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Welchen Effekt hat uneinheitliches Vokaltraktwachstum auf die Formanten
eines Vokals?
Hauptseminar: Speaker Characteristics Venice International University
Dozent: Prof. Dr. Jonathan Harrington
Referentin: Veronika NeumeyerInstitut für Phonetik und SprachverarbeitungLudwig-Maximilians-Universität München
17. Oktober 2007
Überblick
Grundlagen Theorie Studie von Lucie Ménard et al.
Experiment 1 Experiment 2 Ergebnisse
Fazit
GrundlagenMundhöhle und Rachenraum
Aufteilung des Mundraumes
in drei Bereiche:
Mundhöhle Verengungsstelle Rachenraum
GrundlagenVokaltrakt
durchschnittliche Länge des Vokaltraktes bei
Neugeborenen: 7,1 cm 4 jährigen Kindern: 10,5 cm Erwachsenen
Frau: 14,3 cm Mann: 16 cm
GrundlagenFormanten - Vorderrohr
Vorderrohr einseitig geöffnete Röhre
GrundlagenFormanten - Hinterrohr
Hinterrohr beidseitig geschlossene Röhre
GrundlagenFormanten - Helmholtz-Resonator
Hinterrohr + Verengungsstelle
Grundlagenuneinheitliches Vokaltraktwachstum
Länge des Vokaltraktes eines Kindes oder einer Frau kann nicht mit einem Faktor multipliziert werden um die Vokaltraktlänge eines Mannes zu erreichen
erwachsener Mann: Rachenraum ungefähr so lang wie Mundhöhle
erwachsene Frau: Rachenraum kürzer als Mundhöhle
Grundlagenuneinheitliches Vokaltraktwachstum
Verhältnis Länge des Rachenraumes zu Länge der Mundhöhle bei Kindern 0,5 Erwachsenen Männern 1,1
Kinder haben bei der Geburt einen sehr kurzen Rachen verglichen mit dem Mundraum
TheorieVergleich Kind - Erwachsener
Unterschied zwischen Kind und Erwachsenen
ist bei Formantwerten, die zum
Rachenraum gehören größer als bei
Formanten, die zum Mundraum, gehören
Theorie
Kardinalvokale /i/ /y/ /u/ /a/
kleine Konstriktionsfläche Beziehung zwischen Formant und Mund-/bzw.
Rachenhöhle kann ohne Nebeneffekte untersucht werden
Theorie artikulatorische Konfiguration bei /i/
/i/ (franz. „fit“)
gespreizte Lippen Zunge in einer hohen vorderen Position Konstriktion am vorderen Teil des Palatums
weites hinteres Rohr / Rachenraum enges vorderes Rohr / Mundhöhle
Theorie Akustik bei /i/
Konstellation im Vokaltrakt entspricht Helmholtz-Resonator → F1
F2 = halbe Wellenlänge der Resonanzfrequenz der hinteren Röhre
F3 = halbe Wellenlänge der Resonanzfrequenz der vorderen Röhre
TheorieVergleich Kind – Erwachsener für /i/
F2 steigt beim Kind mehr als F3
Differenz zwischen F2 und F3 kleiner
Theorie artikulatorische Konfiguration bei /y/
/y/ (franz. „fut“)
Zunge in hoher, vorderer Position Lippenrundung
verlängert das vordere Rohr zugehöriger Formant sinkt
TheorieAkustik bei /y/
Lippenrundung = labiale Röhre
Verengung und hintere Röhre bilden Helmholtz-Resonator → F1
Lippen und vorderer Hohlraum bilden Helmholtz-Resonator → F2
F3 = halbe Wellenlänge der Resonanzfrequenz vom hinteren Hohlraum
TheorieVergleich Kind – Erwachsener für /y/
F3 steigt beim Kind mehr als F2
Differenz zwischen F2 und F3 beim Kind größer
Theorie Akustik bei /y/ verglichen mit /i/
2 Möglichkeiten:
1. starke Verlängerung des vorderen Rohres
= Normalfall
→ F2 sinkt → F3 sinkt
2. schwache Verlängerung des vorderen Rohres
→ F2 bleibt gleich
→ F3 sinkt
Theorie artikulatorische Konfiguration und Akustik bei /u/
/u/ (franz. „fou“)
Lippenrundung = labiale Röhre hinteres Rohr und Verengungsstelle bilden
Helmholtz-Resonator → F1 vorderes Rohr und labiale Röhre bilden
Helmholtz-Resonator → F2
TheorieVergleich Kind – Erwachsener für /u/
alle Formanten steigen
Abstände zwischen F1 und F2 bleiben gleich
Grund: zwei Helmholtz-Resonatoren nicht nur Länge des Rohres sondern auch die
Querschnittsfläche spielt eine Rolle
Theorie Akustik bei /a/
offenes /a/ (franz „fa“)
Einteilung in zwei Hohlräume schlecht möglich
TheorieVergleich Kind – Erwachsener für /a/
Erwartungen von Ménard
F2 steigt beim Kind stark
F1 und F3 steigen weniger
Abstand zwischen F1 und F2 beim Kind viel größer
Theorie Vergleich Kind - Erwachsener
Unterschied bei Frequenzen, die vom Rachenraum abhängen größer als bei Frequenzen, die vom Mundraum abhängen
/i, y, a/ stärker vom uneinheitlichen Vokaltraktwachstum beeinflusst wie /u/
Theorie
erwachsener Mann: gepunktete Linie Kind: durchgezogene Linie B = hintere Röhre / F = vordere Röhre / H = Helmholtz-
Resonator
Studie von Ménard et al.
Experiment 1: Produktion von natürlichen Vokalen
Experiment 2: VLAM Artikulationsmodell
Experiment 1Produktion von natürlichen Vokalen
Versuchspersonen
3 Gruppen: 4-jährige: 5 Mädchen – Ø 3,9 8-jährige: 5 Mädchen – Ø 8,1 erwachsene: 4 Frauen, 1 Mann – Ø 24,6
Canadisch-Französisch Muttersprachler
Experiment 1Produktion von natürlichen Vokalen
Auswahl der Versuchspersonen
Gespräch mit Versuchsleiter und Sprachpathologen
20dB-Hörtest
bei Kindern: Entwicklungstest
Experiment 1Produktion von natürlichen Vokalen
Sprachmaterial
10 französische Vokale: /i, y, u, e, ø, o, ε, œ, , a/ jeweils 10 mal wiederholt Trägersatz: “V comme WORD” WORD, jeweiliger Vokal in wortinitialer Position nur V wurde verwendet Versuchsperson hört sich Äußerung zuerst gesprochen
von einem erwachsenen Sprecher an
Experiment 1Produktion von natürlichen Vokalen
Akustische Analyse
F1, F2 und F3 jedes Vokals mit Praat extrahiert
Stichproben manuell nachgemessen – Abweichung gering
Ergebnisse wurden in Barkskala umgewandelt
Experiment 2VLAM Modell
VLAM = variable linear articulatory model
bildet 2-dimensionale Abbildung des mittleren Querschnittes des Kopfes
bildet die zugehörige Area-Funktion, aus der die Frequenzen der Formanten und das Sprachsignal berechnet werden können
Experiment 2VLAM Modell
7 Parameter: Rundung / Hervorstehen der Lippen Lippenöffnung Bewegung des Zungenkörpers Bewegung des Zungenrückens Bewegung der Zungenspitze Position des Kiefers Kehlkopfhöhe
Experiment 2VLAM Modell
Länge des Mundraumes, Rachenraumes und Verengungsstelle können getrennt eingestellt werden
Zunge wächst proportional zum Palatum
Vokaltraktform kann nach Alter in Monaten eingestellt werden
Experiment 2VLAM Modell
VLAM wurde anhand der Daten von
Goldstein (1980) kalibriert F0-Werte wurden anhand der Daten von
Beck (1997) ausgewählt Vokaltraktlängen und Länge der Röhren
stimmen mit MRI-Messungen überein von VLAM erzeugte Frequenzen wurden mit
reellen Daten verglichen - Übereinstimmung
Experiment 2VLAM Modell
Modell wurde auf 3 Wachstumsstufen eingestellt:
4-jähriges Kind 8-jähriges Kind 21-jähriger erwachsener Mann (= voll entwickelt)
Werte der Grundfrequenz 4-jähriges Kind: 300Hz 8-jähriges Kind: 270Hz erwachsener Mann: 110Hz
Experiment 2VLAM Modell
Verhältnis der vorderen zur hinteren Röhre: 4-jähriges Kind: 0,7 8-jähriges Kind: 0,8 erwachsener Mann: 1,1
Vokaltraktlänge: 4-jähriges Kind: 10,67cm 8-jähriges Kind: 12,65cm erwachsener Mann: 17,45cm
Experiment 2VLAM Modell
2 Vokal-Sets: artikulatorische Konstriktion des Erwachsenen
wird auf Vokaltrakt der Kinder übertragen = „articulatory target“
Positionen der Vokale im Vokalraum des Erwachsenen werden im selben Verhältnis auf die Kinder übertragen
= „acoustic target“
Experiment 2VLAM Modell Simulation von 7000 Vokalen pro Altersstufe
grün: 4-jährige rot: 8-
jährige blau: erwachsene
/i/ minimaler F1, maximaler F2 und F3 /y/ minimaler F1 F2 und F3 sehr eng /u/ minimaler F1
F1 und F2 in niedrigster Position
/a/ maximaler F1 F1 und F2 in höchster
Position
Ergebnisse Experiment 1
Ergebnisse Experiment 1
Ergebnisse Experiment 1
Größenunterschiede der Ellipsen signifikant
umso jünger das Kind, umso größer die Ellipsen
kleinere Ellipsen bei vorderen Vokalen
Unterschied zwischen vorderen und hinteren Vokalen signifikant
ErgebnisseExperiment 2
Vokaltrakt eines 4-jährigen * „acoustic target“ ° „articulatory target“
ErgebnisseExperiment 2
durchgezogene Linie natürliche Sprache
gestrichelte Linie „acoustic target“
graue Linie „articulatory target“
Ergebnisse Experiment 2
großer Unterschied zwischen Artikulation des Erwachsenen und des Kindes
Kind passt sich dem „acoustic target“ des Erwachsenen an
verwendet ausgleichende Artikulationsstrategien
Fazit uneinheitliches Vokaltraktwachstum:
Unterschied Kind – Erwachsener bei Formanten die vom Rachenraum beeinflusst werden größer, als bei Formanten , die vom Mundraum beeinflusst werden
→ unterschiedliche Formantmuster, bzw. Abstände zwischen den Formanten
Akustik Erwachsener Vorbild für Kinder
→Kinder verwenden Kompensationsstrategien
Danke
für Ihre Aufmerksamkeit!!!