprinzip behauptet E i n s t e i n folgendes:
Den Einflu, den ein Gravitationsfeld auf irgendeinen Vorgang ausbt, wrde
jeder Beobachter auch wahrnehmen, wenn er ohne Annahme des Wirkens
dieses Gravitationsfeldes sein Bezugssystem in die Beschleunigung versetzte,
die fr das betreffende Gravitationsfeld am Orte des Vorganges charakteris-
tisch war. Die Gravitationskraft bei N e w t o n ersetzt E i n s t e i n durch
ein Bewegungsprinzip fr Krper, die der Schwerewirkung unterliegen. Dieses
Bewegungsprinzip lautet: Jeder Krper bewegt sich unter dem Einflu der
Trgheit und Schwere lngs einer geradesten Bahn. Ist durch solche Form-
ulierungen fr das Verstndnis des Gravitationsproblems etwas gewonnen?
2. Der ther in der Geschichte der Physik.
Schon die Philosophen des Altertums hatten sich Vorstellungen von
einem unsichtbaren, das Weltall fllenden Stoff gebildet. Von Demokrit
stammt der Ausspruch: Das Volle ist um nichts mehr als das Leere. Bei Lucrez
lesen wir: Weit von unseren Sinnen entfernt liegt alle Natur der Urelemente;
daher, da diese du selber zu sehen nimmer vermagst, mu auch die Bewegung
dir sich entziehen. (T. Lucrezius Carus: Von der Natur der Dinge, Uebersetzt
von W. Binder, Stuttgart 1868, Buch II, Seite 294-299.)
Descartes schrieb: Wenn ein Gef mit Gold oder Blei gefllt ist, enthlt
es nicht mehr Substanz, als wenn es uns leer erscheint. Auf der Grundlage
eines den Weltraum erfllenden Aethers schuf D e s c a r t e s seine
Wirbeltheorie.
In seinen Prinzipien setzt sich N e w t o n eingehend mit der Aetherthe-
orie auseinander. Er gelangt aber zu dem Ergebnis, da ein den Weltraum
fllendes Medium die regelmigen Bahnen der Planeten und besonders die
exzentrischen Bahnen der Kometen stren wrde. Deshalb begngt sich
Newton damit, die mathematischen Beziehungen zwischen der Schwere und
den Bewegungen der Himmelskrper darzustellen. Seinen Verzicht auf eine
physikalische Erklrung dieser Erscheinungen drckt er so aus:
Schrempf 27
Ich habe nicht dahin gelangen knnen, aus den Erscheinungen den
Grund dieser Eigenschaften der Schwere abzuleiten, und Hypothesen erdenke
ich nicht... Es gengt mir, da die Schwere existiert, da sie nach den von uns
dargelegten Gesetzen wirke, und da sie alle Bewegungen der Himmelskrper
und des Meeres zu erklren imstande sei...
L e i b n i z schrieb in einem Briefe an N e w t o n (17. Mrz 1693):
B e w u n d e r n s w e r t i s t a u c h d e i n e A b l e i t u n g d e r e l l i p-
t i s c h e n B a h n e n d e r P l a n e t e n a u s e i n e r G r a v i t a t i o n
u n d e i n e r t r a j e k t o r i s c h e n B e w e g u n g , u n d w e n n
i c h a u c h e h e r g l a u b e n m c h t e , d a a l l e d i e s e
B e w e g u n g e n d u r c h e i n e k r e i s e l n d e F l s s i g k e i t
b e w i r k t w e r d e n , s o v e r m i n d e r t d a s d o c h d e i n
V e r d i e n s t n i c h t.
In der Antwort an L e i b n i z vom 26. Oktober 1693 kennzeichnet
N e w t o n seine Einstellung zum Aether folgendermaen:
Da eine subtile Materie dagegen die himmlischen Rume erfllt, kann ich
nicht zugeben, denn die himmlischen Bewegungen sind zu regelmig, als
da sie aus Wirbeln hervorgehen knnten, und diese knnten die ersteren nur
stren. Aber wenn jemand zeigen sollte, da die Gravitation mit den Gesetzen
der himmlischen Bewegungen durch eine subtile Materie erklrt werden
knnte, die auch die Bewegungen der Planeten und Kometen durchaus nicht
strte, so wrde ich dem durchaus nicht entgegen sein. In Newtons
Emissionstheorie des Lichtes war der Aether gleichfalls berflssig.
H u y g e n s, der Zeitgenosse N e w t o n s, stellte die Undulationstheorie
auf, welche die Existenz des Aethers zur Voraussetzung hat. Als dann hundert
Jahre spter die Undulationstheorie von der Wissenschaft allgemein anerkannt
wurde, entstand der sonderbare Zwiespalt, da man fr das Licht einen Aether
annehmen mute, whrend in der Gravitationstheorie N e w t o n s die
Zweifel an der Existenz des Aethers fortbestanden. Die Bemhungen, diesen
Zwiespalt zu beseitigen und auch die Gravitation aus der Existenz des Aethers
zu erklren, haben wir geschildert; sie fhrten, wie wir sahen, bisher zu keinem
befriedigenden Ergebnis.
Einen Ausspruch K a n t s ber den Aether finden wir bei Rosenberger
(Geschichte der Physik lll, Seite 38.):
J e n e r S t o f f , d e r d e n g a n z e n W e l t r a u m e r f l l t , m u
v o n a l l e r E w i g k e i t h e r d u r c h s i c h s e l b s t b e w e g e n d
s e i n , s o d a s e i n e B e w e g u n g e i n e i n n e r e , s t e t i g e ,
w e d e r zu v e r m e h r e n d e n o c h z u v e r m i n d e r n d e i s t.
E. d u B o i s - R e y m o n d schrieb ber den Aether (Siehe lsenkrahe:
Das Rtsel der Schwerkraft, Seite 127.):
Schrempf 28
Ehe die Differentialgleichungen der Weltformel angesetzt werden kn-
nen, mssen a l l e N a t u r v o r g n g e B e w e g u n g e n e i n e s
s u b s t a n t i e l l u n t e r s c h i e d s l o s e n , m i t h i n e i g e n -
s c h a f t s l o s e n S u b s t r a t e s dessen zurckgefhrt sein, was uns
als verschiedenartige Materie erscheint, mit anderen Worten, alle Qualitt
mte aus Anordnung und Bewegung solchen Substrates erklrt sein.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Aethertheorie auf dem Gebiete
der Optik und spter auf dem des Elektro-Magnetismus weiter. F r e s n e l
und Y o u n g erkannten aus den Polarisationserscheinungen des Lichtes, da
die Lichtschwingungen transversale Wellen sein mssen. Transversale Wellen
knnen sich aber nur in festen, nicht in flssigen oder gasfrmigen Krpern
fortpflanzen. Also schlo F r e s n e l, da der Aether sich verhalten msse wie
ein fester, elastischer Krper. Da man frher den Aether als ein Gas von sehr
geringer Dichte angesehen hatte, so entstanden neue Widersprche.
F a r a d a y zeigte, da Magnetismus auf das Licht einwirkt (magnet-
ische Drehung der Polarisationsebene des Lichtes). Die Entdeckungen
F a r a d a y s brachte M a x w e l l in ein mathematisches System in seiner
1865 verffentlichten elektro-magnetischen Lichttheorie. Elektrische Wellen
kannte Maxwell noch nicht; aber er behauptete, da das Licht eine elektro-
magnetische Erscheinung sei.
H. H e r t z wurde durch die Maxwellsche Theorie veranlat, nach
elektrischen Wellen zu suchen, was tatschlich zur Entdeckung der elektri-
schen Wellen fhrte. Darin sah man einen neuen Beweis fr die Existenz des
Aethers. H e r t z sagte in einem Vortrage: Ueber die Beziehungen zwischen
Licht und Elektrizitt:
Das Licht ist eine elektrische Erscheinung. Nehmt aus der Welt die Elektri-
zitt, und das Licht verschwindet; nehmt aus der Welt den Licht tragenden
Aether, und die elektrischen und magnetischen Krfte knnen nicht mehr
den Raum berschreiten. Dies ist unsere Behauptung. Die Wellentheorie
des Lichtes ist, menschlich gesprochen, Gewiheit; was aus derselben mit
Notwendigkeit folgt, ist ebenfalls Gewiheit. Es ist also gewi, da aller
Raum, von dem wir Kunde haben, nicht leer ist, sondern erfllt mit einem
Stoff, welcher fhig ist, Wellen zu schlagen, dem A e t h e r.
Und am Schlsse desselben Vortrags finden wir die Stelle: Nicht minder
lohnend erscheint von unserem Standpunkt der Ausblick nach oben, zu den
hohen Gipfeln, den allgemeinen Zielen. Da liegt nahe vor uns die Frage nach
den unvermittelten Fernwirkungen berhaupt. Gibt es solche? Von vielen,
welche wir zu besitzen glaubten, bleibt uns nur eine, die Gravitation.
Tuscht uns auch diese? Das Gesetz, nach welchem sie wirkt, macht sie
schon verdchtig. In anderer Richtung liegt nicht ferne die Frage nach dem
Schrempf 29
Wesen der Elektrizitt. Und unmittelbar an diese anschlieend erhebt sich die
gewaltige Hauptfrage nach dem Wesen, nach den Eigenschaften des Raum
fllenden Mittels, des Aethers, nach seiner Struktur, seiner Ruhe oder
Bewegung, seiner Unendlichkeit oder Begrenztheit. Immer mehr gewinnt es
den Anschein, als berrage diese Frage alle brigen, als msse die Kenntnis
des Aethers uns nicht allein das Wesen der ehemaligen Imponderabilien
offenbaren, sondern auch das Wesen der alten Materie selbst und ihrer
innersten Eigenschaften, der Schwere und Trgheit. D e r h e u t i g e n
P h y s i k l i e g t d i e F r a g e n i c h t m e h r f e r n , o b n i c h t
a l l e s , w a s i s t , a u s d e m A e t h e r g e s c h a f f e n s e i ?
D i e s e D i n g e s i n d d i e u e r s t e n Z i e l e u n s e r e r
W i s s e n s c h a f t , d e r P h y s i k.
Zur elektro-magnetischen Lichttheorie von M a x w e l l soll noch einiges
gesagt werden. M a x w e l l nahm im Aether ein System von Wirbeln an,
zwischen welchen andere Teile, die wie Friktionsrder wirken, verschoben
werden. M a x w e l l glaubt, da zwei benachbarte, in gleichem Sinne
rotierende Wirbel sich stren mten; er schreibt darber:
Ich habe eine groe Schwierigkeit in der Vorstellung der Existenz von
Wirbeln in einem Medium gefunden, welche sich unmittelbar nebeneinan-
der um parallele Achsen in derselben Richtung drehen. Die aneinander
grenzenden Partien zweier benachbarter Wirbel mssen sich in entgegen-
gesetzter Richtung bewegen, und es ist schwer zu verstehen, wie die
Bewegung eines Teiles des Mediums mit einer gerade entgegengesetzten
Bewegung des unmittelbar daran stoenden Teiles zusammen bestehen
und letztere sogar hervorrufen kann.
Die Schwierigkeit, von der Maxwell spricht, ist nicht so gro, da im
inkompressiblen Aether sowieso nur minimale Verschiebungen zwischen
benachbarten Teilchen stattfinden knnen; Gegenbewegung setzt sich eben in
rtliche Unterwirbel um.
Von Lord Kelvin stammt der Ausspruch:
D e r A e t h e r i s t d i e e i n z i g e F o r m d e r M a t e r i e , v o n
d e r w i r b e r h a u p t e t w a s w i s s e n.
Nach ihm ist der Aether ein vollkommen dichtes, inkompressibles Medi-
um. Die Elastizitt des Aethers beruht nach der kinetischen Elastizittstheorie
L o r d K e l v i n s auf einer inneren, feinkrnigen Rotationsbewegung, die
sich ber den ganzen Aetherraum erstreckt; es ist keine Fortbewegung
sondern eine Wirbelbewegung, die viel feinkrniger ist als Lichtwellen.
O. L o d g e, der die Theorie L o r d K e l v i n s weiterentwickelte, kam zu
dem Schlu, da die innere Wirbelenergie des Aethers sehr gro sein msse:
1010
Erg pro ccm. Nach L o d g e soll jeder Kubikmillimeter des Raumes eine
Schrempf 30
Masse haben, die 1000 t entspricht, und jeder Teil dieses Aethers soll mit
Lichtgeschwindigkeit in sich rotieren.
Bald wurden auch Versuche gemacht, mit Hilfe des Lichtes das Wesen
und den Bewegungszustand des Aethers zu ergrnden. Ums Jahr 1860
untersuchte F i z e a u mit Hilfe des Interferometers, ob der Aether von
bewegten Krpern mitgefhrt werde oder ob er in Ruhe bleibe. F i z e a u lie
ein geteiltes Lichtstrahlenbndel durch zwei Rhren gehen, in welchen Wasser
in entgegengesetzter Richtung strmte, und brachte die geteilten Strahlen-
bndel zur Interferenz. Das Ergebnis war, da das strmende Wasser das Licht,
d.h. den Aether, wohl mitfhrt aber nur mit einem Bruchteil der Strmungsge-
schwindigkeit. Diesen Bruchteil bezeichnet man als Mitfhrungskoeffizienten,
Derselbe hngt aber von dem Brechungsexponenten der bewegten Flssigkeit
ab. Man kam zu dem Schlu, da die Flssigkeit das durchgehende Licht wohl
beeinflut, da aber der umgebende Aether von der strmenden Flssigkeit
nicht mitgefhrt wird.
Ein ganz anderes Ergebnis hatte der berhmte Versuch von M i c h e l -
s o n und M o r l e y, welcher folgendermaen ausgefhrt wurde: Der gegen
den Aether bewegte Krper war in diesem Versuch die Erde selbst, die mit
einer Geschwindigkeit von 30 km in der Sekunde um die Sonne kreist. Die
Lnge des Weges, den ein Lichtstrahl zwischen zwei Punkten A und B
zurcklegt, mte, wenn der Aether ruht, verschieden sein je nach der Lage
der Verbindungslinie AB zu der Bewegungsrichtung der Erde. Diese Differenz
konnte aber bei dem Versuch nicht festgestellt werden; das Ergebnis war so,
als wenn der Aether von der Erde bei ihrer Bewegung durch den Weltraum
mitgefhrt wrde.
Der Franzose S a g n a c machte eine Art Gegenprobe zu dem
M i c h e l s o n schen Versuch. Er lie die ganze Apparatur einer Lichtquelle,
der reflektierenden Spiegel und der photographischen Platte, welche die
Interferenz der in entgegengesetzter Richtung laufenden Lichtstrahlen
aufzeichnete, rotieren. Es ergab sich eine Interferenz, woraus S a g n a c
schlo, da der Aether nicht mitgefhrt wird. Die Ergebnisse der beiden in
hnlicher Weise ausgefhrten Versuche von M i c h e l s o n und S a g n a c
widersprechen sich vollkommen.
O. L o d g e schickte zwischen zwei rotierenden Stahlscheiben Lichtstrah-
len in entgegengesetzter Richtung hindurch; auch er konnte bei seinem
Versuch eine Mitfhrung des Aethers nicht feststellen.
Nach den Versuchen von F i z e a u , S a g n a c und L o d g e ruht der
Aether; nach dem Versuch von Michelson fhrt die Erde den Aether mit sich.
Diese sich widersprechenden Ergebnisse machten den Physikern viel
Kopfzerbrechen.
Schrempf 31
F i t z g e r a l d, dann H. L o r e n t z und vor allem E i n s t e i n such-
ten die Widersprche, die sich aus den Ergebnissen der oben geschilderten
Versuche ber den Aether ergaben, zu beseitigen, indem sie eine Verkrzung
der Krper in der Bewegungsrichtung annahmen in der sogenannten
Kontraktionshypothese. Nach unserer Ansicht erklrt die Kontraktionshypo-
these wohl das negative Ergebnis des Michelsonschen Versuches; aber sie
beseitigt nicht zugleich den Gegensatz zu den andern Interferenzversuchen
von F i z e a u , S a g n a c und L o d g e. Zur Erklrung dieser letzteren
Versuche ist die Kontraktionshypothese vollstndig berflssig; es ergeben
sich aus ihr nur neue Widersprche.
Es lohnt sich, noch eine andere Erklrung zu suchen fr das unerwartete
Ergebnis des M i c h e l s o n schen Versuches. Und eine solche Erklrung
wurde tatschlich schon 300 Jahre vor E i n s t e i n gegeben in der
W i r b e l t h e o r i e von D e s c a r t e s. Nach dieser bewegt sich
die Erde im M i c h e l s o n schen Versuch gar nicht gegen den Aether;
der Aether fhrt vielmehr die Erde mit sich; es kann also kein Aetherwind
festgestellt werden. Das Ergebnis des M i c h e l s o n schen Versuches ist
nach der D e s c a r t e s schen Wirbeltheorie ganz in der Ordnung; ja es
kann als Beweis fr die Descartes'sche Wirbeltheorie gewertet werden. Bei den
Versuchen von F i z e a u, S a g n a c und L o d g e handelte es sich dagegen
nicht um astronomische Bewegungen; diese Versuche stellten Bewegungen
gegen den ruhenden Aether fest, was wieder ganz in der Ordnung ist. So
sind mit einem Schlage die Widersprche beseitigt.
Die D e s c a r t e s sche Wirbeltheorie ist allerdings durch die N e w t o n
ianer so sehr in Verruf gekommen, da sie kaum noch in einem wissenschaftli-
chen Lehrbuch erwhnt wird. Da diese Miachtung der D e s c a r t e s schen
Theorie durchaus nicht am Platze ist, da sie von vielen bedeutenden Physikern
und Mathematikern geschtzt wurde, wurde im ersten Kapitel gezeigt. Will
man heute die Descartes'sche Wirbeltheorie verteidigen, so mu man
allerdings die Forderung erfllen, welche in N e w c o m b - E n g e l m a n n s
Astronomie, 7. Auflage, Seite 52, gestellt ist:
Htte D e s c a r t e s zeigen knnen, da die Teile dieses Wirbels in
Ellipsen sich bewegen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht, da sie
gleiche Flchen in gleichen Zeiten beschreiben und da die Geschwindigkeiten
sich dem dritten K e p l e r schen Gesetze gem ndern mten, so wrde
seine Theorie gengt haben.
Was dieser Satz verlangt, soll im II. Kapitel dieser Abhandlung geleistet
werden. Heute, da die Atomphysik lehrt, da auch die Atome kreisende
Welten im Kleinen sind, ist es mglich, die Wirbeltheorie D e s c a r t e s in
moderner Form neu aufzustellen.
Schrempf 32
Wir fahren in der historischen Betrachtung der Aethertheorie fort.
Die Vertreter der Einsteinschen Relativittstheorie glauben, auf die
Existenz des Aethers ganz verzichten zu knnen. Sie setzen dafr Begriffe:
Gravitationsfeld, elektro-magnetisches Feld. Zur Erklrung der Naturerschei-
nungen gengen ihnen mathematische Formeln; die physikalische
Vorstellbarkeit vernachlssigen sie ganz.
E i n s t e i n selbst hat sich zwar zuzeiten auch gegen den Aether ausge-
sprochen; aber in der folgenden Aeuerung scheint er doch die Frage nach
der Existenz des Aethers offen zu lassen:
Hier mu ein wichtiges Beweismittel zugunsten der Aethertheorie ange-
fhrt werden. Die Ablehnung des Aethers fhrt letzten Endes zu der
Annahme, da der leere Raum keinerlei physikalische Eigenschaften besitzt.
Die Grundlehren der Mechanik stimmen mit dieser Auffassung nicht ber-
ein. Nach der allgemeinen Relativittstheorie ist der Raum mit
physikalischen Eigenschaften ausgestattet; in diesem Sinn existiert also ein
Aether. N a c h d e r a l l g e m e i n e n R e l a t i v i t t s t h e o r i e ist
R a u m o h n e A e t h e r u n d e n k b a r; denn in einem solchen Raum
wrde es nicht nur keine Fortpflanzung des Lichtes geben, sondern auch
keine Existenzmglichkeit fr Grundmae von Raum und Zeit... Aber man
darf sich diesen Aether nicht mit der charakteristischen Eigenschaft wgba-
rer Medien ausgestattet denken... Der Begriff der Bewegung (Ortsver-
nderung) darf auf ihn nicht angewendet werden. (??) (Streiflichter ber
Relativitt von A. Einstein.)
Sehr vorsichtig drckt sich auch P. D r u d e in seiner Physik des Aethers aus:
Gerade so gut, wie man einem besonderen hypothetischen Medium,
welches den Raum berall erfllt, die Vermittlerrolle von Kraftwirkungen
zuweist, knnte man ein solches Medium auch entbehren und dem Raum
selbst (??) diejenigen physikalischen Eigenschaften beilegen, welche dem
Aether zugeschrieben werden.
D r u d e zeigt in seinem Buche Physik des Aethers, da es sich bei den
physikalischen Vorgngen um Nahwirkungen handelt. Man knne sich
vielleicht vorstellen, da Fernkrfte, z.B. die N e w t o n sche Gravitation den
leeren Raum berspringen knnten. Wenn man aber die elektro-magnetischen
Erscheinungen einschlielich des Lichtes als Nahwirkungen erklrt, so ist man
gezwungen, ein Medium anzunehmen, das den Raum erfllt und die
Nahwirkungen vermittelt. Dem Raume selbst physikalische Eigenschaften
zuzuschreiben, ist sinnlos und fhrt zu einem Weltbild wie demjenigen, das in
der Einleitung erwhnt wurde, worin die Welt zuletzt als leere Seifenblase
erscheint.
Schrempf 33
Wrde es gelingen, auch die Gravitation als Nahwirkung durch Vermitt-
lung des Aethers zu erklren, so knnte wohl niemand mehr einen Zweifel an
der Existenz des Aethers haben; wir htten dann endlich ein einheitliches
Weltbild, E i n s t e i n gibt diesem Gedanken Ausdruck:
Es wre ein groer Fortschritt, wenn es gelingen wrde, das Gravitations-
feld und das elektro-magnetische Feld zusammen als ein einheitliches
Gebilde aufzufassen. Dann erst wrde die von F a r a d a y und M a x w e l l
begrndete Epoche der theoretischen Physik zu einem befriedigenden
Abschlu kommen. Es wrde dann der Gegensatz AetherMaterie verblas-
sen und die ganze Physik zu einem geschlossenen Gedankensystem
werden.
Denselben Gedanken drckt M. P l a n c k in seinem Buche: Das Prinzip
der Erhaltung der Energie aus:
Wenn nun schon die wesentliche Bedeutung des Zwischenmediums fr
das Zustandekommen der elektro-magnetischen Wirkungen anerkannt
wird, so liegt der Gedanke nahe, die reine Fernwirkung ganz aufzugeben
und dem Zwischenmedium die Vollstndige Vermittlung jener Wirkungen
zu bertragen, oder mit anderen Worten: - nach einer Ausdrucksweise von
C. N e u m a n n - alle teleskopischen Wirkungen auf mikroskopische
zurckzufhren... Diese Auffassung bedeutet eventuell eine frmliche
Umwlzung aller unserer durch N e w t o n berkommener und zur
Gewohnheit gewordener Anschauungen ber das Wesen der in der Natur
ttigen Krfte. Denn wenn wir auch nach Newtons eigenem Vorgang nur
die Erscheinung als das Gegebene betrachten und die Frage nach den
Prozessen, die sich etwa sonst noch irgendwo abspielen mgen, die sich
aber einstweilen der Wahrnehmung entziehen, gnzlich unberhrt lassen,
so wird unsere jetzige Naturanschauung doch im groen und ganzen
durchdrungen und beherrscht von der unmittelbaren Wirkung in die Ferne,
in der kosmischen wie in der molekularen Welt, d.h. wir glauben, da
zwischen den Atomen, zwischen den Gestirnen nichts weiter vorgeht, was
mit den Bewegungen dieser Krper in einem notwendig bedingten Zu-
sammenhang steht - eine Anschauung, die darin ihren guten Grund hat,
da wir in der Tat bei der Bewegung der Gestirne von derartigen Vorgn-
gen keine Wahrnehmung haben, whrend sie bei den Atomen nur auf
einem Analogieschlu beruht... Und doch: sollte es definitiv gelingen - und
dafr ist gegenwrtig ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorhanden -
die Gesamtheit der elektrischen Erscheinungen auf Krfte zurckzufhren,
die nur in unendlich kleinen Entfernungen wirken, so kann kaum ein Zweifel
darber obwalten, da wir uns auch daran gewhnen mssen, die Wirkun-
gen der Gravitation, die doch so viel einfacheren Gesetzen folgen, und
Schrempf 34
infolgedessen auch die chemischen Erscheinungen, von demselben
Gesichtspunkt aus zu betrachten; denn die Vereinfachung, die durch die
neue Anschauung in alle unsere Naturvorstellungen gebracht wird, kann
nicht leicht hoch genug geschtzt werden.
Die Annahme, da alles Naturgeschehen auf Nahwirkungen beruhe,
bezeichnet P l a n c k als I n f i n i t e s i m a l t h e o r i e. Er schreibt darber
weiter:
Bei der groartigen Vereinfachung der Naturanschauung, wie sie die
Infinitesimaltheorie bietet, wird es der physikalischen Forschung um so
dringender nahe gelegt, die Berechtigung dieser Theorie eingehend zu
prfen, indem ihre Konsequenzen bis ins einzelne aufgedeckt werden; denn
nur dadurch erlangt man die Mittel, sie entweder zu besttigen oder zu
widerlegen. Und zwar ist es offenbar zunchst von grter Wichtigkeit, das
Wesen dieser Theorie vollkommen zu trennen von allen Hypothesen, mit
denen man der Anschauung zu Hilfe kommt, die aber mit der Theorie an
und fr sich nichts zu tun haben. Die Schwierigkeiten, welche dabei unse-
rem Vorstellungsvermgen erwachsen mgen, kommen durchaus nicht in
Betracht; da z.B. der Aether sich nicht so verhlt wie die bekannten festen,
flssigen oder gasfrmigen Krper, ist ein Umstand, welcher der Infinitesi-
maltheorie nicht die mindeste Verlegenheit bereitet. Wir werden uns mit
der Zeit an die spezifische Wirkungsweise des Aethers ebenso gewhnen
knnen, wie an die Eigenschaften, die uns irgendein anderer Krper zeigt
Jedenfalls darf die endgltige Entscheidung dieser Frage als eine der
wertvollsten Errungenschaften bezeichnet werden, welche fr die nchste
Zeit der wissenschaftlichen Forschung in Aussicht stehen.
P l a n c k ist spter berhmt geworden als der Begrnder der Quanten-
theorie; diese scheint in einem gewissen Gegensatz zu stehen zu der oben
geschilderten Infinitesimaltheorie. Das zeigt uns aber erst recht, wie notwen-
dig es ist, unser Weltbild auf dem Aether aufzubauen. Wohl zeigt sich uns die
Materie in Atomen die Energie in Quanten. Die kontinuierlichen, infinitesi-
malen Aenderungen im Aether - dem Urgrund der Welt - knnen wir nicht
erkennen. Aber das ist kein Grund, den obersten Grundsatz der Wissenschaft,
die Kausalitt, fallen zu lassen, wie dies manche Anhnger der Quanten- und
Relativittstheorie tun.
Zum Schlu fassen wir die verschiedenen, sich oft geradezu widerspre-
chenden Anschauungen ber den Aether zusammen: Der Aether habe eine
sehr geringe Dichte, da er sonst die Bewegung der Himmelskrper stren
wrde; - der Aether sei vollkommen dicht, inkompressibel, verhalte sich wie
ein fester, elast