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Michael ten Hompel · Thorsten Schmidt Warehouse Management

Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

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Michael ten Hompel · Thorsten Schmidt

Warehouse Management

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Michael ten Hompel · Thorsten Schmidt

Warehouse Management

Organisation und Steuerungvon Lager- und Kommissioniersystemen

3., korrigierte Auflage

Mit 117 Abbildungen und 48 Tabellen

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Professor Dr. Michael ten [email protected]

Priv.-Doz. Dr.-Ing. habil. Thorsten [email protected]

Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML)Joseph-von-Fraunhofer-Straße 2–444227 DortmundGermany

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-540-74875-5 3. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die derÜbersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funk-sendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherungin Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. EineVervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Gren-zen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig.Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.

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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2008

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Satz: Digitale Vorlagen der AutorenHerstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, LeipzigEinbandgestaltung: WMXDesign, Heidelberg

Gedruckt auf säurefreiem Papier 68/3180/YL – 5 4 3 2 1 0

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Vorwort

Heutige Lager- und Distributionssysteme stellen außerst komplexe Knotenin den Wertschopfungsketten dar und unterliegen einer Vielzahl von Zeit-,Kosten- und Qualitatsanforderungen. Der effiziente Betrieb eines solchenSystems ist fur jeden Verantwortlichen eine stete und große Herausforde-rung. Durch die Fortschritte in der Rechner- und Steuerungstechnik gepragt,sind heute Steuerungs- und Verwaltungssysteme (Warehouse Management-systeme, WMS) verfugbar, die einen effizienten Betrieb unter den zahlreichenAnforderungen uberhaupt erst ermoglichen. Gleichzeitig sind diese Systemezwangslaufig zu einem Komplexitatsgrad gereift, der die Anwender gelegent-lich auch uberfordert.

Die Unterschiedlichkeit der angebotenen Losungen und die Verschieden-artigkeit der Systemanforderungen fordern bei Gestaltung, Auswahl und Be-trieb eines WMS umfassendes Wissen und Erfahrung. Es gilt eine verwirrendeVielfalt von Aspekten abzuwagen und umzusetzen, die bei der Auswahl einessolchen Systems entscheidend fur Erfolg oder Misserfolg sein konnen.

An dieser Stelle soll das Buch Uberblick verschaffen und helfen, die rich-tige Entscheidung zu treffen. Es richtet sich unter anderem an Mitarbeiter,die mit der Auswahl und Spezifikation von Warehouse Managementsystemenbefasst sind. Es werden Hintergrunde, Potenziale, aber auch Gefahren undLosungsstrategien aufgezeigt. Dadurch soll eine Basis fur vergleichende Be-trachtungen geschaffen werden. Ebenso soll das Buch Studenten der Logistikund Anfangern, die sich in diese Thematik einarbeiten, eine elementare Stutzesein. Die Ausrichtung dieses Buches ist praxisbezogen, ohne grundlegende Zu-sammenhange zu vernachlassigen oder Spezialwissen vorauszusetzen. Die furdas Verstandnis grundlegenden Ablaufe und Techniken werden daher umfas-send dargestellt.

Systementwicklern sollen gleichzeitig neue Anregungen geliefert werden.Dazu werden Probleme und Grenzen der derzeitigen Entwicklung aufgezeigtund neue Ansatze fur Struktur und Aufbau von WMS gegeben.

Dem Buch wird ein einfaches, aber lauffahiges und gut dokumentiertesWMS beigelegt, das der Open-Source Initiative myWMS entstammt. Umdas System auch ohne die sonst zwingend erforderlichen Eingangsdaten fureinen einzelnen Anwender nutzbar zu machen, ermoglicht die dazugehorigeSimulationsumgebung den autarken Betrieb auf einem handelsublichen PC.

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VI

Durch entsprechende Visualisierung werden so Betrieb, Funktion und Nutzeneines WMS erfahrbar.

Diese Buch ware sicher nicht ohne die freundliche und engagierte Un-terstutzung fachkundiger Helfer entstanden. Unser Dank gilt besonders undin alphabetischer Reihenfolge

Hubert Buchter fur seine grundlegenden Betrachtungen zu den ThemenInformationstechnik und Design von Warehouse Managementsystemen.

Arnd Ciprina, der viele Gesprache mit Middleware-Anbietern gefuhrt unddie wesesentlichen Fakten zu diesem Thema zusammengetragen hat.

Ulrich Franzke fur seine Ausarbeitungen zu den Themen XML und Kom-munikation sowie fur seine Erlauterungen zum Datenmodell des im Buchvorgestellten WMS.

Olaf Krause fur seinen Beitrag zum Thema Software Engineering. Er ließin seiner Rolle als Softwarearchitekt die Erfahrungen aus zahlreichenIndustrie- und Forschungsprojekten einfließen.

Dirk Liekenbrock, dem optimalen Fachmann fur Steuerung und Optimie-rung.

Oliver Wolf, der im Fraunhofer IML das Team warehouse logistics leitet,das jahrlich die internationale Marktstudie Warehouse Management Sys-tems (http://www.warehouse-logistics.com) durchfuhrt. Sein Beitrag fin-det sich vor allem im Kapitel zum Thema Auswahl und Einfuhrung vonWarehouse Managementsystemen.

Die konstruktive und freundliche Zusammenarbeit verschiedener Fachleu-te aus unterschiedlichen Fakultaten war ein entscheidender Faktor zum Ge-lingen diese Buches. Dafur vielen Dank. Ohne die tatkraftige Mitwirkung vonHerrn Thomas Albrecht, Frau Susanne Grau, Herrn Jorgos Katsimitsouliasund Frau Sabine Priebs beim Satz und bei der Korrektur des Manuskriptessowie der Erstellung der Abbildungen ware die Bucherstellung ebensowenigmoglich gewesen. Auch ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Intralogistik als identitatsstiftende und inhaltliche Klammer dieserBuchreihe spannt das Feld von der Organisation, Durchfuhrung und Optimie-rung innerbetrieblicher Materialflusse, die zwischen den unterschiedlichstenLogistikknoten stattfinden, uber die dazugehorigen Informationsstrome bishin zum Warenumschlag in Industrie, Handel und offentlichen Einrichtungenauf. Dabei steuert sie im Rahmen des Supply Chain Managements den gesam-ten Materialfluss entlang der Wertschopfungskette. Innerhalb dieses Spek-trums prasentieren und bearbeiten die Buchtitel der Reihe ≪Intralogistik≫als eigenstandige Grundlagenwerke thematisch fokussiert und eng verzahntdie zahlreichen Facetten dieser eigenstandigen Disziplin und technischen Seiteder Logistik.

Dortmund, im Sommer 2007 Michael ten Hompel, Thorsten Schmidt

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.1.1 Lagerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.1.2 Merkmale von Lagersystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.1.3 Optimierung von Lagersystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1.2 Warehouse Management und Lagerverwaltung . . . . . . . . . . . . . 81.3 Systemschnittstellen und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.4 Aufbau und Ziel des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2. Lagersysteme und Lagerverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.1 Logistische Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2.1.1 Logistik-Grundsatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.1.2 Verpackung und Logistische Einheiten . . . . . . . . . . . . . . 19

2.2 Funktionen in Lagersystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232.2.1 Warenannahme und -eingang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232.2.2 Einlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282.2.3 Auslagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322.2.4 Konsolidierungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342.2.5 Kommissionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342.2.6 Verpackung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512.2.7 Versand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

2.3 Warehouse Managementsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542.3.1 Lagerverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542.3.2 Reorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572.3.3 Fordermittelverwaltung und Leitsysteme . . . . . . . . . . . . 582.3.4 Datenerfassung, -aufbereitung und -visualisierung . . . . 602.3.5 Inventur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

2.4 Basisdaten und Kennzahlen von Lagersystemen . . . . . . . . . . . . 652.4.1 Basisdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652.4.2 Logistische Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

2.5 Besondere Ablaufe und Verfahrensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692.5.1 Cross Docking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692.5.2 Outsourcing der physischen Distributions- und Lager-

prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

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VIII Inhaltsverzeichnis

2.5.3 Outsourcing der Software: Application Service Providing 71

3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik . . . . . . . . . . . . . . . . 733.1 Lagersysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

3.1.1 Bodenlager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743.1.2 Statische Regallagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763.1.3 Dynamische Regallager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 853.1.4 Regalvorzone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

3.2 Fordersysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 903.2.1 Stetigforderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 913.2.2 Unstetigforderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

3.3 Sortier- und Verteilsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1133.3.1 Einsatzfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1133.3.2 Grundsatzlicher Aufbau von Sortiersystemen . . . . . . . . . 1143.3.3 Verteiltechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1203.3.4 Steuerung und Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

3.4 Robotereinsatz in Lagersystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1233.4.1 Palettierroboter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1243.4.2 Kommissionierroboter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . 1254.1 Optimierung in der Ubersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

4.1.1 Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1264.1.2 Einordnung der betrieblichen Optimierung . . . . . . . . . . . 1284.1.3 Begriffe und Elemente der Disposition. . . . . . . . . . . . . . . 130

4.2 Optimierungsaufgaben im Lager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1314.2.1 Transportoptimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1324.2.2 Bildung von Kommissionierreihenfolgen . . . . . . . . . . . . . 1414.2.3 Routenplanung im Lager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1434.2.4 Ubergreifende Auftragsdisposition – Batchplanung . . . . 144

4.3 Verfahren der Losungsoptimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1464.3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1464.3.2 Optimierungsverfahren im Uberblick . . . . . . . . . . . . . . . . 1484.3.3 Beispiele bekannter Losungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 150

5. Informations- und Kommunikationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . 1575.1 Kommunikationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

5.1.1 Schichtenmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1585.1.2 Protokolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1585.1.3 Ubertragungsmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1615.1.4 Netztypen und Internetworking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1645.1.5 Netzwerkadressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1675.1.6 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

5.2 Datenhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1735.2.1 Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

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Inhaltsverzeichnis IX

5.2.2 Dateisysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1755.2.3 Datenbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1775.2.4 Datenverfugbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

5.3 Benutzerschnittstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1865.3.1 Endgerate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1865.3.2 Funktionale Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1875.3.3 Zugangskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1885.3.4 Internationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1895.3.5 Hilfesysteme und Hilfsdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

5.4 Betriebssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1905.4.1 Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1915.4.2 Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

5.5 Programmiersprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2035.5.1 Ubersetzer und Interpreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2045.5.2 Sprachkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2075.5.3 Sprachgenerationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

5.6 Sicherheitsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2145.6.1 Geheimhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2155.6.2 Integritatssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2175.6.3 Authentifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2175.6.4 Echtheitsnachweis und elektronische Signatur . . . . . . . . 219

6. Softwareengineering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2216.1 Softwarearchitekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

6.1.1 Monolithische Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2226.1.2 Modularisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2236.1.3 Schichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2246.1.4 Verteilte Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2266.1.5 Konfiguration und Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

6.2 Grundzuge der objektorientierten Programmierung . . . . . . . . . 2296.2.1 Datenabstraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2296.2.2 Klassen und Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2316.2.3 Vererbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2336.2.4 Eigenschaften von Klassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

6.3 Unified Modeling Language (UML) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2356.4 Middleware und Kommunikationsmechanismen . . . . . . . . . . . . . 240

6.4.1 Kommunikationspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2416.4.2 Kommunikationsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

6.5 Application-Server (Java EE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2456.6 Service-orientierte Architektur (SOA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

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X Inhaltsverzeichnis

7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS . . . . . . . . . . . 2557.1 Datenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2567.2 Klassische Realisierung eines WMS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

7.2.1 Tabellenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2657.3 Sicherung der logischen Integritat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

7.3.1 Anlegen und Abfragen von Stammdaten . . . . . . . . . . . . . 2697.4 myWMS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

7.4.1 Grundsatzlicher Aufbau von myWMS . . . . . . . . . . . . . . . 2717.4.2 Geschaftsobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2747.4.3 Kernel-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2767.4.4 Laufzeitumgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

7.5 Beispielhaftes Distributionssystem/Referenzlager . . . . . . . . . . . 2797.5.1 Beschreibung des Beispiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2797.5.2 Beschreibung des Lagersystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2797.5.3 Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2797.5.4 Lagertechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2807.5.5 Fordertechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2817.5.6 Steuerungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2827.5.7 Materialfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2847.5.8 Logistische Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

7.6 Aufbau der Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2867.7 Plug-In - Routing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2887.8 Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

8. Auswahl und Einfuhrung von WMS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2958.1 Kick-off: WMS-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2968.2 Projektmanagement/Qualitatssicherungsmaßnahmen . . . . . . . . 2978.3 Anforderungsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

8.3.1 Ist-Aufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2988.3.2 Schwachstellen-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3008.3.3 Entwicklung Soll-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

8.4 Erstellung der Ausschreibungsunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3038.4.1 Definition Leistungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3038.4.2 Erstellung Lastenheft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3058.4.3 Komplettierung der Ausschreibungsunterlagen . . . . . . . 308

8.5 Auftragsvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3088.5.1 Anbietervorauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3088.5.2 Standort-/Lagerbesichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3108.5.3 Angebotsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3118.5.4 Angebotsprasentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3148.5.5 Referenzbesuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3148.5.6 Anbieterauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314

8.6 Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3158.6.1 Pflichtenhefterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

Page 10: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

Inhaltsverzeichnis XI

8.6.2 Realisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3178.7 Inbetriebnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318

8.7.1 Laborphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3188.7.2 Ubergang vom alten zum neuen WMS . . . . . . . . . . . . . . 3198.7.3 Schulungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

8.8 Abnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3208.8.1 Leistungstest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3208.8.2 Simulation von Storfallen / Uberprufung von Notfall-

strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3218.8.3 Verfugbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3228.8.4 Formale Abnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

9. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3259.1 Uberblick marktublicher Technologien am Beispiel (Auto-ID)

Middleware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3259.1.1 Microsoft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3279.1.2 SAP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3289.1.3 Oracle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3299.1.4 IBM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3329.1.5 SUN Microsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333

Abkurzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

Page 11: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

1. Einleitung

Warehouse Management beschreibt die Kunst, ein Lager- und Distributions-system zu fuhren – genauer gesagt: effizient zu fuhren. Exzellente Logistik-leistungen konnen heute neue Markte erschließen, gleichsam erwarten dieKunden Schnelligkeit, Qualitat und Kostenminimierung der logistischen Leis-tungen. Lager und Umschlagsysteme stellen dabei die Kernelemente im Wa-renfluss zwischen Produzenten und Verbrauchern dar.

Die im Rahmen der Warenvorhaltung und -verteilung anfallenden Tatig-keiten und Aufgaben sind in einem Lagersystem nur dann zu erreichen, wennein auf die speziellen Anforderungen zurechtgeschnittenes System geformtwird, das sich aus

• der technischen Grundstruktur,• dem betrieblich-organisatorischen Rahmen und• der alles koordinierenden Systemfuhrung zusammensetzt.

Fragen der Planung der technischen Systemstruktur betreffen beispiels-weise die Layoutierung des Systems, die Auswahl und Dimensionierung derforder- und lagertechnischen Gewerke oder die Gestaltung der physischenSchnittstellen zu angrenzenden Systemen. Die Behandlung dieser Fragen istGegenstand unzahliger Veroffentlichungen (s. u. a. [2, 16, 24, 34, 47, 48, 61])und soll im Rahmen dieses Buches nur soweit berucksichtigt werden, wie esfur Fragen der Systemsteuerung von Bedeutung ist.

Ebenso ist die Gestaltung der betrieblichen Organisation sowie der Lo-gistikorganisation ein Bereich, in dem vielfaltigste Aspekte aus unterschied-lichsten Bereichen (Betriebswirtschaft, Organisationswesen, Verkehrswesen)zusammenfließen. Im Blickpunkt dieses Buches stehen speziell Fragen dereffizienten Nutzung vorhandener Ressourcen. Zur Behandlung spezieller be-triebswirtschaftlicher Fragestellungen oder der Gestaltung uberbetrieblicherLogistikstrukturen wird auf die einschlagige Literatur verwiesen (vgl. u. a.[29, 41, 80]).

Ein effizientes Lagermanagement stellt Expertenwissen dar, das die ex-akte Kenntnis der erforderlichen Ablaufe, das Wissen des technisch und be-trieblich Machbaren und die erfolgreiche Umsetzung in ein funktionierendesGesamtsystem umfasst. Zur Erreichung dieser Zielsetzung existieren jedochkeine allgemein gultigen und universell verwendbaren Regeln. Zu verschieden

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2 1. Einleitung

sind die Anforderungen, die aus dem Bestellverhalten der Kunden, der At-traktivitat der Produkte und Dienstleistungen, den Anforderungen der Pro-duktion und vielem mehr resultieren.

Der Gestaltung und Realisierung des Fuhrungs- und Kontrollsystemskommt eine besondere Bedeutung zu. Wahrend Fragen der Planung tech-nischer Systeme und maschinenbaulicher Gewerke uberwiegend einmaligbzw. im Rahmen von Ausbau- und Optimierungsmaßnahmen durchgefuhrtwerden, fallen bei der Systemfuhrung sowohl einmalige Aspekte der Sys-temgestaltung und -implementierung als auch kontinuierliche Dispositions-aufgaben wahrend des Betriebs der Lager- und Distributionssysteme an. Hierist eine standige Uberwachung und Fuhrung der Prozesse und Anpassung derAblaufe erforderlich.

Ein Blick auf die Leistungsdaten heutiger Lager- und Distributionssys-teme verdeutlicht sehr schnell, dass die Komplexitat (Umfang und Dynamik)der Ablaufe praktisch nur durch Einsatz rechnergestutzter Managementsys-teme beherrschbar wird. Die mit den zahlreichen Funktionalitaten versehe-nen Steuerungssysteme reifen aber auch ihrerseits zu immer komplexeren undschwierig zu fassenden Systemen. Eine große Schwierigkeit besteht deshalb inder Identifizierung und Anpassung eines geeigneten Systems an ein vorhan-denes Anforderungsprofil. Auf dem Markt existieren zahlreiche Anbieter furLogistiksteuerungssysteme, deren Bewertung aufgrund der unterschiedlichenAusrichtung ihrer Produkte sehr schwierig ist.

Eine weitere Hurde ist die fehlerfreie Umsetzung (Implementierung) desSystems. Insbesondere Verzogerungen bei der Inbetriebnahme und Ausfalleim Betrieb sind nicht nur kostentrachtig, sondern konnen durch die Gefahrder Abwanderung von Kunden, eines schlechten Rufes auf dem Markt odermoglicher Regressforderungen auch den mittel- und langfristigen Unterneh-menserfolg gefahrden. Entscheidend ist also, ein passendes System mit sehrhoher Verfugbarkeit zu schaffen.

Es geht in diesem Buch daher nicht nur um die Frage, wie Lager- undDistributionssysteme technisch gestaltet werden konnen, sondern auch dar-um, wie sie im Zusammenspiel der Systeme sinnvoll betrieben werden konnen.Das fur diese Umsetzung erforderliche Wissen und Handwerkszeug soll durchdieses Buch bereitgestellt werden. Es soll Ubersicht schaffen, Standards auf-zeigen und Fehler vermeiden helfen.

1.1 Anforderungen

Bevor eine detaillierte Behandlung der Aspekte rund um das Warehouse Ma-nagement erfolgt, soll zunachst das Wesen der Lagerhaltung und der Waren-verteilung beleuchtet werden.

Page 13: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

1.1 Anforderungen 3

1.1.1 Lagerhaltung

Obwohl mit diesem Stichwort aufgrund der damit verbundenen Kosten undder vermeintlich wertschopfungslosen Zeituberbruckung haufig negative Ei-genschaften verbunden werden, ist die Lagerung von Waren in der Praxisaus vielfaltigsten Grunden in den meisten Bereichen unumganglich. Eineaus logistischer Sicht wesentliche Besonderheit ist dabei, dass es sich umeinen geplanten Prozess der Zeit- und Zustandsuberbruckung handelt [24].Einige wesentliche Grunde zur Errichtung und zum Betrieb von Lager- undDistributionssystemen entlang mehrstufiger Versorgungsketten sind daher dieFolgenden:

Optimierung logistischer Leistung: Ein elementares Kundenanliegen be-steht zumeist in der kurzfristigen Erfullung eines erteilten Auftrags. Dasich Auftragszeitpunkt und die Auftragsmenge fur die relevante Mas-se der Waren nicht exakt vorherbestimmen lassen, ist der erste An-satz die Bevorratung einer prognostizierten Warenmenge, was sich auchpragnant als Sicherstellung der Lieferfahigkeit beschreiben lasst. Insbe-sondere bei großen raumlichen Distanzen zwischen der Produktentste-hung und Konsumierung, bei denen gegebenenfalls noch Prozesse derZollabfertigung stattfinden, erhalt dieser Ansatz seine Berechtigung. Fer-ne Markte konnen zum Teil erst hierdurch erschlossen werden.Eine in allen Bereichen wachsende Vielfalt an Waren oder Artikeln, derWandel im Bestellverhalten hin zu einer hoherfrequenten Auftragser-teilung geringerer Teilmengen und die gangige Forderung nach immerkurzeren Lieferzeiten lassen die logistische Leistung zu einem entschei-denden Kriterium fur die Auswahl eines Lieferanten werden. Durch Ein-satz leistungsfahiger und effizient gefuhrter Warenverteilzentren kann imMarktwettbewerb eine Position erreicht, behauptet oder ausgebaut wer-den.Naturlich bedarf diese Vorratshaltung der kontinuierlichen Uberwachungder Bestandsmengen und der Optimierung des Bestellverhaltens, um zuhohe oder zu lange lagernde Warenbestande zu vermeiden.

Sicherstellung der Produktionsfahigkeit: Die Sensibilitat von Produk-tionsketten, die nach dem Just-In-Time-Ansatz (richtigerweise) auf einekonsequente Minimierung der Bestande entlang der Lieferkette ausge-legt sind, ließ sich in der Vergangenheit immer wieder an markantenStillstanden ganzer Produktionslinien in der Automobilindustrie ermes-sen, wenn aus Grunden wie Grenzblockaden aufgebrachter Fernfahreroder Streik in externen Zulieferbetrieben wichtige Bauteile nicht recht-zeitig verfugbar waren. Die Sicherstellung der Materialverfugbarkeit zurAuslastung kostenintensiver Produktionsstufen ist nach wie vor eine derHauptursachen der Bestandsbildung.

Erbringung zusatzlicher Dienstleistungen: Langst gehen die Anforde-rungen an ein Lager uber die kurzfristige Bereitstellung eines einzelnen

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4 1. Einleitung

Produktes oder Artikels hinaus. Einerseits wachst die Variantenvielfaltdurch die aus Sicht des Produktmarketings reizvolle Produktdifferenzie-rung und damit die Sortimentsgroße in nahezu allen Bereichen. Ein An-satz, der daraus resultierenden Kostensteigerung entgegenzutreten, istdie endgultige Variantenbildung zu einem moglichst spaten Zeitpunktunter Verwendung weniger Grundelemente. Dabei werden solche Produk-tionsschritte zunehmend als Montagedienstleitungen in Warenverteilzen-tren durchgefuhrt.Andererseits konnen auch Fertigprodukte die Spezialisierung auf ver-schiedene Verkaufskanale, beispielsweise durch die spate Anbringung vonVerkaufsinformationen (Label etc.) oder den Aufbau von Aktionsstandenzu verkaufsfordernden Maßnahmen, erfahren.

Transportkostenreduktion: Einer der Hauptgrunde zur Bestandsbildungbleibt das Ziel, Transportkosten zu optimieren und sprungfixe Kostensat-ze im Transportgewerbe durch moglichst gute Nutzung der Laderaumka-pazitaten (Ganzladungen) zu nutzen.Eng damit verbunden ist aber auch die Notwendigkeit einer Optimierungder Umschlagprozesse in Warenein- und -ausgang. Die Bearbeitung einerVielzahl kleiner Mengen ist in der Regel wesentlich ineffizienter als die derkonsolidierten Menge. Dadurch lassen sich wiederum vorhandene Kapa-zitaten (Anzahl von Ladetoren, Rangierflachen etc.) vorteilhafter nutzen.Insbesondere im Bereich des Einzelhandels fehlen die Kapazitaten einerlaufenden Bereitschaft zur Warenannahme (Personal und Ladetore), sodass an diesen Schnittstellen bedarfsgerechte Liefermengen gesammeltangeliefert werden mussen.

Ausgleich von Bedarfs- und Liefermengen: Trotz der langst vollzoge-nen Wandlung vom Verkaufer- zum Kaufermarkt und der damit verbun-denen Auslegung der Produktionscharakteristik in Richtung bedarfsge-steuerter Produktion (Pull-Systeme) bleibt in vielen Bereichen die wirt-schaftliche Notwendigkeit einer Produktion in entsprechenden Losgroßenbestehen.Innerhalb der Produktion sind einzelne Produktionsphasen durch ver-schiedenartige Prozesszeiten und Ausbringungsmengen oder unregelmaßi-ge Zu- und Abgange zwischen Bereichen gekennzeichnet. Die Vermei-dung von Leerlaufzeiten erfordert wiederum die Pufferung von Halbfer-tigprodukten zur gleichmaßigen Nutzung von Produktionsanlagen oder-prozessen.Bestimmte Produktionsprozesse unterliegen daruber hinaus zeitlich nichtbeeinflussbaren Gesetzmaßigkeiten (z. B. Abkuhlungsprozesse, Wachs-tumsprozesse von Kulturen in der Pharmazie etc.), die somit nicht demkontinuierlichen oder sporadischen Bedarfsverhalten entsprechen.Viele Geschaftsfelder unterliegen ferner erheblichen saisonalen Schwan-kungen, die nicht wirtschaftlich durch Anpassungen der Produktionska-pazitaten abgefedert werden konnen.

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1.1 Anforderungen 5

Nutzung der Marktposition: Die durch Nutzung von Mengenrabatteninduzierte Lagerhaltung ist eine klassische Kostenrechnungsfrage und er-schließt sich uber Großendegressionseffekte auf der Zulieferseite, denendie Kosten der Lagerhaltung, aber auch weitere Komplexitatskosten wiez.B. Administrationskosten (Durchfuhrung der Bestellung, Preisverhand-lungen) gegenuberstehen.

Lagerung als Prozessschritt: Bei verschiedenen Produkten oder Ablau-fen stellt die Lagerung einen elementaren Prozess der Wertschopfung oder-steigerung dar (z.B. durch Reifung oder spekulative Absichten) und wirddamit zu einem Teil des Produktionsablaufes.

Wie sich aus dieser Auflistung entnehmen lasst, zwingen nicht alleinGrunde der Produktionslosgroßenoptimierung oder Einkaufsmengenrabattie-rung zur Bestandsvorhaltung, sondern insbesondere auch ein Geflecht mit-einander gekoppelter Prozesse, die zur Ablaufoptimierung der Pufferung undVeranderung der Warenstrome bedurfen. Folgerichtig geht es bei der Be-standsvorhaltung nicht allein um den Aspekt der reinen Lagerung. Entschei-dender sind vielmehr die Prozesse der optimierten, effizienten Behandlungerforderlicher Warenstrome und deren jeweilige Anpassung auf ideale Zu-sammensetzung, Menge und Form.

1.1.2 Merkmale von Lagersystemen

Der Basisprozess in einem Lager und Warenverteilsystem ist so banal wiesimpel. Ein angelieferter Artikel wird nicht direkt benotigt und deshalb zurSeite gelegt, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Kunde ihn verlangt. Er wirddann hervorgeholt und ubergeben. Damit reduzieren sich die Kernschritteauf Waren empfangen, lagern, entnehmen, versenden.

In der Praxis wird dieser scheinbar einfache Ablauf nun durch Zeit-, Qua-litats- und Kostenanspruche sowie eine Verkettung außerer Einflusse schnellzu einem komplexen Prozess mit Fuhrungs- und Optimierungsbedarf:

• Im Wareneingang sind ankommende Lieferungen oft nicht planbar odererfolgen unregelmaßig mit ausgepragten Spitzen.

• Das Warensortiment erfordert aufgrund seiner Abmessungen, Gewichte,Temperaturanforderungen etc. eine Vielzahl unterschiedlicher Transport-,Lager- oder Handhabungstechniken, die jeweils vorzuhalten und bereitzu-stellen sind.

• Das Durchsatzverhalten einzelner Artikel ist sehr unterschiedlich und un-terliegt zudem hohen zeitlichen Schwankungen.

• Durch die Kunden werden jeweils nur geringe Mengen geordert, allerdingssollen diese in kurzester Zeit zusammengetragen werden und im Versandgleichzeitig ankommen, so dass eine einzige Versandeinheit gebildet werdenkann.

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6 1. Einleitung

Tabelle 1.1. Beispielhafte Kenndaten von Warenverteilzentren (u. a. nach [29])

Versandhandel(sehr groß)

ProduzentElektrohaushalts-geräte

LebensmittelRegionallager

Pharmagroß-handel

Kunde Endkunden,Sammelbesteller,Filialen

stationärerHandel

FilialenApotheken

Anz. verschie-dener Artikel

250 000 2008150130 000

Lagerhaltung 25 Mio. Stck 150 000 Stck2 Mio. Einh4,5 Mio. Stck

Personal ≥2000 75ca. 300ca. 300

Kommissio-nierung

2700 Pal.-Plätze740 000 Kartonplätze

4000 Pal.- Plätze32 000 Pal.-Plätze15 000 Bodenplätze

125 000Fächer

Aufträge/Tag 190 000 3507806800

Auftragspos./Tag

650 000 4000300 000105 000

WE-Lieferungen

150 Lkw/Tag 625 EP/Tag100 Lkw/Tag220 EP/Tag

WA-Sendungen

≈ Aufträge 722 EP/Tag100 Lkw/Tag= Aufträge

Durchlaufzeit/Kundenauftrag

4–5 h 4h24 h50 min

• Gleichzeitig mussen Hunderte von Auftragen abgearbeitet werden, wobeidie Reihenfolge der Abarbeitung nach Kundenposition, Auftragstyp, Ver-sandart, moglichen Zeitfenstern und vorhandenen personellen und techni-schen Kapazitaten optimiert werden muss.

• Die Systemparameter bleiben nicht konstant, sondern unterliegen standigenVeranderungen in Bezug auf Mengenstrome, Kundenauftragsstruktur, Ar-tikelvielfalt und -form usw.

• vieles mehr

In solchen Systemen resultiert die Komplexitat aus der Systemgroße, Wa-renmenge oder geforderten Reaktionsgeschwindigkeit und Dynamik. Fur einevergleichende Betrachtung und einen groben Uberblick sind dazu einige we-sentliche Kennzahlen in Tabelle 1.1 gegenubergestellt.

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1.1 Anforderungen 7

1.1.3 Optimierung von Lagersystemen

Wie bereits oben angefuhrt, wird der Prozess der Lagerhaltung aufgrund derKosten kritisch betrachtet, was absolut richtig ist, teilweise jedoch auch zufragwurdigen Entscheidungen fuhrt. So wird mitunter bereits daruber phi-losophiert, ob die breite Tendenz zum Outsourcing nicht auch insbesonde-re dadurch vorangetrieben wird, dass Entscheidungstrager von der arbeits-aufwandigen Analyse und Prognostizierung von Aufwanden und Erlosen derhauseigenen Logistik befreit werden. [5]

Neben den offensichtlichen Kosten der Lagerhaltung und -fuhrung, wieBestandskosten (im wesentlichen Kapitalbindungs- und Versicherungskosten)und den durch Lager- und Warenverteilsystem verursachten Kosten furTechnik, Personal und Betrieb, existieren durch Bestandsvorhaltung aberauch spezielle Probleme und indirekte Kosten, die nur schwer zu erfassensind. So werden durch entsprechende Bestandspegel auch unwirtschaftlicheAblaufe und ineffiziente Strukturen verdeckt. Bei komplexen Systemen be-steht daruber hinaus durch die Vielzahl paralleler Transaktionen und Ablaufedie prinzipielle Gefahr der Intransparenz.

Durch das Bestreben, Lageranzahl und -standorte durch Zentralisierungs-bemuhungen zu reduzieren oder einzelne Lagerstufen zu eliminieren, steigtjedoch der Anspruch an die Transparenz von Ablaufen, Bestanden und Auf-tragen. Um den allgemein gewachsenen Anforderungen an das zeitliche Re-aktionsvermogen und die logistische Leistungsfahigkeit der Warenverteilsys-teme bei konsequenter Minimierung der Bestande und Optimierung der Kos-ten gerecht zu werden, bedarf es strukturierter, transparenter Ablaufe einer-seits und eines hohen Maßes an Disziplin in der Durchfuhrung der Aufgabenandererseits. Erst durch den Einsatz von Warehouse Managementsystemen(WMS) werden diese Ziele in vielen Fallen erreicht.

Eines der Schlusselelemente eines effizienten WMS ist in diesem Zusam-menhang die Vermittlung von Vertrauen und Sicherheit in das Fuhrungs- undKontrollsystem. Eine wesentliche Ursache fur die Anhaufung uberhohter

”Si-

cherheitsbestande“ ist schlichtweg Unsicherheit auf Seiten der Disponentenund weiterer Lagerverantwortlicher. Solche Unsicherheit resultiert beispiels-weise aus einer unvollstandigen Datenbasis oder zeitaufwandigen Recherchennach Bestandsmengen, Lagerorten oder Auftragsstati. Ein transparentes Sys-tem beginnt bei der Datensicherheit und schafft dadurch Akzeptanz fur dieGultigkeit der Datenbasis und schließlich den Abbau verdeckter Sicherheits-bestande. Sicherheit und prazises Datenhandling mussen daher auch Zielset-zungen eines jeden WMS sein. Transparente Ablaufe bieten die wesentlicheGrundlage fur eine kontinuierliche Systemoptimierung.

Neben der Kontrollier- und Steuerbarkeit der Prozesse wird auch ei-ne hohere Reaktionsgeschwindigkeit und Flexibilitat erreicht. Schnelle Or-tung von und Zugriff auf Waren sind Grundvoraussetzungen fur eine An-passung an den heutigen schnellen Wandel in den ubergeordneten Struktu-ren. Durch Schnittstellen zu ubergeordneten Systemen wird Austauschbar-

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8 1. Einleitung

keit gewahrleistet, und Anderungen konnen kurzfristig durch ein angepasstesVerhalten berucksichtigt werden.

1.2 Warehouse Management und Lagerverwaltung

Fur dieses Buch wurde zur Beschreibung der Prozesse und Technologiendes Managements von Lagern bewusst der Begriff Warehouse Managementgewahlt, obwohl hierzu der seit langem eingepragte deutsche Begriff Lager-verwaltung existiert. Ein Großteil der hier behandelten Inhalte betrifft dieSteuerung und Verwaltung von Lagersystemen; demnach scheint der BegriffLagerverwaltungssystem viel angebrachter. Bei genauerer Betrachtung zeigtsich jedoch, dass die Begriffe Warehouse Management und Lagerverwaltungnicht austauschbar sind.

Ein Lagerverwaltungssystem beschreibt im Kernbereich zunachst ein Sys-tem zur Verwaltung von Mengen und Orten (Lagerorten) und insbesonde-re deren Beziehung zueinander. Ein solches System kann dabei auch ma-nuell z. B. Lagerleiter mit Karteikartensystem1) realisiert sein. Die Mehr-zahl dieser Verwaltungssysteme durfte heute aber rechnergestutzt arbeiten.Zusatzliche Funktionen konnen dabei auch die Verwaltung der Transportsys-teme beinhalten. Somit stellt ein Lagerverwaltungssystem im engeren Sinneein Lagerbestandsverwaltungssystem dar.

Das Warehouse Management bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauchdagegen die Steuerung, Kontrolle und Optimierung komplexer Lager- undDistributionssysteme. Neben den elementaren Funktionen einer Lagerver-waltung wie Mengen- und Lagerplatzverwaltung, Fordermittelsteuerung und-disposition gehoren nach dieser Betrachtungsweise auch umfangreiche Me-thoden und Mittel zur Kontrolle der Systemzustande und eine Auswahl anBetriebs- und Optimierungsstrategien zum Leistungsumfang. Auf ein derarti-ges, ubergreifendes Verwaltungs- und Managementsystem trifft der deutscheBegriff Lagerverwaltungssystem nicht mehr zu. Es musste also exakter alsinnerbetriebliches Materialflusskontroll-, -steuerungs- und -optimierungssys-tem oder Kontroll-, Steuerungs- und Optimierungssystem fur den (innerbe-trieblichen) Materialfluss bezeichnet werden. Fur eine klare Abgrenzung wirddaher im Folgenden der auch im deutschen Sprachgebrauch eingepragte undpragnante Titel Warehouse Management als Synonym fur ein ubergreifendesInstrumentarium Verwendung finden.

1 In der Tat werden auch heutzutage manuell gefuhrte Systeme in bestimmtenBereichen außerst effizient eingesetzt. Beispielsweise werden in kleineren Puf-ferlagern in Produktions- und Montagesystemen Pinboards mit Anhangern furjede Materialart eingesetzt. Fur jeden Artikel existiert ein Schacht, bei Einlage-rung wird eine Karte mit der Lagerplatznummer oben nachgefullt, zur Auslage-rung unten entnommen. Dieses außerst einfache System ermoglicht bei wenigenArtikeln gleichzeitig eine ideale Visualisierung der Bestande.

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1.3 Systemschnittstellen und Abgrenzung 9

1.3 Systemschnittstellen und Abgrenzung

Die Aufgabe von Warehouse Managementsystemen besteht in der Fuhrungund Optimierung von innerbetrieblichen Lagersystemen. In dieser Positionergibt sich eine Fulle von Schnittstellen zu angrenzenden System, deren Ab-grenzung nicht immer leicht fallt. Je nach Einsatzfall und vorliegender Sy-stemstruktur finden sich einzelne Steuerungsmodule auch in angrenzendenSystemen wieder. In kleineren Unternehmen werden nicht notwendigerweisealle Systeme eingesetzt, und nicht originare Systemelemente werden Bestand-teil eines WMS.

Funktionsbedingt bestehen enge Verknupfungen zu Systemen der Materi-alwirtschaft (WWS-, PPS- oder ERP-Systeme) und den Systemen zur unmit-telbaren Steuerung des Materialflusses und der Kommissionierung (Warehou-se Control Systeme (WCS) und Materialflussrechner (MFR)). Die Systemelassen sich folgendermaßen abgrenzen [58]:

Warenwirtschaftssystem (abgek. WWS, engl. Enterprise resource plan-ning system (ERP system)) ist ein rechnergestutztes System zur artikel-und mengengenauen Erfassung und Verfolgung von Bedarfs- und Men-genstromen, wie sie beispielsweise im Handelsbereich zum Einsatz gelan-gen. Das ubergeordnete Ziel ist die Steuerung von Bestellwesen, Waren-vorhaltung und Verkauf.

Managementinformationssystem (abgek. MIS) hat als vorrangige Auf-gabe die Vorbereitung von Managemententscheidungen. MIS werden oft-mals als Bestandteil eines WWS gefuhrt. Seit Mitte der 90er Jahre wer-den zunehmend analytische Funktionen in MIS integriert. Trends, Pro-gnosen und Analysen im echtzeitnahen Bereich sollen das Managementunterstutzen.

Produktionsplanung und -steuerungssystem (abgek. PPS, engl. Pro-duction planning and control system) umfasst informationsverarbeitendeSysteme der Produktionsplanung und -steuerung. PPS-Systeme lassensich nach dem Steuerungsprinzip einteilen...

Enterprise Resource Planning System (abgek. ERP System) ist ein in-tegriertes Softwaresystem zur umfassenden Planung und Koordinationunternehmerischer, insbesondere betriebswirtschaftlicher Aufgaben mitdem Ziel, die in einem Unternehmen vorhandenen Ressourcen moglichsteffizient einzusetzen.

Materialflussrechner (abgek. MFR, engl. Material flow computer) DieUmsetzung teil- oder vollautomatischer Materialflussoperationen erfolgtim MFR der die Reihenfolge koordiniert, ggf. auch optimiert, und dieQuelle-Ziel-Beziehungenkontrolliert, in der einzelne Auftrage, Prozesseusw. abgearbeitet werden. Dazu werden unterlagerte Steuerungen ange-sprochen.

Warehouse Control System (abgek. WCS) Vergleichbar mit dem MFRkontrollieren WCS Quelle-Ziel-Beziehungen. Typischerweise werden zu-

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10 1. Einleitung

satzliche Aufgaben integriert, die uber den Umfang eines reinen MFR hin-ausgehen. WCS konnen insbesondere lokale bzw. nicht bewegte Bestandeverwalten. Sie gelangen insbesondere dort zum Einsatz, wo wesentlicheFunktionen eines WMS durch WWS bzw. ERP-Systeme abgedeckt wer-den und demzufolge eine separates WMS nicht erforderlich ist.

Das Zusammenwirken der verschiedenen Systeme im Distributionslagerzeigt Abb. 1.1. Darin sind zur Verdeutlichung der prinzipiellen Ablaufe bei-spielhafte Funktionen, Aktionen und Kommunikationswege dargestellt. Dieeinzelnen Systemhierarchien werden durch vertikale Linien verkorpert. Im Be-reich der WWS sind in Bezug auf das Lagersystem Aufgaben der allgemeinenBestandsoptimierung angesiedelt, das WMS ubernimmt administrative unddispositive Aufgaben der Optimierung und die Materialflussrechnerebene dieOptimierung einzelner Ablaufe. Mit der Annaherung an die physische Ebenedes Materialflusses steigen auch die zeitlichen Anforderungen an die Umset-zung einzelner Funktionen.

Auf der uberlagerten Ebene kommuniziert das WMS mit dem WWS bzw.PPS/ERP-System. Diverse Buchungen erfolgen vom WMS zum WWS, bei-spielsweise bestandsverandernde Vorgange. Vom WWS ausgehend werdenKundenauftrage in Verbindung mit den zur Durchfuhrung erforderlichen In-formationen (z. B. Lieferscheindaten) ubermittelt.

Im Bereich der WMS sind die Grundfunktionen und einige grundlegendemanuelle Materialflussoperationen angesiedelt. Bestimmte Steuerungsfunk-tionen erfolgen autark im WMS ohne Ruckgriff auf unterlagerte Ebenen.Diese Funktionen umfassen beispielsweise manuelle Ablaufe. So konnen nacheiner Wareneingangskontrolle fur Ladeeineinheiten Label generiert werden,anhand derer ein Staplerfahrer die Ladeeinheiten und den Zielort identifi-ziert und den Transport, beispielsweise zum I-Punkt (Identifikationspunkt),durchfuhrt. Damit ist dieser Prozess abgeschlossen.

Finden dagegen automatische oder teilautomatische Materialflussopera-tionen statt, greift das WMS auf unterlagerte Ebenen zu. Im Bereich derKommissionierung werden die durch das WWS ubermittelten Kundenauf-trage im WMS aufbereitet und einzelnen Zonen zugeordnet. Die Umsetzungder Entnahmeinformationen fur eine uber Pick-to-Light gesteuerte Kom-missionierzone (Zuordnung der Entnahmemengen zu Fachern und Gene-rierung der Pickreihenfolge) erfolgt beispielsweise im WCS. Die technischeDurchfuhrung wiederum realisiert ein MFR, der auf die physische Ebene(Feldebene) zugreift und die Fachanzeige ansteuert. Ebenso werden einzelneAktionen dokumentiert (Erfassung des Kommissioniervorganges) und an diejeweils uberlagerten Ebenen zuruckgemeldet, was jedoch in Abb. 1.1 nicht ex-plizit dargestellt ist. Analog werden bei der Steuerung automatischer GewerkeQuelle-Ziel-Beziehungen eines RBG im WMS abgebildet und uber das WCSbereichsweise ausgefuhrt. Die Ansteuerung einzelner Achsen eines Gerateserfolgt schließlich auf der Feldebene.

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1.3 Systemschnittstellen und Abgrenzung 11

Abbildung 1.1. FDS-Diagramm (Funktionen – Daten – Systeme) fur WarehouseManagement

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12 1. Einleitung

Wie bereits angefuhrt, ist die exakte Abgrenzung der Funktionalitateneinzelner Systeme in der Praxis nicht eindeutig und der idealtypische Fallnicht uberall exakt umzusetzen.

Eine besonders enge Vernetzung verschiedener Systeme erfordern typi-scherweise die Anwendungen im Bereich der E-Logistics (s. dazu S. 18).Eine beispielhafte Systemstruktur zeigt dazu Abb. 1.2. Bei der dargestell-ten Struktur kann es sich sowohl um eine Anwendung im Endkundenbereich(Business-to-Consumer, B2C) als auch im Geschaftskundenbereich (Business-to-Business, B2B) handeln.

Der Kunde kommuniziert uber das so genannte Shopsystem und kannnicht nur Produktkataloge einsehen und darauf basierend Auftrage erteilen,sondern auch Warenkorbe anlegen und an Auktionen teilnehmen sowie aktivAuktionen durch entsprechende Ausschreibungen durchfuhren.

Das Shopsystem kann durch einen unabhangigen Shop-Betreiber unter-halten werden. Zu den Funktionen innerhalb des Shopsystems zahlt auchdie Prufung der Kunden, respektive der Kundenbonitat, und der Produkt-verfugbarkeit. Die Kataloginformationen werden durch den Lieferanten, imIdealfall fur direkte Verfugbarkeitsabfragen durch das WWS des Lieferanten,zur Verfugung gestellt. Die Rechnungsabwicklung mit dem Kunden erfolgtebenfalls uber das Shopsystem.

Auftrage werden neben einer Auftragsbestatigung an den Kunden an dasWWS des

”Distributionszentrums“ (das reprasentiert in diesem Fall glei-

chermaßen Handelsunternehmen oder Hersteller) ubergeben. Zu den Aufga-ben dieses WWS gehoren die gesamte Auftragsverwaltung, die Steuerung desEinkaufs (Bestandsprufungen, Bestellvorschlage und Bestellverwaltung), diePflege der Produkt- und Kundendaten und die Erstellung von Analysen, Pro-gnosen und Statistiken mit dem Ziel einer kontinuierlichen Optimierung derBestande und des Bestellverhaltens. Je nach Bestandssituation werden da-mit basierend auf der Auftragslage Bestellungen an das WWS des jeweiligenLieferanten ubermittelt. Von diesem ausgehend werden Avise uber Warenlie-ferungen an das WMS des Distributionszentrums gesendet. Dieses WMS ver-waltet die Bestande und Lagerorte im Distributionszentrum, setzt Kunden-auftrage in die erforderlichen Lager- und Kommissionieroperationen um undverwaltet ein- und ausgehende Warenstrome. Das Management ausgehenderWarenstrome umfasst die Ubergabe der Lieferscheine und ggf. Rechnungs-daten an den Spediteur bzw. den KEP-Dienstleister und die Avisierung derLieferung gegenuber dem Kunden. Daneben konnen Lieferungen auch vomLieferanten direkt an den Kunden erfolgen, was insbesondere bei hochwerti-gen Waren und Eilauftragen realisiert wird.

Das Leitsystem des Transportdienstleisters steuert unter anderem dieLiefertouren und generiert ein prazisiertes Lieferavis (eine Wareneingangs-ankundigung) an den Kunden. Ebenso gehoren Aufgaben der Nachnahme-verfolgung und des Retourenmanagements zu diesen Funktionen. Erfolgt dieLieferung nicht unmittelbar an den Kunden, sondern uber eine dezentrale

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1.4 Aufbau und Ziel des Buches 13

Abbildung 1.2. Grundlegende Informationsflusse und Systembausteine in der E-Logistics

Pick-Up-Station, von der der Kunde seine Ware abholt, werden die Liefer-daten durch das Leitsystem automatisch oder durch den Auslieferer manuellder Station ubergeben. Ebenso kann eine Avisierung anstehender Lieferun-gen bereits durch das WMS des Distributionszentrums, das in diesem Fallden Lieferanten darstellt, erfolgen. Die Benachrichtigung uber abholbereiteSendungen erfolgt dann durch die Pickup-Station an den Kunden. Abge-schlossene Lieferungen werden schließlich dem Distributionszentrum durchdas Leitsystem ubermittelt.

1.4 Aufbau und Ziel des Buches

Nachdem der Begriff WMS im vorangegangenen Kapitel definiert und imKontext eingeordnet wurde, fuhrt das folgende Kapitel 2 in das Manage-ment von Lager- und Distributionssystemen ein und zeigt dazu die Ablaufeaus Sicht des Materialflusses auf, d.h. ein Lagersystem wird anhand der ty-pischen Materialflusse und Ablaufe beschrieben. Das Augenmerk liegt dabei

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14 1. Einleitung

auf der detaillierten und strukturierten Darstellung der Ablaufe, Anforderun-gen und Strategien in Lager- und Distributionssystemen. Außerdem werdendie wesentlichen Prinzipien der Kommissionierung dargelegt sowie einige be-sondere Ablaufe beschrieben. Gleichzeitig werden die Anforderungen, die anein Lagerverwaltungssystem gestellt werden, definiert. Die Umsetzung dieserAnforderungen in die technische Struktur eines Warehouse Managementsys-tems, d.h. die Realisierung der Aufgaben der Lagerverwaltung und -steuerungin einem WMS, werden dargestellt.

Das Kapitel 3 gibt einen Uberblick uber die maschinenbaulichen Kompo-nenten der Lager-, Forder-, Sortier- und Verteiltechniken. Die Darstellung derTechniken erfolgt fokussiert auf das Thema Lager- und Distributionssystemund nur soweit sie fur die vorliegende Betrachtung relevant sind.

Das Kapitel 4 fuhrt in die Verfahren zur Optimierung des Lagerbetriebsein und behandelt Fragen des Scheduling und Dispatching. Hier stehen Fragender Optimierung der Auftragsdisposition im Vordergrund.

Die generellen Prinzipien der Informationsverarbeitung und Kommunika-tion in Netzwerken werden im Kapitel 5 behandelt. Dazu zahlen die Grund-lagen der Betriebssysteme, der Kommunikation in Netzen und die wichtigenFragen der Datensicherheit. Im Anschluss daran werden in Kapitel 6 Soft-warearchitekturen sowie Grundlagen und Methoden zur Erstellung modernerSoftwaresysteme vorgestellt.

Mit der dann folgenden beispielhaften Beschreibung von Datenmodellen,wie sie fur Lagersteuerung und -verwaltung genutzt werden, wird dem Lesergleichzeitig ein Warehouse Managementsystem vorgestellt, welches alle ele-mentaren Bestandteile eines Lager- und Distributionssystems mit automati-sierter Fordertechnik und manueller Kommissionierung umfasst (myWMS).

Die vielfaltigen Aspekte der Auswahl und Einfuhrung eines WarehouseManagementsystems von der Anforderungserstellung bis zur Inbetriebnahmeund dem weiteren Betrieb des Systems werden in Kapitel 8 behandelt.

Der Anhang enthalt die Kurzvorstellung der fuhrenden Software Plattfor-men, die im Umfeld von Warehouse Managementsystemen eingesetzt werden.

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2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Lager- und Distributionssysteme sind auf ein spezielles Anforderungsprofilzurechtgeschnittene Losungen, die sich entsprechend der Vielfalt der techni-schen und organisatorischen Gestaltungsmerkmale mehr oder weniger starkunterscheiden. Dennoch sind die grundlegenden ablauftechnischen Prozessezwangslaufig ahnlich, da diese Systeme wiederum Teil einer ubergreifendenKette des Warenflusses sind. Mit dem Ziel der Schaffung einer einheitlichenBasis werden im Folgenden die wesentlichen Randbedingungen, Grundlagenund Ablaufe herausgearbeitet.

Ein effizientes Lagermanagement setzt die Berucksichtigung dieser Rah-menbedingungen und der logistischen Einheiten voraus, um Ablaufe gezieltoptimieren zu konnen. Diese sollen zunachst naher beleuchtet werden. Nach-folgend werden die grundsatzlichen Ablaufe in einem Lager beschrieben unddie fur einen effizienten Betrieb entscheidenden Funktionen identifiziert. ImHinblick auf den besonderen Stellenwert der Kommissionierung als perso-nalintensives und zeitkritisches Glied in der innerbetrieblichen Ablaufkettewerden deren relevante Ablaufe genauer betrachtet. Abschließend werden dietypischen Daten und Kennzahlen der Systeme sowie elementare Funktioneneines WMS eingefuhrt.

2.1 Logistische Rahmenbedingungen

2.1.1 Logistik-Grundsatze

Der Begriff LogistikDie Logistik beschreibt einen systemischen Ansatz zur umfassenden Optimie-rung von Fließsystemen, dazu zahlen insbesondere Materialflusssysteme, ubereinzelne Systemgrenzen hinaus. Es existieren je nach Ausrichtung verschie-denste Definitionen der Logistik, auf die hier aber nicht naher eingegangenwerden soll, da sie nicht im Hauptaugenmerk der Betrachtungen liegen. DerKern einer Reihe von Definitionen reduziert sich auf die Rolle der Logistikals Forschung und Lehre der Planung, Organisation und Kontrolle solcherFließsysteme (vgl. u. a. [18, 24, 29, 41, 58]).

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16 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Entsprechend dem materialflussbezogenen Fokus dieser Arbeit sollen dieso genannten

”6R’s“ der Logistik1 hervorgehoben werden. Die

”6R’s“ der

Logistik beschreiben eines der Ziele der Logistik als die Lieferung der

• richtigen Ware, zum• richtigen Zeitpunkt, in der• richtigen Zusammensetzung und der• richtigen Qualitat, am• richtigen Ort zum• richtigen Preis.

Trotz der starken Simplifizierung besitzt dieser Leitsatz große Verbrei-tung. Richtig ist dabei als eine seitens des Kunden erwartete Eigenschaft imSinne von bestellt, gefordert, erwartet und zu minimalen Kosten zu verstehen.

Koordination (Gleichlauf) von Materialfluss und InformationsflussEine weitere etablierte und relevante Erkenntnis ist, dass sich die logistischeLeistung eines Systems im Sinne der Erbringung eines optimalen Lieferservicezu minimalen Kosten nur dann erreichen lasst, wenn Materialfluss und Infor-mationsfluss aufeinander abgestimmt werden. In vielen Fallen bedeutet diesauch, einen dem physischen Materialfluss vorauseilenden Informationsfluss zuschaffen, der z.B. die Bereithaltung entsprechender Kapazitaten an Forder-,Lager- oder Handhabungsmitteln ermoglicht. In diesem Kapitel werden kon-tinuierlich die Bedeutung und die Umsetzung dieses Paradigmas verdeutlicht.

Supply Chain Management (SCM)Wie bereits aufgezeigt, ergibt sich im heutigen Guter- und Warenfluss eineReihe von Faktoren, die zu mehrstufigen Schritten bzw. Teilsystemen, ei-ner Versorgungskette oder Supply Chain, fuhrt. Im klassischen Fall, bei demjedes Element autark ist und jeweils nur das Verhalten seines Kunden (inForm von Bestellungen) und seiner Lieferanten (in Form von Lieferzeiten)wahrnimmt, fuhren minimale Schwankungen im Bestellverhalten am Endeder Supply Chain zu massiven Schwankungen im Bestellverhalten (und da-mit den Systembestanden) am Anfang der Kette. Dieses Phanomen, auchals Bullwhip- oder Peitscheneffekt bekannt, wurde Ende 1950 von Forresterbeschrieben, und erst heute, mit der Verfugbarkeit leistungsfahiger Rechen-und Kommunikationssysteme, entstehen aussichtsreiche Ansatze zur Beherr-schung dieser komplexen Zusammenhange. Der Schlussel liegt in der Infor-mationsverarbeitung und -bereitstellung wichtiger Systeminformationen an

1 verschiedentlich bei entsprechender Komprimierung der Inhalte auch als 4R’sbezeichnet

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2.1 Logistische Rahmenbedingungen 17

beliebigen Punkten der Supply Chain. Bekannte Strategien in diesem Um-feld sind ECR2 und CPFR3.

Auch wenn das Supply Chain Management und die Methoden und Werk-zeuge zur Optimierung dieser Ketten nicht im Fokus dieser Arbeit liegen, istdie Relevanz der Informationserfassung, -aufbereitung und -verarbeitung ent-lang der Supply Chain ein ganz entscheidender Faktor, der auch den Betriebvon Lagersystemen betrifft.

OutsourcingIn den letzten Jahren lasst sich aus verschiedenen Grunden eine eindeutigeTendenz zur externen Vergabe von innerbetrieblichen Dienstleistungen imBereich der Logistik erfassen, was allgemein als Outsourcing bezeichnet wird.Haufig angefuhrte Grunde sind dabei die folgenden:

• Konzentration der betrieblichen Bemuhungen auf die eigentlichen Kern-kompetenzen, z. B. Entwicklung und Fertigung von Gutern, und Freisetzenvon Managementkapazitaten;

• Reduktion der Logistikkosten durch Nutzung von Großendegressionseffek-ten (Economies-of-scale-Effekte) und bessere Systemauslastung auf Seitendes Kontraktlogistikers;

• Abfedern saisonaler Arbeitsspitzen oder Schwankungen, welche die Vorhal-tung entsprechender eigener Kapazitaten nicht rechtfertigen;

• Steigerung des Lieferservice durch Erhohung der Kundenprasenz oderdurch Verkurzung von Lieferzeiten. Viele Kontraktlogistiker besitzen ei-ne solche Prasenz per se, ein Aufbau aus eigenen Kraften lasst sich da-gegen wirtschaftlich oftmals nicht darstellen. Als Beispiel sei der Aufbaueiner EDI-Losung mit sicherer Kundenanbindung zur Erstellung geforder-ter Lieferavise genannt;

• Nutzung tariflicher Rahmenbedingungen;• Zukauf/Aufbau logistischer Kompetenz.

Es existieren verschiedenste Formen des Outsourcing. So kann ein Kon-traktlogistiker den Betrieb eines vorhandenen Lagersystems ubernehmen undfortfuhren. In anderen Fallen werden Warenbestande in ein externes Lagerdes Kontraktlogistikers uberfuhrt, wo sie nun neben Bestanden anderer Fir-men gefuhrt werden (Multi-Mandantensystem, auch Shared Warehouse).

In jedem Fall erwachsen daraus neue Anforderungen an den Betrieb sol-cher outgesourcter Lager. Da die Vergutung der Leistung oftmals nach durch-gefuhrten Transaktionen erfolgt, ist die Leistungsmessung und Transparenz

2 Efficient Consumer Response wird als direkte Ruckmeldung eines Kundenbedarfsan das bestandsfuhrende System (Lieferant) verstanden.

3 Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment propagiert die Vernet-zung aller Beteiligten einer Supply Chain, um Bestellanforderungen und Liefer-engpasse fruhzeitig abzugleichen.

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18 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

der Aktivitaten eine elementare Voraussetzung fur den Betrieb, um den Kun-den die Prozesse nachvollziehbar prasentieren zu konnen.

Weitaus anspruchsvoller gestalten sich Losungen mit verschiedenen Kun-den in einem System. Hier sind scheinbar gleichwertige Waren vollig unter-schiedlichen Prozessen zu unterziehen, beispielsweise im Bereich der Inventur.

Und letztlich werden solche Vertrage typischerweise fur relativ kurze Dau-er geschlossen, was fur den Betreiber (Kontraktlogistiker) ein betrachtlichesRisiko darstellt; ein Umstand, der gegebenenfalls die Errichtung hochspezia-lisierter Gewerke zu einem nicht kalkulierbaren Risiko macht.

Nicht zuletzt resultiert daraus eine Vielzahl von Anforderungen an dasWarehouse Management und die eingesetzten Warehouse Managementsyste-me. Diese mussen je nach Einsatzfall hochtransparent, allgemein einsetz-bar und den unterschiedlichsten Anforderungen genugend ausgefuhrt wer-den. Wenig verwunderlich ist daher, dass große Kontraktlogistiker heute ty-pischerweise uber erhebliche personelle Ressourcen im Bereich der Informati-onslogistik verfugen. In den folgenden inhaltlichen Ausfuhrungen sollen dieseAnforderungen ausgiebig Berucksichtigung finden.

E-LogisticsEin Bereich, der in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnt, istdie E-Logistics. Sie lasst sich definieren als ein

Uberbegriff fur die Planung, Steuerung und Kontrolle des Waren-,Informations- und Geldflusses entlang der gesamten Supply Chainuber offentliche und private Netze (Internet, Intranets), d. h. vomFront-End uber die Kunden-Online-Bestellung (Business-to-Consu-mer (B2C), Business-to-Business (B2B)) bis zur Sendungsverfolgungund zum Kundenservice [58].

Die E-Logistics wird somit als verbindendes Element industriellen Han-delns im Internet-Zeitalter verstanden. Die Erfahrungen zeigen gerade aufdiesem Gebiet, dass eine leistungsfahige Logistik und schnelle Materialfluss-systeme uber Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Die einseitige Fokussierungauf den Verkaufskanal und die Vernachlassigung der Erfullung der Kunden-auftrage (das so genannte Fulfillment) haben den Niedergang etlicher E-Commerce-Firmen zur Jahrtausendwende zumindest beschleunigt.

Es zeigt sich aber auch, dass klassische Distributionssysteme den Anforde-rungen der E-Logistics haufig nur ungenugend gerecht werden. Der Schlusselliegt in der hochflexiblen und schnellen Abarbeitung kleiner, aber zahlrei-cher Kundenauftrage bei dynamisch schwankenden Auftrags- und Sortiments-strukturen.

KEP-Dienste und E-CommerceSeit Jahren besitzt die KEP-Branche (Kurier-, Express-, Paketdienstleister)ein dynamisches Wachstum. Dieser Erfolg ist eng mit dem bereits diskutier-

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2.1 Logistische Rahmenbedingungen 19

ten Bestellverhalten der Kunden und mit der geforderten Reaktionsgeschwin-digkeit der Unternehmen verknupft. Insbesondere vor dem Hintergrund derzukunftigen Entwicklung im E-Commerce-Bereich wird der Branche auch furdie nachsten Jahre weiteres Wachstum vorausgesagt [7].

Diese Anderungen im Versandverhalten wirken sich ebenso nachhaltig aufdie Prozesse in den Distributionszentren aus. Eine zunehmende Vielfalt klei-ner Sendungen muss unter hohen zeitlichen Anforderungen fertiggestellt, er-fasst und verbucht werden. Dieses lasst sich effizient nur durch konsequentenEinsatz geeigneter Leit- und Dokumentationssysteme erreichen.

2.1.2 Verpackung und Logistische Einheiten

Ein umfassender Uberblick setzt die Kenntnis der typischen Einheiten vor-aus, die in diesen Prozessen im weiteren Sinne transformiert werden. Nach[24] stellt ein solcher Transformationsprozess eine Veranderung des System-zustandes von Gutern hinsichtlich Zeit, Ort, Menge, Zusammensetzung oderQualitat dar. Die Einheiten kommen je nach punktueller Anforderung sei-tens der relevanten Teilsysteme und Betriebsmittel sowie der kundenseitigenAnforderungen in standig wechselnder Form und Zusammensetzung in denLagersystemen vor. Gleichzeitig haben sich verschiedene Bezeichnungen eta-bliert, die spezielle Verwendung in logistischen Systemen finden (aber nichtimmer stringent genutzt werden).

Jede Betrachtung von Materialflussen setzt daher zwangslaufig bei denMengen und Eigenschaften der Waren und Guter an. Die Akteure oder Ent-scheider an den Endstellen solcher Materialflusse stellen dabei grundverschie-dene Anforderungen insbesondere an die Zusammensetzung dieser Einhei-ten. Am Beginn der Prozesskette sind die Produzenten oder Hersteller be-strebt, Guter in wirtschaftlichen Mengen (Losgroßen) zu produzieren und siemoglichst effizient, das bedeutet im Allgemeinen in einer moglichst geringenAnzahl an Arbeitsschritten, zum nachsten Abnehmer der Guter zu trans-portieren. Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang auch die Kon-solidierung der Warenflusse und Prozesse. Die Logistik- und Materialfluss-systeme von Produzenten sind in der Regel auf die effiziente Handhabunggroßer Mengen weniger Artikel ausgerichtet. Daher werden uber den mehr-stufigen Handel die hier erforderlichen Großeneffekte (Economies of scale)realisiert. Erst seitdem uber den E-Commerce unter Umgehung klassischerHandelsstrukturen eine unmittelbare Prasenz jedes Produzenten gegenuberEndkunden realisiert werden konnte, begannen sich diese Strukturen zu be-wegen.

VerpackungAm Anfang von Guter- und Warenflussen steht die Notwendigkeit, produ-zierte Guter vor den Einflussen wahrend der Transport-, Umschlag- undLagerprozesse (TUL-Prozesse) so zu schutzen, dass keine qualitative Beein-

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20 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

trachtigung auftritt. Diese Zielsetzungen werden im Wesentlichen durch Aus-wahl einer geeigneten Verpackung einerseits und durch Bildung so genannterLadeeinheiten andererseits zu erreichen versucht.

Neben der Hauptfunktion, das Gut wahrend der TUL-Prozesse zu schut-zen, erfullt eine Verpackung aber auch eine Reihe weiterer Anforderun-gen. So soll die Verpackung in bestimmten Fallen, z.B. bei Gefahrgutern,naturlich auch die Umwelt und speziell die beteiligten Mitarbeiter vor demGut schutzen. Um eine effiziente Handhabung wahrend dieser Prozesse zuermoglichen, soll eine Verpackung Lager- und Transportvorgange vereinfa-chen, beispielsweise durch Schaffung einheitlicher, stapelbarer oder forder-fahiger Einheiten. Insbesondere im Bereich des Einzelhandels soll die Ver-packung eine verkaufsfordernde Wirkung erzielen. Dem Kunden bzw. Ver-braucher soll sie ggf. eine Verwendungsfunktion offerieren, beispielsweisedurch mehrfache Verschließbarkeit oder sogar durch eine einsatzfremde Be-nutzung nach Verbrauch der eigentlichen Ware. Schließlich spielt die Identifi-kations- und Informationsfunktion eine Schlusselrolle sowohl bei der Identi-fikation der Ware innerhalb des Materialflusses (beispielsweise durch aufge-druckte Barcodes) als auch bei Offerierung der Waren in den Verkaufsregalen.

Diese Vielzahl von Anforderungen, die zu teilweise gegenlaufigen Zielset-zungen fuhrt, lasst sich im Allgemeinen nicht durch eine einzelne Verpackungerfullen, sondern nur durch ein abgestimmtes Verpackungssystem [24]. Da-her haben sich auch unterschiedliche Verpackungen fur die verschiedenenAbschnitte entlang der Transportkette etabliert. Auch im Hinblick auf dieanfallenden Verpackungsabfalle werden unterschiedliche Verpackungstypendifferenziert:

Transportverpackungen: schutzen Waren wahrend des Transports zwi-schen Hersteller und Vertreiber;

Verkaufsverpackungen: werden vom Endverbraucher zum Transport oderbis zum Verbrauch der Waren verwendet;

Umverpackungen: sind zusatzliche Verpackungen um Verkaufsverpackun-gen, die unter anderem die Abgabe von Waren im Wege der Selbstbedie-nung ermoglichen, dem Diebstahlschutz oder der Werbung dienen.

Diese Verpackungstypen erfahren im Rahmen der Verpackungsverordnungbesondere Bedeutung, die den Handel und Erzeuger zu einer Rucknahmever-pflichtung der Altverpackungen vom Kunden verpflichtet. Fur eine vertiefen-de Betrachtung der Verpackungstechnik bzw. -problematik sei auf [10, 24, 32]verwiesen.

Logistische EinheitenObwohl ein verpacktes Gut eine Einheit in einem beliebigen logistischen Sys-tem darstellt, ist es nicht zwangslaufig mit einer Logistischen Einheit gleich-zusetzen. Die Bildung solcher Einheiten hat das ubergeordnete Ziel, einzelneGuter in geeigneter Weise derart zusammenzufugen, dass die Tatigkeiten in-

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2.1 Logistische Rahmenbedingungen 21

Tabelle 2.1. Ziele der Einheitenbildung

Zielsetzung

Vereinfachung und Kostensenkung

Beispiele

Vereinheitlichung

Austauschbarkeit

Funktionalit ä t

Reduktion von Umschlagvorg ä ngen

unn ö tige Identifizierungsvorg ä nge vermeiden

Pr ü f-, Mess- und Z ä hlvorg ä nge minimieren

Anpassung zur Adaption technischer Ger ä te

einheitliche Schnittstellen zur Gutaufnahme

Standardma ß e zum Einsatz universeller Ger ä te

Poolbetrieb erm ö glichen

1 :1-Tausch identischer Ladehilfsmittel

Stapelbarkeit erh ö hen

Zugriff erm ö glichen

nerhalb der logistischen Aufgabenerfullung optimiert erbracht werden konnen.Gangige Zielsetzungen, die zur Bildung Logistischer Einheiten fuhren, sindin Tabelle 2.1 aufgefuhrt.

In der Idealvorstellung wird nur eine Logistische Einheit gewahlt bzw.geformt, die unverandert die gesamte Transportkette durchlauft, d. h. gleich-zeitig Lager-, Transport-, Versand- und Ladeeinheit ist. Wie aber bereitseingehend ausgefuhrt, lasst sich diese Zielsetzung aufgrund einer Reihe un-terschiedlicher Anspruche in den seltensten Fallen wirklich umsetzen. Ins-besondere in mehrstufigen Versorgungsketten besteht die Tendenz zu immerkleineren Einheiten (s. dazu auch Kapitel 1, S. 3).

Die Ladeeinheitenbildung beschreibt das effiziente Zusammenfassen vonGutern zu großeren, einzeln handhabbaren Einheiten. Dabei kommen ent-sprechende Ladehilfsmittel zum Einsatz. Die Ladehilfsmittel werden anhandihrer Form und/oder Funktion ublicherweise in

• tragende Ladehilfsmittel, auf die das Gut gestellt oder gestapelt wird,• umschließende Ladehilfsmittel, die das Gut aufnehmen und seitlich stutzen,

und• abschließende Ladehilfsmittel, die das Gut allseitig umfassen,

unterschieden. Fur den verbesserten Produkt- und Transportschutz werdenLadeeinheiten zusatzlich durch Ladeeinheitensicherungsmittel geschutzt (s.[74]). Die gangigsten Verfahren sind hier das Schrumpfen, das Stretchen unddas Umreifen (s. [24]).

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22 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Abbildung 2.1. Wechsel der Artikelmengen und Liefereinheiten entlang einer ex-emplarischen Transportkette

Aus materialflusstechnischer Sicht ist besonders der Wechsel zwischen denunterschiedlichen Zusammensetzungen bzw. Zusammenstellungen von Verpa-ckungen und Ladeeinheiten von Interesse. Diesen Zusammenhang verdeut-licht Abb. 2.1. Die besonderen Anforderungen im Bereich der Kommissionie-rung (vgl. Abschn. 2.2.5) erfordern eine weitere Differenzierung der Einheiten:

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 23

• Lagereinheiten stellen die Einheiten dar, in denen ein Artikel im Lagerbevorratet wird (z. B. Palette; auch: Nachschubeinheiten).

• Bereitstelleinheiten werden die Einheiten genannt, die zur Entnahme an-geboten werden (z. B. Schachteln oder Behalter).

• Entnahmeeinheiten sind die Einheiten eines bestimmten Artikels, die durchden Kommissionierer beim Kommissioniervorgang gegebenenfalls durchmehrere Einzelzugriffe entnommen werden (z. B. Gebinde).

• Greifeinheiten (auch Pickeinheiten) umfassen diejenige Menge an Artikel-bzw. Verpackungseinheiten, die ein Kommissionierer im Mittel mit einemGriff aus dem Kommissionierregal entnimmt.

• Sammeleinheiten, auch Kommissioniereinheiten genannt, entstehen durchdie Bearbeitung der einzelnen Positionen einer Pickliste durch den Kom-missionierer. Sie enthalten jeweils eine oder mehrere Greif- und Entnah-meeinheiten.

• Versandeinheiten reprasentieren die Menge der Artikel in der entsprechen-den Stuckzahl, die der Kunde durch seinen Auftrag angefordert hat. Dieeinzelne Versandeinheit wird haufig mittels eines Ladehilfsmittels (Palette,Gitterbox etc.) gebildet.

2.2 Funktionen in Lagersystemen

So unterschiedlich die Anforderungen an ein Distributionszentrum und sovielfaltig die Realisierungsmoglichkeiten der Prozesse, der technischen Sys-temgestaltung und der Kontrollfunktionen der Leitungsebene auch sind, esexistieren bestimmte Standardablaufe, die in jedem großeren System etabliertsind. Dies ist auch unvermeidlich, da jedes Distributionszentrum letztlich einGlied in einer ubergeordneten Versorgungskette bzw. Supply Chain ist. Diesetypischen grundlegenden Ablaufe werden im Folgenden dargestellt.

2.2.1 Warenannahme und -eingang

Ausgehend von der Warenbestellung durch einen Disponenten beginnt derMaterialfluss fur das empfangende Unternehmen mit der Ankundigung derLieferung durch den Hersteller bzw. Lieferanten.

Avisierung von Wareneingang und Liefertermin Je nach Liefersitua-tion wurde ein praziser Liefertermin vereinbart. Dies ist insbesondere dort er-forderlich, wo bei einer hohen Zahl an Warenanlieferungen nur eine begrenzteKapazitat zur Warenannahme zur Verfugung steht. Durch eine solche Termi-nierung sollen auf Seiten des Transporteurs Wartezeiten der Lkw vermiedenbzw. reduziert werden und auf Empfangerseite, respektive Verladerseite, dieSystemlasten harmonisiert und ausgepragte Lastspitzen vermieden werden.

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24 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Abbildung 2.2. Grundelemente von Warehouse Managementsystemen und derenBezug zu den Funktionen im Lager

Diese aus Sicht des Materialflusses erstrebenswerte Realisierung hangt wie-derum von vielen Einflussgroßen wie beispielsweise Sendungsgroße und -wert,der Lieferdistanz und allgemeinen Verkehrssituation, behordlichen Arbeits-zeiten (z. B. Zollabfertigung) und naturlich der Position des empfangendenUnternehmen ab und lasst sich in der idealtypischen Form nur eingeschranktrealisieren.

Warenannahme Die Warenannahme ist der erste wichtige Schritt im Ma-terialfluss eines Lagers mit der Entlastung des Spediteurs. Basierend auf demLieferavis lasst sich die eintreffende Lieferung mit der Bestellung abgleichen.

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 25

Dabei erfolgt eine Buchung des Frachtbriefes gegen das Avis. Es schließt sichdie vorlaufige Ubernahme der Avis-Informationen in das bestandsfuhrendeSystem (Einbuchung unter Vorbehalt) an. Dieser Schritt beschleunigt denProzess des Wareneingangs erheblich, da bei nachfolgender positiver Prufungdie Daten lediglich bestatigt werden mussen.

Wahrend in kleinen Lagersystemen Warenannahme und Wareneingangphysisch zusammenliegen konnen, fallen in großeren Systemen aufgrund derraumlichen Trennung Aufgaben der Verkehrs- und Zielfuhrung der ankom-menden Lkw zu den Verladetoren an. Die raumliche Trennung erfolgt dabeihaufig mit dem Ziel einer besseren Kontrolle der Hofverkehre. Zu diesemZweck werden Hofmanagementsysteme (auch Stock- and Yardmanagement-systeme) eingesetzt, die einen koordinierten Verkehrsfluss auf dem Werks-gelande und insbesondere die Minimierung unnotiger Such- und Rangier-fahrten gewahrleisten sollen.

Wareneingang Durch Nutzung der Avis-Informationen kann auch der Wa-reneingang bereits auf die eingehende Lieferung vorbereitet werden, was ins-besondere bei großeren Liefermengen (in Bezug auf das vereinnahmende Sys-tem gesehen) vorteilhaft ist. Dazu gehort beispielsweise die Planung und Re-servierung korrespondierender Pufferflachen, die Auswahl geeigneter Annah-mestellen (z. B. Ladetore oder -buchten) oder der Ausdruck der firmeninter-nen Label zur innerbetrieblichen Identifikation der Guter.

Aus materialflusstechnischer Sicht ist der Einsatz eines betriebsubergrei-fenden Kennzeichnungssystems anzustreben, wie es ahnlich bereits im Han-del (EAN128) oder in der Automobilbranche (Odette) vermehrt zum Ein-satz gelangt, jedoch im Lager noch keine standortubergreifende Verbreitunggefunden hat. Dies ist u. a. darauf zuruckzufuhren, dass zur Steuerung desMaterialflusses andere Anforderungen an Kennzeichnungs- oder Identsystemegestellt werden als z. B. im Handel.

Wareneingangsprufung Neben dem logischen Abgleich von bestellter undeingehender Ware erfolgt die physische Uberprufung der eingetroffenen Wa-re. Dazu gehort in der Regel fur alle Guter die Prufung auf Art und Men-ge, welche im Allgemeinen das Entladepersonal durchfuhrt. Fur bestimmteGuter erfolgt entsprechend den firmeninternen Regelungen eine eingehendePrufung der Beschaffenheit der Artikel durch die Qualitatssicherung. DiesePrufungen reichen vom Sichtvergleich bis zu Laborprufungen einzelner Stich-proben oder vollstandigen 100%-Kontrollen. Mangelbehaftete Ware wird da-nach mit Sperrkennzeichen versehen und in spezielle Bereiche verbracht oderunter Berucksichtigung der Sperrmerkmale (s. Abschn. 2.3.1, S. 55) eingela-gert.

Bei neuen Artikeln ist unter Umstanden noch eine Vervollstandigung derArtikelstammdaten (vgl. Tabelle 2.13) erforderlich. Eine sorgfaltige Erstel-lung und Pflege dieser Stammdaten ist die wesentliche Voraussetzung fur

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26 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

eine Reihe von Kontroll- und Optimierungsfunktionen im weiteren Materi-alflussprozess. Die Kenntnis des exakten Gutgewichtes ist erforderlich furPrufprozesse im Rahmen der Kommissionierung. So konnen Kundenauftrageauf Vollstandigkeit gepruft werden. Spezielle automatische Gerate wie Kom-missionierroboter benotigen diese Informationen teilweise zur Verifizierungdes erfolgreichen Greifvorganges. Daher werden alle neuen oder im Systemnoch unbekannten Artikel idealerweise bei der Wareneingangsprufung oderVereinzelung verwogen. Die Summe der Einzelgewichte eines Auftrags kannanschließend z. B. auch zur Kommissionierkontrolle verwendet werden.

Ebenso sind die Gutabmessungen von entscheidender Bedeutung bei derOptimierung der Volumennutzung entlang des Materialflussprozesses. La-gerfacher eines Regallagers konnen mit unterschiedlichen Lagerfachhohen aufdas Artikel- bzw. Lagergutspektrum angepasst werden, wodurch die Raum-nutzung des Lagerbereiches optimiert werden kann. Entsprechend der Großeeines Kommissionierauftrags konnen des Weiteren optimale Versandbehaltervorausberechnet werden. Dadurch lassen sich letztlich Versandkosten mini-mieren.

Bei der Ermittlung der Artikelabmessungen kommen unterschiedlicheVerfahren zum Einsatz. Neben dem exakten Vermessen bzw. der Aufnah-me der exakten Artikelabmessungen in das Lagerverwaltungssystem reichtverschiedenen Anwendern auch die uberschlagige Gruppierung in bestimmteGroßenklassen. Ein solches Verfahren ist dann sinnvoll, wenn die Großenerfas-sung manuell durchgefuhrt wird. Dazu werden oftmals Messlehren eingesetzt,die entsprechend den gewahlten Großenklassen Markierungen aufweisen. DerBediener kann so die Großenklasse sehr leicht ablesen.

Daneben existieren auch automatische Abmessungserfassungsgerate, wel-che die Artikel abtasten und die erfassten Abmessungen direkt an dasLagerverwaltungssystem ubertragen (s. Abb. 2.3). Schließlich werden weite-re kennzeichnende Großen oder Besonderheiten (z. B. Gefahrgutkennzeichenetc.) der Artikel aufgenommen, soweit sie in der Artikelstammdatei nochnicht vorliegen.

Zur Sicherung hochwertiger Guter ist eventuell die Aufnahme von Serien-nummern erforderlich. Die durchgehende Kontrolle und Nachvollziehbarkeiterfordert hierbei eine uber die Warenbeschreibung hinausgehende Funktio-nalitat, da nicht der Artikel, sondern die spezielle Ladeeinheit des Artikelsund deren Bewegung im Lager dokumentiert werden muss. Daruber hinausmuss gegebenenfalls fur eine Zeitspanne nach Durchlauf der Einheit die In-formation verfugbar bleiben. Das Gleiche gilt sinngemaß fur die Verfolgungvon Produktionschargen.

Um eine Uberalterung von Ware mit begrenzter Lebensdauer (verderb-liche Ware) auszuschließen, ist gegebenenfalls das Verfallsdatum zu erfassenbzw. die Restlaufzeit zu bestimmen. Anhand dieser Parameter konnen Aus-lagerprioritaten bestimmt oder Umlagerungen veranlasst werden.

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 27

Abbildung 2.3. Verfahren zur Erfassung der Abmessungen (in Anlehnung an [35])

Bildung der Lagereinheiten In vielen Lager- und Materialflusssystemensind aus Grunden der Transportsicherheit oder Handhabung spezielle La-dehilfsmittel oder Behalter im Einsatz. Hierzu zahlen Tablarsysteme oderRegalsysteme mit genormten Behaltergroßen, die ein spezielles Ladehilfs-mittel erfordern. Eingehende Guter sind dagegen mit der Zielsetzung derVersandkosten- und Transportkostenminimierung zu volumen- und mengen-optimierten Einheiten zusammengefasst. Deshalb ist in solchen Fallen eineAnpassung an das firmeninterne Materialflusssystem durch Umfullen in fir-meninterne Behalter und verbrauchskonforme Einheiten erforderlich. Dassel-be gilt fur Einheiten auf der Basis von Standardpaletten (z. B. Euro- oderIndustriepalette).

Oftmals ist die Qualitat angelieferter Einheiten im Hinblick auf nach-geschaltete automatische Systeme wie Hochregallager bedenklich. So konnenbeispielsweise beschadigte Paletten Toleranzmaße uberschreiten und dadurchauf bestimmten Forderabschnitten stecken bleiben. Deshalb werden solcheEinheiten z. T. auf firmenspezifische Lagereinheiten (hochwertige Standard-paletten ohne Beschadigungen) umgesetzt. Dabei wird oft ein schlechtererLagerraumnutzungsgrad in Kauf genommen und die komplette Ladeeinheitauf eine firmeninterne Palette gesetzt. Dieser Schritt ermoglicht gleichzeitigdie Nutzung dauerhafter Kennzeichnungselemente an den Paletten zur Mate-

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28 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

rialflusssteuerung. Werden automatische Lagertechniken mit sehr hohen dy-namischen Bewegungsanteilen eingesetzt, kann eine zusatzliche Sicherung dereingehenden Ladeeinheiten notwendig werden.

Ist das resultierende Volumen der einzulagernden Menge wesentlich klei-ner als das verfugbare minimale Lagerplatzvolumen (beispielsweise des Re-galfaches eines Regallagers), ist die Bildung von Mischpaletten ein gangigesVerfahren zur Verbesserung des Lagernutzungsgrades. Diese Maßnahme istvon besonderer Bedeutung fur das steuernde Lagerverwaltungssystem. EinProblem ist dabei nicht nur die Zulagerung von Artikeln mit stark unter-schiedlichen Eigenschaften, die eine prazise Verwaltung der Artikelabmessun-gen und zur Verfugung stehenden Lagerkapazitaten voraussetzt. Bei spaterenAuslagerungen ist auch Sorge zu tragen, dass nur ein bestimmter Artikel derMischpalette entnommen wird. Um zu vermeiden, dass infolge unterschied-licher Auslagerungs- bzw. Entnahmezeitpunkte der Anteil der nur noch zueinem geringen Anteil gefullten Paletten zu groß wird, sind hier ggf. einezusatzliche Volumenuberwachung und die Initiierung einer Umlagerung, Um-packung oder Verdichtung (s. Abschn. 2.3.2, S. 57) zu realisieren.

Eine Besonderheit stellt das Retourenhandling (Retoure = Warenrucksen-dung durch den Kunden) im Bereich des Versandhandels dar. Die Retouren-quote kann sich im klassischen Versandhandel auf 30% der Warenlieferun-gen und mehr belaufen. Da die Qualitat des einzelnen Artikels im Vorfeldnicht bekannt ist, wird eine eingehende Prufung aller Retourenlieferungennotwendig. Somit stellen Retouren einzeln eingehende Teile dar, die separatgepruft und bei Bedarf gereinigt, neu verpackt und etikettiert werden mussenund somit einen erheblichen Arbeitsaufwand bedeuten. Je nach eingesetzterStrategie wird die Retourenware auf die jeweils aktuelle und artikelreine An-brucheinheit zuruckgelagert oder gemeinsam mit anderer Retourenware inspeziellen Lagerpositionen mit entsprechender Entnahmepriorisierung einge-lagert.

Sind alle Prufungen positiv erfolgt und ist das Gut zur Vereinnahmung indas System geeignet, erfolgt die endgultige Einbuchung der Bestandsmengenin das bestandsfuhrende System.

2.2.2 Einlagerung

Im Fall eines manuellen Lagersystems (z. B. Blocklager mit Staplerbedienung)lauft in einem durchgangigen Prozess die Aufnahme einer Lagereinheit unddie direkte Verbringung an den finalen Lagerbereich inklusive der Einlagerungoder Abgabe der Lagereinheit ab. Dagegen erfolgt in großeren und automa-tischen Systemen ein stufenweiser Prozess bis zur letztendlichen Einlagerungin ein Lagerfach. Daher wird im Folgenden der Gesamtablauf beschrieben,der im manuellen Fall nur aus spezifischen Teilschritten besteht.

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 29

Verteilung auf Lagerbereiche In einem ersten Schritt (Backorders) wirdgepruft, ob die eingetroffenen Wareneingange zur Vervollstandigung von Auf-tragen gebraucht werden, die sich bereits im Warenausgang oder Versandbefinden, so dass eventuell ein direkter Transport an die Verbrauchsstellenoder in den Versandbereich erforderlich ist. Dieser Prozess wird auch alsDurchlagerung bezeichnet. Daneben findet auch der Begriff Cross DockingVerwendung, womit exakterweise ein umfangreicheres Konzept gemeint ist(vgl. S. 69), weshalb die Bezeichnung an dieser Stelle zwar gebrauchlich, abereher unangebracht ist.

Ansonsten folgt der Transport in den Lagerbereich bzw. die Lagerbereiche.Dazu ist im ersten Schritt die Festlegung der Transportziele im Lagerverwal-tungssystem erforderlich. Gerade in großen Systemen ergeben sich hierbei er-hebliche Optimierungspotenziale je nach Hohe der anfallenden Transportwegeund -mengen. Dies gilt umso mehr, wenn manuell gefuhrte Unstetigforderer(z. B. Stapler oder Schleppzuge) zum Einsatz kommen. Eine innerbetrieblicheTransportoptimierung kann durch verschiedene Maßnahmen und Technikenerreicht werden. Ein organisatorischer Ansatz liegt in der Sammlung undVorsortierung der Artikel auf Touren. Das setzt jedoch entsprechende Puffer-flachen und Bewegungsfreiraume voraus. Ebenso ergeben sich dabei ggf. un-terschiedliche Bearbeitungszeiten fur die zu verbringenden Waren. Einen wei-tergehenden Ansatz stellt daher ein automatisches Transportleitsystem dar,das unter Verwendung deterministischer Transportstrategien und -regeln dieVerbringung in verschiedene Lagerbereiche steuert. Dazu konnen beispiels-weise Stapler mit Staplerterminals ausgerustet werden, die dem Fahrer eineoptimierte Auftragsreihenfolge vorgeben (vgl. Abschn. 2.3.3, S. 58).

Ein wichtiger Aspekt ist die Transparenz des Materialflusses, wiederuminsbesondere bei großeren Materialflusssystemen. Beispielhaft sei die Abga-be einer Transporteinheit an einem falschen Ort durch einen Staplerfahrergenannt, was in der Praxis typischerweise zum physischen Suchen fuhrt. ZurNachvollziehbarkeit und moglichen Fehlerbestimmung ist die logische Hand-habung der Fordermittel als virtuelle Lagerorte und die Umbuchung der Wa-ren bei Transporten auf die Fordermittel ein geeigneter Ansatz. Somit lasstsich eine luckenlose Dokumentationskette aufbauen und uber ein Trackingand Tracing eine schnelle Ortung einzelner Einheiten realisieren.

Identifikation Sofern die Identitat der Lagereinheit noch nicht bei der Wa-reneingangsprufung erfasst wurde, findet nun spatestens die Identitatskon-trolle am so genannten I-Punkt statt. Dies geschieht haufig im Vorfeld auto-matischer Lagersysteme, wie beispielsweise vor Hochregalanlagen. Dabei wirdzunachst die Ubereinstimmung der Artikelnummer und Menge mit der Lade-einheit gepruft, ggf. auch das Vorhandensein der Stammdaten. Gleichzeitigwerden somit aber auch Materialfluss und Informationsfluss synchronisiert.Im Falle des Einsatzes automatischer Lagersysteme geschieht dies logischer-

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30 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Abbildung 2.4. Identifikation und Konturenkontrolle am I-Punkt vor einem Hoch-regallager [Foto: STOCKLIN SIEMAG]

weise an der Schnittstelle zwischen manuellem und automatischem System.Hinter diesem Punkt kann die Reihenfolge nicht mehr vertauscht werden.

Gleichzeitig muss auf Lagerfahigkeit kontrolliert werden. Dazu zahlt ins-besondere die Konturenkontrolle (Prufung der Abmessungen der einzulagern-den Einheit) sowie ggf. eine Gewichtskontrolle, was speziell in Systemen mitnicht einheitlichen Lagerfachkapazitaten erforderlich ist (s. Abb. 2.4). Bei be-stimmten Inventurverfahren (vgl. Abschn. 2.3.5) erfolgt an dieser Stelle einekorperliche Bestandsaufnahme (permanente Inventur).

Vergabe des Lagerplatzes und Einlagerung Die Durchfuhrung einerEinlagerung setzt zunachst die Festlegung des Lagerfaches bzw. des Lager-platzes voraus. Die Vergabe des Lagerfaches kann anhand einer Vielzahl vonKriterien erfolgen. Es ergeben sich Einflusse aus den physischen Anforderun-gen seitens des Lagergutes, der betriebstechnisch optimalen Lageroperationsowie aus der sicherheitstechnischen und rechtlichen Betrachtung (s. Tabelle2.2).

Anforderungen bezuglich der physischen Lagergutabmessungen und Ge-wichte ergeben sich aus der allgemeinen Forderung nach wirtschaftlichemRegalbau, wobei aus dem vorhandenen oder zukunftigen Lagergutspektrumfur jeden Anwendungsfall spezifische Lagerfachdimensionen und Traglasten

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 31

Tabelle 2.2. Einige wesentliche Parameter zur Lagerplatzvergabe

Parameter

technischeAnforderungen

Anforderungen

Beachtung zulässiger Fach- und Feldlasten

gleichmäßige Regalbelastung und Vermeidung einseitiger Belastungen, insbesondere in dynamischen Lagersystemen

Lagerfachvolumen optimal nutzen

betriebliche Optimierung

sicherheits-technische undrechtliche Vorgaben

Fahr- und Transportwege minimieren

Umschlagleistung maximieren

maximale Nutzung der vorhandenen Lagerkapazität

hohe Verfügbarkeit, d. h. Zugriffssicherheit auch bei Ausfall einzelner Transport- oder Bediengeräte

schnelles Finden und Identifizieren der Waren in manuellen Systemen

Beachtung von Zusammenlagerungsverboten (Gefahrgutlagerung)

Getrenntlagerung (Lebensmittelbereich)

Chargengruppierung

abgeleitet werden mussen. Sofern ein Lagergutspektrum vorliegt, das einesolche Segmentierung rechtfertigt (ausreichende Verteilung in verschiedenenKlassen), ist die Reduzierung der zulassigen Traglasten mit zunehmender Re-galebene bzw. die Bildung entsprechender Lastbereiche eine gangige Praxis.Auch in der manuellen Kommissionierung wird aus ergonomischen Grundenin den oberen Lagerfachern die Einlagerung leichterer Einheiten angestrebt.

Bei einigen dynamischen Lagersystemen, beispielsweise den Horizontal-Umlaufregalen (s. S. 87), muss funktionsbedingt eine einseitige Belastung ver-mieden werden. In solchen Fallen ist eine gleichmaßige Lastverteilung durchdie Systemsteuerung zu realisieren. Ein generelles Bestreben ist die moglichstgute Nutzung des vorhandenen Lagervolumens. Daher ist im Fall stark unter-schiedlicher Hohen der Ladeeinheiten eine Stufung der Lagerfachhohen ange-bracht. Zur Optimierung der operativen Bedienprozesse eines Lagersystemsexistiert eine Reihe unterschiedlicher Strategien, die z. T. inkompatibel zu-einander sind. Die gangigsten Strategien und deren Vertraglichkeiten sind inTabelle 2.3 dargestellt. Die Fahrwegstrategie stellt dabei eine allgemeingultigeSekundarstrategie dar und ist der Vollstandigkeit halber mit aufgefuhrt.

Sicherheitstechnische und rechtliche Vorgaben besitzen naturgemaß Prio-ritat und gelten insbesondere im Gefahrgut- und Lebensmittelbereich. Hierexistiert eine Vielzahl besonderer Regelungen, die im Folgenden auf ihre funk-tionellen Auswirkungen fur die Lagerverwaltung beleuchtet werden.

Die Uberwachung der Einlagerung ist ebenfalls integraler Bestandteil einesmodernen Lagermanagements und schließt den Prozess der Einlagerung ab.Dazu wird eine Ruckmeldung der Ausfuhrung mit Lagerplatz und Einlage-rungszeit dokumentiert. Wahrend dieser Schritt in vollautomatischen Lagern

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32 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Tabelle 2.3. Operationelle Lagerplatzvergabestrategien

Strategie

Festplatzlagerung feste Zuordnung eines Lagerplatzes f�r einen bestimmten Artikel

Zugriffssicherheit bei Ausfall des Verwaltungssystems

schneller Zugriff in manuellen Kom-missioniersystemen durch �bung (Verringerung der Suchzeiten)

freie Platzvergabe(chaotische Lagerung)

Artikel kann auf einembeliebigen freien Lager-platz eingelagert werden

maximale Ausnutzung der Lager-kapazit�t

Zonung Wahl des Lagerplatzesentsprechend derUmschlagh�ufigkeitdes Artikels

Erh�hung der Umschlagleistung durch Minimierung der mittleren Wegl�nge

Querverteilung Lagerung mehrerer Einheiten eines Artikels verteilt �ber mehrere Lagergassen

Verf�gbarkeit des Artikels bei Ausfall eines Regalf�rderzeuges

Erh�hung der Umschlagleistung durch Parallelisierung

Pick-/TeilefamilienClustering

benachbarte Lagerortef�r h�ufig kombinierte Artikel

Erh�hung der Umschlag- bzw. Kommissionierleistung durch Minimierung der Anschlusswege

k�rzesterFahrweg

Anfahrt des Lagerplatzesmit k�rzestem Weg

Erh�hung der Umschlagleistung durch Minimierung der Anschlusswege

Vorpufferung in Spitzenzeiten Einla-gerung auf vorderen Lagerbereich

Vermeidung von R�ckstau durch Erh�hung des Durchsatzes

Bezeichnung untereinander kompatibel

Zielsetzung

bzw. Lagersteuerungen per se ablauft, bedarf es im Fall eines manuellen La-gersystems (mit rechnergestutzter Fuhrung, z. B. durch Staplerleitsystem) ei-ner Verifikation durch den Bediener, z. B. durch unmittelbare Erfassung vonLagergut und Lagerplatz. Gangige Systeme disponieren zur Sicherstellungdieses Schritts erst nach erfolgter Verifikation den nachsten Auftrag.

2.2.3 Auslagerung

Die Verwaltung der Auslagerungsauftrage erfolgt je nach Anwendungsfall fureinen kurzeren oder langeren Zeitraum. In jedem Fall muss zunachst einePrufung der vorliegenden Auftrage auf Erfullbarkeit durchgefuhrt werden.Dabei erfolgt eine Reservierung der auszulagernden Mengen und/oder Lager-einheiten, um Fehlmengen zum terminierten Auslagerzeitpunkt zu vermeiden(vgl. Abschn. 2.3.1, S. 55). Die Disposition und Durchfuhrung der Auslage-rung erfordert die Berucksichtigung verschiedenster Zielvorgaben und wirdunter Anwendung bestimmter Auslagerungsstrategien (s. Tabelle 2.4) durch-gefuhrt. Einige Strategien (terminierte oder tourenoptimierte Auslagerungen)konnen nur bei entsprechender zeitlicher Disposition realisiert werden.

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 33

Tabelle 2.4. Auslagerstrategien

Strategie Zielsetzung

FIFO ( First-In-First-Out)

Auslagerung der zuerst eingelagerten Ladeeinheit eines Artikels

Vermeidung von Ü beralterung und Verfall einzelner Ladeeinheiten eines Artikels

LIFO ( Last-In-First-Out)

Auslagerung der zuletzt eingelagerten Ladeeinheit eines Artikels

Vermeidung von Umlagerungen bei bestimmten Lagertechniken (Blocklager)

Mengenanpassung Auslagerung von vollen und angebrochenen Ladeeinheiten entsprechend der Auftragsmenge

Erh ö hung der Umschlagleistung d urch Minimierung der R ü cklagerungen

Anbruchmengen - bevorzugung

generelle Priorisierung angebrochener Ladeeinheiten

verbesserte Nutzung der Lagerkapazit ä ten

k ürzester Fahrweg Auslagerung der Ladeeinheit eines Artikels mit dem k ü rzesten Anschlussweg

Erh ö hung der Umschlagleistung d urch Minimierung der Fahrwege

Gassenwechsel - minimierung

Sortierung der Auslagerreihenfolge nach einzelnen Lagergassen

Minmierung der Umsetzvorg ä nge bei kurveng ä ngigen RBG oder Verschieberegalen

tourenbezogen Planung der Auslagerreihenfolge entsprechend der Tourenplanung eines nachgeschalteten Verkehrsmittels

Reduzierung der Rangier- und Umlade-arbeiten

terminiert Planung des Auslagerzeitpunktes entsprechend dem voraussichtlichen Bedarfszeitpunkt

Reduzierung der Rangier- und Umlade-arbeiten

Vorholung Umlagerung der in K ü rze auszulagernden Einheiten in die N ä he des Ü bergabepunktes

Verk ü rzung der Reaktionszeit durch Erh ö hung der Umschlagleistung zum Bedarfszeitpunkt

Bezeichnung

Das Lagerverwaltungssystem besitzt weiterhin die Aufgabe der Uberwa-chung der initiierten Auslagerungen und der Ruckmeldung der korrektenAusfuhrung. Nach Durchfuhrung der Auslagerung erfolgen die Freigabe desLagerplatzes, die Bestandsfortschreibung mit der Verminderung des Lagerbe-standes um die ausgelagerte Menge und die Loschung entsprechender Reser-vierungen. Fur eine kontinuierliche Materialflussverfolgung sollte die Ladeein-heit, respektive der Bestand, an den nachfolgenden Empfanger oder auf dasTransportmittel verbucht werden (in diesem Fall wird das Transportmittellogisch wie ein Lagerplatz behandelt).

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34 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

2.2.4 Konsolidierungspunkt

Der Konsolidierungspunkt ist eine Stelle zur Identifizierung abgefertigter Ein-heiten an Schlusselpositionen des Materialflusses. Insbesondere in Systemenmit stochastischen Einflussen, beispielsweise mit manuellen Arbeitsablaufen,ist ein solcher Messpunkt elementar zur Feststellung des Produktionsfort-schrittes im Lager.

Es erfolgt einerseits ein Abgleich der Soll- und Ist-Daten (z. B. durchMessung des Gewichts) und somit eine Uberprufung der Ubereinstimmungvon Material- und Informationsfluss. Dabei wird generell der Auftragssta-tus aktualisiert, d. h. im Fall des Lagersystems wird der Status des Auslage-rungsauftrags fortgeschrieben. Andererseits erfolgen materialflusstechnischeEntscheidungen wie die Auswahl von Transportzielen fur fertige Einheiten.

2.2.5 Kommissionierung

Die Zusammenstellung einer kundengerechten Bedarfsmenge eines oder meh-rerer Artikel wird als Kommission, der dazugehorige Prozess als Kommissio-nierung bezeichnet. Die Kommissionierung beschreibt damit die Zusammen-stellung von Artikeln fur einen Kundenauftrag, d. h. die Entnahme von Teil-mengen großerer Einheiten einzelner Artikel und deren Zusammenfuhrungund Bereitstellung fur die Versendung.

Die Kommissionierung stellt einen arbeitsintensiven, zumeist personalin-tensiven und im Allgemeinen kostenintensiven Bereich eines Lager- und Wa-renverteilzentrums dar und erfahrt dadurch besondere Beachtung bei Planungund Betrieb solcher Systeme.

In der Kommissionierung kommen heute alle erdenklichen forder- und la-gertechnischen Systeme zum Einsatz. Die enge Verflechtung von technischenGewerken, Ablauf- und Organisationsstruktur und Informationsmanagementmachen die Gestaltung und den Betrieb von Kommissioniersystemen zu ei-ner sehr komplexen Aufgabe. Mit dem Ziel einer besseren Strukturierbarkeitdieser Ablaufe und Aufgaben wurden Grundfunktionen und Standardablaufedefiniert, die eine systematische Vorgehensweise bei der Planung und Orga-nisation eines Kommissioniersystems ermoglichen sollen [22, 24, 69, 70]. Beider Betrachtung von Kommissioniersystemen werden gangigerweise die dreiBereiche

• Materialflusssystem,• Organisation und• Informationsfluss unterschieden.

MaterialflusssystemBei der Gestaltung des Materialflusses eines Kommissioniersystems stehtzunachst die Frage im Vordergrund, wie Kommissionierer und Artikel zur

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 35

Durchfuhrung der Vereinzelung raumlich und zeitlich effizient zusammen-gefuhrt werden konnen und in welcher Form die einzelne Entnahmeeinheitbzw. die Sammel- oder Kommissioniereinheit (vgl. Abschn. 2.1.2, S. 22) wei-ter gefordert wird.

Nur in wenigen Fallen findet keine unmittelbare Bewegung statt, da dieVereinzelung – analog zur Funktionsweise eines Zigarettenautomaten – in-nerhalb der Maschine selbst erfolgt und von dort zur Sammelstelle gefordertwird (z. B. bei automatischen Kommissionieranlagen wie Schachtkommissio-nierern). Nach [24] setzt sich die physische Kommissionierung aus folgendenmaterialflusstechnischen Grundfunktionen zusammen:

• Bewegung der Guter zur Bereitstellung,• Bereitstellung,• Fortbewegung des Kommissionierers zur Bereitstellung,• Entnahme der Guter durch den Kommissionierer,• Transport der Entnahmeeinheit zur Abgabe,• Abgabe der Entnahmeeinheit,• Transport der Kommissioniereinheit zur Abgabe,• Abgabe der Kommissioniereinheit,• Rucktransport der angebrochenen Ladeeinheit.

Anhand des in Tabelle 2.5 dargestellten morphologischen Kastens lassensich durch vertikale Kombination der einzelnen Elemente Strukturen undLosungen fur Kommissioniersysteme erarbeiten bzw. beschreiben. Dabei istdarauf zu achten, dass zur Zusammenfuhrung von Kommissionierer und Be-reitstelleinheit entweder der Kommissionierer oder die Bereitstelleinheit eineBewegung durchfuhren muss. Ebenso muss entweder die Entnahmeeinheitoder die Kommissioniereinheit einen Transport durchfuhren, um den Kom-missioniervorgang abzuschließen. Bei dem

”Kommissionierer“ kann es sich

bei dieser Betrachtung sowohl um einen Menschen als auch um eine Maschi-ne (z. B. Kommissionierroboter) handeln.

Die Bedeutung einer Reihe von Klassifizierungen erfordert dabei beson-dere Beachtung. Insbesondere die Anwendung der Bezeichnungen

”statisch“

und”dynamisch“ erfolgt in der Praxis und der Literatur uneinheitlich. Die

klassische und auch in der Lagertechnik verwendete Definition sieht vor, dassbei statischer Bereitstellung eine Einheit zwischen Ein- und Auslagerung amselben Ort verbleibt (vgl. z. B. [17]), d. h. der Artikel stationar, beispielsweisein einem Regalfach, zur Entnahme bereitsteht. Analog muss bei dynamischerBereitstellung die Bereitstelleinheit des gewunschten Artikels zum Entnah-meort befordert und gegebenenfalls nach erfolgter Entnahme zuruckgelagertwerden.

In jungeren Publikationen wird dagegen die Bezeichnung auf den Entnah-mevorgang konzentriert. Nach dieser Definition befinden sich bei statischerBereitstellung die zu greifenden Teile in Ruhe, bei dynamischer Bereitstellungerfolgt der Entnahmevorgang auf das bewegte Teil.

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36 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Tabelle 2.5. Grundfunktionen des Materialflusssystems nach [24]

Bewegung der Güter zur Bereitstellung

Bereitstellung statisch dynamisch

geordnet teilgeordnet ungeordnet

zentral dezentral

Fortbewegung des Kommissionierers zur Bereitstellung

keine Fortbewegung

Fortbewegung

1-dimensional 2-dimensional 3-dimensional

manuell mechanisiert

automatisiert

Bereitstellung manuell mechanisiert automatisiert

Einzelstückgut Sammelstückgut

Transport der Entnahmeeinheit zur Abgabe

kein Transport Transport

manuell mechanisiert

automatisiert

Kommissionierer Fördermittel

Abgabe der Entnahmeeinheit statisch dynamisch

geordnet teilgeordnet ungeordnet

zentral dezentral

Transport der Kommissioniereinheitzur Abgabe

Abgabe der Kommissioniereinheit

zentral dezentral

Bewegung der Güter zur Bereitstellung

keine Bewegung

1-dimensional 2-dimensional 3-dimensional

manuell mechanisiert automatisiert

Rücktransport ins Lager Rücktransport ins Anbruchlager

geordnet teilgeordnet ungeordnet

Grundfunktionen Materialfluss

Realisierungsmöglichkeiten

keine Bewegung

Bewegung

1-dimensional 2-dimensional 3-dimensional

manuell mechanisiert automatisiert

1-dimensional 2-dimensional 3-dimensional

automatisiert

kein Transport Transport

manuell mechanisiert

Kommissionierer Fördermittel

1-dimensional 2-dimensional 3-dimensional

statisch dynamisch

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 37

Eng mit dieser Problematik ist die Differenzierung in zentrale und de-zentrale Bereitstellung verknupft. Unter zentraler Bereitstellung wird dabeidie Bereitstellung und Entnahme an einem ortlich festen Punkt verstandenoder zumindest an raumlich stark begrenzten Punkten (z. B. zwei bis drei ne-beneinander liegenden Palettenubergabeplatzen oder Kommissionierung ausmehreren Horizontal-Umlaufregalen (s. Abschn. 3.1.3, S. 87)). Die Bereit-stelleinheiten werden sequenziell an diesem zentralen Punkt bereitgestellt.Nur auf diese bereitgestellten Einheiten kann zugegriffen werden. Demge-genuber erfolgt bei dezentraler Bereitstellung die Entnahme an unterschied-lichen Punkten, zu denen sich der Kommissionierer bewegen muss.

Abwechselnd wird in der Literatur ferner die statische oder die dezentraleBereitstellung mit dem Prinzip Person-zur-Ware und die dynamische oderdie zentrale Bereitstellung mit dem Prinzip Ware-zur-Person gleichgesetzt.

Angesichts der Tatsache, dass die Unterscheidung”zentral – dezentral“ je-

doch nicht alle Gestaltungsformen abdecken kann und Kommissionierverfah-ren, bei denen eine Entnahme eines in Bewegung befindlichen Gutes erfolgt,praktisch nicht bekannt sind, wird folgende Bedeutung zugrunde gelegt:

Die Differenzierung in statische und dynamische Bereitstellung klart,ob die Bereitstelleinheit zur Durchfuhrung einer Entnahme forder-technisch bewegt werden muss.

Und:

Die Differenzierung in zentrale und dezentrale Bereitstellung defi-niert den Ort der Durchfuhrung der Entnahme. Bei der zentralen Be-reitstellung findet die Entnahme an einem raumlichen festen Punkt,bei der dezentralen Entnahme an verschiedenen raumlichen Punktenstatt.

Zur Verdeutlichung dieser Unterscheidungen dienen die Beispiele in Ta-belle 2.6. Wie diese Auflistung zeigt, ist die statische Bereitstellung nichtgleichbedeutend mit der Bewegung des Kommissionierers zur Ware (Person-zur-Ware, PzW), da diese im Fall des Kommissioniernestes auch zentral erfol-gen kann. Demgegenuber ist auch bei der dynamischen Bereitstellung gegebe-nenfalls eine Bewegung des Kommissionierers erforderlich. In diesen Fallenverschwimmt die Bezeichnung Ware-zur-Person (WzP) und es kann nichtmehr eindeutig nach WzP bzw. PzW differenziert werden.

Bei der Abgabe der kommissionierten Einheiten erfahren die Unterschei-dungsmerkmale zum Teil eine andere Bedeutung. Im Fall der Abgabe derEntnahmeeinheit oder der Kommissioniereinheit bezieht sich die Unterschei-dung in statische oder dynamische Abgabe auf das abzugebende Fordermittelbzw. die Sammeleinrichtung. Befindet sich das Fordermittel in Bewegung(Stetigforderer), liegt eine dynamische Abgabe vor; wird dagegen auf eine un-bewegte Sammeleinrichtung abgegeben, liegt eine statische Abgabe vor. Hin-sichtlich der Unterscheidung in zentrale und dezentrale Abgabe verhalt sich

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38 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Tabelle 2.6. Beispiele zur Bereitstellungdeze

ntr

al

Fachbodenregalanlage

Die Bereitstellung erfolgt in einem Fachboden-regal, der Kommissionierer bewegt sich entlang der Regalfront und entnimmt entsprechend den Bedarfsinformationen einzelne Einheiten. Es werden nur die Bereitstelleinheiten angespro-chen, für die Bedarf vorliegt. Dieser Ablauf wird auch als das Prinzip „Person-zur-Ware“ verstanden.

zentr

al

Kommissioniernest

Es wird eine Regalanordnung geschaffen (zu-meist U-förmige Anordnung), in deren Mitte der Kommissionierer steht und alle Artikel in Reich-weite hat. Der Kommissionierer erreicht durch Wegfall sämtlicher Weganteile sehr hohe Kom-missionierleistungen (bis zu 1000 Teile/h). Die Anwendung ist auf die Kommissionierung einer begrenzten Anzahl kleinvolumiger Artikel beschränkt.

statisch dynamisch

Regalfront an AKL

Die Bereitstelleinheiten befinden sich beispiels-weise in einem automatischen Kleinteilelager (AKL). Die Kommissionierung erfolgt an der bo-denebenen Regalebene, seitlich des AKL. Die Bereitstelleinheiten werden in unterster Regal-höhe dynamisch bereitgestellt, allerdings wer-den verschiedene Plätze angefahren, so dass sich der Kommissionierer wie im Fall des Fach-bodenregals vor der Regalzeile bewegen muss.

Hochregallagervorzone

Die Bereitstelleinheiten befinden sich in einem automatischen Hochregal oder Kleinteilelager und müssen zur Entnahme an einen zentralen Übergabepunkt befördert werden. Die Lager-einheiten werden nach Auslagerung aus dem Regalfach zumeist über Stetigfördertechnik zum Kommissionierplatz gefördert und an-schließend wieder eingelagert. Eine Anordnung dieser Art wird auch als „Kommissionier-U“ bezeichnet und der Ablauf als das Prinzip „Ware-zur-Person“ verstanden.

die Unterscheidung analog zur Entnahme: Wird z. B. eine Sammeleinrichtungmitgefuhrt, erfolgt die Abgabe der Entnahmeeinheiten an unterschiedlichenOrten, also dezentral; eine Abgabe an einen fest installierten Abgabepunktist dagegen zentral. Beispiele fur verschiedene Auspragungsformen liefert Ta-belle 2.7.

Weitere Unterscheidungsmerkmale betreffen die Form der Bewegung, dieArt der Entnahme und die Ordnung der bereitgestellten oder abgegebenenGuter. Die Bewegung kann in der Kommissionierung ein-, zwei- oder dreidi-mensional erfolgen. Bewegt sich der Kommissionierer ebenerdig entlang einerRegalfront, liegt dabei eindimensionale Bewegung vor. Die zweidimensionaleBewegung kann beispielsweise mittels Regalbediengerat oder Kommissionier-stapler, die dreidimensionale mittels Kran erfolgen.

Die Entnahme erfolgt zum uberwiegenden Teil manuell, bei schweren oderunhandlichen Gutern auch mechanisiert uber entsprechende Hilfsmittel (z. B.Manipulatoren) und bei geeigneten Gut- und Auftragsspektren auch zuneh-mend automatisiert uber Kommissionierroboter oder Schachtkommissionie-rer (z. B. in der Pharmazie). Eng mit der Eignung zur Automatisierung istschließlich auch die Frage des Ordnungszustandes bei der Bereitstellung undAbgabe der Einheiten verknupft. Die automatische Kommissionierung ist um-

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 39

Tabelle 2.7. Beispiele zur Abgabe der Entnahmeeinheitdeze

ntr

al

Pick-to-Box

Der Kommissionierer legt die Einheiten in einen mitgeführten Behälter („Kommissionierwanne“). Dabei bewegt er sich mit dem Behälter zwi- schen den Entnahmenstellen.Stellt der Behälter gleichzeitig die zum Kunden gehende Versandeinheit dar, wird das Prinzip als „Pick&Pack“ bezeichnet.

zentr

al

Ware-zur-Person / Kommissionier-U

Die an der Entnahmestelle entnommenen Ein-heiten werden auf eine bereitgestellte Sammel-einheit (Palette oder Behälter) abgegeben und ggf. dort gestapelt.

statisch dynamisch

Pick-to-Belt

Der Kommissionierer legt die Entnahmeeinhei-ten direkt nach der Entnahme auf ein parallel zur Regalfront angeordnetes, zumeist angetrie-benes Förderband. Anschließend bewegt er sich zum nächsten Entnahmeort.

Ware-zur-Person / Paternosterregal mit Rollenbahn

Die dem Paternosterregal entnommenen Ein-heiten werden auf einen davor installierten Bandförderer abgegeben. Der Kommissionierer legt keine Wege zurück.

so einfacher bzw. effizienter realisierbar, je hoher der Ordnungszustand derEinheiten ist.

Wahrend auf Basis dieser Klassifizierungen durchaus grundsatzliche Eig-nungsparameter und Charakteristika abgeleitet werden konnen, ist die Ent-scheidung, welches System fur einen gegebenen Anwendungsfall optimal ist,praktisch nur im Einzelfall im Rahmen einer Systemplanung zu treffen.

OrganisationsformenEinen wesentlichen Einfluss auf die Effizienz und damit auch auf die System-wahl besitzt die Organisation des Kommissioniersystems, d. h. die Wahl derStruktur und Steuerung der Ablaufe innerhalb des Kommissioniersystems.Gangigerweise werden dabei die Aufbauorganisation, d. h. die Struktur derAnordnung der Lagerbereiche, und die Ablauforganisation, d. h. die Abwick-lung des Kommissionierprozesses, unterschieden.

Aufbauorganisation Die Aufgabe der Aufbauorganisation besteht in derDefinition einer geeigneten Struktur fur ein Kommissioniersystem. Dabeisteht die Frage im Vordergrund, welche Bereitstellsysteme fur unterschiedli-che Artikel gewahlt werden. In jedem Fall setzt dieser Schritt eine sorgfaltigeAnalyse des Sortiments und der Auftragsstruktur voraus. Ublicherweise lei-ten sich daraus variierende Anforderungen an Kapazitat, Leistung und Ei-genschaften des Bereitstellsystems ab. Solche Anforderungen resultieren u. a.aus

• Volumina, Gewichten und Abmessungen der Bereitstelleinheiten,• Umschlaghaufigkeiten bzw. Zugriffshaufigkeiten pro Artikel,

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40 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

• mittleren Entnahmemengen pro Artikel pro Zeiteinheit, Zugriff,• haufigen Kombinationen einzelner Artikel,• Sicherheitsanforderungen (hochwertige Guter),• Temperatur- und Sicherheitsanforderungen.

Da die Bereitstellsysteme sich jeweils durch besondere Eignungsschwer-punkte ausweisen (vgl. Kapitel 3), ist gegebenenfalls die Nutzung unterschied-licher Systeme sinnvoll. Deshalb werden gangigerweise dedizierte Zonen furunterschiedliche Artikeltypen gebildet. Aber auch innerhalb eines Bereitstell-systems kann durch eine logische Zonung (vgl. Tabelle 2.3) eine Optimierungerzielt werden.

Ablauforganisation Die Produktivitat eines Kommissionierers ist gepragtdurch die

• Basiszeit (z. B. Ubernahme des Auftrags, Sortieren von Belegen, Aufnah-me von Kommissionierbehaltern, Abgabe von Ware und Kommissionier-behaltern, Weitergabe bzw. abschließende Belegbearbeitung),

• Greifzeit (Hinlangen, Aufnehmen, Befordern und Ablegen der Entnahme-einheit),

• Totzeit (z. B. Lesen, Aufreißen von Verpackungen, Suchen und Identifizie-ren, Kontrollieren und Reagieren),

• Wegzeit (Bewegung (Fahren oder Gehen) des Kommissionierers zwischenAnnahmestelle – Entnahmeort – Abgabestelle).

Die Summe dieser Zeitanteile wird als Kommissionierzeit bzw. als mittlereKommissionierzeit bezeichnet, sofern die gemittelten Zeitanteile berucksich-tigt werden. Sie wird einerseits durch die Auftragsstruktur und im Wesent-lichen von der mittleren Anzahl der Zeilen (Auftragspositionen) pro Auftragbestimmt. Andererseits hangt sie auch in starkem Maße von der Systemstruk-tur und der Organisation der zu entnehmenden Einheiten und Entnahmeorteab. Wahrend die Basis- und Totzeitanteile u. a. durch Wahl eines geeignetenInformationssystems beeinflusst werden konnen (s. S. 44), stehen die Greif-und vor allem die Wegzeit im Fokus der Ablauforganisation.

Im einfachsten Fall wird der Kundenauftrag durch einen Kommissioniererbearbeitet, der diesen Auftrag vollstandig abschließt und anschließend dennachsten Auftrag bearbeitet. Das Prinzip wird als einfache, auftragsweiseKommissionierung bezeichnet. Dieser Ablauf kann beim Prinzip Person-zur-Ware durchaus dort sinnvoll sein, wo die durchschnittliche Auftragsmengedie Transportkapazitat des Kommissionierers ausfullt. Sie bietet außerdemden Vorteil eines geringen Aufwandes zur Vorbereitung. Im einfachsten Fallwird direkt der eingehende Kundenauftrag als Kommissionierliste verwendet.Der Kommissionierer legt dadurch aber lange Wege zuruck, da die Pickfolgeunmittelbar durch den Auftrag vorgegeben wird, wodurch das Prinzip aufkleine Systeme beschrankt ist.

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 41

Die erste Optimierungsmoglichkeit besteht in der Sammlung und gleich-zeitigen Bearbeitung mehrerer Kundenauftrage, was als auftragsparallelesKommissionieren oder Sortieren wahrend der Kommissionierung bezeichnetwird. Durch Anstieg der Entnahmepunktdichte reduziert sich die mittlereWegzeit pro Auftrag. Dabei ist der Kommissionierer derart durch das Sys-tem zu fuhren, dass er automatisch zum nachsten Entnahmeort gefuhrt wirdund somit lange Totzeiten (Identifizierung des nachstliegenden Artikels) oderZuruckgehen vermieden werden.

In großen Systemen ist es wenig sinnvoll, dass ein Kommissionierer mitdem Auftrag das gesamte Kommissioniersystem durchlauft. In diesem Fallmusste der Kommissionierer sich nicht nur in allen Bereichen gleicherma-ßen auskennen, sondern auch zwangslaufig sehr hohe Weganteile zurucklegen.Gleichzeitig wurde ein sehr großes Verkehrsaufkommen mit einem nahezu un-koordinierbaren Ablauf entstehen. Aus diesem Grund werden die Bereiche ineinzelne Sektionen geteilt, in denen jeweils ein oder wenige Kommissioniereraktiv sind und einen Teil des Kundenauftrags bearbeiten. Nach Abarbeitungder in der jeweiligen Zone befindlichen Artikel werden die Sammeleinheitenin die folgende Sektion weitergereicht. Dieses Verfahren wird als Kommissio-nieren in seriellen Zonen bezeichnet. Vorteilhaft ist dabei insbesondere, dasseinzelne Zonen durch Fordertechnik uberbruckt werden konnen, sofern keineArtikel in diesen Zonen zu entnehmen sind.

Alternativ dazu konnen auch die Kundenauftrage in Teilauftrage zerlegtwerden, die jeweils zeitgleich in die einzelnen Zonen eingeschleust und dortparallel gesammelt werden, was insbesondere zu einer Verkurzung der Durch-laufzeit der Auftrage fuhrt. Dieses Verfahren wird als parallele bzw. exakterals zonenparallele Kommissionierung bezeichnet. Dem moglichen Zeitgewinnsteht wiederum der Aufwand der Vorbereitung der Auftrage und die Not-wendigkeit der Zusammenfuhrung der Teilauftrage entgegen. Wahrend dieAuftragsaufbereitung weitgehend rechnergestutzt ablaufen kann, sind zur Zu-sammenfuhrung der Teilauftrage ggf. Puffer-, Sammel- oder Verteilsystemeerforderlich (s. Abschn. 2.2.6, S. 51).

Bei allen vorgenannten Verfahren ist die Bindung eines Artikels an dendazugehorigen Auftrag jederzeit ersichtlich. Diese Verfahren werden als ein-stufig bezeichnet, da Entnahme und Zuordnung zum Kundenauftrag in einemSchritt durchgefuhrt werden. Die Wegzeitreduzierung durch auftragsparalle-les Kommissionieren (gleichzeitiges Ansteuern gleicher oder nahe zusammen-liegender Artikel bzw. Bereitstelleinheiten) lasst sich dabei jedoch nur bis zueinem bestimmten Grad durchfuhren, da jeweils eine direkte Trennung in ein-zelne Auftrage erfolgen muss. Bei der artikelorientierten Kommissionierungwerden dagegen die Prozesse der Entnahme und der Zusammenstellung derKundenauftrage voneinander getrennt und in zwei separaten Schritten oderzweistufig durchgefuhrt. Durch diese Maßnahme konnen alle in einer großerenAuftragsmenge auftretenden identischen Artikel in einem Kommissioniervor-gang gepickt werden, d. h. die Bereitstelleinheit ist nur einmal anzusteuern

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42 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

bzw. zum Entnahmeplatz zu befordern. Es konnen sowohl die Wegzeiten alsauch die Greifzeiten erheblich reduziert werden.

Dieser Vorgang setzt die Sammlung mehrerer Kundenauftrage in so ge-nannten Auftragsstapeln oder Batches voraus, weshalb dieses Prinzip auchals Batchkommissionierung bezeichnet wird. Nachdem die gesamten im Auf-tragsstapel entnommenen Einheiten gesammelt wurden, erfolgt im zwei-ten Schritt die Verteilung einzelner Entnahmeeinheiten auf die Kunden-auftrage. Zur Durchfuhrung dieses zweiten Schrittes stehen verschiedeneFordersysteme, so genannte Sortier- und Verteilanlagen oder Sorter [25] zurVerfugung. Die Batchkommissionierung erfordert einen hohen Systemauf-wand zur Auftragsvorbereitung, zum Transport der Entnahmeeinheiten undzur Verteilung auf Kundenauftrage, wodurch sich dieses Prinzip fur kleineSysteme mit einem geringen Auftragsvolumen weniger eignet.

Die artikelorientierte Kommissionierung (Batchkommissionierung, zwei-stufige Kommissionierung) erbringt hohe Kommissionierleistung, setzt aller-dings folgende Eigenschaften voraus:

• gute Forderfahigkeit der Entnahmeeinheiten mit ahnlichen Dimensionenund Handhabungseigenschaften,

• rechnergestutzte Auftragsaufbereitung und Zusammenfuhrung zur Sortie-rung der Entnahmeeinheiten und Zuteilung auf Kundenauftrage,

• ausreichende Verdichtungsmoglichkeit des Auftragseingangs, d. h. ausrei-chende Menge an Auftragen zur Stapelbildung mit weitgehend gleicherPrioritat.

Betriebsorganisation/Steuerungsstrategien Der Betrieb eines Kommis-sioniersystems bedarf verschiedener Regeln, Strategien und flexibler Verhal-tensmuster, um den im Tagesbetrieb variierenden Systemanforderungen ge-recht zu werden. Dementsprechend ist die Betriebsorganisation eines Kom-missioniersystems eine Sammlung an die speziellen Anforderungen eines Sys-tems angepasster organisatorischer Regeln, die sowohl Teil des WarehouseManagementsystems als auch statisch etablierte Regeln sein konnen. Darun-ter fallen beispielsweise Tatigkeiten wie

• Einlastung bzw. Behandlung von Fixtermin- und Eilauftragen,• Auftragseinschleusung in Abhangigkeit von der momentan verfugbaren

Kommissionierleistung, vom aktuellen Arbeitsfortschritt oder vom System-status,

• Zuteilung von Kommissionierern zu Zonen oder Tatigkeiten (Ressourcen-management),

• Auslosung Nachschub.

Dabei finden prinzipiell alle Maßnahmen Anwendung, die in Kapitel 4behandelt werden.

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 43

InformationsverarbeitungDie Aufgabe der Informationsverarbeitung besteht in der Erfassung, Auf-bereitung und Verarbeitung der zur Durchfuhrung der Kommissionierungerforderlichen Informationen. Dazu zahlen im Einzelnen (vgl. [24, 69])

• die Erfassung der Kundenauftrage unter Berucksichtigung des Servicege-dankens gegenuber dem Kunden und der Kapazitat des Erfassungssystems,

• die Aufbereitung der Auftrage in ein dem Organisationstyp des Kommis-sioniersystems angepasstes Format,

• die Fuhrung der Kommissionierer durch Zuweisung von Entnahmeort und-menge und

• die Kontrolle des Prozessablaufes.

Kundenauftragserfassung Die Aufnahme der Kundenauftrage muss sicherund effizient erfolgen und gleichzeitig dem Kunden ein hohes Maß an Servicebieten. Nicht zuletzt daraus leiten sich die Anforderungen an die Erfassungab:

• Angebot einer Auswahl an Auftragserteilungsmoglichkeiten (telefonisch,per Fax, DFU, Internet),

• Zeitpunkt der Auftragserteilung dem Kundenwunsch entsprechend (=be-liebiger Zeitpunkt),

• direkte Auskunft der Artikelverfugbarkeit und eines moglichen Lieferter-mins,

• Moglichkeit der Beratung,• gegebenenfalls Erfassung von Sonderwunschen.

Demgegenuber steht die Zielsetzung einer kosteneffizienten und fehlerre-sistenten Auftragsannahme. Dabei gilt es insbesondere aus Kapazitatsgrun-den ausgepragte Eingangsspitzen zu vermeiden. Bei beratungsunkritischenProdukten werden daher zunehmend Dienstleister (Call-Center) einbezogen.Im Bereich der Geschaftskunden bietet sich die Einrichtung fester Abruf-termine fur Bestellungen an, die regelmaßig erfolgen. Der Datenaustauscherfolgt in den meisten Fallen uber internetbasierte Dienste.

Einen kritischen Einfluss besitzt bei allen verschiedenen Erfassungskanalendie aktuelle Verfugbarkeit lieferbarer Artikel. Dazu ist eine prazise und schnel-le Bestandsfuhrung elementare Voraussetzung. Die Kundenauftragserfassungist typischerweise eine Funktion des Warenwirtschaftssystems (WWS), nichtjedoch des WMS. Allerdings greift auch das WWS auf die aktuelle und zeit-nahe Bestandsverwaltung zuruck.

Auftragsaufbereitung Die erfassten Kundenauftrage sind zur Durchfuh-rung einer effizienten Kommissionierung, mit wenigen Ausnahmen bei sehr

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44 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

kleinen Systemen, ungeeignet. In Abhangigkeit vom gewahlten Organisati-onstyp der Kommissionierung fallen folgende Tatigkeiten an:

• Vervollstandigen der Auftrage mit den zur Kommissionierung relevantenInformationen (Lagerort, Artikelnummer, Sammelbehalter),

• Sortieren der Positionen in der Reihenfolge der Anordnung im Regal,• Zerlegen der Auftrage in Teilauftrage, die in verschiedenen Zonen abgear-

beitet werden,• Zusammenfuhren der Auftrage zu einem gemeinsam abzuarbeitenden Auf-

tragsstapel,• Filterung von Auftragen mit gleicher Prioritat, Versandart oder gleichem

Zieltermin,• Filterung von Auftragen unterschiedlicher Behandlung (z. B. Einpositionen-

Auftrage).

Informationsmanagement

Kommissioniererfuhrung In praktisch jedem Kommissioniersystem ge-langt der Mensch, haufig durch Technik unterstutzt, als Kommissionierer zumEinsatz. Im Folgenden soll die Fuhrung von Menschen zur Durchfuhrung derKommissionierung im Vordergrund stehen. Der Einsatz automatischer Kom-missioniersysteme konzentriert sich dagegen auf bestimmte Sortimentsberei-che, in denen die speziellen Vorteile automatischer Systeme genutzt werdenkonnen. Beim Einsatz automatischer Systeme sind in jedem Fall spezialisier-te, an das System angepasste Steuerungen erforderlich.

Die Hauptaufgabe der Kommissioniererfuhrung ist die Ubermittlung derrelevanten Entnahmeinformationen mit der generellen Zielsetzung einer ma-ximalen Kommissionierleistung und der Minimierung moglicher Pickfehler.Die Verfahren der Weitergabe der Entnahmeinformationen an die Kommis-sionierer lassen sich grundsatzlich in papier- oder belegbehaftete Verfahrenund papier- oder beleglose Verfahren unterscheiden.

Fehlerhafte Kommissionervorgange untergraben nicht nur das Vertrauender Kunden in die logistische Leistungsfahigkeit des Lieferanten, sie bedeu-ten in der Regel auch erhebliche finanzielle Verluste und stellen dadurch einekritische Systemgroße dar. Um die Fehler zu reduzieren, erfolgt eine Kontrol-le an verschiedenen Punkten entlang des Kommissionierprozesses. Es bietensich verschiedene Verfahren der Kontrolle des Kommissioniervorganges an,die im Wesentlichen von der eingesetzten Form der Kommissioniererfuhrungbestimmt werden.

Neben der Vermeidung von Kommissionierfehlern sollen durch diese Maß-nahmen der Systemstatus und die abgeschlossenen Auftrage erfasst wer-den, um darauf aufbauend Folgeauftrage einzuschleusen. Deshalb wird dieserPrufvorgang auch als Quittierung des Auftrags bzw. der Entnahmeeinheitbezeichnet.

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 45

Kommissioniererfuhrung mit Pickliste Die papierbehaftete Version stelltdie klassische Losung der Kommissioniererfuhrung dar. Der Kommissionie-rer erhalt einen Papierbogen mit den Entnahmeinformationen. Die Picklis-te ist prinzipiell fur alle Kommissionierverfahren einsetzbar, bei Verfahrenmit automatischer Unterstutzung (automatisch gesteuerte Ware-zur-Person-Systeme) ist der Einsatz jedoch wenig sinnvoll, da die Informationen zurSteuerung der Anlagen (z. B. horizontale oder vertikale Umlaufregale) ohne-hin elektronisch aufbereitet vorliegen.

Entscheidend fur die Kommissionierleistung ist die Reihenfolge der Ent-nahmeinformationen auf der Liste. Diese sollte der Reihenfolge der Artikel inder Regalzeile entsprechen. In großeren Systemen mit volumen- und wegop-timierter Anordnung der Entnahmeeinheiten ist die Pickliste gegenuber demAuftragseingang, der typischerweise kunden-, alphabetisch- oder artikelnum-merorientiert erfolgt, zu reorganisieren. Diese Funktionalitat kann sinnvollnur durch rechnergestutzte Verwaltungssysteme erfolgen. Bei zonenparallelerKommissionierung muss die Ursprungsliste zwangslaufig in mehrere Teillistenumgesetzt werden.

Vorteilhaft bei der Pickliste ist sowohl die relativ gunstige Vorbereitungund Ausfertigung als auch die einfache Umsetzung des Prinzips. In geeigne-ten Fallen konnen auch Nebenfunktionen ausgefuhrt werden. Eine gangigeAnwendung ist die Pickliste in Form von Klebeetiketten (Labeln), bei derdie Entnahmeeinheiten mit verschiedensten Informationen (u. a. auch Preis-auszeichnung) versehen werden konnen. Dadurch konnen wiederum Arbeits-schritte eingespart werden.

Eine Selbstkontrolle des Kommissionierers wird oft durch Abhaken dereinzelnen Positionen einer Pickliste und die Quittierung beispielsweise durchAbzeichnen der abgeschlossenen Kommissionierliste realisiert. Eine weite-re Kontrolle bei der Kommissionierung mit Pickliste lasst sich aber nurdurch nachfolgende 100%-Kontrolle des komplettierten Kundenauftrags vor-nehmen.

Papierlose Fuhrung und Kontrolle des KommissioniervorgangesNachteile der Pickliste bestehen in dem hohen Totzeitanteil zur Identifizie-rung der nachsten Entnahmeposition und dem Handling der Liste und ins-besondere in der großen Inflexibilitat. Die Vorbereitung und der Ausdruckder Listen benotigen nicht reduzierbare Grundzeiten, kurzzeitige Anderungensind praktisch nicht durchfuhrbar. Dies zeigt sich insbesondere bei auftreten-den Fehlmengen, die gemeldet und manuell verarbeitet werden mussen. Ausdiesen Grunden ist die Pickliste bei Verfahren, die eine sehr schnelle Adap-tion des Kommissionierverhaltens auf wechselnde Systemzustande erfordern(dazu zahlen dynamische Batchsteuerungsverfahren in der zweistufigen Kom-missionierung), nicht einsetzbar.

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46 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Tabelle 2.8. Papierlose Verfahren der Kommissioniererfuhrung

Bezeichnung

Mobiles Terminal

Funktion

Der Kommissionierer erhält die Entnahmeinformation online (via Infrarot oder Funk), in anderern Fällen auch offline (via Dockingstations), visuell über LCD-Anzeigen oder akustisch (Pick-by-Voice).

Stationäres Terminal

Festinstallierte Monitore zeigen (online) die Entnahmeinformationen an; häufiger Einsatz an zentralen Kommissionierstellen, z. B. an Ware-zur-Person Kommisionierstationen.

Pick-by-Light Optische Anzeigen an Regalfläche zeigen die anzusprechenden Bereitstellungs-einheiten und die jeweils zu entnehmende Menge an; häufiger Einsatz anDurchlauf- oder Fachbodenregalen.

Daher kommen alternativ zur Pickliste verschiedene papierlose Verfahrenzum Einsatz (s. Tabelle 2.8). Diese Online-Verfahren bieten die Moglichkeitder Erfassung des Bearbeitungsfortschrittes und so die Grundlage zur An-passung der Auftragssteuerung an das Systemverhalten (Systemlast und-kapazitat). Außerdem sind Bestandsabweichungen unmittelbar erfassbar(vgl. Abschn. 2.3.5) und konnen kurzfristig in den Kommissionierprozess ein-geplant werden.

Die papierlosen Verfahren bieten bessere Moglichkeiten der Quittierungeines Auftrags. Sofern die Weitergabe der Entnahmepositionen jeweils ein-zeln erfolgt4, lasst sich jede Entnahmeeinheit oder jede Position separatuberprufen bzw. quittieren. Allerdings ist auch der damit verbundene Zeit-aufwand zu beachten, der insbesondere bei der Quittierung der einzelnenEntnahmeeinheit sehr hoch ist. Ein klassisches Problem besteht bei der Pick-by-Light-Kommissionierung indes darin, dass Kommissionierer in der Praxisdazu tendieren, die Quittierungstaste vor dem Pick zu betatigen, worausZahlfehler resultieren konnen.

Durchaus weitergehende Kontrollmoglichkeiten bieten Terminal-basierteVerfahren. Verschiedene Prufungen erfolgen durch Einsatz von Barcode-Handscannern, mit denen beispielsweise die Fachnummer oder auch jede Ent-nahmeeinheit gescannt werden muss. Pick-by-Voice-Systeme fragen analogPrufnummern ab, die der Kommissionierer sprechen muss.

Solche Prufverfahren sind in erster Linie Hilfen fur den Kommissionie-rer und konnen die Einweisung, Mitwirkung und Motivation der Mitarbeiternicht ersetzen. Trotz unterschiedlicher Kontrollmoglichkeiten ist die Ablei-tung unmittelbarer Zusammenhange auf die Fehlerresistenz bei unterschied-lichen Ubermittlungsverfahren nicht moglich. Einer aktuellen Untersuchung

4 Dies geschieht zwangslaufig bei Pick-by-Voice und den meisten mobilen Ter-minals; Verfahren wie Pick-to-Light ermoglichen die Weitergabe einzelner odermehrerer Kommissionierpositionen.

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 47

Tabelle 2.9. Durchschnittliche Fehlerraten unterschiedlicher Kommissioniersys-teme nach [33]

Technisches Hilfsmittel

Pick-by-Voice

Durchschnittliche Fehlerquote

Beleg

Etiketten

Pick-by-Light

mobile Terminals

mobile Terminals und Etiketten

0,08%

0,35%

0,37%

0,40%

0,46%

0,94%

der Kommissionierfehler zufolge ist die Kommissionierung per Pickliste (”Be-

leg“) grundsatzlich nicht ungunstiger als andere Verfahren ([33] und Tabelle2.9).

Ubliche Auspragungsformen in der KommissionierungDer Grundtyp der Kommissionierung ist in Abb. 2.5 dargestellt. Der Kommis-sionierer bewegt sich mit einem Wagen entlang der Regalfront (Durchlauf-,Paletten- oder Fachbodenregal) und greift die Einheiten entsprechend denEntnahmeinformationen einer Pickliste. Auf dem Wagen werden ein odermehrere Auftragsbehalter mitgefuhrt, die zur Aufnahme der getrennt nachKundenauftrag kommissionierten Einheiten dienen. Ausgehend von einer Ba-sisstation B, an der leere Kundenauftragsbehalter und die Pickliste(n) aufge-nommen werden, beginnt der Kommissionierer den Rundgang und ubergibtnach abgeschlossenem Rundgang die gefullten Behalter an der Schnittstellezum Versand. Dabei bewegt er sich schleifen- oder maanderformig durch dieRegalanordnung (Schleifenstrategie). Je nach Pickliste konnen auch einzelneGassen ubersprungen oder die Gassen nur zu einem Teil begangen werden(Stichgangstrategie). Entsprechend der zuvor definierten Terminologie liegtdamit eine einstufige, auftragsparallele Kommissionierung nach dem Person-zur-Ware-Prinzip mit eindimensionaler Fortbewegung des Kommissionierersvor. Die Bereitstellung ist statisch-dezentral und die Abgabe der Kommissio-niereinheiten statisch-zentral.

Bei sehr großen Sortimenten bietet sich alternativ die in Abb. 2.6 dar-gestellte Variante an. Wahrend der prinzipielle Ablauf gleich der zuvor vor-gestellten Variante ist, findet die Kommissionierung nun in der Regalflache

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48 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

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Abbildung 2.5. Einstufiges Kommissioniersystem Person-zur-Ware

eines Hochregals statt. Dadurch ergibt sich eine bessere Raumnutzung undim Allgemeinen ein geringerer Wegzeitanteil durch die hohere Bewegungs-dynamik des Kommissionierstaplers oder Regalbediengerates und damit einehohere Kommissionierleistung. Ein elementarer leistungsbestimmender Fak-tor ist die Gestaltung der Fachreihenfolge, in der die Entnahmepositionenangefahren werden. Es existieren verschiedene Verfahren dieser so genanntenTripoptimierung, die in Kapitel 4 behandelt werden. Ublicherweise erfolgt dieKommissioniererfuhrung dabei durch ein auf dem Bediengerat installiertesTerminal.

In Abb. 2.7 sind zwei gangige Systeme fur das Prinzip Ware-zur-Persondargestellt. Im ersten Fall (Abb. 2.7, a) steht der Kommissionierer an derStirnseite eines Automatischen Kleinteilelagers (AKL). Die artikelreinenBehalter werden uber eine U-formige Fordertechnik (Rollen- oder Kettenfor-derer) zur Entnahme bereitgestellt. Die Anordnung wird als Kommissionier-U bezeichnet. Im zweiten Beispiel (Abb. 2.7, b) befindet sich der Kommis-sionierer an der Stirnseite eines horizontalen Umlaufregales, bei dem diegewunschten Facher zur Entnahme an der Stirnseite positioniert werden. Oft-mals werden dabei mehrere Umlaufregale (typischerweise 2-4) durch einen

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 49

Abbildung 2.6. Person-zur-Ware im Hochregal

Kommissionierer gleichzeitig bedient. Die Bereitstellung erfolgt in diesenFallen zentral-dynamisch, die Abgabe von Entnahme- und Kommissionier-einheit zentral-statisch. Zur Kommissionierfuhrung werden ublicherweise sta-tionare Terminals genutzt. Die Systeme konnen sowohl in einstufigen als auchin zweistufigen Kommissioniersystemen eingesetzt werden.

Im vierten Beispiel (s. Abb. 2.8) ist ein zweistufiges Kommissioniersystemdargestellt. Die Kommissionierung erfolgt an Durchlaufregalen. Nachschubund Entnahme der Einheiten sind in diesem Fall zwangslaufig getrennt. DerKommissionierer erhalt uber ein Pick-by-Light-System die Entnahmeinfor-mationen. Die entnommenen Einheiten werden direkt an ein Forderbandoder Rollenforderer ubergeben (Pick-to-Belt). Die Entnahme erfolgt somit

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50 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

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Abbildung 2.7. Einstufiges Kommissioniersystem Ware-zur-Person

dezentral-statisch, die Abgabe der Entnahmeeinheit dezentral-dynamisch.Die entnommenen Einheiten werden in der zweiten Stufe auf einen Sortier-kreislauf gefordert und auf Kundenauftrage verteilt.

Eine Umkehrung des herkommlichen Kommissionierablaufs stellt das Bei-spiel in Abb. 2.9 dar. Wahrend im herkommlichen Fall Waren aus einem Re-gal entnommen und zur Abgabe transportiert werden, sind in diesem Fallin einem Regal Kundenauftragsbehalter angeordnet. Artikelreine Behalterwerden aus einem entfernten Lagerbereich zum Entnahmeplatz transpor-tiert und zur Entnahme bereitgestellt (dezentral-dynamische Bereitstellung).Die Abgabe erfolgt in die im Regal befindlichen Kundenauftragsbehalter,die nach Vervollstandigung des Auftrags durch weitere Mitarbeiter zum Ver-sand befordert werden (statisch-dezentrale Abgabe der Entnahmeeinheit undstatisch-zentrale Abgabe der Kommissioniereinheit).

Das Verfahren wird als Inverse Kommissionierung bezeichnet und fin-det in den letzten Jahren insbesondere im e-Commerce-Bereich zunehmendBedeutung (sehr großes Sortiment und viele kleine Auftrage). Gelangt eineoptische Fuhrung der Kommissionierer zum Einsatz, wird das Prinzip auchals Pick-to-Light oder Put-to-Light bezeichnet.

NachschubsteuerungDie Verfugbarkeit der Artikel an den Entnahmestellen ist von entscheidenderBedeutung fur einen reibungslosen und schnellen Ablauf in der Kommissio-nierung. Insbesondere in batchorientierten Kommissioniersystemen konnen

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 51

Abbildung 2.8. Zweistufiges Kommissioniersystem mit Sorter

erforderliche Nachkommissionierungen zu Verzogerungen einer Vielzahl vonAuftragen, respektive zu unvollstandigen Einzelauftragen fuhren. Daher istdie Uberwachung der Bereitstellmengen und die rechtzeitige Auslosung desNachschubes ein wichtiger Faktor im Kommissionierablauf.

2.2.6 Verpackung

In Bereich der Verpackung werden die bereitgestellten oder kommissionier-ten Guter nach bestimmten Kriterien zusammengefuhrt, auf Vollstandigkeitgepruft, fur anstehende Transportvorgange verpackt und schließlich dem Ver-sand zugefuhrt.

In großeren Lagersystemen setzen sich Kundenauftrage ublicherweise ausTeilmengen unterschiedlicher Lagerbereiche zusammen. Da eine sekunden-genaue Zusammenfuhrung solcher Teilmengen fur den Versand in der Regelnicht moglich ist, wird in einem ersten Schritt eine Auftragszusammenfuhrungdurchgefuhrt, um die Transport-/Versandeinheiten zu bilden. Dieser Prozesswird oftmals durch Auftragssortierpuffer (hochdynamische Pufferlager) wiebeispielsweise Durchlaufregale (vgl. Abschn. 3.1.3) oder Behalter-Umlaufrega-le (vgl. Abschn. 3.1.3) technisch unterstutzt.

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52 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

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Abbildung 2.9. Inverse Kommissionierung

Im Hinblick auf eine Versandkostenoptimierung mussen Sendungen u. a.volumenoptimiert gebildet werden. Viele Unternehmen setzen bei diesemSchritt auf die Fahigkeiten und die Erfahrung des Packpersonals, fur einevorliegende Verpackungsmenge die richtige Verpackungseinheit (z. B. Kar-tongroße) zu bestimmen. In der Praxis ist jedoch haufig auch ein mehrfachesUmpacken zu beobachten, das entsprechend ineffizient ist. Daher wird einesolche Funktionalitat auch zunehmend in WMS integriert, die, basierend aufeiner Volumenberechnung des Kundenauftrags, geeignete Versandgroßen er-mitteln. Insbesondere bei umfangreicheren Verpackungs- und Ladeeinheiten-bildungsprozessen ist der Mensch schnell uberfordert. Auf dem Markt wird ei-ne Reihe von rechnergestutzten Optimierungswerkzeugen, beispielsweise zurPackmustergenerierung bei Palettierungsaufgaben, angeboten.

Schließlich erfolgt bei diesem Schritt eine Warenausgangsprufung mit derPrufung auf Vollstandigkeit des Kundenauftrags und auf Qualitat und Be-schaffenheit der Transport-/Versandeinheiten. Hilfreich ist dabei oftmals ei-ne Konsolidierung und Prufung der Kommissionierung durch Erfassung desAuftragsgewichtes als Summe der Artikel- bzw. Positionsgewichte. Dies setztallerdings hinreichend genaue Artikelstammdaten sowie ein annahernd ho-mogenes Gewichts- und Artikelspektrum voraus.

Informationstechnisch erfolgt abschließend die Aktualisierung des Auf-tragsstatus mit der Fortschreibung des Status des Auslagerauftrags und ge-gebenenfalls eine Erganzung der transport- und versandtechnischen Daten.

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2.2 Funktionen in Lagersystemen 53

2.2.7 Versand

Oberflachlich betrachtet, besteht die Aufgabe des Versands lediglich in derZusammenstellung der Versandeinheiten entsprechend den Auftragen und derVerladung der Waren in ein Transportmittel.

Abgesehen von den physischen Ablaufen in der Versandzone gehort zurDurchfuhrung dieser Tatigkeiten auch eine Reihe an Organisations- und Kon-trollfunktionen. Sofern noch nicht durch den Auftrag vorgegeben, ist zunachstdie optimale Versandart bzw. das Transportmittel zu bestimmen. Dieser Pro-zess ist durch die Verschiedenheit der Preisgestaltung der Spediteure undKEP-Dienstleister nicht trivial. Eine kostenoptimierte Versandformwahl setztdaher eine genaue Recherche der Versandmengen (Volumina und Gewich-te) und der Transportziele sowie -frequenzen voraus. Auf dieser Basis las-sen sich dann die optimalen Transportdienstleister fur einzelne Transport-auftragstypen bestimmen. Im gleichen Schritt sind auch Touren zu planen,wobei fur den jeweiligen Kundenauftrag die Dringlichkeit der Lieferung, dieVerfugbarkeit der bestellten Waren, zuvor verhandelte Lieferfrequenzen usw.zu berucksichtigen sind. Je nach Lagerform variieren die Anforderungen dabeierheblich und sind in die Strategien einzubeziehen.

Wahrend die vorgeschalteten Lager- und Kommissionierbereiche im All-gemeinen durch eine gleichmaßige Auslastung gekennzeichnet sind, konzen-triert sich die Verladung in Transportmittel oft auf relativ kurze Zeitfenster,was beispielsweise durch nachgeschaltete Konsolidierungen der Ladungen inHubs bedingt ist. So ergeben sich typischerweise verschiedene Arbeitscharak-teristiken von Zu- und Ablauf, die durch die Versandzone ausgeglichen, d. h.gepuffert werden mussen. Dazu sind vor der Verladung die Versandkommis-sionen zusammenzustellen und fur die Verladung bereitzuhalten.

Beim Versand palettierter oder anderer großerer Einheiten werden dieLadungen gangigerweise auf Bodenstellplatzen vor den Versandtoren bereit-gestellt. Daneben kommen beim Stuckgutversand kleinerer Einheiten auchhochdynamische Lagertechniken (s. bspw. Abschn. 3.1.3) zum Einsatz. DieRaumsituation an den Versandtoren ist in der Praxis wiederum ein klassi-scher Engpass, so dass die Organisation der Versandzone eine kontinuierlicheOptimierung erfordert.

Zur Verladung sind schließlich Transport-/Versandpapiere (tourenbezoge-ne Ladelisten, Frachtdaten) zu erstellen. Durch eine Scannung der verladenenEinheiten kann die Transparenz der Lieferkette sichergestellt werden. Damitwird der Auftragsabschluss quittiert und die Ruckmeldung an die Auftrags-verwaltung bzw. das Auftragsmanagement garantiert.

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54 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Tabelle 2.10. Lagertypendefinitionen

Parameter Bezeichnung

Lagerort Pl ä tze, F ä cher, Kan ä le, . . .

Zugriffsart auf einzelne Lagerpl ä tze

wahlfrei, Stack, LIFO, FIFO, . . .

Art der Abarbeitung automatisch – manuell

Durchf ü hrung der Lageroperation

Definition geeigneter Lagerger ä te ( Trag fä higkeiten, Aufnahmekapazit ä t, Reichweite , Rechte)

2.3 Warehouse Managementsystem

2.3.1 Lagerverwaltung

Die Lagerverwaltung stellt die ureigenste Funktion eines Warehouse Manage-mentsystems dar. Sie fuhrt einerseits Buch uber das vorhandene Lagerungs-potenzial, d. h. die Spezifikation der vorhandenen Lagerplatze eines Lagersys-tems (Platzverwaltung), und andererseits uber die in diesem System gela-gerten Einheiten (Mengenverwaltung/Bestandsverwaltung). Daruber hinaussollte fur eine kontinuierliche Lageroptimierung sinnvollerweise eine Reihevon Kontrollfunktionen integriert sein.

Lagertypenverwaltung Wahrend im Fall eines manuell gefuhrten Lagersys-tems die Bediener durch ihr Erfahrungswissen und ihre Entscheidungskraftselbststandig in der Lage sind, geeignete Forder- und Lagermittel aus-zuwahlen bzw. einzusetzen, muss beim Einsatz automatischer Lagerverwal-tungssysteme eine Zuweisung der Kompatibilitat einzelner Elemente einesLagersystems erfolgen. Ebenso werden durch den manuellen Bediener ver-schiedene Prozesse intuitiv richtig ausgefuhrt.

Fur ein automatisches System ist die Reihenfolge der Bearbeitung, bei-spielsweise bei der Entleerung oder Befullung eines Lagerkanals nach demFIFO-Prinzip, nicht aus der Arbeitsanweisung unmittelbar herauszulesen.Verschiedene Funktionen der Lageroptimierung benotigen daruber hinaus dieMoglichkeit der selbststandigen Generierung von Auftragen, beispielsweisezur Definition von Umlagerauftragen zur Zugriffszeitoptimierung, und damitauch die Kenntnis der richtigen Betriebsweise von Ein- und Auslagerungsver-fahren.

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2.3 Warehouse Managementsystem 55

Als Basis fur solche Optimierungsverfahren benotigt ein automatischesSystem daher eine stringente Klassifizierung der Lager- und Fordertechnikaus informationstechnischer Sicht. Dazu sollten die in Tabelle 2.10 gelistetenLagertypen definiert werden.

Lagerplatzverwaltung Die Lagerplatzverwaltung ist zunachst das Abbildder technischen Lagerstruktur, d. h. die auf der realisierten Lagertechnik (z. B.Regalfacher) basierende Spezifikation des Lagerplatzes mit Beschreibung derLagerplatzdimension, -tragfahigkeit und Ortsangabe (z. B. Fachkoordinaten).Bei bestimmten Lagerplatzvergabestrategien (vgl. Abschn. 2.2.2) ist eine sol-che prazise Beschreibung der Lagerplatze eine wesentliche Betriebsvorausset-zung. Bei flexibel nutzbaren Lagerformen (z. B. Bodenlagerflachen) reduziertsich die Angabe ggf. auf eine Spezifikation der Flachen und Koordinaten.

Gleichzeitig umfasst die Lagerplatzverwaltung die Verwaltung der an ei-nem Lagerplatz gelagerten Einheiten. Dazu gehoren die Aufnahme der waren-spezifischen Daten wie Artikelkennzeichnung (Artikelnummer oder Ladeein-heitennummer) und die Registrierung und Fortschreibung der je Lagerplatzgelagerten Mengen.

Fur die steuerungstechnische Umsetzung sowohl von Einlagerungen alsauch Auslagerungen werden Statusangaben benotigt. Bei Festlegung des Ein-lagerplatzes am Identifikationspunkt muss einerseits die Verfugbarkeit einesLagerplatzes bekannt sein, andererseits muss sichergestellt werden, dass vonder Zuweisung des Lagerplatzes bis zum Abschluss der Einlagerung der Platznicht doppelt vergeben wird. Zu diesem Zweck werden dem Lagerplatz ver-schiedene Stati zugewiesen, die einen Platz fur bestimmte Operationen sper-ren bzw. fur bestimmte Artikel oder Auftrage reservieren.

Auch im Falle der Auslagerung muss bekannt sein, ob eine bestimmteEinheit eines Artikels verfugbar ist. Um sicherzustellen, dass die ausgewahlteLadeeinheit eines Artikels dem aktuellen Auftrag zugewiesen wird, ist derStatus des Artikels an den Auftrag zu binden. Die wichtigsten Stati vonLagerplatzen und Ladeeinheiten sind in Tabelle 2.11 zusammengefasst.

Neben der Realisierung der Ein-/Auslagerfunktionalitat ist das Sperrenvon Bestanden bzw. das Setzen von Sperrkennzeichen eine elementare Verwal-tungsfunktion, die bei unterschiedlichsten Operationen Verwendung findet.Hierbei lassen sich insbesondere

• Sperren zur Ein-/Auslagerung und• Sperren fur bestimmte Lageroperationen (z. B. Umlagerungen empfindli-

cher Guter vermeiden) unterscheiden.

Die Auflistung aller im Lager belegten Platze, also das Abbild des mo-mentanen Lagerzustandes, wird als Lagerspiegel bezeichnet. Der Lagerspiegelkann auch um die Art und Menge der pro Lagerfach vorhandenen Artikelerganzt sein.

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56 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Tabelle 2.11. Statusangaben zur Steuerung von Ein- und Auslagerung (Auszug)

Bezeichnung lagerplatzbezogen ladeeinheitenbezogen

disponibel Auf den Lagerplatz kann beliebig zugegriffen werden .

Auf den Artikel kann beliebig zugegriffen werden .

gesperrt Der Lagerplatz ist f ü r zuk ü nftige Einlagerungen g esperrt (beispielsweise wegen Wartungsarbeiten).

Der Artikel ist aus bestimmtem Grund ( Verfalldatum abgelaufen, Artikel liegt in Quarant ä ne) f ü r den Zugriff oder nur f ü r bestimmte Operationen (z. B. Umlager - ungen ) nicht freigegeben.

reserviert Der Lagerplatz ist f ü r eine bestimmte Ladeeinheit zur Einlagerung reserviert.

Der Artikel ist f ü r einen sp ä ter zu bearbeitenden Auftrag reserviert . Die Reservierung erfolgt idealerweise mit einer Referenz auf den Auftrag .

Mengenverwaltung (Bestandsfuhrung) Eine andere logische Betrach-tung erfolgt durch die Mengenverwaltung und Bestandsfuhrung. Kernpunktdabei ist die Registrierung und Aktualisierung der pro Artikel gelager-ten Mengen insgesamt, ggf. unter Berucksichtigung der relevanten Stati (s.Tabelle 2.12). Die Verwaltung der Waren nach unterschiedlichen Kriteri-en (Min./Max.-Bestand) soll die Versorgungssicherheit gewahrleisten undUbermengen vermeiden. Dazu sind bei Uber- oder Unterschreiten vorgege-bener Grenzen Meldungen auszulosen oder Aktionen (Bestellungen, Umlage-rungen etc.) zu initiieren.

Diese Funktion erfordert aber auch in besonderem Maß die Uberwachungdes Lagergutes. Dazu zahlen die Uberwachung der zulassigen Lagerdauer unddas Sperren des Artikels bei Erreichen eines bestimmten (Verfall-)Datums.Unter bestimmten Voraussetzungen ist in solchen Fallen eine Auslagerungzum Schutz anderer Lagerguter zu initiieren.

Der wesentliche Unterschied zu einem Warenwirtschaftssystem (WWS), indem z. T. ahnliche Funktionen liegen, besteht in der spezifischen Lagersystem-sicht des WMS im Gegensatz zur Kunden- und Vertriebssicht des WWS. Soverfugt ein Lagerverwaltungssystem im Allgemeinen nicht uber Kundendatenoder Preise. Gleichwohl erfordert ein funktionierendes Gesamtsystem einenkontinuierlichen Austausch zwischen WMS und WWS.

Uberwachung von Umweltparametern Die Uberwachung der Lagerbe-dingungen (Temperatur und Feuchtigkeit) und der Sicherheit (Zugangskon-trolle) stellt eine besondere Funktion dar, die nur in wenigen Fallen ausge-pragt erforderlich ist.

Page 67: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

2.3 Warehouse Managementsystem 57

Tabelle 2.12. Bestandsklassen

Bedeutung

physischer Bestand im Lagersystem vorhandene Einheiten

Bezeichnung

verf ü gbarer Bestand Lagerbestand unter Ber ü cksichtigung gesperrter oder reservierter Mengen = Bestand an disponiblen Einheiten

reservierter Bestand mit Sperrkennzeichen versehener Bestand

Fehlmengen offene (ausstehende) Eingangslieferungen, fü r die bereitsein Auftrag besteht

Gruppierungen Im Lagerbetrieb fallen regelmaßig Aufgaben an, die sichjeweils auf ganze Gruppen von Lagereinheiten, Artikeln, Fachern usw. bezie-hen. Zu diesem Zweck sollte ein Warehouse Managementsystem die flexibleZuweisung von Gruppierungen ermoglichen, um eine aufwandige Bearbeitungder einzelnen Elemente zu umgehen. Solche Aufgaben fallen beispielsweise anbei

• der Wartung, Reparatur oder dem Ausfall einzelner Gassen automatischerRegalanlagen,

• der Warenuberwachung (z. B. besondere Verfahrensmaßnahmen bei gefahr-lichen oder hochwertigen Waren),

• der Lagerung gesperrter Waren (z. B. Quarantane-Lagerung),• der Auswahl einer großeren Warenmenge oder• Inventurverfahren.

Idealerweise sollten sich derartige Gruppierungen sehr flexibel setzen las-sen. In jedem Fall sollte die Gruppierung von

• Lagerorten (nach Lagergasse, Lagerzone etc.),• Artikelgruppen (nach Typengruppe, Artikelnummer etc.) sowie• Chargen

moglich sein. Konsequenterweise sollte dann auch die Anwendung entspre-chender Verwaltungsfunktionen (Sperren, Reservierungen, Ein-/Auslagerun-gen) auf die gesamte Gruppe anwendbar sein.

2.3.2 Reorganisation

In regelmaßigen Abstanden ist es erforderlich, ein laufendes Lager- undDistributionssystem auf Effizienz zu uberprufen und geeignete Schritte zur

Page 68: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

58 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Optimierung durchzufuhren, was als Lagerreorganisation verstanden wird.Ausloser hierfur konnen sein:

• Anderungen im Zugriffsverhalten auf einzelne Artikel, wie z. B. Absinkendes Artikeldurchsatzes oder Anderung der typischen Entnahmeeinheiten,

• an- oder auslaufende Vertriebsaktionen,• Veranderungen des Sortimentes,• Anwachsen der Menge angebrochener Lagereinheiten und der daraus re-

sultierende schlechte Volumennutzungsgrad.

Dies fuhrt dazu, dass Lagerfacher logisch falsch belegt sind (z. B. falscheABC-Zonung), die mittleren Transportwege steigen und der Raumnutzungs-grad sinkt. Deshalb sollten die entsprechenden Kennzahlen kontinuierlichuberwacht und analysiert werden. Die Frage der geeigneten Art und Weiseder Systemuberwachung wird in Abschn. 2.3.4 behandelt (S. 60, siehe dort).

Zur resultierenden Systemoptimierung finden einige Maßnahmen Anwen-dung, die ebenfalls auch durch ein Warehouse Managementsystem unterstutztwerden sollten:

• Umbuchung, d. h. Neuzuweisung der Artikel in geeignete Zugriffsklassenund Lagerzonen,

• Umlagerung bereits vorhandener Lagereinheiten in zugriffsschwachen Zei-ten (z. B. zur Wiederherstellung einer ABC-Zonung),

• Verdichtung angebrochener Einheiten oder schlecht ausgenutzter Misch-paletten (Auslagerung relevanter Einheiten, Umpacken der Lagereinheitenund Wiedereinlagerung gemaß Spezifikation.).

2.3.3 Fordermittelverwaltung und Leitsysteme

Wahrend automatische Fordermittel uber eine entsprechende Steuerung (Ma-terialflussrechner, MFR bzw. MFC) gefuhrt und uberwacht werden, existierenfur manuell gefuhrte Unstetigforderer (Stapler etc.) verschiedene Verfahrender Systemfuhrung, von der manuellen Verwaltung bis zur automatischenSystemfuhrung.

Rechnergestutzte Leitsysteme fur den innerbetrieblichen Transport wer-den innerhalb des Warehouse Managements aus unterschiedlichen Grundeneingesetzt:

• zur Optimierung der Systemleistung (Reduzierung von Leerfahrten, Erho-hung der Umschlagleistung, Verbesserung der Systemnutzung),

• Systemflexibilitat bei kurzfristigen Anderungen (schnelle Reaktionen aufTransportanforderungen),

• Systemzustandsuberwachung (Laufzeit von Fahrzeugen, Betriebskosten proFahrzeug etc.).

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2.3 Warehouse Managementsystem 59

Umfassende Systeme zur Fahrzeugdisposition und -fuhrung werden alsStaplerleitsysteme (SLS) oder Transportleitsysteme (TLS) bezeichnet (s. [71]).Die Systeme bestehen aus einem rechnergestutzten Leitstand oder Leitrech-ner, einem drahtlosen Ubertragungsmedium (Funk oder Infrarot) und mobi-len Terminals auf den Fahrzeugen. Die eingehenden Transportauftrage bzw.-anfragen (Bedarfsanforderungen) werden aufbereitet, mit den relevanten Da-ten erganzt (z. B. Erganzung von Artikelnmummer oder -bezeichnung, La-gerort (Quelle), Zielort (Senke)) und anhand bestimmter Prozeduren undStrategien an die Fahrer ubermittelt.

Bei allen Leitsystemen muss im ersten Schritt eine Festlegung getroffenwerden, welche Fordermittel fur einen bestimmten Auftragstyp grundsatzlichaufgrund ihrer Tragfahigkeiten, Hubhohen oder sonstigen Klassifikationen ge-eignet und somit zuweisungsfahig fur einen Auftrag sind. Dazu muss analogzur Lagertypenverwaltung (vgl. Abschn. 2.3.1) eine Klassifikation der vorhan-denen Fordermittel vorliegen. Ebenso sind Restriktionen sonstiger Einrich-tungen wie mogliche Ubergabestellen zu erfassen. Zur Fahrzeugdispositionexistieren zwei grundlegende Verfahren:

Dispatching Beim Dispatching (=Abfertigung) wird fur einen aktuell an-stehenden Auftrag das geeignete Fordermittel zugewiesen. Die Zuweisungerfolgt anhand unterschiedlicher Kriterien und Strategien. Dabei kann essich beispielsweise um das• nachste freie Fordermittel,• raumlich nachste befindliche Fordermittel oder das• Fordermittel mit der kurzesten Anschlussfahrt handeln.Da das Dispatching den jeweils nachsten, freigegebenen Auftrag bear-beitet, reagiert das System schnell und flexibel. Damit bietet sich dasVerfahren bei dynamischen Umgebungen an.

Scheduling Das Ziel des Scheduling (=Fahrplanung, Vorplanung) dagegenist die Zuweisung mehrerer Auftrage und/oder mehrerer Fordermittelzu einem

”idealen“ Fahrplan und somit auch die Erstellung einer opti-

mierten Auftragsreihenfolge. Das Hauptziel liegt in der Optimierung derSystemleistung. Wesentliche Voraussetzung fur ein Scheduling ist dabeidie Sammlung einer Reihe anstehender Auftrage in einem Auftragspool,aus dem heraus die optimale Verteilung erfolgen kann. Im Gegensatz zueiner manuellen Fahrplanerstellung, die im lagertechnischen Umfeld oh-nehin nur in den seltensten Fallen einsetzbar ist, erfolgt das Schedulingwiederholt in relativ kurzen Abstanden.

In der praktischen Umsetzung wird in der Regel eine Mischform der bei-den Verfahren eingesetzt, in der prioritare Auftragsanforderungen jederzeitberucksichtigt werden konnen.

Neben solchen umfangreichen dispositiven Fuhrungssystemen existiereneinfache Systeme zur reinen Fordermittelverwaltung, bei denen die Erfas-sung des Systemzustandes im Vordergrund steht und keine auftragsdispo-

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60 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

sitiven Zuweisungen erfolgen. Dazu zahlen die Erfassung der Betriebszeitenoder Reparaturkosten je Fahrzeug sowie die Batteriezustandsuberwachungund Kontrolle der Wartungsintervalle je Fahrzeug. In Systemen mit Nutzungder Fahrzeuge durch einen großeren Personenkreis bietet sich gegebenenfallsdie Fahrzeugfuhreridentifikation und -dokumentation an.

2.3.4 Datenerfassung, -aufbereitung und -visualisierung

Wie bereits in Abschn. 2.4 gezeigt, ist ein Lager- und Distributionssystemdurch eine Vielzahl verschiedener Daten und Kennzahlen gepragt, die zuunterschiedlichsten Zwecken Verwendung finden:

• Leistungserfassung– Kundenbetreuung,– Fehlmengendokumentation aus Inventur– Erfassung von Kommissionierfehlern, Abweichungen an WA-Kontrolle– Effizienz der Mitarbeiter (z. B. Picks oder Auftrage pro Kommissionierer;

Einlagerungen pro Staplerfahrer; Wartezeiten pro Fahrzeug)• Ubersichtsinformationen

– Lagerspiegel (Sortierung nach Lagerplatzen, frei/belegt, ...)– Lagerbestand– Lagerstatistiken (Umschlaghaufigkeiten, Storungszeiten, Fullgrad, ...)– Raumnutzung

• Betriebsmittelstatistiken– Laufzeiten– Ausfallzeiten– Wartungs- und Reparaturkosten je Einheit

• u. v. a. m.

Wahrend die personenbezogene Leistungserfassung in vielen Fallen nichtunproblematisch ist und in der Regel die Einbeziehung des Betriebsrates er-fordert, ist sie in einigen Fallen sogar unverzichtbare Basis fur die Leistungs-abrechnung. Die gilt insbesondere fur die

• Erfassung bei Akkordlohn,• Erfassung von Kontraktlogistikleistungen.

Die Erfassung aussagekraftiger Statusinformationen ist die elementareVoraussetzung zur Steuerung und Optimierung des Distributionssystems. ImBereich der Systemsteuerung mussen basierend auf diesen Daten Personal-bedarfe (z. B. in Kommissionierbereichen) oder sonstige Ressourcenbedarfeermittelt und eingeplant werden. Auslastungsgrade von Fordermitteln zei-gen, ob parallel angeordnete Systeme im Gleichgewicht arbeiten. Wartezei-ten an bestimmten Punkten konnen wiederum Engpasse anzeigen und eineUberprufung von Betriebsstrategien, Systemleistungen oder Personaleinsatzinitiieren.

Page 71: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

2.3 Warehouse Managementsystem 61

Entscheidend fur die Nutzung und erfolgreiche Verwertung der Daten istdas zugrunde liegende Erfassungsverfahren. Es existieren zwei prinzipielleVerfahren zur Ermittlung aussagekraftiger Daten und Kennzahlen:

Online-Erfassung Die zur Generierung der benotigten Daten erforderlicheDatenbasis wird im Prozess erfasst und automatisch in die gewunschteKennzahl umgesetzt. Vorteilhaft ist dabei, dass die Kennzahlen unmittel-bar zur Verfugung stehen. Demgegenuber konzentriert sich die Erfassungund Auswertung auf die im Vorhinein zu definierende Fragestellung. Dienachtragliche Auswertung anderer oder verwandter Daten und Kennzah-len ist dagegen nicht in jedem Fall moglich. Ebenso liegt der Erfassungs-zeitraum weitgehend fest. Eine Zurucksetzung des Erfassungszeitraumes,um beispielsweise bestimmte Effekte oder Zeitraume auszublenden, istnicht moglich, da als Ergebnis lediglich die aggregierte Kennzahl vor-liegt. Insofern stellt dieses Verfahren ein statisches System dar.

Zeitreihenerfassung Es wird zunachst nur ein Logfile mit der Erfassungvon Ereignissen und dem Eintrittszeitraum erstellt (Zeitreihe). Aus demLogfile werden die Daten typischerweise in eine Datenbank uberfuhrt. Da-bei ist im Vorfeld nur auf die sinnvolle Festlegung der Eingangsdaten zuachten. Die benotigten Kennzahlen werden in einem zweiten Schritt uberentsprechende Abfragen aus der Datenbank extrahiert. Dieses Verfahrenist deutlich vielseitiger und bietet eine bessere Grundlage zur Systempla-nung und -optimierung. Nachteilig kann jedoch das kontinuierliche An-steigen des Datenrahmens (Datenumfangs) sein. Sinnvoll erscheint u. a.die Buchung folgender Daten:• Dokumentation angeforderter sowie erledigter Auftrage

– Anforderungen:• Anforderungs-ID/Bedarfs-ID• Quelle/Senke• Datum/Zeit• Status (Eil-/Normal)

– Erfullung:• Person oder Betriebsmittel-ID• Datum/Zeit• Terminierung

• Betriebsprotokoll– Betriebsbeginn/Betriebsende– Fehler-/Storungsmeldungen und -zeiten– Lagerbewegungen

• Einzelinformationen– artikelbezogene Daten (Artikel-Nr., Bestande, ...)– auftragsbezogene Daten (Auftrags-Nr., Auftragspositionen, Termi-

ne, ...)– lagereinheitenbezogene Daten (Lagerplatz-Nr., frei-/belegt-Status,

Menge, ...)

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62 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Daneben mussen aus rechtlichen Grunden Lieferscheine bzw. Warenaus-gangsprotokolle erfasst und dokumentiert werden.

2.3.5 Inventur

Die Inventur ist eine gesetzliche Verpflichtung, die durch jeden Kaufmannnach § 240 HGB fur jedes Geschaftsjahr durchgefuhrt werden muss und dieGrundlage fur den Jahresabschluss bildet. Bei Sachanlagen und Vorraten, alsoauch bei Bestanden, muss eine korperliche Bestandsaufnahme durchgefuhrtwerden. Damit sollen insbesondere die Lagerbestande (Buchbestande) unddie Zuverlassigkeit der Bestandsfuhrung (Lagerbuchfuhrung) uberpruft wer-den. Alle Gegenstande (Lagereinheiten) sind zu identifizieren und zu klassifi-zieren und durch Zahlen, Messen oder Wiegen mengenmaßig zu erfassen. Esmuss ein Aufnahmebeleg mit folgenden Angaben erstellt werden:

• Belegnummer (Uberprufbarkeit der Vollstandigkeit),• Lagerort und Position,• Bezeichnung des Gegenstandes,• aufgenommene Menge und Mengeneinheit,• Einheitspreis und Gesamtwert,• ggf. Hinweise auf wertbeeinflussende Umstande (Alter, Lagerdauer),• Aufnahmedatum und Unterschrift (des Aufnehmenden).

Daraus resultiert ein immenser Arbeitsaufwand, der insbesondere bei sehrgroßen Lagern praktisch nicht erbringbar ist. Daruber hinaus erlauben be-stimmte automatische Lagertechniken nicht die direkte Uberprufung durcheine Person, und leistungs- und ablauftechnisch sowie aus wirtschaftlichenGrunden ist die Auslagerung aller Einheiten zur Inventur nicht moglich. Ausdiesem Grund bestehen unterschiedliche Verfahren und Vereinfachungen zurDurchfuhrung der Inventur, deren Anwendung allerdings mit den jeweiligenWirtschaftsprufern und Finanzbehorden abzustimmen ist:

Stichtagsinventur Die klassische Form der Inventur erfordert die korper-liche Aufnahme aller Bestande am Bilanzstichtag. Da der Geschafts-verkehr am Bilanzstichtag ruht, ergeben sich keine Veranderungen am

”Vermogen“. Eine solche Aufnahme ist nur bei kleineren Systemen mog-

lich. Es besteht auch die Moglichkeit, die Inventur nicht notwendigerweisean einem Tag, jedoch zeitnah, d. h. bis zu zehn Tage vor oder nach demBilanzstichtag durchzufuhren, sofern Bestandsveranderungen zuverlassigaufgezeichnet, nachgewiesen und im Inventar zum Bilanzstichtag entspre-chend berucksichtigt werden.Noch weitergehender ermoglicht die vor- oder nachverlegte Stichtagsin-ventur, den Bestand auf einen Tag, drei Monate vor oder zwei Monatenach dem Bilanzstichtag, zu ermitteln und durch einen besonderen Be-stand zuruckzurechnen. Das setzt allerdings ein Fortschreibungs- bzw.

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2.3 Warehouse Managementsystem 63

Ruckrechnungsverfahren nach den Grundsatzen odnungsgemaßer Buch-fuhrung (GoB) voraus.

Permanente Inventur Um die Durchfuhrung der Inventur entsprechendden Bedurfnissen eines Betriebes in Zeiten mit geringer Betriebstatigkeitoder geringen Bestandsmengen durchzufuhren, bietet sich die perma-nente Inventur an. Dabei kann die korperliche Aufnahme der Bestandeuber das Geschaftsjahr verteilt werden. Voraussetzung ist die kontinu-ierliche Lagerbuchfuhrung aller Bestande und separate Buchung allerZu- und Abgange mit Tag, Art und Menge. Zum Bilanzstichtag erfolgtdie (mengenmaßige) Bestandsfortschreibung und somit eine so genanntebuchmaßige Bestandsaufnahme.Die Zahlung kann artikelbezogen oder lagerplatzbezogen durchgefuhrtwerden. Dazu mussen alle Bewegungen auf den betrachteten Artikelnoder Lagerplatzen ruhen. Im Fall der artikelbezogenen Aufnahme mussenferner alle unbelegten Lagerplatze separat gepruft werden. Diese Verfah-ren setzen voraus, dass in der EDV-gestutzten Lagerverwaltung artikel-oder lagerplatzbezogene Zahlkennzeichen gesetzt werden konnen.Da in automatischen Lagern die Bestandsaufnahme aus technischenGrunden nicht am Lagerplatz erfolgen kann, bieten sich weiterhin dieEinlagerungsinventur und die Nulldurchgangsinventur an. Bei der Einla-gerungsinventur erfolgt die Zahlung an einem anderen Ort (gangigerweiseam Identifikationspunkt vor der Einlagerung). Dabei wird das Zahlkenn-zeichen auf den Artikel gesetzt. Im Fall der Nulldurchgangsinventur wer-den alle Lagerplatze beim rechnerischen Nulldurchgang erfasst (der amLagerplatz vorhandene Bestand wird komplett geleert). Abweichungenwerden dann unmittelbar eingegeben und das Zahlkennzeichen aktuali-siert5.

Stichprobeninventur Sofern ein EDV-basiertes Lagerverwaltungssystemeingesetzt wird und die GoB (s. o.) erfullt sind, kommt auch ein Stich-probenverfahren in Betracht, das den Aufwand der Inventur erheblichreduzieren kann. Es wird eine korperliche Aufnahme von Stichprobendurchgefuhrt, die mit Hilfe anerkannter mathematisch-statistischer Ver-fahren ausgewertet werden. Dabei kommen insbesondere zwei Verfahrenin Betracht:Sequenzialtest Der Stichprobenumfang ist im Vorfeld nicht bekannt

und ergibt sich aus der wiederholten Prufung des Testkriteriums.Der Test wird solange fortgefuhrt, bis das Annahmekriterium erfulltist (Unterschreiten der minimalen Fehlerrate) oder abgewiesen wird(Uberschreiten der maximalen Fehlerrate). Um die Testdauer zu be-grenzen, kann auch ein Abbruchkriterium festgelegt werden.

5 Werden in diesem Fall Mindermengen festgestellt, muss das Lagerfuhrungssystemunabhangig vom Bedarf der Zahlung (Inventur) einen Nachschub auslosen oderandere Entnahmeorte einbeziehen, um den Kundenauftrag korrekt erfullen zukonnen.

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64 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Schatzverfahren Aufbauend auf den Kenngroßen der Haufigkeitsver-teilung einer Stichprobe wird auf die Kenngroßen der Grundgesamt-heit geschlossen. Bei geschichteten Schatzverfahren wird die Grund-gesamtheit in Teile zerlegt, aus denen jeweils eine Stichprobe gezo-gen werden muss. Gebundene Schatzverfahren beziehen außerdem zurHochrechnung eine Hilfskennzahl, z. B. den Bestandswert lt. Buch-haltung, in die Berechnung ein.

Wie bereits oben angefuhrt, hangt die Auswahl eines Verfahrens von derZustimmung durch den jeweiligen Wirtschaftsprufer und die zustandige Fi-nanzbehorde ab. Einflussparameter, welche die Tauglichkeit eines Verfahrensbeeinflussen, sind u.a.

• Prasenz bzw. Einsatz eines EDV-gestutzten Lagerbestandsfuhrungssys-tems,

• Zuganglichkeit der Lagerfacher (frei zugangliches Lager oder abgeschlosse-ner Bereich eines automatischen Lagers),

• Wert der Guter (Mit steigendem Gutwert steigt auch die Anforderung andie Inventurgenauigkeit. Bei

”sehr wertvollen Gutern“ kommen Stichpro-

benverfahren nicht in Betracht.).

Warehouse Managementsysteme sollten zum Zwecke der Inventur zusam-mengefasst mindestens folgende Funktionen besitzen:

• Zahldatum fur Lagereinheiten und Lagerfacher,• Sperren von Artikelgruppen oder Lagerfachbereichen zur Durchfuhrung der

Inventur,• standige Aktualisierbarkeit der Zahlkennzeichen unter Verbuchung der auf-

nehmenden Person sowie von Datum und Zeit,• Nulldurchgangsinventur.

Kritisch betrachtet, werden die rigiden Anforderungen der Inventur denMoglichkeiten moderner Warehouse Managementsysteme nicht gerecht. Kon-tinuierliche Gegenbuchung und Nulldurchgangsabgleich lasst eine außerstprazise Bestandsfuhrung zu. Es darf dabei auch nicht ubersehen werden, dassim Rahmen der Inventur Erfassungsfehler unvermeidlich sind.

Andererseits lasst sich jedoch die Datensicherheit der Bestandsverwal-tung auch fur die eigene Betriebsfahigkeit nicht hoch genug bewerten. Inder Kombination von regelmaßigem Datenabgleich und fehlerfreiem Daten-management wird die Basis fur einen hohen Lieferservice und eine kurzeReaktionszeit erst geschaffen. Die Inventur besitzt damit auch fur die eigeneBetriebsfahigkeit eine erhebliche Bedeutung. Zudem werden Nachlassigkeitoder Diebstahl nicht selten erst durch die Einfuhrung einer zuverlassigen In-ventur aufgedeckt.

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2.4 Basisdaten und Kennzahlen von Lagersystemen 65

2.4 Basisdaten und Kennzahlen von Lagersystemen

Die Planung und Ausgestaltung von Lager- und Distributionssystemen er-folgt derartig vielschichtig, dass eine vollstandige Sammlung aller moglichenrelevanten systembeschreibenden Großen praktisch nicht moglich ist. Deruberwiegende Teil solcher Kenngroßen ist im Einzelfall zur Klarung einergegebenen Aufgabenstellung zu definieren bzw. zu erstellen. Im Folgendensollen dennoch die elementaren und allgemeingultigen Kenngroßen, die ineiner Vielzahl bekannter Systeme existieren und zur Anwendung gelangen,eingefuhrt werden. Dabei werden grundsatzlich Basisdaten und Kennzahlenunterschieden:

Basisdaten werden als Absolutzahlen bezeichnet und ergeben sich aus un-mittelbarer Messung, Zahlung, Summation oder Differenz bestimmterEinheiten, oder sie werden als Stammdaten erfasst und ubernommen.Gleichzeitig stellen sie die durch ein System zu leistenden Anforderungenund Basisinformationen dar.

Kennzahlen sollen aussagekraftige und verdichtete Informationen zur Be-wertung und zum Vergleich der Effizienz von Prozessen und Systemenliefern. Dabei kommen sowohl Absolutzahlen als auch Relativzahlen, d. h.in ein Verhaltnis gesetzte Zahlen bzw. Daten, zur Anwendung.

2.4.1 Basisdaten

Stammdaten sind statische, d. h. uber einen langeren Zeitraum unveranderteDaten. Die Stammdaten enthalten alle wichtigen Informationen uber diegrundlegenden Eigenschaften eines Artikels, Ladehilfsmittels usw. Die bedeu-tendsten Stammdaten fur den Lagerbetrieb sind die Artikelstammdaten, daalle wesentlichen Lagerfunktionen und Kontrollmechanismen darauf zuruck-greifen.

Der Artikelstamm enthalt Beschreibungen aller Artikel, unabhangig vonihrem aktuellen Bestand. Die Summe der Artikel entspricht grundsatzlichdem Sortiment. Abweichungen gegenuber dem Bestand bzw. dem tatsach-lichen Sortiment ergeben sich jedoch durch ausgelaufene oder tote Artikel.Wesentliche Elemente des Artikelstamms sind in Tabelle 2.13 exemplarischaufgefuhrt.

Bestandsdaten Diese Datengruppe gibt uber die zu einem Zeitpunkt oderlangeren Verlauf gelagerten und bereitgehaltenen Mengen der Artikel Aus-kunft. Die Aktualitat und Genauigkeit dieser Datenerfassung ist von besonde-rer Bedeutung zur Sicherstellung der Lieferfahigkeit und zur Dimensionierungdes Lagersystems. Da diese Daten kontinuierlichen Veranderungen unterwor-fen sind, werden sie auch als dynamische Daten bezeichnet.

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66 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Tabelle 2.13. Elementare Basisdaten

Artikelnummer

Bezeichnung

Artikelgewicht

Artikellänge

Artikelbreite

Artikelhöhe

Mengeneinheit

Art Ladeeinheit

Beladungsfaktor (Packmenge/ Ladeeinheit)

Greifeinheit (Packmenge/ Entnahmeeinheit)

Sperrkennzeichen

ABC Klassifikation

Chargennummer

Gewicht/Entnahme- einheit

Gewicht/Ladeeinheit

Mandant

Verfallkennzeichen

Restlaufzeit

Sortereignung

Artikelstammdaten

Artikelanzahl

Gesamtbestand

Durchschnittsbestand

Mindestbestand/Artikel

Anz. LE/ Artikel

verfügbarer Bestand

h = Stunde d = Tag a = Jahr

Bestandsdaten

Wareneingänge/d

Warenausgänge/d

Einlagerungen/d

Auslagerungen/d

Mengenumschlag/a

Umlagerungen/d

Aufträge/d

Aufträge pro Artikel

Positionen/Auftrag

Positionen/d

Zugriffe/Positionen

Auftragseingang/h

Auftragsdurchlaufzeit

Materialdurchlaufzeit

Auftragszahl/Auftragsart

Doppelspielanteil/d

Kompletteinheiten/d

Bewegungsdaten

Auftragsarten

Ladeeinheitenstamm-daten

Verpackungsstamm-daten

Lagerkapazität

Flächenrestriktionen

Raumrestriktionen

Flächen-/Volumen-

nutzungsgrad

Anzahl LE/Artikel

Anzahl Mitarbeiter/Bereich

Krankenstand

Betriebskosten (Personal, Energie, Wartung)

Investitionskosten(Austausch)

Wertumschlag/a

Produktivität

sonstige Systemdaten

Bewegungsdaten Die zweite Gruppe dynamischer Daten sind die Bewe-gungsdaten, die alle wesentlichen physischen Lagerprozesse wiedergeben.Darunter fallen sowohl die Basisprozesse wie Warenein-/-ausgang und La-geroperationen als auch die Kommissionierprozesse und somit die Auftrags-bearbeitung.

Sonstige Systemdaten Weitere elementare Systemdaten sind unter ande-rem

• Flachen- und Raumstrukturdaten,• Personalstrukturdaten,• Kostendaten und• Ladeeinheiten- und Verpackungsstammdaten etc.

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2.4 Basisdaten und Kennzahlen von Lagersystemen 67

2.4.2 Logistische Kennzahlen

Wie bereits der vorangehende Abschnitt zeigt, fallt in Lager- und Distribu-tionssystemen eine Fulle verschiedenster Informationen in Form von Datenan, die eine Bewertung und Optimierung des Systems auf Basis dieser Da-tenfulle sehr komplizieren. Außerdem konnen einzelne Daten irrefuhrend sein,wenn der Kontext nicht beachtet wird. So sagt beispielsweise die Auftragsan-zahl/d recht wenig aus, wenn nicht gleichzeitig die Anzahl Positionen/Auftragberucksichtigt wird.

Im engeren Sinne sind Kennzahlen verdichtete Kenngroßen, also aus Da-ten oder anderen Kennzahlen zusammengesetzte (Verhaltnis-)Großen. Dage-gen werden im weiteren Sinne alle moglichen Kenngroßen zusammenfassendals Kennzahlen bezeichnet, die folgende Eigenschaften besitzen:

Logistische Kennzahlen sind Zahlen, mit denen die quantitativ er-fassbaren Sachverhalte des Logistikbereiches in konzentrierter Formwiedergegeben werden konnen. [45]

Danach gehoren auch Basisdaten zu Kennzahlen. Die Spezialisierung aufdie Logistik-Kennzahlen berucksichtigt dabei, dass Kennzahlen in allen Be-reichen der Technik, Betriebs- und Volkswirtschaft usw. zum Einsatz gelan-gen. Das Ziel der Nutzung von Kennzahlen ist die Vermittlung eines schnel-len und komprimierten Uberblicks, insbesondere uber optimale Kosten- undLeistungsrelationen [45] und die Bewertung unterschiedlicher Varianten.

Zur Herleitung relativer Kennzahlen werden insbesondere Effizienz-/Pro-duktivitatszahlen (Output/Input) und Intensitatszahlen (Input/Output) ge-bildet. Die Bildung der spezifischen Kennzahl hangt wiederum davon ab, obdie Ausrichtung der Fragestellung operativer oder strategischer Natur ist.Operative Kennzahlen dienen in erster Linie der Steuerung und Regelungeffizienter logistischer Ablaufe, strategische Kennzahlen werden mit dem Zielder Entwicklung und Gestaltung effektiver Guterflusse erstellt [15]. Kenn-zahlen basieren oftmals auf gemittelten und angenaherten Werten und gebenSachverhalte nicht prazise wieder, sondern dienen in erster Linie zur Ver-mittlung eines schnellen Uberblicks. Typische Kennzahlen sind in Tabelle2.14 aufgefuhrt.

Eine Betrachtung der Kennzahlen”Mengenumschlag“ und

”Lagerreich-

weite“ zeigt, dass einzelne Kennzahlen in unterschiedlicher Weise definiertsein konnen, woraus erhebliche Diskrepanzen in der Bewertung resultieren.Daher ist insbesondere zu prufen, ob eine Kennzahl wertmaßig oder mengen-bzw. leistungsbezogen erstellt wurde.

Da auch einzelne Kennzahlen nur Teilaspekte wiedergeben konnen und dieVielzahl moglicher Kennzahlen und deren variierende Zusammensetzung einezielgerichtete, systematische Kennzahlenarbeit erschweren, werden Kennzah-len in Kennzahlensystemen zusammengefasst (siehe u. a. [45]). In einer hie-rarchisierten Struktur systematisch verknupfter Einzelkennzahlen werden so

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68 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Tabelle 2.14. Beispiele fur Logistikkennzahlen

Kennzahl

Anzahl termingerecht ausgelieferter

Bedarfsanforderungen (Stck)

Anzahl Bedarfsanforderung ( Stck)

Definition Zielsetzung/ Fragestellung

Einflussgrößen

Lieferbereitschaftsgrad

Auslagerungen (Stck/a)

Lagerkapazität (Stck)

Große Versandeinheiten ( durch Kundenaufträge)

Umschlagsgrad mengenbezogen

Lieferservice, Kundenzufriedenheit

Auftragshandling, Durchsatz , Kapazität

Gesamtkosten (€)

Lagerkapazität (Stck)

Wahl der Lagertechnik Lagertechnik Kosten/Lagerplatz

Lagerreichweite mengenbezogen

Anzahl belegter Fächer (Stck)

Lagerkapazität (Stck)

Lagerfüllungsgrad Nutzung der Ressource Lagerkapazität

Bestandsmanagement

Gesamtumsatz (€)

Ø Lagerwert (€)

Dynamik des Lagers

Bestandskosten Bestellwesen

mittlerer Kommisssionier- weg (m)

Ø Positionen (Stck)

Wahl des Kommissionier- verfahrens

Ablaufsteuerung, Kommissionierprinzip , Informationsmanagement

Kommissionierweg/ Position

Aktueller Lagerbestand (Stck)

Lagerumsatz (Stck/a)

Bestellwesen

Lagerbestand (€)

Lagerumsatz (€/a)

Bestandskosten, Dynamik des Lagers , Servicegrad

Bestandskosten, Servicegrad

Bestellwesen

Positionenzahl (Stck)

Zugriffsfläche (m²)

mittlere Wegzeiten, Kommissionierleistung

Nachschubsteuerung, Regaltechnik

Pickdichte

Umschlagsgrad wertbezogen

Lagerreichweite wertbezogen

die zu einer Fuhrungsaufgabe benotigten Informationen uber Hilfskennzahlenzusammengetragen. Als Spitzenkennzahlen eines solchen Systems werden bei-spielsweise nach Reichmann die Umschlagshaufigkeit, die Gesamtlogistikkos-ten und der Lieferbereitschaftsgrad zusammengetragen. Das Hauptproblembesteht indes darin, ein solches System fur einen speziellen Anwendungsfallzu bilden.

Wahrend einzelne Kennzahlen relativ unproblematisch zur Analyse vonAbweichungen und der Erreichung einzelner Ziele im Rahmen des WarehouseManagement eingesetzt werden, sind umfassende Kennzahlensysteme im We-

Page 79: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

2.5 Besondere Ablaufe und Verfahrensweisen 69

sentlichen ein Hauptinstrument des Logistikcontrollings und sollen an dieserStelle nicht weiter vertieft werden.

2.5 Besondere Ablaufe und Verfahrensweisen

2.5.1 Cross Docking

Beim Cross Docking werden die Warenanlieferungen und Warenabgange soaufeinander abgestimmt, dass die eingehenden Waren ohne Einlagerung un-mittelbar in den Versand gegeben werden. Damit findet keine Vereinnahmungin das Lagersystem statt und das System gleicht einem reinen Umschlagsys-tem. Die Zielsetzungen dabei sind

• Senkung der Bestande an bestimmten Punkten der Versorgungskette,• Steigerung der Effizienz durch Vermeidung von Prozessschritten,• kurzere Durchlaufzeiten der Artikel im System,• Servicesteigerung durch haufigere Belieferung,• effektive Sortierung nach Destinationen, z.B. fur den KEP-Bereich.

Dabei sollen nicht nur die Bestande im Distributionssystem bzw. demCross-Docking-Punkt minimiert werden, sondern auch Bestande an den End-verkaufspunkten, was eine haufigere Belieferung voraussetzt, dadurch aberletztlich eine Servicesteigerung bewirkt.

Es existieren zwei prinzipielle Methoden zur Umsetzung eines Cross-Docking-Prinzips:

1. Cross Docking mit Aufbrechen der Ladeeinheiten,2. Cross Docking als Durchlaufsystem.

Cross Docking mit Aufbrechen der LadeeinheitenDie ankommenden Einheiten sind quasi artikelrein und mussen entsprechendden Auftragen einzelner Filialen verteilt bzw. kommissioniert werden. Ty-pischerweise findet ein Umschlag von palettierten Einheiten in Rollbehalterstatt. Dieses Prinzip wird auch als zweistufiges Cross Docking oder BehalterCross Docking bezeichnet. Das wesentliche Merkmal ist die Durchfuhrungeiner Kommissionierung.

Cross Docking als DurchlaufsystemIn diesem Fall werden die eingehenden Lieferungen durch die Lieferantenentsprechend den Auftragen einzelner Filialen bereits so vorkommissioniert,dass die einzelne Logistische Einheit nicht mehr aufgebrochen und auf Filia-len verteilt, sondern nur noch konsolidiert, d. h. mit anderen auftragsreinenEinheiten zusammengefuhrt wird. Dieses Prinzip wird auch als einstufigesCross Docking bezeichnet.

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70 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Werden dabei nur ganze Transporteinheiten (z. B. Paletten) umgeschla-gen, spricht man z.B. vom Paletten-Cross-Docking. Befinden sich auf denLadeeinheiten dagegen fur einzelne Filialen vorkommissionierte Behalter, dieden einzelnen Filialen bzw. Touren zugeordnet werden mussen, wird das Prin-zip auch als Pre-sorted Store Order bezeichnet. In diesem Fall findet ein reinerUmschlag statt, Zahl- und direkte Pickvorgange entfallen hingegen.

Voraussetzungen und EinsatzfelderEine Reihe von Voraussetzungen ist bei der Anwendung des Cross-Docking-Prinzips zu berucksichtigen. Die direkte Weiterleitung eingehender Guterist eine effiziente Losung, stellt aber gleichzeitig hohe Anforderungen andie kurzfristige Verfugbarkeit der gewunschten Mengen. Aufgrund fehlenderBestande ist die Gefahr von Fehlmengen entsprechend hoch. Rucklagerungeninfolge von Auftragsstornierungen sind praktisch nicht moglich. Ist das Auf-tragsspektrum der Filialbetriebe weitgehend gleich, werden auch die Tou-ren zwangslaufig zu einem ahnlichen Zeitpunkt fertiggestellt. Hieraus konnenEngpasse im Warenausgang entstehen. Dadurch sind gegebenenfalls auchtaglich mehrfache Belieferungen einzelner Filialen erforderlich.

In der praktischen Umsetzung macht es daher nur dort Sinn, wo relativkonstante Verbrauche, ahnliche Mengen und Artikel, kurze Wiederbeschaf-fungszeiten und kurze Distanzen zu den Filialen vorliegen. Anwendungenfinden sich daher beispielsweise im Frischwarenbereich. Ebenso werden diesePrinzipien innerhalb existierender Warenverteilzentren fur bestimmte Wa-rengruppen realisiert. In diesen Fallen mussen entsprechende Ablaufe in dasWarehouse Managementsystem integriert werden. Empfehlungen fur die Um-setzung der Kommunikationsschnittstellen liefert [6].

2.5.2 Outsourcing der physischen Distributions- undLagerprozesse

Die Hintergrunde zur externen Vergabe von Logistikleistungen wurden be-reits einleitend behandelt (s. S. 17). Auswirkungen auf das Lagermanagementergeben sich unter anderem in der Anbindung der externen Systeme an dieeigene Warenwirtschaft.

Um in Outsourcing-Lagern mit mehreren Kunden die Prozesse speziellauf die Bedurfnisse einzelner Kunden ausrichten zu konnen, ist die Beruck-sichtigung der Prozesse, Ablaufe und Strategien nicht nur in waren- undkundenbezogener, sondern auch in mandantenbezogener Sicht notwendig, wasim WMS zu implementieren ist. Ein solches System wird als mandantenfahigbezeichnet.

Da die Abrechnung der erbrachten Leistungen oftmals auf Basis durch-gefuhrter Aktionen erfolgt, ist außerdem die Erfassung einzelner Leistungen(z. B. Staplerfahrten, Kommissionierpositionen) in Abhangigkeit vom Man-dantenauftrag wichtig.

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2.5 Besondere Ablaufe und Verfahrensweisen 71

Abbildung 2.10. Prinzipien des Cross Docking

2.5.3 Outsourcing der Software: Application Service Providing

Ahnlich dem Outsourcing physischer Lagerprozesse durch einen externenDienstleister werden beim Application Service Providing (ASP) IT-Leistun-gen und rechnergestutzte Steuerungsfunktionalitaten an einen Dienstleisterubertragen, der die entsprechenden Prozesse von einem zentralen Rechen-zentrum aus steuert bzw. die Berechnungen, Verarbeitungen usw. in diesemZentrum ausfuhrt.

Dafur sprechen nicht nur die direkte Erschließung von Kostenpotenzialen,beispielsweise durch die mogliche Reduktion von EDV-Personal vor Ort, son-dern insbesondere auch Fragen der Datensicherheit. Einem zentralen ServiceProvider stehen andere und bessere Moglichkeiten zur Verfugung, als sie invielfacher Ausfuhrung an dezentralen Orten wirtschaftlich darstellbar sind.

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72 2. Lagersysteme und Lagerverwaltung

Im Bereich der Logistik existieren solche Losungen fur Shopsysteme imBereich des E-Commerce und fur Anwendungen in der Warenwirtschaft, al-so auf WMS-uberlagerten Ebenen. Eine ASP-Losung, bei der die Steuerungzeitkritischer Ablaufe eines großeren Distributionssystems durch ein zentra-les Rechenzentrum erfolgt, ist bislang nicht bekannt. Problematisch sind indiesem Zusammenhang die Gewahrleistung der Ubertragungssicherheit undgegebenenfalls das zeitliche Reaktionsvermogen (Echtzeitverhalten).

Angesichts der Entwicklung der Informations- und Kommunikations-technologie sind solche Losungen insbesondere fur kleinere Anwendungenzukunftig durchaus denkbar. Die grundlegenden Funktionalitaten andern sichdadurch jedoch nicht. Auf die Darstellung der speziellen Ablaufe wird daherverzichtet.

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3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Entsprechend der Vielfalt moglicher Aufgabenstellungen und Besonderhei-ten bei der Lagerung und Forderung von Stuckgutern, hat sich eine ebensogroße Vielzahl systemtechnischer Umsetzungen zur effektiven Erbringung die-ser Aufgaben herausgebildet. Im Folgenden sollen die gangigsten technischenLosungen zur Lagerung und Forderung von Gutern als Basis fur die Dis-kussion der effizienten Steuerung und Verwaltung mit Hilfe von WarehouseManagementsystemen vorgestellt werden. Das Augenmerk liegt dabei nichtauf einer vergleichenden Betrachtung der verschiedenen Systeme und Tech-niken mit dem Ziel einer optimierten Technik- oder Systemauswahl, sondernauf der Schaffung einer soliden Basis fur ein Grundverstandnis dieser Syste-me. Hinsichtlich einer ubergreifenden und vergleichenden Betrachtung wirdauf andere Werke verwiesen [24, 34, 47, 48, 59].

3.1 Lagersysteme

Um Lagersysteme richtig bewerten und auswahlen zu konnen, ist eine Sys-tematik hilfreich, aus der systembedingte Leistungscharakteristika allge-meingultig abgeleitet werden konnen. Die grundlegenden Differenzierungenfur verschiedene Lagersysteme sind in Tabelle 3.1 aufgefuhrt. Ebenso sindden einzelnen Auspragungsformen bereits einige allgemeingultige Eigenschaf-ten zugeordnet. Die Differenzierung in statische und dynamische Lagersyste-me berucksichtigt dabei, ob das Lagersystem zwangslaufig zu einer Ortsver-anderung wahrend des Lagerungsprozesses fuhrt. Die Umlagerung in einemklassischen Zeilenregal wird in diesem Zusammenhang nicht als dynamischeLagerung betrachtet.

Anhand dieser Klassifikation lassen sich bereits wesentliche Eigenschaftenableiten. Die primaren Auswahlgroßen bei der Wahl eines Lagersystems sind

• Anzahl verschiedener Artikel,• Artikelabmessungen und -gewichte,• Mengen pro Artikel,• geforderte Ein-/Auslagerlagerleistung oder Durchsatz,• Flachen- und Raumbedarf,• Zugriffsverhalten und Bedienstrategien.

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74 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Tabelle 3.1. Differenzierung der Lagersysteme

Lagertechnik

Merkmal

Lagerform

Lagerort

Bodenlagerung

Regallagerung

Blocklagerung

Zeilenlagerung

StatischesLagersystem

DynamischesLagersystem

Ausprägungs-formen

Ladegut wird unmittelbar auf dem Boden gelagert, ggf. gestapelt

Beschreibung

Ladegut wird in Regalen gelagert, zumeist auf einem Ladehilfsmittel.

Lagergüter werden unmittelbarüber-, hinter und nebeneinander gelagert.

Ladegüter werden über- und hinter-einander gelagert; zwischen Regal-flächen bestehen Bedienwege.

Lagergut verbleibt zwischen Ein- undAuslagerung am selben Ort, d.h. es führt keine Ortsveränderung durch

Ladeeinheiten werden nach der Ein-lagerung bewegt. Ein-/Auslagerung am selben Ort ist dennoch möglich

große Mengen wenigerArtikel kostengünstig lagern

gängige Zielsetzungen

Direktzugriff auf großeArtikelanzahl, hohe Flächennutzung

hohe Raumnutzung und geringe Bedienwege

Direktzugriff auf größereArtikelanzahl

kostengünstige Lagertechnik,geringe Beanspruchung desLagergutes

geringe Bedienwege, Direktzugriff trotz hoher Volumennutzung

Die gangigen Systeme werden im Folgenden vorgestellt und hinsichtlichihrer Einsatzfelder und der Anforderungen an die Systemfuhrung genauereingeordnet. Weitere Systematisierungen konnen daruber hinaus anhand derLagerfunktion, der Lagerbauweise oder der dort eingesetzten Fordermittelerfolgen.

3.1.1 Bodenlager

Die Guter werden unmittelbar auf dem Boden gelagert bzw. dort gestapelt.Die mogliche Stapelhohe hangt u. a. von den Eigenschaften der Guter oderder eingesetzten Ladehilfsmittel (z. B. Gitterboxen), der Bedientechnik (z. B.Stapler oder Kran) und naturlich den raumlichen Gegebenheiten ab.

Diese einfache Form der Lagerung verursacht geringe Investitionskostenund ist flexibel an ortliche Gegebenheiten (Flachenzuschnitt und Gebaude-form) anpassbar. Bei ausreichend dimensionierten Gangbreiten kann durcheine entsprechende Anzahl von Fordermitteln auch eine relativ hohe Um-schlagsleistung realisiert werden. Die Bedienung erfolgt zum uberwiegendenTeil manuell.

Bodenblocklager Die Guter werden zu einem kompakten Block angeord-net, d.h. unmittelbar uber-, hinter- und nebeneinander gelagert. Dadurchlassen sich die hochsten Raumnutzungsgrade erzielen, allerdings ist der Zu-griff nur auf die in vorderster Saule befindlichen Guter moglich. Damit istdieses Prinzip praktikabel nur dort einsetzbar, wo eine LIFO-Strategie (vgl.

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3.1 Lagersysteme 75

Abbildung 3.1. Bodenlagerung a) Blocklagerung b) Zeilenlagerung

Tabelle 2.4, S. 33) moglich ist. Dabei kann es sich einerseits um klassische mo-nostrukturierte Lager (Getranke, Rohstoffe) und andererseits um Pufferlagerim Warenein-/-ausgang handeln, sofern hier Ganzladungen gepuffert werden.

Bodenzeilenlager Um einen gegenuber dem Bodenblocklager besseren Zu-griff auf einzelne Ladeeinheiten zu erhalten, werden die Artikel so angeordnet,dass jede Saule an einem Bediengang liegt. Folgerichtig sinkt der Raumnut-zungsgrad, demgegenuber steigt die sinnvoll lagerbare Artikelanzahl.

Organisation und Betrieb Der Einfachheit dieses Systems steht die Pro-blematik einer prazisen Materialflussverfolgung gegenuber. Da in den meistenFallen nur Bodenflachen als Lagerort erfasst sind und die Ein- und Auslage-rung manuell gesteuert und nur auf den Artikeltyp bezogen erfolgt, ist diegenaue Erfassung einer einzelnen Ladeeinheit praktisch nicht moglich. Eben-so ist die direkte Zuweisung eines Lagerplatzes an einen Bediener (Stapler-

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76 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

fahrer) kaum moglich, da prazise Referenzpunkte, wie z. B. die Fachnummereines Lagerregals, fehlen. Eine genaue Platzverwaltung existiert damit quasinicht, die Mengenverwaltung erfolgt uber die Erfassung der zu- und abgehen-den Einheiten.

Diese Situation kann insbesondere zu Problemen bei der Chargenverfol-gung fuhren. Sofern eine solche Verfolgung gefordert wird, lasst sich im erstenAnsatz die getrennte Lagerung einzelner Chargen in separaten Stellflachendurchfuhren. Neuere Losungsansatze versuchen via GPS oder aufbauend aufder Technologie Fahrerloser Transportsysteme die exakte Position im Raumbei der Ein- und Auslagerung zu erfassen und dadurch eine Materialflussver-folgung zu gewahrleisten [36].

Demgegenuber werden in automatisch betriebenen Bodenblocklagern, diemit Automatikkranen oder Fahrerlosen Transportfahrzeugen bedient werden(beispielsweise bei der Lagerung von Papierrollen oder Stahlcoils), die ein-zelnen Positionen exakt erfasst und verwaltet. Somit besteht hier die zuvordargestellte Problematik nicht.

3.1.2 Statische Regallagerung

Beim Einsatz von Regalen steht zumeist die Optimierung der Flachennutzungdurch eine bessere Nutzung der Hohe im Vordergrund. Die Ladeeinheiten wer-den in ein separates Fach oder an einen spezifizierten Ort eines Lagergestellsgesetzt. Insbesondere konnen so auch nicht stapelfahige Guter effizient ge-lagert werden. Die mogliche Regalhohe wird dabei im Wesentlichen von dergewahlten Bedientechnik (s. Abschn. 3.2) bestimmt. Entsprechend variierendie Regalhohen von zwei Meter (manuelle Bedienung) bis zu etwa 50 m (beimEinsatz von Regalbediengeraten).

Neben der physischen Umsetzung der Lagerung fuhren aber auch Fra-gen der Lagerorganisation zur Wahl von Regaltechniken. Wesentliche Vorteilesind die Moglichkeit einer eindeutigen Zuordnung von Ladeeinheit und Lager-ort und die weitgehende Umsetzbarkeit geforderter Strategien. Dadurch wirddie wesentliche Basis fur die Automatisierung von Lagerprozessen geschaffen.Im taglichen Betrieb wird daruber hinaus Ubersichtlichkeit und Ordnung imLager erzeugt.

Regale in Zeilenanordnung (Zeilenregale) bieten beliebigen Zugriff auf ein-zelne Ladeeinheiten. Blockregale bieten dagegen kompakte Lagerung und ho-he Raumnutzung bei z. T. sehr hohen Durchsatzleistungen.

Die meisten Regale setzen allerdings einheitliche Guter mit standardi-sierten Ladehilfsmitteln voraus. Werden nur ganze Ladeeinheiten ein- undausgelagert, spricht man daher auch von Einheitenlagern.

ZeilenregaleDie Gestaltung eines Zeilenregals variiert mit der Große, Form und dem Ge-wicht des einzulagernden Gutspektrums, der gewahlten oder moglichen Be-

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3.1 Lagersysteme 77

dientechnik, der geforderten Ein-/Auslagerleistung und den raumlichen Ge-gebenheiten. Die einzelnen Facher des Regals sind auf die maximalen Abmes-sungen einzulagernder Guter zuzuglich allseitiger Freiraume zur Handhabungund Gutubergabe auszulegen. Die Lange einzelner Lagergange und die An-ordnung der Bedien- und Gassenwechselwege werden im Wesentlichen durchdie Anforderungen des Kommissioniersystems gepragt.

Der Begriff Zeilenregal definiert zunachst, dass einzelne Facher uber- undnebeneinander angeordnet werden und die Ladeeinheiten unmittelbar an derRegalfront ein- und ausgelagert werden. Im normalen Fall der einfachtiefenLagerung kann somit auf jede Lagereinheit direkt zugegriffen werden. Ent-sprechend lassen sich alle moglichen Lagerstrategien (s. Abschn. 2.2.3) direktumsetzen. Strategien wie FIFO oder LIFO werden dabei uber die Lageror-ganisation realisiert und nicht durch die physische Anordnung der Lager-platze vorgegeben. Daneben konnen bei Einsatz spezieller Bedientechnikendie Ladeeinheiten auch zweifach oder dreifach hintereinander (doppelt- oderdreifachtief) eingelagert werden. Hierdurch ergeben sich jedoch beim Zugriffauf hintere Einheiten notwendige Umlagerungen oder spezielle Lageropera-tionen, die den moglichen Durchsatz verringern1.

Eine funktionierende Lagerplatzverwaltung vorausgesetzt, lassen sich al-le Ladeeinheiten einfach und schnell lokalisieren und auslagern. Damit sindZeilenregale immer dann sinnvoll, wenn moderate Mengen einzelner Artikelbei allerdings großer Artikelanzahl einzulagern sind.

Je nach Lagergut leiten sich spezielle Bauformen ab, die in Anlehnung anden eingesetzten Ladehilfsmitteltyp (Palettenregal, Behalterregal, Kastenre-gal bzw. Kastenlager) oder die Lagerbauform (Traversenregal, Kragarmregal,Wabenregal) bezeichnet werden. Ein entscheidendes Merkmal ist dabei auchdie Unterscheidung in Lagerung mit und ohne Ladehilfsmittel.

Die Regalbedienung erfolgt bei schweren und großen Einheiten ublicher-weise uber Gabelstapler, Regalbediengerate oder Krane, die die Ladeeinheitdurch vertikale Hubbewegung absetzen respektive anheben. Vereinzelt kom-men auch Satellitenfahrzeuge zum Einsatz, die uber Lastaufnahmemittel zurseitlichen Lastaufnahme verfugen (Automatische Verteilfahrzeuge). Bei leich-ten Einheiten ist auch die manuelle Bedienung ublich. In Abhangigkeit vonder eingesetzten Bedientechnik variieren die erforderlichen Arbeitsgangbrei-ten und damit der realisierbare Raumnutzungsgrad.

Palettenregale Palettenregale (engl. Racks) stellen die am haufigsten ein-gesetzte Lagertechnik fur Paletten dar. Sie setzen auf einem standardisier-ten Ladehilfsmittel auf. Im klassischen Fall wird die eingelagerte Einheit(Palette oder Gitterbox) nur an den beiden Stirnseiten unterstutzt, wobei

1 Tatsachlich stellt die mehrfachtiefe Einlagerung streng genommen eine Blockla-gerung dar. Aufgrund der uberwiegend jedoch nur in doppelttiefer Ausfuhrungvorkommenden Version und der Verfugbarkeit verschiedener mehrfach wirkenderLastaufnahmemittel werden diese Systeme zu den Zeilenregalen gezahlt.

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78 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

die Lagereinheit langs oder quer eingelagert wird. Bei der Langseinlagerungsind jeweils zwischen den vorderen und den hinteren Regalstutzen zwei Tra-versen befestigt (geschraubt, im Lochraster eingehangt oder verschweißt),auf denen die Ladeeinheiten nebeneinander gelagert werden. Bei Verwen-dung von Standardpaletten (800mm×1200mm, 1000mm×1200mm) ergibtsich aufgrund der Palettenkonstruktion zwangslaufig die Einlagerung inLangsrichtung der Ladeeinheit, bezogen auf die Fachtiefe (s. Abb. 3.2). Auf-grund der Moglichkeit, mehrere Ladeeinheiten direkt nebeneinander zu la-gern, wird das Prinzip als Mehrplatzlagerung verstanden. Gemeinhin werdendrei bis max. funf Ladeeinheiten in einem so genannten Feld nebeneinandergelagert.

Bei der Quereinlagerung wird eine im Allgemeinen winkelformige Auflagezwischen einer vorderen und hinteren Stutze befestigt und die Ladeeinheitstirnseitig zur Stutze und somit quer ins Lagerfach eingelagert. In diesemFall befindet sich nur eine Ladeeinheit zwischen den Regalstutzen, woraussich die Bezeichnung Einplatzlagerung ableitet.

Die Langseinlagerung ermoglicht eine effizientere Raumnutzung, da imRegal weniger Stutzen und Sicherheitsabstande vorhanden sind. Auch konnendie meisten Regalbediengerate nicht derart schmal ausgefuhrt werden, dasssich insgesamt schmalere Arbeitsgangbreiten ergeben. Die Quereinlagerungbesitzt im Fall der manuellen Kommissionierung im Regal allerdings einebessere Erreichbarkeit der Artikel im Regalfach (die maximale Reichweitedes Menschen betragt ca. 950mm).

Im Fall der doppelttiefen Lagerung ist eine Anpassung der Traversenhohenauch an die Bauhohe und die Durchbiegung der Lastaufnahmeeinheit anzu-passen. Dazu werden die hinteren Traversen um ca. 100mm hochgesetzt.

Werden unterschiedliche Palettenmaße eingelagert, zu denen die Traver-sen inkompatibel sind, konnen auf die Traversen auch Gitterroste, Blecheoder Bretter aufgelegt werden, wodurch streng genommen ein Fachbodenre-gal geschaffen wird.

Behalterregale Bei der Lagerung sehr kleiner Artikel oder geringer Men-gen ist oftmals die Wahl geringerer Lagergutabmessungen erforderlich unddas klassische Palettenmaß (800mm×1200mm) liefert keine zufriedenstel-lende Raumnutzung. Daher wird in diesen Fallen die Einlagerung kleine-rer Behalter oder Tablare bevorzugt (z. B. 400mm×600mm). Tablare sindBlechwannen mit einer stirnseitig angebrachten Eingriffsleiste. Durch die ge-ringen Stuckgewichte ist die Lagerung auf einfachen Winkelprofilen moglich,die seitlich an den Lagerfachern angebracht sind.

Die geringen Stuckgutgewichte ermoglichen dabei auch effektivere For-men der Lagerfachbedienung, die zu speziellen Auspragungen der Zeilenregalegefuhrt haben und als Behalter-, Kasten- oder Tablarregale bezeichnet wer-den. Das relativ geringe Stuckgutgewicht ermoglicht in vielen Fallen, die La-gereinheit (Behalter, Kasten, Tablar) in das Lagerfach zu schieben respektive

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3.1 Lagersysteme 79

Abbildung 3.2. Palettenregal mit Langseinlagerung [Foto: STOCKLIN SIEMAG]

bei der Auslagerung aus dem Fach zu ziehen. Das Lastaufnahmemittel greiftdazu in die Leiste oder den Griff des Tablars oder durch einen Zangenme-chanismus seitlich am Behalter an (s. Abb. 3.24). Durch den Einsatz solcherZiehtechniken wird einerseits eine kurzere Lastubergabezeit realisiert, undaußerdem reduzieren sich die Sicherheitsabstande und eine bessere Raum-nutzung wird ermoglicht.

Die Behalterregale werden im Allgemeinen durch automatische Regalbe-diengerate bedient und als Automatische Kleinteilelager (AKL) bezeichnet (s.Abb. 3.3). Sofern AKL in zuganglichen Bereichen betrieben werden, mussensie seitlich gekapselt (verkleidet) werden, um insbesondere ein Verschiebender Ladeeinheit zu vermeiden, die bei Kollision mit dem RBG zu erhebli-chen Schaden fuhren wurde. Daneben wird durch solch eine Kapselung demPersonenschutz und der Diebstahlsicherung Rechnung getragen.

Mischpalettenlagerung Die Lagerung verschiedener artikelreiner Behalterauf einer gemeinsamen Palette oder Mischpalette stellt besondere Anforderun-gen an die Lagerfuhrung. Es ist nicht nur die Verwaltung mehrerer Einheitenam identischen Ort zu realisieren (was in der Regel uber die Verbuchungauf eine einzige Paletten-ID erreicht wird), sondern auch die Uberwachung

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80 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Abbildung 3.3. Automatisches Kleinteilelager (AKL) mit Tablarsystem [Foto:BITO]

der Lagermenge pro Palette, da die Einheiten typischerweise unterschiedlichgeleert werden. Dazu sind bei Bedarf Verdichtungsoperationen anzustoßen(vgl. Abschn. 2.3.2). Außerdem muss bei der Zulagerung eines Artikels aufeine bereits teilgefullte Palette die betreffende Einheit zunachst ausgelagertwerden, wodurch zusatzliche Wege anfallen. Die Problematik trifft analog aufMischlagerung bei Tablaren und Behaltern zu.

Hochregallager Die Bezeichnung Hochregal wird oft als Synonym fur ho-he Regalbauten genutzt, tatsachlich trifft die Bezeichnung aber erst fur Re-galhohen ab zwolfm zu. Unter der Bezeichnung Hochregallager versteht mandaruber hinausgehend ein Hochregalsystem mit fest installiertem Bedien-gerat. Hochregale werden bis Hohen von ca. 50m ausgefuhrt und konnenuber 100 000 Palettenplatze respektive mehrere 100 000 Behalterplatze um-fassen.

Solche Systeme werden haufig in Silobauweise realisiert, dabei tragt dieRegalkonstruktion Dach und Wande und bildet so einen reinen Einzweckbau,der nur dem Zweck der Lagerung dient. Vorteilhaft ist dabei neben der kurzenRealisierungszeit und den vergleichsweise geringen Kosten unter anderem der

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3.1 Lagersysteme 81

deutlich kurzere Abschreibungszeitraum. Allerdings muss der Regalbau auchden zusatzlichen Lastfallen Rechnung tragen.

Liftsysteme (Turmregale) Einen Sonderfall der Zeilenregale stellen dieLiftsysteme oder Turmregale dar. In diesem Fall werden zwei Lagersauleneinander gegenuberliegend angeordnet. Dazwischen verfahrt vertikal ein spe-zielles Lastaufnahmemittel, das uber eine Ziehtechnik Tablare zwischen denLagerfachern und dem Ubergabeplatz bewegt (s. Abb. 3.4). Durch die ge-ringen bewegten Massen lassen sich dabei hohe Beschleunigungen realisierenund hohe Ein-/Auslagerleistungen erzielen.

Neben Systemen mit festen Fachhohen innerhalb der Lagersaule werdenauch Anlagen mit flexibel definierbaren Fachhohen ausgefuhrt. Dazu wirdanstelle absoluter Lagerfacher ein Aufnahmeraster fur die Tablare mit ei-nem Rastermaß von ca. 100mm geschaffen, in das die Tablare eingeschobenwerden. Nach Erfassung der Ladeeinheitenhohe wird das Tablar eingelagertund die entsprechenden daruber liegenden Rasterebenen werden fur weitereEinlagerungen gesperrt. Dies ermoglicht eine Anpassung der Lagerfachhohenan unterschiedliche Guter und somit eine Volumenoptimierung, insbesonderebei variierenden Ladeeinheitenhohen.

Fachbodenregal Fachbodenregale (engl. Shelves) besitzen fur jedes Lager-fach einen durchgehenden Lagerboden (ggf. auch Gitter), so dass Lagergutermit beliebigen Abmessungen eingelagert werden konnen. Durch die flexibeleinstellbaren Fachhohen, verschiedenste Formen der Fachteilung und einegroße Menge an Zubehor kann das Fachbodenregal ideal an Bedurfnisse dermanuellen Kommissionierung angepasst werden und ist somit ein Standardre-galtyp in der Kommissionierung. Die normale Regalhohe betragt zwei Meter.Unter Verwendung von Hilfsmitteln (z. B. Leitern) werden auch drei Me-ter hohe Ausfuhrungen eingesetzt, wobei durch die zusatzlichen Bewegungs-ablaufe jedoch die Kommissionierleistung sinkt. Daneben werden zur Aus-nutzung vorhandener Raumhohen auch mehrgeschossige Anlagen errichtet,bei denen die Zu- und Bewegungsgange direkt an den Regalstutzen befestigtwerden (s. Abb. 3.5).

Wabenregal Beim Wabenregal werden mehrere Regale unmittelbar hinter-einander angeordnet, so dass besonders tiefe Lagerfacher entstehen, die sichzur Lagerung von Langgut eignen. Wie bei Zeilenregalen ublich, lassen sichdurch eindeutige Fachzuordnung eine prazise Lagerverwaltung und verschie-denste Ein-/Auslagerstrategien realisieren.

Die Lagerguter werden je nach Anwendungsfall direkt, also ohne Lade-hilfsmittel, oder durch Nutzung spezieller Ladungstrager (Langgutkassettenoder Langgutwannen) in das Regalfach eingelagert. Die Lagerfachbedienungbedarf aufgrund der langen und zum Teil schweren Lagerguter besondererVerfahren und Hilfsmittel. Es existieren dazu spezielle Regalbediengerate,

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82 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Abbildung 3.4. Prinzipdarstellung eines Liftsystems [Foto: SSI SCHAFER]

Stapler oder Krane. Aufgrund der großen Gangbreite eignet sich das Systemjedoch nur bei einer großen Menge einzulagernder Artikel oder Guter.

Kragarmregal An vertikalen oder geneigten Regalstutzen werden auskra-gende Arme (Ausleger) befestigt, auf die das Lagergut abgelegt wird. Ebensokonnen die Kragarme als Trennelemente fur stehende Guter genutzt werden.Wie im Fall der Palettenregale konnen durch zusatzliche Auslegeboden auchdurchgehende Lagerflachen fur Guter mit unterschiedlichen Abmessungen ge-schaffen werden. Ideal dient das Kragarmregal zur Lagerung von Langgut(Rohre oder Stangen) oder Tafelmaterial. Ublicherweise besitzen die Regalegroße Tragfahigkeiten und sind damit universell einsetzbare Lagersysteme.Die flexible Nutzung der Regalebenen erfordert jedoch besondere Disziplinin der Lagergutverwaltung, da Ladeeinheiten an beliebiger Stelle eingela-

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3.1 Lagersysteme 83

Abbildung 3.5. Mehrgeschossige Fachbodenanlage [Foto: BITO]

gert werden konnen. Wie bei den Zeilenregalen ublich, besteht direkte Zu-griffsmoglichkeit auf jeden Artikel.

Zur Regalbedienung kommen unterschiedliche Systeme zum Einsatz. Ne-ben der manuellen Bedienung bei leichten Lasten werden insbesondere Stap-ler und Krane eingesetzt. In einigen Fallen werden die Kragarme bzw. Re-galboden auch beweglich ausgefuhrt, um den Zugriff aus vertikaler Richtung(von oben) zu ermoglichen.

Statische BlockregaleStatische Blockregale fassen die Ladeeinheiten zu einem kompakten Blockzusammen. Durch die Regalanordnung kann nur von einer oder zwei Seitenauf den Block zugegriffen werden. Je nachdem, ob die Bedienung ein- oderzweiseitig erfolgt, lasst sich als Auslagerstrategie nur LIFO oder FIFO rea-lisieren (vgl. Abschn. 2.2.3). Bei Zugriff auf im Block befindliche Einheitensind Umlagerungen unumganglich.

Der wesentliche Vorteil dieser Lagertechniken besteht in der Moglichkeit,sehr hohe Volumennutzungsgrade staudruckfrei bei gleichzeitig geringemFlachenbedarf (durch große Lagerhohen) zu realisieren. Die Ladeeinheitenwerden nur an den beiden Stirnseiten gestutzt und mussen damit eineidentische Breite aufweisen. Die Bewegung der Ladeeinheiten in schmalen

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Abbildung 3.6. Einfahrregal [Foto: GEHRING]

Kanalen stellt gleichzeitig hohe Qualitatsanforderungen an die Ladeeinheitenbezuglich Abmessungen und Formstabilitat. Aus den genannten Eigenschaf-ten leitet sich auch der bevorzugte Einsatzfall zur Lagerung großer Mengenweniger Artikel ab.

Einfahr- und Durchfahrregale Der einfachste Fall der statischen Block-regallagerung stellt das Einfahr- bzw. Durchfahrregal dar. Die Regalstutzenwerden derart angeordnet, dass sich jeweils vertikale Spalten ergeben, diedurch Flurforderzeuge befahren werden konnen. An den Regalstutzen werdenwie bei der Einplatzlagerung durchgehende Winkelprofile befestigt, auf diedie Ladeeinheiten abgesetzt werden konnen. Bei der Ein- und Auslagerungwird die Ladeeinheit knapp oberhalb des Winkelprofils bewegt. Die Bedie-nung erfolgt ausschließlich uber Frontgabelstapler, die im Regal zur einfachenFahrzeugfuhrung seitlich gefuhrt werden. Die Staplerkontur muss dabei derRegalform angepasst sein. Es kommen zur Bedienung zwei Bewegungsformenzum Einsatz:

Einfahrregal Die Ladeeinheiten werden von der gleichen Seite ein- undausgelagert. Daraus leitet sich zwangslaufig die LIFO-Strategie ab.

Durchfahrregal Einlagerung und Auslagerung erfolgen auf gegenuberlie-genden Seiten. Dadurch wird die FIFO-Strategie realisiert. Eine Umset-zung von Ladeeinheiten innerhalb des Regalgangs ist nicht moglich. DerFullungsgrad des Regals hangt in hohem Maße von der Ein- und Ausla-gerfrequenz ab.

Betrieb und Organisation Aufgrund dieser Eigenschaften ist die Nutzungals Vorratsregal fur unterschiedliche Artikel wenig sinnvoll, jedoch bei glei-chen Artikeln pro Gang und dem Umschlag ganzer Einheiten durchaus vor-

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3.1 Lagersysteme 85

teilhaft. Die Erfassung und Verwaltung einzelner Lagerplatze ist technischzwar moglich, lasst sich jedoch in der Praxis unter anderem durch die ma-nuelle Bedienung und notwendige Platzidentifikation nur schwer realisieren.Dagegen lasst sich das Lagerprinzip zur Pufferung eingehender oder ausge-hender Sendungen sehr erfolgreich nutzen.

Satellitenregale Dieser Regaltyp wird auch als Kanallager mit Satellit2 be-zeichnet. Unterhalb der Lagerebene eines Kanals ist eine Fahrschiene fur einSatelliten- oder Kanalfahrzeug vorhanden, das in diesem Kanal unabhangigverfahren und dadurch auf die jeweils erste Einheit eines Kanals zugreifenkann. Dadurch lassen sich wesentlich mehr Einheiten als im Falle des Ein-fahrregals ansprechen.

Zumeist wird die Einfahrstrategie, also LIFO, angewendet. Ebenso ist derbeiderseitige Zugriff auf einen Kanal moglich. Verschiedene Kanalfahrzeugesind dazu in der Lage, unter gelagerten Einheiten hindurchzufahren. Damitwird auch FIFO theoretisch moglich. Um einen hohen Fullungsgrad bei unter-schiedlichen Artikeln zu erreichen, mussten die Ladeeinheiten jedoch haufigumgelagert werden.

Betrieb und Organisation Mittels automatisierter Satellitenfahrzeugelasst sich eine sehr flexible Lagerorganisation realisieren. Durch die un-abhangige Operation der Satellitenfahrzeuge im Regal und den moglichenEinsatz einer Vielzahl von Fahrzeugen lassen sich kompakte Lagerung undhohe Durchsatzleistung vereinen. Mit wachsendem Mischungsgrad der Kanale(verschiedene Ladeeinheiten in einem Gang) und notwendigem Einzelzugriffsteigt jedoch auch der Umlagerungsaufwand sowie der Aufwand der erforder-lichen Lagerreorganisation. Diese Funktionalitat muss durch die Lagersteue-rung bereitgestellt werden. Ebenso ist eine fruhzeitige Vorholung einzelnerLadeeinheiten in die Nahe der Auslagerpunkte ein entscheidender Faktor zurRealisierung einer hohen Reaktionsgeschwindigkeit fur Auslagerauftrage.

3.1.3 Dynamische Regallager

Aus verschiedenen Grunden werden Lagersysteme dynamisch ausgefuhrt, d.h.die Ladeeinheiten zwischen Ein- und Auslagerung bewegt. Der damit erzielteNutzen ist insbesondere durch

• Wegeinsparung in der Kommissionierung und Erhohung der Kommissio-nierleistung,

• hohe Umschlagleistung bei kompakter Lagerung und• Nutzung der Vorteile der Block- und Zeilenlagerung gekennzeichnet.

2 ein Produkt der Westfalia Fordertechnik

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86 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Bei der dynamischen Lagerung werden zwei grundlegende Prinzipien un-terschieden: feststehende Lagereinheiten in bewegten Regalen und bewegte La-gereinheiten in feststehenden Regalen. Zur ersten Gruppe zahlen Verschiebe-regale und Umlaufregale, zur zweiten die verschiedenen Formen der Durch-laufregale.

VerschieberegaleDiese Regalform stellt die Erweiterung eines statischen Zeilenregals um ei-ne verfahrbare Plattform, einen so genannten Fahrschemel, dar. Auf solcheFahrschemel konnen alle Regaltechniken wie Paletten-, Behalter-, Fachboden-oder Kragarmregale montiert werden, allerdings bei begrenzter Hohe (bis ca.zehn Meter). Dadurch konnen einzelne Regalzeilen durch seitliches Verfah-ren zu einem kompakten Block zusammengefuhrt werden und die Regalgangeentfallen (s. Abb. 3.7). Ebenso konnen einzelne Regalzeilen aus einem kom-pakten Block heraus auch stirnseitig verfahren (

”herausgezogen“) werden.

In einem solchen System kann auf jede einzelne Lagereinheit nach Offnendes Ganges bzw. Aktivieren der Regalzeile zugegriffen werden. Die relativlangsame Verfahrgeschwindigkeit der großen und schweren Regaleinheiten imBereich von 3–5m/min lasst jedoch nur eine geringe Durchsatzleistung bei ei-nem gleichmaßig verteilten Zugriffsverhalten zu. Entscheidend fur die Durch-satzleistung ist daher auch die Ein- und Auslagerstrategie, die insbesondereauf eine Minimierung der Regalbewegungen abzielen sollte. Eine solche Funk-tion ist im Fall des Einsatzes von Verschieberegalen in der Lagersteuerungzu implementieren.

Aufgrund der Funktionscharakteristik ist der Einsatz dort sinnvoll, wo ei-ne hohe Raumnutzung bei geringer Lagerleistung gefordert ist, beispielsweisein Archiven, aber auch in Kuhllagern.

UmlaufregaleUmlaufregale sind prinzipiell um Lagerkapazitaten erganzte Stetigfordermit-tel (Kreis- oder Umlaufforderer). Gegenuber einem Fachbodenregal konnenGangbreiten reduziert werden, da die Umlenkradien sehr gering ausgefuhrtwerden konnen. Diese Technik wird haufig in Kommissioniersystemen nachdem Prinzip Ware-zur-Person eingesetzt. Durch parallelen Einsatz mehrererUmlaufregale kann die Kommissionierleistung deutlich gesteigert werden.

Vertikale Umlaufregale (Paternosterregal) An zwei vertikal umlaufen-den Ketten sind horizontale Wannen drehbar befestigt. Diese dienen zur Auf-nahme sowohl von Kleinteilen als auch Langgut (s. Abb. 3.8). Der Kommis-sionierer befindet sich am zentralen Ubergabepunkt. Ebenso sind mehrereUbergabepunkte auf verschiedenen Ebenen moglich. Auf geringer Standflachelassen sich durch Nutzung der Raumhohe relativ viele Artikel mit geringeroder mittlerer Menge pro Artikel einlagern. Die Verkleidung des Systemsdient dem Personenschutz und ebenso dem Schutz vor unerlaubtem Zugriff.

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3.1 Lagersysteme 87

Abbildung 3.7. Verschieberegal [Foto: META]

Abbildung 3.8. Vertikales Umlaufregal (Paternosterregal) [Foto: HANEL]

Die realisierbare Kommissionierleistung an einem System hangt in hohemMaße von der Bauhohe und dem Zugriffsverhalten auf die gelagerten Arti-kel ab. Zur Erreichung einer akzeptablen Leistung ist die Zugriffsreihenfolgeauf die Lagerplatzreihenfolge abzustimmen, um standige Reversierfahrten zuvermeiden.

Horizontale Umlaufregale (Karusselllager) An einer horizontal um-laufenden Forderkette werden einzelne Lagerfelder befestigt, die eine Fach-bodenregalsaule oder Ahnliches aufnehmen. Die Bedienung bzw. Entnah-

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88 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

me durch den Kommissionierer erfolgt in der Regel am stirnseitigen Wen-depunkt, wobei typischerweise mehrere Regale parallel angeordnet werden.Fur ein anzusprechendes Lagerfach wird die Kette bewegt, bis sich die re-levante Lagersaule bzw. das Lagerfeld am Entnahmepunkt befindet. Zurweiteren Flacheneinsparung konnen auch mehrere Regale (zwei bis drei)ubereinander gesetzt oder bei besonders hohen Ausfuhrungen (bis ca. siebenMeter Bauhohe) auch vertikal verfahrbare Plattformen eingesetzt werden.Der Betrieb in der Kommissionierung erfolgt analog zum Paternosterregal.Die großen Baulangen der Karusselllager von bis zu 50m bieten jedoch er-heblich hohere Lagerkapazitaten.

Eine besondere Bauform stellen so genannte Behalter-Umlaufregale dar.Die Systeme dienen primar der kurzzeitigen Pufferung, beispielsweise zurKonsolidierung von Teilauftragen im Versandbereich. Wahrend beim klas-sischen Umlaufregal in erster Linie einzelne Artikel oder Gebinde entnom-men werden, wird beim Behalter-Umlaufregal der gesamte Behalter gewech-selt. Deshalb ist in diesem Fall auch eine hohe Umschlagleistung maßgeblich.Durch separate, ubereinanderliegende Forderebenen kann jede einzelne Ebeneunabhangig verfahren werden. Bei der Ein-/Auslagerung werden zu entleeren-de Facher und freie Facher ubereinander positioniert, so dass von einer zen-tralen Wechseleinrichtung (Stufenlift mit Mehrfach-Greifeinrichtungen) alleOperationen in einem Arbeitsschritt durchgefuhrt werden konnen.

DurchlaufregalDurch Einfugen einer Forderebene in einen feststehenden Regalblock konnensich die Lagereinheiten in den Lagerblocken bewegen. Die Lagereinheiten wer-den entweder an der ruckseitigen Regalfront in einen Lagerkanal gegeben, zurvorderseitigen Regalfront gefordert und dort entnommen oder an der Front-seite in den Lagerkanal eingeschoben und dort wieder entnommen (Einschub-regal). In den Kanalen befinden sich die Lagereinheiten hintereinander. Zugriffist grundsatzlich nur auf die vordere Regalfront moglich.

Durch das Durchlaufprinzip werden Beschickung und Entnahme getrenntund konnen so unabhangig voneinander ablaufen. Außerdem wird das FIFO-Prinzip zwangslaufig und ohne zusatzlichen Steuerungsbedarf gewahrleistet(bzw. LIFO im Fall des Einschubregals). Der entscheidende Vorteil liegt ne-ben der kompakten Lagerung in der Vorhaltung vieler Artikel im direktenZugriff bei gesichertem Nachschub. Dadurch kann sich auch eine erheblicheStirnflachenverkleinerung der Lagerflache ergeben, die wiederum zu Wegein-sparungen in der Kommissionierung und der Lagerbedienung fuhrt. Durch-laufregale werden sowohl fur leichte als auch schwere Stuckguter realisiert.

Entscheidend fur den Betrieb ist, dass in den einzelnen Lagerkanalen ar-tikelreine bzw. auftragsreine Ladeeinheiten gebildet werden. Umlagerungenzum Zugriff auf nicht an der Regalfront befindliche Einheiten sind prak-tisch nicht moglich. Daher macht der Einsatz in der Kommissionierung nur

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3.1 Lagersysteme 89

Abbildung 3.9. Durchlaufregal mit Rollenfordertechnik zur Kommissionierungnach dem Prinzip Pick-to-Belt [Foto: BITO]

dort Sinn, wo aus Durchsatzgrunden mehrere Einheiten vorgehalten werdenmussen, ohne jedoch ganze Paletten bereitzustellen.

Rollpalettensysteme Diese Systeme stellen spezielle Formen der Einschub-regale dar, bei denen die Lagereinheit auf einer rollfahigen Palette stehtund in die Schienen eines Lagerkanals eingeschoben wird. Durch frontsei-tig angebrachte Haken werden die in der Gasse befindlichen Lagereinheitenzu einem Zug gekoppelt, der durch Verschieben der gassenseitigen Lagerein-heit bewegt wird. Durch Installation ausreichender Ein-/Auslagerkapazitatenkonnen hochdynamische Lager- und Umschlagsysteme realisiert und auch ge-mischte Kanale gebildet werden. Fur eine umfassende Behandlung der Roll-palettentechnik sei auf [83] verwiesen.

3.1.4 Regalvorzone

In der Vorzone eines Regalsystems fallen unterschiedliche Aufgaben an. Ein-zulagernde Einheiten sind auf die Gassen zu verteilen, Kommissionierplatzevor dem Regal sind mit Bereitstelleinheiten und Leerbehaltern zu versor-gen und gegebenenfalls Sammeleinheiten abzutransportieren. Weiterhin sindausgelagerte Einheiten in Richtung Versand zu transportieren oder auf an-dere Regalgassen zu verteilen, im Rahmen der Inventur mussen Lagerein-

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90 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Abbildung 3.10. Regalvorzone mit Stetigfordertechnik. Zur Vermeidung gegensei-tiger Behinderungen der zu- und abgehenden Strome sind die Forderstrange separatund aus Platzgrunden auf verschiedenen Ebenen angeordnet. [Foto: KHT]

heiten zur Erfassung vorgeholt und wieder eingelagert werden usw. Darausresultieren verschiedenste Transportrelationen und kreuzende Verkehre. ZweiPunkte beeinflussen die Leistungsfahigkeit der Lagervorzone maßgeblich: eineleistungsfahige Fordertechnik und ein geeignetes Steuerungskonzept.

Seitens der Fordertechnik kommen Rollenbahnen, Tragkettenforderer,Drehweichen oder Verschiebewagen zum Einsatz. Je nach Regalbediengeraterfolgt die Bereitstellung beiderseits des Ganges oder ubereinander. Davorsind ausreichend dimensionierte Pufferplatze vorzusehen (s. Abb. 3.10).

3.2 Fordersysteme

Als Fordermittel werden im Allgemeinen die technischen Systeme des Materi-alflusses verstanden, die im Wesentlichen die innerbetriebliche Ortsverande-rung von Gutern bewirken. Beim Transport außerhalb der Lager- und Dis-tributionssysteme kommen dagegen so genannte Verkehrsmittel zum Einsatz,die nicht im Augenmerk der vorliegenden Betrachtungen stehen. Der Ausrich-tung dieses Buches entsprechend sollen schwerpunktmaßig die Fordermittelfur den Stuckguttransport behandelt werden.

Fordermittel lassen sich anhand ihrer Arbeitscharakteristik in zwei Grup-pen unterteilen, die sich im Wesentlichen durch folgende Eigenschaften aus-zeichnen:

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3.2 Fordersysteme 91

Stetigforderer besitzen eine kontinuierliche Arbeitsweise und sind zumeistortsfest installiert. Sie verfugen uber eine hohe Forderleistung, gemessenin Stuck/Zeiteinheit, und produzieren einen kontinuierlichen bzw. quasi-kontinuierlichen Forderstrom. Sie erlauben vielfaltige Linienfuhrungen imRaum und die Moglichkeit einer jederzeitigen Bereitschaft zur Aufnahmeoder Abgabe von Gutern. Die kontinuierliche Arbeitsweise und die ein-fache Funktion ermoglichen die gute Automatisierbarkeit und Kontrolleder Warenstrome im Fordersystem.

Unstetigforderer sind Einzelgewerke, die einzelne bzw. wenige Fordergutervon einer Quelle zu einem Ziel transportieren und mit dem Fordergutverfahren. Dieser Prozess wird als Arbeitsspiel bezeichnet. Sie konnen jenach Bauweise beliebige Punkte entlang eine Linie, in der Flache oderim Raum anfahren. Sie eignen sich daher in erster Linie zur Bedienungvieler Auf- und Abgabepunkte, zum Transport großer Gewichte und zurUberbruckung langer Strecken. Je nach Systemauspragung steigen mitder Einsatzflexibilitat auch der Steuerungsaufwand und die Anforderun-gen an die Automatisierung.

3.2.1 Stetigforderer

Rollenforderer Bei Rollenforderern wird das Fordergut uber ortsfeste, dreh-bare Rollen gefuhrt (s. Abb. 3.11). Der dissipative Bewegungswiderstand wirdauf die Lagerreibung in der Rolle und die Walkung des Gutes beim Passie-ren der Rolle reduziert. Daraus resultiert ein geringer Energieaufwand zurForderung der Stuckguter. Die Bewegung der Guter wird manuell, bei geneig-ten Rollenforderern durch Schwerkraft sowie durch verschiedene Antriebsfor-men motorisch realisiert. Bei hohen Fordergutgewichten (ca. 1 t) kommen da-bei Forderketten zum Einsatz, bei leichtem Stuckgut (<100kg) uberwiegendAntriebsriemen, die an die Rollenunterseite gedruckt werden. Neben Rol-lenkorpern aus Stahlblech werden zunehmend auch Kunststoffrollen einge-setzt.

Wesentliche Voraussetzung zur Fordereignung des Gutes ist die Beschaf-fenheit des Fordergutbodens, der eben und ausreichend formstabil sein muss.Der Rollenabstand beeinflusst maßgeblich die Qualitat der Bewegung. Mitwachsendem Rollenabstand steigt die Schuttelneigung des Gutes auf demForderer und damit die Belastung des Fordergutes.

Das Abwalzen der Rolle unter dem Fordergut fuhrt zu einem Antriebs-schlupf, der unter anderem vom Fordergut abhangig ist. Die Position ei-nes Fordergutes auf der Forderstrecke unterliegt daher Abweichungen undkann nicht deterministisch bestimmt werden. Sie muss daher in automa-tisierten Anlagen an bestimmten Stellen durch geeignete Sensoren (i. Allg.Lichtschranken) erfasst werden.

Besondere Bauformen ermoglichen die Nutzung der Forderstrecke als Puf-fer. Da ein Aufstauen einer Reihe von Fordergutern auf einer angetriebenen

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92 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Abbildung 3.11. Rollenforderer. Im Einlaufbereich sind die Rollen schrag ge-stellt, um eine Ausrichtung der Forderguter auf die im Bild rechte Seitenfuhrungzu erzielen. [Foto: SIEMENS DEMATIC]

Forderstrecke zu einem wachsendem Staudruck auf die vorderen Guter fuhrt,muss ab einer bestimmten Staulange der Rollenbereich der wartenden Rollendeaktiviert werden, um die Antriebskraft der Rollen aufzuheben. Zu diesemZweck existieren verschiedene Bauformen, die als Rollenstauforderer bezeich-net werden.

Der einfache Aufbau der Rollenforderer stellt in vielen Fallen eine gunstigeAlternative bei einfachen Forderaufgaben dar. Allerdings weisen Rollenforde-rer auch relativ hohe Gerauschpegel auf, die insbesondere durch das Auf-treffen der Guter auf die Rollen und durch die Art der Stuckguter sowieRollenteilung und -lagerung bestimmt werden.

Bandforderer Die Bezeichnung Bandforderer ist der Oberbegriff fur Ste-tigfordermittel, bei denen ein durchgehendes, angetriebenes Element (Band,Gurt, Riemen oder Drahtgeflecht) zur Aufnahme und zum Transport des Gu-tes eingesetzt wird. Das Fordergut liegt fest am Forderband an und vollziehtsomit keine Relativbewegung zum antreibenden Fordermittel, wodurch einegleichmaßige, sichere und schonende Forderung realisiert wird.

Der am haufigsten eingesetzte Bandforderer ist der so genannte Gurtfor-derer (s. [63]), bei dem der Fordergurt so dimensioniert ist, dass das großtebetriebsinterne Fordergut vollstandig auf dem Gurt aufliegt. Unterhalb desGurtes werden Tragrollen oder Tragflachen angeordnet, die das Gewicht des

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3.2 Fordersysteme 93

Abbildung 3.12. Gurtforderer: Wendelkurve [Foto: AXMANN]

Fordergutes sowie des Gurtes aufnehmen. Der Fordergurt muss im Wesent-lichen folgende Anforderungen erfullen:

• Fahigkeit, hohe Zugkrafte bei geringer Dehnung aufzunehmen,• geringer Walkwiderstand bei der Umlenkung,• geringe Haftung auf der Gurtunterseite (Laufseite) zur Reduktion der er-

forderlichen Antriebsleistung, jedoch ausreichende Reibbeiwerte zur Uber-tragung der Antriebskrafte an der antreibenden Trommel,

• je nach Einsatzfall unterschiedliche Reibbeiwerte auf der Gurtoberseite(Tragseite).

Um den unterschiedlichen Anforderungen zu genugen, gelangen Verbund-materialien zum Einsatz. Einlagen aus Polyamid, Polyester oder Aramid die-nen uberlicherweise zur Aufnahme der Zugkrafte. Uber Zwischenlagen ausGummi oder Kunststoff sind die Decklagen verbunden, die neben den ge-nannten Anforderungen den Gurt außerdem widerstandsfahig und bestandiggegen Alterung und außere Einflusse machen sollen.

Beim Stuckguttransport werden Gurtforderer zum Transport von leich-tem Stuckgut bis ca. 50 kg eingesetzt. Durch geeignete Paarung von Gurtund Tragkonstruktion kann das Fordermittel sehr leise ausgefuhrt wer-

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94 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Abbildung 3.13. Kettenforderer: Flexibles Gliederband fur leichtes Stuckgut(Tragkettenforderer) [Foto: FLEXLINK]

den. Neben dem Normalfall der geraden Forderstrecke konnen bei seitli-cher Gurtabstutzung auch kurvengangige Gurtforderer realisiert werden (s.Abb. 3.12).

Im Betrieb zeichnet sich der Gurtforderer durch die prazise Steuerbarkeitund hohe Dynamik aus, da das Fordergut durch relativ hohe Reibbeiwertefest auf dem Gut aufliegt. Dadurch lassen sich unter anderem auch Steigungs-strecken realisieren (s. Abb. 3.12). Durch Verwendung sehr schmaler Gurteoder Riemen werden auch Stauforderer aufgebaut, bei denen das Fordergutim Staubetrieb vom Riemen abgehoben wird.

Kettenforderer Als kennzeichnendes Merkmal gelangt bei Kettenforderernals Trag- und/oder Zugorgan eine Kette zum Einsatz. Das Fordermittel Kettevereint vorteilhaft hohe Tragfahigkeiten, geringe Umlenkradien und die ein-fache Montierbarkeit von Zusatzelementen. Entsprechend vielfaltig ist des-halb der Einsatz in der Forder- und Lagertechnik (vgl. Abschn. 3.1.3). Diegangigsten eingesetzten Kettenforderer sind in Tabelle 3.2 aufgefuhrt. Detail-lierte Angaben zu den einzelnen Prinzipien sind in [24] enthalten.

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3.2 Fordersysteme 95

Tabelle 3.2. Bauformen von Kettenforderern im Stuckgutbereich

Tragketten-förderer

0,2 bis 1,0 m/sDas Fördergut ruht auf 1–3 parallel angeordneten Kettensträngen,die in entsprechend geformten Schienen verlaufen. Die Ketten werden horizontal oder vertikal umgelenkt.

horizontale und geneigte Förderung; Umsetzer

Bezeichnung Förder-geschwindigkeit

Funktion Einsatzfelder

Schlepp-ketten-förderer

0,2 bis 0,5 m/sDie Kette ist reines Zugorgan und wird ggf. unter der Förderebene (unterflur) geführt. Das Fördergut wird auf Tragrollen, Schienen, Wagen oder Gabelhubwagen gefördert.

Umschlagzentren, Transport schwerer Lasten; manuelle Auf- und Abgabe großer Einheiten

Kreisförderer 0,2 bis 1,5 m/sAn einer beliebig im Raum verlaufenden Kette sind Lastgehänge montiert, die zur Aufnahme derFördergüter dienen. Die Beladungerfolgt manuell oder mechanisch.

Transport großer Mengen flurfrei über weite Distanzen

Power&Free(Schlepp-kreis-förderer)

0,2 bis 0,5 m/sÄhnlich wie Kreisförderer aufgebaut,existiert jedoch eine separateFörderbahn für die Lastgehänge, so dass die Lastgehänge von der umlaufenden Förderkette entkoppelt werden können.

größere Fördernetze mit verschiedenen Kreisläufen und Pufferbahnen

Schaukel-förderer +Paternoster

ca. 0,3 m/sZwischen zwei vertikal (beim Paternoster parallel versetzt) umlaufenden Ketten sind Lastträger zur Aufnahme der Güter angeordnet.

Vertikaltransportzwischen Stockwerken

3.2.2 Unstetigforderer

Wahrend im Fall der Stetigforderer die gesamte Forderstrecke auf das großte,schwerste oder empfindlichste Gut auszulegen ist, reduziert sich die Di-mensionierung eines Fordersystems mit Unstetigforderer(n) im Wesentli-chen auf die geeignete Gestaltung des Transportmittels. Die fahrwegge-bundenen Investitionen reduzieren sich dadurch. Außerdem kann bei einemgroßeren System mit mehreren Fahrzeugen ein Spektrum unterschiedlicherFahrzeugtypen eingesetzt werden, welches das Anforderungsschema entspre-chend berucksichtigt. Unstetigforderer werden anhand ihrer Verfahrbarkeitin zwei grundlegende Typen klassifiziert:

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96 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Frei verfahrbar Die Fordermittel sind in der Ebene beliebig verfahrbar.Durch Anbaueinrichtungen oder Hubgeruste wird auch die dritte Di-mension erschlossen. Die freie Wahl des Bewegungsortes stellt hohe An-forderungen an die Fahrsteuerung: Bestimmung des Ortes im Raum,an Betriebs- und Verkehrssituationen angepasste Fahrweise bzw. Be-trieb, Kollisionsvermeidung etc. Die Steuerung ubernimmt daher zumuberwiegenden Teil der Mensch, dessen kognitive Fahigkeiten alterna-tiv nur durch aufwandige Steuerungs- und Sensoreinrichtungen erbrachtwerden konnen, wie sie beispielsweise in Fahrerlosen Transportsystemenzum Einsatz gelangen.

Gefuhrt verfahrbar Die Fordermittel sind durch Laufschienen spurgefuhrt,die bodenmontiert (flurgebunden), auf Stutzen (aufgestandert) oder au-ßerhalb des eigentlichen Arbeitsbereiches (flurfrei) angeordnet sind. Daeine aktive Lenkung nicht erforderlich ist, reduziert sich der Steuerungs-aufwand erheblich. Die meisten gefuhrten Unstetigforderer eignen sichdaher auch besonders zur Automatisierung.

FlurforderzeugeUnter diesem Oberbegriff werden alle flurgebundenen Unstetigforderer zu-sammengefasst. Dabei fallen unterschiedliche Aufgabenstellungen an, welchedie Gestaltung der Flurforderzeuge wesentlich beeinflussen:

• Transport von Stuckgutern uber kurze oder lange Entfernungen• Umschlag von Stuckgutern zwischen Arbeitsmitteln oder Wechsel zwischen

Arbeitsstationen• Stapeln von Stuckgutern und ggf. Transport gestapelter Einheiten• Regalbedienung: Ein-/Auslagerung von Stuckgutern im Regal und Kom-

missionierung in der Regalflache

Je nachdem, in welcher Haufigkeit ein oder mehrere Aufgaben auszufuhrensind, werden unterschiedliche Typen der Flurforderzeuge eingesetzt. Fur reineTransportaufgaben kommen Wagen oder Schlepper mit Anhangern zum Ein-satz (Transportgerate), die zur Be- und Entladung allerdings eines weiterenFordermittels oder des Menschen bedurfen. Universalgerate bzw. universelleUmschlaggerate konnen Ladeeinheiten selbststandig aufnehmen und sie zumAbgabepunkt bzw. zum Lagerfach transportieren, um sie dort eigenstandigabzugeben. Zur Optimierung der Raumnutzung, Umschlag- oder Kommis-sionierleistung werden im Bereich der Regalbedienung spezielle Lagergerateeingesetzt, die sich durch schmale Arbeitsgange, große Einlagerhohen oderdurch die Moglichkeit der Kommissionierung in der Regalfront auszeichnen,gleichzeitig aber auch hohe Anforderungen an die Bodenqualitat stellen undnicht universell eingesetzt werden konnen.

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3.2 Fordersysteme 97

Abbildung 3.14. Verschiedene Flurforderzeuge im Lagereinsatz [Foto:JUNGHEINRICH]

Transportgerate Die uberwiegend elektrisch angetriebenen Wagen undSchlepper werden vorwiegend dort eingesetzt, wo regelmaßig Transport-strome uber große Distanzen und wechselnde Ziele anfallen. Gegenuberlangeren Transporten mit Gabelstaplern bieten sie eine hohere Wirtschaft-lichkeit und aufgrund der besseren Sicht in Fahrtrichtung auch ein geringeresGefahrdungspotenzial.

Bei niedrigen Trag- und Zuglasten werden die Gerate dreiradrig (bis ca.8,5 kN Zugkraft, s. Abb. 3.15), mit einem nicht angetriebenen und gelenktenVorderrad ausgefuhrt, wodurch die Einzelgerate sehr wendig sind. Bei gekop-pelten Wagenzugen (Schlepper mit mehreren Anhangern) ist fur die erforder-liche Trassenbreite die Radfuhrung der Anhanger entscheidend. Anhanger mitnur einer gelenkten Achse weisen ein einschnurendes Kurvenverhalten auf, dasmit steigender Hangerzahl große Trassenbreiten erfordert. Um demgegenuberdie Spur des ziehenden Fahrzeuges einzuhalten, sind Vierrad-Lenkungen mitgekoppelten Achsen erforderlich.

Umschlaggerate Das wesentliche Merkmal der Umschlaggerate ist dieFahigkeit, Ladeeinheiten eigenstandig aufzunehmen und abzugeben. Fur ge-ringe Umschlagleistungen existieren verschiedene manuell betriebene Geratewie Karren (Stechkarren) und Gabelhubwagen. Die weit verbreiteten Gabel-hubwagen sind auf Standardpalettenmaße (Euro- und Industriepaletten) aus-gelegt. Mit steigenden Umschlaggewichten und -frequenzen ist die alleinige

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98 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Abbildung 3.15. Schlepper [Foto: STILL]

Nutzung der menschlichen Arbeitskraft jedoch nicht wirtschaftlich, weshalbverschiedene Stufen der Motorisierung zum Einsatz gelangen.

Neben dem Antrieb der Fahr- und Hubfunktion sind die Wagen mit Fah-rerstanden oder -sitzen ausgerustet, um auch die Transportgeschwindigkeitzu erhohen. In der Kommissionierung werden außerdem Gabelhubwagen mithebbarer Plattform fur den Kommissionierer eingesetzt, um auch die zweiteRegalebene fur die manuelle Kommissionierung zu erschließen.

Wird neben der bodenebenen Aufnahme und Abgabe von Ladeeinheitenauch der Zugriff in hoheren Ebenen oder die Stapelbildung erforderlich, kom-men Stapelgerate zum Einsatz. Das verbreitetste Gerat ist der Gabelstapler(auch Frontstapler, Gegengewichtstapler, s. Abb. 3.16). An einem drei- odervierradrigen Fahrrahmen ist ein vertikales Hubgerust mit dem Gabeltragerbefestigt, das die Last außerhalb der Radbasis des Gabelstaplers aufnimmt.Zur Erreichung hoher Traglasten wird an der lastabgewandten Seite ein Ge-gengewicht angebracht.

Um moglichst große Hubhohen bei geringer Fahrzeughohe zu realisieren,sind die Hubgeruste teleskopierbar ausgefuhrt. In einem U-Profil ist ein In-nenrahmen angeordnet, der wiederum weitere Rahmen aufnehmen kann. DieHubbewegung erfolgt uber Kettenzuge, die durch seitlich oder mittig ange-ordnete Hydraulikzylinder betatigt werden. Um die Gutaufnahme zu erleich-tern, wird der gesamte Hubrahmen geringfugig in Richtung Gut geschwenkt.Analog erfolgt die Schwenkung in Richtung Fahrzeug zum sicheren Trans-port der Ladeeinheit auf den Gabelzinken. Neben zulassigem Lastgewichtund maximaler Hubhohe ist der Freihub, d.h. die maximale Hubhohe derGabelzinken ohne Ausfahren (Teleskopieren) des Mastes, eine entscheidendeKenngroße fur die Funktionalitat des Hubgerustes, da so auch bei begrenz-ten Raumhohen operiert werden kann. Die Gutaufnahme und -abgabe erfolgtgrundsatzlich frontal. Die bevorzugte Fahrtrichtung ist mit der Gabel voraus,was bei großvolumigen Lasten durch eingeschrankte Sicht problematisch sein

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3.2 Fordersysteme 99

Abbildung 3.16. Frontgabelstapler bei der Lkw-Be-/-Entladung [Foto:JUNGHEINRICH]

kann. Eine große Auswahl an Anbaugeraten ermoglicht ein großes Einsatz-spektrum mit Anwendungen auch außerhalb der eigentlichen Transport- undUmschlagaufgabe.

Dreiradfahrzeuge besitzen auf der lastabgewandten Seite ein einzelnes ge-lenktes Rad, daraus resultieren ein einfacher Systemaufbau und ein gerin-ger Wenderadius. Wenn hohere Traglasten realisiert werden sollen, kommenVierradfahrzeuge zum Einsatz. Diese haben auf der lastabgewandten Seite ei-ne Pendelachse, besitzen eine hohere Fahrstabilitat (insbesondere gegenuberder Gefahr des seitlichen Kippens), weisen jedoch auch großere Kurvenradienauf. Die Art der Fahrwerksanordnung und die mogliche Traglast bestimmenauch dadurch maßgeblich die erforderliche Breite der Arbeitsgange im La-ger, dass Frontgabelstapler zur Gutaufnahme und -abgabe in jedem Fall eine90◦-Drehung durchfuhren mussen.

Im innerbetrieblichen Einsatz werden uberwiegend Elektrostapler einge-setzt, im außerbetrieblichen Einsatz und bei großen Lastgewichten vorzugs-weise Dieselstapler. Im Mischbetrieb (Innen- und Außeneinsatz) bietet sichneben Elektrostaplern auch der Einsatz von Treibgasstaplern an. Die Eignungfur den Außeneinsatz hangt daruber hinaus von der Wahl der Bereifung ab.

Lagergerate Darunter fallen alle Flurforderzeuge, die ausschließlich odernahezu uberwiegend zur Regalbedienung eingesetzt werden.

Spreizenstapler besitzen zwei auskragende Arme, die unterhalb der auf-zunehmenden Last, d. h. unterhalb der Gabelzinken, angeordnet sind (s.Abb. 3.17). Ist die Last vom Boden aufzunehmen, muss der Abstand derRadarme oder Spreizen derart bemessen sein, dass die Ladeeinheit dazwi-schen passt bzw. die Radarme in die Aussparungen einer Palette passen. Bei

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100 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Abbildung 3.17. Spreizenstapler [Foto: STILL]

schmaleren Abstanden ist eine Bodenaufnahme nicht mehr moglich und dieLadeeinheit kann nur einem Lagerfach entnommen werden, wenn ein unte-res Freimaß von ca. 250mm besteht. Der Transport bzw. das Handling derLadeeinheit innerhalb der Radbasis erubrigt das beim Gabelstapler erforder-liche Gegengewicht und lasst dadurch eine deutlich kurzere Bauweise zu. DieGerate besitzen typischerweise Dreiradantrieb.

Um Ladeeinheiten unabhangig von ihrer Breite auch bodeneben aufneh-men zu konnen, besitzen Schubmaststapler ein in den Radarmen verfahrbaresHubgerust, das zur Gutaufnahme und -abgabe in eine vordere Position ver-fahren wird, in der die Radarme die Gutaufnahme nicht mehr behindern(s. Abb. 3.18). Zum Transport wird der Hubmast wieder zuruckgezogen undnimmt mit der Traglast eine stabile Position ein. Eine weitere Alternativezum Spreizenstapler sind Schubgabelstapler, die jedoch nur noch selten ein-gesetzt werden. Der Gabeltrager ist dabei gegenuber dem Hubmast beweg-lich angeordnet und kann zur Gutaufnahme/-abgabe in eine vordere Positionverfahren werden. Dadurch konnen auch doppelttief gelagerte Ladeeinheitenentnommen werden (s. Abb. 3.19).

Die verschiedenen Bauformen der Radarmstapler benotigen deutlich ge-ringere Arbeitsgangbreiten als Gegengewichtstapler. Da das Ladeeinheiten-handling jedoch frontseitig erfolgt, ist die 90◦-Drehung des Staplers zu diesem

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3.2 Fordersysteme 101

Abbildung 3.18. Schubmaststapler [Foto: STILL]

Zweck unumganglich. Dadurch ergibt sich zwangslaufig eine Gassenbreite vondrei Metern oder mehr. Um die erforderliche Gangbreite weiter zu reduzieren,werden verschiedene Stapler eingesetzt, die Ladeeinheiten seitlich aufnehmenkonnen und dadurch die Drehung vor dem Regalfach umgehen:

Hochregalstapler Diese Stapler werden auch als Seitenstapler bzw. Drei-seitenstapler bezeichnet. Am Hubgerust sind seitlich ausfahrbare Teles-kopgabeln oder ein drehbarer Gabeltrager angeordnet, der die Gabelbeidseitig schwenken kann (Schwenkschubgabel, s. Abb. 3.20). Je nachAusfuhrung kann die Schwenkschubgabel auch im Regalgang geschwenktwerden.Hochregalstapler ermoglichen die Regalbedienung bis zu einer Hohe vonetwa zwolf Metern. Die sichere Durchfuhrung einer Ein-/Auslagerungvon Ladeeinheiten in dieser Hohe erfordert eine Reihe von Hilfsmitteln.Dazu sind die Hochregalstapler im Regalgang mechanisch oder induktivzwangsgefuhrt. Die Positionierung der Gabel vor dem Regalfach erfolgtdurch automatische Fachwahlsysteme oder unterstutzt durch Kamerasy-steme.

Kommissionierstapler Im Gegensatz zum Hochregalstapler wird beimKommissionierstapler oder Hochhubkommissionierer die Bedienerkabine

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Abbildung 3.19. Schubgabelstapler [Foto: ATLET]

mit der Gabel am Hubgerust angehoben, so dass der Kommissionie-rer Einheiten direkt der Ladeeinheit bzw. Bereitstelleinheit entnehmenkann. Die Sammeleinheit wird durch Anfahren einzelner Lagerfacher nachdem Prinzip Person-zur-Ware gebildet. Einige Ausfuhrungen dienen aus-schließlich dem Kommissionieren von Teilmengen und sind nicht zur Ein-/Auslagerung ganzer Ladeeinheiten geeignet. Sie verfugen deshalb nuruber eine starre, nicht schwenkbar angeordnete Gabel. Daneben existie-ren auch Kommissionierstapler, die sowohl zur Bildung von Teilmengenals auch zur Auslagerung ganzer Ladeeinheiten geeignet sind und alleMerkmale der Hochregalstapler aufweisen.

Quergabelstapler Diese Ausfuhrung ist speziell zum Langgut-Handling inKragarmregalen geeignet. Auf einem vierradrigen Wagen ist ahnlich demSchubmaststapler ein quer verfahrbares Hubgerust angeordnet, das Lang-gut quer zur Fahrtrichtung aufnehmen kann. Zum sicheren Transportkonnen die aufgenommenen Einheiten auf dem Wagen abgelegt werden.Dadurch ergibt sich trotz langer Forderguter ein sehr schmaler Arbeits-gang. Aufgrund des Fahrzeugaufbaus sind ferner langere Transporte un-problematisch moglich.

Vierwegestapler Der Aufbau entspricht grundsatzlich dem des Schubmast-staplers. Das Gerat ist jedoch anstelle der beiden sonst starren vorderenRollen bzw. Rader mit drehbar angetriebenen Radmotoren versehen, sodass der Stapler uber mindestens zwei lenkbare Radeinheiten verfugt (s.

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3.2 Fordersysteme 103

Abbildung 3.20. Hochregalstapler mit Schwenkschubgabel [Foto: STILL]

Abb. 3.22). Dadurch wird die beliebige Bewegung in jeglicher Richtungermoglicht, d.h. das Gerat kann langs und quer verfahren und Traversier-fahrten ausfuhren. Die Drehung des Gerates zur Gutaufnahme entfalltsomit, da das Fahrzeug quer zur Gutaufnahme in den Arbeitsgang ein-fahren kann.

Auswahlkriterien Die sinnvolle Auswahl eines Flurforderzeuges bedarf derEinbeziehung der Gesamtaufgabenstellung, der Berucksichtigung der Aus-gestaltung des Lager- und Kommissioniersystems und der angrenzendenFordertechnik. Dabei sind auch die zu erbringende Umschlag- und Trans-portleistung und deren prognostizierte Entwicklung zu berucksichtigen. Soist einerseits die Systemleistung bei Unstetigforderern prinzipiell durch An-passung der Fordereranzahl skalierbar, jedoch gilt diese Regel beispielswei-se nicht in Schmalganglagern, bei denen ein Passieren der Fahrzeuge imGang nicht moglich ist oder nur ein Fahrzeug pro Gang betrieben wer-den kann. Außerdem sind die mit wachsendem Spezialisierungsgrad derFlurforderzeuge steigenden Investitions- und Betriebskosten den realisierba-ren Flacheneinsparungen gegenuberzustellen.

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104 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Abbildung 3.21. Kommissionierstapler mit hebbarer Kabine [Foto: STILL]

Einheitliche und abgesicherte Aussagen zur Wirtschaftlichkeit einzelnerFahrzeuge sind angesichts der Vielschichtigkeit der Randbedingungen nichtmoglich.

Betrieb und Organisation Zum effizienten Einsatz von Flurforderzeugenmussen die anstehenden Auftrage in einer Weise abgewickelt werden, dasspriorisierte Auftrage bevorzugt behandelt, Leerfahrten minimiert und dievorhandenen Ressourcen sinnvoll genutzt werden. Ein einzelner Mitarbeiter(Staplerfahrer) vermag bei bekanntem Auftragsstapel seine Arbeitsreihenfol-ge mit gutem Ergebnis eigenstandig zu optimieren, sofern er uber entspre-chende Erfahrung verfugt und die vorliegenden Systemanforderungen dieszulassen. Ebenso kann ein Disponent (Leitstand-Mitarbeiter) bestimmte Op-timierungsaufgaben koordinierend manuell steuern.

Bei vielen Fahrzeugeinheiten und einem dynamischem Umfeld mit kurz-zeitigem Auftragsvorlauf sind diese Moglichkeiten nicht mehr zielfuhrend.Die Optimierung des Gesamtsystems bedarf in einem solchen Fall der kon-tinuierlichen Erfassung des Systemzustandes mit aktuellem Auftragsstatus

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3.2 Fordersysteme 105

Abbildung 3.22. Vierwegestapler [Foto: STILL]

einzelner Forderer und deren Zielorte. Ein flexibles und dynamisches Reak-tionsverhalten setzt den jederzeitigen Zugriff auf einzelne Einheiten voraus.Dazu muss eine Kommunikationsmoglichkeit zu den dezentral operierendenEinheiten bestehen. Zur Kommissionierung im Regal mittels Kommissionier-staplern bedarf es zudem der Wegminimierung (Tripoptimierung) zwischeneinzelnen Entnahmeorten.

Zur Optimierung des Gesamtsystems ist daher ein ubergeordnetes Steue-rungssystem, das die Auftragsabwicklung kontrolliert, erforderlich. Arbeits-weise und Strategien solcher Transportleitsysteme wurden bereits in Ab-schn. 2.3.3 behandelt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt stellt die Dokumentation erfolgter Arbeits-operationen dar. Zur Fehleranalyse ist die Rekonstruktion von Teilprozessenein entscheidender Schritt, um bei auftretenden Problemen (z. B. falscher Ar-tikel im Lagerfach, Minderbestande trotz Wareneingange etc.) ohne arbeits-intensive Fehlersuche in kurzer Zeit Aufklarung herbeizufuhren. Zu diesemZweck ist das innerbetriebliche Tracking und Tracing der Materialflussprozes-se eine wesentliche Voraussetzung (vgl. Abschn. 2.3.4). Eine sinnvolle Maß-nahme ist dabei das interne Handling der Fordermittel als temporare Lager-platze. Dadurch ist auch in Transport befindliches Material jederzeit praziseuberprufbar, was insbesondere bei zeitkritischen Versorgungsprozessen vonBedeutung ist.

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106 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Fahrerlose Transportsysteme Die Automatisierung von Flurforderzeugenist aufgrund der vielen Freiheitsgrade dieser Fordermittel eine komplizierteAufgabe. Daher umfasst ein solches automatisiertes System neben dem mitder entsprechenden Steuerungstechnik ausgestatteten Fahrzeug auch die da-zugehorige stationare Leittechnik mit der Fahrzeug- bzw. Systemfuhrung unddie Kommunikations- und Sicherheitseinrichtungen. Die Zielsetzung dabei istder automatische Transport mittels Flurforderzeugen ohne direktes mensch-liches Einwirken.

Trotz des hohen technischen Aufwandes werden Fahrerlose Transportsys-teme (FTS) aus einer Reihe von Grunden eingesetzt:

• Transporte in Risikobereichen und Erhohung der Arbeitssicherheit,• Erfullung hoher fordertechnischer Anforderungen hinsichtlich Prazision,

Wiederholgenauigkeit oder zwingender Einhaltung von Bewegungsgangfol-gen, z. B. beim Transport großvolumiger Guter in beengten Verhaltnissen,

• Personalkostenreduzierung, insbesondere im Mehrschichtbetrieb,• Transparenz der Ablaufe,• Vermeidung von Transportschaden,• Umgehung erforderlicher Bodeninstallationen gegenuber schienengefuhrten

Systemen.

Alle gangigen Flurforderzeuge wurden mittlerweile auch als FahrerloseTransportfahrzeuge (FTF) realisiert. Fur die speziellen Aspekte der Fahr-zeugsteuerung sei auf [23, 24] verwiesen. Fur die Ablaufoptimierung geltengrundsatzlich die gleichen Grundsatze wie fur manuelle Systeme.

VerschiebewagenVerschiebewagen, auch als Verteilwagen oder Quertransportwagen (QTW)bezeichnet, sind bodengebundene, schienengefuhrte Transportwagen, die uberein Lastaufnahmemittel (Rollen- oder Kettenforderer) zur selbststandigenAufnahme und Abgabe von Ladeeinheiten dienen. Sie verfahren zwischen festdefinierten Ubergabepunkten, verbinden so verschiedene Zu- und Ablaufe undermoglichen daruber hinaus eine Sortier- und Verteilfunktion. Der haufigsteEinsatz ist die Verteilung innerhalb einer Regalvorzone, wo Verschiebewageneine kostengunstige Alternative zu Stetigforderkreislaufen bilden.

Da ein einzelner Verschiebewagen typischerweise mehrere Gewerke forder-technisch verbindet, ist seine Leistung besonders kritisch zu prufen. Zur Erzie-lung einer ausreichenden Systemleistung sind die Fahrzeuge maschinenseitighinsichtlich der Beschleunigungs- und Geschwindigkeitswerte optimiert. Ei-ne auf den speziellen Einsatzfall abgestimmte Fahrstrategie ist ebenfalls vongroßer Bedeutung fur die Systemleistung. Hier sind zumeist applikationsspe-zifische Strategien zu entwickeln, welche die Wahl der kurzesten Anschlusswe-ge und das Auftragsalter gleichermaßen berucksichtigen. Gegebenenfalls istauch die Wahl einer geeigneten Leerlaufposition einzuplanen.

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3.2 Fordersysteme 107

Abbildung 3.23. Regalbediengerat zum Palettenhandling [Foto: STOCKLIN SIE-MAG]

RegalbediengerateRegalbediengerate (RBG) sind schienengefuhrte Fordermittel zur Bedie-nung von Zeilenregalen (s. Abb. 3.23). Durch den Einsatz von Regalbedien-geraten konnte die Bauhohe von Palettenregalen gesteigert und damit dieFlachennutzung wesentlich verbessert werden. Typische Systeme erreichenbis zu 50m Hohe bei bis zu 150m Gassenlange.

Aufbau Das RBG besteht aus ein bis zwei Masten, einem daran vertikalverfahrbaren Hubwagen, der ein oder mehrere Lastaufnahmemittel (LAM)tragt, und dem Fahrwerk. Das RBG ist boden- und deckenseitig gefuhrt. DerFahrantrieb erfolgt uber Reibrad- oder Zahnriemenantrieb, in Einzelfallenmit Seilen, im Fahrwerk uber die Bodenschiene. Bei Zugmittelantrieben kom-men sowohl stationare Riemen und mitbewegte, auf dem Fahrwerk montierteAntriebe als auch stationare, extern angeordnete Antriebe und bewegte, amRBG angeschlagene Riemen zum Einsatz. Die Lange der Zugmittelantriebe

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108 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

ist jedoch aus Schwingungsgrunden auf mittlere Gassenlangen begrenzt. Beihochdynamischen Geraten wird ggf. ein zusatzlicher Antrieb an der oberenFuhrungsschiene vorgesehen.

Regalbediengerate eignen sich zur Bedienung aller Regaltypen mit Ope-ration in der Regalfront (Paletten und Behalterregale sowie Durchlauf- /Einschubregale). Bei Kanallagern konnen sie wiederum mittelbar eingesetztwerden, beispielsweise als Umsetzer von Kanalfahrzeugen oder Satelliten zwi-schen einzelnen Lagerkanalen.

Lastaufnahme Die Art und Anzahl der auf dem Hubwagen befindlichenLastaufnahmemittel beeinflussen in großem Maße Leistung und Arbeitswei-se des Systems sowie die erforderliche Gestaltung der Systemschnittstel-len. Das grundlegende Prinzip der Lastubergabe wird durch Form und Ge-wicht der Ladeeinheit bestimmt. Im Bereich des Palettenhandling (Lasten>300kg) wird die Last ublicherweise mittels Teleskopgabel in das Lager-fach gesetzt. Dadurch tritt keine Relativbewegung zwischen Fach und La-deeinheit auf. Dieser Prozess erfordert allerdings durch sequenzielle Bewe-gungsablaufe (Positionierung vor Lagerfach– Gabel ausfahren– Kurzhub desHubwagens – Gabel einfahren) und damit verbundene Positionierzeiten rela-tiv lange Lastubergabezeiten.

Bei speziellen Ladeeinheiten im Schwerlastbereich, die einer kontinuier-lichen und großflachigen Unterstutzung bedurfen (insb. Luftfrachtpaletten(Unit Load Devices ULD)), ist das Prinzip der Teleskopgabel aufgrundder linienformigen Lastunterstutzung nicht einsetzbar. Dazu werden Rol-lenforderer sowohl auf dem Lastaufnahmemittel als auch im Lagerfach ein-gesetzt, was unter anderem kurzere Lastubergabezeiten ermoglicht, aus Kos-tengrunden jedoch nur bei den genannten Ladeeinheiten ohne ausreichendsteifes Ladehilfsmittel zum Einsatz gelangt.

Im Bereich der leichten Stuckguter (Tablare, Behalter; vgl. Abschn. 3.1.2)ergeben sich dagegen vielfaltige Gestaltungsformen der Lastubergabe, da u. a.ein Ziehen der Einheiten unproblematisch moglich ist (entsprechend glatteund ebene Boden der Ladeeinheit und reibarme Regalaufnahmen vorausge-setzt). Verschiedene Formen der Lastaufnahmemittel sind in Abb. 3.24 dar-gestellt.

Steuerung und Betrieb Der leistungsorientierte Betrieb von Regalbedien-geraten setzt eine zeitnahe Ansteuerung der RBG-Funktionen voraus. Ausdiesem Grund werden zur Steuerung eigene Systemsteuerungen in Form au-tarker Materialflussrechner (MFR) und unterlagerter Geratesteuerungen zurAusfuhrung und Optimierung der Bewegungsablaufe auf der Feldebene ein-gesetzt. Auf dem Materialflussrechner sind die Strategien zur Lagerplatzver-gabe (vgl. Tabelle 2.2) und zur Auslagerung (vgl. Tabelle 2.4) abgebildet.Zur Umsetzung ist außerdem die bereichsbezogene Platzverwaltung auf demMFR installiert.

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3.2 Fordersysteme 109

a)

Abbildung 3.24. Lastaufnahmemittel von RBG: a Ziehvorrichtung b Unterfahr-Teleskop c Greifer d Reibriemen [Fotos: TGW]

Sonderbauformen Eng verwandt mit RBG sind die Stapelkrane, die eineVerbindung von RBG und Bruckenkran darstellen. Am Katzfahrwerk desKranes ist ein vertikaler Mast mit der Funktionalitat eines RBG-Mastes(Lastfuhrung, Hubwagen und Lastaufnahmemittel) angebracht. Der wesentli-che Unterschied besteht in der hangenden Ausfuhrung des Systems ohne denBedarf von Bodeninstallationen, wodurch sich das System u. a. fur den Be-trieb in Verschieberegalanlagen (s. Abschn. 3.1.3) eignet. Ein ahnliches Prin-zip verfolgt der so genannte TransFaster, bei dem das Lastaufnahmemittelhangend an einem Katzfahrwerk angebracht ist. Das Katzfahrwerk verfahrtwie ein Kanalfahrzeug auf seitlichen Schienen innerhalb einer Gasse. Dadurchkonnen auch mehrere Fahrwerke auf verschiedenen Hohenniveaus in einemRegalgang verfahren.

Ahnlich dem RBG ist auch das”Hubbalkensystem“, das im Prinzip ein

um 90◦ gedrehtes RBG darstellt. Der Mast in Form eines horizontalen Hub-balkens ist seitlich an vertikalen Schienen gefuhrt, auf dem Balken verfahrtder Hubwagen analog zur Krankatze das Lastaufnahmemittel. Durch dieseBauform konnen die mitbewegten Antriebe reduziert und die Dynamik desSystems erhoht werden. Diese Vorteile kommen jedoch nur bei kleineren La-gersystemen zum Tragen.

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110 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

ElektrohangebahnElektrohangebahnen (EHB) sind flurfreie, automatische Unstetigforderer. Aneiner an der Decke oder an Stutzen abgehangten Schiene verfahren elektrischbetriebene Einzelfahrzeuge, die im Allgemeinen uber an der Schiene mon-tierte Schleifleitungen mit Energie versorgt werden. Das Fordergut wird uberLastgehange, Greiftraversen oder verschiedene Formen von Haken und He-bezeugen unterhalb des Fahrzeuges transportiert. Die vielfach eingesetztenLastgehange konnen auch mit aktiven Lastaufnahmemitteln (Rollenbahnen,Tragkettenforderern) ausgerustet werden und dadurch die Lastubergabe op-timieren und daruber hinaus zur Stuckgutverteilung eingesetzt werden. ImLagerbereich werden EHB haufig zur Verbindung verschiedener funktionalerBereiche (z. B. Wareneingang und Hochregal) eingesetzt.

Ein EHB-System ist ein universell einsetzbares Fordersystem. Die Be-ladung erfolgt im Stillstand, so dass auch große und schwere Lasten sicherubergeben werden konnen. Fahrgeschwindigkeiten bis zu 2m/s ermoglichengleichzeitig die effiziente Uberbruckung großer Distanzen und hohe Durchsat-ze. Durch zahlreiche Verzweigungs- und Zusammenfuhrungselemente (Dreh-kreuze, Zwei-/Dreiwegeweichen, Parallelweichen) sowie Steig-/Gefallestre-cken und Heber konnen umfangreiche Transportnetze realisiert werden. Beigroßen Nutzlasten und hohen Durchsatzen bieten sich an Steigstrecken ggf.Steighilfen an, um den technischen Aufwand an den Einzelfahrwerken, die inSpezialausfuhrung und bei leichten Lasten auch eigenstandig 90◦-Passagenuberwinden konnen, zu begrenzen. Durch angepasste Fahrzeuganzahl oderparallele Pufferstrecken konnen auch verschiedene Pufferaufgaben erfullt wer-den. Typische Standardlasten pro Fahrzeug betragen ca. 300–1000kg, dane-ben werden auch Systeme fur geringere und deutliche hohere Lasten errich-tet. Zur Erhohung der moglichen Traglast werden Einzelfahrwerke gekoppelt,wobei zumeist ein getriebenes Zugfahrzeug und ein oder mehrere nicht ange-triebene Fahrwerke zusammengeschlossen werden.

Die zur Ansteuerung der Einzelfahrzeuge erforderlichen Steuerungsbefeh-le werden entweder uber die Schleifleitungen oder kontaktlos uber Funk oderInfrarot ubertragen. Zur Verschleißminimierung werden auch beruhrungsloseFormen der Energieubertragung (induktive Kopplung) eingesetzt. Neben derfahrzeugbezogenen Steuerung (z. B. Lastubergabe, Abstandsuberwachung zuvorausfahrenden Fahrzeugen) ubernimmt ein Systemrechner die Vorfahrt-regelung an komplexen Streckenabschnitten (Kreuzungen, Einmundungen),steuert das Schienennetz (Weichen etc.), sorgt fur die Vermeidung von Dead-locks und optimiert die Systemleistung.

Sonderbauformen Einen Sonderfall der EHB stellen die Elektrotragbahn(ETB) und die Elektropalettenbahn (EPB) (vgl. [75]) dar. In beiden Fallenwird ein EHB-vergleichbares Schienensystem auf dem Boden montiert, imFall der EPB zwei parallele Schienen. Das Fordergut wird oberhalb des Fahr-

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3.2 Fordersysteme 111

werks transportiert, wodurch sich dieses System in speziellen Anwendungenbesser integrieren lasst. Bezuglich Ansteuerung und Organisation verhaltensich beide Systeme analog zur EHB.

KraneKrane zahlen zu den klassischen Umschlagmitteln im Materialfluss. Sie wer-den vorzugsweise zum Fordergutwechsel zwischen unterschiedlichen Trans-portmitteln und zur Manipulation schwerer Lasten eingesetzt. Ein wesent-liches Merkmal aller Kranbauformen ist der flurfreie Transport in nahezubeliebiger Richtung ohne Inanspruchnahme von Verkehrswegen.

Hinsichtlich ihrer Bauform lassen sich linear verfahrbare Krane mit qua-derformigem Arbeitsraum und Drehkrane mit zylindrischem Arbeitsraum un-terscheiden. Im außerbetrieblichen Einsatz befinden sich daneben verschiede-ne Formen von Fahrzeugkranen, die hier nicht weiter vertieft werden sollen(vgl. dazu [65]).

Zu den Kranen mit quaderformigem Arbeitsraum zahlen die Folgenden:

Bruckenkrane Uber dem Arbeitsbereich sind seitlich Laufschienen (Kran-bahnen) montiert, die sich direkt in das Gebaude abstutzen. Die Kran-brucke uberspannt den Arbeitsbereich und verfahrt uber seitlich ange-ordnete Kopftrager. Oberhalb, seitlich oder unterhalb der Kranbruckeverfahrt das Katzfahrwerk, an dem das eigentliche Hebezeug (Seil- oderKettenzug) befestigt ist. Seitlich angeordnete Katzen oder Winkellaufkat-zen leiten ein Torsionsmoment in die ansonsten nur auf Biegung bean-spruchte Kranbrucke ein, ermoglichen jedoch eine Minimierung der Kran-bauhohe und dadurch eine Vergroßerung des Arbeitsbereiches. Die Ver-fahrbewegung und Ableitung der Krafte in die Kranbahn erfolgt i. Allg.uber Stahllaufrader.

Hangekrane Die Laufschienen sind im Gegensatz zum Bruckenkran un-terhalb der Hallendecke montiert, so dass der Kran vollstandig unter-halb der Schiene hangt. Dadurch wird der Arbeitsbereich vergroßert, dadie Laufkatze auch unterhalb der Schiene operieren kann. Ebenso ist einUberwechseln der Laufkatze in andere Hallenbereiche moglich.

Stapelkrane Basierend auf einem Brucken- oder Hangekran besitzt der Sta-pelkran anstelle des Seil- oder Kettenhubwerks einen festen, ggf. teles-kopierbaren Mast. Dadurch wird die bei Kranen sonst ubliche Pendelnei-gung des Lastaufnahmemittels mechanisch umgangen, so dass sich derStapelkran insbesondere zur Regalbedienung und zur dynamischen Dia-gonalfahrt eignet.

Portalkrane Falls eine Abstutzung der Kranbrucke uber das Gebaude nichtmoglich ist, kann die Kranbrucke uber eigene Stutzen auf dem Boden ver-fahren. Je nach Baugroße wird dabei eine Stutze als Pendelstutze aus-gefuhrt, um Spannungen in den Rahmenecken durch Warmeeinwirkungenoder Toleranzen in der Kranbahn zu umgehen. Die großere Masse und

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112 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Form der Abstutzung lasst gegenuber den Bruckenkranen nur geringeredynamische Bewegungen zu.

Konsolkrane Der Konsolkran wird langs einer senkrechten Wand ver-fahren und kragt in den Arbeitsbereich hinein. Die Laufschienen sindubereinander angeordnet. Sie werden nur fur geringere Lasten und klei-ne Kragweiten ausgelegt und ggf. unterhalb eines weiteren Bruckenkransbetrieben.

Krane mit zylinderformigem Arbeitsbereich basieren auf einem drehbargelagerten Ausleger. Der Ausleger kann sowohl schwenkbar gelagert sein alsauch uber eine Laufkatze verfugen, um verschiedene Radien des Arbeitsrau-mes zu bedienen. Im innerbetrieblichen Einsatz kommen Drehkrane nur alsSaulendrehkrane an Industriearbeitsplatzen zum Einsatz und besitzen furden Materialfluss in Lager- und Distributionssystemen eine untergeordneteRolle. Im außerbetrieblichen Einsatz werden dagegen verschiedenste Formenvon Drehkranen an Kaianlagen und im Baugewerbe eingesetzt.

Kraneinsatz in Lagersystemen Krane werden vorzugsweise zur Lager-bedienung sehr schwerer Stuckguter wie Stahlcoils, Papierrollen, Stahltafelnoder besonderem Langgut eingesetzt. Dabei erfolgt die Lagerung oftmals inBlocklagerung und die Bedienung von oben. Zu diesem Zweck werden auchautomatisierte Systeme eingesetzt, da die Bedienung und Lagerverwaltungaus den in Abschn. 3.1.1 (vgl. S. 75) geschilderten Grunden problematischist. Die Einsatzmoglichkeit bedarf dabei zwangslaufig eines selbstwirkendenLastaufnahmemittels (Magnet- oder Sauggreifer oder Zangen) sowie einer ge-eigneten Steuerung zur Pendelkompensation. Der automatische Kranbetriebdarf nur in abgesperrten Bereichen ohne Personenverkehr erfolgen.

Die Lagerortverwaltung setzt in diesem Fall eine exakte Erfassung desLagerplatzes voraus, da die Lagerguter typischerweise unterschiedliche Ab-messungen aufweisen und die Lagerplatze je nach Stapelbildung variieren.Gleichzeitig ist die Berucksichtigung der Stapelreihenfolge erforderlich. DieDurchsatzleistung ist konsequenterweise von den Lagerstrategien und erfor-derlichen Umlagerungen abhangig. Ebenso werden Krane zur Regalbedie-nung eingesetzt (sowohl automatisch als auch manuell), wobei die gleichenAnforderungen an das Steuerungssystem gelten wie bei Regalbediengeraten.Daneben finden Krane Einsatz als Umschlaggerate im Wareneingang und-ausgang. Dabei werden sowohl einzelne Guter als auch Ladeeinheiten wieContainer umgeschlagen.

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3.3 Sortier- und Verteilsysteme 113

3.3 Sortier- und Verteilsysteme

Sortier- und Verteilsysteme, haufig nur kurz Sorter genannt, sind automa-tische Anlagen, die eine große Menge an Gutern in kurzer Zeit sicher nachspeziellen Kriterien verteilen sollen. Einzelne Prozesse konnen innerhalb desVerteilprozesses auch manuell ausgefuhrt werden.

Durch steigende Anforderungen hinsichtlich der Durchlaufzeit und derBetriebskosten, aber auch durch veranderte Versandstrukturen mit einemWandel zur hochfrequenten und bedarfszeitpunktgerechten Belieferung klei-ner Mengen spielen diese Systeme eine immer wichtigere Rolle. Im Folgen-den sollen die elementaren Systemstrukturen und Verteilprinzipien dargestelltwerden.

3.3.1 Einsatzfelder

Die Anforderungen an den Verteilprozess variieren in einzelnen Einsatzberei-chen erheblich. Im Bereich der Lager- und Distributionssysteme lassen sichfolgende Einsatzbereiche unterscheiden:

Umschlagsysteme der Post und Paketdienstleister In diesem Anwen-dungsfall sind eingehende Sendungen in moglichst kurzer Zeit auf abge-hende Touren zu verteilen. Im regionalen Umfeld gesammelte Sendungenwerden in Kleintransportern an einem so genannten Hub angeliefert undje nach Zielort sowohl auf abgehende Transporte zu anderen Hubs alsauch auf regionale Lieferungen, die vom selben Hub bedient werden, ver-teilt. Die zur Verfugung stehende Zeit innerhalb des Hubs ist aufgrundder kurzen Lieferzeiten auf wenige Stunden begrenzt. Die Distanz zumZielort bestimmt dabei die Prioritat des Sortierauftrags.Die eingehenden und abgehenden Strome bzw. Zuordnungen liegen weit-gehend fest. Das einzelne Sendungsstuck besitzt immer einen eindeutigenZielort. Die Umschlagsysteme sind durch ausgepragte Lastspitzen mitpulsierenden Anliefermengen gepragt. Das Sortiergutspektrum ist sehrgroß und uneinheitlich, da die Sortierguter beim versendenden Kunden,also außerhalb des Systems, erzeugt werden. Vorgaben bestehen hinsicht-lich des Gutgewichtes und der Abmessungen (zulassiges Gurtmaß haufig= Lange + 2×Breite + 2×Hohe = 3000mm).

Kommissioniersysteme Insbesondere in zweistufigen Kommissioniersys-temen ist die automatische Verteilung praktisch ein elementarer Be-standteil des Kommissioniersystems (s. Abschn. 2.2.5). Die in der er-sten Stufe zu Kommissionierbatches zusammengefassten Kundenauftragewerden fur den Versand separiert. Da die Menge der taglich abzuarbei-tenden Kundenauftrage die mogliche Endstellenanzahl oftmals deutlichuberschreitet, werden die Kundenauftrage zu Stapeln zusammengefasst,die nacheinander abgewickelt werden. Somit werden die Artikel bei je-dem Lauf neu zugewiesen. Ebenfalls ist die Zuordnung einer einzelnen

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114 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Einheit nicht eindeutig, da derselbe Artikel in verschiedenen Kundenauf-tragen gefordert sein kann3 und sich somit zur Zuweisung auf mehrereZiele qualifiziert. Daher hangt die Sortierleistung in diesem Anwendungs-fall unter anderem auch von der Anwendung geeigneter Zuweisungsregelnab.Aber auch in einstufigen, auftragsparallel arbeitenden Kommissioniersys-temen konnen durch Sortereinsatz Rationalisierungspotenziale erschlos-sen werden. Die Zusammenfuhrung von Teilauftragen zu Versandauf-tragen (Behaltersortierung) stellt dabei andere Anforderungen an dasVerteilsystem: die Sortierguter sind zusammengefasste Mengen (Behalter,Kartonagen), der Durchsatz ist relativ gering und die in der Endstelle zupuffernde Menge (oftmals Versandtour) relativ groß.

Retourensortierung Retouren stellen besondere Anforderungen an denWareneingang und die Behandlung im System (s. Abschn. 2.2.1). BeiRuckeinlagerung der retournierten Waren erfolgt eine Verteilung auf ein-zelne Lagerbereiche. Ebenso ist eine direkte Einbeziehung der Artikel inden laufenden Kommissionierprozess moglich, um Lagerprozesse zu um-gehen.

Gepackabfertigung Kritische Kennzahl aller Flughafen ist die kurzesteAnschlusszeit (Minimum Connecting Time, MCT), um den sicherenGepacktransfer bei Anschlussflugen sicherzustellen. Auf großen Flughafenist eine kurze Prozesszeit nur durch umfangreiche fordertechnische An-lagen mit Sortier- und Verteilfunktionalitat moglich. Besondere Anfor-derungen stellt dabei das Sortiergut (Fluggepack), dessen Gutform und-eigenschaften nicht prazise definierbar sind. Neben nahezu beliebigenFormen und Steifigkeiten sind an den Gutern Schlaufen, lose Riemenusw. vorhanden.

3.3.2 Grundsatzlicher Aufbau von Sortiersystemen

Augenfalliges Merkmal eines Sortiersystems ist der Verteilstrang mit der je-weiligen Verteiltechnik. Die sichere Systemfunktionalitat erfordert auch vor-und nachgeschaltete Systemelemente. Es lassen sich funf funktionelle Be-standteile unterscheiden [72]:

• Systemeingabe• Vorbereiten• Identifizieren• Verteilen• Systemausgabe

3 Dieser Zustand ist das eigentliche Ziel des Kommissionierprinzips, um Kommis-sionierwege in der ersten Stufe (artikelweise Kommissionierung) zu reduzieren.

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3.3 Sortier- und Verteilsysteme 115

SystemeingabeAufgabe der Systemeingabe ist die Angleichung der Arbeitscharakteristik desSorters an das vorgeschaltete System. Pulsierende Eingangsstrome mussenbeispielsweise mit der konstanten Arbeitsweise des Verteilsystems mit einerfesten Verteilleistung in Einklang gebracht werden. Dazu sind beispielsweiseEntladebahnen zur Entleerung eingehender Transporter mit entsprechendenPufferkapazitaten vorzusehen.

Auch in großeren Kommissioniersystemen ist die zeitgerechte Abarbei-tung und Bereitstellung eines Kommissionierbatches systemtechnisch nichtohne weiteres moglich. Zur Entkopplung der ersten von der zweiten Stufekann daher die Pufferung mehrerer Batches vor dem Sorter erforderlich sein.

VorbereitenDie effiziente Arbeitsweise eines automatischen Systems kann im Allgemeinendadurch unterstutzt werden, dass die Freiheitsgrade der zu bearbeitendenObjekte begrenzt werden, was auch auf Verteiltechniken zutrifft. Je nachAusfuhrung des Systems gehoren zu dieser Funktionsgruppe von Sortier- undVerteilsystemen daher folgende Tatigkeiten:

Vereinzeln Die Erfassung und Zuteilung einer Sequenz von Gutern bedarfdefinierter Zwischenabstande zur unbeeintrachtigten Verarbeitung. Daslasst sich beispielsweise durch zwei hintereinander geschaltete Stetigfor-derer mit Fordergeschwindigkeiten v1 < v2 erzielen.

Ausrichten Fur eine prazise Durchfuhrung des Ausschleusvorgangs aufdem Verteilforderer werden die Sortierguter in unterschiedlicher Art zumVerteilkreislauf ausgerichtet. Verteilsysteme wie Abweiser oder Schwenk-rollensorter benotigen zur sicheren Gutabgabe die Vorpositionierung aufden Rand des Forderers, wozu beispielsweise Rollenfordererabschnittemit schraggestellten oder konischen Rollen vor der Gutaufgabe eingesetztwerden. Bei Forderern mit Einzelplatzbelegung verbessert die Orientie-rung des Sortiergutes mit der Langsrichtung parallel zum Verteilkreislaufdie mogliche Flachennutzung des Schalensegmentes und ggf. den Platz-bedarf in der Endstelle. Zu diesem Zweck werden Zuforderer und Aufga-beforderer in einem entsprechenden Winkel zueinander justiert, oder eswird eine manuelle Aufgabe eingesetzt.Die sichere Identifizierung des Fordergutes ist ebenfalls elementare Vo-raussetzung fur einen storungsarmen Sorterbetrieb. In verschiedenen Ab-laufen kann die Position des Identifizierungsmerkmals jedoch beliebigsein. Um den Einsatz kostenintensiver Allseiten-Erfassungsgerate (Scan-nerbrucken) zu umgehen, ist die Ausrichtung des Identifizierungsmerk-mals zum Lesegerat vorteilhaft. Dieser Vorgang wird uberwiegend manu-ell, z. T. aber auch durch automatisches Kippen in die korrekte Positionbewerkstelligt.

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116 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Aufbringen von Zusatzinformationen Wenn Stuckguter sich nichtdurch Abmessungen, Gewicht, Erscheinungsbild oder vorhandenen Bar-code unterscheiden lassen, ist eine zusatzliche physische oder logischeVerknupfung des Sortierkriteriums mit dem Sortiergut erforderlich.

Gewichtserfassung Die Gewichtserfassung wird zur Vermeidung von Uber-lastungen des Sortiersystems infolge von Gewichtsuberschreitungen oderzur Kontrolle auf Pickfehler eingesetzt.

IdentifizierenDie Identifizierung des Sortiergutes erfolgt ublicherweise via Barcode, in we-nigen Fallen par Klarschrifterkennung. Die Scannung des Barcodes kann anunterschiedlichen Positionen erfolgen, auf der Zufuhrung oder nach Gutaufga-be auf dem Sortierkreislauf. Je fruher die Scannung erfolgt, umso eher bestehtdie Moglichkeit, bei Fehllesungen zu reagieren. Außerdem ist zur Gutaufga-be die Fordergeschwindigkeit haufig niedriger, was die Lesesicherheit erhohtbzw. den Einsatz einfacherer Scanner ermoglicht.

Besitzt das Sortiergut keinen maschinenlesbaren Code, werden verschie-dene Formen einer manuellen Identifizierung eingesetzt. Aus dem Postbe-reich ist beispielsweise das manuelle Eintippen des Zielcodes und Auflegenauf den Zuforderer bekannt. Liegt gemischtes Sortiergut (mit und ohne Ziel-daten auf dem Label) vor, wird in großen Systemen zunehmend auch Tele-coding eingesetzt. Dabei wird an der Identifikationsstelle eine Kamera instal-liert, welche die Bildinformationen an einen externen Bildschirmarbeitsplatzubertragt. Daraus resultieren nicht nur weniger Fehler wegen besserer Ergo-nomie, sondern auch Vorteile hinsichtlich der Personalauslastung. ZwischenLese- und Entscheidungsstelle muss dabei ein ausreichender Abstand vorhan-den sein (Verarbeitungszeit ca. 20 s). Eine wachsende Bedeutung erfahrt dieSpracheingabe (Voice-Coding), die es dem Kommissionierer ermoglicht, mitbeiden Handen zuzugreifen. Spracheingabesysteme werden sowohl in Paket-verteilzentren zur Eingabe von Postleitzahlen oder Routingcodes als auch beider Kommissionierung von Artikeln eingesetzt (s. Abschn. 2.2.5). Insbeson-dere im Postbereich gelangt die Klarschrifterkennung zum Einsatz, die beiLeseproblemen wiederum andere Verfahren (Telecoding) integriert.

VerteilenDer Aufbau eines Verteilsystems lasst sich anhand verschiedener Kriterienklassifizieren:

• Anordnung in Linien- oder Ringstruktur,• Anzahl und Anordnung der Aufgabestellen und• Verteil- oder Ausschleusprinzip.

Bei der Anordnung in Linienstruktur erfolgt die Gutzufuhrung und -ver-teilung auf einer geraden Strecke (s. Abb. 3.25, a+b). Je nach Verteilprinzip

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3.3 Sortier- und Verteilsysteme 117

Abbildung 3.25. Anordnung in Linien- und Ringstruktur

wird der Forderer ggf. am Ende der Strecke vertikal umgelenkt. Die tech-nisch aufwandige Verteilstrecke kann dadurch kurz ausgefuhrt werden. Nichtausgeschleuste Guter (z. B. aufgrund uberfullter Endstellen) mussen uberzusatzliche Standardfordertechnik zur Aufgabestelle am Anfang der Verteil-strecke zuruckgefordert und erneut aufgegeben werden.

Bei der Anordnung in Ringstruktur wird der Verteilparcours zu einem end-losen, horizontal umlaufenden Kreislauf zusammengeschlossen (s. Abb. 3.25,c+d). Die Endstellen und insbesondere die Aufgabestellen konnen an belie-biger Stelle entlang des Kreislaufs angeordnet werden (von sonstigen Res-triktionen abgesehen). Konnen Sortierguter an der vorgesehenen Endstellenicht ausgeschleust werden, so konnen sie ohne erneute Identifikation undZufuhrung auf dem Verteilkreislauf verbleiben und bei der nachsten Passa-ge in die Endstelle abgegeben werden. Gegenuber der Linienstruktur ist beidieser Anordnung eine lange und kostenintensive Verteilstrecke erforderlich.

Die Gutaufgabe lasst sich aus drei Richtungen vornehmen:

1. vertikal von oben,2. horizontal in Forderrichtung, am Beginn der Forderstrecke,3. horizontal, seitlich der Forderstrecke.

Die Form der Gutaufgabe ist nicht frei wahlbar, sondern wird uberwiegenddurch das gewahlte Verteilprinzip bestimmt. Einige Verteiltechniken konnensystembedingt nur von oben, nur von vorne oder nur seitlich befullt werden (s.Abschn. 3.3.3). Seitliche und vertikale Zufuhrung ermoglicht eine Erhohungder Systemleistung durch mehrfache und parallel angeordnete Zufuhrstellen.Außerdem konnen aus verschiedenen Bereichen kommende Forderstreckenunmittelbar an den Verteilkreislauf angeschlossen werden. Demgegenubermuss bei der Horizontalaufgabe in Forderrichtung der gesamte Forderstromvorab auf eine Forderstrecke verdichtet werden.

Die mogliche Leistungssteigerung bei der Nutzung diagonal angeordne-ter Zufuhrstellen (s. Abb. 3.25, d) hangt von der Vorbereitung des Gutstro-mes, dem Ansprechverhalten einzelner Endstellen und dem Rezirkulations-verhaltnis (durchschnittlicher Anteil an Kreislaufern) ab. Im Idealfall wirdder Gutstrom derart vorsortiert, dass die in einem Bereich zugefuhrten

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118 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Systeme mit Einzelplatzbelegung Systeme mit freier Belegung

zu- und abfördernde Systeme

abweisende Systeme

Kraftfeld

Quergurtsorter

Tragschuhsorter

Ringsorter

Kammsorter

Brushsorter

Kippschalen- sorter

Fallklappen- sorter

Drehsorter

Schwenkrollen- sorter

Kanalsorter

Transfere

Schiebeschuh- sorter

Dreharmsorter

Pusher

Abweiser

Abstreifer

Kippgliederband

zu- und abfördernde Systeme

abweisende Systeme

Kraftfeld

Abbildung 3.26. Systematik der Verteiltechniken

Sortierguter auf die unmittelbar folgenden Endstellen ohne Passieren desnachsten Zufuhrbereiches verteilt werden. Dadurch lasst sich nahezu einen-fache Belegung der Verteilstrecke erreichen. Begrenzend wirkt wiederumder Anteil an Kreislaufern. Werden dagegen gemischte Teilstrome an ver-schiedenen Stellen des Kreislaufs zugefuhrt, ist eine Angabe der moglichenLeistungssteigerung aufgrund der zuvor genannten Einflussgroßen nicht pau-schal moglich.

Das Verteilprinzip lasst sich einerseits nach der Art der Belegung derVerteilstrecke beschreiben. Bei Sortern mit Einzelplatzbelegung ist der Ver-teilforderer in diskrete Abschnitte (Schalen) aufgeteilt, die jeweils ein ein-zelnes Stuckgut aufnehmen. Die theoretische Verteilleistung wird durch dieSchalenteilung und die Fordergeschwindigkeit definiert. Bestimmte Anlagenlassen daruber hinaus auch die virtuelle Zusammenschaltung mehrerer Ein-zelsegmente zur Aufnahme uberlanger Sortierguter zu. Bei Anlagen mit frei-er Belegung ist der Verteilforderer beliebig belegbar und lasst dadurch eineOptimierung des Stuckgutabstandes zu, was insbesondere bei einem starkvariierenden Gutspektrum vorteilhaft sein kann, sofern ein entsprechendesSteuerungssystem vorhanden ist.

Andererseits beschreibt das Wirkprinzip des Ausschleusmechanismus dieArbeitsweise der Verteiltechnik. Bei heutigen Systemen werden folgende Prin-zipien genutzt:

zu- und abfordernde Systeme Das Sortiergut liegt auf einem Fordermit-tel auf und wird durch Verfahren des Fordermittels ausgeschleust. DieAusschleusung ohne Relativbewegung zum Fordermittel ermoglicht eineprazise und gutschonende Ubergabe.

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3.3 Sortier- und Verteilsysteme 119

abweisende Systeme Das Sortiergut wird durch ein separates Elementvom Fordermittel abgeschoben. Der Formschluss zwischen Sortiergut undAusschleuselement garantiert ein sicheres Auschleusen, je nach Ausfuh-rung kann das Sortiergut dabei erheblich beansprucht werden.

kraftfeldbasierte Systeme Die Systeme nutzen zur Ausschleusung dieErdbeschleunigung, teilweise auch Zentrifugalkrafte, und konnen dadurchdie Anzahl erforderlicher Antriebe reduzieren. Der Ausschleusvorgangist auch von den Guteigenschaften (Gewicht, Dichte, Schwerpunktlage,Gleiteigenschaften) abhangig und nicht fur alle Guter einsetzbar.

Die Zuordnung gangiger Verteiltechniken anhand dieser Klassifikation istin Abb. 3.26 dargestellt.

SystemausgabeDie an die Endstellen oder Zielstellen gestellten technischen Anforderungensind vielfaltig:

• Die geforderte Auftragsmenge muss sicher gespeichert werden.• Die Guter mussen bei jedem Fullungsgrad nach einem Stillstand sicher

weitergefordert werden.• Die Guter mussen schnell vom Sorter abgezogen werden, um moglichst

viele Guter unmittelbar hintereinander in dieselbe Endstelle ausschleusenzu konnen.

• Die Geschwindigkeit in den Endstellen und der resultierende Staudruckdurfen nicht zu groß sein.

• geringer Platzbedarf• leichte Entleerung durch das Packpersonal (ergonomische Greifhohe, kein

Stoßen der Guter)

Aufgrund der zahlreichen Verwendung im System werden an Endstellenaber auch hohe Anforderungen hinsichtlich der Investitionskosten gestellt.Daher ist es wichtig, fur einen gewahlten Einsatzfall die geeignete Endstel-lentechnik und -dimension zu bestimmen. Gangige eingesetzte Techniken sind

• Rutschen (ebene Rutschen, Stufenrutschen, Wendelrutschen),• Rollenbahnen (angetrieben oder gebremst),• Rollchenbahnen,• Gurtforderer,• Behalter, Wannen, Rollbehalter sowie• Sacke und Versandkartons.

Aus Kostengrunden kommen dabei Rutschen zum Einsatz (s. Abb. 3.27).Bezuglich der Systemintegration ist ferner die Anbindung an anschließendeProzesse zu beachten. Aktive Endstellen wie Rollenbahnen und Gurtforde-rer unterstutzen eine automatisierte Handhabung. Passive Endstellen (oft-mals Rutschen, Behalter etc.) werden durch Mitarbeiter entleert und fur den

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120 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Abbildung 3.27. Rutschen-Endstellen [Foto: BEUMER]

nachsten Sortierauftrag freigegeben. Diesem Arbeitsschritt kommt eine be-sondere Bedeutung fur die Gesamtsystemleistung zu, da die Reihenfolge derzu bedienenden Endstellen und der Weg zwischen den Endstellen zu opti-mieren sind. Um die begrenzte Ressource Packer sinnvoll einzusetzen, sindoptische Zustandsmeldungen vorzusehen und ggf. geeignete Bedienstrategienzu definieren.

3.3.3 Verteiltechniken

Vielseitig und haufig eingesetzte Verteiltechniken fur klassisches Stuckgutsind Quergurtsorter, Kippschalensorter und Schiebeschuhsorter, die im Fol-genden vorgestellt werden. Weitere Systeme sind unter anderem in [24] be-schrieben. Neben den Anwendungen im Stuckgutbereich werden Sorter ins-besondere in der Briefsortierung eingesetzt. Weitere Speziallosungen die hierder Vollstandigkeit halber erwahnt seien, finden sich beispielsweise zur Sor-tierung von Hangeware.

Quergurtsorter Auf einer Wagenkette sind quer zur Forderrichtung Gurt-forderer montiert, die auf die maximale Gutgroße dimensioniert sind (s.Abb. 3.28). Jeder Gurtforderer ist separat verfahrbar. Bei der ublichen Formder seitlichen Gutaufgabe wird der Gurtforderer im Moment der Gutaufga-be synchron zum Zufuhrband verfahren und das Fordergut geht ohne Re-

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3.3 Sortier- und Verteilsysteme 121

Abbildung 3.28. Quergurtsorter [Foto: AXMANN]

lativbewegung auf den Sortierstrang uber. Die Gutabgabe erfolgt beidsei-tig durch Aktivieren des Gurtforderers an der Endstelle. Zum Antrieb desGurtforderers kommen sowohl zwangsgefuhrte Systeme als auch Einzelantrie-be zum Einsatz. Bei der aufwandigeren Ausfuhrung mit Einzelantrieben sindFahr- und Gurtbewegung vollstandig entkoppelt, wodurch nicht nur die Lagedes Gutes auf dem Forderelement nachjustiert, sondern auch die Abwurfbahnsowie die Lage des Gutes in der Endstelle beeinflusst werden konnen. DerAntrieb der gesamten Wagenkette erfolgt mechanisch uber Ketten, Schlepp-oder Schneckenantriebe oder linearmotorisch. Die Umlenkung und Fuhrungder Wagenkette kann sowohl horizontal als auch vertikal erfolgen, wodurchsich das System zum Einsatz in ring- und linienformig angeordneten Struk-turen gleichermaßen eignet.

Kippschalensorter Das Einzelplatzsystem nutzt im Wesentlichen die Erd-beschleunigung zur Ausschleusung der Sortierguter. Es besteht ebenfalls auseiner Aneinanderkettung einzelner Elemente (Wagen). Jeder Wagen besitzteine seitlich zur Forderrichtung kippbare Plattform (Schale), die eine beidsei-tige Gutabgabe ermoglicht (s. Abb. 3.29). Bei der ublichen Form der seitlichenGutaufgabe wird das Sortiergut durch Reibung in der Schale abgebremst(ggf. unterstutzt durch seitliche Fuhrungen). Die Aktivierung an der End-stelle erfolgt uber stationare Schaltnocken. Daneben werden in neueren Sys-temen auch elektrische Einzelantriebe fur jedes Schalenelement vorgesehen,wodurch ebenfalls Fahr- und Ausschleusbewegung entkoppelt werden konnenund großere Freiheiten bei der Gutubergabe bestehen. Auch die Form derKippbewegung kann den Ausschleusvorgang beeinflussen. Das Ziel ist dabeiim Allgemeinen eine Reduzierung der sonst relativ großen Endstellenbreite.Antrieb und Umlenkung erfolgen analog zum Quergurtsorter.

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122 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Abbildung 3.29. Kippschalensorter [Foto: BEUMER]

Schiebeschuhsorter Zwei vertikal umlaufende Ketten sind mit Staben oderProfilen (Tragelemente) zur Aufnahme und zum Transport des Sortiergu-tes versehen. Auf jedem Tragelement ist ein verschiebbares Element (Schie-beschuh) angeordnet, das uber eine Zwangsfuhrung unterhalb der Tragele-mente gesteuert wird (s. Abb. 3.30). Uber ein entsprechendes Schienensystemund Weichen konnen die Schiebeschuhe an den Endstellen derart verfahrenwerden, dass auf dem Tragelement befindliches Sortiergut in die Endstel-le abgeschoben wird. Durch eine geeignete Vorausrichtung der Schiebeschu-he im Untertrum (Rucklauf) der Forderkette ist eine beidseitige Gutabgabemoglich. Die zwangsgesteuerte Gutabgabe erschließt ein weites Gutspektrum.Ausnahmen bilden Guter mit Schlaufen und sehr kleine Guter (<150mm).Das System kommt in Linienanordnung zum Einsatz. Die Gutaufgabe erfolgtvon vorne, horizontal am Beginn der Verteilstrecke.

3.3.4 Steuerung und Strategien

Ein Sortier- und Verteilsystem stellt eine komplexe Einheit eines Material-flusssystems dar und bedarf vielfaltigster Steuerungs- und Optimierungsauf-gaben. Zur Ansteuerung der typenabhangigen Funktionalitaten ist ein se-parates, herstellerseitiges Steuerungssystem auf der Ebene eines Material-flussrechners unumganglich.

Beim Einsatz in der Kommissionierung ist die zyklische Kommunikationmit dem ubergeordneten Leitsystem zur Ubergabe der Sortierkriterien erfor-derlich, die mit jedem Sortierbatch wechseln. Ebenfalls werden daruber die

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3.4 Robotereinsatz in Lagersystemen 123

Abbildung 3.30. Schiebeschuhsorter (Posisorter r©) [Foto: VANDERLANDEINDUSTRIES]

Vollstandigkeit des Sortierauftrags gepruft bzw. Abbruchregeln (z. B. infol-ge fehlender Guter durch Fehllesungen (

”No-Read“) oder fehlerhafter Picks

(”No-Need“)) initiiert. Zur Transparenz der Ablaufe ist die Dokumentation

erfolgter und abgearbeiteter Auftrage erforderlich.Der effiziente Sorterbetrieb ist keine triviale Aufgabe. Hier greifen ver-

schiedenste Steuerungs- und Ablaufstrategien ineinander, beginnend bei derBildung des Kommissionierbatches, uber Starten und Beenden eines Batches,der Priorisierung der Zuweisung von Endstellen usw. bis zur Steuerung desPacksystems. Grundlegende Abhangigkeiten wurden dazu in [43] erarbeitet.Eine sorgfaltige Planung, ggf. unter Hinzunahme einer rechnerbasierten Si-mulation des Gesamtsystems, ist daher sinnvoll.

3.4 Robotereinsatz in Lagersystemen

Roboter sind Handhabungsgerate, die neben der Lage eines Gutes im Raumauch die Orientierung beeinflussen konnen. Sie verfugen uber mindestens dreiunabhangige Achsen. In Lagersystemen werden Roboter zur Palettierung undzur Kommissionierung eingesetzt.

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124 3. Grundlagen der Lager- und Fordertechnik

Abbildung 3.31. Roboter in der Kommissionierung als Portalroboter [Foto:SWISSLOG]

3.4.1 Palettierroboter

Palettierroboter dienen einerseits zur Entlastung des Menschen von mono-tonen und korperlichen Arbeiten bzw. Tatigkeiten, die des umstandlichenEinsatzes von Hilfsmitteln bedurfen und dadurch lange Prozesszeiten erfor-dern. Gegenuber automatischen Spezialanlagen konnen sie flexibler und beigeringerer Arbeitslast auch kosteneffizienter eingesetzt werden. Typische Ro-boter sind in diesem Einsatzbereich Portal- und Knickarmroboter.

3.4.2 Kommissionierroboter

In der Kommissionierung werden sowohl Roboter eingesetzt, die auf Regal-bediengeraten montiert im Regalgang aus dem Fach kommissionieren, alssolche, die auch in separaten Bereichen zur Kommissionierung großerer stan-dardisierter Einheiten von Palettenstapeln dienen. Der technische Aufwandund die realisierbare Leistung hangen dabei wesentlich von der Bereitstellungder Entnahmeeinheiten ab. Je praziser diese erfolgt, umso einfacher ist dieIntegration des Roboters in das Gesamtsystem. Sehr hohe Anforderungen andie Lageerkennung, Vereinzelung und Artikelhandhabung fuhren dagegen zuzeitaufwandigen und kostenintensiven Prozessen.

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4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

Der optimale Betrieb eines Lager- oder Distributionssystems ist dann er-reicht, wenn Kundenauftrage jederzeit punktlich und vollstandig bearbei-tet am Warenausgang zum Versand bereitstehen und auch unter wechseln-den Anforderungen alle dazu erforderlichen operativen Ablaufe mit dem ge-ringstmoglichen Zeit- und Ressourcenaufwand erbracht werden. Um dieseAnforderungen erfullen zu konnen, ist eine vorausgehende Planung und Ab-stimmung, d.h. eine Disposition dieser Ablaufe notwendig.

Die Auftragsdisposition in einem Warehouse Managementsystem hat da-mit die Aufgabe, alle Warenbewegungen im Lager vor der Ausfuhrung denleistungserbringenden Ressourcen zuzuordnen sowie die Zeitpunkte und dieReihenfolge der Auftragsbearbeitung so zu bestimmen, dass eine fristgerechteAuftragsbearbeitung und eine gleichmaßige Systemauslastung ohne Engpasseerreicht und der Anteil unproduktiver Nebenzeiten auf ein Minimum redu-ziert werden.

Im vorliegenden Kapitel werden die Methoden der rechnergestutzten Auf-tragsdisposition und die zugrunde liegenden Algorithmen und Heuristiken antypischen Problemstellungen in einem Lager einfuhrend beschrieben.

4.1 Optimierung in der Ubersicht

Die Optimierung betrieblicher Ablaufe in einem Lager- oder Distributions-system ist eine notwendige Konsequenz aus wirtschaftlichen und technisch-organisatorischen Zielsetzungen.

Jeder im Lager auszufuhrende Arbeitsschritt ist an eine oder mehrereRessourcen, d.h. an Personal und Betriebsmittel gebunden, die Kosten undZeitverbrauche zur Folge haben. Dabei gilt es, die gesamte, aus allen ein-zelnen Arbeitsschritten zusammengesetzte Umschlagsleistung zwischen demWarenein- und -ausgang mit dem geringstmoglichen Aufwand an verfugbarenRessourcen zu erbringen.

Daruber hinaus entstehen durch den Verbund mit Lieferanten und Kun-den weitere Randbedingungen, die ebenfalls bei einer betrieblichen Optimie-rung zu berucksichtigen sind: Vorab vereinbarte Zeitfenster fur die Anliefe-rung durch Lieferanten sowie fur den Versand kundenseitig bestellter Guter

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126 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

am Warenausgang geben einen Rahmen fur die im Verlauf eines Arbeitszeit-raumes auszufuhrenden Tatigkeiten vor. Die Auskunftsfahigkeit uber Warenund Liefer- bzw. Abholtermine gegenuber Kunden wird umgekehrt erst durcheine vorausgehende Disposition ermoglicht.

4.1.1 Hintergrund

Optimal zu handeln bedeutet, aus einer Menge von Handlungsmoglichkeiten

”diejenige Entscheidung (zu treffen), welche eine spezifizierte Zielsetzung am

ehesten erfullt“[40]. Derartige Entscheidungssituationen findet man in allenBereichen des menschlichen Lebens. In der Logistik stehen gleichsam Ent-scheidungsprozesse an, die eine optimierte Auswahl erwarten; ein typischesBeispiel sind die Planungsschritte zur Gestaltung eines Materialflusssystems.Verschiedene systemtechnische Losungsvarianten werden erarbeitet, die fureine weitere Systemauswahl auf letztlich eine Variante zu beschranken sind.Die Auswahl stutzt sich dabei auf die Formulierung der mit dem Material-flusssystem verbunden Zielsetzungen.

In einem großeren Umfang treten Entscheidungssituationen im spaterenBetrieb eines Materialflusssystems auf. Die Auftragsdisposition ist beispiel-haft fur derartige Entscheidungssituationen. Dort gilt es, die optimale Rei-henfolge der Bearbeitung einer Auftragssequenz zu bestimmen.

Optimierung ist die klassische, mit der Gestaltung und dem Betrieb allertechnischen Systeme verbundene Aufgabenstellung. Sie umfasst alle Aspek-te der Systemgestaltung mit der allgemeinen Zielsetzung, eine gewunschteFunktionalitat zu insgesamt geringstmoglichen Kosten herzustellen. Entspre-chend vielfaltig und unterschiedlich in ihrer Anwendung sind die unter demBegriff Optimierungstheorie vereinten Methoden.

Zunachst soll daher eine Einfuhrung in die Grundzuge der Optimierungs-theorie gegeben werden. Im Anschluss erfolgt eine Einordnung lagerlogisti-scher Optimierungsprobleme in diesen breiten wissenschaftlichen Kontext.

Grundsatzlich ist Optimierung gleichzusetzen mit der zielorientierten Su-che nach dem bestmoglichen Ergebnis innerhalb eines vorgegebenen Hand-lungsspielraumes bzw. innerhalb einer Menge gegebener Handlungsalterna-tiven. Gesucht ist diejenige Alternative, mit der ein optimales Ergebnis ineiner der folgenden Auspragungen erreicht wird [26]:

• mit einem gegebenen Aufwand das bestmogliche Ergebnis erzielen (Maxi-mierungsproblem)

• ein definiertes Ergebnis mit dem geringstmoglichen Aufwand erreichen (Mi-nimierungsproblem)

• ein bestmogliches Ergebnis mit dem geringsten Aufwand erreichen (sog.Dualproblem)

Zur Bestimmung der optimalen Losung mussen die Alternativen quanti-fizierbar, d.h. gegeneinander bewertbar sein. Wesentliche Elemente der Opti-mierung sind daher die Definition der Zielkriterien, anhand derer optimiert

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4.1 Optimierung in der Ubersicht 127

werden soll, sowie die Aufstellung einer Zielfunktion, mit welcher der Zieler-reichungsgrad bzw. die Optimalitat einzelner Alternativen ermittelt werdenkann. Die allen Optimierungsproblemen zugrunde liegende Aufgabenstellunglautet danach allgemein [40]:

Bestimme das Gesuchte (W ) unter Berucksichtigung des Gegebenen(G), so dass eine Zielfunktion Z(W, G) minimiert oder maximiertwird.

Verschiedene wissenschaftliche Disziplinen haben wesentlich zur Entwick-lung anwendungsspezifischer mathematischer Losungsverfahren fur Optimie-rungsprobleme beigetragen. Zu nennen sind u. a. die Spieltheorie und dieEntscheidungstheorie [44], die allerdings vorrangig zur Losung okonomischerFragestellungen herangezogen werden.

Zwei historisch aus unterschiedlichen Aufgabenstellungen entstandenewissenschaftliche Bereiche beschaftigen sich unmittelbar mit den Problemender Planung und betrieblichen Optimierung:

Operations Research (OR) (engl. Unternehmensforschung) hat die Ent-wicklung von Methoden und Verfahren (Algorithmen) zur Bestimmung op-timaler Losungen zum Ziel. Typische Anwendungsfelder des OR sind dieErstellung von Zeitplanen (Schedules) und die Reihenfolgeplanung von Ar-beitsschritten sowie die Losung von Standortproblemen, die z.B. in der La-gerplanung zur Wegminimierung durch eine entsprechende Anordnung vonLagerbereichen auftreten. Ein wichtiges Kriterium des OR ist der Aufwandzur Losungsbestimmung. Wie im weiteren Verlauf dieses Kapitels noch dar-gestellt wird, existieren Optimierungsprobleme, die sich durch Rechner inendlicher Zeit nicht optimal bzw. uberhaupt nicht losen lassen.

Artificial Intelligence (AI) (engl. Kunstliche Intelligenz – KI) geht uberdie Methoden des OR hinaus, da sie den Aspekt autonomer Entscheidungs-findung bei Maschinen (Rechnern) mit einbezieht und versucht, Muster derHumanintelligenz auf Rechner zu transformieren. Beispielhaft sei die Model-lierung bestimmter Optimierungsprobleme mit Hilfe kunstlicher neuronalerNetze genannt. Hierbei steht weniger die Bestimmung der exakten optimalenLosung eines Problems, sondern die generelle Losungsmoglichkeit in akzep-tabler Laufzeit auch unter Einbußen in der Losungsgute im Vordergrund.

Eine klare Abgrenzung beider Disziplinen ist angesichts z.T. identischerAnwendungsbereiche und sich uberschneidender Methoden heutzutage nichtmehr auszumachen, beide sind als rechnergestutzte Verfahren in der Infor-matik vereint.

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128 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

4.1.2 Einordnung der betrieblichen Optimierung

In allen Phasen eines Lager- oder Distributionssystems, d.h. von der Planungbis zum spateren Betrieb, treten Fragestellungen der Optimierung auf. Alsgenerelle Zielsetzungen der Optimierung konnen u. a. folgende festgehaltenwerden:

• gleichmaßige Auslastung der Betriebsmittel und des Personals• Vermeidung unproduktiver Nebenzeiten• Minimierung des Leerfahrtenanteils von Fordermitteln• Minimierung der Auftragsdurchlaufzeit• Einhaltung vorgegebener Zeitfenster der Auftragsbearbeitung

Ein erster Ansatz zur Klassifizierung ist der zeitliche Horizont der ver-schiedenen, nachfolgend vorgestellten Problemstellungen.

Langfristige Planungsaufgaben beinhalten die Auslegung eines Lagersys-tems mit den strategischen Fragestellungen:

• Dimensionierung von Lagerflachen und Auswahl der Lagersystemtechnik• Bildung eines Lagerlayouts (Anordnung der Lagerbereiche und Zugangs-

wege)• Erstellung grundlegender Betriebsstrategien und Nachweis der System-

funktionalitat, beispielsweise durch Simulation

Bei der Aufstellung eines Lagerlayouts sind die Lagerbereiche und We-ge so anzuordnen, dass die im Vorfeld der Planung prognostizierten Wa-renmengen durch die ausgewahlte Systemtechnik mit insgesamt minimalemTransportaufwand bewaltigt werden konnen. Zwar ist die Anlagenplanungkein Bestandteil der betrieblichen Optimierung, es sei jedoch darauf hinge-wiesen, dass bereits in dieser Phase eine mitunter sehr detaillierte Kenntnisuber einzusetzende Betriebsstrategien fur den Betrieb der verschiedenen Ar-beitsbereiche eines Lagersystems erforderlich sein kann. Zum Nachweis derGesamtfunktionalitat konnen die spater einzusetzenden und in einem WMSabzubildenden Betriebsstrategien in einem Simulationsmodell implementiertund auf diese Weise fruhzeitig optimiert werden.

Mittelfristige, beispielsweise in monatlichen oder wochentlichen Abstandenanstehende Planungsprozesse orientieren sich an den uber diese Zeitraumeaggregierten Umschlagszahlen eines Lagersystems und sollen die im Systemvorgehaltenen Ressourcen auf saisonal schwankende Anforderungen anpas-sen. Typische Planungsaufgaben sind danach die

• Sortimentsplanung (Anpassung des im Lager vorzuhaltenden Artikelspek-trums als Reaktion auf saisonale bzw. marktbestimmte Einflusse),

• Personalbedarfsplanung (Erstellung von Schichtenmodellen bzw. Arbeits-zeitplanen),

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4.1 Optimierung in der Ubersicht 129

• Reorganisation von Lagerbestanden, z.B. Umlagerungen anhand vorausge-hender ABC-Analyse1.

Eine Reorganisation von Lagerbestanden durch Umlagerung von Arti-keln mit haufigem Zugriff in vordere Lagerbereiche ist fur sich genommenebenfalls eine betriebliche Optimierungsmaßnahme, die zur Erhohung derZugriffsgeschwindigkeit auf Artikel eingesetzt wird und damit insgesamt zurMinimierung von Auftragsdurchlaufzeiten beitragen kann. Sofern genugendKapazitaten zur Auftragsbearbeitung im Lager vorgehalten werden, kann die-se Maßnahme auch in kurzeren Zyklen erfolgen, allerdings ist der zusatzlicheAufwand fur die Umlagerungen mit dem sich einstellenden Einsparpotenzialabzugleichen.

Unter betrieblicher Optimierung im eigentlichen Sinn ist die operativePlanung, d.h. die Disposition der im Tagesgeschaft abzuwickelnden Arbeits-ablaufe zu verstehen. Sie ist am aktuellen, i. Allg. taggenauen Bestell- und Lie-feraufkommen orientiert und bildet ein geplantes Betriebsgeschehen maximaluber einen Zeitraum weniger Tage oder Stunden ab. Die darin zu erfullendenAufgaben sind

• Ressourcenzuordnung, Terminierung und Reihenfolgeplanung von Kommis-sionier- und Transportauftragen,

• Routenplanung von Transporten im Lager,• ubergreifende Planung von Batches (engl. Auftragsstapel), d.h. Vorplanung

aller vorgenannten Arbeitsprozesse im Lager.

Der fur die Disposition zur Verfugung stehende Planungszeitraum vari-iert je nach Aufgabenstellung und wird zudem durch kurzfristige Anderungenwie zwischenzeitlich eingehende Eilauftrage, ungeplante Wareneingange (An-lieferung ohne vorhergehende Terminierung durch den Lieferanten, falscheLiefermengen) oder Storungen im laufenden Betrieb beeinflusst.

Abhangig von den vorliegenden Auftragsdaten der zu disponierenden Auf-trage und der fur die Disposition verfugbaren Zeit werden die Optimierungs-aufgaben weiterhin unterschieden in Offline- und Online-Probleme.

Offline-Probleme sind dadurch gekennzeichnet, dass alle Auftragsinforma-tionen vor einer Disposition, d.h. der Berechnung eines optimalen Auftrags-planes (Schedule, vgl. auch Abschn. 4.2) vollstandig vorliegen. Das Offline-Scheduling ist gleichsam die klassische Form der Reihenfolgeplanung im Ope-rations Research und wird in der einschlagigen Literatur ausfuhrlich behan-delt.

1 Die allgemeine Form der ABC-Analyse ist die so genannte Cluster-Analyse, beider die Zugriffshaufigkeit auf das in einem Lager vorratige Artikelspektrum nichtallein auf drei (A-B-C), sondern auf beliebig viele disjunkte Artikelmengen bezo-gen wird. Im außersten Fall bestehen die zu untersuchenden Mengen aus genaueinem Artikel.

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130 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

Online-Probleme treten auf, falls Auftrage ohne vorherige Berechnung ei-nes Schedules unmittelbar den Betriebsmitteln zur Ausfuhrung zugeordnetoder neue Auftrage in einen bereits angelaufenen Arbeitsprozess mit vor-bestimmtem Arbeitsablauf eingeplant werden. Eine andere Bezeichnung furOnline-Probleme ist das Dispatching.

Online-Probleme entstehen u. a. auch dann, wenn in einem bereits geplan-ten Schedule kurzfristig neue Auftrage eingeplant werden mussen. Grundekonnen beispielsweise Warenanlieferungen ohne vorherige Ankundigung oderkurzfristig eingegangene Eilauftrage sein, die dann in vorgeplante Auftrags-sequenzen einzufugen sind.

Die Optimierungstheorie unterscheidet eine Vielzahl weiterer Klassen vonProblemen bzw. Optimierungsmodellen, die sich im Hinblick auf die korre-spondierende logistische Aufgabenstellung nur geringfugig unterscheiden undan dieser Stelle nicht weiter betrachtet werden sollen. Fur ein vertieftendesStudium sei an dieser Stelle auf [26, 40] verwiesen.

4.1.3 Begriffe und Elemente der Disposition

Mogliche Vorgehensweisen bei der Disposition werden nach [46] unterschiedenin

• auftragsbasierte (order based) Disposition, d.h. jeweils ein bisher nochnicht eingeplanter Auftrag wird gewahlt und dieser wird vollstandig ver-plant, d.h. fur alle Schritte des Auftrags werden passende Ressourcen undZeitintervalle gewahlt. Dies wird wiederholt, bis alle Auftrage geplant sind.

• ressourcenbasierte (resource based) Disposition, d.h. jeweils eine Res-source wird gewahlt und darauf der am besten passende Schritt eines Auf-trags verplant. Dies wird ebenfalls so lange wiederholt, bis alle Auftrage(alle Schritte aller Auftrage) geplant sind.

• operationsbasierte (operation based) Disposition, d.h. so lange, bis alleAuftrage verplant sind, wird eine Operation (Arbeitsschritt) gewahlt unddazu die passende Ressource und ein passendes Zeitintervall gesucht.

Die Ausfuhrungen zur Optimierung der Auftragsdisposition sind als ope-rationsbasierte Disposition zu verstehen, fur eine genaue Einordnung undDarstellung des Ablaufes dieser Dispositionsart in Form der Batchbildung seian dieser Stelle auf Abschnitt 4.2.4 verwiesen.

Kundenauftrage bezeichnen die von einem uberlagerten ERP-System ver-walteten Bestellungen und enthalten alle Informationen daruber, welche Ar-tikel in welcher Menge fur einen Kunden zu einem vereinbarten Lieferterminam Warenausgang bereitstehen sollen.

Die grundlegenden Elemente der Disposition sind Auftrage, die von denRessourcen im Lager ausgefuhrt werden sollen. Im Unterschied zu Kunden-

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4.2 Optimierungsaufgaben im Lager 131

auftragen als auslosende Elemente des Lagerbetriebes beschreibt der Auf-tragsbegriff im Rahmen der betrieblichen Disposition die Ortsveranderunggenau einer Lagereinheit (Ladehilfsmittel, Gebinde, Artikel) von einer Quellezu einer Senke und damit eine elementare logistische Operation. Die bei einerDisposition zu berucksichtigenden Auftragsbestandteile sind beispielsweise

• eindeutige Kennzeichnung der zu bewegenden Einheit (LHM-ID, Artikel-nummer),

• Quelle und Senke,• bearbeitende Ressource,• Auftragsbezug (beispielsweise Unterauftrag zu einem ubergeordneten Kom-

missionierauftrag),• Zeitfenster (fruhester Auftragsbeginn, spateste Auftragsausfuhrung),• Prioritat,• Auftragsstatus (noch unbearbeitet, in Bearbeitung, erledigt).

Quellen und Senken konnen, abhangig von der Art des Auftrages, Lager-orte, aber auch Ressourcen oder Ladehilfsmittel im Lager sein. Gemeinsammit der Auswahl der ausfuhrenden Ressource und der Angabe uber die zubewegende Lagereinheit stellen diese Angaben die wesentlichen Auftragsin-formationen dar.

Ressourcen bezeichnen die auftragsausfuhrenden Einheiten eines Lagersys-tems, d.h. das Personal und die Forder- bzw. Lagertechnik. Um die in einemArbeitszeitraum zu disponierenden Auftrage auf die Ressourcen eines Lagerszuteilen zu konnen, mussen ebenfalls Informationen uber diese Ressourcenmitgefuhrt werden:

• Leistungsgroßen (Fordergeschwindigkeit, Greifzeit etc.)• Kapazitat• aktuelle Auslastung

Daruber hinaus sind fur eine Auftragsdisposition weitere Angaben uberdie raumlichen Gegebenheiten innerhalb eines Lagers, d.h. dessen Topologie,erforderlich, um einerseits die Bearbeitungsdauer eines Auftrages anhand desim Auftragsablauf zuruckzulegenden Weges kalkulieren zu konnen und ande-rerseits im Falle verschiedener moglicher Transportwege zwischen einer Quel-le und einer Senke die kurzestmogliche Verbindung ermitteln zu konnen. DieAngabe von Weg- oder Spielzeiten in Form von Adjazenzmatrizen ist einnotwendiger Bestandteil des Datenmodells innerhalb eines WMS.

4.2 Optimierungsaufgaben im Lager

Zur Einfuhrung in die Methoden der betrieblichen Optimierung und der da-mit verbundenen Problemstellungen werden zunachst einige Beispiele vorge-stellt.

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132 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

4.2.1 Transportoptimierung

Ein WMS steuert die Transporte in einem Lager, beispielsweise die Paletten-transporte zwischen den verschiedenen Lagerbereichen durch Stapler, Trans-porte auf Fordersystemen oder auch die Ein- und Auslagerungen in automa-tisierten Hochregallagern, die im Folgenden naher betrachtet werden sollen.

In einem Hochregallager werden alle Transporte als einzelne Transport-auftrage fur jeweils ein Ladehilfsmittel unter Angabe der Quelle- und Sen-kekoordinaten vom WMS verwaltet und zur Ausfuhrung sequentiell jeweilsan die unterlagerten Steuerungen der RBG in den Gassen ubermittelt. Aufdiese Weise steuert das WMS die Reihenfolge der von einem RBG in einerGasse auszufuhrenden Arbeitsspiele. In jeder Gasse sind die ein- und auszu-lagernden Ladehilfsmittel auf Stellplatzen in der Lagervorzone gepuffert, dieTransportbewegungen im HRL sind so durch die Pufferplatze vom ubrigenMaterialfluss im Lager entkoppelt.

Eine grundlegende Optimierungsmaßnahme in einer Gasse ist dann dieSequenzierung von gleichzeitig anstehenden Ein- und Auslagerungen in Mehr-fachspielen.

Bildung von DoppelspielenIm betrachteten Fall habe das Lastaufnahmemittel eines RBG eine Aufnah-mekapazitat von einer Palette. Da die Vorzone als Ubergabepunkt zum Be-ginn und zum Ende eines Mehrfachspiels angefahren werden muss, ist eineOptimierung in diesem Fall auf die Zusammenlegung von zwei Transporten,einer Einlagerung und der nachfolgenden Auslagerung, in einem Doppelspielbeschrankt. Sind Transportauftrage in entsprechender Anzahl vorhanden, be-ginnt das RBG ein Doppelspiel mit der Aufnahme einer einzulagernden Pa-lette aus der Vorzone, lagert diese am vorgesehenen Platz ein und fahrt an-schließend den Lagerort einer auszulagernden Palette an, um diese auf einemPlatz in der Vorzone abzugeben.

Falls mehrere Ein- und Auslagerauftrage fur eine Gasse im Auftragsbe-stand des WMS vorhanden sind, die ohne zusatzliche Restriktionen bezuglichder Ausfuhrungsreihenfolge in vollstandigen Doppelspielen ausgefuhrt wer-den konnen, ist vom WMS vor der Beauftragung des RBG die gunstigsteKombination moglicher Doppelspiele zu ermitteln.

Der in Abb. 4.1 angenommene Auftragsbestand umfasst drei Ein- undAuslagerauftrage und somit drei Doppelspiele2, die in einer Sequenz nachein-ander vom RBG abgearbeitet werden sollen. Zu Beginn der Sequenz sind dieUbergabeplatze U1 bis U3 mit den Paletten der Auftrage 1 bis 3 belegt. Dieim Anschluss an eine Einlagerung ausgelagerte Palette wird dann jeweils aufdem zuvor frei gewordenen Ubergabeplatz (U1, U2 oder U3) abgestellt.

2 Zur besseren Ubersicht sind die anzufahrenden Lagerorte und die Ubergabeplatzein diesem Beispiel in einer Ebene angeordnet, bei der Bestimmung der op-timalen Doppelspielreihenfolge sind so nur die horizontalen Entfernungen zuberucksichtigen.

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4.2 Optimierungsaufgaben im Lager 133

QuelleAuftrag Senke

LP74 Ü1/Ü2/Ü3

LP45 Ü1/Ü2/Ü3

LP26 Ü1/Ü2/Ü3

QuelleAuftrag Senke

Ü22 LP3

Ü33 LP6

Ü11 LP1

Abbildung 4.1. Beispiel fur Doppelspiele in einem Palettenhochregallager

An den ersten der drei Einlagerauftrage 1 bis 3 kann einer der drei Aus-lagerauftrage 4 bis 6 anschließen, dem folgenden Einlagerauftrag (einer vonzwei moglichen) kann dann noch einer der verbleibenden zwei Auslagerauf-trage zugeordnet werden, das letzte Doppelspiel ergibt sich aus den ubrigenbeiden Fahrauftragen. Da jeder der Einlagerauftrage 1 bis 3 der erste Fahrauf-trag dieser Sequenz sein kann, ergibt sich die Anzahl n moglicher Doppelspielebei diesem Auftragsbestand nach Gl. 4.1 zu

n = 3 · 3 · 2 · 2 · 1 · 1 = 3! · 3! = (3!)2 = 36 (4.1)

Demnach mussen theoretisch 36 Kombinationen auf eine optimale Fahr-tenfolge hin untersucht werden. Da bei allen Doppelspielen der Zeitanteil furdie Aufnahme und Abgabe der Paletten konstant bleibt, ist das alleinige Op-timierungskriterium der zu minimierende Gesamtweg. Mit den Distanzen3

der Einzelauftrage aus Abb. 4.1 konnen die Distanzen der Doppelspiele auf-gestellt und damit der insgesamt zu verfahrende Weg ermittelt werden (vgl.Tabelle 4.1).

Bei der Berechnung kann der Umstand genutzt werden, dass die Reihen-folge der Doppelspiele offenbar keinen Einfluss auf den Gesamtweg hat, es istalso unerheblich, ob die Doppelspielsequenz 1-5-9 (vgl. Tabelle 4.1) oder dieSequenz 9-1-5 beauftragt wird. Insgesamt reduziert sich durch diese Strate-gie der Aufwand zur Bestimmung der optimalen Losung, da nurmehr sechsSequenzen (3 ·2 ·1 = 3!) gebildet und miteinander verglichen werden mussen.

Im vorliegenden Beispiel ergibt sich als optimale Reihenfolge die Dop-pelspielsequenz 3-5-7 (bzw. die Auftragssequenz 1-6, 2-5, 3-4 ) mit einem

3 Die Distanzen sind einheitenlos in Lagerplatzkoordinaten (in diesem Fall nur inder Breite) angegeben.

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134 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

Tabelle 4.1. Ermittlung der optimalen Fahrtenfolge der drei Doppelspiele

Nr. Doppelspiel(Auftragssequenz)

Weg(Lagerplatzbreiten)

1 1 - 4 (Ü1 → LP1 → LP7 → Ü1) 20

2 1 - 5 (Ü1 → LP1 → LP4 → Ü1) 14

3 1 - 6 (Ü1 → LP1 → LP2 → Ü1) 10

4 2 - 4 (Ü2 → LP3 → LP7 → Ü2) 18

5 2 - 5 (Ü2→ LP3 → LP4 → Ü2) 12

6 2 - 6 (Ü2 → LP3 → LP2 → Ü2) 10

7 3 - 4 (Ü3 → LP6 → LP7 → Ü3) 16

8 3 - 5 (Ü3 → LP6 → LP4 → Ü3) 14

9 3 - 6 (Ü3 → LP6 → LP2 → Ü3) 14

Gesamtfahrweg von 38 Lagerplatzeinheiten; die schlechteste Doppelspielse-quenz ist danach die Folge 2-4-9 (entspr. der Auftragssequenz 1-5, 2-4, 3-6 )mit 46 Lagerplatzeinheiten.

Allgemein gilt fur die Anzahl n moglicher Doppelspiele bei einem symme-trischen Auftragsbestand von jeweils k Ein- und Auslagerauftragen:

n = k! = k · (k − 1) · . . . · 2 · 1 (4.2)

Die in Gl. 4.2 aufgezeigte Problemgroße der Reihenfolgeplanung vonTransportfahrten ist kennzeichnend fur eine Vielzahl ahnlich gelagerter Op-timierungsprobleme. Ein Prototyp fur Reihenfolge- oder auch Scheduling-probleme dieser Art4 ist das Travelling-Salesman-Problem (TSP), dessen ex-

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4.2 Optimierungsaufgaben im Lager 135

akte Losungsbestimmung fur verschiedene Probleminstanzen Gegenstand vie-ler Fachveroffentlichungen ist und zudem ein grundlegendes Modell fur Opti-mierungsprobleme auch in anderen technisch-wissenschaftlichen Disziplinendarstellt.

Charakteristisch fur das TSP ist der mit steigender Auftragsgroße uber-proportional anwachsende Berechnungsaufwand, gekennzeichnet durch dieAnzahl der zur Losungsbestimmung erforderlichen Rechenschritte bzw. Ver-gleiche. Ist das hier vorgestellte Problem noch mit vergleichsweise geringemAufwand in sechs Vergleichen exakt losbar, so waren bereits bei zehn aus-zufuhrenden Doppelspielen 10! = 3.628.800 Vergleiche erforderlich. Nimmtman zur Berechnung dieser Auftragsgroße auf einem PC mittlerer Leistungeine Laufzeit von 0,1 s an, wurde die exakte Berechnung einer Sequenz von15 Doppelspielen anhand der Suche in allen Losungen hierbei bereits mehrals zehn Stunden dauern.

Wie im Verlauf dieses Kapitels noch an anderer Stelle gezeigt wird, istdie Berechnungsdauer trotz steigender Rechnerleistungen angesichts der beider Disposition aller Arbeitsschritte in einem Lager zu berucksichtigendenAuftrage durchaus eine kritische Große. Vielfach wird daher auf eine exakteLosung zugunsten der Laufzeit verzichtet. Die verschiedenen Verfahren zurBerechnung sind naher in Abschn. 4.3 beschrieben.

Mehrfachspiele bei hoherer AufnahmekapazitatIn Behalter- oder Tablarlagern, bei denen auch Lastaufnahmemittel (LAM)mit einer hoheren Aufnahmekapazitat eingesetzt werden konnen, ergeben sichdaruber hinaus noch weitergehende Kombinationsmoglichkeiten fur eine Zu-sammenfuhrung und damit eine Optimierung der Transportfahrten.

Ein LAM eines RBG in einem Behalterlager habe eine Aufnahmekapazitatvon zwei Behaltern. Das LAM soll von den Ubergabepunkten U1 und U2 zweiBehalter aufnehmen und an den Platzen 1 und 2 einlagern (vgl. Abb. 4.2).Im Verlauf des Mehrfachspiels sind zwei weitere Behalter von den Platzen 3und 4 aufzunehmen und im Anschluss an den Ubergabeplatzen abzugeben.

Ist die Reihenfolge der Aufnahme und Abgabe von Behaltern beliebig,sind die in Abb. 4.3 dargestellten Kombinationen fur eine kombinierte Ein-und Auslagerung aller vier Behalter moglich. Theoretisch konnen die Behalterin einem Mehrfachspiel somit in acht unterschiedlichen Fahrtenfolgen (2 ·(2+1 + 1)) bewegt werden.

Um festzustellen, bei welcher Fahrtenfolge die kurzeste Gesamtspielzeiterreicht wird, mussen die Zeitbedarfe aller Einzelfahrten ermittelt und furjeweils eine der acht gultigen Kombinationen summiert werden.

4 Das hier angegebene Optimierungsproblem sieht nur die Bestimmung einer opti-malen Reihenfolge der vorab bekannten Transportauftrage vor. Zusatzliche Be-dingungen wie die Transportkapazitat eines RBG oder Zeitfenster fur die Auf-tragsbearbeitung sind hierbei noch nicht berucksichtigt.

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136 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

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Abbildung 4.2. Beispiel eines Mehrfachspiels in einem Behalterlager

Fur das vorliegende Beispiel sei zur besseren Ubersicht angenommen, dassdas RBG nach der Aufnahme der Behalter vom Referenzpunkt X aus die er-ste Einlagerung ausfuhrt und nach der letzten Auslagerung vor der Ubergabezunachst wieder diesen Referenzpunkt anfahrt. Vereinfachend sei angenom-men, die Hohen und Breiten der Lagerfacher seien aquidistant und die hori-zontale und vertikale Fahrgeschwindigkeit des RBG identisch. Zwischen zweiPlatzen ist die Dauer einer Fahrt dann proportional zum langeren Anteil einesVerfahrweges, d.h. dem Maximum des horizontalen und vertikalen Weganteilseiner Einzelfahrt.In Tabelle 4.2 sind die moglichen acht Fahrtenfolgen und die sich dar-aus ergebenden Gesamtverfahrwege des RBG dargestellt. Die schlechte-ste (37 Langeneinheiten) Losung weist gegenuber der besten Losung (26Langeneinheiten) einen um etwa 42% hoheren Gesamtfahrweg auf. Schonbei uberschaubaren Optimierungsaufgaben wie in diesem Fall konnen alsoerhebliche Optimierungspotenziale entstehen.

Das hier beschriebene Problem der Reihenfolgeplanung tritt in ahnlicherForm in vielen Bereichen der Materialflusstechnik auf. Typische Anwendungs-beispiele sind neben den hier beschriebenen kombinierten Mehrfachspielenin Behalter- oder Tablarlagern auch Transportplanungsaufgaben fur Staplerund Schlepper, die eine Ladekapazitat von mehr als einer Palette aufweisenund in einer moglichst kurzen Fahrt alle Ladestellen (Lagerorte) fur eine Be-und Entladung anfahren sollen. Bei der Kommissionierung nach dem PrinzipPerson-zur-Ware (vgl. Abb. 2.2.5) entstehen ebenfalls ahnliche Aufgabenstel-lungen.

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4.2 Optimierungsaufgaben im Lager 137

EinlagerungLHM 1

EinlagerungLHM 2

AuslagerungLHM 4

Zweiter Zweig fürEinlagerung LHM 2

2

3

2 / 1 / 1

1

Vom Zweig fürEinlagerung LHM 2

AufnahmeLHM 1 und 2 Verzweigungen

(Folgeknoten)

EinlagerungLHM 2

AuslagerungLHM 3

AuslagerungLHM 4

EinlagerungLHM 2

AuslagerungLHM 3

AuslagerungLHM 3

AbgabeLHM 3 und 4

AuslagerungLHM 4

Abbildung 4.3. Fahrtenfolgen bei einem Mehrfachspiel (LAM mit zweifacher Ka-pazitat)

Diese Aufgabenstellung geht allerdings uber die Anforderungen des ur-sprunglichen TSP noch hinaus, da in diesen Fallen die erhohte Ladekapazitateines Fordermittels zu einer weitaus hoheren Anzahl moglicher Kombinatio-nen der Auftragsbearbeitung und damit wiederum zu einem hoheren Berech-nungsaufwand fuhrt5. Nachfolgend wird deshalb unter verallgemeinerndenAnnahmen der Berechnungsaufwand fur diese als multikapazitives TSP zu be-zeichnende Optimierungsaufgabe anhand der Große des zugrunde liegendenSuchraumes, d.h. der Anzahl moglicher Auftragskombinantionen hergeleitet.

Ein Fordermittel habe eine Aufnahmekapazitat von n gleichartigen La-deeinheiten. Die Auftragsbearbeitung soll in einem geschlossenen Auftrags-zyklus vorab bekannter Auftrage erfolgen, d.h. im Verlauf der Bearbeitungkommen keine weiteren Auftrage hinzu. Am Beginn der Tour sind, entspre-chend der Fordermittelkapazitat, n Ladeeinheiten aus einem Pufferbereich

5 Bereits das in Abb. 4.3 vorgestellte Beispiel eines LAM mit zweifacher Ladeka-pazitat weist eine hohere Anzahl moglicher Auftragsfolgen auf (hier acht Kom-binationen) als bei einem LAM mit einfacher Kapazitat, das die Auftrage inDoppelspielen abarbeitet (2! = zwei Kombinationen).

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138 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

auf das Fordermittel umgeladen worden, die im Verlauf der Bearbeitung anden auftragsbezogenen Senken im Arbeitsraum eingelagert (E) werden sol-len. Wahrend der Fahrt sind, analog zum vorausgehenden Beispiel, ebenfallsn Ladeeinheiten auszulagern (A) und zuruck zum Pufferbereich zu bringen;insgesamt werden in diesem Auftragszyklus damit 2 ·n Ladeeinheiten bewegt.

Da alle Ein- und Auslagerauftrage vor Beginn der Tour bekannt sind,kann eine vorausgehende Disposition erfolgen, in der die kurzeste Tour furdas Anfahren aller Ladestellen (Quellen und Senken) im Arbeitsraum ermit-telt werden soll. Bei der Aufstellung moglicher Auftragsreihenfolgen mussenaufgrund der beschrankten Kapazitat des Fordermittels allerdings einige ein-schrankende Bedingungen (engl. constraints) beachtet werden:

1. Eine Tour muss mit mindestens einer Entladung bzw. Einlagerung (E)beginnen und

2. endet mit der Aufnahme bzw. Auslagerung (A) der letzten verbleibendenLadeeinheit.

3. Es konnen direkt aufeinanderfolgend nur maximal so viele Auslagerstel-len (A) angefahren werden, wie freie Ladeplatze auf dem Fordermittelvorhanden sind.

Anhand dieser allgemeinen Aufgabenbeschreibung lassen sich alle mogli-chen Auftragskombinationen aufstellen und aus dem sich ergebenden Such-raum diejenige mit dem kurzesten Gesamtweg ermitteln. Zur Veranschauli-

Tabelle 4.2. Ermittlung einer optimalen Fahrtenfolge der Mehrfachspiele im Bei-spiel

Fahrtenfolge

X → 1 → 2 → 3 → 4 → X

X → 1 → 2 → 4 → 3 → X

X → 1 → 3 → 2 → 4 → X

X → 1 → 4 → 2 → 3 → X

X → 2 → 1 → 3 → 4 → X

X → 2 → 1 → 4 → 3 → X

X → 2 → 3 → 1 → 4 → X

X → 2 → 4 → 1 → 3 → X

Einzeldistanzen und Gesamtweg

6 + 4 + 5 + 9 + 2 = 26 kü rzestes Gesamtspiel

6 + 4 + 6 + 9 + 11 = 36

6 + 8 + 5 + 6 + 2 = 27

6 + 5 + 6 + 5 + 11 = 33

7 + 4 + 5 + 9 + 11 = 36

7 + 5 + 8 + 5 + 2 = 27

7 + 6 + 5 + 8 + 11 = 37 längstes Gesamtspiel

7 + 4 + 8 + 9 + 2 = 30

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4.2 Optimierungsaufgaben im Lager 139

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Abbildung 4.4. Suchbaum fur multikapazitive TSP

chung der Suchraumbildung ist eine Darstellung der Auftrage als Knoten ineinem Suchbaum hilfreich, in dem zunachst die Reihenfolge der Bearbeitungvon Ein- und Auslagerungen eingetragen ist (vgl. Abb. 4.4).

In der Abbildung sind die Suchbaume fur ein multikapazitives TSP miteiner Kapazitat von zwei bzw. drei Ladestellen dargestellt. Die Knoten derSuchbaume kennzeichnen jeweils einen Auftrag innerhalb einer von oben nachunten zu durchlaufenden Auftragsreihenfolge. Innerhalb der Knoten ist dieArt des Auftrages (Einlagerung E oder Auslagerung A) mit der Anzahl anVariationen fur einen Auftrag an dieser Stelle eingetragen.

Jeder vollstandige Zweig beschreibt so eine der moglichen Auftragsrei-henfolgen, in der allerdings nur die Reihung aufeinanderfolgender Ein- undAuslagerungen abzulesen ist, nicht jedoch eine konkrete Auftragssequenz6.Eine Reihung steht jeweils stellvertretend fur diejenigen Auftragsreihenfol-gen, in denen Ein- und Auslagerauftrage auf die beschriebene Weise ange-

6 Zur Veranschauung seien die Einlagerauftrage E1, E2 und E3 sowie die Auslager-auftrage A1, A2 und A3 gegeben. Eine konkrete (und gultige) Auftragssequenzist dann beispielsweise die Folge E1-E2-A2-E3-A1-A3. Als Reihung wird hierdie qualitative Abfolge der Ein- und Auslagerungen ohne konkrete Angabe derAuftrage bezeichnet, in diesem Fall ergibt sich damit die Folge E-E-A-E-A-A.

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140 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

ordnet sind. Die Anzahl aller fur diese Probleme moglichen und gultigen7

Auftragsreihenfolgen ergibt sich fur einzelne Zweige durch eine Multiplikati-on der Knotenkoeffizienten innerhalb eines Zweiges, das Produkt ist fur alleZweige identisch.

Im rechten Suchbaum (siehe Abb. 4.4) sind die gultigen Auftragsreihen-folgen bei einer Fordermittelkapazitat k = 3 angegeben. In diesem Fall exis-tieren funf Zweige mit gultigen Reihungen. Der oberste Knoten kann mit ei-nem von drei moglichen Einlagerauftragen besetzt sein. Auf die gleiche Weisewird der Knotenkoeffizient fur den ersten oberen Auslagerauftrag bestimmt.Fur die weiter unten liegenden Knoten ergeben sich entsprechend verringerteMoglichkeiten.

Die Anzahl nREIHUNG moglicher Reihungen bei einer gegebenen Kapa-zitat k und der entsprechenden Menge an Ein- und Auslagerauftragen kannkombinatorisch durch den in Gl. 4.3 dargestellten Zusammenhang ermitteltwerden:

nREIHUNG =(

2·kk

)

= (2·k)!k!·(2·k−k)! = (2·k)!

(k!)2 (4.3)

Fur die Kapazitat k = 3 ergeben sich somit 20 Moglichkeiten fur dieAneinanderreihung aller in einem Spiel durchzufuhrenden Ein- und Auslage-rungen, von denen allerdings einige keine gultigen Losungen darstellen, dasie offenbar undurchfuhrbar sind.

Die Anzahl nGUELTIG gultiger Reihungen wird nach Gl. 4.4 auf einfacheWeise ermittelt zu

nGUELTIG = 1k+1 ·

(

2·kk

)

= 1k+1 ·

(2·k)!(k!)2 (4.4)

Die Gesamtzahl nGESAMT aller gultigen Auftragsreihenfolgen errechnetsich dann, wie in Abb. 4.4 dargestellt, zu

nGESAMT = nGUELTIG · (k!)2 = (2·k)!k+1 (4.5)

Dabei entspricht der Term (k!)2 dem Produkt der Knotenkoeffizenten einesZweiges.

Insgesamt kann der Berechnungsaufwand in diesem Beispiel durch diehier dargestellte Strategie um mindestens 75% gegenuber einer vollstandigenLosung reduziert werden, in der alle moglichen (und damit auch die unbrauch-baren) Auftragsreihenfolgen berucksichtigt sind. Neben der Bestimmung ei-ner optimalen Reihenfolge ist damit ebenfalls der Berechnungsaufwand opti-miert.

Bei der Aufstellung moglicher Auftragsreihenfolgen ergeben sich bei Be-rucksichtigung der oben genannten Zusammenhange somit erhebliche Verrin-gerungen der Problemgroße. Die Strategie der Reihung kann daruber hinaus

7 Ungultige Auftragsreihenfolgen sind hier beispielsweise diejenigen mit der Rei-hung E-A-A-E-E-A. Hier wurde durch die ersten beiden Aufnahmen die Kapa-zitat des Fordermittels uberschritten.

Page 151: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

4.2 Optimierungsaufgaben im Lager 141

neben der Optimierung einzelner Spiele auch auf großere Auftragsmengenangewendet werden, die nacheinander von einem Fordermittel in mehrerenSpielen abgearbeitet werden.

Beispielhaft seien jeweils vier Ein- und Auslagerungen mit geringstmog-lichem Aufwand von einem Fordermittel mit der Kapazitat k = 2 durch-zufuhren. Theoretisch konnen die einzelnen Auftrage in 8! = 40320 ver-schiedenen Reihenfolgen abgearbeitet werden. Schopft man die Kapazitatdes Fordermittels maximal aus und reiht die Auftrage in Gruppen so, dass ineinem Spiel jeweils zwei Ein- und Auslagerungen durchgefuhrt werden, wirddie Anzahl moglicher Reihenfolgen auf (4!)2 · 22 = 2304 reduziert.

Derartiges Wissen uber problembezogene Zusammenhange wird ebenfallsin anderen Optimierungsaufgaben zur Reduktion der Suchvorgange verwen-det, eine allgemeine Form dieser Vorgehensweise ist das Branch&Bound (vgl.Abschn. 4.3.3).

4.2.2 Bildung von Kommissionierreihenfolgen

Die Optimierung der Kommissionierreihenfolge kann ebenfalls als Travelling-Salesman-Problem modelliert und gelost werden. Ubertragen auf Kommis-sioniersysteme stellen die Entnahmefacher die Orte, das Kommissionierper-sonal bzw. die Systemtechnik die Fahrzeuge und die Ubergabe/Ubernahmedas Depot dar. Pro Auftrag muss auch hier die optimale Reihenfolge derEntnahmefacher ermittelt werden.

Zur Losung von TSP und Tourenplanungsproblemen sind exakte und heu-ristische Verfahren entwickelt worden (vgl. Abschn. 4.3). Fur die Bearbeitungpraxisrelevanter Problemgroßen ist die Laufzeit der exakten Algorithmen zugroß, daher werden Heuristiken verwendet. Zur Losung von Tourenplanungenbieten sich Eroffnungsverfahren an, die in einem ersten Schritt eine gultige,aber u.U. suboptimale Losung liefern. Im Anschluss durchzufuhrende Verbes-serungsverfahren konnen die Losungsgute mitunter bis zur optimalen Losungsteigern.

Mogliche Eroffnungsverfahren zur Losung von TSP sind beispielsweise dasVerfahren des besten Nachfolgers oder die Streifenstrategie. Beim Verfahrendes besten Nachfolgers wird aus einer Auftragsmenge, ausgehend von einemStartauftrag, jeweils derjenige Auftrag mit der kurzesten Anfahrtdistanz alsNachfolger bestimmt. Bei der Streifenstrategie wird der Lagerquerschnitt ho-rizontal in gleich große Streifen aufgeteilt (vgl. Abb. 4.5). Die Facher in deneinzelnen Streifen werden der Reihe nach angefahren, am Ende des Strei-fens wird in den nachsten gewechselt und die Facher dieses Streifens werdenbearbeitet. Eine mogliche Verbesserung der Anfangslosung kann ein Kan-tentausch herbeifuhren, beispielsweise als 2-opt-, 3-opt- oder allgemein alsr-opt-Verfahren bezeichnet (siehe auch Abschn. 4.3.3). Dieser Kantentauschkann paarweise fur alle Kanten jeweils mit einm Vergleich der sich neu ein-stellenden Langen durchgefuhrt werden. Das Verfahren ermittelt jedoch nicht

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142 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

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Abbildung 4.5. Kommissionierstrategien

alle Permutationen der Anfangslosung und fuhrt deswegen nicht zwangslaufigauf eine optimale Losung.

Heuristische Verfahren zur Tourenplanung (siehe Abb. 4.5) unterscheidensich darin, ob die Gange durchlaufen werden (Maander-Heuristik) oder obin dem aktuellen Gang umgekehrt wird (Mittelpunkt- oder Largest-Gap-Heuristik). Bei der Maander-Heuristik durchlauft der Kommissionierer denGang, wenn er mindestens ein anzulaufendes Fach enthalt. Die Gange werdenin einer vorher festgelegten Reihenfolge von links nach rechts oder umgekehrtdurchlaufen.

Falls mehr als ein Fach pro Gang abzuarbeiten ist, stellt die Mittelpunkt-Heuristik eine Alternative dar. Hier wird jeder Gang in zwei Teile aufgeteilt,die Facher der oberen Halfte werden von dem oberen Gang erreicht, die derunteren Halfte von dem unteren. Der Kommissionierer verlasst den aktuellenGang auf der Seite, auf der er ihn betreten hat.

Eine weitere Verbesserung stellt die Largest-Gap-Heuristik dar. Im Ge-gensatz zur Mittelpunkt-Heuristik wird der Gang hier bis zum Largest Gap(bis zur großten Lucke) durchlaufen. Eine Lucke ist die Entfernung zweier be-nachbarter Facher, die anzulaufen sind bzw. der Weg vom Gang zum nachstenFach. Die großte Lucke ist der Teil des Ganges, der nicht durchlaufen wird.

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4.2 Optimierungsaufgaben im Lager 143

4.2.3 Routenplanung im Lager

Aufgabe der Routenplanung im Lager ist die Bestimmung der kurzestenTransportverbindung zwischen einer Quelle und einer Senke, sofern bei derAusfuhrung einer Transportbewegung mehrere Routen existieren. Im Gegen-satz zur Anordnung der Lagerplatze in einem Hochregallager, die vom Ein-lagerpunkt aus unmittelbar in der kurzesten Verbindung angefahren werden,kann beispielsweise die Linienfuhrung eines Fahrerlosen Transportsystemsdas Abfahren einer Tour uber verschiedene Routen erlauben. Auch die Trans-porte mit Staplern in einem Lager lassen in der Regel mehrere Moglichkeitender Auftragsausfuhrung zu8.

Eine typische Situation zeigt die nachfolgende Abbildung auf, in der einTransportgut von der angegebenen Quelle zu der eingezeichneten Senke zubewegen ist.

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Abbildung 4.6. Routingproblem in einem Lager

Das Lagerlayout enthalt in Reihen angeordnete Lagerplatze, die uber einorthogonales Netz von Wegen miteinander verbunden sind. Der kurzeste Wegvon der zwischen den Knoten 11 und 12 liegenden Quelle zur zwischen denKnoten 4 und 5 liegenden Senke wird auf nachvollziehbare Weise offenbaruber die Route Q → 11 → 8 → 5 → S angefahren, prinzipiell sind aberauch alle anderen moglichen (und langeren) Routen zwischen den beidenEndknoten der Tour befahrbar.

8 wobei es in diesen Fallen oft der Ortskenntnis des Personals uberlassen bleibt,die kurzeste Route zu einer anzufahrenden Senke zu bestimmen.

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144 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

Ein rechnergestutztes Fahrzeugleitsystem hat im Rahmen der Auftrags-disposition die Aufgabe, die kurzeste Route zu ermitteln, die bei der Auftrags-ausfuhrung abgefahren werden kann. Neben einer Wegmatrix sind fur diesenDispositionsschritt ebenfalls Informationen uber das Wegenetz innerhalb desLagers zu hinterlegen, anhand derer die jeweils kurzeste Route ermittelt wer-den kann.

Ein Verfahren zur Ermittlung der kurzesten Verbindung ist der Dijkstra-Algorithmus, der zur Wegfindung zwischen einem Startknoten und einemZielknoten in einem gegebenen zusammenhangenden Graphen dient (vgl. Ab-schnitt 4.3.3).

4.2.4 Ubergreifende Auftragsdisposition – Batchplanung

Ziel einer auftragsorientierten Batchbildung ist die Vorplanung der bis zueinem Stichtermin eingegangenen Auftrage in festen zeitlichen Intervallen,so genannten Batches. Der Begriff der Batchberechnung wird in verschiede-nen Zusammenhangen verwendet und beschreibt sowohl die Vorplanung vonKommissionier- oder Sortierauftragen als auch die gesamte Auftragsplanungin einem Lager.

Innerhalb eines Batches sind alle eingegangenen Auftrage so anzuordnen,d.h. zeitlich einzuplanen und auf die Ressourcen im Lager zu verteilen, dasseine moglichst kurze Bearbeitungszeit, eine definierte Bereitstellzeit im Ver-sand und eine gleichmaßige Auslastung des Systems bzw. der Ressourcen er-reicht werden kann. Eine allgemeine Bezeichnung fur Optimierungsproblemedieser Art ist das job-shop-scheduling.

Die folgenden Ausfuhrungen beschreiben die Batchplanung fur ein Lager-system (siehe auch [57]). Einem WMS werden Auftrage vom ubergeordnetenERP-System ubermittelt, in dem Kundenauftrage entgegengenommen sowieLiefertermine anhand des aktuellen Lagerbestandes und der Auftragslast ko-ordiniert und vorverarbeitet werden. Ein an das WMS ubermittelter Auftragist dann grundlegend durch die folgenden Auftragsbestandteile beschrieben:

• Auftragsnummer (eindeutig)• Kundennummer• zu liefernde Artikelmenge fur diesen Auftrag• Termin fur die Bereitstellung am WA (und anschließende Abholung durch

einen Transportdienstleister)

Fur die Batchplanung ist die Große des Zeitintervalls, in dem Auftrageeinzuplanen sind, ein wesentlicher Parameter, da das großte Optimierungspo-tenzial grundsatzlich dann besteht, wenn eine große Auftragsmenge vorliegt.In direktem Zusammenhang mit dem zeitlichen Horizont der Batchplanungsteht allerdings auch die Planung der auftragsbezogenen Liefertermine, dieuber jeweils aktuelle Produktivitatskennzahlen der Ressourcen abzufragenist. Mitunter ist diese Art der Disposition allerdings nicht durchzufuhren:

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4.2 Optimierungsaufgaben im Lager 145

eine exakte Vorausberechnung des Liefertermins fur einen Auftrag wurdebedeuten, dass dieser Auftrag in den bis zu diesem Zeitpunkt vorhande-nen Auftragsbestand eingeplant werden muss. Die dort gehaltenen Auftragesind allerdings ebenfalls mit Zeitintervallen fur Liefertermine versehen, einevollstandige Neuberechnung des bis zu diesem Zeitpunkt erstellten Auftrags-planes ist damit unvermeidlich und entsprechend zeitaufwandig9.

Eine in Unternehmen vielfach realisierte Auftragsdisposition beruht aufeiner mittelfristigen Abschatzung der Produktivitat, die es beispielsweise er-laubt, alle bis zu einer festgelegten Uhrzeit im Verkauf eingegangenen Kun-denauftrage bis zum nachsten Tag versandfertig am Warenausgang bereitzu-stellen. Die Auftragsdisposition im WMS (und damit die eigentliche Batch-planung) lauft dann typisch in folgenden Schritten ab:

• Ubernahme der Auftrage vom Hostsystem• Unterteilen der Auftrage in Einpositions- und Mehrpositionsauftrage• Ermittlung der Lagerorte der einzelnen Artikel• Bestimmung der erforderlichen Behalteranzahl fur Kommissioniermengen• Berechnung der Bearbeitungszeit (Durchlaufzeit) pro Auftrag

Die Bearbeitungszeit eines einzelnen Auftrages ist aus Einzelschritten,den Operationen zusammengesetzt, z. B. :

• Kommissionierzeit (Basiszeit, Greifzeit, Totzeit, Wegzeit; s. Abschn. 2.2.5)• vorgelagerte Bereitstellung leerer LHM• Pufferung nach der Kommissionierung (abhangig davon, ob unmittelbar

vor dem Versand kommissioniert wird, Arbeitszeit, Schichtenmodell)• Bereitstellung am Warenausgang

Mehrpositionenauftrage vereinen gleichartige Operationen, die in diesemPlanungsschritt bereits in optimierter Reihenfolge anzuordnen sind, beispiels-weise bei der auftragsreinen Kommissionierung. Die Operationen sind imRahmen der Batchplanung weiterhin den Ressourcen im Lager zur Bearbei-tung zuzuordnen.

Auf diese Weise werden alle Kundenauftrage in elementare Operationenaufgeteilt. Ausgehend von den kundenauftragsbezogenen Lieferterminen er-folgt fur jede Operation eine ruckwartsgerichtete Terminierung. Jeder Res-source wird durch die Batchplanung auf diese Weise ein Auftragspool zuge-wiesen, der in einem weiteren Schritt gegebenenfalls lokal optimiert werdenkann (siehe Abb. 4.7).

Die Reihenfolge der Auftrage in einem Auftragspool kann dabei nochmodifiziert werden, falls die (zu diesem Zeitpunkt feststehenden) zeitlichenVorgaben eine Reihenfolgeanderung erlauben.

9 Eine exakte Methode zur Batchberechnung wird in [1] vorgestellt. Fur die tage-weise Kommissionierplanung in einem Kommissionierbereich mit einigen tausendAuftragspositionen liegt die Berechnungsdauer eines exakten Verfahrens (CSP)danach im Bereich mehrerer Minuten.

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146 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

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Abbildung 4.7. Auftragsbelegung von Ressourcen, dargestellt im Gantt-Diagramm

Die Berechnungsdauer der Batchplanung wird maßgeblich durch die An-zahl der zu planenden Auftrage und damit auch durch den abzubildendenArbeitszeitraum (Zeitintervall) bestimmt. Prinzipiell kann die Batchgroßeoder das Zeitintervall beliebig fein gewahlt werden, infolgedessen verringertsich auch die erforderliche Berechnungsdauer erheblich. Es ist allerdings zuberucksichtigen, dass bei kleineren Zeitintervallen ein geringeres Optimie-rungspotenzial erzielt wird, da die Ressourcen dann nur in Ausnahmefallenuber dieses gesamte Intervall voll belegt werden konnen.

Andererseits steigt die Auskunftsfahigkeit uber Ressourcenbelegungen beikleineren Intervallen erheblich, da jederzeit Auftrage eingelastet und Batchesneu berechnet werden konnen. Zwischen diesen beiden Anforderungen – op-timierter Auftragsdurchsatz und kurzfristige Dispositionsfahigkeit – bewegtsich die Batchplanung in einem WMS.

4.3 Verfahren der Losungsoptimierung

4.3.1 Allgemeines

Die im Rahmen der betrieblichen Optimierung und der Disposition im Ware-house Management auftretenden Probleme sind berechenbar, d.h. durch Al-gorithmen beschreibbar.

Von grundlegender Bedeutung bei der Entwicklung und Anwendung sol-cher Algorithmen ist die Komplexitat als ein Maß fur den Berechnungsauf-wand, den ein Algorithmus erzeugt; sie wird daher auch rechnerische Komple-xitat (computational complexity) genannt. Zur Ermittlung der Komplexitatwird anhand der Algorithmenstruktur eine Aufwandsabschatzung getroffen,

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4.3 Verfahren der Losungsoptimierung 147

die den Ressourcenbedarf10 eines Algorithmus bei einer gegebenen Problem-große n angibt.

Die Zeitkomplexitat T (n) kann als Funktion der n Eingangsdaten direktdurch Abzahlen der von einem Algorithmus bearbeiteten Operationen er-mittelt werden. Da jedoch weniger exakte Zahlenwerte als das funktiona-le Verhalten fur große n im Vordergrund stehen, wird die Zeitkomplexitatdurch die O-Notation ausgedruckt, welche den hochsten Grad desjenigen Po-lynoms angibt, das die Laufzeit des Algorithmus beschreibt. Beispielhaft sinddie Zeitkomplexitaten typischer Aufgabenstellungen in steigender Reihenfol-ge aufgefuhrt:

• O(log n) : logarithmischer Aufwand, z. B. binare Suche in n geord-neten Daten

• O(n) : linearer Aufwand, z. B. Addition von n Eingabewerten• O(n log n) : quasilinearer Aufwand, z. B. Sortierung• O(n2) : quadratischer Aufwand, z. B. Vektormultiplikation• O(nk) : polynomialer Aufwand, z. B. Matrizenmultiplikation• O(2n) : exponentieller Aufwand, z. B. Erfullbarkeitsprobleme• O(nn) : z. B. Travelling-Salesman-Problem (TSP)11

Mit P wird nun die Klasse von Problemen bezeichnet, die ein determini-stischer12 Algorithmus in polynomialer und damit praktisch durchfuhrbarerZeit losen kann, also O(1), O(n) oder O(nk). NP bezeichnet die Klasse vonProblemen, welche nur ein nichtdeterministischer Algorithmus in polynomia-ler Zeit losen kann. Ein deterministischer Algorithmus benotigt nach dem bis-herigen Stand der Informatik dazu einen mit der Problemgroße mindestensexponentiell ansteigenden Zeitaufwand.

Kennzeichnend fur einen Algorithmus sind nach der formalen Definitionfolgende Eigenschaften:

• Endlichkeit – Ein Algorithmus terminiert nach einer problembezogenen,vorab festgelegten Anzahl von Berechnungsschritten.

• Eindeutigkeit – Zu jeder Zeit sind die weiteren Bearbeitungsschritte vor-gegeben.

• Effektivitat – Jeder Bearbeitungsschritt wird in endlicher Zeit ausgefuhrt.• Effizienz – Durch den Algorithmus wird moglichst wenig Speicherplatz und

Rechenzeit verbraucht.10 verallgemeinert fur Speicher- und Zeitbedarf zur Losungsfindung. Damit setzt

sich die Komplexitat aus der Zeitkomplexitat T (n) und der SpeicherkomplexitatS(n) zusammen.

11 Ein Algorithmus zur vollstandigen Losung des TSP ist durch das Laufzeitver-halten T (n) = (n!) exakt angegeben, die Ordnung O ergibt sich nach der Ster-lingschen Formel zun! ≈ n

n · e−n ·√

2πn ≈ nn = O(nn)

12 ein Algorithmus, der nach einer vorab festgelegten Zeit eine (optimale) Losunggeneriert.

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148 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

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� � $ � � � � � � / / � , � � � / � � " �Abbildung 4.8. Dispatching in Warteschlangen

Insbesondere ist an den Algorithmenbegriff auch die Vorhersagbarkeit derLosungsgute geknupft; im Gegensatz dazu wird der Begriff Heuristik13 furdiejenigen Losungsverfahren verwendet, bei denen man keine Aussage zurLosungsgute treffen kann.

4.3.2 Optimierungsverfahren im Uberblick

Bei der Optimierung kombinatorischer Probleme kommt eine Vielzahl sehrunterschiedlicher Verfahren zum Einsatz, die sich durch die beschreibendenAlgorithmen bzw. Heuristiken, das Laufzeitverhalten und die Robustheit un-terscheiden. Die folgende Einteilung stellt zunachst die grundlegenden Ver-fahren vor, im anschließenden Abschnitt sind konkrete Implementierungenvorgestellt.

Vergabestrategien in WarteschlangenEine effiziente Methode zur Zuteilung von Auftragen an Ressourcen, die ins-besondere in Online-Problemen angewendet wird, stellen Vergabestrategiendar. Der Auftragspool einer Ressource ist in diesen Fallen als Warteschlangezu betrachten, aus der nacheinander Auftrage von der Ressource abgerufenwerden. Jederzeit konnen allerdings neue Auftrage in diese Warteschlangeeingelastet werden (Abb. 4.8).

Eine Vorausberechnung der optimalen Auftragsreihenfolge aller in derWarteschlange befindlichen Auftrage ist nur bedingt moglich, da die Auf-tragszusammensetzung uber die Zeit variiert.

Auf diese Anwendungsfalle wird daher das Prinzip des”besten Nach-

folgers“ angewendet. Derartige Dispatching-Strategien bestimmen aus einemsich zeitlich andernden Auftragspool der Große n jeweils einen Auftrag mitlinearem Suchaufwand (O(n)).

Eine Optimierung, d.h. die Suche des besten Anschlussauftrages, orien-tiert sich an applikationsspezifischen Kriterien Fur Forder- und Kommis-sioniersysteme kann dies die kurzeste Anschlussfahrt sein. Weitere Optimie-rungskriterien sind die Auftragsprioritat oder das Datum der Einlastung.Derartige Dispatching-Strategien werden in [1, 43] untersucht.

13 vom griechischen heuriskein: finden.

Page 159: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

4.3 Verfahren der Losungsoptimierung 149

Enumerierende VerfahrenBei den vollstandigen enumerierenden Optimierungsverfahren werden alleLosungen eines Losungsraumes untersucht, daher ist garantiert, dass die ex-akte optimale Losung gefunden wird. Dazu mussen jedoch mit entsprechen-dem Berechnungsaufwand alle Losungen nacheinander erzeugt und bewertetwerden.

Da aber die Anzahl der Losungen bei realen Problemen sehr hoch werdenkann, sind vollstandige enumerierende Verfahren bei solchen Problemen nichteffizient einsetzbar. Die typischen Probleme der Reihenfolgeplanung und desScheduling werden zur Gruppe der NP-vollstandigen Verfahren mit exponen-tiellem Losungsaufwand gezahlt.

Angepasste enumerierenden Optimierungsverfahren schranken den Auf-wand zur Losungsfindung durch Integration von Problemwissen (Heuristiken)ein. Die vollstandig enumerierenden Verfahren werden dabei so modifiziert,dass moglichst wenige Losungen erzeugt und bewertet werden mussen, aberdennoch das Auffinden der besten Losung (globales Optimum) garantiertbleibt. Ein bekanntes Beispiel fur solche Verfahren ist der Branch&Bound -Algorithmus.

Kalkulbasierte VerfahrenBei den indirekten kalkulbasierten Optimierungsverfahren wird die optimaleLosung durch ein Gradientenverfahren ermittelt, das die Steigung der Ziel-funktion in Abhangigkeit von den Parametern untersucht. Von der Zielfunkti-on werden die Gradienten zu Null gesetzt und anschließend das sich ergeben-de Gleichungssystem fur die entsprechenden Parameter gelost. Die Losungensind die lokalen Optima, die dann verglichen und bewertet werden. Auf dieseWeise lassen sich die globalen Optima identifizieren.

Bei den direkten kalkulbasierten Optimierungsverfahren findet die Su-che nach der besten Losung durch gezielte Schritte im Suchraum statt. Einzufallig gewahlter Ausgangspunkt reprasentiert eine Anfangslosung, in derenUmgebung die Richtung mit dem steilsten Anstieg, also der großte Gradien-tenwert der Zielfunktion, bestimmt wird.

Das Verfahren durchsucht unter dieser Vorgehensweise den Losungsraumiterativ und stoppt, wenn es keine Richtung mehr gibt, in der sich bessereLosungen finden lassen. Dieser Ansatz wird als

”Hill-Climbing-Verfahren“

bezeichnet, da es zielsicher das nachstgelegene lokale Optimum findet.Im besten Fall entspricht das zuletzt gefundene lokale Optimum dem glo-

balen Optimum. Da das Auffinden des globalen Optimums aber nicht garan-tiert werden kann, ist das erzielte Ergebnis meist nur eine Naherung. Es seinoch einmal darauf hingewiesen, dass nur das enumerierende Optimierungs-verfahren die beste Losung garantiert, jedoch erfordern kalkulbasierte Opti-mierungsverfahren in den meisten Fallen einen erheblich geringeren Suchauf-wand.

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150 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

Zufallsgesteuerte VerfahrenZufallsgesteuerte bzw. stochastische Optimierungsverfahren verwenden keinezielgerichtete Suche, sondern generieren iterativ zufallige Losungen, die biszum Erreichen eines Abbruchkriteriums bewertet und verbessert werden.

Bei der Monte-Carlo-Strategie werden zufallig verschiedene Losungen er-zeugt und bewertet. Wird im Optimierungslauf eine bessere als die zuletztgespeicherte Losung gefunden, wird die neu gefundene Losung ubernommen;ein ubliches Abbruchkriterium ist die Anzahl der Iterationen.

Random Walk ist eine weitere Methode, den Losungsraum basierend aufeiner Anfangslosung schrittweise zu durchsuchen. Jede Losung wird aus derzuletzt betrachteten durch zufallige, marginale Anderungen entwickelt. Diebeste auf dem Weg gefundene Losung wird gemerkt. Als Abbruchkriteriumkann ebenfalls die Anzahl der erzeugten Losungen definiert werden.

Naturanaloge Optimierungsverfahren sind ebenfalls in die Gruppe der sto-chastischen Verfahren einzuordnen. Hier werden in Analogie zu den namens-gebenden naturlichen Vorgangen die chemisch/physikalischen und die bio-logischen Modelle unterschieden.

Weder bei der Monte-Carlo-Strategie und Random Walk noch bei einemder naturanalogen Verfahren konnen aus dem Verfahren heraus Aussagenuber Optimalitat der gefunden Losung getroffen werden; unter Umstandenwird nicht einmal ein lokales Optimum bestimmt.

4.3.3 Beispiele bekannter Losungsverfahren

Fur alle Arten von Optimierungsproblemen sind z. T. sehr spezialisierte Lo-sungsverfahren entwickelt worden. Die im Folgenden beschriebenen Algorith-men stellen eine Auswahl von in der Literatur veroffentlichten Verfahren zurOptimierung lagerlogistischer Problemstellungen dar.

Branch&Bound-AlgorithmenDas Branch&Bound-Prinzip ist unter den exakten Verfahren eine Vorge-hensweise, die systematisch moglichst erfolgsversprechende Losungen ausder Losung einfacherer Teilprobleme aufbaut und die nicht zum Optimumfuhrenden Teillosungen aus der weiteren Untersuchung ausschließt.

Um die Funktionsweise von Branch&Bound-Algorithmen zu verdeutli-chen, soll die Ermittlung des kurzesten Weges anhand eines einfachen Bei-spiels gezeigt werden (siehe Abb. 4.9). Betrachtet wird hierzu der dort gezeig-te Graph mit den Knoten 1 bis 5 und den eingezeichneten Kantenlangen. AlsStartknoten soll Knoten 1 und als Zielknoten Knoten 5 fur eine zu bestim-mende Tour verwendet werden.

Um die einzelnen Arbeitsschritte bei der Wegermittlung transparent zumachen, wird die Losungsfindung an dem in Abbildung 4.10 gezeigten Schemabeschrieben.

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4.3 Verfahren der Losungsoptimierung 151

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Abbildung 4.10. Schema zur Ermittlung des kurzesten Weges

Distanz, Vorganger und Untergrenze stehen je fur ein Feld, dessenGroße mit der Anzahl der Knoten des Graphen ubereinstimmt. In analo-ger Weise zum Dijkstra-Algorithmus wird der als nachstes zu untersuchendeKnoten Min jeweils aus einer Menge B von noch zu bearbeitenden Knotengeholt, wobei B denjenigen Knoten im Graph entspricht, die von den bislangbesuchten Knoten direkt erreicht werden konnen.

Von diesem Knoten Min aus werden dann alle Nachbarknoten untersucht.Als Vorgangerknoten des Nachbarn wird im Fall, dass noch kein Vorgangerexistiert, Min in Vorganger und die Weglange uber Min zum Startknotenin Distanz eingetragen. Existiert ein Vorgangerknoten, dann ersetzt Mindiesen, falls der Weg zum Startknoten uber Min kurzer ist als der fur diesenNachbarn gespeicherte Weg.

Wie man in Abb. 4.10 in Zeile 2 sehen kann, berechnen sich im Beispiel-graph die geschatzten Weglangen fur die Nachbarknoten des Startknotens 1beispielsweise zu

Untergrenze(2) = 0 + 4 + 5 = 9

Untergrenze(3) = 0 + 4 + 4 + 3 = 11

Untergrenze(4) = 0 + 3 + 8 = 11

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152 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

Der vielversprechendste Knoten ist somit Knoten 2, weswegen dieser alsnachstes aus der Menge B geholt wird, um dessen Nachbarn zu untersuchen.Die Wegsuche ist beendet, falls der Zielknoten aus der Menge B entfernt wird.Im Beispiel ist dies bereits nach drei Schritten mit Erreichen des Knotens 5der Fall. Der kurzeste Weg kann dann mit Hilfe des Feldes Vorganger (1-2-5)ermittelt und seine Lange in Distanz (Distanz(5) = 9) abgelesen werden.

Der Dijkstra-Algorithmus zur Bestimmung kurzester Wege in einem Gra-phen basiert ebenfalls auf dieser Vorgehensweise.

Heuristische EroffnungsverfahrenDie Aufgabe von Eroffnungsverfahren liegt in der Bestimmung gultiger Auf-tragsreihenfolgen, die allerdings noch nicht optimal sein mussen, da die ei-gentliche Optimierung durch ein anschließendes Verbesserungsverfahren er-folgt. Die nachfolgend beschriebenen Verfahren beziehen sich auf die Losungeines TSP mit n Orten und einem Startpunkt, wie es beispielsweise bei derBerechnung von Kommissionierreihenfolgen auftritt.

Die Grundidee der Savings-Heuristik liegt darin, zunachst alle Orte ein-zeln direkt vom Startpunkt (0) aus anzufahren. Eine solche aus Pendel-touren (0 → j → 0) bestehende Losung ist offenbar ungunstig, da derzuruckzulegende Gesamtweg aus der Summe der Einzeldistanzen d0j (Distanzzwischen 0 und dem Ort j) mit

2 ·∑n

j=1 d0j (4.6)

sehr ineffizient berechnet ware. Wahlt man eine Tour hingegen so, dass jeweilszwei Orte i und j in einem Zyklus besucht werden, kann die Wegeinsparungsij mit

sij = d0i + d0j − dij (4.7)

erzielt werden. Diese”Savings“ werden dann unter Beachtung eventueller Re-

striktionen fur alle Paare von Orten errechnet, fur die eine gemeinsame Tourzulassig ist. Der Savings-Algorithmus kann unter Verwendung einer Entfer-nungsmatrix D = dij , 1 ≤ i, j ≤ n wie folgt formuliert werden [87]:

1. Bestimmung einer Ausgangslosung, alle Pendeltouren (0 → j → 0) furj = 1, . . . , n.

2. Bestimmung aller Savings gemaß Gl. 4.7, die unter Berucksichtigung derRestriktionen entstehen konnen. Sortierung der berechneten Savings sij

nach abnehmenden Werten in einer Liste.3. Suche nach einer Kante dij , fur die sij maximal ist. Verbindung der Orte

i und j, falls gilt:• Die Orte liegen nicht auf derselben Route.• Keiner der Ort i und j ist innerer Punkt einer Route.• Keine Nebenbedingung (Kapazitat, Zeit, Fahrstrecke etc.) wird ver-

letzt.

Page 163: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

4.3 Verfahren der Losungsoptimierung 153

Streichung von sij , weiter mit Schritt 4.4. Uberprufung, ob noch Zusammenlegungen von Touren moglich sind. Falls

ja, weiter mit Schritt 3, sonst Schritt 5.5. Ende

Weitere Eroffnungsverfahren sind”Bester Nachfolger“, das Sweep-Ver-

fahren [86] und im Speziellen fur die Planung von Kommissionierauftragendie im Absatz 4.2.2 aufgefuhrten Verfahren.

Deterministische r-opt-VerbesserungsverfahrenDie r-optimalen Verfahren gehen von einer durch ein Eroffnungsverfahrenermittelten, zulassigen Losung aus und zielen auf eine Verbesserung derLosungsgute durch Vertauschen einer Anzahl r in einem gultigen Reihen-folgegraphen befindlichen Kanten ab.

Beim 2-opt-Verfahren werden die Tauschmoglichkeiten von jeweils zweiKanten gepruft. Falls sich durch eine Vertauschung eine verbesserte Losungergibt, wird diese ubernommen.

Der Algorithmus fur das 2-opt-Verfahren zur Bestimmung der kurzestenTour in einem TSP ist hier als Metacode beschrieben. Gegeben sind die n Or-te s1 bis sn und die Entfernungsmatrix C, in der alle Entfernungen zwischenje zwei Orten si und sj als Wegdistanz cij hinterlegt sind, sowie eine zulassigeAnfangstour r = [t1, t2, . . . , tn] mit tn+1 = t1. Der Algorithmus wird been-det, falls bei einem Iterationsschritt keine Verbesserung zum vorhergehendenSchritt erzielt werden kann.

ITERATION µ (1,2,...)

For i := 1 to (n-2) do

begin

For j : = i + 2 to n do

begin berechne △ctitj+ cti+1tj+1

− ct1ti+1+ ctjtj+1

Falls △ < 0 bilde eine neue Tour

[t1, . . . , tn] mit vertauschten ti und tjWeiter mit ITERATION µ + 1

end

end

Am Beispiel der Bildung einer Kommissionierreihenfolge mit der Streifenstra-tegie als Anfangslosung wird durch Vertauschen von jeweils r Kanten zwi-schen den Knoten im zugrunde liegenden Graphen iterativ eine Verkurzungder Tour eingestellt. Beim 2-opt-Kantentausch kann die Lange einer Tourdurch paarweises Vertauschen der Reihenfolge von je zwei Knoten (und damitder verbindenden Kanten) beeinflusst werden. In Abb. 4.11 ist das Tauschender Kanten 3-4 und 6-7 auf die Kanten 3-7 und 6-4 mit der sich anderndenTourlange gezeigt.

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154 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

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Abbildung 4.11. Kantentauschverfahren

Genetische AlgorithmenGenetische Algorithmen (engl. genetic algorithms, GA) gehoren zur Grup-pe der naturanalogen Verfahren, die Mechanismen naturlicher Systeme intechnisch-okonomischen Anwendungen adaptieren (vgl. [19]). Die Idee zurEntwicklung und Anwendung genetischer Algorithmen in technischen Opti-mierungsproblemen ist aus der Anschauung heraus entstanden, die evoluti-onare Entwicklung der Natur nachzubilden, welche ihrerseits ebenfalls einemOptimierungsprinzip, dem

”Survival of the Fittest“ folgt14.

Der Ablauf genetischer Algorithmen besteht darin, aus einer Menge vonAnfangslosungen innerhalb der Population durch eine Rekombination, d. h.neue Zusammensetzung bereits existierender Losungen, bessere (und auchschlechtere) Losungen zu generieren. Die schlechteren Losungen werden ausder Losungsmenge ausgeschieden und durch die besseren ersetzt, bis ubermehrere Iterationsstufen letztlich keine signifikanten Verbesserungen mehrerzielt werden. Damit die GA im Verlauf der Rekombination keine identischenLosungen produzieren, wird die Methode der Mutation genutzt, d.h. dass beieiner rekombinierten Losung zufallig eine Veranderung erzeugt wird.

Die folgenden Schritte beschreiben den grundlegenden Ablauf eines GA;gegeben sei die Problemgroße durch die Anzahl n Elemente, fur die eineoptimale Reihenfolge bestimmt werden soll:

1. Bildung einer Grundpopulation aus µ Elementen (Initialisierung, µ ≪ n!)2. Definition eines Abbruchkriteriums fur den nachfolgenden Schleifen-

durchlauf

14

”Survival of the Fittest“ ist nach der evolutionaren Theorie als Ergebnis von

Selektion, Vererbung und naturbedingten Zufallsmechanismen, den Mutationen,anzusehen, welche individuelle Veranderungen an Auspragungen biologischer Or-ganismen hervorrufen.

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4.3 Verfahren der Losungsoptimierung 155

3. Bewertung der Individuen mit der Zielfunktion f (Bewertung der Fitness,z.B. anhand der Weglange)

4. Auswahl von Individuen aus dieser Population (Selektion anhand derFitness)

5. Bildung von Nachkommen (Rekombination)6. Modifikation der Nachkommeneigenschaften (Mutation)7. Wiederholung ab Schritt 3, bis Abbruchkriterium erfullt ist

Reihenfolgeprobleme werden als GA derart codiert, dass die zu reihen-den Auftrage jeweils einem Gen innerhalb eines Genstranges, dem Genombzw. Chromosom, entsprechen. Jeder Auftrag kann somit eine beliebige Stel-le innerhalb des Chromosoms besetzen; die Reihenfolge der Bearbeitung einesAuftrags entspricht dann der Position innerhalb des Chromosoms.

Bei der Initialisierung wird durch einen Zufallsgenerator eine Grundpo-pulation aus µ unterschiedlichen Chromosomen gebildet. Die Fitness dieserChromosomen entspricht bei Reihenfolgeproblemen der durch eine Bewer-tungsfunktion ermittelten Tourlange (bspw. Kommissionierrundgang15).

Im Zuge der Selektion werden die Elternchromosomen fur eine anschlie-ßende Rekombination anhand ihrer Fitness ausgewahlt. Eine einfach durch-zufuhrende Auswahl erfolgt anhand der relativen Haufigkeit der Fitness. Hier-bei konnen allerdings Dominanzeffekte auftreten. Bestimmte Chromosomen-auspragungen wurden nach dieser Vorgehensweise uberproportional oft selek-tiert, der GA optimiert dann nur auf ein lokales Optimum hin. Dieser Effektkann jedoch durch eine Normalisierung der Fitnesswerte verhindert werden.

Nach der Selektion von jeweils zwei Eltern werden deren Gene durch Re-kombinationsoperatoren an die Nachkommen vererbt. Ein fur Reihenfolge-probleme einfach zu implementierender Operator ist, neben zahlreichen pro-blemspezifischen Operatoren, das uniform order-based crossover, bei dem einzufalliger Bitstring in der Lange der Chromosomen bestimmt, welche Geneauf welche Nachkommen verteilt werden (Abb. 4.12).

Die im Bitstring mit einer 1 gekennzeichneten Stellen ubertragen die Genevon Elternteil 1 auf den ersten Nachkommen, umgekehrt werden die ande-ren, mit 0 gekennzeichneten Gene von Elternteil 2 auf den zweiten Nach-kommen ubertragen. Die nach der Positionsubernahme noch zu besetzendenLeerstellen in den Chromosomen der Nachkommen werden in der Reihenfolgeihres Auftretens im korrespondierenden Elterngenom mit den Genen der El-tern aufgefullt. Auf diese Weise ist außerdem sichergestellt, dass nur gultigeGensequenzen fur die Nachkommen erzeugt werden (keine Verdoppelung vonGenen).

Durch Mutation konnen einzelne Chromosome innerhalb der Populati-on zielgerichtet modifiziert werden, um ebenfalls eine Einschrankung desLosungsraumes und damit eine nur lokale Optimierung zu vermeiden. Bei

15 Zu berucksichtigen ist, dass die Fitness problemspezifisch, d.h. abhangig von derzugrundeliegenden Zielfunktion, maximiert oder minimiert wird.

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156 4. Grundlagen der betrieblichen Optimierung

41 62 35

43 15 62

10 11 10

4- 62 3-

-3 -- -2

45 62 31

13 64 35

Elternteil 1

Elternteil 2

Bitstring

Kind 1

Kind 2

Positions-übernahme

Abbildung 4.12. Rekombinations-operator uniform order-based cross-over

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Abbildung 4.13. Anwendung vonMutationsoperatoren

den in Abb. 4.13 gezeigten Mutationsoperatoren werden Teilbereiche einesChromosoms entweder durch Spiegeln der Genreihenfolge (Inversion) oderdurch zufallige Neuanordnung (Scrambled Sublist) angeordnet.

Auf welche Weise die verschiedenen Operatoren zur Reproduktion ange-wendet werden, hangt vom Reproduktionsmodell der Population bzw. des GAab. Darin wird u. a. die Anzahl und Wahrscheinlichkeit pcross der zu selektie-renden und zu rekombinierenden Elternpaare und ihrer Nachfolger sowie dieGenerationsanzahl und die in einer Generation ablaufenden Mutations- undgegebenenfalls Klonvorgange mit ihren jeweiligen Auftrittswahrscheinlichkei-ten festgelegt.

Gleichzeitig klassifiziert das Reproduktionsmodell den Berechnungsauf-wand und ist damit ein Gradmesser fur das Laufzeitverhalten. Allgemeinkann der Berechnungsaufwand fur den eingangs beschriebenen GA danachals polynomial abgeschatzt werden.

Im Gegensatz zu den bereits beschriebenen klassischen Optimierungsver-fahren basiert eine Optimierung durch genetische Algorithmen damit nichtauf der schrittweisen Verbesserung nur einer Losung, sondern wird durchmehrere Losungsinstanzen gebildet, die gleichzeitig unterschiedliche Stellendes Suchraums belegen. Auf diese Weise sind genetische Verfahren robustergegenuber Schwankungen der problembestimmenden Eingangsgroßen undkonnen ebenfalls verhindern, dass Losungen in nur einem lokal begrenztenBereich (lokales Optimum) generiert werden.

Fur ein weiterfuhrendes Studium genetischer Algorithmen sei hier auf[21, 28] verwiesen.

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5. Informations- und Kommunikationstechnik

In diesem Kapitel werden die Grundlagen der Informations- und Kommuni-kationstechnik in Form eines Uberblicks dargelegt. Ziel dieses Kapitels ist dieVermittlung von allgemeinen Prinzipien und deren praktische Umsetzung –soweit sie fur Entscheidungen bezuglich der Auswahl, der Beschaffung unddes Betriebs von WMS relevant sind. Aufgrund des schnellen Wandels in derInformations- und Kommunikationstechnik beschrankt sich dieses Kapitel aufdie Grundlagen, wahrend konkrete Verfahren anhand ausgewahlter Beispieleerlautert werden.

5.1 Kommunikationstechnik

Die moderne Kommunikationstechnik bildet den Schlussel zum schnellen,fehlerfreien Datenaustausch und zu zahlreichen Diensten, die in offentlichenNetzen weltweit angeboten werden ([54], [55]). Die elektronische Kommuni-kationstechnik begann mit der auf Morsezeichen basierenden Telegraphie undentwickelte sich uber das Telefon, Telefax und das Fernsehen bis hin zu dendigitalen Techniken der heutigen Zeit. Die Ubertragungstechnik hat sich vonden Anfangen bis heute ebenfalls stark gewandelt. Fruher waren ausschließ-lich drahtgebundene Punkt-zu-Punkt-Verbindungen ohne jegliche Vermitt-lungstechnik moglich. Diese entwickelte sich uber Wahlverbindungen1, Paket-vermittlung2 und Breitbandtechnologie3 weiter. Dazu kamen die Moglichkeitder Mehrfachnutzung der Medien durch die Multiplextechnik, die optischeUbertragungstechnik und die Satellitentechnik. Heute wird eine Vielzahl vonDiensten uber unterschiedlichste Ubertragungsmedien angeboten.

Die folgenden Abschnitte dienen dazu, die Vielzahl der Begriffe undAbkurzungen rund um das Thema Kommunikationstechnik einzuordnen.

1 Die Vermittlungstechnik der Wahlverbindungen, bei denen fur die Dauer einerVerbindung eine Leitung geschaltet wird, wird Leitungsvermittlung genannt.

2 Die zu ubertragenden Daten werden zu kleinen Einheiten, den Paketen, zusam-mengefasst und jedes Paket wird individuell durch das Netz transportiert, stattdie gesamten Daten uber eine fest zugeordnete Leitung zu ubertragen.

3 Mehrere Datenubertragungen nutzen gleichzeitig innerhalb eines Ubertragungs-kanals das gleiche Frequenzband.

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158 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Modul derSchicht n

Daten

Daten

Schicht n

Schicht n+1

Schicht n-1

Funktionen

Funktionen

Abbildung 5.1. Grundlegendes Prinzip einer Schicht in einem Softwaresystem

5.1.1 Schichtenmodelle

Schichtenmodelle stellen ein Prinzip der Strukturierung von Software dar. Inder Kommunikationstechnik wird dieses Prinzip besonders erfolgreich einge-setzt. Eine Schicht (Layer) stellt – unter Nutzung der Dienste der unterge-ordneten Schicht – Dienste fur die ubergeordnete Schicht bereit (s. Abb. 5.1).

In diesem und in den folgenden Abschnitten wird das in der Kommuni-kationstechnik weit verbreitete und anerkannte ISO/OSI-Referenzmodell (s.Abb. 5.2) zugrunde gelegt. Mit Hilfe des ISO/OSI-Modells lasst sich die Kom-munikation uber elektronische Medien durch sieben Schichten darstellen, die,hierarchisch aufgebaut, den Informationsfluss vom physischen Medium bis zurApplikation (zum Beispiel ein WMS) beschreiben. Applikationen stehen uberdie Schichtenfolge 6 → 5 → 4 → 3 → 2 → 1 → Ubertragungsmedium → 1 → 2→ 3 → 4 → 5 → 6 miteinander in Verbindung. Da auf der Empfangsseite dieSchichten in umgekehrter Reihenfolge durchlaufen werden, spricht man auchvon einem Protokollstack. Tabelle 5.1 beschreibt die Aufgaben der einzelnenSchichten. Die Schichten 1 bis 4 bezeichnet man auch als transportorientier-te Schichten und die Schichten 5 bis 7 als applikationsorientierte Schichten.Detailliertere Beschreibungen sind beispielsweise in [55] zu finden.

5.1.2 Protokolle

Protokolle implementieren die Funktionen einer Schicht. Jede einzelne Schichtempfangt von der ihr ubergeordneten Schicht die zu ubertragenden Nutzda-ten. Diese werden zusammen mit einem Kopf (Header), der Informationen

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5.1 Kommunikationstechnik 159

Anwendungsschicht7

6

5

4

3

2

1

Darstellungsschicht

Kommunikations-steuerungsschicht

Transportschicht

Vermittlungsschicht

Sicherungsschicht

Bitübertragungsschicht

Presentation Layer

Session Layer

Transport Layer

Network Layer

Data Link Layer

Physical Layer

Daten

Anwendungsprotokoll Daten

Daten

Daten

Daten

Daten

Daten

Bits

AH

Darstellungsprotokoll

Sitzungssprotokoll

Transportprotokoll

Vermittlungsprotokoll

PH

SH

Application Layer

TH

NH

DH DT

Applikation1 Applikation2

Abbildung 5.2. Das ISO/OSI-Referenzmodell. Auf der linken Seite des Protokoll-stacks sind die Schichten mit den deutschen, auf der rechten Seite mit den englischenBegriffen beschriftet.

uber die zu ubertragenden Nutzdaten enthalt, als Frame oder Paket4 wei-tergeleitet. Anhand der Headerinformationen werden die zu ubertragendenDaten einschließlich des Headers durch das Protokoll bearbeitet und, mit ei-nem zusatzlichen Header versehen, an die nachsttiefere Schicht ubergeben.Bei diesem Vorgang konnen große Pakete in mehrere kleine zerlegt oder zugroßeren Paketen zusammengefasst werden. Auf der Empfangsseite werdendie von den einzelnen Schichten erzeugten Header wieder von den Nutzdatengetrennt, so dass schließlich der Applikation auf der Empfangsseite nur dieDaten geliefert werden, welche die Applikation auf der Sendeseite gesendethat.

Empfangene Pakete werden meist durch Quittungspakete bestatigt oderverworfen. Protokolle konnen Ubertragungsfehler durch Prufsummenberech-nung und -auswertung erkennen und bei der aufrufenden Schicht eine Wie-derholung des entsprechenden Paketes anfordern. Fur eine detailliertere Be-schreibung allgemeiner Protokollprinzipien siehe beispielsweise [20, 55]. Ty-pische Protokolle, die im Internet angewendet werden, sind in Abb. 5.3 dar-gestellt:

• Internetprotokolle– FTP (File Transfer Protocol) zur sicheren Ubertragung von Dateien– TELNET (Remote Terminal Program) zur zeichenbasierten Kommuni-

kation mit System- und Anwendungsprogrammen– SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) zur Ubertragung von E-Mail– NSP (Name Server Protocol) zur Namensauflosung im Internet

4 Frame und Rahmen sowie Packet (engl.) und Paket werden synonym verwendet.Sie enthalten immer einen Header und die Nutzdaten. Der Begriff

”Frame“ wird

meist fur die Schichten 1 und 2 verwendet.

Page 170: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

160 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Tabelle 5.1. Schichten des ISO/OSI-Referenzmodells und ihre Bedeutung

Nr. Schicht Aufgaben

7 Applikation Anwendungsprogramm, das unter Nutzung des Protokollstacksmit einer oder mehreren anderen Anwendungen kommuniziert

6 Präsentation Vereinheitlichung einer applikationsunabhängigen Darstellung von Datentypen im Netzwerk. Beispielsweise werden ganze Zahlen netzwerkseitig immer in einer bestimmten Reihenfolge dargestellt, während die applikationsseitige Darstellung von der Hardware des Rechners abhängt.

5 Sitzung Für die Dauer der Laufzeit einer Applikation werden hier Zustandsdatengehalten. Insbesondere für Fehlerfälle werden so genannte Synchronisations-punkte verwaltet.

4 Transport Die Sendedaten werden in Pakete zerlegt. Die Reihenfolge empfangener Pakete wird sichergestellt.

3 Vermittlung Die Pakete, die nicht für diesen Rechner bestimmt sind, werden an einen Nachbarrechner weitergeleitet. Diese Vermittlung kann über mehrere Rechner erfolgen. Die Wegefindung nennt man Routing. Die Rechner, welche diese Schicht nur als Vermittlungsknoten zwischen benachbarten Rechnern realisieren und die empfangenen Pakete nicht an höhere Protokollschichten weiterleiten, nennt man Router (s. Abb. 5.10).

1 Bitübertragung Spezifikation von physikalischen Anforderungen wie beispielsweise von Kabeln, Steckern und Spannungspegeln

2 Sicherung Sicherung der korrekten Übertragung der Daten. Die Korrektheit wird zwar auch in den höheren Schichten überprüft. Dieser Schicht kommt aber eine besondere Bedeutung zu, da sie die erste Schicht ist, die direkte Verbindung zur Hardware hat und hier – je nach eingesetztem Übertragungsmedium und dem Zugriffsverfahren sowie der aktuellen Störsituation – eine große Fehlerhäufigkeit zu erwarten ist. Die kleinste Einheit der zu übertragenden Daten nennt man hier Frame. Diese Schicht wird in zwei Subschichten aufgeteilt. Die MAC-Schicht (MAC: Medium Access Control) regelt den Zugriff auf das Medium. Beispielsweise werden hier Kollisionen in Bussystemen behandelt. Die LLC-Schicht (LLC: Logical Link Control) ist für die sichere Übertragung der Daten zuständig. Die Frames werden um Prüfsummen erweitert. Quittungsframes bestätigen den korrekten Empfang von Frames.

– SNMP (Simple Network Management Protocol) zur Verwaltung vonNetzwerken

• Transportprotokolle– TCP (Transmission Control Protocol) zur verbindungsorientierten Kom-

munikation. Ein Client-Prozess (s. Abschn. 5.1.6) baut zu einem Server-Prozess eine Verbindung auf, die dann in beiden Richtungen zur Kom-munikation genutzt werden kann, bis einer der beiden Teilnehmer dieseVerbindung beendet.

– UDP (User Datagram Protocol) arbeitet im Gegensatz zum TCP verbin-dungslos. Jedes Datenpaket wird getrennt vom Sender zum Empfangergeschickt. UDP garantiert nicht, dass die Pakete auch tatsachlich ihr Zielerreichen.

• IP (Internet Protocol) als Beispiel fur ein Vermittlungsprotokoll; haufig inVerbindung mit dem TCP-Transportprotokoll eingesetzt (→TCP/IP)

Page 171: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

5.1 Kommunikationstechnik 161

TCP UDP

Applikation1

Applikation2

Applikationn

Physikalisches Medium

IP

File Transfer Protocol (FTP)Remote Terminal Protocol (TELNET)Simple Mail Transfer Protocol (SMTP)

Name Server Protocol (NSP)Simple Network Management Protocol (SNMP)

Schicht 4

Schicht 5 bis 7

IEEE 802.x

Nutzer

Schicht 3

Schicht 2

Schicht 1

Abbildung 5.3. Typische Protokolle, die im Internet angewendet werden (nach[55])

• Sicherungsprotokolle nach IEEE802.x– IEEE802.3 Ethernet als Beispiel fur eine Busstruktur– IEEE802.4 Tokenbus als logische Ringstruktur auf einem physischen Bus– IEEE802.5 Tokenring als Beispiel fur eine ringbasierte Netzstruktur– IEEE802.6 optisches Doppelbussystem fur den Einsatz in MANs– IEEE802.11 Einsatz in drahtlosen LANs

5.1.3 Ubertragungsmedien

Die Ubertragungsmedien stellen die unterste Schicht eines Kommunikations-systems dar. Trotz ihres analogen physikalischen Funktionsprinzips werden

Page 172: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

162 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Nachrichten-quelle 1

Quellencoder 1

Nachrichten-quelle 2

Quellencoder 2

MUX

Störungen

... ...

... ...

Kanalencoder

Modulator

Übertragungs-kanal

Demodulator

Nachrichten-quelle n

Quellencoder n

Nachrichten-senke 1

Quellencoder 1

Nachrichten-senke 2

Quellencoder 2

... ...

... ... Kanaldecoder

Nachrichten-senke n

Quellencoder n

DEMUX

Abbildung 5.4. Quellcodierung und Mehrfachzugriff auf das Ubertragungsme-dium

sie fur die Ubertragung digitaler Signale – das sind Signale mit einem end-lich abzahlbaren Symbolvorrat – genutzt. Auf den hoheren Schichten wer-den ausschließlich digitale Signale mit zwei Zustanden – binare Signale –verwendet. Ein elektrisches Kabel kann beispielsweise mit unterschiedlichenSpannungswerten beaufschlagt werden. Je dichter die moglichen Spannungs-werte gestaffelt werden, um so kritischer ist unter realen Verhaltnissen dieZuordnung eines konkreten Wertes zu einem Symbol. Reale Verhaltnisse bein-halten immer Schwankungen der Spannungswerte durch Eigenschaften desUbertragungsmediums und durch externe Storeinflusse. Aus diesem Grundist die zu einem Zeitpunkt zu ubertragende Informationsmenge von denStoreinflussen und von der Gute des Mediums abhangig. Viele Modems5,die zur Datenubertragung uber Telefonleitungen eingesetzt werden, passensich daher selbststandig der aktuellen Gute des Ubertragungskanals an.

5 Ein Modem beinhaltet die Baugruppen Modulator und Demodulator.

Page 173: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

5.1 Kommunikationstechnik 163

Die Ubertragung von Spannungswerten ist nur eine Art der Aufpragungder Information auf ein Medium. Alternativen sind beispielsweise die Uber-tragung von Tonen, Tonanderungen, aber auch kombinierte Verfahren6.

Lichtwellenleiter (LWL, auch: Glasfaser) erlauben eine weitgehend sto-rungsfreie Ubertragung der Signale. Mit ihnen lassen sich große Bandbreitenund eine gegen elektromagnetische Felder unempfindliche Ubertragung reali-sieren. Lichtwellenleiter finden in allen Bereichen der industriellen Netzwerk-technik zunehmend Verwendung.

Abbildung 5.4 zeigt schematisch den grundsatzlichen Aufbau einer Da-tenubertragung von den Datenquellen bis zu den Datensenken. Der Quell-encoder hat die Aufgabe, den Datenstrom zu verdichten. Die Verfahren sindabhangig von der Art der Datenquelle. Digitale Bild- und Audiodaten wer-den mit anderen Verfahren codiert als beispielsweise Textdateien. Zur bes-seren Nutzung des Ubertragungskanals konnen sich mehrere Datenstromeein Ubertragungsmedium teilen. Diese Technik nennt man Multiplexing,die Gerate Multiplexer/Demultiplexer (MUX/DEMUX). Der Kanalencoderpasst die so gebundelten Signale den Eigenschaften des Ubertragungskanalsoptimal an [27]. Adaptive Verfahren arbeiten dynamisch und berucksichtigendabei auch die aktuelle Storsituation. Bei einem Anstieg der Storungen,die auf den Ubertragungskanal wirken, wird die Ubertragungsgeschwindig-keit reduziert. Der Modulator setzt schließlich die Signale in eine physischeGroße (elektrisch/optisch) um, die dann durch den Kanal zum Empfangsortubertragen wird. Hier laufen alle Vorgange in umgekehrter Reihenfolge ab.Das dargestellte Grundprinzip zeigt nicht die Moglichkeit der bidirektionalenNutzung des Kanals. Das Schema beschrankt sich auch auf die Darstellungvon Punkt-zu-Punkt-Verbindungen: Jeder Datenquelle ist genau eine Daten-senke zugeordnet. Abschnitt 5.1.4 zeigt weitere mogliche Netzstrukturen undVermittlungstechnik.

Eine wichtige Kenngroße ist die Geschwindigkeit, mit der die Zeichenubertragen werden. Die Anzahl der Zeichenwechsel pro Sekunde wird mit derEinheit Baud bezeichnet und durch die Eigenschaften des Mediums (Band-breite) beschrankt. Fur den Anwender ist die Ubertragungsrate in Bit proSekunde wichtiger, da diese Kennzahl sich direkt auf die erforderliche Uber-tragungszeit fur ein gegebenes Datenvolumen auswirkt.

Da bei langeren Kabeln der zeitliche Verlauf der Signale verschleift unddie Signalstarken abnehmen, setzt man in diesen Fallen Repeater (s. Ab-schn. 5.1.4) ein, um die Form der Signale zu restaurieren und zu verstarken.

Außer den hier angesprochenen elektrischen Ubertragungsmedien werdenauch optische Medien eingesetzt, die unabhangig von externen elektromag-netischen Feldern sind und selbst keine derartigen Felder abstrahlen. Manspricht von einer hohen elektromagnetischen Vertraglichkeit (EMV ). Damitkonnen sie auch problemlos zusammen mit anderen Kabeln verlegt werden.

6 Die entsprechenden Verfahren der Nachrichtentechnik (Amplituden-, Frequenz-,Phasen- und Quadraturmodulation) werden beispielsweise in [27] beschrieben.

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164 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Busstruktur

Doppelbus

Ring

Doppelring

Gitter Vollständiges Netz

Stern

Abbildung 5.5. Typische Netzwerktopologien

Eine besondere Stellung nehmen die Funkubertragungsverfahren ein. Ins-besondere Abschattungen, starke Schwankungen der Signale am Empfangs-ort und Mehrfachempfang durch Reflexionen erschweren technische Realisie-rungen. Insbesondere innerhalb eines Lagers mit zahlreichen Stahlelementenerfordert der Einsatz der Funkubertragungstechnik eine sorgfaltige Planungund Inbetriebnahme. Ausfuhrliche Funkmessungen und ggf. der daraus re-sultierende Einsatz zusatzlicher Sender und Antennen zur flachendeckendenAusleuchtung des gesamten Einsatzbereiches sind haufig notwendig.

5.1.4 Netztypen und Internetworking

Netze konnen nach ihrer Struktur als Bus, Ring, Doppelring, Stern, Git-ter oder als vollstandig klassifiziert werden (s. Abb. 5.5). Mit Ausnahme derBusstruktur basieren die Topologien auf Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. DieBussysteme erschweren die Kommunikation zwischen den angeschlossenenTeilnehmern, da zu einer Zeit immer nur ein Teilnehmer senden kann. Ei-ne ahnliche Problematik tritt bei den funk- und infrarotbasierten Systemenauf. Auch hier teilen sich mehrere Teilnehmer ein Medium. Aufgrund derMobilitat der Teilnehmer und der beschrankten Reichweiten ergibt sich das

Page 175: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

5.1 Kommunikationstechnik 165

Problem der Lokalisierung und der Bedarf nach hochdynamischen Vermitt-lungsverfahren, auf die hier nicht eingegangen wird (s. z. B. [55]).

Vom Feldbus bis zum Weitverkehrsnetz Netzwerke finden in allenindustriellen Bereichen Anwendung. Ein Kriterium zur Klassifizierung derNetzwerktypen ist die Lange des Ubertragungsweges zwischen zwei Kom-munikationspartnern7. Mit der Entfernung steigen die Fehlerhaufigkeit unddie Latenzzeit8. Die Betrachtung der typischen Entfernungen zwischen deneinzelnen Knotenrechnern fuhrt zu den folgenden Einteilungen:

• Feldbussysteme dienen den Geraten der Automatisierungstechnik zumschnellen Austausch von Signalen und Messwerten zwischen Sensoren undSteuerungen sowie zwischen Steuerungen und Aktoren. Die Forderung nacheiner kurzen Verzogerungszeit (Latenzzeit) kann von einer sehr niedrigenbis zu einer garantierten maximalen Latenzzeit reichen. Das Echtzeitver-halten9 des Gesamtsystems muss auch bei den relativ langsamen Prozessender Fordertechnik sichergestellt werden.

• Local Area Networks (LANs) werden meist innerhalb von Gebauden ein-gesetzt und ermoglichen bei geringer Latenzzeit einen großen Durchsatz.

• Metropolitan Area Networks (MANs) haben ihren typischen Einsatz bei

”mittleren“ Entfernungen.

• Wide Area Networks (WANs) dienen der Uberbruckung von großen Ent-fernungen – z. B. zwischen Stadten, Landern oder Kontinenten.

Abbildung 5.6 zeigt eine qualitative Einordnung dieser Netzklassen. Ausdiesen Netzen mit ihren jeweiligen charakteristischen Eigenschaften konnengroße Netzwerke – so genannte Internetzwerke [55] – aufgebaut werden. Eintypisches Beispiel hierzu ist das Internet, dessen Hauptverbindungsstrecken,die große Datenmengen uber weite Distanzen ubertragen, als Backbone be-zeichnet werden (s. Abb. 5.7).

Internetworking In einer heterogenen Kommunikationswelt mussen großeEntfernungen uberbruckt und unterschiedliche Netzwerke miteinander ver-bunden werden. Die Wegsuche durch solche Netzwerke erfordert ebenfallsentsprechende Vermittlungseinrichtungen, die netzubergreifend arbeiten. Aufden verschiedenen Ebenen des Schichtenmodells konnen Teilnetze miteinan-der verbunden werden.

7 Das gilt auch fur den Weg zwischen jeweils zwei Knotenrechnern, uber welchedie Datenpakete zum Zielrechner vermittelt werden.

8 Unter Latenzzeit versteht man die Verzogerungszeit zwischen einem Ereignis unddem Eintreten einer Reaktion.

9 Echtzeitfahigkeit ist eine Systemeigenschaft, die innerhalb einer Zeitschranke T

die Reaktion eines Systems auf ein Ereignis garantiert.

Page 176: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

166 5. Informations- und Kommunikationstechnik

LAN

Feldbus

MAN

WAN

LAN: Local Area Network

MAN: Metropolitan Area Network

WAN: Wide Area Network

LatenzzeitFehlerhäufigkeit

Gebäude Stadt Land Erde Reichweite

Abbildung 5.6. Grobklassifizierung verschiedener Netzwerke

• Repeater gehoren zur ISO/OSI-Schicht 1 und dienen zur Regenerierungelektrischer Signale. Repeater werden eingesetzt, wenn großere Entfernun-gen zu uberbrucken sind.

• Hubs gehoren ebenfalls zur Schicht 1 und dienen als Sternpunkt im Wesent-lichen einer Vereinfachung der Verkabelung. Sie verbinden mehrere Seg-mente, von denen jedes ein eigenes Bussystem darstellt. Ein Hub kopiertalle ankommenden Frames eines jeden Segmentes auf alle anderen Segmen-te. Damit hat das gesamte Netz zwar eine sternformige Topologie, aber dasVerhalten eines Bussystems.

Abbildung 5.7. Verbindung von LAN, MAN und WAN zu einen Internetzwerk

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5.1 Kommunikationstechnik 167

Physikalisches Medium1Physikalisches Medium2

Repeater

Abbildung 5.8. Repeater zur Sig-nalregenerierung zwischen Kabelseg-menten

Physikalisches Medium1Physikalisches Medium2

Bridge

Abbildung 5.9. Bridge zur Kopp-lung von Netzen mit unterschiedli-chen Sicherungsprotokollen

• Zur Vermeidung von Kollisionen zwischen den Frames unterschiedlicherSegmente setzt man Switches ein. Diese sind ahnlich wie Hubs aufgebaut,kopieren aber die empfangenen Pakete nur auf das Segment, an dem derEmpfanger angeschlossen ist (auch als Switching Hubs bezeichnet).

• Viele Unternehmen betreiben mehrere LANs und mussen diese miteinanderverbinden. Hier bietet sich eine Bridge an. Im Gegensatz zu einem Router,der auf der Schicht 2 arbeitet, ist der Aufwand wesentlich geringer. Bridgeskonnen Netze mit unterschiedlichen Technologien – genauer gesagt mit un-terschiedlichen Medienzugriffsprotokollen – miteinander verbinden. Dabeiwerden die Zieladressen der Vermittlungsschicht nicht aufgelost.

• Router vermitteln auf der Schicht 3 die Datenpakete uber”gunstige“ Pfade.

• Ein Gateway arbeitet auf der Ebene der Applikationen. Dazu mussen al-le tieferen Schichten des Protokollstacks durchlaufen werden. Gatewaysdienen der Verbindung von unterschiedlichen Applikationen oder von un-terschiedlichen unterlagerten Protokollschichten, die erst auf dieser Ebe-ne einen Ubergang zwischen verschiedenen Netzen ermoglichen. Gatewayswerden oft zur Kopplung von WMS und ERP-Systemen eingesetzt, umtrotz unterschiedlicher Applikationsprotokolle eine Kommunikation zwi-schen ihnen zu ermoglichen.

5.1.5 Netzwerkadressen

Jede Schicht des ISO/OSI-Protokollstacks arbeitet mit eindeutigen Identifika-tionen, die je nach Schicht als Funktionscode, Sitzungsidentifikation, Dienst-identifikation, Knotenadresse oder Hardwareadresse bezeichnet werden. DieAdressierung wird an einem einfachen Beispiel10 erlautert:

Auf der Schicht 1 sind die physischen Anschlusse eindeutig identifizierbareund eindeutig benannte Einheiten. Ethernetanschlusse werden typischerwei-se mit eth0, eth1, usw. bezeichnet. Fur RS232-Anschlusse11 werden oft dieBezeichner com1 und com212 verwendet.

10 Das Beispiel basiert auf dem TCP/IP-Protokoll und einem Ethernet-Bussystem.11 RS232 ist eine serielle Spannungsschnittstelle.12 Unter den Betriebssystemen Unix und Linux werden die seriellen Schnittstellen

mit ttyS0 und ttyS1 bezeichnet.

Page 178: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

168 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Physikalisches Medium1Physikalisches Medium2

Router

Abbildung 5.10. Darstellung einesRouters zur Vermittlung von Daten-paketen zu Zielknoten

Physikalisches Medium1Physikalisches Medium2

Gateway

Abbildung 5.11. Gateway zurKopplung unterschiedlicher Applika-tionen

Die Adressen der Schicht 2 bezeichnet man als MAC-Adressen. Sie sind inBussystemen zwingend erforderlich, um die Teilnehmer eindeutig zu identi-fizieren. Das Ethernet verwendet eine 48-Bit-Adresse, die weltweit eindeutigvergeben wird und vom Hersteller jeweils einer Netzwerkkarte fest zugeordnetwird.

Die Adressen der Schicht 3 – der Vermittlungsschicht – sind analog zuTelefonnummern zu sehen. Jeder Teilnehmer benotigt eine eindeutige Iden-tifizierung unabhangig von der Technologie und den Protokollen der Schich-ten 1 und 2. Abbildung 5.12 zeigt das haufig genutzte IP-Adressschema ipv4mit einer 32-Bit-Adresse13. Die Adressen werden wegen der besseren Lesbar-keit in vier durch Punkte separierte Zahlen – jeweils im Bereich 0 bis 255 –dargestellt. Die Adressen werden zentral von der IANA (Internet AssignedNumbers Authority) vergeben. Eine Sonderstellung nehmen die Adressen

10.0.0.0 ... 10.255.255.255172.16.0.0 ... 172.31.255.255192.168.0.0 ... 192.168.255.255

ein, die nicht zentral verwaltet werden. Sie konnen in Netzen genutzt wer-den, die keinen Zugang zum Internet haben. Adressen, die mit dem Bitmuster

”1110“ beginnen, bezeichnen sog. Multicast-Adressen, die fur Gruppenkom-

munikation – ein Sender, viele Empfanger – reserviert sind (s. [55]). DieEinteilung in Klassen ist ein sehr starres Schema, bei dem Netze der KlasseA 224, der Klasse B 216, und Netze der Klasse C 28 Teilnehmer beinhalten

13 Hier wird nur auf das ipv4 eingegangen, das mit seinen 232 moglichen Adressenfur den weltweiten Einsatz uber einen viel zu kleinen Adressvorrat verfugt. Ausdiesem Grund existieren Verfahren zur dynamischen Zuteilung von IP-Adressen.Zur Zeit wird ipv4 auf ipv6 mit 2128 moglichen Adressen umgestellt.

Page 179: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

5.1 Kommunikationstechnik 169

32 Bit

0

1 0

1 1 0

1 1 1 0

1.0.0.0 bis 127.255.255.255

128.0.0.0 bis 191.255.255.255

192.0.0.0 bis 223.255.255.255

224.0.0.0 bis 239.255.255.255

Adressbereich

Host

Host

Host

Klasse

A

B

C

D

Netz

Netz

Netz

Multicastadresse

Abbildung 5.12. Vereinfachtes Adressierungsschema des VermittlungsprotokollsIP in der Version ipv4

konnen. Durch die Einfuhrung einer so genannten Netzmaske, mit deren Hilfeein Teilbereich der Adresse gekennzeichnet wird, kann dieses Adressschemabesser an den tatsachlichen Bedarf angepasst werden.

Schicht 4 nutzt fur Transportverbindungen eine je Teilnehmer bzw. jeRechnerknoten eindeutige Kennung. Unter dem TCP (Transport ControlProtocol) nennt man diese Kennung Port.

Die Schicht 5 fuhrt fur die Dauer der Nutzung eines Dienstes eine Session-ID, uber die sich der Nutzer des Dienstes identifizieren kann. Schicht 6 iden-tifiziert die Datentypen uber entsprechende Kennungen, und die Schicht 7kann je nach Auspragung der jeweiligen Applikation Funktionscodes oderObjekt-IDs als eindeutige Kennung verwenden.

5.1.6 Beispiele

Client-Server-Modell Netzwerke eignen sich dazu, Dienste fur andere Teil-nehmer bereitzustellen. Der Erbringer eines solchen Dienstes wird Server, derNutzer des Dienstes wird Client genannt14. Beispielsweise stellt ein Fileser-ver Dienste fur den Zugriff auf ein Dateisystem zur Verfugung. Diese Dienstekonnen auch von mehreren Clients nebenlaufig genutzt werden. Eine solcheArchitektur muss unterschiedliche Storfalle behandeln konnen. So kann bei-spielsweise der Server, einer der Clients oder das Netzwerk in unterschiedli-chen Systemzustanden ausfallen (s. [55]). Ein Prozess kann auch gleichzeitigbeide Rollen einnehmen, indem er zur Erbringung seiner Dienste die Diensteeines anderen Servers nutzt.

WMS setzen haufig das Client-Server-Prinzip ein, um beispielsweise de-zentrale Arbeitsstationen zu realisieren. Auf einem Serverrechner werden zen-14 Das Client-Server-Prinzip ist allgemeingultig und nicht an ein Netzwerk gebun-

den. Auch auf einem einzelnen Rechner konnen Server durch Prozesse realisiertwerden und gleichzeitig konnen andere Prozesse als Client arbeiten.

Page 180: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

170 5. Informations- und Kommunikationstechnik

tral die Bestandsdaten gehalten, wahrend auf Clientrechnern ortsnah un-ter Nutzung der lokalen Rechenleistung lagerspezifische Anwenderprogram-me laufen. Beispiele sind Identifikationsstationen am I-Punkt, Auftragsver-waltung fur die Eingabe und Uberwachung von Auslagerungen und mobileEndgerate im Kommissionierbereich, die mit ortsfesten oder lokalen Client-programmen arbeiten.

Uhrensynchronisation am Beispiel NTP In einem WMS, das aus meh-reren Rechnern besteht und/oder online mit anderen Systemen gekoppeltist, ist der Einsatz eines Uhrenprotokolls eine wichtige Voraussetzung fur dieSystemkonsistenz (s. Abschn. 5.4.2). Das NTP (Network Time Protocol) isteine Moglichkeit, die Uhren unterschiedlicher Rechner in einem Netzwerkuntereinander zu synchronisieren. Das Grundprinzip basiert auf der Mittel-wertbildung. Es wird ein verteilter Algorithmus verwendet, dessen Teile aufunterschiedlichen Rechnern laufen.

Namensdienst DNS Der DNS (Domain Name Service) ist ein Internet-dienst und dient der Zuordnung von hierarchisch strukturierten Bezeichnernzu einem Satz von Eigenschaften (Resource Records) (s. [55]).

Die Hierarchie wird durch eine Folge von Bezeichnern, die durch Punktegetrennt sind, spezifiziert. Die hochste Hierarchieebene – die so genannte TopLevel Domain – steht ganz rechts. Durch eine Erweiterung nach links durchjeweils einen Punkt und einen Bezeichner kann der Namensraum feiner struk-turiert werden. Der rechts von einem Punkt stehende Teil eines Bezeichnerswird auch Domane (Domain) genannt, der links stehende Teil als

”Name“,

der nur innerhalb seiner Domane eindeutig sein muss.Die wichtigste Anwendung ist die Zuordnung einer IP-Adresse zu einem

Bezeichner. Damit ist es moglich, Rechner im Internet statt uber die numeri-sche und damit oft schwer zu merkende IP-Adresse uber einen

”sprechenden

Namen“ zu spezifizieren. Daruber hinaus kann sich durch Reorganisationdie numerische Adresse andern, wahrend der Name gleich bleiben kann. Ali-asnamen, die auf den gleichen Rechner verweisen, sind moglich15. WeitereAnwendungen des DNS sind beispielsweise die Zuordnung von Rechnern zuMailservern sowie eine Beschreibung des Rechners im Klartext.

DNS ist im Internet als verteilte Datenbank realisiert. Fur die Ubersetzungeines Bezeichners in seine Eigenschaften – zum Beispiel in die zugeordnete IP-Adresse – sind die Nameserver zustandig. Diese haben permanente Kenntnisuber alle Rechner in ihrem Zustandigkeitsbereich (in ihrer Domane). Fur dieAuflosung fremder Adressen nutzt der Nameserver die Dienste anderer Name-server und halt diese Information fur eine gewisse Zeit, um den Datenverkehrzu verringern.

15 www.mywms.org und www.mywms.com verweisen auf die gleiche IP-Adresse.

Page 181: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

5.1 Kommunikationstechnik 171

Tabelle 5.2. Beispiele fur URLs

http://mywms.org Hypertext Transfer Protocol über den Standard-Port

des http-Servers des Rechners mywms.org

URL Beschreibung

Hypertext Transfer Protocol über den Port 8080 des http-Servers des Rechners mywms.org

http://mywms.org:8080

Senden einer E-Mail an den Rechnermywms.org für den Empfänger info

mailto://[email protected]

File Transfer Protocol zum Lesen der Datei /tex/v1.tgz vom Rechner dante.org

ftp://dante.org/tex/v1.tgz

wie oben, jedoch identifiziert sich der Nutzer des Dienstes mit dem Namen alice und dem Kennwort bob

ftp://alice:[email protected]/tex/v1.tgz

URL Die Forderung nach einem einheitlichen Adressierungsschema wirddurch die URL (Universal Resource Locator)16 erfullt. Der hierarchische Na-mensraum einer URL wird durch die Kombination mehrerer Namensraumegebildet. An erster Stelle steht ein Protokollbezeichner, der mit einem Dop-pelpunkt abschließt. Das so spezifizierte Protokoll bestimmt einerseits daszu verwendende Applikationsprotokoll und andererseits den weiteren Aufbauder URL. Der weitere Aufbau beginnt haufig mit einem Schragstrich, wennDateinamen spezifiziert werden oder mit einem doppelten Schragstrich, wennRechner spezifiziert werden. Rechner konnen wahlweise durch ihren Namen(s. Abschn. 5.1.6) oder durch ihre IP-Adresse (s. Abschn. 5.1.5) bezeichnetwerden.

WWW Das WWW (World Wide Web) ist ein Internetdienst, der 1989am CERN in Genf mit dem Ziel einer einheitlichen Darstellung und einereinheitlichen Verknupfung von Dokumenten entwickelt wurde. Inzwischenist das WWW zu dem bekanntesten Internetdienst geworden, so dass um-gangssprachlich das Internet haufig mit dem WWW – oder kurz: Web –gleichgesetzt wird. Der Dienst arbeitet nach dem Client-Server-Prinzip. DerServer verwaltet die Dokumente, die uber URLs, die so genannten Links,miteinander verknupft sind. Ein Link kann als interner Link auf Teile desDokuments, in dem er definiert ist, oder als externer Link auf andere Doku-mente, die auch auf fremden Rechnern gespeichert sein konnen, verweisen.

16 Der Begriff URI (Universal Resource Identifier) wird synonym verwendet, istaber nicht so weit verbreitet (s. [81]).

Page 182: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

172 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Tabelle 5.3. Einige Beispiele fur mime-Typen

Typ Untertyp Beschreibung

Text Plain unformatierter Text

Richtext Text mit einfachen Formatierungen

Image gif Bild im Grafikformat “gif“

jpg Bild im Grafikformat “jpeg“

Audio wav Audiodatei

Application octet-stream applikationsspezifischer Bytestrom

Die Dokumente werden in einem logischen Format in der Hypertext MarkupLanguage (HTML) gespeichert und ubertragen. Die genaue Art der Darstel-lung bestimmt der Client. Das Darstellungsprogramm fur HTML-Dokumente– der Browser – kann uber lokale Einstellungen die empfangenen Dokumentean die Nutzerbedurfnisse angepasst darstellen. Hierzu zahlen beispielsweiseSchriftgroße, Farben und die Seitenbreite, aber auch sicherheitsrelevante Ein-stellungen wie beispielsweise Verknupfungen von empfangenen Dokumentenmit Applikationen. Die Ubertragung der Dokumente erfolgt durch ein einfa-ches Klartext-Protokoll17, das HTTP (Hypertext Transfer Protocol).

Die Art der Dokumente ist nicht auf Texte beschrankt, sondern umfasstauch eine Vielzahl weiterer Dokumenttypen wie Multimedia-Dokumente oderanwendungsspezifische Dokumente wie beispielsweise Zeichnungen oder Ar-tikelstammdaten.

Dokumente werden durch ihre mime-Typen (Multipurpose Internet MailExtensions) [55] spezifiziert, die ursprunglich fur E-Mail eingefuhrt wurden(s. Tabelle 5.3).

In WMS wird HTML zunehmend fur die Benutzerschnittstelle eingesetzt.Der Vorteil liegt in einer einheitlichen Kommunikation, so dass die Endgeratenur uber einen geeigneten Browser verfugen mussen. Diese sind bereits aufvielen Personalcomputern im Burobereich vorhanden, und mobile Endgeratemit HTML-Browsern werden zunehmend am Markt verfugbar.

Ressourcenfreigabe Die Netzwerktechnik bietet die Moglichkeit, loka-le Gerate, Verzeichnisse und Dateien fur andere Teilnehmer im Netz zurVerfugung zu stellen. Ziele sind die Mehrfachnutzung, Kostenersparnis und

17 Klartext bedeutet, dass nur druckbare Zeichen ubertragen werden.

Page 183: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

5.2 Datenhaltung 173

Nutzung zentraler Dienste, wie beispielsweise ein zentrales Backup eines Fi-leservers.

5.2 Datenhaltung

Die Datenhaltung ist ein wichtiger Aspekt der Lagerverwaltung. Neben denArtikel- und den Bestandsdaten – den Kerndaten eines Lagerverwaltungssys-tems – existiert eine Vielzahl weiterer Daten, die verwaltet werden muss. EineDifferenzierung kann nach dem Grad der Dynamik erfolgen. Statische Daten,die im laufenden Betrieb nicht verandert werden konnen, sind beispielsweiseAnzahl und Abmessungen der Lagerorte18. Daten mit einer geringen Dyna-mik sind Artikelstammdaten, da sie nur beim Anlegen neuer Artikel erzeugtund bei Anderungen der Artikeleigenschaften geandert werden. Zu den hoch-dynamischen Daten zahlen Auftrags- und Bestandsdaten, da diese bei jederLagerbewegung geandert werden (s. Kapitel 2.4).

Die sichere und dauerhafte Speicherung, die Widerspruchsfreiheit der Ge-samtheit aller Daten eines Systems, der schnelle Zugriff sowie die Archivie-rung von Daten stehen im Mittelpunkt der folgenden Betrachungen. Dabeiwird auch die relationale Datenbank behandelt, die heute den meistverbrei-teten Standard fur die Datenhaltung in komplexen Systemen darstellt.

5.2.1 Prinzipien

Die folgenden Prinzipien und Definitionen sind unabhangig von der Art derDatenhaltung.

Persistierung Die dauerhafte Speicherung der Daten unabhangig von derMethode nennt man Persistierung. Programme halten ihre Daten zur Laufzeitim Speicher, dessen Inhalt bei Ausfall der Versorgungsspannung, bei Defektenan der Hardware und bei fehlerhaftem Programmverhalten verloren gehenkann. Gelegentlich ist es erforderlich, die Ausfuhrung eines laufenden Systemsfur Wartungszwecke zu beenden und zu einem spateren Zeitpunkt neu zustarten. In all diesen Fallen mussen die Daten dauerhaft erhalten bleiben,also persisiert werden.

Referenzielle Integritat Daten durfen nicht geloscht werden, wenn andereProgrammteile diese Daten noch benotigen (

”referenzieren“). Dieses Prinzip

der referenziellen Integritat kann beispielsweise verhindern, dass in einemWMS Artikelstammdaten geloscht werden, wenn sich noch entsprechendeArtikel im Lager befinden oder avisiert sind.

18 Es existieren Systeme, die zur Laufzeit solche Anderungen erlauben. Dabei kanndie Sicherung der Systemintegritat sehr aufwandig sein.

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174 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Transaktionen Wahrend der Bearbeitung von Daten treten immer wiedertemporar inkonsistente Zustande auf. Wenn beispielsweise eine neue Paletteins System kommt, mussen ihre Daten ubernommen werden, der Zahler furdie Palettenanzahl inkrementiert und ein Stellplatz belegt werden. Da derProgrammfluss aber sequenziell ist, treten kurzzeitig inkonsistente Zustandeauf. Die Losung hierfur ist das Mittel der Transaktion, die solche Operationen

”klammert“. Jeder Zustand vor einer Transaktion ist konsistent und jeder

Zustand nach einer Transaktion ebenfalls. Transaktionssysteme bieten dieMoglichkeit eines Rollbacks, um eine Transaktion abzubrechen und in denvorherigen Zustand zuruckzukehren. Ein Rollback verwirft alle innerhalb derTransaktion durchgefuhrten Anderungen. Das Gegenteil – der erfolgreicheAbschluss einer Transaktion – wird durch ein Commit eingeleitet und fuhrt zueiner dauerhaften Aktualisierung der geanderten Daten und zu einem neuenkonsistenten Zustand.

Zugriffs- und Sperrmechanismen Die nebenlaufige Nutzung von Datensowie das Transaktionskonzept erfordern Zugriffsmechanismen, die abhangigvon den beabsichtigten Operationen auf den gelesenen Daten sind. Eine Sper-re kann sich beispielsweise nur auf genau den Umfang der gelesenen Datenoder auf ganze Dateien sowie auf Datenbanktabellen oder nur auf Teile einerDatenbanktabelle beziehen.

Einige Datenhaltungssysteme bieten die Moglichkeit, auch gesperrte Da-ten zu lesen. Ein Anwender dieses dirty read -Prinzips muss berucksichtigen,dass diese Daten nebenlaufig geandert werden konnen. Diese Art des Zugriffswird beispielsweise fur Auskunftsfunktionen genutzt.

Trigger Anderungen von Datensatzen konnen oft weitere Aktionen nachsich ziehen. Das Grundprinzip, dass eine Zustandsanderung zu einem Er-eignis wird, nennt man Trigger – in diesem konkreten Fall Datentrigger. Ineinem WMS kann dies bedeuten, dass die Anderung einer Artikeleigenschaftzu Aktualisierungen weiterer Daten fuhren muss. Dieser Sachverhalt kannzwar in den Funktionen eines Programms codiert werden, eine Losung uberDatentrigger stellt aber immer sicher, dass diese Anderungen durchgefuhrtwerden und vermeidet potenzielle Programmierfehler.

Journaling Da die dauerhafte Speicherung eines großen Datenbestan-des sehr aufwandig ist, kann es in einigen Fallen sinnvoll sein, nach einerAnderung des Datenbestandes nicht die Daten selbst, sondern nur die Opera-tionen zu speichern. Dieses Journaling genannte Prinzip wird vielfaltig – auchzur Datensicherung – angewendet. Transaktionen und

”undo-Funktionen“

werden meist durch Journaling realisiert. Ausgehend von einem Anfangs-zustand werden alle Anderungen in einem so genannten Journalfile aufge-zeichnet. Nach einem Systemabbruch kann nun durch Anwendung der in der

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5.2 Datenhaltung 175

Journaldatei hinterlegten Operationen der aktuelle Zustand19 wieder restau-riert werden. Die Persistierung beschrankt sich also bei Einsatz der Jour-naltechnik auf die Persistierung der Zustandsanderungen und nicht auf dieZustande selbst. Damit die Journaldatei nicht zu groß wird, muss der aktu-elle Systemzustand von Zeit zu Zeit persisiert und die Journaldatei geloschtwerden.

Archivierung Die Archivierung von Datenbestanden dient im Gegensatzzur Persistierung der langfristigen Sicherung von Datenbestanden und istfur eine spatere Auswertung von Daten und insbesondere fur die Erstellungvon Reports und anderen Offline-Auswertungen wichtig. Teilweise existierenauch gesetzliche Anforderungen fur die Archivierung von Daten, oder dieErfordernisse der Qualitatssicherung verlangen eine Archivierung. Beispielesind die Archivierung von Lieferscheinen und Inventurdaten.

5.2.2 Dateisysteme

Eine dauerhafte Datenspeicherung20 bietet jedes Betriebssystem in Form ei-nes Dateisystems (Filesystem). Dateien werden uber Namen referenziert, wel-che in der Regel einer Hierarchie unterliegen. Diese Hierarchie wird durchVerzeichnisse (Directories) dargestellt. Eine Datei kann durch einen absolu-ten oder durch einen relativen Pfad (Path) referenziert werden. Jede Hier-archie beginnt bei einer Wurzel und endet bei einer Datei. Die Wurzel einesDateisystems kann mit dem Speichermedium des Dateisystems oder mit ei-nem logischen Bezeichner beginnen (UNIX:

”/“, WINDOWS:

”a:“,

”b:“,

”c:“,

”d:“, usw.). Die Verwendung von Sonderzeichen ist oft erlaubt, fuhrt aber

bei einigen Systemen zu einer besonderen Interpretation. Diese Aspekte sindinsbesondere bei verteilten und bei portablen WMS zu berucksichtigen. Hiersollte man auf Sonderzeichen und Leerzeichen verzichten und alle Dateinameneinheitlich mit Kleinbuchstaben schreiben. Fur portable Dateibezeichner exi-stieren Empfehlungen.

Die logische Struktur von Dateien beschreibt die Art, wie bestimmte Da-tensatze selektiert werden konnen:

• sequenziell (sequence access): Die Datensatze einer Datei konnen nur se-quenziell fortlaufend gelesen bzw. geschrieben werden. Diese Art der Datei-organisation ist beispielsweise fur das Schreiben von Zeitreihen fur spatere

19 Offene Transaktionen werden beim Restaurieren nicht mehr ausgefuhrt. Damitist nach einem Systemabbruch immer zu prufen, ob die letzten Operationen auchausgefuhrt wurden.

20 So genannte RAM-Disks, die im Hauptspeicher eines Rechners angelegt werden,stellen ein fluchtiges Dateisystem dar und sind dann sinnvoll, wenn eine Appli-kation die Funktionalitat eines Dateisystems mit Ausnahme der Persistierungbenotigt. Insbesondere fur Testzwecke kann der Einsatz einer RAM-Disk we-gen der kurzen Zugriffszeiten fur Tests sinnvoll sein. Fur WMS trifft das – imGegensatz zu unterlagerten Steuerungssystemen – in der Regel nicht zu.

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176 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Tabelle 5.4. Typische Dateiattribute und deren Bedeutung

read Lesen des Datei-Inhaltes ist erlaubt.

write Schreiben der Datei ist erlaubt.

delete Löschen der Datei ist erlaubt. Das ist in vielen Systemen gleichbedeutend mit einem Schreibrecht im Verzeichnis dieser Datei.

execute Die Datei darf als Code ausgeführt werden. Es kann sich dabei um eine Datei mit ausführbarem Maschinencode oder bei einigen Systemen auch um einen interpretier-baren Code handeln.

lock Die Datei ist bereits geöffnet und darf nicht noch ein weiteres Mal geöffnet werden.

archive Diese Datei soll in eine Sicherungskopie aufgenommen werden.

password Password für den Zugriff auf diese Datei

owner Eigentümer dieser Datei

Zeitpunkt der Erzeugung

Uhrzeit und Datum der Erzeugung

Zeitpunkt des letzten Zugriffs

Uhrzeit und Datum des letzten lesenden Zugriffs

Zeitpunkt der letzten Änderung

Uhrzeit und Datum des letzten schreibenden Zugriffs

Attribut Bedeutung

statistische Auswertungen sinnvoll. Bandgerate unterstutzen aufgrund ih-res physischen Aufbaus nur diese Zugriffsart.

• indexsequenziell (ISAM: index sequence access method): Jeder Datensatzkann uber einen Schlussel selektiert werden. Danach kann von dieser Positi-on aus weiter sequenziell auf die Daten zugegriffen werden. ISAM-Dateienwurden in der Vergangenheit haufig in der Lagerverwaltung eingesetzt.Heute wird diese Zugriffsmethode von Datenbanken genutzt und bleibtdamit meist anderen Applikationen verborgen.

• wahlfrei (random access): Jeder Datensatz kann uber eine ganze Zahl se-lektiert werden. Damit kann eine Applikation selbst uber eine so genannteSchlusseltransformation beliebige Zugriffe realisieren. In der Vergangen-heit wurden haufig Datensatze, die den Lagerorten zugeordnet sind, uberwahlfreie Dateizugriffe selektiert. Heutige Systeme setzen in der Regel Da-tenbanken ein.

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5.2 Datenhaltung 177

Der Zugriff auf Dateien unterliegt einem Schutzmechanismus, der meistdurch ein abgestuftes Berechtigungssystem fur den Eigentumer, die Grup-penmitglieder und sonstige Benutzer realisiert wird.

Durch Verschlusselung von Dateiinhalten kann – falls Unbefugte in denDateibesitz gekommen sind – zusatzliche Sicherheit gegen Missbrauch einge-baut werden. Der Inhalt der Datei kann in diesem Fall erst nach einer Ent-schlusselung, die nur durch Kenntnis des entsprechenden Schlussels – meistein Kennwort – moglich ist, betrachtet werden.

5.2.3 Datenbanken

Unter einer Datenbank versteht man heute im Allgemeinen eine relationaleDatenbank (RDBS : Relational Database System). Das Grundprinzip dieserDatenbanken wird in diesem Abschnitt beschrieben. Eine Datenbank muss

• Daten dauerhaft speichern,• die Integritat der Daten sichern,• den Zugriff auf Datensatze erlauben,• Datensatze miteinander verknupfen und• Datensatze anlegen, andern und loschen konnen.

Daruber hinaus werden die in Abschn. 5.2.1 beschriebenen allgemeinenAnforderungen an die Datenhaltung erfullt. In Kapitel 7.2 wird ein Beispielfur ein WMS auf der Basis einer relationalen Datenbank vorgestellt.

Die in einer Datenbank zu verwaltenden elementaren Datensatze (Re-cords, Tupel) aus der realen oder der Vorstellungswelt nennt man Entitaten.Die Struktur der Datensatze wird durch Felder (Attribute) beschrieben, diemit Werten (Attributwerten) belegt werden. Jedem Feld eines Datensatzeswird ein Datentyp zugewiesen. Gleich strukturierte Datensatze werden ineiner Tabelle gespeichert. Die Datensatze einer Tabelle mussen sich mindes-tens in dem Wert eines Feldes unterscheiden. Damit entspricht eine Tabelleim mathematischen Sinne einer Relation (s. Tabelle 5.5).

Die Beziehungen zwischen Entitatsmengen werden durch gerichtete As-soziationen ausgedruckt. Eine Assoziation EM1 ← EM2 legt fest, wie vieleEntitaten aus EM2 einer Entitat aus EM1 zugeordnet sein konnen. In derPraxis werden aber nur vier Grundtypen von Assoziationen unterschieden (s.Tabelle 5.6). Tabelle 5.8 zeigt Beispiele fur Assoziationen.

Aus den elementaren Assoziationstypen konnen Assoziationen in beideRichtungen gebildet werden. Tabelle 5.7 erlautert die Typen der hierarchi-schen, der konditionellen und der netzwerkformigen Assoziationen.

Jede Tabelle benotigt einen eindeutigen Primarschlussel, der im Allge-meinen genau einem Feld zugeordnet wird. Viele Datenbanken unterstutzenauch segmentierte Schlussel, die sich uber mehrere Felder erstrecken. Um denZugriff auf einzelne Datensatze zu beschleunigen, konnen Indizes angegeben

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178 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Tabelle 5.5. Darstellung einer Relation durch eine Tabelle

Nummer Bezeichnung Gewicht Attribut

Tupel

Attributwert

3973684 PU-Schaum 0.800

3974954 Bitumen 30.000

3978617 Fuellspachtel 5.000

Relation Artikel

Tabelle 5.6. Assoziationstypen und deren Bedeutung

Assoziationstypen und deren Bedeutung

Assoziationstyp

1 : einfache Assoziation

c : konditionelle Assoziation

m : multiple Assoziation

Anzahl der Entitäten aus EM2,

die einer Entität aus EM1

zugeordnet sind

1

c {0, 1}

m ≥ 1

mc ≥ 0mc : multiple-konditionelle Assoziation

werden, die sich ebenfalls auf ein Feld oder auf eine Gruppe von Feldern er-strecken konnen. Jeder zusatzliche Index erfordert jedoch auch zusatzlichenSpeicherplatz und Rechenzeit, um diesen Index zu erstellen.

Die Assoziationen zwischen mehreren Relationen werden durch Entity-Relationship-Diagramme dargestellt. Die Assoziationen selbst sind auch Re-lationen, die in Datenbanken ebenfalls durch Tabellen implementiert werden.Abbildung 5.13 zeigt ein einfaches Beispiel. Die Entitaten artikel, palette, la-gerort und charge sind uber die Assoziationen zusammenlagerungsverbot, la-deeinheit, chargenzugehorigkeit und palette-lagerplatz-zuordnung verbunden.Das Diagramm zeigt an den Verbindungslinien den jeweiligen Typ der Asso-ziation.

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5.2 Datenhaltung 179

Tabelle 5.7. Klassifizierung von Assoziationstypen nach [85]

Klassifizierung von Assoziationstypen nach [78]

1 c m mc

1 – 1 c – 1 m – 1 mc – 11

1 – c c – c m – c mc – cc

1 – m c – m m – m mc – mm

konditionell

hierarchisch

netzwerkförmig

1 – mc c – mc m – mc mc – mcmc

Tabelle 5.8. Beispiele fur Assoziationen

Assoziations-typ

Entitäts- menge_2

Entitäts- menge_1

Bezeichnung

m – mArtikelArtikel Zusammenlagerungsverbot

mc – mcPaletteArtikel Ladeeinheit (Mischpalette)

c – mcPaletteArtikel Ladeeinheit (artikelreine Palette)

c – 1LagerplatzPalette Standort einer Palette (platzgenau)

mc – 1LagerortPalette Standort einer Palette (bereichsgenau)

Chargenzugehörigkeit einer Palette(Voraussetzung: chargenreine Paletten)

m – mLagerfachZone Zonendefinition

m – mLagerplatzLagerplatz Distanz (Transportkosten)

c – mPaletteCharge

Bislang wurde eine Datenbank aus logischer Sicht (logisches Schema) be-schrieben. Eine Datenbank wird durch drei Datenbankschemata beschrieben:

• Das logische Schema beschreibt die Struktur der Tabellen (s.o.).

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180 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Abbildung 5.13. Typisches Entity-Relationship-Diagramm am Beispiel einigerAspekte der Lagerverwaltung

• Ein oder mehrere externe Schemata beschreiben Sichten (views) auf das lo-gische Schema. Jedes Schema enthalt einen Ausschnitt der Sichten, der furdie jeweilige Applikation oder fur einen Benutzer oder eine Benutzergruppeerforderlich oder erlaubt ist.

• Das interne Schema beschreibt die physische Organisation der Datenspei-cherung sowie die Zugriffsorganisation.

Bevor Daten in eine Datenbank eingegeben, gelesen und geandert wer-den konnen, muss die Datenbank eingerichtet werden. Hierzu nutzt man eineDatendefinitionssprache (DDL: data definition language). Es werden die Ta-bellen, deren Struktur und Feldtypen sowie die Indizes beschrieben. Fur dieOperationen auf einer Datenbank stehen fur Abfragen und fur Anderungenauf den Datenbestanden Datenmanipulationssprachen (DML: data manipu-lation language) zur Verfugung. DDL und DML werden bei den meisten Da-tenbanksystemen durch eine Sprache zusammengefasst. Als Standard hat sichhier SQL (Structured Query Language) etabliert. SQL ermoglicht insbeson-dere das Einrichten von Tabellen, Indizes und Views sowie das Suchen, Ver-knupfen, Andern, Einfugen und Loschen von Datensatzen. Die Tabelle 5.5kann in SQL mit der Anweisung

create table ARTIKEL (

NUMMER number(7)

BEZEICHNUNG char(40)

GEWICHT number(8) )

erstellt werden. Die Werte konnen mit den Anweisungen

insert into ARTIKEL values (3973684, PU-Schaum, 0.800)

insert into ARTIKEL values (3974954, Bitumen, 30.000)

insert into ARTIKEL values (3978617, Fuellspachtel, 5.000)

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5.2 Datenhaltung 181

in die Tabelle eingetragen werden.Anhand einfacher SQL-Beispiele werden die Grundoperationen, die auf

Tabellen ausgefuhrt werden konnen, beschrieben. Das Ergebnis einer solchenVerknupfung ist immer eine neue Tabelle.

• Die Projektion ermoglicht die Auswahl bestimmter Attribute (Spalten) auseiner Tabelle.

select NUMMER BEZEICHNUNG from ARTIKEL

Als Ergebnis wird aus der Tabelle 5.5

3973684 PU-Schaum

3974954 Bitumen

3978617 Fuellspachtel

zuruckgegeben. Durch zusatzliche Angabe einer where-Klausel konnen dieGrundoperationen der Selektion und der Projektion verknupft werden.

• Die Selektion ermoglicht die Auswahl bestimmter Tupel (Zeilen) aus einerTabelle21.

select * from ARTIKEL where GEWICHT > 20.000

Als Ergebnis wird aus der Tabelle 5.5

3974954 Bitumen 30.000

zuruckgegeben.• Der Verbund (join) verknupft zwei Tabellen P und Q bezuglich gemeinsa-

mer Attribute22. Das Resultat ist eine Tabelle mit einer neuen Struktur,welche die Attribute, die in beiden Originaltabellen gemeinsam vorhandensind, nur einmal enthalt. Die neuen Tupel umfassen alle Kombinationender Tupel von P und Q, die auf den gemeinsamen Attributen identischeWertekombinationen besitzen. Ein Join der Tabellen ARTIKEL und LA-DEEINHEIT wird in SQL durch

select * from ARTIKEL, LADEEINHEIT

ausgedruckt. Das Ergebnis sind alle Tupel aus ARTIKEL vereinigt mitallen Tupeln aus LADEEINHEIT23, bei denen die Artikelnummer gleichist.Außer diesem naturlichen Verbund (⊗-Verbund) existiert der Θ-Verbund,der zusatzliche Vorschriften fur die Attributwerte enthalt (s. z.B. [3]). EinΘ-Verbund der Tabellen ARTIKEL und LADEEINHEIT kann in SQLdurch eine zusatzliche where-Klausel formuliert werden.

21 Das *-Zeichen nach dem select bedeutet, dass die ausgegebenen Tupel alle At-tribute enthalten.

22 Zwei Attribute sind gleich, wenn sowohl ihre Bezeichner als auch ihre Wertebe-reiche ubereinstimmen.

23 Die Tabelle LADEEINHEIT verknupft Artikelnummern mit Palettennummernund ist hier aus Platzgrunden nicht dargestellt.

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182 5. Informations- und Kommunikationstechnik

select * from ARTIKEL, LADEEINHEIT

where ARTIKEL.GEWICHT > 20.000

Weitere elementare Verknupfungen sind uber die MengenoperationenVereinigung (union), Durchschnitt (intersection) und Differenz (minus)moglich.

Datenbanken werden als Client-Server-Applikationen betrieben. Die ei-gentliche Datenbank, die Datenbankengine (DBMS : Datenbankmanagement-system), stellt als Serverprozess ihre Dienste den Clients zur Verfugung. DieseClients sind Applikationen, welche die anwendungsspezifischen Operationenauf den Daten ausfuhren. Im Bereich der WMS konnte das beispielsweise einClient zur Pflege der Stammdaten oder ein Client fur den Wareneingangs-bereich sein. Der Zugriff auf die Datenbankengine erfolgt entweder uber Bi-bliotheksmodule, die mit der Datenbank ausgeliefert werden, oder uber einStandardprotokoll wie beispielsweise ODBC (Open Database Connectivity).ODBC erlaubt einer Applikation, sich – ggf. uber ein Netzwerk – mit einerDatenbank zu verbinden und ihre Dienste zu nutzen. Hierzu benotigt manauf der Clientseite einen geeigneten ODBC-Treiber, der im Allgemeinen vomHersteller der Datenbank geliefert wird.

Die Client-Server-Architektur eines Datenbanksystems erfordert, dass je-der Datensatz, der manipuliert wird, zuerst vom Server – der Datenbank– zum Client gesendet werden muss, dort manipuliert und anschließenduber den entgegengesetzten Weg wieder zuruckgeschrieben wird. Fur haufigbenotigte und fur umfangreiche Operationen – beispielsweise das Setzen vonSperrkennzeichen auf alle Facher einer Regalgasse – fuhrt das zu einer star-ken Performanceeinbuße. Aus diesem Grund bieten die meisten Datenbankenso genannte Stored Procedures. Hierbei handelt es sich um Funktionen, dieauf der Serverseite hinterlegt sind und dort nach einer Aktivierung durcheinen Client selbststandig die Operationen ausfuhren, ohne dass ein Daten-transfer zwischen Server und Client stattfindet. Die schnellere Ausfuhrungder Operation hat auch zur Folge, dass die betroffenen Datensatze nur fureine verhaltnismaßig kurze Zeit gesperrt werden und damit schneller wiederfur andere Clients zur Verfugung stehen. Die Folge ist eine oft drastischeErhohung des Gesamtdatendurchsatzes.

Neben den hier beschriebenen relationalen Datenbanken kommen ver-mehrt auch objektorientierte Datenbanken (ODBS : Object Oriented Data-base System) auf den Markt. Diese erlauben eine direkte Persistierung vonSoftwareobjekten und erschließen damit den Bereich der Datenbanken auchfur die objektorientierten Techniken.

5.2.4 Datenverfugbarkeit

Die Verfugbarkeit der Datenbestande darf nicht mit der Sicherung der Inte-gritat und nicht mit der Vermeidung des Zugriffs durch Dritte verwechselt

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5.2 Datenhaltung 183

werden. Diese Aspekte werden unter dem Stichwort der Sicherheit in Daten-bestanden behandelt. Die aktuellen Daten mussen immer verfugbar (Online-Verfugbarkeit) und altere Daten mussen bei Bedarf zugreifbar (Offline-Verfugbarkeit) sein.

Unterbrechungsfreie Stromversorgung Die Verfugbarkeit der Datenmuss auch bei Ausfall der Stromversorgung und nach einem Hardwarede-fekt gewahrleistet sein. Ein Ausfall der Stromversorgung kann durch Einsatzeiner unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV ) fur eine beschrankte Zeituberbruckt werden. Die Energiezufuhr erfolgt fur diese Zeit aus Akkus. DieLastubernahme wird dem Rechner uber eine – meist serielle – Schnittstellesignalisiert. Das Betriebssystem hat nun die Aufgabe, wenn nicht innerhalbeiner einstellbaren Zeit die Stromversorgung aus dem Netz wiederhergestelltwird, alle Anwenderprogramme zu beenden und anschließend den Rechner

”herunterzufahren“. Damit soll insbesondere der Datenbestand gesichert wer-

den. Die Anwenderprogramme mussen in der Lage sein, sich auf ein solchesSignal vom Betriebssystem geordnet zu beenden. Laufende Transaktionen(s. Abschn. 5.2.1) und geoffnete Dateien mussen geschlossen sowie Verbin-dungen zu Datenbanken beendet werden.

Redundante Datenhaltung Schutz vor einem Hardwareausfall kann durcheine redundante Datenhaltung erreicht werden. Die Methoden sind als RAID-Systeme (Redundant Array of Independent Disks) bekannt. Die Level linearund 0 bieten keine Redundanz, sie wurden durch die ANSI (American Natio-nal Standards Institute), die diesen Standard definiert hat, aber dennoch indas RAID-Schema eingebunden. Die meistgenutzten Methoden sind die Le-vel 1 und 5. Die Level 0 und 1 konnen auch gemeinsam genutzt werden. DasVerfahren heißt dann Level 10 oder Level 0/1. Die hier angefuhrten RAID-Level haben im Einzelnen die folgende Bedeutung:

RAID 0 wird auch disk striping genannt und beinhaltet keine Redundanz.Es dient ausschließlich zur Beschleunigung des Zugriffs und sollte dahernur gemeinsam mit einer der anderen Varianten eingesetzt werden. DerDatenstrom wird in Blocke zerlegt und parallel auf die installierten Lauf-werke geschrieben. Sind n Laufwerke vorhanden, dann werden die Blocke1 bis n auf die Laufwerke 1 bis n, danach die Blocke n+1 bis 2n ebenfallsauf die Laufwerke 1 bis n und so weiter in numerisch aufsteigender Rei-henfolge geschrieben. Das Lesen erfolgt analog. Fehlersicherheit existiertbei diesem Verfahren nicht. Fallt ein Laufwerk aus, dann sind alle Datenauch auf den anderen Laufwerken verloren.

RAID 1 wird auch mirroring genannt und basiert auf einer doppelten Spei-cherung der Daten (Datenspiegelung). Nutzbar ist daher nur die Halfteder vorhandenen Plattenkapazitat. Fallt ein Laufwerk aus, dann wird mitdem jeweils anderen weitergearbeitet.

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184 5. Informations- und Kommunikationstechnik

RAID 0 (disk striping) mit 3 Festplatten

1

1 2 3

1 1

2 34

4 5

5 67

7 p(7-9)

8 9. . .

. . . . . . . . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

RAID 1 (disk mirroring)

Festplatte 1

Festplatte 1 Festplatte 2

Festplatte2 Festplatte3

2 23 34 45 56 67 78 89 9

RAID 5 (distributed parity check) mit 4 Festplatten

8p(4-6) p(1-3) 6 9

Abbildung 5.14. Vereinfachte Darstellung der Ablage von neun Datenblockenunter Einsatz unterschiedlicher RAID-Level

RAID 5 versieht die Daten mit einer zusatzlichen Prufsumme und verteiltsowohl die Daten als auch eine Prufsumme uber mehrere Laufwerke.RAID 5 ist besonders fur viele Zugriffe mit kleinen Datenmengen ge-eignet, daher wird diese Variante besonders haufig in transaktionsorien-tierten Umfeldern wie Datenbanken eingesetzt. Fallt ein Laufwerk aus,konnen die Daten aus den verbleibenden Laufwerken rekonstruiert wer-den.

Journaling Alle Anderungen an den Datenbestanden werden in einerJournal-Datei aufgezeichnet. Diese Datei wird immer zeitlich vor den Ande-rungen der Datenbestande geschrieben. Auf der Basis des letzten Backups(s.u.) kann dann der aktuelle Zustand durch ein so genanntes Recovery wie-derhergestellt werden. Die Voraussetzung hierzu ist die Verfugbarkeit derJournaldatei selbst. Die eigentlichen Daten-Dateien und die Journaldatei wer-den auf unterschiedlichen Festplatten gehalten. Ein Verlust einer der beidenDateien ist damit unproblematisch.

Sicherungskopien Gegen die Auswirkungen von Hardwareausfallen oderaußeren Einflussen wie Wasser, Feuer oder Uberspannung, aber auch gegenversehentliches oder vorsatzliches Loschen von Dateien werden Sicherungs-kopien (Backup) eingesetzt. Die Speichermedien sollten wechselbar sein, wiezum Beispiel CDs oder Magnetbander, und an einem sicheren Ort aufbewahrtwerden. Alternativ hierzu konnen die Daten auch uber ein Netzwerk an einem

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5.2 Datenhaltung 185

Tabelle 5.9. Backupmethoden im Uberblick

Typ Beschreibung Vorteile Nachteile

Alle (oder alle ausgewählten) Dateienwerden gesichert und markiert.

Erfordert nur ein Medium oder einen Satz von Medien zur Wiederher-stellung. Dateien lassen sich einfach finden.

Sicherung dauert lange. Es werden viele Medien benötigt, da immer alle Dateien gesichert werden.

normal

Nur die geänderten und bisher noch nicht als gesichert markierten Dateien werden gesichert, aber, im Gegensatz zur inkrementellen Sicherung, nicht markiert.

Für die Wiederherstellung werden nur die Medien aus den letzten normalen und der letzten differen-ziellen Sicherung benötigt. Die Sicherung erfolgt schneller als bei der normalen Sicherung.

Die Wiederherstellungdauert im Allgemeinenlänger als bei der normalen Sicherung.

differenziell

Nur die geänderten und bisher noch nicht als ge-sichert markierten Dateien werden gesichert und anschließend markiert.

Geringster Speicherbdarf und schnellste Sicher-ungsmethode.

Die Wiederherstellungdauert wegen der Vielzahl sequenziell einzuspielender Medienlänger als bei der dif-ferenziellen Sicherung.

inkrementell

entfernten Ort gesichert werden. Die Anfertigung solcher Sicherungen wirdauch als Dienstleistung per Datenfernubertragung (z. B. via Standleitung)angeboten.

Ein Backup kann sich auf eine spezifische Applikation, eine Datenbank,das Dateisystem oder auf logische oder physische Festplatten beziehen.

Am Anfang sollte man immer eine Komplett-Sicherung seines gesamtenSystems durchfuhren. Diese beinhaltet auch das Betriebssystem mit allenEinstellungen und samtliche Anwendungsprogramme in Form eines so ge-nannten Image-Backups. Hierunter versteht man die komplette Sicherungeiner Festplatte. Damit entfallt nach einem Hardwareausfall eine Neuinstal-lation des Betriebssystems und der Anwendungsprogramme und insbesondereauch die Einstellung der Systemparameter. Das gesicherte Image kann direktauf eine neue Festplatte kopiert werden. In diesem Fall sind aber die dynami-schen Daten noch nicht aktuell. Hierzu mussen diese Daten in regelmaßigenAbstanden gesichert werden. Nach dem Aufspielen der letzten Sicherungs-kopie mussen noch die letzten Anderungen unter Nutzung der Journaldatei(s.o.) nachvollzogen werden. Falls die Journaldatei nicht mehr verfugbar ist,konnen die letzten Anderungen nur noch manuell nachvollzogen werden. Ne-ben dem gelegentlichen Vollbackup werden durch inkrementelles und diffe-renzielles Backup nur Anderungen gesichert, um das Speichervolumen geringzu halten (s. Tabelle 5.9).

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186 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Das Backup dient auch der Archivierung von Daten fur eine spatereAuswertung. Es sollte also immer ein Archivierungssystem betrieben wer-den, das nicht nur technische, sondern auch organisatorische Vorkehrun-gen trifft. Hierzu zahlen Backup-Programme, Automatisierung von Siche-rungslaufen, Verantwortlichkeiten, Ablagesysteme und Wiederherstellungs-szenarien. Wahrend das Backup in der Praxis oft gut organisiert ist, sindfur die Wiederherstellung (Recovery) korrupter Datenbestande jedoch nichtselten unzureichende Vorkehrungen getroffen.

Pack-Programme (Packer) werden zur Komprimierung der Daten von denmeisten Archivierungssystemen genutzt, um das anfallende Datenvolumenklein zu halten. Die meisten Dateien enthalten Zeichen oder Zeichenfolgen,die mehrfach auftreten. Fur Textdateien sind lange Folgen von Leerzeichenoder das wiederholte Auftreten von einzelnen Worten typisch. Aber auchin anderen Dateien treten viele Zeichenfolgen mehrfach auf. Einfache Ver-fahren speichern diese mehrfach auftretenden Sequenzen nur einmal ab undfugen dann statt der Wiederholung dieser Sequenz nur einen Verweis auf ihrerstes Auftreten ein. Bei mehrfach auftretenden Sequenzen wird ein Wie-derholungszahler, der die Vielfachheit angibt, in die komprimierte Datei mitaufgenommen. Dieses Grundprinzip wurde erweitert und verbessert. Heutesind viele unterschiedliche Algorithmen und Programme zur Komprimierungvon Dateien verfugbar.

5.3 Benutzerschnittstelle

Der Benutzerschnittstelle kommt als Mensch-Maschine-Schnittstelle in WMSeine große Bedeutung zu. Die richtige Wahl der Endgerate, eine intuitive Be-dienerfuhrung und die ergonomische Gestaltung der Bildschirmmasken sindwichtige Voraussetzungen fur die Akzeptanz bei den Bedienern und fur einegeringe Fehlerquote.

5.3.1 Endgerate

Endgerate sind alle Ein-/Ausgabegerate, die – im Gegensatz zu Sensorenund Aktoren, welche die Schnittstelle zur Fordertechnik bilden – in direktemBezug zu einem Bediener stehen. Diese Ein-/Ausgabegerate werden oft zukomplexen Einheiten fur spezielle Einsatzzwecke zusammengestellt. Beispielesind

• Bildschirmarbeitsplatze mit Mausbedienung und der Ausgabe von Warn-tonen uber einen Lautsprecher,

• Funkterminals mit einer Textanzeige, einer numerischen Tastatur und ei-nem Barcodeleser (s. Abb. 5.15),

• Zustandsanzeige durch eine Kontrolllampe und Quittierung durch dieBetatigung eines Tasters.

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5.3 Benutzerschnittstelle 187

Tabelle 5.10. Endgerate

typische Ausgabegeräte

typische Eingabegeräte

Drucker

Lautsprecher

optische Anzeigen Taster

Maus oder TouchscreenKontrolllampen

Tastatur

Barcodescanner

Textanzeigen

Bildschirm

5.3.2 Funktionale Sicht

Die Endgerate sind erst durch den Einsatz entsprechender Software in der La-ge, eine Mensch-Maschine-Schnittstelle zu realisieren. Hierzu sind eine Reihevon Funktionen bereitzustellen, die auf den jeweiligen operativen Prozess ab-gestimmt sind. Die Funktionen arbeiten im Wechselspiel zwischen Ein- undAusgaben und sollen den Bediener einerseits sinnvoll fuhren, aber anderer-seits ihn nicht ohne Grund zu einer festen Reihenfolge zwingen.

Insbesondere muss – soweit moglich – eine begonnene Funktion abgebro-chen werden konnen. Fur die Auswahl einer auszufuhrenden Funktion wer-den meist hierarchisch organisierte Auswahlmenus angeboten. Die Auswahlder nachsten Ebene und die Ruckkehr in die ubergeordnete Ebene stellendie statische Navigation durch die Auswahlmenus dar. Dem steht als dyna-mische Navigation der Rucksprung auf die zuletzt ausgewahlte Ebene ge-genuber. Ein Rucksprung kann bei der dynamischen Navigation durch einenVorwartssprung wieder aufgehoben werden. Bei Einsatz dieser Navigations-methode sollte zur Vermeidung von Fehlern sichergestellt werden, dass Ein-gabefelder, die bei einer fruheren Funktionsausfuhrung mit Werten belegtwurden, nach einem dynamischen Rucksprung wieder mit den Voreinstellun-gen belegt werden.

Fur die Eingabewerte sind sinnvolle Vorgaben vorzusehen und alle vomBediener eingegebenen Werte auf Plausibilitat zu prufen. Das bedeutet,dass nur erlaubte Zeichen eingegeben, Wertebereiche eingehalten und keineAbhangigkeiten zwischen einzelnen Parametern verletzt werden konnen.

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188 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Abbildung 5.15. Typisches Endgerat mit Barcodescanner, Textanzeige, Tastaturund funkbasierter Datenubertragung [Foto: SYMBOL]

Die an einem Arbeitsplatz oder an einem Gerat ausfuhrbaren Funktio-nen werden einer oder mehreren Rollen zugewiesen. Beispiele fur Funktionensind das Sperren/Freigeben von Paletten und Lagerorten oder das Andern ei-ner Palettenbelegung. Beispiele fur Rollen sind Wareneingangsprufung, Qua-litatskontrolle oder Disposition. In einem angenommenen Fall durfen sowohldie Wareneingangsprufung als auch die Qualitatssicherung Paletten sper-ren, wahrend nur die Qualitatssicherung Paletten freigeben darf. Lageror-te konnen beispielsweise nur von der Disposition gesperrt und freigegebenwerden.

5.3.3 Zugangskontrolle

Um Funktionen in einem WMS auszufuhren, sollte aus Sicherheitsgrundenimmer eine Zugangskontrolle stattfinden. Der Administrator des WMS hin-terlegt hierzu Personennamen, Zugangsdaten und die Rollen, die diese Personannehmen darf. Zugangsdaten konnen Kennworte (Passwords) oder biometri-

Page 199: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

5.3 Benutzerschnittstelle 189

sche Daten24 sein. Bei Arbeitsbeginn muss sich jede Person an ihrem Arbeits-platz anmelden und fur diese Zugangskontrolle dann auch die Zugangsdaten– beispielsweise durch Eingabe des Kennwortes oder durch einen Scan derIris – bereitstellen. Nach erfolgreicher Anmeldung kann der Arbeitsplatz furdie Rollen genutzt werden, fur die er ausgelegt ist und fur die auch eine Be-rechtigung fur den jeweiligen Bediener vorliegt. Ein Abmelden sollte explizitdurch den Bediener erfolgen. Alternativ oder zusatzlich kann nach Ablaufeiner gewissen Zeit, in der keine Eingaben erfolgen, der Arbeitsplatz gesperrtoder der Bediener implizit abgemeldet werden. Ein gesperrter Arbeitsplatzkann nur durch eine nochmalige erfolgreiche Zugangskontrolle des bereits an-gemeldeten Bedieners freigegeben werden.

Alternativ oder zusatzlich konnen auch die Arbeitsplatze, fur die eine Be-rechtigung besteht, eingeschrankt werden. Dann kann anstelle des rollenbezo-genen Zugangs (Einlagern, Kommissionieren usw.) ein ortsbezogener Zugang– z.B. zu genau einem oder zu mehreren definierten I-Punkten oder Kommis-sionierplatzen – zugesichert werden. Weitere Einschrankungen konnen bis aufdie erlaubten Einzelfunktionen im Sinne von Berechtigungsprofilen (Stamm-datenauskunft, Sperren/Freigeben von Chargen usw.) erfolgen. Die Zugangs-beschrankung auf erlaubte Zeitfenster (Arbeitstage, Schicht usw.) bietet wei-tere Sicherheit.

Die Zugangskontrolle sollte erlauben, die Dialoge in der jeweiligen Mutter-sprache des Bedieners zu fuhren (s. Abschn. 5.3.4). Fur die Qualitatskontrolleist gelegentlich auch die Ruckverfolgung auf die beteiligten Personen erfor-derlich. Das Gleiche gilt fur leistungsbezogene Bezahlung. In diesen Anwen-dungen der Zugangskontrolle werden personenbezogene Daten erfasst undgespeichert, so dass hier in jedem Fall bei der Einfuhrung solcher Syste-me mindestens die gesetzlichen Anforderungen des Datenschutzes beachtetwerden mussen. Eine weitergehende Beteiligung der Mitarbeiter und ihrerVertreter ist bei solchen Vorhaben sinnvoll.

5.3.4 Internationalisierung

Grundsatzlich konnen die Ein- und Ausgaben bedienerabhangig, stand-ortabhangig oder nach einem Firmen- oder einem internationalen Standarderfolgen.

Dialogtexte sollten in der jeweiligen Landessprache des Bedieners darge-stellt werden konnen. Die Auswahl kann manuell oder uber das Bedienerprofilder Zugangskontrolle erfolgen. Die Endgerate mussen uber entsprechende Zei-chensatze oder uber die Fahigkeit verfugen, ihren Zeichensatz von einem ex-ternen Gerat zu beziehen. Die rechnerinterne Darstellung muss hier eine Un-terstutzung bieten. Da die ublicherweise benutzte 8-Bit-Codierung fur einzel-ne Buchstaben oft nicht ausreicht, wurde der Unicode, eine 16-Bit-Codierung,zur Unterstutzung der multilingualen Textbearbeitung eingefuhrt.

24 beispielsweise Fingerabdruck oder Irisbild

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190 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Die Darstellung des Datums und der Uhrzeit sollte in einer unverwechsel-baren Form erfolgen. Abweichend hiervon sind Darstellungen moglich, die amStandort des Betreibers ublich ist. Dezimalbruche konnen in der Punkt- oderKommanotation dargestellt werden. Ublicherweise wird die standortublicheDarstellung gewahlt.

Die physikalischen Großen – wie beispielsweise Gewicht oder Abmes-sungen – sollten dem internationalen Standard (MKS-System: Meter, Ki-logramm, Sekunde) entsprechen. Umrechnungen zwischen unterschiedlichenGroßen sollten im Bereich der Identifikation durch geeignete Funktionenmoglich sein. Neuere Programmiersprachen unterstutzen die Internationa-lisierung durch entsprechende Datentypen und Bibliotheken.

5.3.5 Hilfesysteme und Hilfsdienste

Zur Unterstutzung der Bediener existieren Handbucher, die jedoch meistnicht fur den operativen Betrieb, sondern zu Schulungszwecken genutzt wer-den. Zur Unterstutzung konnen diese Handbucher auch online verfugbar ge-macht werden (vgl. Abb. 5.16), was auch eine Suche uber den Inhalt, uberStichworte und uber den gesamten Text (Volltextsuche) ermoglicht.

Wichtiger als die Online-Handbucher ist jedoch eine kontextsensitive Hil-fe, die abhangig von der gerade ausgefuhrten Funktion einen kurzen Hinweisgeben soll. Insbesondere sind die Anzeige der moglichen Eingabewerte oderWertebereiche hilfreich. Adaptive Verfahren konnen abhangig von der Vorge-schichte des Bedienerdialoges gezielte Hinweise geben. Adaptive Hilfesystemewerden heute kaum oder nur in einer sehr rudimentaren Form eingesetzt.Haufig wird stattdessen bei mehrfachen Fehleingaben immer ein festes Vor-gehen, das oft in einem Verweis auf das Online-Handbuch besteht, einpro-grammiert. Zusatzliche Hilfsdienste konnen von Fall zu Fall sinnvoll sein:

• elektronische Notizzettel als Ersatz fur”fliegende Zettel“

• innerbetriebliches elektronisches Mailsystem mit einer direkten Kopplungzum WMS

• arbeitsplatzbezogene To-do-Listen zur schichtubergreifenden Kommunika-tion

• arbeitsplatzbezogene Kalender fur die Erfassung von Wartungsterminenund die Ankundigung außergewohnlicher Ereignisse

5.4 Betriebssysteme

Ein Betriebssystem ist ein Programm eines Computersystems, das alle Kom-ponenten verwaltet und steuert sowie die Ausfuhrung von Programmen ver-anlasst. Es stellt eine Abstraktionsschicht dar, die den direkten Zugriff vonAnwenderprogrammen auf die Hardware eines Rechners vermeidet und ihregesamten Aktivitaten koordiniert.

Page 201: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

5.4 Betriebssysteme 191

Abbildung 5.16. Beispiel eines Online-Hilfesystems [Foto: VANDERLANDEINDUSTRIES]

Mit dem Begriff Betriebssystem (BS) werden seit dem Aufkommen derPersonal Computer Anfang der 80er Jahre oft Eigenschaften des Datei-systems, Netzwerkfahigkeiten und insbesondere Konzepte der Bedienober-flache assoziiert. Ein Betriebssystem beinhaltet aber viele weitere elementareFunktionen, die einem Anwender meist verborgen bleiben. Die Kenntnis dergrundsatzlichen Prinzipien eines Betriebssystems ist fur das gesamte Gebietder IT-Systeme sinnvoll. In diesem Abschnitt werden die Grundprinzipiender Betriebssysteme kurz erlautert. Die darauf aufbauenden Funktionen, wiebeispielsweise netzwerkfahige Dateisysteme und Bedienoberflachen, werdenin getrennten Abschnitten behandelt.

5.4.1 Aufgaben

Ein Betriebssystem bildet eine Softwareschicht, die Anwenderprogrammevon dem direkten Zugriff auf die Hardware abschirmt. Die Aufgaben ei-nes Betriebssystems bestehen in der Bereitstellung von Betriebsmitteln (Re-sources) und Diensten (Services) unter Nutzung der Hardware. Beispiele furBetriebsmittel sind Drucker und Barcodeleser, aber auch der Speicherplatzauf einer Festplatte. Die Aufgaben eines Betriebssystems sind im Einzelnen:

• Parallelbetrieb mehrerer Anwenderprogramme (Multiprogramming)• Realisierung von definierten zeitlichen Abhangigkeiten zwischen verschie-

denen Anwenderprogrammen (Synchronisation)

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192 5. Informations- und Kommunikationstechnik

• Zurverfugungstellung allgemein verwendbarer Programmbibliotheken (Bi-bliotheken, Libraries)

• Bereitstellung eines einheitlichen Ein-/Ausgabe-Systems (virtuelles I/O-System)

• Bereitstellung einer Speicherverwaltung (virtueller Speicher)• Schutz der Anwenderprogramme gegen Fehler in anderen Anwenderpro-

grammen• Unterstutzung unterschiedlicher Benutzer mit benutzerspezifischen Rech-

ten und mit gegenseitigem Schutz (Multiuser)

Zusammenfassend konnen die Aufgaben eines Betriebssystems als

”Prasentation eines logischen Rechners (virtuelle Maschine) mit an-

wendungsnahen Schnittstellen auf logisch hohem Niveau“

definiert werden. Das Prinzip der virtuellen Maschine als Abstraktionsschichtzwischen Hardware und Anwenderprogrammen kann noch weiter verfeinertwerden. So arbeiten viele der modernen Betriebssyteme mit einer so genann-ten Hardware-Abstraktionsschicht (HAL: Hardware Abstraction Layer), diees dem Hersteller eines Betriebssystems erleichtert, sein Produkt mit wenigAufwand auf unterschiedliche Hardware zu portieren.

5.4.2 Prinzipien

In diesem Abschnitt werden die grundlegenden Prinzipien und Komponentenvon Betriebssystemen vorgestellt. Als weiterfuhrende Literatur wird auf diezahlreichen Bucher zum Thema BS – wie beispielsweise [49], [54] oder [82] –verwiesen.

Eine wesentliche Grundfunktion jedes Betriebssystems ist die Verwaltungunterschiedlicher Hardware. Diese wird ublicherweise in folgende Kategorieneingeteilt:

• Speicher (Hauptspeicher, Memory): der physische Speicher, in dem Datenund Programme zur Laufzeit abgelegt werdenDie Hardware unterstutzt eine dynamische Einteilung in Read-Only- und inRead-Write-Bereiche. Eine MMU (Memory Management Unit) uberwachtden Read-Only-Bereich permanent auf schreibende Zugriffe, verhindert die-se und lost bei Verletzung einen Interrupt aus, der dann das Betriebssys-tem veranlasst, das verursachende Programm zu beenden. Weitergehen-de Schutzmechanismen, die beispielsweise den Zugriff auf Speicherberei-che anderer Programme verhindern25, und die Zuteilung des Speichers andie Programme selbst mussen vom Betriebssystem bereitgestellt werden(s. S. 198). Ein bewusster, durch das Betriebssystem kontrollierter Zugriff

25 Allein die Moglichkeit des lesenden Zugriffs auf Speicherbereiche fremder Pro-gramme ist aus Sicht des Datenschutzes unbedingt zu vermeiden, s. Abschn. 5.6.Ein schreibender Zugriff kann zu Sabotagezwecken missbraucht werden.

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5.4 Betriebssysteme 193

Plattenspeicher

CPU

Grafik Interface

Hauptspeicher (Memory)

Netzwerk i/o

Systembus

Virtuelle CPU Virtueller Adressraum

Timer Dateisystem

Uhr

Gerätetreiber

Prozess1 Prozess2

Prozess i

Prozess i1 Prozess i2

i/o

Multiuser-Unterstützung

Nachrichtenpuffer Bytepuffer (Pipe)

Applikationen

Betriebssystem

Hardware

Abbildung 5.17. Betriebssystem als Abstraktionsschicht zwischen der Hardwareund den Applikationen

unterschiedlicher Programme auf den gleichen Speicherbereich sollte jedochunterstutzt werden (s. Abschn. 5.4.2).

• Prozessoren (CPU, Central Processing Unit): Hier findet die Ausfuhrungder im Speicher befindlichen Programme statt. Neuere Hardware un-terstutzt mehrere CPUs, die vom Betriebssystem verwaltet werden mussen(s. S. 195). Moderne Prozessoren verfugen uber eingebaute Cache-Speicher,in denen haufig referenzierte Anweisungen und Daten fur einen schnel-len Zugriff zwischengespeichert werden. Die Leistungsfahigkeit einer CPUwird oft durch die Anzahl der ausfuhrbaren Instruktionen pro Zeiteinheitund durch eine Taktrate angegeben. Derartige Kennzahlen stellen aber nureinen Parameter fur die Beurteilung der Leistungsfahigkeit einer Hardwaredar. Diese ergibt sich aus dem Zusammenspiel aller Komponenten undist fur die Beurteilung aus Sicht eines Betreibers ohne Berucksichtigungder Betriebssystemeigenschaften und der Eigenschaften der Anwenderpro-gramme auch nicht aussagekraftig. Statt dessen setzt man Benchmarks26

26 Benchmarks sind in diesem Zusammenhang definierte Testlaufe von aus-gewahlten Programmen einer oder mehrerer Kategorien von Applikationen mit

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194 5. Informations- und Kommunikationstechnik

ein, um die Leistungsfahigkeit fur eine Klasse von Einsatzfallen zu ermit-teln.

• Gerate (Devices): Hierunter werden folgende Gerategruppen zusammenge-fasst:– Schnittstellen: Beispiele sind parallele und serielle Schnittstellen wie

RS232 oder USB.– Netzwerk: Zugriff auf lokale und/oder Weitverkehrs-Netzwerke zur Rech-

nerkommunikation uber unterschiedliche Medien (s. Abschn. 5.1)– Massenspeicher: Massenspeicher mit wahlfreiem Zugriff27 wie Festplat-

ten, Disketten, CD-ROM und DVD, welche auf rotierenden Medien ba-sieren, und solche, die keine mechanisch beweglichen Teile enthalten, wiebeispielsweise Flash-Media-KartenEin Kriterium fur die Klassifizierung von Massenspeichern ist die Aus-wechselbarkeit der Speichermedien. Diese Eigenschaft ist insbesonde-re fur Archivierungen, aber auch fur den Import und den Exportvon Daten sowie fur die Anfertigung von Sicherungskopien sinnvoll (s.Abschn. 5.2.4).

– Bildschirm: Bildschirme werden im Allgemeinen uber so genannte Grafik-Karten angesteuert. Hierbei handelt es sich um Subsysteme, die einehohe Datenrate von der CPU empfangen. Auf diesen Daten konnen dieGrafik-Karten selbststandig komplexe Operationen ausfuhren. Die Funk-tionsweise des Bildschirms ist aus der Sicht der Rechners nicht relevant.

• Uhr (Clock): Die Uhr stellt ein spezielles Gerat dar, dem eine besondereBedeutung zukommt. Sie lost zyklische Unterbrechungen (Interrupts) aus,die das Betriebssystem veranlassen, bestimmte Aufgaben (s. Abschn. 5.4.2Uhren) zu erfullen. Zusatzlich dient die Uhr der Bestimmung des aktuel-len Datums und der aktuellen Zeit. Hierzu stellen Betriebssysteme weitereDienste, welche die Zeitzonen und ggf. die Sommerzeit berucksichtigen,Prozesse zeitgesteuert aktivieren (Timer) und die Rechneruhren in verteil-ten Systemen synchronisieren (s. Abschn. 5.1.6), zur Verfugung.Die Uhrenproblematik trat zur letzten Jahrtausendwende durch das sogenannte

”Jahr-2000-Problem“ (y2k-Problem) in das Bewusstsein einer

breiten Offentlichkeit. Die Ursache dieses Problems lag in der 2-stelligenDarstellung der Jahreszahl und betraf fast ausschließlich die Software mitAusnahme der Rechner, deren Hardwareuhren die Jahreszahl ebenfalls sodarstellten. Neuere Hardwareuhren werden durch einen unstrukturiertenZahler dargestellt, dessen Wert die Anzahl von Zeiteinheiten darstellt, dieseit einem bestimmten Basiszeitpunkt vergangen sind.

definierten Eingabedaten unter einem konkreten Betriebssystem auf einer spezi-fizierten Hardware. Ziele sind unter anderem die Ermittlung der Antwortzeitenund des mittleren Durchsatzes.

27 Unter einem wahlfreien Zugriff versteht man, dass ein Programm jederzeit dieMoglichkeit hat, auf einen beliebigen

”Datensatz“ auf diesem Medium zuzugrei-

fen.

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5.4 Betriebssysteme 195

Jedes Anwenderprogramm wird unter der Kontrolle eines Betriebssys-tems ausgefuhrt und ist einem Prozess zugeordnet. Ein Prozess wird auchals Task bezeichnet und beinhaltet außer dem Anwenderprogramm auch In-formationen uber seinen aktuellen Zustand sowie den Ressourcenbedarf unddie aktuelle Ressourcenzuteilung. Tasks konnen zeitlich sequenziell oder ne-benlaufig ausgefuhrt werden. Nebenlaufigkeit bedeutet, dass eine zeitlich pa-rallele Bearbeitung erfolgen kann, jedoch nicht zwangsweise muss. Diese zeit-liche Parallelitat kann auch nur fur einige Zeitintervalle erfolgen, streng zy-klisch wechseln oder uber die gesamte Laufzeit einer Task vorliegen. Da diesezeitlichen Ablaufe in einem dynamischen System mit nichtdeterministischenaußeren Ereignissen nicht vorhersagbar sind, wird in diesem Zusammenhangder Begriff der Nebenlaufigkeit verwendet.

WMS sind aus softwaretechnischer Sicht komplexe Systeme, die aus meh-reren, teilweise nebenlaufigen Tasks bestehen, die untereinander Daten aus-tauschen, sich gegenseitig Dienste bereitstellen und ihren Programmfluss andefinierten Stellen synchronisieren. In neuerer Zeit hat sich sowohl fur ein-zelne Anwenderprogramme als auch fur komplexere Programmsysteme derOberbegriff der Applikation etabliert. In diesem Sinne sind WMS Applika-tionen.

Im Folgenden werden die Hauptaufgaben eines Betriebssystems – insbe-sondere im Zusammenspiel mit einer WMS-Applikation – detaillierter be-schrieben.

Steuerung der Betriebssystemprozesse Die Prozess-Steuerung mussfolgende Aufgaben losen:

• Wechselseitiger Ausschluss: Beim Zugriff auf exklusive Betriebsmittel darfzu einer Zeit maximal ein Prozess auf dieses Betriebsmittel zugreifen. Alsanschauliches Beispiel stelle man sich einen Drucker vor, auf den – ohneweitere Vorkehrungen – mehrere Prozesse nebenlaufig drucken. Um sinn-volle Ergebnisse zu erhalten, darf in einem solchen Szenario zu einer Zeitimmer nur ein Prozess drucken – die Prozesse mussen sich wechselseitigausschließen. Dieses Prinzip des wechselseitigen Ausschlusses wird daruberhinaus durchgangig auf alle denkbaren exklusiven Ressourcen angewendet.Neuere Programmiersprachen bieten Sprachkonstrukte fur den Wechselsei-tigen Ausschluss an.

• Synchronisation: Es muss sichergestellt sein, dass unter bestimmten Bedin-gungen ein Prozess in seiner Ausfuhrung erst dann fortfahren kann, wenner ein Signal erhalt, das von einem anderen Prozess erzeugt werden muss.

• Vermeidung von Deadlocks : Es muss verhindert werden, dass sich eine Men-ge von Prozessen bildet, von denen keiner fortfahren kann, ohne dass einanderer aus dieser Menge fortfahren kann28. Da die Deadlockproblematik

28 In der Literatur wird die Deadlockproblematik oft am Beispiel des so genannten

”Philosophenproblems“ diskutiert.

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196 5. Informations- und Kommunikationstechnik

von grundlegender Bedeutung – nicht nur fur Betriebssysteme, sondernauch fur Datenbanken und daruber hinaus auch fur Materialflusssteuerun-gen – ist, wird in Abschn. 5.4.2 auf dieses Thema eingegangen.

• Kommunikation: Ein Nachrichtenaustausch zwischen Prozessen, die so ge-nannte Interprozesskommunikation, muss moglich sein. Diese Kommunika-tion kann sich auf den Austausch von Signalen ohne eine zusatzliche Infor-mation beschranken oder sie kann auch Inhalte in Form von Datensatzenenthalten. Daruber hinaus ist auch eine datenstromorientierte Kommu-nikation moglich, die einen unstrukturierten Zeichenstrom zwischen denProzessen austauscht (s. Abschn. 5.1).

Jeder Prozess befindet sich zu jedem Zeitpunkt in einem der drei Zustande

”rechnend“,

”rechenbereit“ oder

”blockiert“. Blockierte Prozesse warten auf

Betriebsmittel, auf die Fertigstellung eines I/O-Auftrags oder auf ein Timer-Ereignis. Nach dem Ende der Blockade wird der Prozess in den Zustand

”re-

chenbereit“ versetzt und bewirbt sich erneut um die CPU. Die Prozessorver-waltung regelt die Zuteilung der Prozesse an den Prozessor beziehungsweisean die Prozessoren und verwaltet dementsprechend die Prozesszustande.

Die blockierten Prozesse warten passiv, d.h. sie verbrauchen praktischkeine Rechenzeit. Das Betriebssystem verwaltet die Ereignisse, auf welchedie blockierten Prozesse warten, und

”weckt“ diese nach dem Eintritt des

Ereignisses. Das entgegengesetzte Prinzip ist das aktive Warten, bei dem einProgramm durch zyklische Abfragen einer Bedingung ein Ereignis detektiert.Dieses Prinzip wird Polling genannt und wird gelegentlich in Anwenderpro-grammen verwendet, aber niemals in Betriebssystemen. Das Polling erfordertzwischen den einzelnen Abfragen immer eine Wartezeit τp, damit andere Pro-zesse Gelegenheit erhalten, ihr Programm weiter auszufuhren. Wird τp kleingewahlt, belastet der pollende Prozess die CPU zusatzlich, ohne eine Leistungzu erbringen. Wird τp großer gewahlt, steigt die Reaktionszeit, die im Mittelτp/2 betragt.

Prozessorverwaltung Ein rechenbereiter Prozess”bewirbt“ sich um die

Ressource CPU. Das Verfahren, das die Zuteilung von Prozessen zu einerCPU bestimmt, nennt man Schedulingverfahren, den entsprechenden Pro-grammteil eines Betriebssystems nennt man Scheduler. Im Allgemeinen istdie Zahl der Prozesse wesentlich großer als die Zahl der Prozessoren. Um den-noch alle Prozesse zu bearbeiten, wendet man das Prinzip des Multiplexingauf die CPUs an. Danach wird einem Prozess nach Ablauf einer gewissen Zeit(Zeitscheibe, Zeitquantum) die CPU entzogen und die frei gewordene CPUwird einem anderen Prozess zugeteilt. Falls fur das Scheduling der Ablaufeiner Zeitscheibe das einzige Kriterium ist und wenn alle rechenbereiten Pro-zesse streng sequenziell eine CPU zugeteilt bekommen, spricht man auch voneinem Round-Robin-Scheduler (RR) (s. Abb. 5.19).

In der Praxis wird fur das Scheduling jedoch noch eine Vielzahl weitererKriterien genutzt. Eine fast in jedem Betriebssystem implementierte Schedu-

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5.4 Betriebssysteme 197

rechen-bereit

blockiert rechnend

Zeitscheibeabgelaufen

i/o beendet CPU-Zuteilung

i/o gestartet

Abbildung 5.18. Prozesszustande

Warteschlange

RRScheduler CPU

fertigeProzesse

neueProzesse

Abbildung 5.19. Prinzip eines Round-Robin-Schedulers

lingstrategie ordnet den Prozessen Prioritaten zu. Diese Prioritaten unter-liegen dabei oft innerhalb gewisser Schranken einer Dynamik: Prozesse, diewegen einer Ein-/Ausgabe die CPU freigeben, steigen in ihrer Prioritat, bissie eine vorgegebene Obergrenze erreicht haben. Nach dem Ablauf einer Zeit-scheibe wird die Prioritat schrittweise bis zu einer Untergrenze dekrementiert.Der Scheduler arbeitet immer die Prozesse mit der hochsten Prioritatsklassenach dem RR-Verfahren ab und dann die Prozesse der nachstniedrigeren Prio-ritatsklasse. Wird ein Prozess mit einer hoheren Prioritat rechenbereit, wirdder gerade rechnende Prozess unterbrochen – d. h. er wird in den Zustand

”rechenbereit“ versetzt – und der Scheduler wird aktiviert.

In einigen Betriebssystemen ist der Scheduler selbst ein Prozess mit ei-ner hohen, aber festen Prioritat. Damit unterliegen Prozesse, deren Prioritathoher als die des Schedulers sind, nicht mehr dem RR-Verfahren und konnennur noch durch einen hoherprioren Prozess unterbrochen werden. Prozessemit einer derart hohen Prioritat werden als Echtzeitprozesse bezeichnet.

Diese kurze Darstellung einiger einfacher Scheduling-Verfahren zeigt, dassprioritatsgesteuerte Scheduling-Verfahren eine Dynamik aufweisen, die sich– oft nach wesentlich komplexeren Algorithmen – an die aktuelle Systemlastanpassen. Die Anderung von Prozessprioritaten ohne eine tiefere System-

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198 5. Informations- und Kommunikationstechnik

~~

~~

~~

~~

~~

~~

2 -127

2 -132 2 -132

VirtuellerSpeicher 1

PhysischerSpeicher

VirtuellerSpeicher 2

0 0 0

Auslagerungsdatei(Festplatte)

Verfügbare Seite Ausgelagerte Seite Ungenutzte Seite

Auslagern Einlagern

Abbildung 5.20. Abbildung von 2 virtuellen Adressraumen auf den physischenSpeicher am Beispiel eines 32-Bit-Rechners mit 128 MByte physischem Hauptspei-cher

kenntnis ist kritisch. Die auf der einen Seite vermeintlichen Vorteile konnenschwerwiegende Nachteile zur Folge haben.

Speicherverwaltung Jeder Prozess verfugt uber einen separaten virtuel-len Adressraum. Dieser wird vom Betriebssystem bereitgestellt und durchunterschiedliche Verfahren auf den physischen Speicher abgebildet. Das amhaufigsten eingesetzte Verfahren hierzu nutzt den physischen Speicherplatzmehrfach, weswegen man auch von Speichermultiplexing spricht.

Das heute ubliche Verfahren – das Paging-Verfahren – teilt hierzu denSpeicher in gleichgroße so genannte Seiten (Pages) ein. Nichtbenutzte Seitenkonnen nach unterschiedlichen Algorithmen auf einen Hintergrundspeicher,

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5.4 Betriebssysteme 199

einen Massenspeicher mit langsamerem Zugriff, aber mit wesentlich großererKapazitat (das ist in der Praxis eine Festplatte) kopiert (ausgelagert) werden.Hierdurch werden Bereiche des physischen Speichers fur andere Programmenutzbar.

Wenn ausgelagerte Seiten benotigt werden, spricht man von einem Seiten-fehler (Pagefault), der dazu fuhrt, dass die benotigten Seiten wieder in denArbeitsspeicher kopiert (eingelagert) werden. Zuvor mussen jedoch bei Bedarfandere Seiten in den Hintergrund kopiert werden, um fur die einzulagerndenSeiten Platz zu schaffen. Die entsprechenden Algorithmen sind teilweise sehraufwandig und berucksichtigen unter anderem auch die Zugriffshaufigkeit aufeinzelne Seiten und erstellen hieraus eine Prognose (s. z. B. [82]).

Die auszulagernden Seiten werden in einer oder mehreren Dateien (Aus-lagerungsdatei, Pagefile29) oder in einem oder mehreren unformatierten Be-reichen der Festplatte30 (s. Abschn. 5.2.2) abgelegt. Um den Durchsatz durchNebenlaufigkeit zu erhohen, unterstutzen viele Betriebssysteme die Vertei-lung der Auslagerungen auf unterschiedliche Laufwerke.

Ein hoher Wert fur die Pagefaults je Zeiteinheit ist immer ein Indiz fur zugeringen Speicherausbau, wahrend eine zu kleine Auslagerungsdatei immer zueiner Fehlermeldung des Betriebssystems fuhrt. Diese wird im Allgemeinenzuerst durch Warnungen bei Uberschreitung eines bestimmten Fullgradeseingeleitet. Falls keine Maßnahmen ergriffen werden, sind folgende Szenarienmoglich:

• Das Betriebssystem suspendiert ganze Prozesse und lagert deren Spei-cherinhalte in einen eigenen Hintergrundspeicher-Bereich, das so genannteSwapfile aus.

• Das Betriebssystem beendet zwangsweise einzelne Prozesse.• Das Problem wird ignoriert, was einen Deadlock (s. Abschn. 5.4.2) zur Folge

hat. Die Auflosung eines solchen Deadlocks durch das Beenden eines Pro-zesses durch den Bediener ist oft nicht mehr moglich, da hierzu zusatzlicherSpeicher benotigt wird, der dann jedoch nicht mehr zur Verfugung steht.

Gerate- und Ressourcenverwaltung Die Gerateverwaltung beinhaltetauf unterer Ebene die zeitnahe Kommunikation mit der Hardware. Dieseerfolgt uber Interrupts, die durch die Hardware ausgelost werden, den Pro-grammfluss unterbrechen und zu einer Interrupt-Service-Routine verzweigen.Diese ubernimmt dann die Bearbeitung des Interrupts, indem sie typischer-weise mit dem anfordernden Gerat Daten und Signale austauscht und an-

29 In einigen Systemen wird auch der Begriff Swapfile verwendet, wahrend in an-deren Systemen Swapfiles nicht zum Paging, sondern zur Auslagerung ganzerProzesse dienen.

30 Festplatten werden meist in Partitionen aufgeteilt. Diese Partitionen konnenDateisysteme enthalten oder als raw device ohne eine Formatierung von Appli-kationen oder von Datenbanken genutzt werden.

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200 5. Informations- und Kommunikationstechnik

schließend die Kontrolle wieder an den bis zu diesem Zeitpunkt ruhendenProgrammfluss zuruckgibt.

Auf der nachsthoheren logischen Ebene werden die Gerate als Ressour-cen oder als Betriebsmittel (BM) verwaltet. Ein Betriebsmittel muss nichtnotwendigerweise ein physisches Gerat sein. Logische oder virtuelle Betriebs-mittel sind beispielsweise Kommunikationspuffer, gemeinsam von mehrerenProzessen genutzte Speicherbereiche oder Datenbanktabellen. Betriebsmit-tel werden im Allgemeinen durch Prozesse exklusiv genutzt, wenn schrei-bende Zugriffe erfolgen. Lesende Zugriffe fuhren im Allgemeinen zu kei-nen Zustandsanderungen und sind deswegen in der Regel auch nebenlaufigmoglich. Das Verfahren hierzu nennt man Wechselseitiger Ausschluss (mu-tual exclusion oder kurz mutex ). Die Zeitdauer, in der ein Betriebsmitteldurch einen Prozess exklusiv belegt ist, nennt man auch einen kritischen Ab-schnitt (critical region). Prozesse, die in einen kritischen Abschnitt eintretenmochten, mussen zunachst das zugehorige Betriebsmittel vom Betriebssys-tem anfordern. Ist es verfugbar, wird es in der Regel zugeteilt. Falls es nichtverfugbar ist, wartet der anfordernde Prozess auf die Verfugbarkeit. Die Be-triebsmittelverwaltung weckt den Prozess, sobald das Betriebsmittel, auf daser wartet, wieder frei ist. Falls mehrere Prozesse auf ein bestimmtes Betriebs-mittel warten, werden ihre Anforderungen in einer Warteschlange nach demfirst-come-first-served-Prinzip (FCFS )31 verwaltet. Abweichungen vom strik-ten FCFS-Prinzip sind fur zeitkritische Prozesse oder fur Prozesse, die bereitsviele weitere Betriebsmittel halten, moglich und sinnvoll.

Deadlockproblematik In einem Umfeld, in dem der Wechselseitige Aus-schluss gewahrleistet ist, die Prozesse unbeschrankt auf die Verfugbarkeitvon Betriebsmitteln warten und in dem keinem Prozess von außen zwangs-weise Betriebsmittel entzogen werden konnen, besteht eine potenzielle Dead-lockgefahr. Ein Deadlock ist eine Systemverklemmung, die nur durch einenerzwungenen Entzug von Betriebsmitteln (Preemption) oder durch das er-zwungene Beenden von Prozessen gelost werden kann. Abbildung 5.21 zeigteine typische Deadlocksituation mit Hilfe eines Resource-Allocation-Graphen.Prozesse und Betriebsmittel bilden die Knoten eines solchen Graphen, Be-triebsmittelanforderungen und -zuteilungen werden durch Kanten dargestellt.Im zeitlichen Ablauf wird fur zwei Prozesse (P1, P2) und fur zwei Betriebs-mittel (BM1, BM2) folgende Situation dargestellt:

31 Das first-come-first-served-Prinzip besagt, dass derjenige Prozess, der zuersteinen Betriebsmittelbedarf angemeldet hat, auch zuerst bei der Zuteilung diesesBetriebsmittels berucksichtigt wird. Das entspricht dem FIFO-Prinzip, das auchim Materialfluss angewendet wird (Abschn. 2.2.3).

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5.4 Betriebssysteme 201

Anforderung des BMi

Zuteilung des BMi

durch Prozessj

an Prozessj

BMi

BMi

Prozessj

Prozessj

BM1

BM2

Prozess1 Prozess2

t1 t2

t3 t4

t +1

t +4

Legende:

Abbildung 5.21. Deadlocksituation im Resource-Allocation-Graphen

t1 : P1 fordert BM1 ant1 + ∆ : BM1 wird P1 zugeteilt

t2 : P2 fordert BM2 ant2 + ∆ : BM2 wird P2 zugeteilt

t3 : P1 fordert BM2 an und muss wartent4 : P2 fordert BM1 an und muss warten

Zum Zeitpunkt t4 liegt nun ein Deadlock vor. Keiner der beiden Prozessekann seine Arbeit fortsetzen, ohne auf den jeweils anderen zu warten.

Eine andere Art der Darstellung des oben beschriebenen Szenarios bildetdas Diagramm der Prozessfortschritte (s. Abb. 5.22). Es zeigt mit Hilfe einerTrajektorie, wie eine solche Situation entstehen kann, und es verdeutlichtauch, wie man sie vermeiden kann. Die beiden Achsen des Koordinatensys-tems stehen fur den Fortschritt der Prozesse P1 und P2. Die Graphen, diein einem solchen Diagramm dargestellt werden, stellen die Fortschritte derbeiden Prozesse dar und konnen mit dem Parameter t fur die Zeit beschriftetwerden. Solche Graphen werden auch als Trajektorien bezeichnet.

Unter der Voraussetzung, dass Preemption (s.o.) nicht erlaubt ist, enthal-ten diese Graphen niemals eine Komponente in negativer Achsenrichtung. Beieinem Ein-Prozessor-System bilden sie immer aufsteigende Treppenkurven.Der Betriebsmittelbedarf fur die beiden Prozesse ist an den Achsen aufge-tragen. Damit der wechselseitige Ausschluss gewahrleistet ist, darf eine Tra-jektorie niemals das dunkelgrau dargestellte Gebiet schneiden. Unter diesenVoraussetzungen wird der Deadlock unvermeidlich, wenn das untere linkeTeilgebiet – die unsicheren Zustande – erreicht wird. Hier setzen die Verfah-ren der Deadlockvermeidung an, die von Betriebssystemen und teilweise auchvon Datenbanken genutzt werden.

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202 5. Informations- und Kommunikationstechnik

BM1

BM2

BM2

BM1

nichterreichbareZustände

unsichereZustände

Deadlock wechselseitigerAusschluss

verletzt

FortschrittProzess2

Fortschritt Prozess1

t3

t2

t1

t4

. .

.

.

Abbildung 5.22. Deadlocksituation in einem Diagramm der Prozessfortschritte

Eine Alternative zur Deadlockvermeidung ist Anforderung aller benotig-ten Betriebsmittel als unteilbare Operation oder die Auflosung eines Dead-locks durch Preemption. Werden alle benotigten Betriebsmittel bereits beider ersten Anforderung auch nur eines Betriebsmittels angefordert und zu-geteilt, wird im Allgemeinen der Durchsatz verringert, da andere Prozesseauf diese Betriebsmittel warten mussen. Ein Deadlock kann aber mit die-ser Methode verhindert werden. Nach Preemption werden die bisher auf denbetroffenen Betriebsmitteln ausgefuhrten Operationen ungultig und mussenzu einem spateren Zeitpunkt wiederholt werden. Die Folge ist ebenfalls einsinkender Datendurchsatz.

Die hier beschriebenen Zusammenhange sind auch auf Materialflusssys-teme anwendbar. In Kapitel 7.5 wird ein Beispiellager vorgestellt, das eben-falls deadlockgefahrdet ist. Durch den Einsatz geeigneter Algorithmen mussenauf dem Gebiet des Materialflusses Deadlocks vermieden werden. Ein Pre-emption ist bei diesen Anforderungen nicht sinnvoll und auch nicht immermoglich, da zum Abbruch von Transporten entsprechende Rucktransportemoglich sein mussten.

Uhren Die Hardwareuhr bildet die Basis fur

• den Anstoß fur zyklisch auszufuhrende Betriebssystemfunktionen, wie bei-spielsweise das Scheduling, die dem Anwender verborgen bleiben,

• die Bereitstellung von Weckdiensten (Timer) und fur• die Berechnung des aktuellen Datums und der aktuellen Zeit.

Page 213: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

5.5 Programmiersprachen 203

Die Hardwareuhr eines Rechners unterliegt immer einer gewissen Drift.Daher muss die Uhrzeit gelegentlich aktualisiert werden. Das kann manuelldurch einen Systemadministrator, durch Kopplung mit einer externen Refe-renzuhr oder durch ein Uhrenprotokoll (s. Abschn. 5.1.6) in einem Rechner-netz erfolgen. In einem laufenden System darf die Uhr nicht zuruckgestelltwerden, da das zu Verletzungen der Kausalitat fuhren konnte. Falls absoluteZeiten in einem System verwendet werden, kann ein Zuruckstellen der Uhrdazu fuhren, dass eine Wirkung fur nicht beteiligte Prozesse scheinbar zeit-lich vor ihrer Ursache liegt. Aus diesem Grund laufen Hardwareuhren bewusstgeringfugig zu langsam.

Ein solcher Effekt tritt beispielsweise auf, wenn Applikationen das Er-stellungs- oder Anderungsdatum von Dateien als Kriterium fur deren Bear-beitung heranziehen. Bei der Softwareentwicklung werden durch das

”ma-

ke“-Kommando alle Programme ubersetzt, deren Dateien vor dem letztenerfolgreich ausgefuhrten

”make“-Aufruf erstellt oder geandert wurden. Falls

wahrend der Entwicklungsarbeiten die Uhr zuruckgestellt wurde, kann das zueiner nur teilweisen Ubersetzung der Programme fuhren. Die Folge sind meistnicht kompatible Ergebnisse und damit gar nicht oder fehlerhaft arbeitendeProgramme. Ahnliche Effekte konnen auch in WMS auftreten, wenn Zeit-punkte als Kriterium fur die Durchfuhrung einzelner Bearbeitungsschritteherangezogen werden.

Falls eine Uhr dennoch zuruckgestellt werden muss, kann diese Problema-tik durch Einfuhrung einer Softwareuhr gelost werden. Eine Softwareuhr ba-siert immer auf einer Hardwareuhr, verfugt aber zusatzlich uber eine Offset-Variable zur Korrektur der Zeit. Ein Zuruckstellen der Uhr kann jetzt dadurcherreicht werden, dass die Softwareuhr langsamer lauft, d.h. der Offset wirddurch das Auslassen einzelner Ticks langsamer erhoht, so dass die Software-uhr zwar langsamer, aber niemals ruckwarts lauft. Die Problematik wird invernetzten Systemen durch den Einsatz von Uhrenprotokollen gelost.

5.5 Programmiersprachen

Programmiersprachen dienen zur Umsetzung der logischen Konzepte in aus-fuhrbare Programme. Sie stellen ein Bindeglied zwischen dem ProgrammP eines Programmierers und der Maschine M , auf der das Programm aus-gefuhrt werden soll, dar. Der Begriff der

”Maschine“ ist hier nicht mit der

Hardware gleichzusetzen, da das Betriebssystem eine virtuelle Maschine ist,die zur Ausfuhrung von Programmen bereitgestellt wird32. Jedes Programmverarbeitet Eingaben E und erzeugt Ausgaben A. Diese Ausgaben konnenwiederum Eingaben fur ein anderes Programm sein.

32 Das Betriebssystem ist zwar auch ein Programm, aber es verbirgt die Hardwarefur die hier zu besprechenden Anwendungsprogramme.

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204 5. Informations- und Kommunikationstechnik

5.5.1 Ubersetzer und Interpreter

In diesem Abschnitt werden die wichtigsten Konzepte kurz vorgestellt undeinige Begriffe definiert. Fur den Betreiber einer Applikation konnte die Pro-grammiersprache, in der sie geschrieben wurde, von untergeordneter Bedeu-tung sein, solange der Lieferant die korrekte Funktion gewahrleistet undfur Anderungen, Erweiterungen und Portierungen auf eine andere Hardwareverfugbar ist. Sobald dieser Fall jedoch nicht gegeben ist oder wenn Drittan-bieter beteiligt werden sollen – oder beteiligt werden mussen –, gewinnt dieWahl der Programmiersprache an Bedeutung.

Die T-Diagramme (s. Abb. 5.23) sind eine Art der graphischen Darstel-lung dieser Zusammenhange [84]. Zur Laufzeit benotigt jedes Programm eineMaschine, die den Programmcode ausfuhren kann. In den seltensten Fallenstehen Maschinen zur Verfugung, die den Programmcode direkt verarbeitenkonnen. Es gibt zwei Losungen fur dieses Problem:

• Mit Hilfe eines Ubersetzers wird der Programmcode in diejenige Spracheubersetzt, welche die Maschine ausfuhren kann. Das zu ubersetzende Pro-gramm nennt man Quellprogramm oder Sourcecode, das Ergebnis einersolchen Ubersetzung ist der Maschinencode, der von einer Maschine aus-gefuhrt werden kann. Man unterscheidet zwischen folgenden Typen vonUbersetzern:– Assembler sind strukturerhaltend, d.h. die Programme werden in ei-

ner zwar menschenlesbaren Form, jedoch in den Strukturen, welche dieausfuhrende Maschine verarbeiten kann, geschrieben. Die Programmewerden in diesem Fall in einer Assembler-Sprache geschrieben und durcheinen Assembler in die Maschinensprache ubersetzt. Diese Art der Pro-grammentwicklung hat fur die Erstellung von Anwendungsprogrammenheute keine Bedeutung mehr, wird aber noch bei hardwarenahen Ent-wicklungen eingesetzt.

– Compiler sind Ubersetzer, die die Strukturen des zu ubersetzendenProgramms nicht erhalten (s. Abb. 5.25). Diese Strukturtransformati-on gibt dem Compiler die Moglichkeit, umfangreiche Optimierungendurchzufuhren. Die Ziele dieser Optimierungen sind kleine Programmemit wenig Speicherbedarf und kurzen Ausfuhrungszeiten. Aufgrund derStukturtransformation ist der Kompilierungsprozess nicht umkehrbar.Das bedeutet, dass fur spatere Anderungen der Progammlogik immerdas Quellprogramm verfugbar sein muss. Die meisten Hersteller vonWMS liefern die Quellprogramme gar nicht oder nur teilweise aus. Einevollstandige Auslieferung erfolgt in den Open-Source-Projekten.

– Makroexpander oder Makroprozessoren sind Textersetzungssysteme, diedazu dienen, haufig benotigte Programmteile durch parametrierbareTextbausteine, die Makros, zu ersetzen. Ein Makroprozessor ersetzt dieformalen Parameter der Makros durch die aktuellen Parameter desMakro-Aufrufes. Anwendungsprogramme werden nicht durch Makro-

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5.5 Programmiersprachen 205

I P

M

O

M

Abbildung 5.23. Darstellung ei-nes T-Diagramms. Ein ProgrammP wird auf der Maschine M aus-gefuhrt. Es liest Eingabedaten E

und erzeugt Ausgabedaten A.

1

1

Input

IOutput

O

Program

P

Code

M

Interpreter

M

Code

M

Machine

M

Abbildung 5.24. Interpreter als virtuelleMaschine. Ein Interpreter arbeitet auf ei-ner Wirtsmaschine M1 und fuhrt ein Pro-gramm P , das in der Sprache M existiert,aus.

sprachen programmiert, aber einige Programmiersprachen setzen Ma-kros ein. Vor der eigentlichen Ubersetzung durch den Compiler erfolgtein getrennter Pass33, in dem die Makros expandiert werden. Das dienteinerseits der Reduzierung der Schreibarbeit, verdeckt aber andererseitsSchwachen der Programmiersprache (s. [51]).

• Der Programmcode wird mit Hilfe eines Interpreters direkt ausgefuhrt.Ein Interpreter ist ein Programm, das auf einer Wirtsmaschine ausgefuhrtwird und die Anweisungen eines Anwenderprogramms interpretiert undausfuhrt (s. Abb. 5.24). In diesem Sinne stellen Interpreter virtuelle Ma-schinen dar, welche die Eigenschaften der Wirtsmaschine gegenuber demAnwendungsprogramm verbergen.

Fur die Erstellung von Anwendungsprogrammen werden Compiler undInterpreter sowohl alternativ als auch erganzend eingesetzt. Die beiden zu-grunde liegenden Prinzipien haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile:

• Ein Interpreter erlaubt die sofortige Ausfuhrung eines Programms, ohnedieses zuerst ubersetzen zu mussen. Die Ausfuhrungszeiten sind bei Einsatzeines Interpreters großer als bei compilierten Programmen.

• Compiler analysieren das zu ubersetzende Programm zur Compilezeit, In-terpreter aber erst zur Laufzeit, d.h. zur Zeit der Ausfuhrung des Pro-gramms. Diese Analyse kann aber auch syntaktisch fehlerhafte Programm-teile – also Programme mit fehlerhaftem Satzbau – erkennen. Eine solche

33 Pass bezeichnet eine Bearbeitung des kompletten Programmcodes durch einProgramm. Compiler arbeiten ublicherweise mit mehreren nacheinander aus-gefuhrten Passes wie beispielsweise Syntaxanalyse, Codegenerierung und Code-optimierung.

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206 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Program

P

Language

L

Language Code

L MCompiler

Code

M

Machine

M

Program

P

Code

M

Input Output

I O

Program

P

Code

M

Machine

M

Abbildung 5.25. Ubersetzung eines Programms P , das in der Quellsprache S

geschrieben wurde, in die Zielsprache M durch einen Compiler, der auf einer Ma-schine M lauft. Das so erzeugte Zielprogramm wird dann auf einer Maschine M

ausgefuhrt.

Analyse erst zur Laufzeit durchzufuhren wurde bedeuten, dass ein Poten-zial der Programmiersprachen unzureichend genutzt wird.

• Compilierte Programme sind nicht portabel. Ein Anwendungsprogrammist somit nur auf dem Rechner und unter dem Betriebssystem ausfuhrbar,fur das es kompiliert wurde. Diese Bindung beinhaltet haufig sogar nochdie Version des Betriebssystems. Um ein Programm auf einem anderenRechner betreiben zu konnen, sind also mindestens das Quellprogrammund ein geeigneter Compiler erforderlich, wahrend ein Programm auf jedemRechner ausgefuhrt werden kann, auf dem ein entsprechender Interpreterverfugbar ist.

Eine Synthese aus den Prinzipien der Kompilierung und der Interpreta-tion bildet einen guten Kompromiss zwischen Ausfuhrungsgeschwindigkeit,Compilezeitanalyse und Portabilitat. Das Quellprogramm wird durch einenCompiler in eine maschinenunabhangige Zwischensprache ubersetzt, die dannauf allen Rechnern ausgefuhrt werden kann, die uber einen entsprechendenInterpreter verfugen.

Das bekannteste nach diesem Konzept arbeitende Programmiersystemist Java. Ein in Java geschriebenes Quellprogramm wird mit einem Java-Compiler in den so genannten Bytecode, einen von der Hardware und voneinem Betriebssystem unabhangigen Binarcode ubersetzt (s. Abb. 5.26). Da-mit werden alle lexikalischen, alle syntaktischen und einige semantische Fehler(s. Abschn. 5.5.2) bereits zur Compilezeit entdeckt. Daruber hinaus kann derCompiler bereits Optimierungen durchfuhren. Der so erzeugte Bytecode istsehr kompakt und wird zur Laufzeit durch eine virtuelle Java-Maschine (VM )interpretiert. Dieses Konzept eignet sich zum Aufbau verteilter Applikatio-nen.

Page 217: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

5.5 Programmiersprachen 207

o

o

1

1

2

2

Program

WMS

Language

Java

Language Code

Java Bytecode

Compiler

Code

M

Machine

M

Program

WMS

Code

Bytecode

Input Output

I O

Input Output

I OProgram

WMS

Code

Bytecode

Interpreter

Java-VM

Code

M

Machine

M

Program

WMS

Code

Bytecode

Interpreter

Java-VM

Code

M

Machine

M

Abbildung 5.26. Ubersetzung eines in Java geschriebenen WMS auf der MaschineM in Bytecode. Dieser portable Bytecode kann durch einen Interpreter (virtuelleMaschine) wahlweise auf der Zielmaschine M1 oder M2 ausgefuhrt werden.

5.5.2 Sprachkonzepte

Programmiersprachen werden durch

• ihre lexikalischen Elemente,• ihre syntaktische Struktur und durch• ihre Semantik beschrieben.

Die lexikalischen Elemente bilden die atomaren Einheiten, die”Buchsta-

ben“ des Quellprogramms. Hierunter versteht man beispielsweise Schlussel-worter, numerische Konstanten, Zeichenketten mit einem festen Inhalt, Ope-ratoren sowie Bezeichner fur Variablen und Funktionen.

Die syntaktische Struktur beschreibt den”Satzbau“ eines Programms und

wird formal durch eine rekursive Definition, durch die Backus-Naur-Form(BNF ) oder eine der BNF ahnlichen Notation oder durch Syntaxdiagram-me beschrieben. Syntaktische Einheiten werden durch Grammatiksymbole re-prasentiert. Die Spezifikation der Syntax einer Programmiersprache bestehtaus einer Menge von Regeln, deren linke Seite immer genau aus einem Gram-matiksymbol und deren rechte Seite aus einer Folge von Grammatiksymbolenund lexikalischen Symbolen besteht. Syntaxdiagramme sind eine anschaulicheArt der graphischen Darstellung dieser Regeln durch Rechtecke und Kreisebzw. abgerundete Rechtecke. Die BNF sieht im Gegensatz zu den Syntaxdia-grammen auf der rechten Seite zur Vereinfachung der Darstellung spezielleOperatoren und Symbole vor. Optionale Symbole oder Symbolfolgen werdenin eckige Klammern gefasst. Geschweifte Klammern drucken aus, dass dieeingeschlossene Symbolfolge iterativ ist und damit mehrmals hintereinanderin einem Programm auftreten darf (s. Abb. 5.27).

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208 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Abbildung 5.27. Darstellung der syntaktischen Regeln einer Programmiersprachedurch rekursive Definitionen in der

”Pfeil“-Notation und durch die Backus-Naur-

Form auf der linken Seite. Dem stehen entsprechende Syntaxdiagramme auf derrechten Seite gegenuber.

Die Semantik einer Programmiersprache wird in der Regel fur die Pro-grammierer verbal beschrieben. Ein Beispiel fur die Semantik ist die Einhal-tung von Signaturen, d.h. bei der Definition und beim Aufruf einer Funk-

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5.5 Programmiersprachen 209

tion mussen die Anzahl und die Typen der Parameter mit der Deklarationubereinstimmen.

5.5.3 Sprachgenerationen

Die Programmiersprachen konnen nach unterschiedlichen Kriterien kategori-siert werden. Hier folgt die Einteilung in Generationen:

1. Erste Generation: Hierunter versteht man die Maschinensprachen, alsodie Sprachen, welche die Hardware der Rechner direkt ohne eine vorherigeUbersetzung und ohne den Einsatz von Interpretern ausfuhren kann.

2. Zweite Generation: Die Assemblersprache entspricht strukturell den Spra-chen der ersten Generation, erleichtert den Programmierern durch dieNutzung mnemonischen Codes – das sind Klartextbezeichner fur Anwei-sungen und Speicheradressen – die Programmierung. Vor der Ausfuhrungist immer eine Ubersetzung durch einen Assembler erforderlich.

3. Dritte Generation: Die problemorientierten Programmiersprachen wer-den oft auch als hohere Programmiersprachen bezeichnet und konnen– je nach Art der Sprache und der Verfugbarkeit der Interpreter undCompiler – entweder direkt interpretiert oder mussen vorher ubersetztwerden.

4. Vierte Generation (4GL: 4th Generation Language): Programme wer-den weitgehend naturlichsprachlich geschrieben. Die erforderlichen Da-tenstrukturen und Algorithmen werden von einem Compiler und/oderInterpreter erzeugt oder ausgewahlt. Ein typischer Vertreter fur eine4GL-Sprache ist SQL, die fur Datenbankabfragen und -manipulationenverwendet wird.

Key-Value-CodingXML benutzt das so genannte Key-Value-Coding, das in Analogie zu einemWorterbuch zu jedem Schlussel einen oder mehrere zugeordnete Werte re-prasentiert. Insbesondere bedeutet dies, dass niemals ein Wert ohne einenzugehorigen Schlussel vorkommen kann. Die Existenz eines Schlussels, zudem es keinen Wert gibt, ist andererseits gestattet und kann sogar sehr sinn-voll sein. Als Erweiterung des reinen Key-Value-Codings erlaubt XML dieMehrfachnennung eines Schlussels.

Die Key-Values eines XML-Dokuments werden in Elementen zusammenge-fasst, der jeweilige Key wird als Elementname und der Value als Elementin-halt innerhalb der Elementtags 34 geschrieben. Der Elementname bildet inspitzen Klammern das Starttag, das das Element einleitet. Darauf folgt der

34 tag engl. fur auszeichnen, hervorheben. Als tag bezeichnet man hier die Zeichen-sequenz, die dem Element seinen Namen gibt.

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210 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Elementinhalt und abschließend das Endtag, das auch wieder in spitzenKlammern mit einem fuhrenden Schragstrich den Elementnamen wiederholt.

Als Inhalte von Elementen konnen weitere Elemente vorkommen. Sollbeispielsweise ein Lagerartikel, hier eine Dose Erbsen, durch XML beschrie-ben werden, dann konnte das wie folgt geschehen, wobei die Eigenschaftendes Artikels durch den Starttag <artikel> und den Endtag </artikel>begrenzt werden:

<artikel>

<ean>401234500001</ean>

<name>Erbsen</name>

<menge>850</menge>

<einheit>ml</einheit>

<verpackung>Dose</verpackung>

</artikel>

Alternativ erlaubt XML die Benutzung von Attributen, die mit den Ei-genschaften eines Elementes versehen werden. Die Werte von Attributenmussen paarweise durch Hochkommata oder Anfuhrungsstriche eingeschlos-sen werden. Hat ein Element keinen Inhalt, kann auf das Endtag verzichtetwerden, wenn als letztes Zeichen vor der schließenden spitzen Klammer einSchragstrich geschrieben wird; man spricht dann nicht mehr vom Start- undEndtag, sondern vom EmptyElementTag. Dann kann der Artikel aus obigemBeispiel wie folgt beschrieben werden:

<artikel

ean="401234500001"

name="Erbsen"

menge="850"

einheit="ml"

verpackung="Dose"

/>

Werden bei der Benennung der Elemente und deren Attribute mnemo-nische (selbsterklarende) Namen verwendet, kann mit XML eine selbstdoku-mentierende Art der Beschreibung von Datenstrukturen erreicht werden.

Obiges Beispiel des Artikelelementes fuhrt an, dass es sowohl die Moglich-keit der Benutzung von Subelementen als auch die der Bildung von Attribu-ten zu Elementen gibt. Es ist auch eine Mischung dieser beiden Verfahrenmoglich.Dies verdeutlicht das nachfolgenden Beispiel zur Beschreibung eines Kunden.Durch die Wahl selbsterklarender Element- und Attributbenennungen musses nicht weiter beschrieben werden :

<kunde anrede="Herr" name="May" vorname="Karl" kdnr="123">

<adresse typ="liefer" strasse="Iltschiweg 3"

Page 221: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

5.5 Programmiersprachen 211

ort="Dortmund" plz="44227"/>

<adresse typ="rechnung" strasse="Ntschotschi Str. 42"

ort="Dortmund" plz="44227"/>

<telefon typ="arbeit">+49-231-21282</telefon>

<telefon typ="privat">+49-231-56080</telefon>

</kunde>

Auf diese Art gebaute XML-Dokumente, also Dokumente, die zu einemElement ein Starttag und ein Endtag (in richtiger Reihenfolge und richtigerVerschachtelung) oder nur ein ElementEmptyTag haben, und bei denen so-wohl das Start- als auch das ElementEmptyTag Attribute nach obiger Artbenutzen, werden wohlgeformt oder zulassig genannt. Nachfolgend ein Bei-spiel fur ein unzulassiges XML-Dokument:

<tag1>

<tag2>

</tag1>

</tag2>

<tag3>

<tag4>

</tag3>

Allgemein kann festgestellt werden, dass richtig angewandtes XML durchdie Technik des Key-Value-Codings viele Vorteile bietet. Neben der schonerwahnten moglichen Selbstdokumentation sei besonders noch die Reihen-folgenunabhangigkeit der einzelnen Elemente (und auch die ihrer Attribute)genannt. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass optionale Felder einfachweggelassen werden konnen.

Die Syntax von XMLMit Hilfe der DTD, der Document Type Definitions oder durch die Benut-zung von Schemata lassen sich XML-Dokumente beschranken. Eine solcheBeschrankung ist wichtig zur Validierung dieser Dokumente. Wahrend dieZulassigkeit (oder Wohlgeformtheit) eines XML-Dokumentes aus seinem Auf-bau, also aus dem korrekten Umgang mit den Elementen, unabhangig von sei-nen Inhalten sofort ersichtlich ist, entscheidet das Schema oder die DTD uberdie Gultigkeit des Dokumentes durch Uberprufung der Existenz bestimmterund Nichtvorkommen anderer Elemente sowie die Einhaltung vorgeschriebe-ner Verschachtelungen.

Das nachfolgende Beispiel zeigt eine DTD fur das obige Beispiel desKundenelements. Das Element kunde setzt sich dabei aus mindestens einemadresse- und beliebig vielen telefon-Elementen zusammen, wobei adresseaus einem ElementEmptyTag und telefon aus einem Start- und einem End-tag besteht:

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212 5. Informations- und Kommunikationstechnik

<!ELEMENT kunde (adresse+,telefon*)>

<!ELEMENT adresse EMPTY>

<!ELEMENT telefon (#PCDATA)>

<!ATTLIST kunde

anrede CDATA #REQUIRED

name CDATA #REQUIRED

vorname CDATA #IMPLIED

kdnr CDATA #IMPLIED >

<!ATTLIST adresse

typ (liefer|rechnung) "rechnung"

strasse CDATA #REQUIRED

ort CDATA #REQUIRED

plz CDATA #REQUIRED >

<!ATTLIST telefon

typ (arbeit|mobil|privat) "privat" >

Bei der Benutzung von DTDs ist Vorsicht geboten. Die obige Definitionschließt nicht aus, dass telefon mit dem Attribut typ=“privat“ mehrfachinnerhalb eines Kundenelements vorkommt, oder dass telefon aus einemElementEmptyTag besteht und gar keine Nummer beinhaltet. Fur den letz-teren Fall konnte die Telefonnummer als Attribut in telefon definiert wer-den, die DTD verfugt allerdings uber keinerlei Moglichkeit, die Richtigkeiteiner Telefonnummer zu uberprufen; der Eintrag von jeder Art von Zeichen-sequenzen als Telefonnummer ware gultig.

Die automatische Prufung eingehender Dokumente auf einige Aspekte derformalen Korrektheit ist anhand von DTDs moglich, aber aufwandig. MitHilfe von Schemata konnen auch Attribute und Elementinhalte einer wei-tergehenden Prufung unterzogen werden. Bei Schnittstellen, die einen hohenDurchsatz an XML-Dokumenten leisten mussen, werden daher diese forma-len Prufungen moglicherweise nach einer Testphase von Hand optimiert oderauch ganz abgeschaltet.

Der Gewinn gegenuber proprietar vereinbarten Datenschnittstellen istdennoch enorm. Eine XML-Schnittstelle ist uber die DTD oder das Schemasehr schnell zwischen den Entwicklern einer Kommunikations-Schnittstelleausgehandelt. Ist die Beschreibung einmal verabschiedet, ist die Konformitateiner Nachricht reproduzierbar verifizierbar. Die Schnittstellen konnen ein-fach getestet und debugged35 werden, da die ubertragenen Inhalte lesbarsind.

Vielfaltigkeit durch StylesheetsDas in Abschn. 5.5.3 aufgezeigte Beispiel fur kunde konnte innerhalb ei-nes neuen Elements bestellung durch das Hinzufugen eines weiteren Ele-

35 debugging engl. fur Fehlersuche; Fehler werden in der Fachsprache auch Buggenannt.

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5.5 Programmiersprachen 213

mentes orderItem in eine Bestellung uberfuhrt werden. Das neue ElementorderItem baut dabei auf dem in Abschn. 5.5.3 vorgestellten artikel aufund erweitert diesen um preis und anzahl. Die zugehorige DTD sieht dannwie folgt aus:

<!ELEMENT bestellung (kunde,orderItem+)>

<!ELEMENT kunde ... >

<!ATTLIST kunde ... >

<!ELEMENT orderItem EMPTY>

<!ATTLIST orderItem ean CDATA #REQUIRED

name CDATA #REQUIRED

menge CDATA #REQUIRED

einheit CDATA #REQUIRED

verpackung CDATA #REQUIRED

preis CDATA #REQUIRED

anzahl CDATA #REQUIRED >

Mittels obiger DTD konnen nun XML-Dokumente vom Typ bestellung

validiert werden. Das nachfolgende Beispiel zeigt ein wohlgeformtes undgultiges XML-Dokument zu dieser DTD:

<bestellung>

<kunde anrede="Frau" name="Marple" vorname="Jane"

kdnr="0042">

<adresse typ="rechnung" strasse="Quimperweg 42"

ort="Paddington" plz="1650" />

</kunde>

<orderItem ean="401234500001" name="Erbsen"

verpackung="Dose" einheit="ml"

menge="850" preis="0,74" anzahl="03" />

</bestellung>

Eine in XML formulierte Bestellung kann durch den Prozessor unter Zu-hilfenahme eines geeigneten Stylesheets in ein anderes Format konvertiertwerden. Das Ausgabeformat wird ausschließlich durch den Inhalt des Styles-heets bestimmt, so dass durch den Einsatz unterschiedlicher Stylesheets mitdem gleichem Prozessor und den gleichen Eingabedaten verschiedene Ergeb-nisse erzielt werden.

Abbildung 5.28 zeigt beispielhaft zwei unterschiedliche Formatierungeneiner Bestellung. Wahrend der Prozessor durch das Stylesheet 1 das XML-Dokument der Bestellung in ein SQL-Statement zur weiteren Verarbeitungfur die Datenbank konvertiert, wandelt der gleiche Prozessor (oder ein ande-rer) das XML-Dokument in eine HTML-Datei um, die durch einen Browserdargestellt werden kann.

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214 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Abbildung 5.28. Konvertierung eines XML-Dokumentes durch Einsatz von Style-sheets.

5.6 Sicherheitsaspekte

Sobald ein Austausch schutzenswerter Daten uber Rechnernetze erfolgt,mussen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Ziele sind die Sicherungder Vertraulichkeit, der Integritat der Daten, der Zurechenbarkeit der Datenzu einem Erzeuger oder Absender sowie die Verfugbarkeit der Daten. DieSchutzmechanismen mussen sowohl gegen die Auswirkungen zufalliger Ereig-nisse als auch gegen gezielte Angriffe wirksam sein. Kryptographie ist bei derSicherung der Vertraulichkeit, Integritat und Zurechenbarkeit das wichtigsteHilfsmittel.

Fur die Verfugbarkeit sind Diversitat und Verteiltheit – beide Ziele sindu. a. durch den Einsatz von Sicherungskopien (s. Abschn. 5.2.4) erreichbar –sowie Fehlertoleranz die wichtigsten Mechanismen [81].

Neben dem Inhalt einer Kommunikation konnen die Kommunikations-umstande ebenfalls schutzenswert sein. Die wichtigsten Aspekte sind Ano-nymitat und Unbeobachtbarkeit der Kommunikationspartner. Das konnenPersonen, aber auch Rechner, Programme oder Betriebssystemprozesse sein.Die Anfertigung von Kommunikationsprofilen liefert Rohdaten, aus denenauch ohne oder mit nur partieller Kenntnis der Kommunikationsinhalte aufLagerbewegungen, Kundenverhalten oder Umsatzzahlen geschlossen werdenkann.

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5.6 Sicherheitsaspekte 215

Insbesondere raumlich verteilte WMS und/oder WMS in Netzwerkum-gebungen sind potenziell gefahrdet. E-Commerce-Systeme sind auf Abrech-nungsverfahren angewiesen, deren Qualitatsmerkmal Sicherheit eine entschei-dende Rolle spielt. Am Beispiel eines E-Mail-Austausches werden in den fol-genden Abschnitten die Prinzipien beschrieben. Sie konnen leicht auf andereSzenarien in verteilten Applikationen ubertragen werden.

5.6.1 Geheimhaltung

Die Geheimhaltung von Nachrichten auf ihren Ubertragungswegen hat ei-ne jahrtausendelange Tradition. In jungster Zeit wurden grundlegend neueVerfahren entwickelt, die sich auch fur hohe Sicherheitsanforderungen eignen.

Sowohl die Geheimhaltung als auch die anderen Sicherheitsaspekte be-ruhen auf Verschlusselung. Das Grundprinzip aller Verschlusselungen ba-siert auf jeweils einem Algorithmus zur Verschlusselung (Encryption) undzur Entschlusselung (Decryption) unter Nutzung von Schlusseln (Keys) (s.Abb. 5.29). Die Algorithmen und der Aufbau der Schlussel konnen sehr unter-schiedlich sein. Die Sicherheit der Verschlusselung sollte aber in allen Fallendurch die Sicherheit der Schlussel und nicht durch die der Algorithmen be-grundet sein. Die Nachricht M (Message) wird unter Nutzung des SchlusselsK (Key) durch die Verschlusselungsfunktion E36 in die chiffrierte NachrichtMK ubersetzt.

E(K, M) → MK

Symmetrische oder geheime Verschlusselungsverfahren setzen den glei-chen Schlussel fur die Ver- und Entschlusselung ein. Das Hauptproblemdieses Verfahrens besteht in einem sicheren Schlusselaustausch. Sender undEmpfanger benotigen hierzu einen getrennten Ubertragungskanal, da der furden Nachrichtenaustausch genutzte Kanal ohne Verschlusselung vorausset-zungsgemaß unsicher ist. Eine Ubertragung in mehreren Teilen – moglichstuber unterschiedliche Kanale – erhoht die Sicherheit.

Die Entschlusselung erfolgt uber eine inverse Funktion E−1, die mit Hilfedes gleichen Schlussels K die chiffrierte Nachricht MK in den Klartext Mubersetzt37.

E−1(K, MK) → M

oder:E−1(K, E(K, M)) = M

Wegen des aufwandigen Schlusselaustausches werden diese Verfahren denAnforderungen der elektronischen Kommunikation nicht mehr gerecht.

36E steht symbolisch fur encryption.

37 Die Funktionen E und E−1 konnen auch identisch sein. Ein Beispiel ist die

bitweise XOR-Verknupfung der Nachricht mit dem Schlussel.

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216 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Übertragungskanal

Klartext

Von ABC

AnFa. XYZ

Bestellung

500 Schrauben M3 € 10,23250 Muttern M8 € 4,22---------------------------------------Auftragswert € 14,45======================

Lieferstermin 12.Nov. 2003

Klartext

Von ABC

AnFa. XYZ

Bestellung

500 Schrauben M3 € 10,23250 Muttern M8 € 4,22---------------------------------------Auftragswert € 14,45======================

Lieferstermin 12.Nov. 2003

Von ABC

AnFa. XYZ

Bestellung

500 Schrauben M3 € 10,23250 Muttern M8 € 4,22---------------------------------------Auftragswert € 14,45======================

Lieferstermin 12.Nov. 2003

Geheimtext

Von ABC

AnFa. XYZ

Bestellung

500 Schrauben M3 € 10,23250 Muttern M8 € 4,22---------------------------------------Auftragswert € 14,45======================

Lieferstermin 12.Nov. 2003

Geheimtext

Sender Empfänger

Schlüssel e Schlüssel d

Algorithmuse Algorithmusd

Abbildung 5.29. Grundprinzip der Verschlusselung

Unsymmetrische Verschlusselungsverfahren oder Verschlusselungsverfah-ren mit offentlichen Schlusseln (public key) arbeiten mit unterschiedlichenSchlusseln fur die Ver- und Entschlusselung. Diese Verfahren unterscheidenzwischen einem Schlussel Ke, der auf der Senderseite, und einem SchlusselKd, der auf der Empfangerseite bekannt sein muss (s. [77]). Die Funktion zurVerschlusselung E unterscheidet sich von der Funktion zur EntschlusselungD.

D(Kd, E(Ke, M)) = M

Die Problematik des Schlusselaustausches entfallt, da aus der Kenntnisvon Ke nicht – mit einem praktikabel realisierbaren Aufwand – auf Kd ge-schlossen werden kann. Ein einfaches Beispiel ist ein Verfahren, das auf derZerlegung einer ganzen Zahl in ihre Primfaktoren beruht: Wahrend die Be-rechnung des Produktes der Primfaktoren leicht moglich ist, ist der um-gekehrte Weg zwar moglich, aber mit einem erheblich hoheren Aufwandverbunden38. Dieser Aufwand ist von der Große der Zahl – also von derSchlussellange – abhangig. Der Empfanger erzeugt ein Schlusselpaar (Ke,

38 Jede naturliche Zahl n kann als Potenz von Primzahlen P dargestellt werden:n =

k

i=1P

ei

i; z. B. 1024 = 210, 7007 = 72 × 111 × 131

Die Zerlegung in Primzahlen wird bei großen Zahlen sehr aufwandig.

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5.6 Sicherheitsaspekte 217

Kd). Der private oder geheime Schlussel Kd bleibt im alleinigen Besitz desEmpfangers, wahrend der offentliche Schlussel Ke allen potenziellen Sendernzuganglich gemacht wird. Das erklart auch die oft verwendete BezeichnungPublic Key System. Der Sender verschlusselt seine Nachricht nun mit demoffentlich zuganglichen Schlussel, sendet diese chiffrierte Nachricht durch denUbertragungskanal an den Empfanger, der mit Hilfe des privaten Schlusselswieder den Klartext erzeugt.

Praktische Verfahren unterscheiden sich im Algorithmus, in der Schlussel-lange und im Verfahren der Schlusselverteilung. Ein Beispiel ist das RSA-Verfahren (von Rivest, Shamir und Adelman), das auf der oben erwahntenPrimzahlzerlegung basiert (s. [81]). Die Lange des Schlussels ist unabhangigvom Algorithmus und bestimmt das Maß der erreichten Sicherheit. Fur heutegebrauchliche Schlussel mit 128 Bit Lange benotigt ein leistungsfahiger Rech-ner mehrere Monate zur Primzahlzerlegung. Umgekehrt kann das Produktder Primfaktoren mit wenigen Multiplikationen berechnet werden. Prinzipiellist es moglich, KE aus KD zu berechnen. Der Aufwand hierzu – insbesonde-re die erforderliche Zeit – wachst jedoch exponentiell mit der Schlussellange,so dass hinreichend lange Schlussel immer die geforderte Sicherheit geben.Die Verteilung der offentlichen Schlussel kann auf direktem Weg vom Sen-der zum Empfanger durch unsichere Ubertragungskanale oder durch eineVeroffentlichung uber zentrale Dienste erfolgen. Die unsymmetrischen Ver-fahren haben sich auf dem gesamten Gebiet der Sicherheitstechnik in offenenSystemen durchgesetzt.

5.6.2 Integritatssicherung

Eine Nachricht darf auf dem Weg vom Sender zum Empfanger nicht durchDritte verfalscht werden. Diese Integritatssicherung schutzt vor den AngriffenDritter. Beispielsweise konnten Bestellmengen, die letztlich in einem WMSzu Auslagerungen fuhren, auf dem Ubertragungsweg geandert werden. DieFolge konnte die Auslieferung des gesamten Bestandes sein, der dann furzukunftige Auftrage anderer Kunden – bis zur Klarung des Vorfalles undeinem eventuellen Rucktransport – nicht mehr verfugbar ware.

Das Ziel der Integritatssicherung kann durch den Einsatz von Verschlusse-lungsverfahren erreicht werden. In einem System mit symmetrischen Schlus-seln muss der Angreifer sowohl zum Lesen als auch zum Andern der Nachrichtuber den geheimen Schlussel verfugen. Beim Einsatz unsymmetrischer Ver-fahren muss der Angreifer uber den geheimen und den offentlichen Schlusseldes Empfangers verfugen.

5.6.3 Authentifizierung

Die Integritat einer Nachricht kann durch den Einsatz von Verschlusselunggesichert werden. Beim Einsatz unsymmetrischer Schlussel kann Jeder mit

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218 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Hilfe des offentlichen Schlussels eine Nachricht an dessen Eigentumer absetzenund sich als jemand Anderes ausgeben. Beispielsweise ist es leicht moglich,Bestellungen im Namen anderer Kunden an einen Lieferanten abzusetzen.Der Lieferant muss sich aber darauf verlassen konnen, dass der Absenderder Bestellung mit dem in der Bestellung Angefuhrten identisch ist. DiesesProblem der Authentifizierung kann ebenfalls durch den Einsatz unsymme-trischer Schlussel gelost werden. Es existiert eine Vielzahl von Authentifikati-onsprotokollen (s. [55]), die entweder eine zentrale, vertrauenswurdige Instanzoder die gegenseitige Kenntnis der offentlichen Schlussel voraussetzen.

Fur den zweiten Fall folgt ein einfaches Beispiel mit den TeilnehmernA und B. A mochte mit B kommunizieren und fur die Dauer der Verbin-dung einen Sitzungsschlussel KS vereinbaren. Dieser Sitzungsschlussel mussnaturlich uber einen sicheren Kanal ausgetauscht werden. Hierzu wird furjeden Teilnehmer ein unsymmetrisches Schlusselpaar (KEA, KDA) fur A und(KEB, KDB) fur B genutzt. Der Sitzungsschlussel ist nach dieser Authentifi-zierungsprozedur nur den beiden Teilnehmern bekannt, die nun ein symme-trisches Verfahren mit diesem Schlussel einsetzen. Der Vorteil liegt in denwesentlich schnelleren Algorithmen, die bei symmetrischen Verfahren einge-setzt werden.

1. A wahlt eine Zufallszahl RA, verschlusselt diese mit dem offentlichenSchlussel KEB von B. Das Resultat E(KEB, RA) sendet A an B.

2. B entschlusselt die Nachricht mit seinem geheimen Schlussel KDA.3. Da nur der Besitzer dieses Schlussels in der Lage ist, die Nachricht zu

decodieren, wird die von A gewahlte Zufallszahl zum”Beweis“ an A

zuruckgesendet. Zusatzlich erzeugt B nun ebenfalls eine Zufallszahl undeinen Sitzungsschlussel. B verschlusselt also nun die empfangene Zufalls-zahl RA, die selbst erzeugte RB und den Sitzungsschlussel KS mit demoffentlichen Schlussel KEA von A. Das Resultat E(KEa, (RA, RB, KS))sendet der Teilnehmer B an A.

4. A entschlusselt die Nachricht mit seinem geheimen Schlussel. Wenndie empfangene Zufallszahl RA mit der in Schritt 1 gesendeten Zahlubereinstimmt, vertraut er B und die Prozedur kann fortgesetzt werden.Im anderen Fall wird sie abgebrochen.

5. A arbeitet nun mit dem von B empfangenen Sitzungsschlussel KS. Erverschlusselt die von B erzeugte Zufallszahl mit dem Sitzungsschlussel.Das Resultat E(KS , RB) sendet er an B.

6. B entschlusselt die empfangene Nachricht mit dem zuvor gesendeten Sit-zungsschlussel. Wenn die so decodierte Zufallszahl RB mit der in Schritt 3erzeugten Zahl ubereinstimmt, vertraut er auch A und die Kommunika-tion kann beginnen.

Dieses Verfahren setzt die Kenntnis des offentlichen Schlussels des je-weils anderen Kommunikationspartners, insbesondere eine vertrauenswurdigeZuordnung des Schlussels zum Teilnehmer, voraus. Fur die Verwaltung

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5.6 Sicherheitsaspekte 219

offentlicher Schlussel existieren Trustcenter, welche fur diese Vertrauenswur-digkeit einstehen.

Eine Alternative sind logische Netzwerke, welche dezentral ein Maß furdie Vertrauenswurdigkeit berechnen. Wenn A dem KommunikationspartnerB vertraut und B vertraut C, dann vertraut A auch dem Teilnehmer C, jedochin einem etwas geringeren Maße. So kann in einem Kommunikationsnetz dieVertrauenswurdigkeit der Teilnehmer dynamisch propagiert werden.

5.6.4 Echtheitsnachweis und elektronische Signatur

Sowohl fur den Absender einer Nachricht als auch fur den Empfanger kann eswichtig sein, ihre Echtheit zu beweisen. Hier wird ebenfalls das grundsatzlichePrinzip eines Verfahrens, das auf unsymmetrischen Schlusseln basiert, vor-gestellt. Die Voraussetzung fur das hier vorgestellte Verfahren ist, das außerder oben beschriebenen Eigenschaft D(Kd, E(Ke, M)) = M das Prinzip auchmit

”vertauschten“ Schlusseln moglich ist:

E(Ke, D(Kd, M)) = M

Mit dem privaten Schlussel codierte Nachrichten konnen also mit demoffentlichen Schlussel des Senders decodiert werden. Unter dieser Vorausset-zung wird die Nachricht beim Sender zunachst mit seinem geheimen Schlusselcodiert und anschließend mit dem offentlichen Schlussel des Empfangers co-diert. Die chiffrierte Nachricht kann in der ersten Stufe nur vom Empfangermit seinem privaten Schlussel decodiert werden. In der zweiten Stufe deco-diert der Empfanger nun mit dem offentlichen Schlussel des Senders. Da nurder Sender uber den zugehorigen Schlussel verfugt, kann auch nur er dieseNachricht erstellt haben und er kann sowohl die Existenz als auch den Inhaltder Nachricht nicht leugnen. Der Empfanger kann ebenfalls den Inhalt nichtnachtraglich andern, da der Sender im Konfliktfall als Beweis die von ihmmit seinem privaten Schlussel codierte Nachricht verlangen kann. Diese kannder Empfanger mangels Schlussel nicht manipulieren. Abbildung 5.30 zeigtdas grundsatzliche Verfahren.

Da der Aufwand fur diese zweistufige Verschlusselung sehr hoch ist, exis-tieren fur den praktischen Einsatz schnellere Verfahren, die jedoch auf diesemPrinzip basieren. Auch diese Verfahren setzen die gegenseitige Kenntnis deroffentlichen Schlussel und das Vertrauen in ihre Korrektheit voraus.

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220 5. Informations- und Kommunikationstechnik

Übertragungskanal

Sender Empfänger

privaterSchlüssel

privaterSchlüssel

öffentlicherSchlüssel

öffentlicherSchlüssel

Klartext signierterText

signierterText

KlartextGeheimtext Geheimtext

Algorithmuse Algorithmuse AlgorithmusdAlgorithmusd

Abbildung 5.30. Grundprinzip der Signierung eines Dokumentes mit anschließen-der Verschlusselung

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6. Softwareengineering

Das Softwareengineering, oder auch auf Deutsch die Softwaretechnik, befasstsich mit der Herstellung von Software. Dabei kommen ingenieurmaßige Me-thoden und Prinzipien zum Einsatz, um ein gegebenes Ziel zu erreichen.

Die Ziele eines Warehouse Managementsystems (WMS) werden z. B. imRahmen einer Anforderungsspezifikation oder eines Pflichtenheftes festgelegt.Zunehmend seltener werden WMS komplett neu entwickelt. Um ein WMSjedoch fur einen konkreten Anwendungsfall zu rusten, reichen oft die reinenKonfigurationsmoglichkeiten eines gegebenen WMS nicht aus. Teile oder Mo-dule der Software mussen erganzt oder neu geschrieben werden. Vor diesemHintergrund werden im Rahmen dieses Buches einige wichtige Aspekte desSoftwareengineering zusammengefasst.

Die Begriffswelt in der Informationstechnologie und ganz besonders in derSoftwaretechnik ist nicht einheitlich. Die hier vorgestellten Begriffe werdenin zahlreichen Werbeaussagen und Produktprasentationen auf ganz unter-schiedliche Art verwendet. Wahrend Software das inharente Problem hat,einem potenziellen Kunden gegenuber nicht darstellbar zu sein, scheinen um-gekehrt die Begriffe, mit denen Softwareeigenschaften beschrieben werden,zu unscharf definiert zu sein, so dass deren Verwendung mitunter obskur ist.Der folgende Text soll daher auch ein Verstandnis fur die von IT-Fachleutenoft und gern benutzten Fachbegriffe schaffen.

6.1 Softwarearchitekturen

Architektur beschreibt im weitesten Sinne die Struktur einer Konstruktion.Eine Softwarearchitektur beschreibt, wie die einzelnen Softwareteile unter-einander koordiniert sind und welche Aufgabenteilung zwischen ihnen be-steht. Die Wahl einer Architektur fur ein Softwaresystem ist fur die weiterenTatigkeiten in einem Softwareprojekt grundlegend.

Dieses Kapitel beschreibt vier typische Architektur-Konzepte. Die ein-zelnen Konzepte konnen dabei durchaus miteinander kombiniert werden, umden jeweiligen Vorteil eines Konzeptes zu nutzen. Grundsatzlich sagt die Wahlder Softwarearchitektur nichts uber die Qualitat einer Software aus.

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222 6. Softwareengineering

Zu vernachlassigen ist die Wahl einer Architektur in Bezug auf die zuerreichenden Ziele aber nicht. Es folgt eine Auswahl typischer Kriterien, diebei der Wahl einer Softwarearchitektur berucksichtigt werden sollten:

• beteiligte Systemkomponenten(z. B. Betriebssystem, Datenbank, Massenspeicher)

• benachbarte Systeme(z. B. Warenwirtschaft, Webshop, Produktionsplanung)

• Leistungsfahigkeit(z. B. Speicherverbrauch, Antwortzeiten, Operationen pro Zeiteinheit)

• Entwicklungsdauer und Entwicklungsaufwand• Anzahl und Kompetenzen der Entwickler und Systembetreuer• Wartungsfreundlichkeit und Betriebsaufwand• Nachvollziehbarkeit des operativen Betriebs der Software• Robustheit bei Fehlbedienung• Integritat

(z. B. Qualitat und Fehlerfreiheit der Daten, Algorithmen und Prozesse)• Wiederverwendbarkeit der Software• Erweiterungsfahigkeit der Software

(z. B. in Bezug auf erweiterte Nutzung oder neue Prozesse und Algorith-men)

Architektur-Konzepte, die im folgenden beschrieben werden, sind• monolithische Architektur,• Modularisierung der Software,• Prinzip der Schichtung,• Verteilung der Applikation.

Alle hier vorgestellten Architekturkonzepte werden durch geeignete Kon-figurationmechanismen an den jeweiligen Betriebsfall angepasst. Die hiergewahlte Zusammenstellung ist eine Auswahl praxisrelevanter Konzepte. Inder Informatik sind daruber hinaus weit tiefere Betrachtungen uber Architek-turmuster, Entwurfsmuster, Idiome, Pattern und andere Konzepte zu finden.Bei der getroffenen Auswahl liegt der Fokus auf dem Kontext WarehouseManagement.

6.1.1 Monolithische Architektur

Der Begriff Monolith ruhrt vom griechischen Begriff monolithos her, demStein aus einem Stuck. Die monolithische Softwarearchitektur bezeichnetSoftwaresysteme, deren Strukturen eng verzahnt sind und in denen nebendem großen Ganzen keine einzelnen Teile mehr erkennbar sind.

In der Evolutions-Geschichte der Softwaretechnik sind die monolithischenSysteme die Einzeller unter den Softwaresystemen. Samtliche Funktionen der

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6.1 Softwarearchitekturen 223

Software sind in einem einzigen Block vereint. Zum Beispiel sind Bediener-schnittstelle, fachliche Algorithmen, Datenspeicherung und Datenkommuni-kation miteinander vereint. Arbeitsteilung ist fur monolithische Systeme nurbei Parallelisierbarkeit1 einer ganzen Aufgabe denkbar. Die Teillosung vonAufgaben durch das System ist nicht erkennbar.

Der großte Nachteil monolithischer Architekturen ist deren schlechteWartbarkeit. Dieser Nachteil ist so gravierend, da mit Zunahme der Großeeines Projektes das Projekt uberproportional aufwandig wird. Wenn mehrereEntwickler gleichzeitig ein monolithisches System entwickeln, ist mit hohenKommunikationsaufwanden zu rechnen, da die nicht vorhandene Abgrenzunginnerhalb der Software auch keine einfache Arbeitsteilung der beteiligten Ent-wickler zulasst.

Typisch fur eine monolithische Architektur ist, dass sie Aufgaben als Gan-zes erfullt, die prinzipiell auch in mehrere Teilaufgaben hatten zerlegt werdenkonnen. Dennoch hat auch diese Form der Softwarearchitektur Vorteile:

Optimierung In einer monolithischen Software besitzen alle Regionen einerSoftware gleichberechtigten Zugriff auf die Daten anderer Regionen. Mitdiesen verhaltnismaßig einfach zu beschaffenden Informationen konnenleistungsfahige Optimierungen entwickelt werden.

Performance In einem monolithischen System sind die Wege zur Beschaf-fung von Informationen kurz. Dies kann sich der Entwickler zunutze ma-chen und durch den direkten Zugriff auf Informationen die sonst notwen-digen Wege durch die Instanzen vermeiden.

Durch immer schnellere Hardware, die schlechte Performance kompen-siert, sowie immer großere Projekte, deren Kontrollierbarkeit entscheidendist, sind monolithische Systeme heute keine ernsthafte Option mehr. Mono-lithische Architekturen sollten heute, wenn uberhaupt noch, als eine schnelleLosung2 mit begrenzter Haltbarkeit angesehen werden. Die nachste logischeEntwicklungsstufe ist die Modularisierung von Software.

6.1.2 Modularisierung

Ein Modul stellt einen Teil eines großeren Ganzen dar. Bei der Modularisie-rung von Softwaresystemen werden einzelne Aufgabenbereiche eingegrenzt,die durch jeweils eine unabhangige Software, das Softwaremodul, bearbeitetwerden. In einem großeren Softwaresystem konnen Module auch funktionaleGebiete umfassen. Beispielsweise konnen in der Unternehmens-IT das Ware-house Managementsystem, das Warenwirtschaftssystem und die Produkti-onsplanung als Module einer Gesamtlosung bezeichnet werden. Die einzelnen

1 Die gleichzeitige Bearbeitung mehrerer Aufgaben: Anstelle eines Rechners, derbeispielsweise zehn gleiche Aufgaben lost, werden funf Rechner eingesetzt, diejeweils zwei Aufgaben losen.

2 Schnelle Losungen werden auch oft als Quick Hack oder quick and dirty bezeich-net.

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224 6. Softwareengineering

Systeme wiederum konnen weiter in Module unterteilt werden. So konnendie einzelnen Prozesse eines Warehouse Managementsystems, wie z. B. derWareneingang, der innerbetriebliche Transport oder die Inventur, als eigeneModule angesehen werden.

Bezeichnend fur ein Modul ist, dass es seine abgegrenzte betriebliche Auf-gabe im Unternehmen erfullt. Technische Aufgaben wie Datenhaltung, Be-nutzerschnittstelle und Kommunikation sind im Modul vereint.

Ein enger gefasster Modul-Begriff in der Softwaretechnik ist der der Kom-ponente. Komponenten haben eine definierte, also wohlbekannte Schnittstel-le, und deren Verhalten ist ebenso wohlbekannt. Bei einer Komponente iststreng spezifiziert, welche Daten in sie hinein gelangen und welche Daten alsResultat herauskommen.

Ein Beispiel: Eine”Kuchendiagramm“-Komponente dient zur Anzeige in

einer Desktop-Applikation3. Sie dient in einem Kundenauftragsmodul desWarenwirtschaftssystems dazu, aus den vorhandenen Daten einen Uberblickuber die bearbeiteten, unbearbeiteten und fehlerhaft bearbeiteten Auftragezu generieren. Die eingehenden Daten sind exakt spezifiziert und die Ausgabeist die grafische Darstellung dieser Daten in einem Fenster. Die Komponentekonnte in gleicher Weise zur Anzeige von Wahlergebnissen bei Bundestags-wahlen eingesetzt werden.

Komponenten und Module haben grundsatzlich das Potenzial, eine Unter-nehmens-IT aufwandsarm aus einem Baukastensystem zu komponieren. Die-ses Ideal wird seit geraumer Zeit verfolgt, aber nicht immer erreicht. Zwarwerden oft Module und Komponenten eingesetzt. In der Regel mussen sie je-doch zumindest konfiguriert, teilweise auch verandert oder erweitert werden.

6.1.3 Schichtung

Die Schichtung beschreibt die Einfuhrung von technischen oder auch geschaft-lichen Ebenen (Layer) in ein Softwaresystem. Ein neuerer Terminus furSchichtung ist auch die englische Vokabel Stack, also Stapel4, oder in Verbin-dung mit der Anzahl der n Schichten innerhalb einer Applikation das n-Tier5

Modell.Die Merkmale einer Schichtung sind:

• Eine Schicht kommuniziert ausschließlich mit ihren Nachbarschichten. DasUberspringen einer Schicht ist nicht moglich. Andere als die benachbartenSchichten sind transparent, also unsichtbar.

3 ein Programm, welches z. B. unter Windows ausgefuhrt wird und ein mit derMaus und der Tastatur bedienbares Fenster offnet

4 Ein Stack oder Stapel in der Informatik ist zudem eine Last-In-First-Out (LIFO)Datenstruktur, bei der immer nur das zuletzt aufgelegte Element betrachtet undwieder entnommen werden kann.

5 engl. fur Schicht, Etage oder Stufe

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6.1 Softwarearchitekturen 225

• Jede Schicht ubernimmt ihre Aufgabe autonom. Angrenzende Schichtenbenotigen keine Informationen zur Implementierung einer Schicht, um siezu nutzen. Die Implementierung einer Schicht kann durch eine andereImplementierung ersetzt werden, ohne benachbarte Schichten andern zumussen.

Die folgenden Beispiele verdeutlichen das Konzept der Schichtung:

AutomatisierungspyramideSpeziell auf den Bereich der Materialflussautomatisierung zugeschnitten istdas Ebenenmodell fur Materialflusssteuerungen nach VDMA 15276 [76]. Esdefiniert die folgenden Ebenen, angefangen bei der Warenwirtschaft bis hin-unter zum Aktor und Sensor:

Warenwirtschafts-/Produktionsplanungssystem (WWS, PPS) Hierwird das IT-Modell der wirtschaftlichen Gegebenheiten und Prozesse ei-nes Betriebes dargestellt.

Lagerverwaltung Es werden Orte, Bereiche, Topologie und Belegung ver-waltet. Die Prozesse im Lager werden organisiert. Die Lagerverwaltungstellt ein IT-Modell der notwendigen technischen Gegebenheiten und Pro-zesse in einem Lager dar.

Darstellung und Kommunikation Diese Schicht ist eine Zwischenschicht,die die Daten der Subsystemsteuerungen konzentriert und darstellt sowieals Kommunikations-Schnittstelle zu den uberlagerten Systemen dient.

Subsystemsteuerung Die Subsystemsteuerung fasst die zu steuernden Be-reiche zusammen und koordiniert diese entsprechend den Vorgaben derLagerverwaltung.

Bereichssteuerung Die Bereichssteuerung fasst bereichsweise die zu steu-ernden Elemente zusammen und koordiniert diese entsprechend den Vor-gaben der Subsystemsteuerung.

Elementsteuerung Die Elementsteuerung verarbeitet die eingehenden Sen-sordaten und steuert die Aktoren entsprechend den Vorgaben der Be-reichssteuerung.

Antriebe und Geber (auch als die Feldebene bezeichnet) Sensoren wiez.B. Lichtschranken oder Lichttaster sowie Aktoren wie z. B. Forderband-segmente, Weichen oder Abschieber werden uber direkte Verkabelungoder Feldbussysteme angebunden.

Dieses Ebenenmodell wird oft den Anforderungen entsprechend variiertund grafisch als Automatisierungspyramide dargestellt. Ein weiteres Beispielfur geschichtete Systeme ist das OSI-Modell (siehe Abschn. 5.1.1).

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226 6. Softwareengineering

Abbildung 6.1. Automatisierungspyramide

6.1.4 Verteilte Systeme

Ein verteiltes System ist eine Menge unabhangiger Computer, die sich ihremBenutzer als ein einziges, koharentes System darstellen [56]. Das verteilte Sy-stem besitzt keinen zentralen Speicher und keine gemeinsamen Datenobjekte.Die einzelnen Prozesse eines verteilten Systems konnen lediglich durch denAustausch von Nachrichten miteinander interagieren.

Typische Auspragungen von verteilten Systemen sind

• Client-Server und• verteilte Anwendungen.

Das Client-Server-Konzept ist hierarchisch. Ein meist zentraler Server bie-tet Dienstleistungen an, derer sich einer oder mehrere Clients bedienen. Esexistiert eine Aufgabenteilung in Client-Aufgaben6 und Server-Aufgaben7.

Bei einer verteilten Anwendung dagegen sind die ansonsten im Serverabgewickelten Aufgaben auf die verschiedenen Knoten des Systems verteilt.

6 z. B. Benutzeroberflachen oder Schnittstellen zu unter- oder uberlagerten Syste-men.

7 z. B. Sicherung der Integritat und der Geschaftsregeln, Datenbankoperationenund Datenspeicherung, Datenauswertung u. s. w.

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6.1 Softwarearchitekturen 227

Ziel des verteilten Systems ist die Moglichkeit, Aufgaben nebenlaufig abzu-arbeiten oder Redundanz und damit Ausfallsicherheit zu schaffen. VerteilteSysteme konnen damit Vorteile bei der Skalierbarkeit bieten: Durch den Ein-satz weiterer Knoten kann die Gesamtleistung des Systems erhoht werden.Verteilte Systeme sind gegenuber ihren Anwendern transparent, das heißt,sie verhalten sich wie ein einzelnes, geschlossenes System. Verteilte Systemesind grundsatzlich mit einem Mehraufwand behaftet, der durch die Verteilungselbst entsteht:

• Die Verteilung der Aufgaben muss koordiniert werden, was zusatzlicherorganisatorischer Leistungen bedarf.

• Die Verteilung erfordert die Ubertragung von Nachrichten zu den einzelnenverteilten Knoten. Die Ergebnisse mussen zuruck ubertragen werden.

Breite Bekanntheit hat ein verteiltes System namens BOINC 8, welchesdie Rechenleistung beispielsweise fur das SETI@home-Project9 koordiniert.Mit der Installation der BOINC-Software auf einem am Internet angeschlos-senen PC kann dieser zur Losung von rechnerischen Aufgaben beitragen.Dabei werden die Zeiten genutzt, in denen der Nutzer selbst seinen PC nichtbeansprucht10.

Ein Bindeglied zwischen Client-Server-Systemen und verteilten Systemensind Cluster. Ein Cluster besteht aus mehreren miteinander vernetzten Rech-nern. Cluster haben typischerweise die folgenden, zunachst divergierendenZielsetzungen:

Hochverfugbarkeit Ein Gesamtsystem soll gegen Ausfall geschutzt wer-den. Der Ausfall einzelner Knoten gefahrdet nicht die Verfugbarkeit desGesamtsystems.

Lastverteilung Eine zu bewaltigende Last soll nach bestimmten Kriterienauf vorhandene Ressourcen verteilt werden11.

Hochleistung Durch die Implementierung als Cluster soll eine moglichsthohe Gesamtleistung erzielt werden.

Im Rahmen der Softwarearchitektur von Warehouse Managementsyste-men ist zu beachten, dass sowohl die Leistung als auch die Verfugbarkeitvon Computersystemen relevante Großen sind. Der Ausfall eines WarehouseManagementsystems bei einem großen Versandhandel, uber wenige Stundenin der Vorweihnachtszeit, kann sich bis in die Jahresbilanz des Unternehmensnegativ auswirken. Wenn ein Warehouse Managementsystem auf Spitzenlas-ten mit Leistungseinbruchen reagiert und die Prozesse im Lager dadurch

8 s. auch http://www.boinc.de/9 s. auch http://setiathome.ssl.berkeley.edu/

10 Die Zeiten, in denen ein Rechner nichts zu tun hat, werden idle genannt. DieseZeiten konnen von wartenden und niedrig priorisierten Prozessen genutzt werden.

11 z. B. gleiches/angemessenes Lastniveau auf beteiligten Knoten oder Einsparungvon nicht benotigten Ressourcen.

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228 6. Softwareengineering

verlangsamt werden, kann auch dies erheblichen Einfluss auf die Ergebnisseeines Unternehmens haben.

Einige Warehouse Managementsysteme gehen aus diesen Grunden denWeg der Verteilung. Im einfachsten Fall handelt es sich um zwei redundanteRechner, wobei im Schadensfall nach manueller oder automatischer Umschal-tung einer der beiden die Operationen des jeweils anderen ubernehmen kann.Die jederzeitige Ubernahmebereitschaft sowie die automatische Ubernahmeder operativen Prozesse wird auch Hot Standby genannt, die Bereitstellunglediglich einer redundanten Infrastruktur mit manueller Umschaltung ColdStandby.

Die Variantenvielfalt von Last- und Ausfallszenarien ist nahezu uner-schopflich. Ohne entsprechende Erfahrungen auf diesem Gebiet haben Vor-sorgemaßnahmen nicht immer den gewunschten Erfolg. Somit ist gesteigerterWert auf den praktischen Test der Vorsorgemaßnahmen zu legen, wobei dastatsachliche Verhalten des Systems bei Ausfall einzelner Komponenten beob-achtet wird und die koordinierte Instandsetzung trainiert wird.

Verteilte Systeme sind bei der zeitgemaßen Unternehmens-IT praktischnicht entbehrlich. Zum einen legen die oben genannten Grunde nahe, dass dieeinzelnen Systeme einer Unternehmens-IT moglichst zuverlassig ihren Dienstversehen. Zum anderen gilt es haufig, unterschiedliche Softwareprodukte wiebeispielsweise ein PPS und ein WMS miteinander zu koppeln, so dass einverteiltes System entsteht. Diese miteinander zu koppeln heißt, die beideneinzelnen Systeme zu einem einzigen verteilten System zusammenzuschalten.Im Kapitel 6.4 Middleware wird auf diese Aspekte eingegangen.

Unterstutzt werden kann die Unternehmens-IT auch durch die Wahlder entsprechenden Plattformen. Ein Beispiel sind Application-Server un-ter Java12. Unter Beachtung der Programmierrichtlinien der J2EE-Plattformsind die darauf basierenden Systeme bei Einsatz entsprechend ausgerusteterApplication-Server und Datenbanken prinzipiell auch Cluster-fahig, um dieVerfugbarkeit und Performance anzupassen.

6.1.5 Konfiguration und Erweiterung

Hersteller einer Branchen-Software sind bemuht, ihre Software auf moglichstviele Anwendungsfalle abzustimmen. Das fuhrt in der Praxis zum einen dazu,dass eine Software viel mehr kann, als man ihr tatsachlich abverlangt. Auf deranderen Seite ist vielleicht genau die Funktion, die vom Anwender benotigtwird, in der Software nicht implementiert.

Eine ubliche Vorgehensweise der Softwarehersteller ist es, neue Funktio-nen in die Software zu integrieren und diese Funktionen abschaltbar zu gestal-ten. Beispielsweise konnen in einem Warehouse Managementsystem mehre-re Moglichkeiten zur Generierung einer neuen Artikelnummer implementiert

12 siehe dazu auch Kapitel 6.5

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6.2 Grundzuge der objektorientierten Programmierung 229

sein. Die Software wird in einem konkreten Einsatz dann aber so konfiguriert,dass nur eine dieser Moglichkeiten nutzbar ist.

Variantenvielfalt und Konfigurationspotenzial sind zunachst ein Vorteil:Der Anwender hat bei der Installation und moglicherweise auch bei spaterenAnderungen im Betriebsablauf die Moglichkeit, das Verhalten der Softwa-re anzupassen. Konfigurationspotenzial ist aber genau dann irrelevant, wenndie verschiedenen Varianten nicht tatsachlich benotigt werden. Im Gegenteilerhoht Variantenvielfalt immer auch die Komplexitat und damit die Feh-leranfalligkeit einer Software.

In verschiedenen Branchen und bei unterschiedlichen Anbietern existierenverschiedene Ansichten und Erfahrungen daruber, wie weit der Standardisie-rungsgrad13 einer Software uberhaupt getrieben werden kann. Grundsatzlichgilt: Je komplexer eine logistische Unternehmung ist, desto hoher ist der Auf-wand fur individuelle Entwicklungen im Softwareprojekt. Weitere Hinweiseund ein Vorgehensmodell zur Einfuhrung und applikationsspezifischen Ge-staltung von WMS finden sich in Kapitel 8.

6.2 Grundzuge der objektorientierten Programmierung

In diesem Abschnitt wird die grundsatzliche Idee der objektorientierten Pro-grammierung dargestellt. Die Objektorientierung ist nicht nur eine Program-miertechnik, sondern auch eine Methode fur die Systemanalyse und das Sys-temdesign. Diese Aspekte werden im letzten Unterabschnitt kurz angespro-chen. Zur anschaulichen Darstellung werden Transportgerate beschrieben, diein der Lage sind, Ladeeinheiten von einem Ort zu einem anderen zu transpor-tieren. Diese Darstellung erfolgt sowohl mit den Symbolen der UML (UnifiedModelling Language, s. Abschn. 6.3) als auch durch Codestucke, die in derProgrammiersprache Java geschrieben sind.

6.2.1 Datenabstraktion

Die traditionelle Programmierung geht entweder von den Datenstrukturenoder den Funktionen aus. Die Grundidee der Datenabstraktion besteht dar-in, dass Daten und Funktionen zusammengefasst und als Einheit betrachtetwerden. Der Zugriff auf die Daten, die ihrerseits aus solchen Einheiten be-stehen konnen, erfolgt dabei ausschließlich uber die Funktionen. Dieses auchals Kapselung der Daten (Information Hiding) bezeichnete Prinzip verbietetden direkten Zugriff auf die Daten14 und bietet folgende Vorteile:

13 Mit dem Standardisierungsgrad ist der Anteil einer Software gemeint, der beieinem neuen Projekt nicht mehr geandert werden muss.

14 Viele Programmiersprachen, die dieses Konzept unterstutzen, erlauben dennocheinen direkten Zugriff auf die Daten. Dieses muss dann durch Programmierdis-ziplin vermieden werden.

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230 6. Softwareengineering

• Die einheitliche Schnittstelle des Funktionsaufrufes abstrahiert von denzugrunde liegenden Daten.

• Die Details der Zugriffsfunktionen und der unterliegenden Daten bleibendem Aufrufer verborgen.

• Die Sicherung der Datenintegritat obliegt ausschließlich den Zugriffsfunk-tionen und nicht dem Aufrufer.

• Nachtragliche Anderungen der Funktionen konnen lokal und damit ohneAuswirkungen auf deren Aufrufer erfolgen.

Diese ausschließliche Nutzung der Funktionsschnittstelle und das explizi-te Verbot eines direkten Zugriffs scheint bei

”einfachen“ Variablen zunachst

sehr aufwandig. Die Vorteile werden jedoch offensichtlich, wenn bei spaterenSoftwareerweiterungen bei jedem Variablenzugriff zusatzlich weitere Varia-blen geandert oder weitere Funktionen aufgerufen werden mussen. Eine Er-weiterung braucht dann nur in der entsprechenden Funktion nachgerustet zuwerden, wahrend die Schnittstelle zum aufrufenden Programm gleich bleibt.Der Programmierer benotigt fur die Nutzung der Funktion lediglich einenmoglichst selbsterklarenden Namen; die Details bleiben ihm verborgen.

Beispielsweise kann bei einem bestehenden WMS nachtraglich die For-derung gestellt werden, die Zeitdauer, wahrend der ein Lagerfach gesperrtwar, in einem Betriebsprotokoll aufzuzeichnen. Eine direkte Programmierungkonnte in der Programmiersprache Java vor der Anderung wie folgt ausse-hen15:

...// Auswahl eines Lagerfachs fach...// Das ausgewaehlte Fach wird als gesperrt gekennzeichnetfach.locked = true;...

Bei dieser Art der Programmierung mussen alle Zuweisungen an die Va-riable lock nachtraglich durch entsprechende Funktionsaufrufe ersetzt oderum zusatzliche Anweisungen erganzt werden. Bei Anwendung des Kapse-lungsprinzips ware die Zeile fach.locked = true durch fach.lock(), alsoentsprechende Funktionsaufrufe zu ersetzen. Die dem Fach zugeordnete Funk-tion lock konnte wie folgt programmiert sein:

class Fach {...// sperren eines Lagerfachespublic void lock() { locked = true; }// freigeben eines Lagerfachespublic void unlock() { locked = false; }...

}

15 Der doppelte Schragstrich kennzeichnet den Rest der jeweiligen Zeile als Kom-mentar.

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6.2 Grundzuge der objektorientierten Programmierung 231

Nach der Erweiterung des Datentypen Fach um die Variable startLock

konnten die Funktionen nun erweitert werden:

class Fach {long startLock;...// sperren eines Lagerfachespublic void lock() {if (! locked) {

//lock = true;// speichern des Zeitpunktes der SperrungstartLock = getTime_ms();

}}// freigeben eines Lagerfachespublic void unlock() {long delta;if (locked) {

lock = false;// berechnen der Dauer der Sperrungdelta = (System.currentTimeMillis() - startLock)/1000/60;// protokollieren der Dauer der Sperrunglogbook.println( "Fach " + name +

" wurde " + delta +"Minuten gesperrt.");

}}...

}

Die Aufrufstellen brauchen in diesem Fall nicht geandert zu werden, waseinen großen Vorteil fur die Menge der zu andernden und zu testenden Teileder Software darstellt.

6.2.2 Klassen und Objekte

Die Beschreibung der Gesamtheit aller logisch zusammengehorenden Daten-beschreibungen und Funktionen nennt man Klasse, die Daten werden Attri-bute und die Funktionen Methoden dieser Klasse genannt. Eine Klasse enthaltkeine Attributwerte16, sondern nur Metadaten. Um Daten zu erzeugen, musszunachst ein Objekt dieser Klasse generiert werden. Ein solches Objekt wirdauch Instanz seiner Klasse genannt und verfugt uber Speicherplatz zur Abla-ge der Attributwerte. Von jeder Klasse konnen – unter Berucksichtigung desbegrenzten Speicherplatzes – beliebig viele Objekte erzeugt werden. In denmeisten Programmiersprachen wird der Operator fur diese Instanziierung vonKlassen mit new bezeichnet.

16 Die static Attribute, welche auch einer Klasse Werte zuordnen, werden hier nichtbetrachtet.

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232 6. Softwareengineering

Die bis hier beschriebenen Prinzipien stellen nicht sicher, dass alle At-tribute auch immer initialisiert sind. Hier bietet die objektbasierte Technikspezielle Funktionen, die Konstruktoren. In den meisten Programmierspra-chen mussen Konstruktoren den Namen ihrer Klasse tragen. Jede Klassemuss mindestens einen Konstruktor enthalten17. Bei Bedarf konnen auchmehrere Konstruktoren spezifiziert werden, wenn sie sich in ihren Parame-terlisten (Signaturen) unterscheiden18. Die Instanziierung einer Klasse stelltzunachst Speicherplatz fur ihre Attribute bereit und fuhrt anschließend denvom Programmierer gewunschten Konstruktor aus.

Ein Regalbediengerat kann beispielsweise durch eine Klasse RBG re-prasentiert werden. Diese Klasse konnte uber mehrere Konstruktoren verfu-gen, die im Folgenden in einem stark vereinfachten Java-Code-Beispiel dar-gestellt werden.

class RBG {// Definition einer Konstanten fur die Ruheposition aller RBGprivate final Position homepos = new Position(1, 1);// Attribut fur die aktuelle Position des RBGprivate Position pos;

RBG () {// Anlegen einer neuen Instanz des Attributes pospos = new Position();// Setzen der Positionskoordinaten, aus der Konstanten homepospos.setx(homepos.x());pos.sety(homepos.y());

}

RBG (int x, int y) {// Anlegen einer neuen Instanz des Attributes pospos = new Position();// Setzen der Positionskoordinaten, die als Parameter diesem// Konstruktor ubergeben werdenpos.setx(x);pos.sety(y);

}

RBG (String pos) {// Anlegen einer neuen Instanz des Attributes pospos = new Position();// Die Klasse Position kann die Koordinatenwerte auch aus einem// String erzeugenpos.setByName(s);

}}

17 Die meisten Programmiersprachen stellen implizite Default-Konstruktoren be-reit, die jedoch keine spezifische Initialisierung der Attribute mit den wechselsei-tigen Abhangigkeiten ihrer Werte ersetzen konnen.

18 Diese Technik des Uberladens ist auch fur Methoden erlaubt.

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6.2 Grundzuge der objektorientierten Programmierung 233

Eine neue Instanz eines Regalbediengerates kann auf drei unterschiedlicheArten erzeugt werden:

• RBG rbg1 = new RBG() fur ein neues Regalbediengerat. Das neu erzeugteObjekt der Klasse RBG heißt rbg1 und wird mit der Standardinitialisie-rung, der Ruheposition (1,1), erzeugt;

• RBG rbg1 = new RBG(2, 3) fur ein neues Regalbediengerat mit der aktu-ellen Position (2,3);

• RBG rbg1 = new RBG("E2T3") fur ein neues Regalbediengerat mit der ak-tuellen Position, welche durch die Zeichenkette E2T3 beschrieben wird.

Das Gegenstuck zum Konstruktor ist der Destruktor, der von dem Objektbelegte Ressourcen wieder freigeben soll. Zum Schluss gibt der Destruktor denvon dem entsprechenden Objekt belegten Speicherplatz wieder frei19.

6.2.3 Vererbung

Die Analyse der durch Software abzubildenden Objekte zeigt gelegentlich,dass diese, unabhangig von einer detaillierten Betrachtung, uber gemeinsameFunktionen oder Attribute verfugen. Beispielsweise kann ein

”Fordergerat“

Ladeeinheiten von einem Lagerort zu einem anderen transportieren. DiesesVerhalten ist durch unterschiedliche technische Auspragungen, die oft uberweitere, zusatzliche Eigenschaften verfugen, zu erreichen. Die Grundidee derObjektorientierung erweitert das oben beschriebene objektbasierte Konzeptum das Prinzip der Spezialisierung von Klassen.

Eine Klasse, die Methoden und Attribute bereitstellt, kann durch Ablei-tung spezialisiert werden. Die allgemeinere Klasse wird als Basisklasse, diespezialisierten Klassen als abgeleitete Klassen bezeichnet. Dieses Prinzip wirdauch Vererbung genannt, da die abgeleiteten Klassen die Attribute und Me-thoden ihrer Basisklasse

”erben“.

Das Prinzip der Vererbung ist in Abb. 6.2 am Beispiel der BasisklasseTransportgeraet fur alle Transportgerate und je einer Ableitung fur Re-galbediengerate und fur Verschiebewagen gezeigt. Beide abgeleiteten Klassensind instanziierbar, wahrend in diesem Fall aus der Basisklasse keine Ob-jekte erzeugt werden konnen. Die Basisklasse stellt lediglich einige Attributebereit und deklariert einige Methoden, stellt also eine Schnittstellenspezifika-tion bereit. WMS, die beispielsweise sowohl RBG als auch Verschiebewagenabbilden, konnen mit den Methoden der Klasse Transportgeraet arbeiten.Lediglich bei der Instanziierung muss der Programmierer darauf achten, dass

19 In Java-Systemen kann aufgrund der automatisch arbeitenden Speicherverwal-tung nicht vorhergesagt werden, wann der Destruktor ausgefuhrt wird. In C++-Systemen werden Destruktoren sofort ausgefuhrt, wenn auf ein Objekt derdelete-Operator angewendet wird. Hier liegen wichtige konzeptionelle Unter-schiede vor, die jedoch fur das grundsatzliche Verstandnis der Thematik nichtrelevant sind.

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234 6. Softwareengineering

TransportGeraet

-maximalGewicht:int-aktuellePosition:Position-gesperrt:boolean

+transportiere(quelle:Position,ziel:Position) :void+leerfahrt(ziel:Position) :void+druckeAuftragsliste(out:PrintsStream) :void+sperren() :void+freigeben() :void

RBG Verschiebewagen

+RBG(pos:Position)+transportiere(quelle:Position,ziel:Position) :void

+Verschiebewagen(anzahlLam:int,pos:Position)+transportiere(quelle:Position,ziel:Position) :void

-lastaufnahmemittel:LAM

Abbildung 6.2. Ableitung je einer Klasse fur Regalbediengerate RBG und fur Ver-schiebewagen Verschiebewagen aus der Basisklasse Transportgeraet. Mit

”-“ wer-

den die Attribute, mit”+“ die Methoden gekennzeichnet.

die Objekte aus genau der Klasse erzeugt werden, die das konkrete Trans-portgerat beschreibt. Das Programmiersystem sorgt dann dafur, dass immerdie richtige Methode aufgerufen wird.

Falls eine Basisklasse auch Methoden definiert und die abgeleitete Klassediese Methoden ebenfalls definiert, werden diese Methoden der Ableitung auf-gerufen; andernfalls die Methode der Basisklasse. Abgeleitete Klassen konnenweitere Attribute und Methoden besitzen, die nicht in der Basisklasse dekla-riert wurden. Solche Methoden konnen nicht uber die Schnittstelle der Ba-sisklasse aufgerufen werden, da sie dort unbekannt sind20. Ein Beispiel istein kurvengangiges RBG (ermoglicht das Umsetzen des RBG in verschiedeneGassen), das mit Hilfe der Methode changeAisle() die Gasse wechseln kann.

Das Prinzip der Ableitung kann mehrfach eingesetzt werden, so dass auseiner Basisklasse ein ganzer Baum weiterer Klassen abgeleitet werden kann.So konnte die Klasse RBG durch weitere Ableitungen spezialisiert werden.

20 In diesem Fall muss das Objekt zunachst in ein Objekt des abgeleiteten Typskonvertiert (Typcasting) werden.

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6.3 Unified Modeling Language (UML) 235

6.2.4 Eigenschaften von Klassen

Neben dem Prinzip der Vererbung definiert das Paradigma der Objektorien-tierten Programmierung noch weitere Begriffe:

Uberladen Methoden, die in einer Mutterklasse definiert wurden, konnen ineiner Kindklasse uberschrieben oder uberladen werden. Ein instanziiertesObjekt ersetzt dann Methoden der Oberklassen durch die eigene.

Polymorphie Gleichnamige Methoden konnen mit verschiedenen Parame-tern implementiert werden. Beispielsweise konnten neben der Metho-de cmttaddMehrwertSteuer() auch noch die Methode cmttaddMehr-wertSteuer(double prozentsatz) und die Methode cmttaddMehrwertSteu-er(int prozentpunkte) implementiert werden.Je nach aufgerufener Methode wird dann die entsprechende Mehrwert-steuer aufgeschlagen: die gerade gultige oder die jeweils angegebene.

Assoziation, Aggregation und Komposition Objekte konnen sich ge-genseitig referenzieren uber die Assoziation oder deren Zusammenset-zung ausdrucken uber die Aggregation. Eine Aggregation beschreibt dieTeile des Ganzen21. Die Komposition unterscheidet sich von der Aggrega-tion darin, dass sie in hochstens einem referenzierten Element vorkommt.Die Assoziation beschreibt die Abhangigkeiten der Klassen untereinan-der22.

Oft wird objektorientierte Programmierung damit beworben, dass sie derrealen Welt sehr ahnlich sei. In technischen Systemen wird sie allerdingsinsbesondere als Methode zur Beherrschung der Komplexitat von Systemenverwendet. Diejenigen Objekte (Entities), welche realweltliche Dinge oderVorgange abbilden, werden dagegen seltener uber ihre objektorientierte Hier-archie definiert; sie sind vielmehr hierarchielose Datenkapseln.

Beispielsweise sind Entities im Open Source Warehouse Managementsys-tem myWMS mit einer technischen Hierarchie versehen, die jede einzel-ne Entity mit einem Erzeugungs-Datum, einer eindeutigen Nummer, einemManipulations-Datum, einer Versionsnummer und einem Sperrkennzeichenversieht. Im produktiven Einsatz befindet sich dagegen in der Regel jeweilseine Klasse fur Artikelstammdaten, Lagerfacher, Ladehilfsmittel und so wei-ter. Objektorientierte Ableitungshierarchien sind daher fur den Benutzer ei-nes Softwaresystems nicht sichtbar.

6.3 Unified Modeling Language (UML)

Die Unified Modelling Language (UML) ist eine grafische Notation fur Bau-plane objektorientierter Softwaresysteme. Dazu stellt die UML eine Reihe von

21 z. B. : Das Auto besteht aus Turen, einem Motor, Radern, Sitzen, ...22 z. B.: Das Auto wird gefahren von einem Fahrer. Es gehort einem Eigentumer...

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236 6. Softwareengineering

Diagrammtypen bereit, die unterschiedliche Aspekte eines Softwaresystemsabbilden. Die Diagramme konnen prinzipiell mit jedem beliebigen Hilfsmittelerzeugt werden. Es ist vollig legitim, ein Diagramm mit Bleistift auf Papierzu bringen oder es mit einem grafischen Zeichenprogramm zu malen.

Ahnlich wie bei Bauplanen anderer Disziplinen existiert aber mittlerwei-le eine Reihe von Programmen, mit denen UML-Diagramme bequem undformal korrekt erzeugt werden konnen. Einige UML-Produkte treten mitdem Anspruch an, eine umfassende UML-Dokumentation fur Softwaresyste-me wahrend ihres gesamten Lebenszyklus bereitzustellen. Dies ist tatsachlichein lohnendes Ziel, hat aber zur Folge, dass Bauplan und Software simultanoder zeitnah gepflegt werden.

Nicht selten wird daher auch die Variante praktiziert, bei der nachKonstruktion bereits die Anforderungsanderungen nicht mehr in den UML-Bauplan eingepflegt werden und die Dokumentation binnen kurzer Entwick-lungszeit ihren Bezug zur Realitat verliert. Dieser Effekt, zunachst oft wegender Ersparnis an Formalitaten gern in Kauf genommen, fuhrt dann bei denfolgenden Anderungen zu zunehmendem Kontrollverlust.

Einige UML-Werkzeuge bieten unter anderem die Moglichkeit, Anderun-gen in zwei Richtungen zu propagieren:

1. Anderungen am UML-Modell fuhren zu Anderungen im Softwaresystem.2. Anderungen am Softwaresystem fuhren zu Anderungen im UML-Modell.

Am erfolgreichsten wird diese Technik bislang bei Klassendiagrammen ein-gesetzt. Dazu existieren Werkzeuge, die bestehende Klassen analysieren undals UML-Klassendiagramm abbilden konnen, genauso wie sie die Anderungender Klassen im UML-Diagramm in die Implementierung ubernehmen konnen.

Bei Projekten, deren zu entwickelndes Softwaresystem uber mehrereJahre angewendet werden soll, ist davon auszugehen, dass im Laufe derZeit Anderungen und Erganzungen am Softwaresystem durchgefuhrt werdenmussen. Der Aufwand durch Erstellung und Pflege einer guten Dokumenta-tion zahlt sich dann in aller Regel aus.

Die UML ist kein Vorgehensmodell. Sie beschreibt nicht, in welcher Rei-henfolge die Aktivitaten eines Projektes durchgefuhrt werden sollen. Den-noch werden die unterschiedlichen Diagramme zu unterschiedlichen Zeitpunk-ten innerhalb eines Projektes verwendet. So steht z. B. das Anwendungsfall-Diagramm ublicherweise am Anfang eines Projektes, da hier die Anforderun-gen aus der Sicht der Anwender eines Softwaresystems aufgezeichnet werden.

Eine mit UML konstruierte Software ist nicht automatisch vollstandig do-kumentiert. UML dient als Hilfsmittel und kann einen sehr effizienten Einblickin ein Softwaresystem ermoglichen. Die große Menge der Details einer Imple-mentierung wird sich allerdings regelmaßig nicht in den UML-Diagrammenwiederfinden.

Den Rahmen dieses Buches ubersteigt eine komplette Einfuhrung in dieUML. Weiterfuhrende Informationen enthalt beispielsweise die UML Kurz-referenz [39], wahrend [37] einen vollstandigen Einblick in die UML gewahrt.

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6.3 Unified Modeling Language (UML) 237

Hinweise zur Durchfuhrung von objektorientierten Projekten liefert [38]. Diehier ausgewahlten Diagramme sind die am haufigsten eingesetzten Diagram-me in Warehouse Managementprojekten.

Die Erfahrung zeigt, dass UML Diagramme in Softwareprojekten furWarehouse Managementsysteme erfolgreich eingesetzt werden konnen. Fol-gende Punkte sollten bei der Verwendung von UML Diagrammen jedochbeachtet werden:

• Die Diagramme mussen von den entscheidenden Projektbeteiligten akzep-tiert werden.

• Der Formalismus sollte in akzeptablen Grenzen gehalten werden. DerDiagramm- und Formenreichtum der Symbole der UML dient dazu, eineangemessene Auswahl zu treffen.

• Diagramme konnen der Veranschaulichung von Sachverhalten und Algo-rithmen dienen. Der Wert dieser Diagramme liegt in der Abstraktion, alsoim Auslassen von Details.

• Andere Diagramme dienen als Programmiervorlage oder zur Dokumenta-tion bestehender Algorithmen. Der Wert dieser Diagramme liegt in derVollstandigkeit der Details.

In den folgenden Abschnitten werden einige haufig genutzte Diagramm-typen vorgestellt.

AnwendungsfalldiagrammDas Anwendungsfalldiagramm (engl. Use Case Diagram) dient bei der An-forderungsanalyse dazu, die Anforderungen an ein Softwaresystem aufzuneh-men. Abbildung 6.3 ist ein mogliches Anwendungsfalldiagramm fur einenWareneingang.

In einem Anwendungsfalldiagramm werden die Akteure (Strichfiguren)und die von ihnen genutzten einzelnen Funktionen oder Anwendungsfalle(Elipsen) dargestellt. Die Verbinder zwischen Akteur und Anwendungsfallkennzeichnen deren Verhaltnis. Beispielsweise nutzt ein WE-Mitarbeiter dieFunktion Ware identifizieren. Ein Verbinder zwischen den Funktionen stelltderen Verhaltnis zueinander dar. Diese Verbinder werden in der Regel miteinem Qualifizierer wie z.B. include, realize oder extend und einem Pfeil zurKennzeichnung der Leserichtung ausgezeichnet.

Auch nichtmenschliche Akteure konnen die Funktionen eines Systems nut-zen und in einem Anwendungsfalldiagramm dargestellt werden. Beispiels-weise konnen so Funktionen beschrieben werden, die durch ein uberlagertesHostsystem genutzt werden.

KlassendiagrammKlassendiagramme sind Plane fur die objektorientierte Klassenarchitektur.Klassendiagramme eignen sich insbesondere dazu, die im System existieren-den Entity-Klassen und deren Abhangigkeiten darzustellen sowie komplexe

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238 6. Softwareengineering

WE-Mitarbeiter Disponent

Einlagerung auslösen

Waren identifizieren

Wareneingangsstatus abrufen

Wareneingang avisieren

Abbildung 6.3. Ein mogliches Anwendungsfalldiagramm fur einen Wareneingang

AbstrakteKlasse

KlasseA

Kommentar zu einem Element des Klassendiagramms

KlasseB

Interface

KlasseC

KlasseD

0..1

1..*

0..*

0..1

Kommentar zum Klassendiagramm

Abbildung 6.4. Das Diagramm zeigt typische Elemente eines Klassendiagramms.

Klassenarchitekturen zu veranschaulichen. Sie stellen also die Datenstruk-turen eines Softwaresystems dar. Ublicherweise betrifft das alle im Projektselbst erzeugten Klassen unterhalb der Prasentationsschicht23 und bis an diePersistenzschicht24.Die dargestellten Klassen sollten einen moglichst selbsterklarenden Namentragen und ihre Attribute25 und Methoden26 ausweisen. Die objektorientier-

23 die Schicht, welche die Informationen einem Benutzer anzeigt und mit ihm in-teragiert

24 die Schicht, welche die Datenspeicherung und -beschaffung realisiert25 Variablen26 Funktionen

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6.3 Unified Modeling Language (UML) 239

Gleiche Ereignisse können zu unterschiedlichen Zielzuständen führen.

Startpunkt

Zustand 1

Zustand 2

Zustand 3

Bedingung xy nicht erfüllt

Ereignis A

Ereignis B

Ereignis C

Ereignis ABedingung xy erfüllt

Endpunkt

Ereignis C

Zustand 4

Abbildung 6.5. Das Diagramm zeigt einige Zustande, die nach dem Eintreffendefinierter Ereignisse zum Zustandswechsel fuhren.

ten Eigenschaften und Abhangigkeiten der Klassen werden durch ensprechen-de Verbinder dargestellt:

• Vererbung wird durch einen Verbinder mit einem Dreieckpfeil dargestellt.Die Klasse, auf die der Pfeil zeigt, ist die Oberklasse, die andere Klasse istdie Unterklasse.

• Eine Assoziation wird durch einen einfachen Strich dargestellt. GerichteteAssoziationen werden durch einen Pfeil dargestellt. Die Klasse, von der derPfeil am Ende des Assoziations-Verbinders wegzeigt, ist auch die Klasse,die die Variable enthalt, welche die Assoziation realisiert. Assoziations-Verbinder ohne Pfeil sind in der Regel beidseitige Assoziationen, das heißtbeide Objekte beider Klassen enthalten Variablen der jeweils anderen Klas-sen.

• Eine Aggregation wird durch einen Strich dargestellt, an dessen Ende eineRaute liegt.

• Eine Komposition wird durch einen Strich dargestellt, an dessen Ende eineausgefullt Raute liegt.

Assoziationen und Aggregationen sollten, wie in der Grafik 6.4 gezeigt,quantifiziert sein. Im Beispiel assoziiert die KlasseA die KlasseB. Dabei re-ferenzieren Objekte der KlasseA genau 1 oder mehr Objekte der KlasseB.Andersherum werden Objekte der KlasseB genau 0 oder 1 mal von Objektender KlasseA referenziert. KlasseB aggregiert die KlasseC, das heißt Objekteder KlasseC sind Teil von Objekten der KlasseB. Siehe dazu auch Kapitel6.2.

ZustandsdiagrammDas Zustandsdiagramm (engl. Statechart Diagram) wird verwendet, um dieZustande einer Software zu veranschaulichen. Beginnend bei einem definier-

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240 6. Softwareengineering

ten Startzustand konnen Ereignisse eintreten, die einen Wechsel nach einemanderen Zustand ermoglichen. Samtliche erwartete Ereignisse werden mit je-weils einer Transition im Zustandsdiagramm reprasentiert. Mehrere Transi-tionen im Diagramm durfen dieselben Ereignisse reprasentieren, sofern sievon verschiedenen Zustanden ausgehen. Dadurch kann je nach aktuellem Zu-stand ein und dasselbe Ereignis zu unterschiedlichen Folgezustanden fuhren.Nicht definierte, beziehungsweise unerwartete Ereignisse fuhren nicht zu ei-nem Wechsel des Zustandes. Auf Transitionen konnen auch Bedingungen(engl. guarding conditions) definiert werden, aufgrund deren Auswertungenunterschiedliche Folgezustande eintreten.

Das Beispiel in Abbildung 6.5 startet mit dem Zustand 1. Tritt daraufhinEreignis A ein, wechselt der Zustand nach Zustand 2. Tritt jedoch EreignisB ein, wechselt der Zustand nach Zustand 3. Befindet sich das System imZustand 1, so wird Ereignis C nicht beachtet. Ist das System im Zustand2 und tritt Ereignis A ein, so wird anhand der Bedingung xy entschieden,welcher der neue Zielzustand ist. Sobald der Endpunkt erreicht ist, terminiertdas im Zustandsdiagramm modellierte System.

Zustandsdiagramme eignen sich in Warehouse Managementsystemen ins-besondere dazu, den Status von Auftragen zu modellieren. Beispielsweisewird ein Transportauftrag in das System eingelastet und befindet sich imZustand Eingelastet. Zu einem beliebigen spateren Zeitpunkt wird er von ei-nem Lagermitarbeiter begonnen. Der Zustand andert sich auf Begonnen. Istder Transportauftrag ausgefuhrt worden, fuhrt ein Ereignis zum Endzustand.Moglicherweise wird auch ein Fehlerzustand definiert fur den Fall, dass derTransportauftrag nicht bearbeitet werden kann. Kommissionier-, Ein-, Um-und Auslagerauftrage usw. sind geeignet, entsprechend modelliert zu werdenund dabei die Prozesse eines Warehouse Managementsystems abzubilden.

6.4 Middleware und Kommunikationsmechanismen

Middleware bezeichnet ganz allgemein ein System zum Austausch von In-formationen von eigenstandig operierenden Modulen. Der Begriff ist, in An-lehnung an Hard- und Software, die Vermittlungs- oder die Zwischenschicht.Im einfachsten Fall ist Middleware ein vereinbartes Protokoll zwischen zweiModulen, beispielsweise dem Warenwirtschaftssystem (WWS) und dem La-gerverwaltungssystem (LVS). Im Anhang (s. Abschn. 9.1) sind Beispiele furMiddleware-Produkte aufgelistet. Moglicherweise aber sind die angebotenenProtokolle27 der beteiligten Module nicht kompatibel28, obwohl die Inhaltees durchaus sind. Dann kann eine eigenstandige Middleware eingesetzt wer-den, die zwischen den Protokollen ubersetzt und vermittelt. Das Konzept,

27 Protokoll ist hier gleichzusetzen mit Sprache28 Kompatible Dinge passen zusammen, wahrend inkompatible oder nicht kompati-

ble Dinge nicht zusammenpassen.

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6.4 Middleware und Kommunikationsmechanismen 241

welches eine einzige Middleware fur alle Belange der im Unternehmen ausge-tauschten Daten realisiert, wird auch von einigen Herstellern als EnterpriseApplication Integration (EAI) oder auch Enterprise Bus bezeichnet29. DerEnterprise Bus ist nicht zu verwechseln mit dem Enterprise Service Bus, derauf Service-orientierte Architekturen fokussiert30.

6.4.1 Kommunikationspartner

Der Einsatz unterschiedlicher Softwaremodule innerhalb eines Unternehmensimpliziert die Verflechtung dieser unterschiedlichen Module miteinander. Ei-ne noch immer praktizierte Variante der Kommunikation ist die so genanntePapierschnittstelle. Informationen, die dem einen Modul entspringen, werdenausgedruckt oder notiert und in Papierform und danach per Tastatureinga-be an das folgende Modul weitergegeben. Beispielsweise sind Lieferpapiereund Paletten-Etiketten in Papierform noch relativ ublich. Mussen Informa-tionen ausgedruckt werden, damit sie an anderer Stelle wieder eingetipptwerden konnen, kommt schnell der Wunsch nach einem direkteren Austauschder Daten auf. Fur eine moderne Unternehmens-IT hat neben den einzelnenModulen und Subsystemen der Datenaustausch zwischen ihnen eine zentraleBedeutung.

Schnittstellen zwischen unterschiedlichen IT-Systemen und Modulen pro-fitieren von der Standardisierung der Schnittstellen. Eine exemplarische, breitgefacherte Auswahl standardisierter Schnittstellen fur den Datenaustausch imUmfeld einer Unternehmens-IT sind beispielsweise:

DTAUS Das Datentrageraustausch-Verfahren realisiert die Auftragsertei-lung (Uberweisungen, Einzuge etc.) an Kreditinstitute.

EDIFACT Electronic Data Interchange for Administration Commerce andTransport ist ein globaler Standard, der auf die Initiative der UNOzuruckzufuhren ist. Mit EDIFACT soll die beleglose Geschaftsabwicklungzwischen Unternehmen gewahrleistet werden. EDIFACT wurde als ISO9735 von der International Organization for Standardization registriert.

BMEcat Das BMEcat-Format realisiert den Austausch von Katalogdaten.Es wurde auf Initiative des Bundesverband Materialwirtschaft, Einkaufund Logistik e. V. (BME) ins Leben gerufen und basiert auf XML.

Die genannten Formate betreffen insbesondere den Datenaustausch mitexternen Systemen, also zwischen Unternehmen. Hier ist eine starke Standar-disierung von großem Interesse, da die potenziellen Kommunikationspartnerunuberschaubar viele sind und nicht fur jeden neuen Kontakt eine individu-elle Schnittstelle vereinbart werden sollte. Typisch fur einige der genannten

29 Ein Bus ist ein Leitungssystem zum Datenaustausch zwischen beliebig vielenTeilnehmern.

30 zum Thema Service-orientierte Architekturen s. auch Kapitel 6.6

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242 6. Softwareengineering

Formate ist allerdings auch eine gewisse Interpretationsfreiheit bei der Im-plementierung. So enthalt beispielsweise das EDIFACT-Format etwa 200 ver-schiedene Nachrichtenarten und viele branchenspezifische so genannte Sub-sets; ein in der Regel nicht vollstandig implementierter Umfang also.

Die Organisation innerhalb eines Unternehmens ist in der Regel bei wei-tem nicht so stark standardisiert wie die ublichen Interaktionen mit externenUnternehmen. Es ist daher naheliegend, die Schnittstellen der Module inner-halb eines Unternehmens bei Bedarf auch individuell auszulegen. Speziell imBereich des Warehouse Management lasst sich die Kommunikation in dreiBereiche gliedern31:

Host: die Kommunikation mit uberlagerten SystemenSteuerungstechnik: die Kommunikation mit unterlagerten SystemenPeripherie: die Kommunikation mit autonomen Komponenten

Grundsatzlich gilt fur alle Schnittstellen, dass die Ubertragung uber eineSchnittstelle auf irgendeine Art gesichert erfolgen muss. Das heißt, dass Da-ten vollstandig und zuverlassig an den Empfanger ubertragen und dort ver-arbeitet werden mussen. Je nachdem, uber welche Medien die Schnittstellenkommunizieren, ist zudem auch noch eine Authentifizierung der beteiligtenKommunikationspartner notwendig sowie die Sicherung gegen Verfalschenund/oder Mitlesen durch Dritte. Fur jeden einzelnen dieser Aspekte konnenprinzipiell die entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden.

Host-KommunikationAls Host (Gastgeber) wird hier ein Rechner oder ein Dienstanbieter be-zeichnet, auf dem ein Modul oder ein System wie z. B. ein WarehouseManagementsystem, ein Produktionsplanungssystem (PPS) oder ein Waren-wirtschaftssystem (WWS) ausgefuhrt wird. Typische Verfahren zur Host-Kommunikation sind die in den folgenden Abschnitten beschriebenen Kom-munikationsmechanismen

• Dateiaustausch,• Socketkommunikation,• Pipes und Queues,• Messaging.

Kommunikation mit SteuerungstechnikDie Steuerungstechnik besteht aus Komponenten, die direkt mit Sensorenund Aktoren in Verbindung stehen. Sie organisiert beispielsweise den Mate-rialfluss uber Ein- und Ausschalten der Fordertechniksegmente bei Eingangbestimmter Sensor-Informationen. Die Steuerungstechnik ist die Ebene un-terhalb der Materialflusssteuerung. Typische Verfahren zur Kommunikation

31 Siehe auch die Automatisierungspyramide in Kapitel 6.1.3.

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6.4 Middleware und Kommunikationsmechanismen 243

mit der Steuerungstechnik sind die in den folgenden Abschnitten beschriebe-nen

• Feldbussysteme und• Socketkommunikation32.

Kommunikation mit PeripherieAls Peripherie wird das Umfeld eines IT-Systems bezeichnet. Hierunter fal-len z.B. Drucker, einige RFID-Leser und -Schreiber, Barcode-Leser, Tempe-raturuberwachungen, Waagen usw. Diese Komponenten sind oft mit einereigenen, proprietaren Schnittstelle ausgestattet. Die Anpassung der kompo-nentenseitigen Schnittstelle scheidet haufig deshalb aus, weil die Anpassungdieser Schnittstelle, die meist in der Hardware des Gerates implementiertist, aufwandiger ware als die individuelle Unterstutzung der Schnittstelle imeigenen IT-System.

6.4.2 Kommunikationsmechanismen

DateiaustauschEs werden Dateiformate wie z. B. XML-Formate vereinbart, die auf verein-barten Orten im Dateisystem hinterlegt werden. Der Empfanger sieht zuregelmaßigen Zeitpunkten am vereinbarten Ort nach und liest die dort hin-terlegten Daten ein. Der Dateitransfer erfolgt typischerweise uber ein Rech-nernetz.

Socket-KommunikationEs werden individuelle Telegramme vereinbart, die an den Kommunikations-partner ubermittelt werden. Bei dieser Art der Kommunikation gibt es immereinen technischen Server, der auf einen oder mehr Clients wartet, sowie dentechnischen Client, der die Verbindung zum Server initiieren muss. Ist dieVerbindung zur Gegenstelle erst einmal hergestellt, konnen Informationen inbeide Richtungen zwischen den Kommunikationspartnern ausgetauscht wer-den. Der technische Client-Server-Begriff hat keinen Einfluss darauf, welcherder beiden Kommunikationspartner fachlich der Dienstleister und wer derNutznießer ist.

Diese Art der Kommunikation ist synchron, das heißt, dass die ubermit-telten Daten zeitnah bei der Gegenstelle eintreffen und diese umgehend denEmpfang der Daten quittieren kann.

Wird fur die Socket-Kommunikation das Transmission Control Proto-col/Internet Protocol (TCP/IP) verwendet, so ist die vollstandige und reihen-folgerichtige Ubertragung der Daten zugesichert. Storungen in der Kommuni-kation konnen von den Kommunikationspartnern aufgedeckt und behandelt

32 auch via Industrial Ethernet, der Ethernet-Variante fur industrielle Produkti-onsumgebungen

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244 6. Softwareengineering

werden. Nicht gesichert ist allerdings die korrekte Interpretation der Datendurch die Gegenstelle. Ausserdem ist diese Schnittstelle prinzipiell nicht ge-gen Datenverlust geschutzt: Tritt eine Storung auf, nachdem der Kommuni-kationspartner die Nachricht ausgelesen hat, aber bevor er diese verarbeitenkonnte, ist die Nachricht verloren. Diesem Verlust muss durch Quittungenund Sendewiederholungen begegnet werden, was die Implementierung einersolchen Schnittstelle aufwandig macht.

FeldbussystemeDas Umfeld im industriellen Produktionsbereich stellt besondere Anforde-rungen an die Komponenten von Kommunikationseinrichtungen. Gerate, dietypischerweise in einer Buroumgebung eingesetzt werden, sind hier aufgrundmechanischer und elektrischer Storeinflusse nicht geeignet. Feldbussystemesind fur entsprechende Umgebungen ausgelegt und bieten zudem besondereZusicherungen, wie z. B. garantierte maximale Signallaufzeiten, priorisierteNachrichtenzustellung und Ausfallsicherheit.

Beispiele fur Feldbussysteme sind

• CAN (Controller Area Network),• PROFIBUS (Process Field Bus),• I2C-Bus.

Die uber ein Feldbussystem ausgetauschten Informationen sind in derRegel abhangig von den Eigenschaften und Moglichkeiten des Bus-Systems(s. Seite 165).

Pipes und QueuesMit diesem Verfahren ist es moglich, eine große Menge von Daten in einenZwischenspeicher zu schreiben. Der Zeitpunkt der Verarbeitung der Datenbeim Kommunikationspartner kann zu einem beliebigen, spateren Zeitpunkterfolgen. Dadurch werden z. B. langsamere Datenkonsumenten von schnel-leren Datenlieferanten wirksam entkoppelt. Diese Art der Kommunikationist also asynchron. Das bedeutet auch, dass der Sender der Daten lediglichSicherheit daruber erhalt, dass die Informationen seinen Prozess verlassen ha-ben, nicht aber, ob sie von der Gegenstelle auch empfangen und verarbeitetwurden.

MessagingDas Messaging erweitert das Prinzip der Queues und Pipes um zwei weitereAspekte. Zum einen kann die Informationsverarbeitung in ein Transaktions-Konzept integriert werden. Tritt wahrend der Verarbeitung einer Informationeine Storung auf, kann die gesamte Transaktion ruckgangig gemacht werdenund die Informationen verbleiben fur einen spateren Verarbeitungsversuchin einer Queue. Zum anderen konnen Daten eingespeist und an einen odermehrere Empfanger verteilt werden (Load Balancing).

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6.5 Application-Server (Java EE) 245

Besonders stark integriert ist das Messaging im Application-Server-Kon-zept33, welches individuelle Transaktionen auf den unterschiedlichsten Res-sourcen zu verteilten Transaktionen zusammenfasst.

6.5 Application-Server (Java EE)

Als Application-Server werden ganz allgemein Server bezeichnet, auf denenAnwendungen (Applications) abgearbeitet werden. Application-Server stel-len dazu eine standardisierte Laufzeitumgebung zur Verfugung, die sich diedarauf laufenden Anwendungen teilen. Der Schwerpunkt soll hier auf JavaEE liegen, auch als J2EE bezeichnet. Eine Einfuhrung in Java EE ist in [52]zu finden.

Da das hier vorgestellte Application-Server-Konzept auf der Program-miersprache Java beruht, ist der Einsatz der Application-Server, wie die Pro-grammiersprache selbst, plattformubergreifend moglich. Java wird unter an-derem von den folgenden Plattformen unterstutzt:

• Microsoft Windows• Linux• z/Linux• Solaris• MacOS X

Die Implementierung von Anwendungen fur Application-Server implizierteine Reihe von Konventionen und Entwurfsmustern. Damit verbunden ist einhoher Einarbeitungsaufwand. Andererseits gewahrleisten die Konventionenund Muster aber gute Wartbarkeit, Skalierbarkeit und Flexibilitat.

Application-Server werden durch Schichtenmodelle realisiert. Die Schich-ten einer Application-Server-Anwendung werden auch Tiers genannt. Ublichsind mindestens drei Tiers:

1. Prasentation2. Geschaftslogik3. Datenbeschaffung

Datenbeschaffung und DatenbankZur Datenhaltung wird ein konventionelles relationales Datenbanksystem ver-wendet. Die Tabellen und deren Spalten in der Datenbank bilden das so ge-nannte Datenmodell. Das Datenmodell wird durch die verschiedenen Servicesim Application-Server in Entities uberfuhrt. Eine Entity ist eine objektori-entierte Klasse, die jeweils eine Zeile einer Tabelle der relationalen Daten-bank darstellt. Diese Beziehung zwischen Objekten einerseits und Zeilen in

33 siehe auch Kapitel 6.5

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246 6. Softwareengineering

Mobiles Datenterminal

Webbrowser

Geschäftslogik

Desktop PC WMS-Host

WMS

RelationaleDatenbank

Application Server

Datenbeschaffung

Webapplikation

AuftragService LagerfachService Artikelstamm-Service

...

TransportBean WareneingangBean TopologieBean ArtikelstammBean ...

TransportProzess Wareneingangs-Prozess

...

Leitstand-Anwendung

Abbildung 6.6. Eine exemplarische Application-Server-Anwendung.

einer Datenbanktabelle andererseits wird objektrelationales Mapping (OR-Mapping) genannt. Dabei ist zunachst nachrangig, ob zuerst die Datenbank-Strukturen oder die Entities entwickelt werden. Auf beiden Seiten sind jedochEinschrankungen zu beachten, damit ein OR-Mapping uberhaupt funktionie-ren kann, und in der Praxis ist Fachwissen und Erfahrung aus beiden Welten,der relationalen und der objektorientierten, unerlasslich.

Es ist nicht ungewohnlich, dass lediglich die eine Seite von Hand ent-wickelt werden muss und die andere automatisch generiert wird. Die SAP-NetWeaver-Plattform beispielsweise geht von existierenden Tabellen aus, wel-che automatisch in Entities uberfuhrt werden. Die JBoss-Plattform mit Hi-bernate als OR-Mapper geht den anderen Weg und erwartet Entities, furdie dann automatisch Datenbanktabellen generiert werden. Allerdings hatbislang jeder Automatismus noch Potenzial zur Optimierung der generiertenDatenstrukturen gelassen.

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6.5 Application-Server (Java EE) 247

Gewohnlich besitzen relationale Datenbanksysteme ein ausgefeiltes Rech-temanagement. Darin konnen Rollen definiert werden, die daruber entschei-den, ob ein Mitglied dieser Rolle einzelne Tabellen oder Views einsehen,andern, darin einfugen oder loschen darf und vieles mehr. Dieses Rechtemana-gement kann zwar auch in den Anwendungen auf Application-Servern genutztwerden. Die Regel ist jedoch, dass der Application-Server nur mit einem ein-zigen User-Account pro Anwendung die Datenbank anbindet und samtlicheOperationen mit diesem einen Account, aber moglicherweise mit mehrerenVerbindungen gleichzeitig durchfuhrt. Dies ist fur die im Application-Servereingesetzten Optimierungen (Connection-Pooling und Caching) sogar drin-gend erwunscht. Die Authentifizierungsmechanismen werden also an denApplication-Server und seine Anwendungen delegiert.

GeschaftslogikDie Geschaftslogik hat im Wesentlichen die Aufgabe, fur einen bestimmtenAnwendungsfall die notwendigen Methoden bereitzustellen. Zur Veranschau-lichung folgt das einfache Beispiel eines trivialen Wareneingangs (s. dazu auchAbbildung 6.6). Der Wareneingangsmitarbeiter soll die folgenden Daten an-geben:

• die Artikelnummer der eingehenden Ware,• die Anzahl der Artikel, die auf der neuen Palette lagern,• die Paletten-ID, auf der die eingehende Ware eingelagert werden soll,• den Ort, auf dem die neue Palette steht.

Der einfachste Wareneingang benotigt also lediglich eine einfache Methodein der WareneingangBean, z. B. :

WareneingangBean.neuePalette (artikelnr,

anzahl,

palettenId,

ortsbezeichnung)

Die Geschaftslogik nimmt diese Daten entgegen. Anhand der Artikelnummerwird mit Hilfe des ArtikelstammService die passende ArtikelstammEntityermittelt, mit Hilfe eines PalettenService wird eine neue PaletteEntity

angelegt und mit der neuen Paletten-ID eindeutig benannt, mit Hilfe desLagerfachServicewird das aktuelle LagerfachEntity ermittelt. Die Datenwerden von der Geschaftslogik miteinander verknupft: Dem Lagerfach wirddie neue Palette zugefugt und der Palette wird die angegebene Anzahl vonArtikeln mit der angegebenen Artikelnummer zugefugt.

Dabei achtet die Geschaftslogik darauf, dass die Paletten-ID eindeutig istund nicht bereits anderweitig im Lager verwendet wird, dass die Artikelnum-mer gultig und nicht gesperrt ist, dass das angegebene Lagerfach eine weiterePalette uberhaupt aufnehmen darf und so weiter.

Die Geschaftslogik ist stark abhangig vom Prozess, der im Lager ablau-fen soll. Anderungen am Prozess fuhren schnell zu einer Anderung an der

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248 6. Softwareengineering

Geschaftslogik. Beispielsweise konnte eine Auskunftsfunktion vorgesehen wer-den, anhand der ein Wareneingangsmitarbeiter nach einer Artikelnummer su-chen kann. Des Weiteren konnte der Lagerbehalter vom System anhand derArtikelstammdaten vorgegeben werden usw.

Die Geschaftslogik ist in der Regel von einem entfernten Rechner auserreichbar. Damit ist die Geschaftslogik auch die Stelle in der Anwendung,an der die Benutzerauthentifizierung erfolgen muss. Die Anwendung in ei-nem Application-Server kann dazu fur jede einzelne Geschaftslogik-Bean odersogar fur einzelne Methoden einer Bean Regeln definieren. Grundsatzlichkann so das Konzept von Rollen und Anwendern realisiert werden, wiedies auch in einem relationalen Datenbanksystem moglich ist. Im Falle desApplication-Servers ist jedoch meist die Abstimmung zwischen Rolle, Aufga-be (Geschaftslogik-Bean) und Berechtigung einfacher, denn im Application-Server werden die Berechtigungen eben nach Aufgabe verteilt und nicht, wiein der Datenbank, nach Tabellen (also Daten).

Web-ApplikationApplication-Server bieten grundsatzlich einen eigenen Webserver. Das hatdann den Vorteil, dass eine Webanwendung, auch Web-Applikation oder Web-app genannt, sehr eng mit der ubrigen Anwendung zusammenarbeiten kann.Eine Web-Applikation ist eine Benutzerschnittstelle34, sie ermoglicht die In-teraktion von Menschen mit der Anwendung. Bei einer Webanwendung wirddazu ein Internetbrowser benotigt, mit dem die Seiten der Webanwendungabgerufen werden konnen. Prinzipiell konnen keine Daten vom Webserver aneinen Browser ubertragen werden, außer der Browser fragt diese Daten an35.

Die Konzepte der Web-Applikation und der ubrigen Application-Server-Anwendung erganzen sich sehr gut. Ein Webserver erhalt einen Aufruf voneinem Browser, ruft im Zuge der Bearbeitung dieses Aufrufs Methoden deruntergeordneten Anwendung auf und fasst die Ergebnisse in einer Antwortzusammen, dem zuruckgelieferten HTML-Dokument, welches ein Browserdarstellt. Das zuruckgelieferte HTML-Dokument besitzt seinerseits Buttons,Links oder andere interaktive Elemente, mit denen dann der nachste Aufrufzum Webserver erfolgen kann und so weiter.

Auch fur Web-Applikationen existieren Mechanismen zur Benutzer-Au-thentifizierung. Diese konnen mit den Mechanismen der ubrigen Anwendungkoordiniert werden. Denkbar ist prinzipiell auch, dass die Benutzerauthentifi-zierung ausschließlich in der Web-Applikation erfolgt und die restliche Appli-kation vollig offen gehalten wird. Damit wird allerdings die Authentifizierungan das User Interface delegiert, was eher nicht zu empfehlen ist:

34 engl. User Interface oder UI35 Allerdings ist es moglich, dem Browser in einer ausgelieferten Seite mitzuteilen,

dass er nach einer definierten Anzahl von Sekunden eine Seite nachladen soll,worauf wiederum der Webserver ein weiteres Mal das gleiche oder ein anderesDokument ausliefert.

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6.5 Application-Server (Java EE) 249

• Die Anzahl der User Interfaces ist in der Regel großer oder gleich der An-zahl der Geschaftslogiken, die von den User Interfaces genutzt werden. Dieeinmalige Implementierung an zentraler Stelle erfordert weniger Aufwand.

• Authentifizierung von Benutzern ist Geschaftslogik und sie ist geschaftsre-levant, also sensibel.

• Spatestens, wenn das User Interface nicht mehr im Application-Server aus-gefuhrt wird, was auch mit Web-Applikationen moglich ist, wurde eineoffene, unauthentifizierte Schnittstelle betrieben, die per Definition nichtkontrollierbar ist.

ClientUbrig bleiben externe Zugriffe auf eine Application-Server-Anwendung. Die-se Variante ist ein verteiltes System36. Abgebildet werden diese Zugriffeuber einen in Java realisierten und transparenten Mechanismus der Ob-jektserialisierung37 mittels RMI38 und JNDI39. Diese Mechanismen arbei-ten vollstandig transparent. Die externe Applikation kann auf die entferntenGeschaftslogik-Beans zugreifen, als seien es lokale Objekte.

Zugriffe auf entfernte Objekte kosten allerdings gegenuber lokalen Zugrif-fen ein Vielfaches der Zeit. Zudem werden die Daten aus lokalen Objektenin der Regel nicht ubermittelt, sondern deren Referenz wird ubergeben. Da-tenubergaben an entfernte Objekte oder von entfernten Objekten bedurfendagegen der Ubermittlung der Daten. Die ubergebenen Daten werden alsobei entfernten Zugriffen kopiert. Daraus ergeben sich zwei Anforderungen andas Design der Anwendung:

1. Datensparsamkeit: Je weniger Daten bei einem Methodenaufruf uber-mittelt werden mussen, desto schneller wird dieser abgearbeitet werdenkonnen.

2. Minimale Anzahl von Aufrufen: Je ofter Aufrufe getatigt werden mussen,desto mehr Zeit geht durch verteilte Aufrufe verloren.

In der Praxis fuhrt das dazu, dass die so genannten Transfer-Objekte ein-gefuhrt werden, die alle benotigten Informationen eines entfernten Methoden-aufrufs kapseln. Es werden vorzugsweise elementare Datentypen ubermittelt,da diese am schnellsten zu ubermitteln sind. Zudem werden die Methodenso ausgelegt, dass moglichst pro Prozess-Schritt im Benutzerinterface nur einMethodenaufruf notwendig ist, der alle relevanten zu ubermittelnden Para-meter sammelt.

36 siehe auch Kapitel 6.1.437 Die Objekte werden in eine ubertragbare Datenstruktur uberfuhrt, ubertragen

und auf der Empfangerseite wieder in die Objektform uberfuhrt.38 siehe auch Kapitel 6.639 Java Naming and Directory Interface, ein in der Java-Plattform anzusiedelnder

einheitlicher Namens- und Verzeichnisdienst.

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250 6. Softwareengineering

Oft gehort ist der Wunsch nach generischen Schnittstellen, die eine Viel-zahl von moglichen Prozessen am Benutzerinterface abdecken konnen. DerAufwand, einen geanderten Prozess abzubilden, soll moglichst gering gehal-ten werden. Generische Schnittstellen sind aber definitionsgemaß nicht pro-zessspezifisch. Gerade an der Schnittstelle zum Client sollte klar werden, dasssich hier zwei widerspruchliche Ziele gegenuber stehen:

1. generische Schnittstellen mit einem Maximum an Prozessflexibilitat, aberschlechter Performance

2. hoch spezialisierte Schnittstellen mit einem Maximum an Performance,aber schlechter Prozessflexibilitat

Das Application-Server-Konzept, insbesondere die aktuellen Entwicklun-gen, versuchen hier einen guten Kompromiss zu finden. Es konnen hochperformante Applikationen entwickelt werden. Dabei ist der Aufwand beiAnderungen fur eingearbeitete Entwickler uberschaubar und selbst haufigeInbetriebnahmen neuerer Versionen im Produktiv-System werden vom Appli-cation-Server gut unterstutzt.

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6.6 Service-orientierte Architektur (SOA) 251

6.6 Service-orientierte Architektur (SOA)

SOA ist die Abkurzung fur service oriented architecture oder Service-orien-tierte Architektur. SOA beschreibt selbst keine Technologie, sondern stellt einKonzept dar. Service-orientierte Architekturen haben das Potenzial, schnellauf sich andernde Anforderungen an die Geschaftsprozesse eines Unterneh-mens zu reagieren. Durch den Einsatz von SOA wird ein Unternehmen alsoagiler. Eine SOA besitzt die folgenden Eigenschaften [12]:

Lose Kopplung Aufrufende und aufgerufene Beteiligte sind weitestgehendvoneinander entkoppelt. Damit kann ein Beteiligter durch einen anderenersetzt werden, ohne dass Anderungen an dem oder den anderen Betei-ligten notwendig sind. Aufrufe sind moglich, ohne die zugrunde liegendeImplementierung eines Services zu kennen. Die lose Kopplung leistet da-mit einen erheblichen Beitrag zur Abstraktion.

Kontrakt Services und deren Benutzer sind an die jeweilige Schnittstellen-Spezifikation des Service gebunden. Darin werden die Parameter undRuckgabewerte eines jeweiligen Service festgelegt.

Autonomie Die Services steuern die in ihnen enthaltene Logik autonom.Abstraktion Services verbergen die in ihnen enthaltene Logik und deren

Implementierung40.Wiederverwendbarkeit Der Service kann von unterschiedlichen Aufrufern

genutzt werden.Komposition Die einzelnen Services konnen in zusammengesetzten Ser-

vices41 verwendet werden.Die Komponierbarkeit der Services starkt daher deren Wiederverwend-barkeit. Grundsatzlich lassen sich so auch Services anlegen, deren primar-er Zweck in der Komponierbarkeit und der Wiederverwendbarkeit liegtund die damit andere Services stutzen.

Zustandsfreiheit Services minimieren zustandsbehaftete Operationen42.Im Idealfall reicht eine Botschaft an einen Service aus, um die jeweiligeOperation vollstandig auszufuhren. Zustandsfreiheit tragt dazu bei, dieAbhangigkeiten einer Software klein zu halten, und leistet einen Beitragzur Robustheit einer Software.

Auffindbarkeit Services sind selbstbeschreibend, so dass sie uber Suchme-chanismen gefunden und dann genutzt werden konnen. Dieser Aspektwird durch den Service-Kontrakt ermoglicht und fordert damit die Wie-derverwendbarkeit. Auffindbarkeit kann auch durch ein Dienste-Verzeich-nis (engl. Repository) gewahrleistet werden.

40 Der Fachbegriff fur etwas, dessen Außeres, nicht aber dessen Inneres bekannt ist,lautet Blackbox.

41 sog. Composite Services42 Hiermit ist insbesondere der technische Aspekt gemeint und nicht der Zustand

von Geschaftsvorfallen.

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252 6. Softwareengineering

Die Beteiligten (Aufrufer und Aufrufender) konnen an verschiedenenStandorten oder in verschiedenen Softwareprozessen betrieben werden. Ubli-cherweise, aber nicht notwendigerweise ist ein Netzwerk beteiligt, uber wel-ches eine Verbindung hergestellt wird.

Services konnen als weitere Entwicklungsstufe klassischer Komponentengesehen werden: Auch diese haben ein per Kontrakt festgeschriebenes Inter-face und sie konnen ohne Anderung per Komposition zu neuen Komponentenzusammengefasst werden.

Zur Implementierung einer SOA kommen unter anderem folgende Tech-nologien in Frage:

RPC Die Abkurzung RPC steht fur Remote Procedure Call. Funktionen undProzeduren werden konventionell in einem Server implementiert und imRahmen eines Server-Prozesses gestartet. Ein entferntes Programm kanndiese Funktionen dann uber das Netzwerk aufrufen.

XML-RPC Es handelt sich um eine Variante, entfernte Funktionen undProzeduren aufzurufen. Die Daten werden dabei in Form von XML-Botschaften ausgetauscht. XML-RPC kann als ein Vorlaufer zum SOAP(siehe unten) betrachtet werden.

CORBA Die Abkurzung CORBA steht fur Common Objekt Request Bro-ker Architecture und stellt die objektorientierte Erweiterung von RPCdar. Es werden nicht einzelne Funktionen fur den Fernzugriff exponiert,sondern ganze Serverobjekte mit ihren Methoden stehen fur entfernteProzesse zur Verfugung. CORBA ist plattformunabhangig und in vielenobjektorientierten Programmiersprachen verfugbar.

RMI Die Abkurzung RMI steht fur Remote Method Invocation. RMI istwie CORBA eine objektorientierte Variante fur den Zugriff auf entfernteObjekte. RMI ist aber im Wesentlichen auf die Programmiersprache Ja-va beschrankt und dort sehr gut integriert. Obwohl auch Java direkt anCORBA anschließt, ist eine Kopplung zwischen RMI und CORBA prin-zipiell moglich. RMI ist, wie Java an sich auch, plattformunabhangig.Die Kopplung anderer Programmiersprachen ist allerdings nicht Ziel vonRMI [53].

SOAP Ursprunglich steht die Abkurzung SOAP fur Simple Object AccessProtocol. Neben anderen Deutungen43 ist SOAP mittlerweile vor allemein Eigenname (vgl. [78], [79]).

Webservice Webservice kombiniert drei Standards:• UDDI (Universal Description, Discovery and Integration), ein Ver-

zeichnisdienst, an dem sich die zur Verfugung stehenden Dienstanbieteranmelden und uber den sie von den Dienstanwendern lokalisiert werden

• WSDL (Web Services Description Language) zur Beschreibung der an-gebotenen Dienste, also deren Funktionen/Prozeduren und Parameter

• SOAP oder XML-RPC (siehe oben) zum eigentlichen Datenaustausch

43 z. B. Service Oriented Architecture Protocol

Page 263: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

6.6 Service-orientierte Architektur (SOA) 253

Jini ist ein Java-basiertes Rahmenwerk mit besonderem Fokus auf Skalier-barkeit. Jini44 definiert, wie sich Dienste (Server) und Dienstnutzer (Cli-ents) in einem Netzwerk finden. Die eigentliche Netzwerkkommunikationkann z. B. uber RMI, SOAP oder CORBA erfolgen.

In den meisten Unternehmen existiert bereits eine IT-Infrastruktur. Die-se ist moglicherweise nicht nach den Prinzipien der SOA eingefuhrt wor-den. Wird dennoch das Ziel gesetzt, eine SOA zu implementieren, sind eini-ge Punkte zu beachten: Die Services einer SOA eines Unternehmens solltenden Geschaftsprozessen folgen. Dabei sollten kleine uberschaubare Schrittegetatigt werden. Eine im SOA-Umfeld oft zitierte Maxime lautet Think big,start small. Die Entwicklung und Einfuhrung neuer Services einer SOA solltevon den Geschaftsprozessen getrieben werden.

Der Sicherheit der implementierten SOA kommt eine besondere Bedeu-tung zu:

• Welche Auswirkungen hat die Einfuhrung von SOA auf die Verfugbarkeitder geschaftskritischen IT-Infrastruktur?

• Welche Sicherheitsmechanismen werden eingesetzt45?

Die uber SOA exponierten Dienste konnen einfach von anderen Applika-tionen genutzt werden. Dies fuhrt moglicherweise zu einer erhohten oder sogarinflationaren Nutzung einiger Dienste. Insbesondere bei Auskunftsdienstenist dies zu erwarten. Diese Dienste benotigen daher in einer SOA-Umgebungmehr Computerleistung. Zusatzlich wird durch die Einfuhrung von SOA auchdie restliche IT-Infrastruktur durch die einhergehende hohere Abstraktionund mehr Kommunikation starker belastet.

Unter dem Begriff SOA kann sicherlich die gesamte Kommunikation zwi-schen den Komponenten und Applikationen einer Unternehmens-IT saniertwerden. Die Auseinandersetzung mit SOA sollte daher mit einer Betrachtungder aktuellen Schnittstellen beginnen. Davon ausgehend ist es hilfreich, eineVorstellung davon zu entwickeln, wie eine SOA in einem Unternehmen reali-siert werden kann. Dennoch sollten zunachst nur die drangenden, aktuellenAufgaben in der SOA-Welt realisiert werden. Sollen beispielsweise Legacy-Anwendungen46 an neuere Applikationen angeschlossen werden, bietet essich an, SOA-Adapter (engl. Wrapper) zu den alten Legacy-Applikationenzu schaffen. Dies bietet zum einen den Vorteil eines uberschaubaren Arbeit-spaketes zur Realisierung und ermoglicht andererseits einen guten Vergleich

44 Eine offizielle Erklarung des Wortes Jini wird vom Hersteller Sun nicht gege-ben; eine mogliche/ubliche Interpretation lautet Java intelligent network infra-structure. Bleibt noch anzumerken, dass die meisten Java-Technologien mit demBuchstaben J beginnen und die Aussprache im Englischen dem Wort Genieahnelt.

45 Insbesondere, wenn fremde Unternehmen angebunden werden sollen.46 Als Legacy-Anwendungen werden alte Softwaresysteme bezeichnet, die aus histo-

rischen Grunden noch weiterbetrieben werden, deren Technologie aber veraltetist.

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254 6. Softwareengineering

gegenuber einer konventionellen Realisierung. Gesteigerte Anforderungen andie Infrastruktur konnen iterativ kompensiert werden.

Fruher oder spater wird es notwendig sein, die betroffenen SOA-Kompo-nenten (Soft- und Hardware) unternehmensweit zu katalogisieren. Eine Ka-talogisierung ist auch ratsam bezuglich der unterschiedlichen Technologien,mit denen bestehende Systeme moglicherweise eigene Dienste anbieten. Zu-dem verfugen die Hersteller einiger eingesetzter Systeme uber eigene Plane,was den Aufbau der Kataloge und den Ausbau der Dienste angeht.

Page 265: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7. Datenmodell eines WMS am Beispiel

myWMS

Es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Warehouse Managementsysteme.Sie unterscheiden sich

• im Umfang ihrer Funktionalitat,• in ihren Schnittstellen,• in der erforderlichen Hardware,• in den benotigten Betriebssystemen,• in ihren Bedienkonzepten

und in vielen weiteren Punkten und nicht zuletzt in den Investitionskosten.Zumeist bedeutet die Festlegung auf ein WMS die langfristige Bindung desLagerbetreibers an den Hersteller und damit die Abhangigkeit bei der Erwei-terung der Funktionalitat, dem Ausbau der Schnittstellen und dem Austauschder Hardware.

Ein modulares und offenes Warehouse Managementsystem, das unabhan-gig von Hardware und Betriebssystem und in einer auf breiter Basis akzeptier-ten Programmiersprache implementiert ist, ist zur Schaffung einer Kompa-tibilitat zu Produkten und Bausteinen verschiedener Quellen und Herstellerhilfreich. Dadurch kann eine effiziente Anpassung an die schnell wechselndenGegebenheiten des Marktes gewahrleistet werden.

Eine derartige ganzheitliche Losung fur WMS wird seit dem Jahr 2000am Fraunhofer IML1 unter dem Namen myWMS2 entwickelt. Es handelt sichhierbei um ein auf dem Baukastenprinzip beruhendes Rahmenwerk (Frame-work) fur Warehouse Managementsysteme. Es stellt eine Menge von Software-modulen und Regeln fur die softwaretechnische Konstruktion zur Verfugung,welche die Erstellung eines WMS unterstutzen.

myWMS ist ein Open-Source-Projekt und kann z.B. fur Forschung undLehre kostenfrei verwendet werden. Eine entsprechende CD mit weiteren In-formationen, Quelltexten und einer Beispielapplikation liegt diesem Buch bei.

In diesem Kapitel wird zunachst ein allgemeines Datenmodell diskutiert,wie es in der Praxis bei vielen Warehouse Managementsystemen anzutreffenist und welches auch die Grundlage fur myWMS bildet. Danach wird der

1 Fraunhofer-Institut fur Materialfluss und Logistik, Dortmund2 siehe hierzu http://www.mywms.org

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256 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

klassische Ansatz zur Realisierung eines WMS aufgezeigt. Nachfolgend wer-den die elementaren Strukturen von myWMS vorgestellt, und abschließendwird an einem Beispiel der praktische Einsatz von myWMS demonstriert.

7.1 Datenmodell

Die Grundlage eines jeden WMS ist ein Datenmodell, das die Basis der Ver-waltung der vielfaltig auftretenden Datenbestande und Datenstrome im Be-trieb eines Lagers darstellt. Ein Datenmodell bildet die fur eine Anwendungrelevanten Teile der Realitat in softwaretechnische Strukturen (Datenstruk-turen) ab. Der erste Schritt der Modellierung ist die Analyse der fur einWMS relevanten Daten, ihrer Strukturen und ihre formale Beschreibung. Ineinem nachfolgenden Schritt mussen die Beziehungen der Daten zueinanderanalysiert und spezifiziert werden.

Datencontainer des Modells Die nummerierten Kastchen der Abb. 7.1stellen die Datencontainer, im Folgenden Container (Datenhalter) genannt,fur die Daten eines WMS dar. Ein Container nimmt gleich strukturierte undlogisch zusammenhangende Daten auf.

Die Spezifizierung der exakten Dateninhalte eines Containers ist dabeizunachst von untergeordneter Bedeutung. So kann beispielsweise im Contai-ner 1c der Abb. 7.1, also in dem den Kunden reprasentierenden Container,nur eine Kundennummer oder die ausfuhrliche Auffuhrung der den Kundenbeschreibenden Daten wie Vorname, Name, Lieferadresse, Rechnungsadres-se, Telefonnummern etc. stehen. Wichtig ist an dieser Stelle zunachst, dassdie Container in dem Modell vorhanden und deren Bedeutungen eindeutigdefiniert sind und sie Teile der Realitat darstellen.

• Lieferant: Der Container 1a enthalt die Daten, welche die Zulieferer einesLagers beschreiben.

• Hersteller: Der Container 1b beinhaltet die Daten der Hersteller der ein-zelnen Artikel.

• Kunden: Der Container 1c enthalt die Daten der Kunden, die aus diesemLager beliefert werden.

• Warengruppe: Innerhalb eines Lagers ist eine Gruppierung der Artikelnach verschiedenen Kriterien moglich, die mit Container 2 realisiert wird.

Die Wahl der Nummerierungen fur die drei ersten Container ist mit 1a, 1bund 1c gewahlt worden. Da es vorstellbar ist, dass ein Lieferant auch Kundeoder ein Hersteller auch Lieferant (und umgekehrt) sein kann, ware hier zurVermeidung redundanter Datenhaltung eine Zusammenlegung der Container1a, 1b und 1c zu einem Container empfehlenswert, der eine juristische Personreprasentiert. Die Kenntnis uber diese Personen ist fur ein WMS nicht rele-vant und daher, genau so wie der Container fur die Warengruppe, in Abb. 7.1außerhalb der gestrichelten Linie gezeichnet.

Page 267: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.1 Datenmodell 257

Personal-verwaltung

Qualitäts-sicherung

Mandanten-verwaltung

Speditionswesen

Warenwirtschafts-system

1

m n

1

m

1

1

1 1

1

m

1

m

1

m

1

m

1

m

1

m

m n

m

n

m n

m n

m n

m

n

1

m

m

n

m

n

Hersteller

Kunde

order(WAAnforderung)

stockUnitCategory(Artikelgruppe)

supply(WEAnforderung)

Lieferant

Warengruppe

itemData(Artikelstamm)

stockUnit(Artikel)

unitLoad(Ladehilfsmittel)

loadHandler(Maschine)

locationCategory(Lagerplatzgruppe)

location(Lagerplatz)

worker(Arbeiter)

orderChain(Transportauftrag)

BeispielWMS

1a

1b

1c

3 4

2

5

6

7

98

10 11 12

13

Abbildung 7.1. Das Datenmodell eines Warehouse Managementsystems mit denangrenzenden Systemen. Die gestrichelte Linie grenzt das WMS von seiner Umge-bung ab. Doppelt beschriftete Datencontainer zeigen die in myWMS verwendeteBezeichnung und darunter in Klammern die deutschsprachige Benennung.

Im Folgenden werden die fur das WMS relevanten Datenhalter beschrie-ben, die auch von externen Systemen (z. B. Personalverwaltung, Qualitatssi-cherung und Warenwirtschaft) benotigt werden (s. 262). Dabei wird hier jederContainer doppelt benannt: zuerst deutschsprachig, gefolgt von einer tech-nischen Benennung aus Begriffen der englischen Sprache, wie sie allgemeinublich sind und im myWMS-Projekt verwendet werden.

• WEAnforderung (Supply): Unter einem Supply wird eine ausgehendeBestellung (und gegebenenfalls deren Ausfuhrung) von Artikeln fur dasLager verstanden.

• Artikelstamm (ItemData): Der Container 4 beinhaltet die Metadaten zuden konkreten Artikeln. In ItemData werden die Eigenschaften der Artikelbeschrieben und nicht die Bereitstelleinheiten, die sich im Lager befindenund mit einer Seriennummer assoziiert sind. Insbesondere sind hierunterauch die Daten zu verstehen, die fur die korrekte Lagerung und Bewe-gung notig sind, wie etwa Vorzugszone (A, B oder C), erlaubter Licht- undTemperaturbereich, Anzahl Bereitstelleinheiten pro Palette oder Gefahr-gutklasse und Gewichtsangaben (vgl. Abschn. 2.4).

Page 268: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

258 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

• WAAnforderung (Order): Container 5 enthalt eingehende Bestellungen(Kundenauftrage) und ist analog zu dem Container fur Supply zu verste-hen. Lediglich die Lieferanten- und die Kundenseite sind vertauscht.

• Arbeiter (worker): Hier werden Daten uber Lagermitarbeiter aufgenom-men, beispielsweise von Kommissionierern. Insbesondere sind fur den Be-trieb des Lagers Informationen uber die Berechtigungen und Fahigkeitender Mitarbeiter fur den Umgang und die Fuhrung von Maschinen - zumBeispiel Gabelstaplern - erforderlich.

• Lagerplatzgruppe (LocationCategory): Uber den Container 12 lassen sichLagerplatze gruppieren. Hierdurch konnen Lagerplatze einer Zone oder La-gergruppe zugeordnet sowie nach anderen Kriterien klassifiziert werden.

• Transportauftrag (OrderChain): Der Container 13 halt Daten uber dieeinzelnen Bewegungen der Ladehilfsmittel zwischen Lagerplatzen. Er kannals eine Art Mitschrift verstanden werden.

Die letzte Gruppe von Containern ist nur innerhalb des WMS relevant.Es gelten die gleichen Namenskonventionen wie bei den oben beschriebenenSchnittstellencontainern.

• Bereitstelleinheit (StockUnit): Im Container 6 werden die Daten zuden Artikeln gehalten, auf deren Metadaten uber Container 4 (ItemDa-ta) zugegriffen werden kann. Ein Gerat mit einer Seriennummer stellt dieKonkretisierung seines Metadatums dar. Der Fernseher Modell

”Schau ins

Land“ mit der Seriennummer 405432100002 stellt beispielsweise einen Ein-trag im Container Bereitstelleinheit dar, wogegen im Container Arti-kelstamm alle Fernseher des Modells

”Schau ins Land“ beschrieben sind

und das konkrete Modell nur Auswirkungen auf den Bestand hat. AhnlicheUberlegungen gelten auch fur Systeme, die keine Seriennummern verwal-ten.

• Artikelgruppe (StockUnitCategory): Hier konnen Klassifizierungen uberkonkrete Bereitstelleinheiten, wie etwa die Chargenbildung oder die Tou-rennummer des Lieferanten, vorgenommen werden.

• Ladehilfsmittel (UnitLoad): Der Container 9 beschreibt das Ladehilfs-mittel, auf dem sich Bereitstelleinheiten befinden konnen. Ein Ladehilfs-mittel kann gemischt oder artikelrein belegt sein.

• Maschine (LoadHandler): Die Maschine dient zur Durchfuhrung der phy-sischen Transporte und muss zu diesem Zweck temporar Ladeeinheitenaufnehmen. Kurzfristig dient eine Maschine damit als

”Lagerplatz“.

• Lagerplatz (Location): Im Container 11 werden die Lagerplatze erfasst.Ein Lagerplatz kann belegt oder frei sein. Zusatzlich kann, wie bei allenanderen Containern auch, ein Sperrkennzeichen vergeben werden.

Die bisher vorgestellten Container beschreiben die Daten eines typischenLagers. Dieses Modell kann durch zusatzliche Container erweitert werden.So ware beispielsweise ein Container fur die Gruppierung der Ladehilfsmitteldenkbar, um verschiedene Ladehilfsmittel mit partiell gleichen Eigenschaften

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7.1 Datenmodell 259

klassifizieren zu konnen. Das hier dargestellte Modell geht von dem in derPraxis vorherrschenden Fall weniger Ladehilfsmitteltypen aus und bildet die-se Unterschiedlichkeiten in einem Attribut des Containers Ladehilfsmittel ab.Ein konkretes Datenmodell muss nicht alle Container des hier vorgestelltenModells nutzen.

Beziehungen zwischen den Daten Wahrend die Container der Abb. 7.1die Daten eines WMS beschreiben, werden uber die Linien in dieser Abbil-dung die Beziehungen (Relationen) zwischen ihnen aufgezeigt. Dabei sindmehrere Arten von ein- oder zweiseitig gerichteten Beziehungen moglich, de-ren Vielfachheit durch Zahlen oder Buchstaben am Ende der Verbindungsliniegekennzeichnet sind:

• Eine 0 bedeutet, dass keine Beziehung in diese Richtung besteht. Zur Ver-einfachung der Darstellung einer Beziehung muss eine 0 nicht dargestelltwerden. Beziehungen, die auf beiden Seiten mit 0 beschrieben sind, werdenleere Beziehungen genannt, haben keinen Informationsgehalt und werdenauch nicht gezeichnet.

• Die 1 auf einer Seite einer Beziehungslinie stellt dar, dass auf dieser Seitegenau ein Element des Containers dem Container auf der anderen Seiteder Linie zugeordnet ist. So hat beispielsweise eine Telefonnummer eineBeziehung zu genau einer juristischen Person (Kunde, Hersteller oder Lie-ferant).

• Steht ein n auf einer Seite einer Beziehungslinie, dann existieren zu dieserSeite bis zu maximal n Beziehungen. So kann beispielsweise eine juris-tische Person uber mehrere Telefonanschlusse verfugen, dieses impliziertallerdings auch, dass kein Telefonanschluss vorhanden sein kann.

Im Falle einer in beiden Richtungen mehrfachen Beziehung wird eine Sei-te mit n und die andere Seite mit m beschriftet, um anzudeuten, dass dieVielfachheit unterschiedlich sein kann. So konnte zum Beispiel eine n m

Relation zwischen dem Hersteller- und dem Lieferanten-Container aufgezeigtwerden, wenn diese relevant ware. Diese Relation konnte zeigen, dass sich einHersteller der Leistung von n Lieferanten bedient, ein Lieferant dagegen dieProdukte von m Herstellern fuhrt. Eine n m -Beziehungslinie entsprichtsomit der symbolischen Zusammenfassung einer n 0 und einer 0 m

-Linie.Nachfolgend werden alle Beziehungslinien der Abb. 7.1 tabellarisch auf-

gefuhrt und beschrieben. Dabei werden die Nummern der beteiligten Contai-ner jeweils durch eine der oben stehenden Linien verbunden und nachstehendmit einem Namen versehen.

• ( 1a 1 n 6 ) Lieferung: Diese Relation beschreibt die Lieferung vonArtikeln, wobei ein Lieferant mehrere Artikel (n ≥ 0) liefert, ein Artikelaber genau einer Lieferung eines Lieferanten angehort. Das Datenmodell

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260 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

allein ist nicht in der Lage, sinnvolle Verknupfungen von unsinnigen zuunterscheiden. So erlaubt diese Relation beispielsweise leere Lieferungen,also auch solche, die keine Artikel enthalten. Die ubergeordnete Logik hatsicherzustellen, dass eine Lieferung mindestens einen Artikel enthalt.

• ( 1a 1 n 3 ) Bestellung (oder Avis): Uber diese Relation wirdeine Bestellung (oder ein Avis) abgebildet. Dabei ist eine Bestellung (einAvis) genau einem Lieferanten zugeordnet, wahrend ein Lieferant mehrerenBestellungen (Avisen) zugeordnet sein kann.

• ( 1a m n 4 ) Katalog: Der Katalog eines Lieferanten beinhaltetdie Metadaten verschiedener Artikel, allerdings kann ein Artikel auch vonunterschiedlichen Lieferanten bezogen werden.

• ( 1b 1 n 4 ) Produktliste: Ein Artikel, der hier durch sein Me-tadatum reprasentiert wird, wird von genau einem Hersteller produziert,dieser kann jedoch mehrere Artikel in seinem Programm fuhren.

• ( 1c m n 4 ) Kaufverhalten: Das Kaufverhalten des Kunden kanndurch eine Beziehung zwischen Artikelstamm und Kunde beschrieben wer-den. Ein Kunde kann unterschiedliche Artikel kaufen und ein Artikel kannvon unterschiedlichen Kunden gekauft werden.

• ( 1c 1 n 5 ) Bestellung: Ein Kunde kann im Laufe der Zeit ver-schiedene Bestellungen absetzen, aber eine Bestellung ist immer genau ei-nem Kunden zugeordnet.

• ( 1c 1 n 6 ) Seriennummernverfolgung: Diese Relation erlaubtdie Ruckverfolgung gelieferter Artikel zum Kunden und umgekehrt. Uberdie vom Artikel ausgehende Relation Lieferung (zum Lieferanten) kannbeispielsweise ein Garantiefall abgewickelt werden. Auch die Kette furRuckrufaktionen schließt sich mit dieser Relation.

• ( 2 m n 4 ) Warengruppenzugehorigkeit: Die Relation Waren-gruppenzugehorigkeit fasst die Metadaten von Artikeln mit gleichen Ei-genschaften zusammen. Diese Verknupfung ist eher im Bereich der Shop-oder Warenwirtschaftssysteme von ubergeordnetem Interesse.

• ( 3 m n 4 ) Einlagerauftrag: Eine Lieferung fuhrt zu einem Ein-lagerauftrag, der mit einer Menge von Artikeln in Verbindung steht. DieVerknupfung einer Lieferung erfolgt nicht nur mit den konkreten Artikeln,sondern auch mit deren Stammdaten.

• ( 4 m n 4 ) Zusammenlagerungsverbot: Da verschiedene Ar-tikel nicht miteinander gelagert werden durfen (vgl. Kapitel 2), ist dieseRelation erforderlich.

• ( 4 m n 5 ) Auslagerauftrag: Jeder Kundenauftrag ist mit ei-ner Menge von Artikeln assoziiert, die durch diese Relation mit den zu-gehorigen Metadaten beschrieben wird.

• ( 6 m n 7 ) Artikelgruppenzugehorigkeit: Ein Artikel kannmehreren Gruppen angehoren und jede Gruppe eine Vielzahl von Artikelnbeinhalten.

Page 271: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.1 Datenmodell 261

• ( 6 n 1 9 ) Ladung: Mittels dieser Relation wird die Zuordnungder Artikel zu den Ladehilfsmitteln beschrieben. Zwar kann ein Artikelimmer nur auf genau einem Ladehilfsmittel stehen3, jedoch kann diesesmehrere Artikel aufnehmen.

• ( 8 1 0 13 ) Arbeitsauftrag,• ( 9 1 0 13 ) Transportobjekt,• ( 10 1 0 13 ) Transportmedium,• ( 11 1 0 13 ) Transportquelle,• ( 11 1 0 13 ) Transportziel: Diese Relationen gehen alle von ei-

nem Transportauftrag aus und sind einseitig. Die Relation Arbeitsauftragordnet dem Transportauftrag genau eine Person Arbeiter zu, beispielswei-se einen Staplerfahrer fur einen Fahrauftrag oder einen Kommissioniererfur einen Kommissionierauftrag. Innerhalb eines vollautomatischen Lagerswird uber die Relation Arbeitsauftrag die Verantwortlichkeit beschrieben.Die Relation Transportobjekt beschreibt, welches Ladehilfsmittel bewegtwird. Transportmedium gibt die Beziehung zur ausfuhrenden Maschine an.Die Relationen Transportquelle (source) und Transportziel (destination)sind selbsterklarend.

• ( 9 n 1 11 ) Platzbelegung: Jedes Ladehilfsmittel muss genaueinem Platz zugeordnet sein. Ein Lagerplatz kann mehrere Ladehilfsmittelaufnehmen.

• ( 10 m n 11 ) Arbeitsbereich: Ein bestimmter Lagerplatz kann vonmehreren Maschinen erreicht werden, allerdings kann auch eine Maschinemehrere Lagerplatze versorgen.

• ( 11 m n 12 ) Zonung: Verschiedene Lagerplatze lassen sich in Zonengruppieren und jeder Zone konnen viele Lagerplatze angehoren.

Weitere Relationen sind moglich, die aber selten benotigt werden. So kanndas Modell beispielsweise um eine n m -Relation zwischen Arbeiter undMaschine erweitert werden, die uber die Befahigungen zum Fuhren bestimm-ter Maschinen Auskunft gibt. Die Merkmale uber die Befahigungen musstendann aus dem Container Arbeiter entfernt werden.

Die vorhandenen Relationen konnen auch in einer anderen Vielfachheitauftreten, wie etwa die Relation Arbeitsbereich als eine 1 n -Relation,wenn die Lagerplatze von genau einer Maschine angefahren werden, beispiels-weise ein Regalbediengerat. Ahnliche Einschrankungen konnen zum Beispielauch auf die Artikelgruppenzugehorigkeit angewendet werden, wenn die ein-zige Gruppe durch die Charge gebildet wird.

Eine andere Interpretation der Relationen ist denkbar, so kann die Rela-tion Kaufverhalten auch als Kaufverbot auftreten4. Falls sowohl Kaufverhal-

3 Artikel, die ohne Ladehilfsmittel transportiert oder gelagert werden, erfullendurch Zuordnung zu einem

”virtuellen Ladehilfsmittel“, das physisch nicht vor-

handen ist, diese Beziehung.4 Ein solches Kaufverbot fur einzelne Artikel und Lander fand sich z. B. in der

CoCom-Liste (Coordinating Committee on East-West Trade Policy).

Page 272: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

262 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

ten als auch Kaufverbot als Relationen zwischen Kunde und Artikelstammgewunscht sind, sind beide durch je eine separate Linie aufzufuhren.

Schnittstellen Die Container, die in der Abb. 7.1 von der gestrichelten Liniegeschnitten werden, bilden die Schnittstellen des betrachteten WMS. DieDaten dieser Container sind sowohl fur das WMS als auch fur angrenzendeSysteme, wie etwa

• Personalverwaltung,• Qualitatssicherung,• Speditionswesen,• Mandantenverwaltung und• Warenwirtschaft

relevant. Die Implementierung kann auf zwei Arten geschehen: Eine gemein-same Datenbasis vermeidet redundante Datenhaltung und die damit verbun-denen Nachteile (vgl. Abschn. 5.2). Alternativ kann nach dem Prinzip dermehrfachen Datenhaltung gearbeitet werden, das heißt, die Daten liegen inKopien an verschiedenen Stellen vor. Nachteilig ist der damit verbundeneAufwand fur die Synchronisation der Datenbestande und die kurzfristige Ver-letzung der Integritat durch einseitige Datenanderung. Dennoch wird diesesVerfahren in der Praxis haufig eingesetzt, da es einfach zu implementieren istund den zeitweise autonomen Betrieb von Teilsystemen erlaubt.

Abbildung 7.2 erlautert das Verfahren der mehrfachen Datenhaltung amBeispiel der Artikelstammdaten. Diese Daten werden sowohl von einem WMSals auch von einem Warenwirtschaftssystem (WWS) benotigt. Dabei ist zubeachten, dass der Artikelstamm neben einem von beiden Systemen gemein-sam genutzten Teil - in der Mitte der Abb. 7.2 grau hinterlegt - auch spezifi-sche Daten nur fur das WMS und solche fur das WWS enthalt.

Nur der gemeinsam genutzte Teil bildet die Schnittstelle und muss syn-chronisiert werden. In der Regel wird der Datenabgleich zyklisch zu Zeitengeringer Systemaktivitat, oft nachts, durchgefuhrt. Andere Container, derenDaten einer hoheren Dynamik unterliegen, mussen haufiger, im Extremfallbei jeder Anderung, synchronisiert werden.

7.2 Klassische Realisierung eines WMS

In diesem Abschnitt werden Teilaspekte einer moglichen Realisierung auf derBasis einer relationalen Datenbank beschrieben. Diese Art der Umsetzungdes logischen Konzeptes eines WMS ist typisch fur die heute im Einsatz be-findlichen und am Markt angebotenen Systeme. Aufgrund der suggestivenStruktur relationaler Datenbanken und ihrer eingangigen Abfragesprachen

Page 273: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.2 Klassische Realisierung eines WMS 263

Artikelstamm

Artikelstamm

Artikelstamm

ArtikelnummerArtikelbezeichnungBildURL

ArtikelnummerArtikelbezeichnungBildURL

ArtikelnummerArtikelbezeichnungBildURL

Daten-abgleich

HerstellerInhaltsstoffe

HerstellerInhaltsstoffe

VorzugszoneZLVerbot

VorzugszoneZLVerbot

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

Abbildung 7.2. Realisierung der Schnittstellen durch teilweise redundante Daten-haltung.

konnen Systeme in angemessener Zeit realisiert werden. Fur das oben be-schriebene Datenmodell werden hier grundsatzliche Techniken, wie sie unterEinsatz einer Datenbank ublich sind, erlautert.

sectionFunktionale Struktur Zwei mogliche Arten der Realisierung vonWMS sind die

• mainframe basierten Architekturen (vgl. Abb. 7.3), wobei das WMS aufeinem Zentralrechner mit Datenbankserver5 lauft, oder die

• Client-Server-Systeme (vgl. Abb. 7.4), die verteilte Arbeitsstationsrechnermit spezifischer Funktionalitat an einen Datenbankserver binden.

Bei der Mainframe-Architektur laufen alle Prozesse auf dem Zentral-rechner und werden durch Terminals bedient, die uber keine eigene WMS-Funktionalitat verfugen. Bei Client-Server-Systemen werden diese Prozesseganz oder teilweise auf die intelligenten Arbeitsstationen verteilt und der Ser-ver wird dadurch entlastet. Aus informationstechnischer Sicht sind folgendeTeilaufgaben zu unterscheiden:

• Maskenaufbau und Darstellung der Daten konnen immer lokal erfolgen undbedurfen keines Datenbankzugriffs. Als mogliches Beispiel fur die Auslage-rung der Darstellung sei der html-Browser genannt.

5 Die Datenbankoperationen konnen auch durch den Einsatz eines Applikations-servers gekapselt werden, um auf einem WMS-nahen Niveau Dienste anbieten zukonnen.

Page 274: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

264 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

DBApplikation

(WMS)

. . .

. . .

Terminal

Server

Client

Abbildung 7.3. Beispiel einer mainframe-basierten Architektur

• Plausibilitatskontrollen konnen an einen Client abgegeben werden. DiePrufung auf richtige Eingabe einer Postleitzahl oder einer E-Mail-Adressebeispielsweise sind Aktionen, die lokal abgearbeitet werden konnen. Ei-ne Versendung dieser Daten vom Client zum Server und zuruck kann alsunnotige Kommunikation betrachtet werden.

• Integritatschecks dienen der Sicherung der Vollstandigkeit und Wider-spruchsfreiheit der Daten. Im Allgemeinen werden hierzu mehrere Da-tensatze benotigt, so dass diese Checks vorzugsweise auf dem Server aus-gefuhrt werden. So muss beispielsweise vor dem Loschen von Artikelstamm-daten gesichert sein, dass sich keine Artikel mit der Artikelnummer des zuloschenden Datensatzes mehr im Lager befinden und auch nicht avisiertsind.

• Berechnungen konnen, abhangig davon, ob Daten vom Datenbankserverbenotigt werden oder nicht, teils lokal und teils nur auf dem Server aus-gefuhrt werden.

• Datenbankoperationen mussen in der Regel auf dem Server ausgefuhrt wer-den. Eine Ausnahme stellen verteilte Datenbanken dar, die teilweise durchdie Clients realisiert werden (Peer-to-Peer-Losungen). Diese Form der Da-tenhaltung und des Datenaustausches finden z.B. bei Tauschborsen imInternet Anwendung.

Page 275: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.2 Klassische Realisierung eines WMS 265

DBApplikation

(WMS)

. . .

. . .

Abbildung 7.4. Beispiel einer Client-Server-Architektur

Eine Unterscheidung, ob es sich bei einem System um eine mainframe-basierte Architektur oder eine Client-Server Losung handelt, ist nicht immereindeutig zu treffen.

7.2.1 Tabellenstruktur

Die Datenbank stellt die Moglichkeit zur Verfugung, die verschiedenen Daten,die zum Betrieb eines Lagers notig sind und die wahrend des Betriebs anfal-len, strukturiert abzulegen. Das Tabellenkonzept unterstutzt die Strukturie-rung. Generell kann jeder Container der Abb. 7.1 in eine eigene Datenbank-Tabelle abgebildet werden.

Bevor die Daten jedoch abgelegt werden konnen, muss die spezifischeStruktur einer jeden Tabelle erarbeitet werden, das heißt, es muss genaufestgelegt werden,

• was (welches Datum),• wo (welche Tabelle),• wie (welche Genauigkeit) und• womit (welcher Datentyp)

abgelegt wird. Beispielsweise liegt es nahe, eine Telefonnummer als Daten-typ Integer6 zu speichern. Bei einer etwas genaueren Betrachtung fallt die

6 Ein Datentyp Integer reprasentiert eine positive oder negative Ganzzahl.

Page 276: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

266 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

fuhrende Null der Vorwahl auf, die bei der Speicherung als Integer nicht mit-gefuhrt werden konnte. Eine weitere Betrachtung einer Telefonnummer zeigtSonderzeichen wie das fuhrende Pluszeichen oder den Bindestrich. Sinnvol-lerweise sollte also die Speicherung einer Telefonnummer als Zeichenkette(varChar oder String) erfolgen, wobei eine ausreichende Anzahl von Zeichen(Genauigkeit) als mogliche Lange gewahlt werden muss.

Die logisch zusammenhangenden Daten, etwa die Daten eines ItemDa-ta (s. Abb. 7.1), werden zeilenweise in die spezifizierten Felder einer Tabellegeschrieben. Unabdingbar bei der Arbeit mit relationalen Datenbanken undden zugehorigen Tabellen ist die eineindeutige Vergabe von Primarschlusselnzur Identifizierung einer Datenzeile.

Die Struktur der Datenbank-Tabelle ItemData konnte wie in Tabelle 7.1dargestellt aussehen. Das Feld photo hat in dieser Struktur eine Lange von255 Zeichen, um eine URL (s. Seite 171) fur das Foto anzugeben. Eine Metho-de zur Speicherung solcher Binardaten stellt der Datenbanktyp blob (BinaryLarge Object) dar. Die Vorteile der URL im Gegensatz zum blob liegen inder Flexibilitat der Wahl des Speicherortes der Fotodaten, deren Moglichkeitzur mehrfachen Referenzierung und der Entlastung der Datenbank von derHandhabung großer Datenmengen. Ahnliche Uberlegungen gelten fur die Be-schreibung, die alternativ in einer separaten Textdatei stehen und uber eineURL angesprochen werden kann. Im Rahmen einer Internationalisierung derBeschreibungen stehen uber die URL vielfaltige Moglichkeiten zur Verwal-tung und Darstellung zur Verfugung.

In der Tabelle 7.1 steht der Feldbezeichner rId fur eine eindeutige RawIdals Primarschlussel. Die Nutzung der Artikelnummer konnte spatestens beider Implementierung eines Mandantenlagers zu Mehrdeutigkeiten fuhren undist damit als Primarschlussel nicht geeignet. Heutige Datenbanksysteme bie-ten die Moglichkeit, die Primarschlussel zu den einzelnen Datensatzen auto-matisch zu generieren und den Programmierer dadurch zu entlasten.

Zwischen ItemData und StockUnit besteht eine 1 n -Relation. DasItemData kann auf keine, eine oder mehrere StockUnit-Tabellen verweisen.Diese Relation wird uber das Feld itemDataId (s. Tabelle 7.2) realisiert, dasjeder Zeile von StockUnit genau eine rId von ItemData zugeweist, umgekehrtkann eine rId von ItemData in mehreren Zeilen von StockUnit erscheinen(vgl. Abb. 7.5).

Die n m -Assoziation zwischen location und locationCategory kannsinnvollerweise nur uber eine Hilfstabelle, die Referenztabelle, auch map tablegenannt, realisiert werden (vgl. Abb. 7.6).

Jede Zeile der Referenztabelle verbindet eine RawId der Tabelle locationmit einer RawId der Tabelle locationCategory und verfugt selbst uber einenPrimarschlussel, der aus den jeweiligen beiden RawIds der zugehorigen Zeilegebildet werden kann.

Page 277: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.3 Sicherung der logischen Integritat 267

Tabelle 7.1. Aufbau der Datenbank-Tabelle itemData

Typ

rId int

Name

artnr

bezeichnung

varChar

varChar

L ä nge

20

42

beschreibung varChar

photo

groesse

varChar

varChar

255

255

80

gewicht int

vorzugszone

meldebestand

varChar

int

12

istbestand int

Der Verzicht auf eine solche Referenztabelle wurde zu einer stark redun-danten Datenhaltung und daraus resultierenden zusatzlichen Anforderungenan Speicher- und Laufzeitbedarf fuhren.

7.3 Sicherung der logischen Integritat

In Abb. 7.6 wird der Aufbau der Datenbank-Tabelle locationCategory darge-stellt; uber das Feld eigenschaft werden die einzelnen Zonen benannt undaufgefuhrt. Die sinnvolle Zuordnung einer location zu einer locationCategorymuss durch zusatzliche Logik sichergestellt werden. Je nach Anwendungsfallmuss oder sollte jede location genau einer Zone A, B oder C zugeordnet wer-den. Eine Zuordnung zu mehreren Zonen ist aus logistischer Sicht unzulassigund muss vermieden werden. Allerdings darf eine location zusatzlich einer

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268 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

Tabelle 7.2. Aufbau der Tabelle stockUnit

Typ

rId int

Name

seriennummer

anzahl

varChar

int

L ä nge

20

itemDataId int

Gewichtsklasse zugeordnet werden, die uber das gleiche Feld reprasentiertwird.

Alternativ konnten die Inhalte von locationCategory auf mehrere dedi-zierte Datenbank-Tabellen verteilt werden. Eine Verteilung, bei der nur noch1 n -Relationen auftreten, vermeidet das Problem zu Lasten einer stati-schen Struktur; zusatzliche Kategorien konnen nicht im laufenden Betriebohne Anderung des Datenmodells angelegt werden.

Ein weiteres Beispiel zum Problem der Sicherung der logischen Integritatist auf Seite 264 beschrieben. Wenn in der Datenbank-Tabelle stockUnit dasFeld seriennummer belegt ist, muss das Feld anzahl den Wert 1 enthalten.

bezeichnung

00001

photo

http://www.mywms

http://www.mywms

artnr

00002

00003

00004

00005

Erbsen

Bohnen

Linsen

. . .

. . .

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

.

. . .

. . .

. . .

. . .

. . .. . .

rId

42

21

11

96

84

12

itemData

itemDataId rId anzahl

42

11

217

42

96

96

42

01

02

03

04

05

. . . . . .

. . .

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

... . .

17

9

1

11

25

stockUnit

Abbildung 7.5. Beispiel einer 1-z-u-n-Relation

Page 279: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.3 Sicherung der logischen Integritat 269

rId1

1

1

2

1

4

4

3

3

2

8

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

2

4

1

8

3

8

2

6

4

6

eigenschaftrId

rId1

rId2 ..

.

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

..

...

...

...

...

locationCategory

2

3

1

4

6

5

7

8

Zone B

Zone C

Zone A

bis 100kg

bis 500kg

bis 200kg

7

1

2

6

5

4

3

8

location

2.3.1

locationCode

1.3.1

1.2.1

2.2.3

2.2.2

2.1.2

1.1.1

9

rId2

Referenztabelle

Abbildung 7.6. Beispiel einer n-zu-m-Relation

7.3.1 Anlegen und Abfragen von Stammdaten

Der Zugriff auf die in der Datenbank abgelegten Datensatze und deren Mani-pulation durch einen Anwender erfolgt mittels einer datenbankspezifischenSprache (DML7), die meisten Datenbanksysteme unterstutzen fur diesenZweck SQL8 als standardisierte Abfragesprache. Damit ein Anwender SQLfur Abfragen und Anderungen an einem Datenbestand einsetzen kann, ist dieKenntnis des Datenmodells erforderlich.

Beispielhaft werden nachfolgend einige typische Datenbankoperationenunter SQL beschrieben.

Das Hinzufugen eines neuen Datensatzes in die Tabelle stockUnit erfolgtdurch folgende Anweisung, in der die Inhalte der Spalteneintrage durch Va-riablen ubergeben werden. Im Beispiel stellt stockUnitCount eine sequencedar, welche die Anzahl der Datensatze in der Tabelle stockUnit enthalt:

insert into stockUnit(rId, seriennummer, anzahl, itemDataId)

values(stockUnitCount.nextVal,’’,11,42);

Durch den nachfolgenden Aufruf werden die Bezeichnungen aller Artikelausgegeben, deren Gewicht unter zehn Gewichtseinheiten liegt.

select bezeichnung

7 Data Manipulating Language8 Structured Query Language

Page 280: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

270 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

from itemDatawhere gewicht < 10;

Sollen beispielsweise alle Lagerfacher der A-Zone gezahlt werden, dannkann das durch den folgenden Aufruf geschehen:

select count (*)from Referenztabellewhere locationCategory.eigenschaft = ’Zone A’and rid2 = locationCategory.rid2;

Im obigen Beispiel wird der Umstand ausgenutzt, dass die Anzahl derselektierten Zeilen in der Referenztabelle der Anzahl der Lagerplatze mitdem gesuchten Kriterium entspricht.

Viele relationale Datenbanksysteme stellen durch Stored Procedures dieMoglichkeit der serverseitigen Speicherung von wiederkehrenden Abfragenmit Ubergabeparametern zur Verfugung.

7.4 myWMS

Die objektorientierte Programmierung (s. Abschn. 6.2) bietet auch fur dieRealisierung von WMS viele Vorteile. Aus diesem Grund werden fur neuereEntwicklungen oft objektorientierte Programmiersprachen9 eingesetzt. DerVorteil der Objektorientierung kommt jedoch erst dann voll zur Geltung,wenn nicht nur die Programmierung, sondern bereits die Analyse und dasDesign eines Softwareproduktes durchgangig auf dieser Methodik aufbauen.Im Mittelpunkt der Uberlegungen steht nicht eine Abbildung der Daten-strukturen auf Tabellen einer Datenbank, sondern eine Analyse, die sich anden Objekten der Realitat orientiert. Bereits in dieser Analysephase wer-den nicht nur die Daten und ihre Beziehungen untereinander, sondern diemoglichen Methoden, die auf die Daten anzuwenden sind, beschrieben. DieAbbildung in Softwarestrukturen und deren Umsetzung unter Einsatz einerOO-Programmiersprache erfolgt erst spater.

Eine solche OO-Losung fur WMS wurde in dem Projekt myWMS ent-wickelt. Dieser Abschnitt beschreibt das technische Konzept von myWMSals Beispiel fur die konsequente Anwendung der OO-Techniken fur WMS.Fur die folgenden Kapitel zum Thema myWMS sind Kenntnisse der Objek-torientierung und fur das detaillierte Verstandnis solche uber Java hilfreich.Durch den suggestiven Aufbau dieses Kapitels und der gewahlten Beispielesind die grundlegenden Prinzipien auch ohne derartige Kenntnisse nachvoll-ziehbar. In Abschn. 7.5 wird anhand eines einfachen Beispiels der Einsatzdieses Rahmenwerkes fur ein vereinfachtes WMS gezeigt.

9 In Ubereinstimmung mit der allgemeinen Sprachregelung wird”objektorientiert“

mit OO abgekurzt.

Page 281: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.4 myWMS 271

7.4.1 Grundsatzlicher Aufbau von myWMS

myWMS stellt - wie ein Betriebssystem - vielfaltige Basisfunktionen und ele-mentare Dienste fur WMS-Applikationen bereit. Es ist als Plattform nichteigenstandig ohne applikationsspezifische Erweiterungen zu betreiben. my-WMS schafft wohldefinierte Kommunikationsschnittstellen zu externen Sys-temen und interne Schnittstellen zu den auswechselbaren Modulen, den sogenannten Plug-Ins. Letztere werden in Form von Java-Interfaces spezifiziertund ermoglichen so Dritten, eigene Produkte einzubinden.

Neben der reinen Lagerverwaltung beinhaltet das myWMS-Frameworkauch eine Materialflusssteuerung. Aspekte der Warenwirtschaft, der Produk-tionsplanung und der Produktionssteuerung werden im Rahmen dieses Pro-jektes nicht behandelt, Schnittstellen zu solchen Systemen sind jedoch Be-standteil des Rahmenwerks.

Da myWMS nicht auf spezielle Lagertypen und logistische Prozesse festge-legt ist, existiert ein breites Anwendungsfeld: Von manuell bedienten Lagernuber automatische Lager bis hin zu raumlich verteilten Lagern mit hetero-genen Strukturen sind die unterschiedlichsten Szenarien denkbar. Die An-passung an bestehende Lager wird durch die Moglichkeit der Entwicklunggeeigneter Plug-Ins, wie beispielsweise Routing- oder Optimierungsalgorith-men, erleichtert.

Ein Plug-In muss an einen Prozess - im Folgenden Kernel genannt - ge-bunden werden. Ein Kernel stellt vom Lagertyp unabhangig Grundfunktiona-litat zur Verfugung (vgl. Abb. 7.7). myWMS bietet eine Bibliothek fur haufigbenotigte Plug-Ins an. Dem Nutzer ist es freigestellt, diese im Original oderin einer modifizierten Form zu nutzen oder die benotigten Plug-Ins selbstzu erstellen. So kann eine Applikation mit Alleinstellungsmerkmalen einesNutzers ausgestattet werden und dennoch von den Vorteilen eines standar-disierten Systems profitieren.

Ein modulares und noch nicht auf einen bestimmten Anwendungsfall spe-zialisiertes und erweiterbares Warehouse Managementsystem sollte minde-stens folgenden Anforderungen genugen:

Plattformunabhangigkeit: Durch den Einsatz einer Programmiersprache,die es erlaubt, portablen Code zu erzeugen, kann die Lauffahigkeit auf un-terschiedlichsten Rechnerarchitekturen und Betriebssystemen gewahrleis-tet werden.

Verteilbarkeit: Die Module eines WMS sollten auf mehreren kooperie-renden Rechnern nebenlaufig betrieben werden konnen. So kann bei-spielsweise die Materialflusssteuerung auf einem anderen Rechner alsdie eigentliche Lagerverwaltung ablaufen. Die Plattformunabhangigkeitermoglicht den Einsatz heterogener Rechnersysteme.

Skalierbarkeit: Wachsende Anforderungen, wie beispielsweise steigendeDurchsatzzahlen oder eine Erhohung der Mandantenanzahl, sollten von

Page 282: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

272 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

Abbildung 7.7. Das Kernsystem, vereinfacht und idealisiert als Schnittmenge derFunktionen und Datenstrukturen unterschiedlicher Lagertypen

einem WMS abgedeckt werden konnen. Mittel hierzu sind Verteilung,Anpassung der Module und Parametrierung.

Parametrierbarkeit: Ein WMS sollte eine durchgangige Parametrierbar-keit der Module erlauben. Das Konfigurationskonzept sollte hierzu dieMoglichkeit der Persistierung der Parameter bieten.

Releasefahigkeit: Die Zusicherung des langfristigen Bestands der Schnitt-stellen ist ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl eines WMS. Die Ba-sissoftware kann unter Beibehaltung der bestehenden Module und ihrerapplikationsspezifischen Erweiterungen und Anpassungen ebenso ausge-tauscht werden wie diese Module unter Beibehaltung der Basissoftware.

Web-basierte Bedienbarkeit: Die Bedienbarkeit durch beliebige Web-Browser unterstutzt die Plattformunabhangigkeit. Damit wird die Ein-bindung der bestehenden IT-Infrastruktur zur Bedienung des WMSermoglicht.

Unabhangigkeit: keine Beschrankung auf bestimmte Lagertypen, Betriebs-mittel oder Strategien

Erweiterbarkeit: Durch die Erstellung zusatzlicher Module oder die Er-weiterung bestehender ist die Anpassung an die verschiedensten Anfor-derungen der Logistik moglich.

myWMS erfullt diese Anforderungen durch die Kernel/Plug-In-Technolo-gie, die konzeptionelle Moglichkeit der Verteilbarkeit, die Konfigurationsfahig-keit und die Implementierung in Java. myWMS basiert auf einer dreischich-

Page 283: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.4 myWMS 273

Materialfluss-Steuerung

Lagerorts-verwaltung

Bestands-verwaltung

Kern

Plug-In

Erweiterungen

Abbildung 7.8. Das Schichtenmodell von myWMS

tigen Hierarchie, die aus der Bestandsverwaltung, der Lagerortsverwaltungsowie der Materialflusssteuerung gebildet wird (s. Abb. 7.8).

Die Bestandsverwaltung (Inventory Manager) hat die Aufgabe, die Arti-kelstammdaten (ItemData) und die artikelbezogenen, standortunabhangigenOperationen sowie die verfugbaren und die vorhandenen Mengen der Bereit-stelleinheiten (vgl. Abb. 7.1) zu verwalten.

Die Lagerortsverwaltung (Location Manager) verwaltet die Lagerorte (Lo-cation). Hier werden die aktuelle Belegung der Lagerorte mit Ladeeinheiten,die durch Ladehilfsmittel (UnitLoad) reprasentiert werden, und die Attributeder Lagerorte verwaltet.

Die Materialflusssteuerung (Equipment Manager) berechnet die Trans-portwege, beauftragt die Betriebsmittel und uberwacht die operative Aus-fuhrung der Transportauftrage.

Nicht jedes System muss alle drei Schichten realisieren. So kann beispiels-weise eine Bestands- und eine Ortsverwaltung betrieben werden, die untereSchicht kann dann durch einen getrennten Materialflussrechner ersetzt wer-den. In einem nichtautomatisiertem Lager kann die unterste Schicht, also dieMaterialflusssteuerung, die Erstellung von gedruckten Transportanweisungenoder die Ansteuerung von Funkterminals ubernehmen.

Page 284: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

274 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

Durch den separaten Betrieb der untersten Schicht kann aber auch unterVerzicht auf die Lagerfunktionalitat ein eigenstandiger Materialflussrechnerauf myWMS-Basis erstellt werden.

Jede dieser Schichten kann auch in mehreren Instanzen betrieben wer-den. So kann durch mehrfache Instanziierung der beiden oberen Schichtenein Mandantenlager, also eine Bereitstellung mehrerer logischer Lager in ei-nem Lagerhaus, erstellt werden. Durch mehrfache Instanziierung der unterenSchicht kann ein Multilager, also ein Lager, das uber mehrere raumlich ge-trennte Standorte verfugt, betrieben werden. Damit ist auch die Bildung vonmandantenfahigen Multilagern moglich.

7.4.2 Geschaftsobjekte

Die Aufgabe der einzelnen Schichten ist die Verwaltung der zugehorigen Da-ten, die in Geschaftsobjekten gespeichert sind. Jedes Geschaftsobjekt ent-spricht genau einem Container des Datenmodells der Abb. 7.1. myWMS um-fasst folgende Geschaftsobjekte:

• Supply (WEAnforderung),• ItemData (Artikelstamm),• Order (WAAnforderung),• StockUnit (Bereitstelleinheit),• StockUnitCategory (Artikelgruppe),• UnitLoad (Ladehilfsmittel),• LoadHandler (Maschine),• Location (Lagerplatz ),• LocationCategory (Lagerplatzgruppe) und• OrderChain (Transportauftrag).

Die Schichtung erlaubt eine detailliertere Modellierung einzelner Objek-te. So wird beispielsweise mit StorageLocation der physische und mit Lo-cation der logische Lagerplatz unterschieden. Im Allgemeinen existiert zujedem logischen auch ein physischer Lagerplatz. Der Platz auf dem Lastauf-nahmemittel einer Maschine stellt einen physischen Lagerplatz dar, der keinlogisches Aquivalent besitzt (vgl. Seite 258).

Die Geschaftsobjekte sind unter konsequenter Einhaltung der OO-Denk-weise (vgl. Abschn. 6.2), also Analyse, Design, Implementierung und Test,erstellt worden. Zum Beispiel ist kein Attribut direkt zugreifbar: Alle At-tribute sind gekapselt und nur durch die so genannten Accessor-Methodenverfugbar. Jedes Geschaftsobjekt verfugt uber eine Schnittstelle, mit der uberdie dort deklarierten Methoden mit ihm kommuniziert werden kann. AndereMethoden sind gekapselt und stehen nicht zur Verfugung.

Geschaftsobjekte konnen durch das Mittel der Vererbung spezialisiertwerden. Kommen zur Laufzeit des WMS neue Attribute hinzu, die wahrendder Implementierung noch nicht bekannt sein konnten, nicht bekannt wa-ren oder nicht berucksichtigt wurden, werden diese durch Key-Value-Coding

Page 285: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.4 myWMS 275

realisiert. Diese Technik ist als allgemeines Design-Pattern Property bekanntund in Java unter anderem als Hashtable realisiert. Eine Kombination beiderVerfahren, also Vererbung und Propertytechnik, ist moglich.

Das myWMS-Geschaftsobjekt ItemData sollte nur durch das Mittel derAbleitung auf den jeweiligen Anwendungsfall angepasst werden, da in derBasisklasse nur die Attribute itemNumber (Artikelnummer) und name (Klar-textbezeichnung), die jedes Lager aufweist, existieren10. Reale Lager konnenweitere Attribute wie etwa die Lokation eines Fotos oder einen Mindestbe-stand (vgl. Abschn. 2.3.1) benotigen. Diese wurden dann in einer ItemDataerweiternden Klasse zusammen mit ihren Accessor-Methoden deklariert unddefiniert werden. Sie sind dem Kernel nicht bekannt und werden von anderenObjekten oder Plug-Ins benutzt.

Fur das Geschaftsobjekt LocationCategory kann die Nutzung von Proper-ties sinnvoller sein, da hierdurch eine dynamische Erweiterung der Gruppie-rungen von Lagerplatzen leicht moglich ist.

Das comObject, eine von myWMS implementierte Klasse, nutzt beideTechniken. Die Basisklasse stellt eine geschutzte (protected) Hashtable zurVerfugung, die mit jeder Ableitungsstufe weiter gefullt wird. Jede Ableitungstellt die entsprechenden Accessor-Methoden zur Verfugung.

Fur die Funktionalitat eines WMS sind entsprechende Geschaftsprozessezu modellieren und zu implementieren. Geschaftsprozesse konnen myWMSuber das Plug-In-Interface bekanntgegeben werden. Eine wichtige Moglichkeitbietet die Nutzung des SupplyStrategyInterface, welches das Plug-In-Interfaceerweitert und zur Versorgung von Locations dient. Die Kopplung der Prozessemit den Geschaftsobjekten ist ereignisgesteuert und basiert auf dem Listener-Konzept . Die Geschaftsprozesse tauschen keine Zustandsinformationen aus,sie sind aus Sicht des myWMS zustandslos. Typische Geschaftsprozesse sind

• Einlagern,• Kommissionieren und• Auslagern.

Die Anderung an einem Geschaftsobjekt bewirkt, dass alle als Listenerregistrierten Geschaftsprozesse benachrichtigt werden. Ein Geschaftsprozess,der eine solche Nachricht erhalt, pruft die Erfullung zusatzlicher Randbe-dingungen und fuhrt gegebenenfalls den nachsten Prozessschritt aus. DerProzessschritt kann eine Anderung an Geschaftsobjekten zur Folge haben.

myWMS verfugt uber einige vormodellierte Geschaftsprozesse. Im All-gemeinen ist jedoch eine Anpassung an die konkreten Anforderungen derlogistischen Prozesse erforderlich.

10 ItemData verfugt außerdem uber die Moglichkeit der Nutzung von Plug-Insdurch Interfaces, wie beispielsweise ItemDataLockInterface zur Verwaltung vonArtikelsperren.

Page 286: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

276 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

7.4.3 Kernel-Konzept

Die drei Schichten Bestandsverwaltung, Lagerortsverwaltung und Material-flusssteuerung werden aus Sicht der Informationstechnik aus je mindestenseinem Prozess gebildet. Dieser wird als Kernel bezeichnet. Ein WMS setztsich aus den Kernels der drei obigen Schichten sowie den zugehorigen Plug-Insund den anwendungsfallspezifischen Erweiterungen zusammen. Grundlegen-de Prinzipien von myWMS sind nachfolgend aufgefuhrt:

Logistikorientierung: Im Gegensatz zu Datenbanken oder ApplicationServern, deren Zielsetzung eine universelle Verwendbarkeit ist, ist my-WMS auf die Anforderungen der Logistik, insbesondere der Lagerver-waltung zugeschnitten.

Flexibilitat: Durch die Beschrankung auf Kernfunktionalitat und die Mog-lichkeit der Entwicklung spezifischer Plug-Ins wird ein hohes Maß anFlexibilitat erreicht11.

Verteilung der Kernel: Die Kernel der verschiedenen Schichten konnenauf unterschiedlichen Rechnern betrieben werden. Daruber hinaus konnendie einzelnen Schichten auch wieder aus mehreren Kerneln bestehen, dieihrerseits verteilt werden konnen. Abschnitt 7.4.1 erlautert dies am Bei-spiel des Mandanten- und des Multilagers.

Ereignissteuerung: Um kurze Reaktionszeiten zu erzielen, wird das Kon-zept der Ereignissteuerung (Event-Verarbeitung) stringent eingehalten.Die Umsetzung erfolgt durch das Design-Pattern Listener. Hierbei regi-striert sich ein Objekt mit Callback-Methoden bei einem oder mehrerenanderen Objekten.

Ausnahmebehandlung: Zur Laufzeit auftretende, nicht vorhersehbare Er-eignisse wie beispielsweise das versehentliche Auslosen eines Sensor-signals durch das Bedienpersonal, stellen eine Ausnahmesituation dar.Die traditionelle Losung gibt das Ergebnis eines Funktionsaufrufs alsRuckgabewert, der den Erfolg oder Misserfolg der Aktion beschreibt,an den Aufrufer zuruck. Je nach der Korrektheit der Implementierungerfolgt eine adaquate Bearbeitung dieses Ruckgabewertes. Das Konzeptder Ausnahmebehandlung erzwingt auf transparente Weise eine weitereBearbeitung. Dies hat direkten Einfluss auf die Steigerung der Qualitatder Software.

Einbindung aktiver Komponenten: Die Plug-Ins werden vom Kerneluber ihre Methoden aufgerufen. Dabei konnen sie auch als eigenstandigeThreads nebenlaufig Aktionen ausfuhren und dadurch die Performancesteigern.

11 Diese Beschrankung bedeutet nicht, dass die Kernel trivial sind. Der Einblickin den frei verfugbaren Quellcode zeigt die Komplexitat und Leistungsfahigkeitdieses Konzepts.

Page 287: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.4 myWMS 277

Assoziationsrealisierung: Die Geschaftsobjekte verwalten selbst keine As-soziationen, diese werden im Kernel realisiert. Dies ist eine der Voraus-setzungen fur die Verteilbarkeit.

Verteilung der Geschaftsobjekte: Gibt der Kernel ein Geschaftsobjekt tem-porar an einen nebenlaufigen Prozess, wird eine Kopie dieses Objektesmit identischer Objektnummer erstellt. In Verbindung mit der Seriali-sierungsfahigkeit aller Geschaftsobjekte wird deren Verteilbarkeit ubermehrere Rechner erzielt.

Sicherung der Integritat: Obwohl jedes Geschaftsobjekt elementare Inte-gritatsprufungen durchfuhrt, konnen uber Plug-Ins zusatzliche Uberpru-fungen vorgenommen werden. So pruft beispielsweise eine Ableitung vonStockUnit die korrekte Auffullung der Seriennummer auf zugelassene Zei-chen und Zwischenraume. Durch ein Plug-In kann sichergestellt werden,dass diese Seriennummer nicht doppelt vorhanden ist.

Persistierung der Daten: Der Kernel ruft Persistierungsmethoden auf,die uber ein Plug-In-Interface zur Verfugung gestellt werden mussen. Ei-nige Persistierungs-Plug-Ins sind bereits Bestandteil von myWMS, so istneben der Sicherungsmoglichkeit uber die Datenbank auch die Nutzungdes File-Systems uber Serialisierung moglich. Zu Lehr- und Testzweckenbesteht die Moglichkeit, unter Verzicht auf den Einsatz einer Datenbankdie Daten uber das gleiche Interface im Speicher abzulegen.

Die obigen Konzepte legen die Implementierung der myWMS-Kernel undder zugehorigen Plug-Ins in Java nahe. Java bietet

• Event- und Exceptionhandling sowie Multithreading,• Interfaces zur Beschreibung abstrakter Klassen,• grundlegende Serialisierungskonzepte,• Remote Message Invocation (RMI),• umfangreiche Netzwerkfahigkeit,• machtige Klassenbibliotheken fur alle denkbaren Problemstellungen.

Daruber hinaus ist Java die meistgelehrte Sprache bei der Ausbildungder Programmierer und Software-Ingenieure und wird auf breiter Basis ak-zeptiert.

7.4.4 Laufzeitumgebung

Neben dem Kernel und der Plug-In-Bibliothek bietet myWMS mit dem

”Standard-Environment“ zusatzlich eine Laufzeitumgebung, die viele nutz-

liche Funktionen bietet und auch in anderen Projekten sinnvoll eingesetztwerden kann. Dieses Environment wird in folgende Themengebiete geglie-dert:

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278 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

Logging: Das Logging dient der Aufzeichnung von verschiedenen Nachrich-ten, die unterschieden nach Dringlichkeit (logLevel) und Kategorie genaueinem Logserver ubergeben werden. myWMS stellt einen solchen Log-server als Singleton12 zur Verfugung. Die Klassifizierung der Kategoriennach• ausfuhrendem Rechner,• aktuellem Benutzer,• Datum und Uhrzeit,• Objekt,• Methode und• Threadermoglicht eine qualifizierte Offline-Analyse der gespeicherten Nachrich-ten.

Statistik: Die Sammlung der statistischen Rohdaten erfolgt analog zu derAufzeichnung von Log-Nachrichten in einem separaten Server, dem Sta-tistikserver.

Konfiguration: Uber die Konfiguration wird neben der Parametrierungfestgelegt, welche Plug-Ins genutzt werden. Die Anmeldung bei einemKonfigurations-Provider sichert die Benachrichtigung der angemeldetenObjekte uber Konfigurationsanderungen zu. Damit kann auch zur Lauf-zeit die Konfiguration geandert werden.

Clearing: Ausnahmesituationen, die von dem System nicht selbststandigbehandelt werden konnen, werden einem Clearing-Singleton mit einervorgegebenen Menge von Antworten oder Handlungsanweisungen uberge-ben. Wird vom Clearing eine solche Ausnahmesituation empfangen, wirdein externer Eingriff zur Auswahl der korrekten Antwort oder zur Quit-tierung einer Handlungsanweisung erforderlich.

Kommunikation: Das Channelkonzept von myWMS ermoglicht den Trans-port von Kommunikationsobjekten uber die verschiedenen physischenund logischen Leitungen. So implementiert myWMS den Transport uberden Layer des ISO/OSI-Protokollstacks (vgl. Abschn. 5.1.1) genauso wiedie Kommunikation uber RS232. Die als Plug-In vorhandenen Protokolleermoglichen hierbei die Serialisierung und Deserialisierung der Kommu-nikationsobjekte.

Event-multicasting: Verschiedene Listener-Objekte konnen sich bei einemPanelobjekt , das selbst wiederum ein Listener ist, registrieren und bildendann eine Listener-Gruppe. Beim Panelobjekt eingehende Events werdenin Kopie an alle registrierten Listener weitergeleitet. Das von myWMSimplementierte Event-multicasting beinhaltet die Moglichkeit der Ver-waltung von bis zu zwei Listener-Gruppen.

12 Eine Klasse, die dem Design-Pattern des Singletons genugt, stellt sicher, dass siemaximal einmal instanziiert wird.

Page 289: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.5 Beispielhaftes Distributionssystem/Referenzlager 279

Die Nutzung der mitgelieferten Laufzeitumgebung ist nicht bindend, le-diglich die Interfaces mussen eingehalten werden. Damit ist die Anbindungan vorhandene Losungen, wie etwa ein eigenes Logging, moglich.

7.5 Beispielhaftes Distributionssystem/Referenzlager

Dieses Kapitel stellt ein fiktives Lager vor, an dem beispielhaft typische Struk-turen von Warehouse Managementsystemen aufgezeigt werden. Auf der bei-gelegten CD befindet sich hierzu ein lauffahiges Programm mit einer animier-ten Visualisierung dieses Beispiellagers. Nachfolgend werden die Topologie,die Betriebsmittel und die logistischen Prozesse beschrieben.

7.5.1 Beschreibung des Beispiels

Zur nachfolgenden Beschreibung der Funktionalitaten dient ein Distributi-onssystem fur Elektrokleingerate aus dem Haushaltswarenbereich. Das Sys-tem besteht aus dem Wareneingangs- und Warenausgangsbereich und demLagersystem mit vorgeschalteter Kommissionierzone (s. Abb. 7.9).

Ankommende Einheiten werden mittels Stapler entladen und in reser-vierten Bereitstellzonen gepuffert. Nach Prufung und Vereinnahmung in dasSystem erfolgt der Transport per Stapler zum I-Punkt des Lagersystems (Ein-lagerstichbahn) bzw. in einen separaten Sperrbereich zum Zwecke einer ein-gehenden Qualitatsprufung.

Aus dem Lagerbereich werden einerseits ganze Einheiten entnommen undvon der Auslagerstichbahn per Stapler zu den Pufferzonen des Warenaus-gangsbereiches verbracht. Teilmengen werden andererseits an Kommissio-nierplatzen vor dem Hochregal gebildet und nach Fertigstellung analog inden Warenausgangsbereich transportiert.

7.5.2 Beschreibung des Lagersystems

Bei dem Lager (vgl. Abb. 7.10) handelt es sich um ein einfaches, automati-sches Hochregallager (HRL). Um den Anforderungen eines Referenzsystemsgerecht zu werden, ist es einerseits so gestaltet, dass typische Komponen-ten und Ablaufe eines Lagers dargestellt werden; andererseits werden an be-stimmten Stellen Vereinfachungen in Kauf genommen, um die Komplexitatzu reduzieren und die wesentlichen Gesichtspunkte hervorzuheben.

7.5.3 Topologie

Das vorgestellte Lager hat 4.000 Lagerplatze. Als Ladehilfsmittel kommenEuropaletten (800mm×1200mm) zum Einsatz, auf denen die Artikel arti-kelrein transportiert und gelagert werden. Insgesamt lassen sich die Funkti-onsbereiche Hochregallager, Lagervorzone und Kommissionierplatze identifi-zieren.

Page 290: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

280 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

Abbildung 7.9. Das Distributionssystem

Das Hochregallager besteht aus vier Gassen, jede Lagergasse wird von ei-nem Regalbediengerat (RBG) bedient. Die Lagervorzone stellt die material-flusstechnische Verbindung der Funktionsbereiche her. Als Querfordertechnikkommt ein Querverteilwagen (QVW) zum Einsatz. Neben dem Querverteil-wagen umfasst die Lagervorzone die Einlagerbahn mit I-Punkt, die Ausla-gerbahn und zwei Ubergabeplatze je Lagergasse fur die Ubergabe von La-deeinheiten zwischen Regalbediengerat und Querverteilwagen. Jeder der vierKommissionierplatze setzt sich zusammen aus dem

”Kommissionier-U“, dem

Platz fur den Kommissionierer und dem Stellplatz fur die Palette, auf diekommissioniert wird (Sammeleinheit). Das

”Kommissionier-U“ besteht aus

dem Pufferplatz, von dem kommissioniert wird, sowie einem vor- und einemnachgeschalteten Ubergabeplatz zur Anbindung an den Querverteilwagen.

7.5.4 Lagertechnik

Das Hochregallager wird in dieser Form tausendfach in der Praxis eingesetztund beschreibt einen klassischen Fall der Lagertechnik (vgl. Kapitel 3). AlleLagerfacher haben die gleichen Abmessungen und sind fur die einfachtie-fe Aufnahme von Standard-Europaletten in Langsrichtung ausgelegt. Jedesder acht Regale besteht aus 50 Fachern in horizontaler und zehn Fachernin vertikaler Richtung, so dass sich eine Lagerfachanzahl von 500 pro Re-gal und 4.000 insgesamt ergibt. Besonderheiten wie doppelttiefe Lagerungoder unterschiedliche Fachabmessungen kommen im Referenzlager nicht zurAnwendung.

Page 291: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.5 Beispielhaftes Distributionssystem/Referenzlager 281

Abbildung 7.10. Das Beispiellager

7.5.5 Fordertechnik

Pro Lagergasse kommt ein automatisches Regalbediengerat zum Einsatz (vgl.Abschn. 3.2.2). Die Regalbediengerate sind einmastig, uber Schienen boden-verfahrbar und deckengefuhrt. Das Wechseln eines Regalbediengerates in ei-ne andere Gasse ist nicht moglich. Alle Antriebe sind elektrisch, wobei dieEnergie- und Steuersignalubertragung uber Schleifleitungen erfolgt. Als Last-aufnahmemittel findet eine Teleskopgabel Verwendung. Wichtige Kenngroßender Regalbediengerate sind in Tabelle 7.3 aufgefuhrt.

Der in der Lagervorzone eingesetzte Querverteilwagen ist ebenfalls schie-nengefuhrt. Energie- und Signalubertragung erfolgen uber Schleppkabel. AlsLastaufnahmemittel dient ein Kettenforderer. Der eingesetzte Querverteil-wagen zeichnet sich durch hohe Beschleunigungs- und Geschwindigkeitswer-te aus, um den hohen fordertechnischen Anforderungen als zentrales undleistungsbestimmendes Forderelement gerecht zu werden.

Die Ubergabeplatze zwischen Lagervorzone und Hochregalen sind uberzwei hintereinandergeschaltete Kettenforderer realisiert, so dass sich einePufferkapazitat von zwei Stellplatzen ergibt. Jede Lagergasse besitzt zweisolcher Kettenfordererpaare: ein Paar zum Einlagern, eins zum Auslagern.Kettenfordermodule bilden, erganzt um je zwei Eckumsetzer, auch die

”Kom-

missionier-Us“. Bei den Ein- und Auslagerbahnen hingegen handelt es sich

Page 292: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

282 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

Tabelle 7.3. Technische Daten der Regalbediengerate

Typ

rId int

Name

seriennummer

anzahl

varChar

int

L ä nge

20

itemDataId int

um angetriebene Staurollenforderer. Am Ende der Einlagerbahn ist ein Um-setzer integriert, mit dem Paletten wahlweise direkt auf die Auslagerbahngefordert (z. B. bei negativer Konturenkontrolle) oder an den Querverteil-wagen ubergeben werden konnen. Das Aufgeben von Paletten auf die Ein-lagerbahn bzw. das Abfordern von Paletten von der Auslagerbahn oder derfertig kommissionierten Paletten erfolgt uber konventionelle Frontgabelstap-ler. Diese erhalten ihre Auftrage von einem separaten Staplerleitsystem, dasnicht fester Bestandteil dieses Beispielsystems ist.

7.5.6 Steuerungstechnik

Die Informationen zum Steuern eines automatischen Lagers werden zunachstaus der im Lager vorhandenen Sensorik und Identifikationstechnik bezogen.Als Identifikationsmedium kommt ein auf dem Ladehilfsmittel angebrachtesBarcode-Label zum Einsatz. Die Applikation des Labels geschieht wahrenddes Prozesses am Wareneingang, der außerhalb der Systemgrenze des Refe-renzlagers liegt und somit hier nicht betrachtet wird. Innerhalb des Lagerskann mit Hilfe zweier Lesestellen jede Palette identifiziert werden. Eine dieserLesestellen befindet sich stationar am Anfang der Einlagerbahn zur Identifi-kation von Paletten, die in die Systemgrenze eintreten. Die zweite Lesestellebefindet sich auf dem Querverteilwagen. Zur Uberprufung der Paletten, dieuber die Einlagerbahn die Systemgrenze passieren, ist daruber hinaus eineKonturenkontrolle installiert.

Diverse Lichtschranken (z. B. am Ende jeder Staurollenbahn und jedesUbergabeplatzes) ermoglichen außerdem die Waren- und Ablaufverfolgunginnerhalb des Lagers (Tracking und Tracing). Die Kommissionierplatze sindmit Tastern, uber die der Kommissionierer einen Auftrag quittieren kann,sowie mit Terminals zum Anzeigen des zu entnehmenden Artikels und derEntnahmemenge ausgestattet.

Samtliche Sensorinformationen werden von den Sensoren an uberlagerteSpeicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) gesendet. Die SPS wiederum

Page 293: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

ERP System

WMS Leitstand

IP KP ppj PP2 PP3 PP4 RBGJ RBG2 RBG3 RBG4 QVW Transport-leitsystem

Abbildung 7.11. Systemhierarchie (logische Sicht)

Abbildung 7.12. Systemhierarchie (physikahsche Sicht)

kommunizieren liber Ethernet und TCP/IP mit den iiberlagerten Systemen.

Je nach Steuerungsphilosophie handelt es sich dabei um das Lagerverwal-

tungssystem oder um einen Materialflussrechner und evtl. weitere Subsys-

teme. Jede SPS verdichtet die empfangenen Sensorinformationen und ver-

schickt ein entsprechendes Telegramm an das iiberlagerte System. Umge-

kehrt empfangt jede SPS vom iiberlagerten System Steuerungstelegramme,

die sie in Steuerbefehle fiir unterlagerte Aktoren umwandelt. Die Steuerungs-

architektur ist demnach hierarchischer Natur und als Ghent-Server-Struktur

ausgelegt. Die Abbildungen 7.11 und 7.12 geben einen Uberbhck liber die

logische und physikahsche Systemarchitektur.

Insgesamt dienen sechs SPS zur Steuerung der Fordertechnik: je eine fiir

jedes Regalbediengerat, eine fiir den Querverteilwagen sowie eine SPS zur

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284 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

Steuerung der restlichen Lagervorzone inkl. der Kommissionierplatze. DieSPS-Ebene bildet die gemeinsame Schnittstelle zwischen unterlagerter Steue-rung und uberlagerten Systemen.

7.5.7 Materialfluss

Die grundsatzlich moglichen Wege einer Palette durch das Referenzlager erge-ben sich durch die beschriebene Topologie und die eingesetzte Fordertechnik.Zentrale Bedeutung kommt dabei dem Querverteilwagen zu, da er die ein-zige Verbindung zwischen den Funktionsbereichen ist und als Knotenpunktfungiert13. Bedingt durch die unidirektionale Forderrichtung der einzelnenUbergabeplatze kann der Querverteilwagen entweder eine Palette von ei-nem Platz aufnehmen (Ubernahme auf den Querverteilwagen) oder aber ei-ne Palette auf einen Platz abgeben (Ubergabe vom Querverteilwagen). EinUbergabeplatz kann weder Paletten auf den Querverteilwagen abgeben nochvon ihm entgegennehmen.

Typische Wege einer Palette durch das Lager ergeben sich aus der lo-gistischen Funktion des Lagers. Grundsatzlich besteht diese aus den Grund-funktionen Einlagern, Auslagern und Kommissionieren. Beispiele fur typischeWege unter Einbeziehung des Querverteilwagens sind demnach

• Einlagern in Gasse 4: I-Punkt → QVW → U1r → RGB4 → Lagerfach;• Auslagern aus Gasse 1: Lagerfach → RGB1 → U1l → QVW → Ausla-

gerbahn;• Kommissionieren: Lagerfach → RGB2 → U2l → QVW → Kommissio-

nier − U2 → QVW U2r → RGB2 → Lagerfach.

Typische Wege ohne Einbeziehung des Querverteilwagens sind

• Umlagern in Gasse 1: Lagerfach → RGB1 → Lagerfach;• negative Konturenkontrolle: Einlagerbahn → Auslagerbahn.

7.5.8 Logistische Prozesse

Fordertechnik, Lagertechnik und Steuerungstechnik bilden zusammen mitden zu verwaltenden Artikeln das Grundgerust, auf dem ein Lagerverwal-tungssystem operiert, um logistische Prozesse zu verwalten und zu steuern.Die Aufgaben eines Lagerverwaltungssystems sind in Kapitel 2 beschrieben.Grundlegende Prozesse, die im engen Zusammenhang mit dem Materialflussstehen, sind u. a.

13 Trotz der Bundelung der Transporte auf ein einziges zentrales Gerat und derprinzipiellen Gefahr des Engpasses stellen richtig dimensionierte Verteilwagenkostengunstige, raumsparende und dennoch leistungsfahige Losungen dar.

Page 295: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.5 Beispielhaftes Distributionssystem/Referenzlager 285

1. das Einlagern,2. das Auslagern3. und das Kommissionieren.

Diese Prozesse werden nachfolgend in ihrer spezifischen Auspragung furdas Referenzsystem grob umrissen und stellen den Anforderungsrahmen furdas zu implementierende WMS dar.

Einlagern Das Aufsetzten einer Palette am I-Punkt hat die Identifizierungder Ladeeinheit uber die stationare Lesestelle zur Folge. Die entsprechendeSPS versendet daraufhin ein Telegramm mit der Paletten-ID an das WMS.Das WMS wertet den Eingang der Nachricht als Trigger und pruft zunachst,ob die gemeldete Paletten-ID bekannt ist. Ist dies nicht der Fall, handelt essich um einen Fehler, da die Paletten-ID bei der Warenannahme zusammenmit der Artikel-ID an das WMS hatte gemeldet werden mussen. In diesem Fallwird fur die Palette ein Transportauftrag auf die Auslagerbahn generiert, sodass sie ausgeschleust und zur Clearing-Stelle gebracht werden kann. Dasselbepassiert, wenn der Leser keine Paletten-ID identifizieren konnte (NO READ).

Ist die Paletten-ID dem WMS bekannt, wird die Palette auf der Staurol-lenbahn weitergefordert und passiert die Konturenkontrolle. Entspricht daserfasste Profil nicht der Vorgabe, wird die Palette unmittelbar uber die Aus-lagerbahn aus dem Lager ausgeschleust.

Andernfalls wird die Ware in den Bestand gebucht, ein Einlagerauftraggeneriert und gleichzeitig der entsprechende Lagerplatz reserviert. Die Be-stimmung eines geeigneten Lagerplatzes soll so erfolgen, dass die Artikel

1. gassenubergreifend moglichst gleichverteilt und2. innerhalb der Gassen moglichst gemaß einer ABC-Zonung angeordnet

sind.

Die gassenubergreifende Gleichverteilung erhoht die Zugriffssicherheit; dieABC-Zonung ermoglicht einen schnellen Zugriff auf die schnelldrehenden Ar-tikel bei der Auslagerung. Sind keine entsprechenden Lagerplatze verfugbar,kann ein Artikel prinzipiell auf jedem freien Lagerplatz eingelagert werden.Ein Einlagervorgang ist abgeschlossen, sobald das entsprechende Ladehilfs-mittel auf dem richtigen Einlagerplatz verbucht werden konnte.

Auslagern und Kommissionieren Kundenauftrage werden uber ein ERP-System in das WMS eingelastet und in eine Warteschlange eingereiht. EinKundenauftrag besteht in der Regel aus mehreren Positionen. Kann einePosition des Auftrages nicht erfullt werden, weil die verfugbaren Einheitendes gewunschten Artikels im Lager nicht ausreichen, wird der gesamte Auf-trag abgelehnt und eine Meldung an das ERP gesendet. Andernfalls reihtdas WMS den Kundenauftrag in die Auftrags-Warteschlange ein, von wo sieder Einfachheit halber vom WMS nach dem FIFO-Prinzip der Reihe nach

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286 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

abgearbeitet werden. Auf Basis der Kundenauftrage erzeugt das WMS Aus-lagerauftrage und wahlt diejenigen Ladeeinheiten aus, die zur Erfullung dereinzelnen Positionen ausgelagert werden sollen. Es muss dafur Sorge tragen,dass die Auswahl geeigneter Ladeeinheiten so erfolgt, dass folgende - evtl.kontrare - Zielsetzungen erreicht werden:

1. Die Anzahl der zu kommissionierenden Paletten soll moglichst geringsein, d.h. es sollen nach Moglichkeit Ladeeinheiten direkt ausgelagertwerden. Dabei sollen auch angebrochene Paletten berucksichtigt werden.

2. Die LE mit dem altesten Einlagerdatum soll zuerst ausgelagert werden.3. Der Auslastungsgrad der Regalbediengerate soll annahernd gleich sein.

Paletten, die nicht kommissioniert werden mussen, verlassen das Lageruber Querverteilwagen und Auslagerbahn. Auf dem Querverteilwagen findetbei der Aufnahme der Palette vom Ubergabeplatz des HRL eine Identifizie-rung uber die Lesestelle statt, um zu kontrollieren, ob es sich um die richtigePalette handelt. Bei negativem Prufergebnis wird die Palette zum Clearing-Platz transportiert. Ansonsten wird bei Ankunft der Palette auf der Aus-lagerbahn das Staplerleitsystem angewiesen, diese Palette auf den fur denzugehorigen Auftrag vorgesehenen Pufferplatz im Warenausgang zu fordern.

Kann eine Position nicht ausschließlich mit ganzen Paletten erfullt wer-den, muss kommissioniert werden. In diesem Fall wird die vom WMS alsgeeignet identifizierte Palette vom HRL uber den Querverteilwagen auf denKommissionierplatz gefordert, der dem aktuellen Auftrag zugeordnet ist.Dort bekommt der Kommissionierer uber das Terminal angezeigt, wie vielMengeneinheiten er zu entnehmen und auf die bereitgestellte Auftragspalet-te zu kommissionieren hat. Durch Betatigung des Tasters signalisiert er demWMS die Fertigstellung des Kommissioniervorgangs. Das WMS bestimmtdaraufhin gemaß den Regeln der Einlagerung einen neuen Lagerplatz furdie Rucklagerung der Palette. Zudem wird uberpruft, ob mit Erledigung desKommissioniervorgangs alle zu kommissionierenden Positionen fur den aktu-ellen Auftrag abgearbeitet sind. Falls das der Fall ist, veranlasst das WMSdas Staplerleitsystem zum Abtransport der Auftragspalette auf den fur diesenAuftrag reservierten Pufferplatz im Warenausgang. Dort werden kommissio-nierte und direkt ausgelagerte Ladeeinheiten zusammengefuhrt, nach Bedarfverdichtet und versandfertig verpackt.

7.6 Aufbau der Topologie

Die Topologie eines Lagers, die aus den Lagerplatzen, den Maschinen undderen Verknupfungen besteht, wird in Java mit Hilfe der Kernelmethodenerstellt. Die Lagerplatze werden durch Objekte der Klasse StorageLocationreprasentiert, wobei zwischen verschiedenen Zugriffsmethoden (beispielswei-se LIFO, FIFO, RandomAccess) entsprechend den Anforderungen gewahlt

Page 297: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.6 Aufbau der Topologie 287

werden kann. Die raumliche Lage der einzelnen Platze ist fur myWMS nichtrelevant und wird nicht abgebildet.

Objekte der Klasse HandlingScope reprasentieren einen Arbeitsbereichfur die Maschinen, welche die Objekte der Klasse StorageLocation verbinden.Jeder LoadHandler , der fur eine Maschine steht, operiert zu einer Zeit aufgenau einem HandlingScope. Der folgende Code-Ausschnitt zeigt die prinzi-pielle Vorgehensweise beim Aufbau einer Topologie:

// Aufbau einer Lagergassenseite

EquipmentKernelInterface ek = ... // Verbindung zum Kern

int x=50; // Tiefe der Gasse : 50 Faecherint y=10; // Hoehe des Regals : 10 Faecherint i,j; // Laufvariablenlong tid; // Transaktionshandle

StorageLocation sl; // temporaere SL fuer ALLE FaecherHandlingScope hs; // temporaeres HS fuer gesamte Gasse

String HandlingScopeName =...// Name der Gasse

...tid = ek.beginTransaction(); // Oeffnen einer Transaktionhs = ek.getHandlingScope(HandlingScopeName, tid);

// existierender handlingScope// inkl. Loadhandler anfordern

for ( i = 0 ; i < x ; i++ ) {for ( j = 0 ; j < y ; j++ ) {

try{sl = ek.createStorageLocation(tid);sl.setName(getFachName(i,j)); // getFachName liefert

// individuellen Namensl.setStorageType(StorageLocation.LIFO);sl.setDepth(1); // eine UnitLoad pro Fachek.setStorageLocation(sl,tid); // sl an Kernhs.addStorageLocation(sl); // Verknuepfung hs mit sl

}catch (...) {...

}}

}

try {ek.setHandlingScope(hs,tid); // hs dem Kern zurueckgeben

}catch (IntegrityException iex){...

}try {ek.commit(tid); // Transaktion ausfuehren

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288 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

}catch (TransactionException tex){...

}...

Obiges Codefragment setzt die Existenz eines HandlingScopes sowie desdarin operierenden LoadHandlers einschließlich seines Lastaufnahmemittels,das aus einer StorageLocation besteht, voraus. Die Instanziierung der Ge-schaftsobjekte, in diesem Beispiel die 500 StorageLocations , erfolgt durchentsprechende create-Methoden des Kernels, in diesem Beispiel ek.create-StorageLocation(tid). Jedes Geschaftsobjekt ist uber einen Namen adres-sierbar, der Name wird uber die Methode sl.setName(name) der StorageLo-cation zugewiesen.

Danach wird dem Lagerfach uber die Methode sl.setStorageType(

StorageLocation.LIFO) der Typ”Last-In-First-Out“ und uber die Methode

sl.setDepth(1) die Kapazitat zugeteilt. Der Typ LIFO wurde fur die Re-galfacher im Hinblick auf eine mogliche spatere Erweiterung auf mehrfachtiefeLagerung gewahlt. Im Falle einer solchen Erweiterung ist es ausreichend, dieTiefe des Faches mit der Methode sl.setDepth(n) entsprechend zu setzen.Eine solche Erweiterung erfordert eine Anpassung der Zugriffsstrategien aufRegalfacher, da nicht gewahrleistet werden kann, dass das gewunschte Lade-hilfsmittel im direkten Zugriff steht. Diese angepasste Zugriffsstrategie wirddem Kernel wieder uber das Plug-In-Verfahren bekannt gegeben.

Zur weiteren Verwaltung wird mit der Methode ek.setStorageLoca-

tion(sl,tid) die neu erzeugte und konfigurierte StorageLocation dem Ker-nel ubergeben. Schließlich wird das Regalfach mit dem HandlingScope durchdie Methode hs.addStorageLocation(sl) verknupft. Die Methode hs.add-StorageLocation(sl) sichert einen bidirektionalen Materialfluss (RBG ⇔

Regalfach) zu.Auf diese Weise werden neben den restlichen 3.500 Regalfachern alle wei-

teren Platze erzeugt und mindestens einem HandlingScope zugewiesen. DieUbergabeplatze zwischen RBG und Verschiebewagen beispielsweise werdenan zwei HandlingScopes gebunden. Da der Materialfluss der Ubergabeplatzeunidirektional ist, sind hier die Methoden hs.addPutAway(sl) oder hs.add-Retrieval(sl) auf die jeweiligen HandlingScopes anzuwenden.

Die Zeile ek.beginTransaction() leitet eine Transaktion ein, die nach-folgend durch ihren Transaktionshandle tid verwaltet wird. Erst durch denAufruf von ek.commit(tid) wird die Transaktion beendet. Dadurch werdendie erzeugten Objekte persistiert und fur andere Kernelmethoden verfugbar.

7.7 Plug-In - Routing

Der Weg von einer Quelle, beispielsweise einem Regalfach, zu einem Ziel,etwa einem Kommissionierplatz, wird durch ein Plug-In berechnet, das das

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7.7 Plug-In - Routing 289

RouteStrategyInterface erfullt. myWMS stellt mit der Klasse RouteStra-tegyFirstMatch ein einfaches Routing-Plug-In zur Verfugung, das uber eineRekursion immer einen Weg findet, sofern er existiert.

In der Praxis ist es ausreichend, diese Klasse gemaß den Anforderungennach dem Prinzip der Vererbung zu erweitern. Ein Uberschreiben der Me-thode findWay() der Klasse RouteStrategyFirstMatch mit einem auf dieGegebenheiten des Lagers angepassten Algorithmus ist in vielen Fallen aus-reichend. Der Aufruf von findWay() erfolgt durch die Methode route() desPlug-In-Interfaces.

Alternativ besteht die Moglichkeit, das Interface durch eine eigene Klasseohne Ableitung direkt zu erfullen. Dabei ist neben den Anforderungen derererbten Interfaces14 nur die Methode route() zu implementieren.

public interface RouteStrategyInterfaceextends PluginInterface {

OrderChain[] route(final OrderChain[] orders, long tid)throws TransactionException;

}

Der Methode route() werden Paare von Quellen und Zielen ubergeben,fur jedes dieser Paare berechnet route() einen Weg. Quelle und Ziel sindjeweils eine StorageLocation und werden in einer sonst leeren OrderChainubergeben. Der Weg wird ebenfalls als OrderChain an den Aufrufer zuruck-gegeben, jetzt jedoch mit einer detaillierten Route, bestehend aus den ein-zelnen StorageLocations (Wegpunkten) und den HandlingScopes, die dieseverbinden.

route() ist als die Mehrfachanwendung der mathematischen Funktionr zu verstehen, die auf dem Transportnetz mit den Knoten l und den imHandlingScope h befindlichen Kanten arbeitet:

r(l1, l2) =

null l1 = l2null es existiert kein Wegl1, (h, l)∗, h, l2 sonst

Aus der Funktion ist ersichtlich, dass es zwischen zwei StorageLocationsnicht immer einen Weg geben muss.

Das so gebildete Plug-In muss dem Kernel bekannt gemacht werden. Dazuwird ein entsprechender Eintrag in die Konfigurationsdatei vorgenommen.Der Konfigurationsmanager sorgt fur die Instanziierung des Plug-Ins unddie Einbindung in den Kernel. Abbildung 7.13 zeigt das Zusammenspiel dereinzelnen Komponenten:

• Der Kernel stellt ein Plug-In-Interface bereit mit vordefinierten Methoden-namen, deren Argumenten und Ruckgabewerten.

14 Plug-In-Interface und dessen Vorganger, das ConfigurationClientInterface.

Page 300: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

290 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

Abbildung 7.13. Einbindung eines Plug-Ins in den Kernel uber die Konfiguration

• Ein Plug-In muss dieses Interface erfullen.• Das Plug-In kann durch Vererbung erweitert werden.• Die Konfiguration entscheidet, welches Plug-In vom Kernel verwendet

wird.

Sinngemaß muss die hier beschriebene Vorgehensweise bei allen Plug-In-Schnittstellen eingehalten werden. myWMS beinhaltet eine umfangreicheBibliothek vorgefertigter Plug-Ins, die bereits den Aufbau einfacher WMSermoglichen.

Page 301: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.8 Kommunikation 291

<<event>>DirectedMessage

+setSortingOrder:void+checkIt:void#match:boolean

sender:Stringreceiver:StringsequenceNummer:StringfunctionCode:String

<<event>>Response

errorCode:String

<<event>>DeviceReadEvent

data:Stringunit:String

<<event>>DeviceWriteRequest

data:StringcommandArgument:String

<<event>>DeviceCommandRequest

command:StringcommandArgument:String

DeviceStateEvent<<event>>

data:Stringtype:String

<<event>>DeviceAliveEvent

<<event>>MfcModifyRequest

storageLocation:StringunitLoadKods:StringunitLoads:String

<<event>>MfcTransportOrder

orderNummer:StringtransportSource:StringtransportDestination:StringunitLoadKods:StringunitLoads:String

<<event>>MfcTransportExecution

orderNummer:StringstorageLocation:StringunitLoadDifference:String

<<event>>MfcStateRequest

storageLocation:StringlocalSortingOrder:String

<<event>>MfcStateEvent

operationMode:StringlocalSortingOrder:String

<<Event>>MfcTransportEvent

storageLocation:StringunitLoadKods:StringunitLoads:String

+setProperty:void+getProperty:String#match:boolean+toString:String

Properties:PropertyObjecttimeout:int

ComObject<<message>>

Abbildung 7.14. Diagramm der Kommunikationsklassen

7.8 Kommunikation

Die Moglichkeit einer Kommunikation zwischen myWMS und den unterla-gerten Aktoren und Sensoren, respektive deren Zusammenfassung zu Sub-systemen, ist grundlegender Bestandteil des Equipment-Kernels, der den Ma-terialfluss steuert. Im Rahmen dieser Kommunikation sendet und empfangtder Kernel Objekte, wahrend die angeschlossenen Gerate Bytestreams unter-schiedlicher Formate empfangen und senden.

Basisklasse aller Kommunikationsobjekte ist die Klasse ComObject, diegrundlegende Methoden bereitstellt, wie etwa die Propertyverwaltung. DasDesign-Pattern

”Property“ mit den beiden Methoden setProperty() und

Page 302: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

292 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

getProperty() erleichtert die Implementierung der unterschiedlichen ausComObject abgeleiteten Klassen.

Direkt von ComObject abgeleitet ist die Klasse DirectedMessage, die uberdie geschutzten Methoden setProperty() und getProperty() der Basis-klasse offentliche Funktionalitat fur die Festlegung (set) und Abfrage (get)folgender Attribute zur Verfugung stellt:

• sender ist der Erzeuger der Instanz.• receiver ist der Empfanger der Nachricht.• functionCode beschreibt den Typ der Nachricht.• sequenceNumber ist ein Zahler zur Primarschlusselbildung.

Ist ein dem myWMS bekannter functionCode angegeben, wird ein hierfurspezialisiertes Objekt erzeugt. Die Abb. 7.14 zeigt durch ein Klassendia-gramm, welche moglichen Auspragungen existieren. Bei spezialisierten Kom-munikationsobjekten ist eindeutig festgelegt, wie sie innerhalb von my-WMS zu behandeln sind. Kommunikationsobjekte mit einem unbekanntenfunctionCode konnen von myWMS nicht ausgewertet werden, sie sind furanwendungsfallspezifische Erweiterungen vorgesehen.

Die Klasse MfcTransportOrder erweitert DirectedMessage und dient derBeauftragung der Transportgerate. Die erforderlichen neuen Attribute wer-den nicht als Elemente dieser Ableitungsstufe angelegt, sondern in der Pro-pertystruktur der Wurzelklasse abgelegt. Diese neuen Attribute sind

• transportSource, der Startpunkt des Transportes;• transportDestination, der Endpunkt des Transportes;• orderNumber, eine laufende Nummer fur den Transport;• unitLoads, die Anzahl der Transporteinheiten;

Die Einzelschritte eines Tansportauftrages werden mit Hilfe einer Rou-tingstrategie in MfcTransportOrder abgebildet und uber das im Folgendenbeschriebene Protokoll-Channel-Verfahren an die ausfuhrenden Maschinenkommuniziert.

Die Kommunikationsobjekte werden uber den Channel (vgl. Abschn. 7.4.4)mit der Umgebung ausgetauscht. Dabei ubernimmt der Channel die Abwick-lung der Datentransporte und nutzt ein Protokollobjekt fur die Serialisierungder Kommunikationsobjekte bzw. deren Konstruktion aus den Bytestreams.

public interface Protocol {

...

public byte[] eval(ComObject comObject, ...)throws ComException;

public ComObject[] eval(byte[] bytes, ...);

}

Page 303: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

7.8 Kommunikation 293

Jedes Protokoll muss das obige Protokoll-Interface erfullen; im Wesentli-chen ist hier die Methode eval zu nennen, die durch Uberladung zweifach zuimplementieren ist:

• Bei der Serialisierung wird eval als erster Parameter ein ComObjectubergeben. Nach den Regeln des zu implementierenden Protokolls wirddas ComObject in ein Array aus Bytes (byte[]) uberfuhrt und dem Aufru-fer zuruckgegeben.

• Bei der Deserialisierung wird eval ein Bytearray als erster Parameter uber-geben. Das Bytearray stellt den Ausschnitt eines empfangenen Streamsdar und kann fur die Konstruktion eines ComObjects unvollstandig sein,Daten fur ein oder mehrere ComObjects enthalten, unvollstandige Teiledes nachsten enthalten oder fehlerhaft sein. Aus vollstandigen Bytefolgenwerden ComObjects erzeugt und in einem Array zuruckgegeben. Unvoll-standige Bytefolgen mussen bis zum nachsten eval-Aufruf zwischengepuf-fert werden.

myWMS beinhaltet mehrere Protokolle, die unterschiedliche Zielsetzun-gen verfolgen. So existieren Klassen fur die Kommunikation mit einer Aus-wahl von AutoID-Geraten. Andere Klassen reprasentieren Protokolle fur denDatenaustausch mit Materialflussrechnern. Ein universell einsetzbares Proto-koll ist durch die Klasse XMLProtokoll gegeben. Hier konnen die Flexibilitatder XML-Metasprache sowie aller XML-Tools genutzt werden.

<message type="WMSmessage"><header sequence="0005" receiver="PLC3"

sender="WMS7" /><MfcTransportOrder unitLoads="0001"

orderNumber="3"transportSource="1.2"transportDestination="1.7" />

</message>

Das obige Beispiel zeigt ein serialisiertes MfcTransportOrder-Objekt, dasdurch eine Instanz des XML-Protokolls serialisiert wurde und in dieser Forman ein Transportgerat (LoadHandler) geschickt werden kann. Die Bezeichnerfur Transportquellen und -ziel entsprechen dabei der

”Sicht“ des Transport-

gerates.In diesem Kapitel wurden einige grundsatzliche Techniken anhand eines

einfachen Distributionssystems erlautert. Es wurde beispielhaft gezeigt, dassein WMS mehr als ein Datenmodell beinhaltet. Warehouse Managementsys-teme sind komplexe Systeme, welche die unterschiedlichsten Anforderungenerfullen mussen, und sie stellen damit eine Herausforderung an die Software-technik dar, die sich in den letzen Jahren - insbesondere durch den Einsatzder objektorientierten Techniken und geeigneter, anwendbarer Methoden undWerkzeuge - zu einer praktisch nutzbaren Ingenieursdisziplin entwickelt hat.

Page 304: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

294 7. Datenmodell eines WMS am Beispiel myWMS

Es gilt in Zukunft, mit geeigneten Methoden und Standards unterschied-liche Anforderungen ohne eine individuelle Neuprogrammierung schnell, ko-stengunstig und in guter Qualitat umzusetzten. Das in diesem Abschnittvorgestellte objektorientierte Konzept stellt neben den auf relationalen Da-tenbanken basierenden WMS eine Moglichkeit dar, dieses Ziel zu erreichen.

Page 305: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

Die durchschnittliche Einfuhrung eines umfangreichen WMS, z. B. im Rah-men eines Distributionszentrums, betragt in der Regel neun Monate1. Einsolcher Zeitrahmen deutet darauf hin, dass die Einfuhrung eines WMS einkomplexes Vorhaben ist, welches nicht mit der Installation einer beliebigenSoftware-Anwendung wie beispielsweise einer Textverarbeitung zu verglei-chen ist. So muss die WMS-Einfuhrung als ein Projekt2 eingestuft werden.Nicht immer kann ein reibungsloser operativer Betrieb des Lagers wahrenddieser Zeit sichergestellt werden. Im Rahmen der Realisierungsmaßnahmenkann es zu Storungen kommen, wobei die Grunde sehr vielfaltig sein konnen(beispielsweise Anpassungsschwierigkeiten bei der Umsetzung der neuen Ar-beitsanlaufe, Hemmnisse bei der Bedienung der neuen Software und Integra-tionsprobleme bei der neuen Hardware). Solche Storungen sind sowohl zeit-als auch kostenintensiv und mussen soweit wie moglich minimiert werden.

Unabdingbar sind somit eine sorgfaltige Planung im Vorfeld des Projek-tes und anschließend eine zielgerechte Vorgehensweise bei der Umsetzung.Dieses Kapitel zeigt einen systematischen Ablauf auf, wobei die Auswahlund Einfuhrung von WMS grundsatzlich dem gleichen schematischen Ablauffolgt, wie er bei der Einfuhrung einer beliebigen Software in entsprechen-der Großenordnung in Industrie- und Dienstleistungsbereichen ublich ist (s.Tabelle 8.1).

Je nach Ausgangssituation unterteilen sich die Projekte in

1. die Ablosung eines vorhandenen WMS2. die Einfuhrung eines neuen WMS im Rahmen eines Lagerneubaus

Da sich die Projektabwicklung in beiden Fallen nur geringfugig unter-scheidet, wird im Weiteren lediglich die Ablosung eines bestehenden WMSbetrachtet. Sollte sich fur den Lagerneubau die im Folgenden beschriebeneVorgehensweise grundlegend unterscheiden, wird darauf explizit hingewie-sen. Die VDI-Richtlinie 2523 (Projektmanagement fur logistische Systemeder Materialfluss- und Lagertechnik) definiert die grundlegenden Schritte derProjektabwicklung, auf die im Folgenden Bezug genommen wird.

1 Quelle: Internationale Marktstudie WMS, http://www.warehouse-logistics.com2 Ein Vorhaben, zu dessen Durchfuhrung besondere organisatorische Maßnahmen

erforderlich sind. In der Regel ist das Projekt zeitlich begrenzt, hat definierteZiele, ist einmalig und ist bereichsubergreifend anzugehen.

Page 306: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

296 8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

Tabelle 8.1. Projektablauf

Kick-off ”WMS-Projekt“

Projektschritt

Installation des Gesamt-Projektteams

Arbeitspunkte

Erstellung derAusschreibungs-unterlagen

Definition Leistungskennziffern

Erstellung Lastenheft

Komplettierung der Ausschreibungsunterlagen

Auftragsvergabe Anbietervorauswahl und qualifizierte Versendung derAusschreibungsunterlagen

Standort-/ Lagerbesichtigung

Angebotsvergleich

Angebotspräsentation

Besuche von Referenzanlagen ausgewählter Anbieter

Anbieterauswahl

Kick-off”WMS-Einführung“

Installation des Projektteams”WMS-Einführung“

Umsetzung Pflichtenhefterstellung

Realisierung

Inbetriebnahme Laborphase

Übergang vom alten zum neuen WMS

Schulungsmaßnahmen

Abnahme Leistungstest/ Funktionstest/ Verfügbarkeitsüberprüfung

Simulation von Störfällen/ Überprüfung von Notfallstrategien

formale Abnahme

Anforderungsdefinition Ist-Aufnahme

Schwachstellenanalyse

Entwicklung Soll-Konzept

8.1 Kick-off: WMS-Projekt

Zu Beginn eines WMS-Projektes wird ein Projektteam mit den relevantenMitgliedern zusammengestellt. In diesem Team werden zu Beginn im Rah-men eines Kick-off-Meetings die Arbeitsschritte, Projektziele sowie die er-forderlichen Formalien (z. B. Protokollfuhrung, Projektdokumentation, Da-tenaustausch) vereinbart. Weiterhin erfolgt die Abstimmung zur temporarenEinbindung weiterer Personen, die zur Projektbearbeitung notwendig sind.Es ist fur die erfolgreiche und zeitgerechte Durchfuhrung des WMS-Projektesnotwendig, dass die Mitglieder des Projektteams fur die Projektarbeit vonihren sonstigen Aufgabenbereichen zumindest teilweise freigestellt werden.Weiter ist es erforderlich, dass das WMS-Projekt von der Geschaftsleitungunterstutzt wird und dass die Projektleitung die notwendige Befugnis besitzt,Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen.

Page 307: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

8.2 Projektmanagement/Qualitatssicherungsmaßnahmen 297

Abbildung 8.1. Exemplarischer Umsetzungszeitplan

Zusatzlich sind fruhzeitig Mitarbeiter der operativen Ebene (z. B. Kom-missionierer) mit in das WMS-Projekt einzubeziehen. So wird gleich zu Be-ginn eine moglichst hohe Akzeptanz bei der Einfuhrung neuer Ablaufe undTechnologien erzielt und es werden Angste vor Veranderungen genommen.

Abschließend wird ein Umsetzungszeitplan erstellt, der die groben Meilen-steine aufzeigt und den geplanten Zeitbedarf definiert (s. Abb. 8.1). Bei derErstellung des Umsetzungszeitplans ist auf eine realistische und umsetzbareZeitplanung zu achten. Einzukalkulieren sind z. B. Urlaubszeiten oder beson-dere saisonale Belastungen. Zudem sollte die Inbetriebnahme nicht wahrendder Hochsaison stattfinden.

8.2 Projektmanagement/Qualitatssicherungsmaßnahmen

Wahrend des gesamten WMS-Projektes sollten im Rahmen des realisierungs-begleitenden Projektmanagements ubliche Controlling-Maßnahmen beachtetwerden z. B. :

• Uberwachung der MeilensteineWurde der Zeitbedarf fur die jeweiligen Meilensteine eingehalten? Kun-digen sich Ruckstande bei einzelnen Projektschritten an, oder bedrohenVerzogerungen die Gesamtlaufzeit?

Page 308: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

298 8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

• RessourcenkontrolleReichen die zur Verfugung stehenden Ressourcen aus? Wurde eine Erho-hung der Ressourcen eine signifikante Steigerung der Produktivitat erge-ben? Wird das geplante Budget eingehalten?

Ferner sind die zum Qualitatsmanagement gehorenden realisierungsbe-gleitenden Qualitatssicherungsmaßnahmen zu beachten.

8.3 Anforderungsdefinition

Die Projektphase der Anforderungsdefinition wird wesentlich von der Er-kenntnis getragen, dass das vorhandene WMS nicht mehr den Anforderungenentspricht und/oder der Status Quo verbessert werden muss.

Die Ausloser fur die Einfuhrung oder Uberarbeitung eines WarehouseManagementsystems konnen vielfaltig sein, wobei der angestrebte Effizienz-gewinn zumeist im Vordergrund steht. Weitere typische Ausloser sind z. B.:

• Einfuhrung einer neuen Lagertechnik (z. B. automatisches Hochregallager)oder eines neuen Lagergutes (z. B. Gefahrgut)

• Rationalisierung oder Erhohung der Leistungskennzahlen durch Einfuhrungneuer Technologien (z. B. Erhohung der manuell erbrachten Kommissio-nierleistungen durch Einfuhrung von Pick-To-Light)

• Nutzung des Lagers fur verschiedene Eigentumer der Ware (Mandan-tenfahigkeit)

• Integration von zusatzlichen wertschopfenden Tatigkeiten im Lager (ValueAdded Logistics, VAL)

• Vergabe der logistischen Leistungen an einen Dritten (Outsourcing)• geanderte Prozesse im Lager (z. B. Verbesserung der Qualitatssicherung

und Dokumentation)• Anderung der Auftragsstruktur durch verandertes Bestellverhalten (z. B.

stetig erhohte Kommissionierleistung durch kleinere Bestellmengen proAuftrag, die nicht effizient vom System unterstutzt wird)

• Integration von E-Commerce-Losungen (z. B. die Integration eines Online-Shops)

• Zukunftssicherung durch die Ablosung veralteter Hard- und Software (z. B.Einfuhrung neuer Datenbanken)

• neue Schnittstellen zu ubergeordneten ERP- und PPS-Systemen (z. B.ERP-Systemeinfuhrung im Rahmen einer unternehmensweiten Strategie)

8.3.1 Ist-Aufnahme

Aufgrund der vielfaltigen Erwartungen, die an ein neues WMS gestellt wer-den, kommt einer koordinierten und exakten Dokumentation des aktuel-len Status eine besondere Bedeutung zu. Sie erfolgt im Rahmen der Ist-

Page 309: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

8.3 Anforderungsdefinition 299

Abbildung 8.2. Beispielhafte Prozesskette des Ist-Zustands

Aufnahme (auch Ist-Analyse genannt), die im Wesentlichen aus den folgendenArbeitsgangen besteht:

Aufnahme der Geschaftsprozesse und des Informationsflusses DasZiel der Geschaftsprozessaufnahme ist die luckenlose Dokumentation aller Ge-schaftsprozesse3 im Lager. Eine ubliche Darstellungsform ist die Geschafts-prozesskette. Neben der reinen Aufnahme physischer Tatigkeiten wird hierauch der Informationsfluss und die Verwendung von Dokumenten proto-kolliert. Dadurch werden unter anderem leistungsmindernde Medienbruche(Wechsel zwischen zwei unterschiedlichen Medien, z.B. EDV und Papier)erkennbar.

Erfassung des bestehenden Leistungsumfangs des WMS Um ein ge-naues Bild uber den Leistungsumfang eines WMS zu erhalten, werden al-le verwendeten Funktionen sowie die dazugehorigen Geschaftsprozesse undAblaufe aufgezeigt. Zudem werden die wesentlichen Antwortzeiten (z. B. Mas-kenaufbau, Datenbankzugriff, Batch-Berechnung) erfasst.

Dokumentation der Schnittstellen zu uberlagerten (ERP, WWS)und unterlagerten (WCS) Systemen Bei der Dokumentation der Schnitt-stellen des WMS zu uber- und untergeordneten Systemen wird der gesamteDatenaustausch des WMS erfasst. Zu dokumentieren sind Art und Anzahlder Fremdsysteme, die verwendeten Protokolle sowie die zu ubertragendenEingangs- und Ausgangsdaten. Weiter sind der Speicherort der Stammdatenund die Gestaltung der Hierarchie von Daten- und Informationsflussen zuerfassen.

3 Ein Geschaftsprozess in diesem Zusammenhang ist eine Abfolge von Tatigkeiten,die uber verschiedene betriebliche Funktionsbereiche verlauft und einen Wert furKunden und Unternehmen schafft.

Page 310: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

300 8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

Beschreibung der Struktur der relevanten Daten Die Beschreibungder Struktur der relevanten Daten (z. B. Artikelnummer, Auftragsnummer,Charge) enthalt einen vollstandigen Uberblick uber den Aufbau aller wichti-gen Daten, Objekte und Nummernkreise, wie z. B. Artikelstammdaten, Seri-ennummern, Ladehilfsmittelnummern etc. (s. Tabelle 2.13, S. 66).

Das Ziel der Ist-Aufnahme ist somit die luckenlose Erfassung und Beschrei-bung aller das Lager betreffenden Vorgange, Daten und Systeme.

8.3.2 Schwachstellen-Analyse

Im Rahmen der Schwachstellen-Analyse werden alle Daten der Ist-Aufnahmehinsichtlich moglicher Verbesserungspotenziale untersucht. Die Unterteilungder Schwachstellen lehnt sich dabei an die im Rahmen der Ist-Aufnahme ge-nannten Arbeitsgange an. Typische Schwachstellen sind nachfolgend genannt:

Geschaftsprozesse und Informationsfluss im Lager Mit Hilfe der Pro-zesskettenanalyse4 (PKA) konnen Schwachstellen innerhalb der Geschafts-prozesse (z. B. uneinheitliche Ablaufe fur fast identische Prozesse oder keinedefinierten Prozesse fur Ausnahmesituationen) und des Informationsflusses(z. B. Medienbruche) aufgezeigt werden.

Leistungsumfang des WMS Der vorhandene Leistungsumfang des WMSdeckt nicht alle fur einen reibungslosen Betriebsablauf benotigten Anforde-rungen ab (z. B. fehlende Unterstutzung von ungeplanten Wareneingangendurch das WMS).

Schnittstellen zu unter- und ubergeordneten Systemen Nicht alle imRahmen der Ist-Analyse aufgenommen Schnittstellen sind eindeutig beschrie-ben (z. B. unvollstandige Beschreibung der ERP-Schnittstelle).

Struktur relevanter Daten Die Struktur der vorhandenen Nummernkreiseentspricht nicht mehr den tatsachlichen Anforderungen oder die benotigtenNummernkreise sind im WMS nicht vorhanden (z. B. Bedarf einer Seriennum-mer zur Seriennummern-Verfolgung, Fehlen eines entsprechenden Datenfeldesim WMS).

4 Eine Prozesskette lasst sich als eine abgestimmte, d.h. an einem festgelegten Ab-lauf orientierte Abfolge einzelner Teilprozesse (Prozesskettenelemente) festlegen.Fur die Prozesskettenanalyse werden zunachst die relevanten Prozessketten auf-genommen und anschließend hinsichtlich der zu realisierenden Potenziale (z. B.Zeitreduzierung und Kostenersparnis) untersucht ([30]; [31], S. 162ff).

Page 311: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

8.3 Anforderungsdefinition 301

Das Ziel der Schwachstellen-Analyse ist die Identifizierung aller Schwachstel-len, aus denen anschließend Verbesserungspotenziale abgeleitet werden. Beider Entscheidung zwischen Ablosung bzw. Nicht-Ablosung des alten WMSsollten neben den Verbesserungspotenzialen unter anderem auch folgendeAspekte berucksichtigt werden:

• wirtschaftliche Situation des Unternehmens• strategische Ausrichtung des Unternehmens• Prognosen (z. B. gesamtwirtschaftliche oder branchenspezifische)• Machbarkeitsstudie und Risikoanalyse5

8.3.3 Entwicklung Soll-Konzept

Wird die Entscheidung zur Ablosung des alten WMS durch ein neues getrof-fen, folgt die Entwicklung eines Soll-Konzeptes. Dieses basiert großtenteilsauf den aus der Ist-Aufnahme gewonnenen Erkenntnissen. Die im Rahmender Schwachstellen-Analyse aufgezeigten Moglichkeiten werden aufgenommenund die Anforderung an das neue WMS unter Berucksichtigung der Verbes-serungspotenziale beschrieben. Unter Beachtung der bei der Schwachstellen-Analyse eingefuhrten Klassifizierung ergeben sich die folgenden beispielhaftenAnforderungen:

Geschaftsprozesse und Informationsfluss im Lager Alle Geschaftspro-zesse, die das Lager betreffen, sind eindeutig definiert. Der Informationsflussund die Verwendung von Dokumenten sind vollstandig beschrieben.

Leistungsumfang des WMS Die Anforderungen an den Leistungsumfang(Funktionen und die dazugehorigen Geschaftsprozesse und Ablaufe) des neu-en WMS decken die tatsachlichen und geplanten Forderungen vollstandig ab.

Schnittstellen zu unter- und ubergeordneten Systemen Der gesamteDatenaustausch des WMS wird dargestellt, alle beteiligten Fremdsysteme, dieverwendeten Protokolle sowie die zu ubertragenden Daten werden aufgezeigt.Zudem ist eindeutig festgelegt, welches System welche Daten als Stammdatenhalt.

Struktur der relevanten Daten Alle benotigten Daten, Objekte und Num-mernkreise sind vollstandig definiert (siehe Tabelle 2.13 S. 66 und Tabelle8.2).

5 Die Risikoanalyse dient der moglichst fruhzeitigen Erkennung und Abschatzungpotenzieller interner und externer Projektrisiken.

Page 312: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

302 8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

Tabelle 8.2. Sollkonzept: Beispielhafter Aufbau einer Lagerplatzdatei

Beschreibung

Warehouse identifiziert das Lager

Feld

Area

Aisle

identifiziert den Lagerort

Side gibt die Seite innerhalb der Gasse an (vom Einlagerungspunkt aus gesehen): 0 – rechts, 1 – links

X

Y

X-Koordinate des Regal-Fachs beginnend bei 1, Start am Einlagertisch

Y-Koordinate des Regal-Fachs beginnend bei 1, Start von unten

identifiziert die Lagergasse

Z Z-Koordinate des Regal-Fachs beginnend bei 1

Quality

MaxHeight

Die G ü te (der ABC-Zone) gibt die euklidische Entfernung des Lagerplatzes zum Ein - bzw. Auslagerstich an; eine kleinere G ü te entspricht einer h ö heren Zugriffsgeschwindigkeit

IDLocProp berechnet das Lagerortskennzeichen des Platzes

IDTSUTypeGroup

IDTSUType

Gruppe von LHM-Typen (engl. Transport Support Unit, TSU), die auf diesem Platz untergebracht werden k ö nnen

aktuell auf dem Platz befindlicher LHM-Typ (engl. TSU)

maximal nutzbare H ö he des Lagerplatzes in mm

1.

Nr.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

Quantity

ResQuantity

Anzahl LHM auf dem Platz: 0 – Platz ist leer, größer 0 – Platz ist mit dem in IDTSUType angegebenen Typ belegt

reserved quantity – Anzahl LHM, die für Abgang reserviert sind

RepQuantity r eplenished quantity – Anzahl LHM, die als Nachschub für diesen Platz unterwegs sind

IDLock

InvTS

Sperrkennzeichen

InvIDOperator Mitarbeiter, der die letzte Inventur durchgef ü hrt hat

ZCrossingTS ZeroCrossingTimeStamp – Nulldurchgangszeitpunkt

Zeitpunkt der letzten Inventur (engl. Time Stamp, TS)

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

Page 313: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

8.4 Erstellung der Ausschreibungsunterlagen 303

Abbildung 8.3. Beispielhafte Prozesskette des Soll-Zustands

8.4 Erstellung der Ausschreibungsunterlagen

Die Projektphase Leistungsverzeichnis, Lastenheft und Ausschreibung ist ge-kennzeichnet durch die formale Aufschreibung des erarbeiteten Soll-Konzepts,wobei geltende Normen, Richtlinien und Gesetze sowie firmeninterne Vor-schriften Berucksichtigung finden. Das Ziel dieser Projektphase ist die voll-standige Erstellung der Ausschreibungsunterlagen.

8.4.1 Definition Leistungsverzeichnis

Im Leistungsverzeichnis werden die Leistungskennzahlen (Key PerformanceIndicators, KPI) aufgefuhrt. Beispielhaft sind dies

• Auftrage, Positionen, Auslagerungen pro Zeitintervall (Tag/Woche/Monat)• Positionen, Auslagerungen pro Artikel/Sortiment/Mandant• Auftrage, Volumen, Gewicht pro Position/Kunde/Versandart• usw.

Um eine Unterdimensionierung des WMS zu vermeiden, sind bei derBestimmung der KPIs neben den derzeitig gestellten Anforderungen auchlangfristige Entwicklungen (z. B. Ausweitung des Artikelsortiments oder dieEinfuhrung einer leistungsbezogenen Entlohnung fur die Kommissionierer)

Page 314: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

304 8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

zu berucksichtigen. Die Leistungskennzahlen definieren die Anforderungenan das neue WMS und stellen einen wichtigen Bestandteil der Ausschrei-bungsunterlagen dar.

Abbildung 8.4. Beispielhaftes Inhaltsverzeichnis Lastenheft

Page 315: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

8.4 Erstellung der Ausschreibungsunterlagen 305

8.4.2 Erstellung Lastenheft

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen ist das La-stenheft:

”Das Lastenheft eines Projektes ist die Zusammenstellung der Anfor-

derungen an das zu entwickelnde System, hier an das zu entwickelndeProgramm/Programmsystem. Dies verlangt als Voraussetzung:• eine Untersuchung zur Machbarkeit und• eine eingehende Analyse der Risiken, die mit der Entwicklung ver-

bunden sind oder sein konnten.“([42], S. L-1)

Wesentliche Aspekte fur die Erstellung eines Lastenheftes fur ein WMS([4], S. 63) sind nachfolgend aufgefuhrt:

Aufgabe Das Lastenheft fasst alle fachlichen Anforderungen, die das zubeschaffende WMS aus Sicht des Auftraggebers erfullen muss, prazisezusammen.

Adressaten Die ublichen Adressaten des Lastenheftes sind beim WMS-Anbieter die Vertriebsmitarbeiter, der potenzielle Projektleiter sowie dieAnwendungsspezialisten.

Inhalt Auf einem ausreichend hohen Abstraktionsniveau wird die zu losendeAufgabe, nicht die prazise Umsetzung, beschrieben (das WAS, nicht dasWIE).

Form Eine eindeutige Nummerierung der einzelnen Anforderungen erleich-tert z. B. sowohl beim Angebotsvergleich als auch bei der Pflichtenheft-Erstellung eine spatere Referenzierung.

Zeitpunkt Das Lastenheft ist das erste formale Dokument, das die wesent-lichen Anforderungen an das WMS beschreibt.

Umfang Die Konzentration auf die fundamentalen Anforderungen ermog-licht eine Beschrankung des Umfangs auf wenige Seiten.

Die oben genannten Aspekte fuhren zu folgendem beispielhaften Grobschema:

A) Grundlegendes (kurze, nicht funktionale Beschreibung des Projektes):• Aufgabenstellung

allgemeine geschaftsstrategische Umschreibung der Aufgabe (z. B. Ab-losung des vorhandenen WMS durch ein neues WMS)

• VeranlassungGrunde und Notwendigkeiten, die zu der Aufgabe fuhrten (z. B. unzu-reichende Funktionalitat beim vorhandenen WMS)

• Zielsetzung des Vorhabensgenerelle Beschreibung des Projektziels (z. B. funktionale Unterstut-zung aller Tatigkeiten im Lager durch ein neues WMS, wobei diesesSystem auch auf zukunftige Anforderungen vom Anwender parame-trisierbar sein muss). Auch die geplanten Leistungskennzahlen werdenhier aufgefuhrt.

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306 8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

• Projektumfeldkurze Zusammenfassung des Umfelds (z. B. Hauptsitz mit Produktionund Zwischenlager der Firma in Stadt A, Distributionszentren in denOrten B und C)

B) Funktionsumfang (Beschreibung aller Funktionen):

• Abgrenzung zu ERP und MFC und sonstiger SoftwarePositionierung des WMS innerhalb der Systemlandschaft (z. B. Kun-denauftrage kommen ausschließlich vom ubergeordneten ERP-System,die Gleichverteilung innerhalb der Gassen des Hochregals ist Aufgabedes Steuerungssystems

”Hochregal“)

• FunktionenAufzahlung und Beschreibung aller unverzichtbaren Funktionen undLeistungen (z. B. Chargenfahigkeit)

• optionale FunktionenAufzahlung und Beschreibung aller Funktionen und Leistungen, diefur den Betrieb des Lagers hilfreich waren, aber im Zweifelsfall (z. B.wegen steigender Kosten) nicht vorhanden sein mussen (z. B. Online-Sprachumschaltung, ohne sich abmelden und erneut am System an-melden zu mussen)

• SonderfunktionenAufzahlung und Beschreibung aller Funktionen und Leistungen, dieden gewohnlichen Betrieb eines Lagers nicht betreffen, aber fur die Ad-ministration des WMS erforderlich sind (z. B. Anpassungsfahigkeit/Er-weiterbarkeit: Der Benutzer kann ohne Unterstutzung des WMS-Anbie-ters weitere Lager im WMS abbilden.)Neben der Darstellung der nicht gewohnlichen Funktionen zahlt auchdie Beschreibung der zu ubernehmenden Daten aus dem vorhandenenWMS zu den Sonderfunktionen.

Bei der Erstellung des Lastenheftes sollten die folgenden Normen undRichtlinien Beachtung finden:

• VDI 2519 (Vorgehensweise bei der Erstellung von Lastenheften)• VDI/VDE 3694 (Lastenheft fur den Einsatz von Automatisierungssyste-

men)• VDI 3969 (Schnittstellen des Lagerverwaltungssystems zu ubergeordneten

Systemen)• DIN ISO 9126 (Software-Qualitatsmerkmale)

Zusatzlich zu den oben genannten Normen und Richtlinien sollten bei derBeschreibung der Verfugbarkeit die nachstehenden Normen berucksichtigtwerden:

• VDI 4004 Blatt 4 (Zuverlassigkeitskenngroßen – Verfugbarkeitskenngroßen)• VDI 3649 (Anwendung der Verfugbarkeitsrechnung fur Forder- und Lager-

systeme)

Page 317: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

8.4 Erstellung der Ausschreibungsunterlagen 307

• VDI 3581 Entwurf (Verfugbarkeit von Transport- und Lageranlagen sowiederen Teilsysteme und Elemente)

Zusammenfassend gilt, dass das Lastenheft sinnvoll gegliedert und struk-turiert sein sollte. Angebote sollen und mussen sich direkt auf das Lastenheftbeziehen konnen.

Beispielhaft ist das Inhaltsverzeichnis eines Lastenhefts zur WMS-Auswahldargestellt (s. Abb. 8.4).

Tabelle 8.3. Exemplarische Vorgabe fur Preisangaben

Hauptfunktion 1

Funktion 1

Leistung

Option 1

Hardware

Ger ä t 1

Bestand - teil 1

Schulung

Themengebiet 1

Wartung

Wartungsvertrag 1

Leistung 1

Grundmodul

Funktion ...

Funktion m

Hauptfunktion n

Funktion 1

Funktion ...

Funktion m

Option n

Funktion 1

Funktion ...

Funktion m

Funktion 1

Funktion ...

Funktion m

Ger ä t n

Bestand - teil ...

Bestand - teil m

Bestand - teil 1

Bestand - teil ...

Bestand - teil m

Themengebiet n

Leistung ...

Leistung m

Wartungsvertrag n

Leistung 1

Leistung ...

Leistung m

Kosten in EURO

XX.XXX,XX

XX.XXX,XX

XX.XXX,XX

XX.XXX,XX

XX.XXX,XX

Page 318: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

308 8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

8.4.3 Komplettierung der Ausschreibungsunterlagen

Die Ausschreibungsunterlagen werden unter anderem durch die nachfolgen-den Punkte komplettiert:

• Allgemeine Einkaufsbedingungen• Geheimhaltungsvereinbarung• Aussagen uber mogliche Vertragsstrafen/Ponale (auch: Recht auf Nachbes-

serung)• wesentliche Abnahmekriterien• Bereitstellung einer verbindlichen Formatvorlage fur die Gliederung des

Angebots• Bereitstellung einer verbindlichen Formatvorlage fur die Preisangaben (s.

Tabelle 8.3).

8.5 Auftragsvergabe

Vor der Auftragsvergabe stehen die Anbietervorauswahl, die daraus resultie-rende Versendung der Ausschreibungsunterlagen an einen qualifizierten Kreisvon Anbietern, die Besuche der Anbieter beim Auftraggeber, der Angebots-vergleich und eine abschließende, Angebotsprasentation sowie die Besuchedes Auftraggebers bei verschiedenen Referenzkunden der Anbieter.

8.5.1 Anbietervorauswahl

Zur Vorbereitung der Anbieterauswahl und des Angebotsvergleichs ist es not-wendig, die im Lastenheft beschriebenen Funktionen zu unterteilen:

• Kriterien, die fur den reibungslosen Betriebsablauf im Lager unverzichtbarsind, z. B. Mandantenfahigkeit fur Logistikdienstleister, werden zu Aus-schlusskriterien: Wird diese Funktion vom Produkt des WMS-Anbietersnicht erfullt, scheidet das Produkt beim Auswahlprozess sofort aus.

• Kriterien, die den Betriebsablauf unterstutzen, aber nicht unverzichtbarsind, werden zu so genannten optionalen Kriterien: Fur den Betriebsab-lauf ist diese Funktion hilfreich, das Fehlen dieser Funktionalitat fuhrt abernicht automatisch zum Ausscheiden des WMS beim weiteren Auswahlpro-zess.

Der Angebotsvergleich kann erheblich dadurch reduziert werden, dass nurAnbieter angeschrieben werden, die die Mindestanforderungen erfullen (dieso genannte qualifizierte Versendung der Ausschreibungsunterlagen). Einebeispielhafte Checkliste zur Hinterfragung dieser Mindestanforderung durchden Auftraggeber zeigt Abb. 8.5.

Hier sei auf eine Initiative verwiesen, die mit Hilfe einer Internetdatenbankeine WMS-Anbieter-Vorauswahl unterstutzt [50].

Page 319: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

8.5 Auftragsvergabe 309

...

Für welche Lagertechniken soll der Anbieter bereits Projekte realisiert haben? Z.B.• AKL (Automatisches Kleinteilelager)• manuelles Behälter-/Kleinteilelager

Für welches spezielle Lagergut soll der Anbieter bereits Projekte realisiert haben? Z.B.• Stückgut• Coil• Langgut• Schüttgut

Für welche Lagerarten sollen bereits Projekte realisiert worden sein? Z.B.• Kommissionierlager• Zolllager• Kühllager• Gefahrgutlager• Mehrlager: Hauptlager mit Regionallagern

Wird eine für den Bereich Paketdienst geeignete Software benötigt?

Wird eine für Logistikdienstleister geeignete Software benötigt?

Wird eine Chargenverwaltung benötigt?

Wird eine Seriennummernverwaltung benötigt?

Soll das System mehrlagerfähig sein?

Soll das System mandantenfähig sein?

Wird Unterstützung durch das WMS beim Dock-/ Yardmanagement benötigt?

Wird eine für Speditionen geeignete Software benötigt?

Abbildung 8.5. Checkliste Mindestanforderungen

Das Ergebnis der Anbietervorauswahl ist eine Ubersicht derjenigen An-bieter, die die gestellten Anforderungen erfullen. Ein qualifiziertes Versendender Ausschreibungsunterlagen wird dadurch ermoglicht.

Page 320: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

310 8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

Angebot der Ausschluss-Funktionen ( Werden alle geforderten Ausschluss-Funktionen angeboten?)

Angebot der Optionen ( Inwieweit werden die Funktionen angeboten?)

Standardisierungsgrad der angebotenen Software ( Geh ö ren die Ausschluss- Funktionen bzw. die Optionen zum Standard 6 oder m ü ssen sie individuell implementiert werden?)

Lizenzmodelle

Angebot Wartung und Pflege

detaillierte Beschreibung des Aufwands f ü r die Individualprogrammierung

Anforderungen des WMS-Anbieter an den Auftraggeber ( z. B.: Wie viele Mitarbeiter müssen für das Projekt freigestellt werden , welche Vorbereitungsma ß nahmen werden erwartet?)

H ö he der Tages- bzw. Stundens ä tze und der Reisekosten; Unterscheidung nach Qualifikation der Mitarbeiter und T ä tigkeit

Durchsicht der AGB des Anbieters

Umfang des Angebots ( Wird mehr angeboten als gefordert? Warum wird mehr angeboten? Ist dieses ”Mehr“ auch aus Auftraggebersicht notwendig?)

usw.

Angebot Schulungsma ß nahmen ( Welche Schulungsma ß nahmen werden angeboten?)

Abbildung 8.6. Checkliste Angebotsvergleich

8.5.2 Standort-/Lagerbesichtigung

Fur den WMS-Anbieter ist es fur die korrekte Angebotserstellung sehr hilf-reich, mindestens einen Standort/ein Lager des Auftraggebers vorher zu be-sichtigen. Hier kann er sich einen Eindruck verschaffen und ggf. Fragen zum

Page 321: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

8.5 Auftragsvergabe 311

Angebot stellen. Fur beide Seiten bietet die Besichtigung die Chance, sichpersonlich kennenzulernen.

Ziele der Standort-/Lagerbesichtigung sind die Beantwortung von Fragenzu den Ausschreibungsunterlagen, ein Gespur fur das Lager des Auftraggeberszu bekommen sowie ein erstes Kennenlernen der moglichen Vertragspartner.

8.5.3 Angebotsvergleich

Wahrend des folgenden Angebotvergleichs mussen die eingehenden Angebotein einem ersten Schritt einander gegenubergestellt werden. Ein solches Vorge-hen ist notwendig, da die WMS-Anbieter nicht immer die Umsetzung der imLastenheft beschriebenen Anforderungen anbieten, sondern zunachst haufigden Standardumfang des jeweiligen WMS. Unterstutzung bei dem Vergleichder unterschiedlichen Angebote bietet die in Abb. 8.6 aufgezeigte Checkliste.

Die Uberprufung wird systematisch fur jedes Angebot aufbereitet. In derRegel treten dabei Fragen auf, die geklart werden mussen, wobei ggf. eineErweiterung und/oder Detaillierung des vorliegenden Angebots angefordertwerden muss. Den beispielhaften schematischen Aufbau eines Angebotver-gleichs zeigen Tabelle 8.4 und Tabelle 8.6.

Page 322: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

312 8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

Tabelle 8.4. Bewertung Angebote

Datendarstellung und Mengengerüst

warenbezogene Stammdaten

Artikelstammdaten

Verpackungseinheiten je Artikel

Warenarten-Tabelle

Stammdaten Lager- und Transportsysteme

KOStammdaten Lager

Stammdaten Gabelstapler

Ablauf Warenzugang

Abwicklung Warenzugang

Warenanlieferung

Einlagerplatzbestimmung

Einlagerungstransport

Warenzugangsbuchungen

Buchung WMS

Zugang aus der Produktion

Ablauf Kundenauftragsabwicklung

Kommissionierung

Auftragsfreigabe zur Kommissionierung

manuell

automatisch ohne Restriktionen

automatisch mit Restriktionen

Bedienerführung Kommissionierung

Generierung Nachschubaufträge

Warenabgang

(-) 34

(-) 34

+

+

+

+

(+) 28

(+) 29

(+) 31

+

(+) 32

(+) 32

+

+

+

(+) 1

(-) 2

(+) 9

+

(+) 10

+

+

(-) 3

+

+

+

+

Anbie

ter

A

Funkt

ion/

Leis

tung

Auss

chlu

ss-

krite

rium

Anbie

ter

B

...

...

...

...

...

...

...

...

...

...

...

...

...

...

...

...

...

Anbie

ter

n

Page 323: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

8.5 Auftragsvergabe 313

Tabelle 8.5. Bewertung Angebote (Forts.)

Anbie

ter

A

Funkt

ion/

Leis

tung

Auss

chlu

ss-

krite

rium

Anbie

ter

B

+Informations- und Berichtswesen

+KODatenübernahme ALT-WMS

-KOzweistufige Kommissionierung

+KOPrioritätenvergabe

(+) 2, 6Kompatibilität RF

-Wartungsvertrag

+Schulung

+Leistungsanforderung

-Verfügbarkeitsanforderung

-Projektabwicklung

...

+

+

-

+

+

-

+

-

+

+

...

...

...

...

...

...

...

...

...

Anbie

ter

n

KO Ausschlusskriterium; ein leeres Feld kennzeichnet ein optionales Kriterium.

+ / - Anforderung wird im Angebot genannt und erfüllt/nicht erfüllt.

- Anforderung wird im Angebot genannt und nicht erfüllt.

Auf die Anforderung wird im Angebot nicht eingegangen.

32 Topic in der Bemerkungsanlage Tabelle 7.8

Tabelle 8.6. Bemerkungen zu den Angeboten

Angebot Seite

2 5

Topic

6

28

8

18

Anmerkung Firma A

2.3 XP-Rechner und Konsolen-Software als zus ä tzliche Kosten aufgef ü hrt

Lastenheft Kapitel

2.5

2.3.4

Warum wird der Austausch ä lterer Ger ä te empfohlen ? Gibt es Probleme beim Einsatz ä lterer Ger ä te oder ist dies eine generelle Meinung ?

„ Zusammengefasste Transporte“ ist Ausschlusskriterium ; aufgef ü hrt als Add - On „ Zusammengefasste Transporte“ ; genauer Preis fehlt .

34 19 2.4.3.2-3 „ Bedienerf ü hrung Kommissionierung“ und „ Generierung Nachschubauftr ä ge“ : Beides muss angepasst werden . Im Angebotspreis bereits enthalten ?

...

Page 324: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

314 8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

8.5.4 Angebotsprasentation

In der Regel zeigt sich, dass eine einfache numerische Bewertung des Ange-bots nicht unmittelbar moglich und bei der Entscheidung fur ein WMS nichtausreichend ist. Ein Treffen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer liefertzusatzliche, fur die Entscheidung hilfreiche Informationen. Einen passendenRahmen hierfur bietet beispielsweise eine Prasentation des Angebots durchden WMS-Anbieter beim Auftraggeber.

Im Rahmen der Angebotsprasentation wird dem WMS-Anbieter die Mog-lichkeit gegeben, sein Angebot dem Auftraggeber personlich vorzustellen. Da-bei kann er sowohl die Starken seines Produktes als auch die seines Unterneh-mens explizit herausarbeiten. Zudem werden die Vorgehensweise/Methodikund der Projektplan bei der Einfuhrung eines WMS erlautert. Der Auftrag-geber hat die Moglichkeit, offene Punkte hinsichtlich des Angebots fachlichzu klaren. Die Aussagen und Erkenntnisse der Angebotsprasentation werdenprotokolliert.

Zusatzlich zum Projektleiter sollten auf Seiten des Auftraggebers die ver-antwortlichen Entscheidungstrager und die fur den Lagerbetrieb operativ ver-antwortlichen Mitarbeiter an einer solchen Prasentation teilnehmen. Auf Sei-ten des WMS-Anbieters sollten zumindest die verantwortlichen Vertriebsmit-arbeiter sowie der potenzielle Projektleiter teilnehmen.

Ein standardisiertes Vorgehen erleichtert den Vergleich und die Bewertungder Prasentationen aller WMS-Anbieter (vgl. Tabelle 8.6).

Das Ziel der Angebotsprasentation ist somit die Klarung aller offenenPunkte sowohl von Seiten des Auftraggebers als auch von Seiten des WMS-Anbieters. Das vorliegende Angebot ist vollstandig, eindeutig und verstanden.

8.5.5 Referenzbesuche

Zur realistischen Einschatzung des Leistungsumfangs der angebotenen WMSist es fur den Auftraggeber sinnvoll, ahnlich gelagerte Referenzanlagen derWMS-Anbieter zu besichtigen. Hier bietet sich die Moglichkeit, Erfahrungen(Wie verlief die WMS-Einfuhrung? Wie ist die After-Sales-Unterstutzung?)mit Alt-Kunden des Anbieter auszutauschen.

Ziel der Referenzbesuche ist es auch, einen Eindruck vom WMS im lau-fenden Betrieb zu bekommen.

8.5.6 Anbieterauswahl

Die Erkenntnisse, die im Rahmen der Lager-/Standortbesichtigung, der An-gebotsprasentation und der Referenzbesuche gewonnen wurden, fließen in dieBewertung des Angebots ein. Aus der abschließenden Bewertung der vorlie-genden Angebote entsteht eine Rangfolge. Die kaufmannischen Verhandlun-gen mit den in Frage kommenden Anbietern schließen die Anbieterauswahlab.

Page 325: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

8.6 Umsetzung 315

Tabelle 8.7. Bewertungsbogen

Status Angebot

Einrichtung Stammdaten

Funktionsbereiche

Einlagerungsstrategien

Nachschub Kommissionierung

1

Nr.

2

3

...

Status Pr ä sentation

Kommentar Wert

8.6 Umsetzung

Die Projektphase Umsetzung wird von der Pflichtenhefterstellung und deranschließenden Realisierung dominiert. Ausdrucklich zu erwahnen sind in die-ser Phase die begleitenden Controlling- und Qualitatssicherungsmaßnahmen(vgl. Kapitel 8.1).

Die Projektphase Umsetzung startet analog zum Kick-off-Meeting amAnfang des WMS-Projekt mit einem Kick-off-Meeting WMS-Einfuhrung. Indiesem Rahmen wird ein Projektteam mit den relevanten Mitgliedern desAuftraggebers und des Auftragnehmers zusammengestellt. In diesem Teamwerden die Arbeitsschritte, Untersuchungsinhalte, Datenbedarfe und Termin-plane sowie die erforderlichen Formalien (z. B. Protokollfuhrung, Projektdo-kumentation, Datenaustausch) vereinbart.

8.6.1 Pflichtenhefterstellung

Das Pflichtenheft beschreibt, WIE die Vorgaben des Lastenhefts umgesetztwerden. Es bildet die Grundlage aller Tatigkeiten wahrend der Realisierungund sollte integraler Bestandteil des Vertrags zwischen Auftraggeber undAuftragnehmer sein.

”Das Pflichtenheft beschreibt im Wesentlichen, wie die Aufgaben, die

im Lastenheft spezifiziert worden sind, gelost werden sollen. Damitenthalt es die Leistungsbeschreibung des zu entwickelnden Systemsund legt bei dieser Gelegenheit dar, wie und zumeist auch mit wel-chen Mitteln die Aufgabenstellung gelost werden soll. Vor diesemHintergrund liefert das Pflichtenheft die Grundlage fur die Abnahme.(...) Im Zusammenspiel zwischen Auftraggeber und Auftragnehmerist aus dem Lastenheft ein Pflichtenheft zu erarbeiten, das Grundlagedes Vertrags ... ist.“([42], S. L-1)

Viele Begriffe der Intralogistik sind branchen- oder firmenspezifisch. Zu-dem unterliegen sie einem steten, durch die Technologie getriebenen Wandel.

Page 326: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

316 8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

Um Missverstandnisse zu vermeiden, sollte ein gemeinsames Glossar ange-legt werden. Zusatzlich ist der Verweis auf entsprechende Veroffentlichungenhilfreich [58]. Unterschiedliche Deutungen der im Pflichtenheft beschriebenenLeistungen werden minimiert, eine exaktere Umsetzung wird ermoglicht.

”Das Pflichtenheft stellt eine Verfeinerung des Lastenheftes dar (...).

Auf der Grundlage des Pflichtenheftes und des Glossars wird einformales Produkt-Modell erstellt, das die Anforderungen vollstandig,konsistent und eindeutig beschreiben muss.“([4], S. 100)

Die Aspekte bei der Erstellung des Pflichtenhefts gleichen im Allgemeinendenen bei der Erstellung des Lastenhefts (vgl. Abschn. 8.4.2). Zusatzlich wirddie Umsetzung der im Lastenheft beschriebenen Anforderungen ganzlich,widerspruchsfrei und unmissverstandlich beschrieben. Treten im Laufe derRealisierung nicht vorhersehbare neue Erkenntnisse auf, sollten diese mitEinverstandnis von Auftraggeber und Auftragnehmer nachtraglich zum Be-standteil des Pflichtenhefts gemacht werden.

Das Studium der nachstehenden Normen und Richtlinien erleichtert dieErstellung des Pflichtenhefts. Gegebenenfalls kann deren Beachtung zu einemBestandteil des Vertrags gemacht werden:

• VDI 2519 (Vorgehensweise bei der Erstellung von Pflichtenheften)• VDI/VDE 3694 (Pflichtenheft fur den Einsatz von Automatisierungssyste-

men)• ANSI/IEEE 830-1998 (SRS Software Requirements Specifications)

Das folgende, beispielhafte Grobschema eines Pflichtenhefts berucksichtigtdie wesentlichen, oben beschriebenen Anforderungen:

• Grundlegendes (kurze, nicht funktionale Beschreibung des Projektes)– Aufgabenstellung

allgemeine (geschaftspolitische) Umschreibung der Aufgabe, z. B. Ablo-sung des vorhandenen WMS durch ein neues WMS

– VeranlassungGrunde und Notwendigkeiten, die zu der Aufgabe fuhrten; z. B. neueTatigkeiten im Lager konnen durch das Alt-System nicht mehr abgedecktwerden.

– Zielsetzung des Vorhabensgenerelle Beschreibung des Projektziels, z. B. funktionale Unterstutzungaller Tatigkeiten im Lager durch ein neues WMS, wobei dieses Sys-tem auch auf zukunftige Ereignisse vom Anwender parametrisierbar seinmuss. Auch die zu realisierenden Leistungskennzahlen sollten hier auf-gefuhrt werden.

– Projektumfeldkurze Zusammenfassung des Umfelds, z.B. Hauptsitz mit Produktionund Zwischenlager der Firma in Stadt A, Distributionszentren in denOrten B und C

Page 327: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

8.6 Umsetzung 317

– ZeitrahmenNennung aller Meilensteine mit zeitlichen Rahmendaten

• Funktionsumfang (Beschreibung aller Funktionen)– Abgrenzung zu ERP und MFC und sonstiger Software: Positionierung

des WMS innerhalb der Systemlandschaft– Funktionen: Aufzahlung und Beschreibung aller Funktionen und Leis-

tungen– Schnittstellen: Beschreibung der benotigten Schnittstellen und Protokol-

le.– Datenubernahme: Art und Weise der Datenubernahme mit Angabe der

zu ubernehmenden Daten werden erlautert.• Schulung (Zeitpunkt, Ort und Umfang sowie Zielgruppe der einzelnen

Schulungsmaßnahmen werden benannt.)• Inbetriebnahme (Zeitpunkt und Ablauf der Inbetriebnahme werden be-

schrieben.)• Abnahme (Form und Umfang der Abnahme mit prazise definierten Leis-

tungskennzahlen und einer Liste der Pflichten von Auftragnehmer, aberauch Auftraggeber werden aufgefuhrt.)

Das Ziel der Projektphase Pflichtenhefterstellung ist die exakte und zwei-felsfreie Niederlegung aller Pflichten (Leistungen, Tatigkeiten und Funktio-nen) inklusive ihrer Terminierung, die zur Erfullung des Projektziels notwen-dig sind. Das Pflichtenheft wird durch den Auftraggeber genehmigt. Es istmoglich, das gesamte Pflichtenheft erst nach Fertigstellung durch den Auf-traggeber abnehmen zu lassen. Effizienter und effektiver ist es hingegen, jedeseinzelne Kapitel sofort nach Fertigstellung abnehmen zu lassen. Als Bestand-teil des Vertrages ist das Pflichtenheft fur beide Seiten verbindlich.

8.6.2 Realisierung

Der sich anschließende Projektschritt ist die Realisierung. Bei der Realisie-rung handelt es sich um die Umsetzung der im Lasten- und Pflichtenheftbeschriebenen Anforderungen zur Fertigstellung des Produktes. Die Umset-zung erfolgt durch

• Implementierung (Installation der Software auf die bereitgestellte Hard-ware),

• Customizing (Anpassung an die gegebenen Schnittstellen und Aktivierungder benotigten Programmmodule),

• Parametrisierung (Anpassung der Software mittels Parameter und Schalteran die Kundenvorgaben),

• Individualprogrammierung (Programmierung von individuellen Funktio-nen).

Alle sich wahrend der Realisierung ergebenden Anderungen zum Lasten-bzw. Pflichtenheft sind zu dokumentieren und zwischen Auftragnehmer und

Page 328: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

318 8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

Auftraggeber zu kommunizieren. Mogliche Grunde fur Anderungen konnenneue Erkenntnisse (beispielsweise hat es sich als effizienter erwiesen, den ge-planten Ablauf umzugestalten), fehlende Punkte im Lasten- und Pflichtenheftsowie neue Anforderung (z. B. werden weitere Formulare und zusatzliche sta-tistische Informationsabfragen benotigt) sein. Dokumentiert werden solltenunter anderem folgende Aspekte:

• Welche Leistung/Funktion fallt weg/kommt neu dazu/andert sich?• Welche kostenwirksamen Anderungen sind damit verbunden?• Welche zeitlichen Auswirkungen (Terminierung der Meilensteine des Pro-

jektes) ergeben sich hieraus?• Welche Prioritat hat die Anderung? Muss sie vor der Inbetriebnahme er-

folgt sein? Wenn die Anderung spater erfolgen kann, bis wann muss siespatestens erfolgen?

Durch die Dokumentation der Anderungen werden mogliche Unstimmig-keiten wahrend der Abnahme vermieden, da die zwangslaufigen Unterschiedezwischen den im Lasten- und Pflichtenheft beschriebenen Funktionen undden realisierten Funktionen aufgezeigt und somit nachvollziehbar werden.

Das Ziel der Projektphase Realisierung ist die Umsetzung der im Pflich-tenheft beschriebenen Funktionalitat innerhalb des gesetzten Zeitrahmens,mit den geplanten Ressourcen, in der gewunschten Qualitat.

8.7 Inbetriebnahme

Die Projektphase Inbetriebnahme unterteilt sich in eine Laborphase, den ei-gentlichen Ubergang vom alten zum neuen WMS und die parallel stattfinden-den Schulungsmaßnahmen. Mit erfolgreichem Abschluss der Inbetriebnahmeerfolgt die Freigabe des neuen WMS fur den Produktivbetrieb.

8.7.1 Laborphase

Vor der Laborphase mussen die Alt-Datenbestande (z. B. Artikel-Stammdaten,Lagerbewegungsprotokoll) ubernommen werden. Hierbei kann es erforderlichwerden, z.B. spezielle Import-Programme zu entwickeln. Generell gilt: Jegroßer der Umfang der Datenbestande ist, desto eher sollte die Ubernahmebeginnen (s. [4], S. 1088).

Wahrend der Laborphase wird das neue WMS unter Laborbedingungen,aber mit realen Daten getestet: Die Auftrage, die das WMS erteilt, werdenbeispielsweise nicht tatsachlich vom Kommissionierer ausgefuhrt, sondern dieBearbeitung wird datentechnisch simuliert (z. B. wird die kommissionierteMenge durch ein Testprogramm direkt in die Datenbank geschrieben). DieDaten, die verwendet werden, konnen hingegen tagesaktuell geplant oder hi-storisch sein.

Page 329: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

8.7 Inbetriebnahme 319

Die Uberprufung auf Korrektheit erfolgt bei tagesaktuellen Daten gegendas Alt-System, bei historischen Daten gegen die Alt-Daten des Alt-Systems.Um ein WMS bereits unter Laborbedingungen realitatsnah zu testen, wer-den Simulationen eingesetzt. Dies konnen spezielle Programme sein, die z. B.die Auftragslast fur ein Kommissioniersystem an einer Datenschnittstelle zurVerfugung stellen. Um das Zeitverhalten des Materialflusssystems nachzu-bilden, werden Simulationsprogramme verwendet, die eine Leistungsbestim-mung und einen Test der systemspezifischen Heuristiken bei vorgegebenerAuftragslast ermoglichen. Derartigen

”Materialflusssimulatoren“ werden bei

großeren Projekten zur Planung und Uberprufung des physischen Material-flusses haufig verwendet. Zunehmend werden sie auch – uber eine Middlewaremit dem WMS verbunden – zum Test von WMS unter Realzeitbedingungengenutzt.

8.7.2 Ubergang vom alten zum neuen WMS

Das Umschalten vom alten zum neuen WMS kann auf die folgenden zweiArten geschehen:

Parallelbetrieb Beim Parallelbetrieb oder Parallellauf [4] laufen beide Sys-teme gleichzeitig, wobei zunachst nur Anweisungen des abzulosendenWMS ausgefuhrt werden. Ist festzustellen, dass die Ergebnisse sowohlim alten als auch im neuen WMS identisch sind, wird das neue WMSfederfuhrend. Nach einer festzulegenden Zeit ohne Storungen kann dasalte WMS abgeschaltet werden. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegtin der erhohten Sicherheit, die sich daraus ergibt, dass beim Auftretenvon Fehlern sofort auf das alte WMS zuruckgegriffen werden kann. EinenNachteil stellen die hohen Kosten fur die Betreuung von zwei Systemensowie die allgemeinen Schwierigkeiten, die durch den Parallelbetrieb ent-stehen, dar.

Direkte Umstellung Bei der direkten Umstellung wird unmittelbar vondem alten auf das neue WMS gewechselt. Das alte System wird abgeschal-tet, das neue nimmt den Betrieb sofort auf. Gewohnlich wird die direkteUmstellung dann gewahlt, wenn diese aus Grunden der gesamtbetrieb-lichen Situation ausschließlich innerhalb eines fest definierten Zeitraumserfolgen kann (beispielsweise wahrend der Betriebsferien oder außerhalbdes Saisongeschafts). Der Vorteil der direkten Umstellung sind die ge-ringeren Kosten. Dem gegenuber steht das Risiko, dass die Umstellungnicht im geplanten Zeitraum vollzogen werden kann.

Alle wahrend der Inbetriebnahme auftretenden Storungen sind zu proto-kollieren und anschließend zu beheben.

Sobald das alte WMS vollstandig abgeschaltet ist und das neue WMSalle Funktionen ubernommen hat, beginnt der Produktivbetrieb des neuenWMS.

Page 330: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

320 8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

8.7.3 Schulungsmaßnahmen

Parallel zur Inbetriebnahme erfolgt die Schulung der Benutzer am System.Hierbei wird unterschieden zwischen der

• Schulung aller potenziellen Benutzer des WMS durch den Auftragnehmerund

• der Schulung der so genannten Trainer, die dann ihrerseits ihre Kollegenschulen (Train the Trainer).

Wichtig ist eine fruhzeitige und ausreichende Schulung, die eine Freistellungder teilnehmenden Mitarbeiter voraussetzt. Eine Schulung, die beispielsweisenach Feierabend oder am Wochenende durchgefuhrt wird, kann bereits imVorfeld die Bereitschaft zur Akzeptanz des neuen Systems schmalern.

Am Ende der Projektphase Inbetriebnahme steht die Verwaltung undSteuerung des Lagers durch geschulte Mitarbeiter mit Hilfe des neuen WMS.Dabei werden die im Lasten- und Pflichtenheft beschriebenen Funktiona-litaten berucksichtigt und alle wahrend der Inbetriebnahme aufgetretenenStorungen beseitigt.

8.8 Abnahme

Wahrend der Projektphase Abnahme erfolgen die Kontrolle der im Lasten-und Pflichtenheft beschriebenen Funktionalitat und Antwortzeiten, die Simu-lation von Storfallen sowie das Uberprufen von Notfallstrategien. Die Abnah-me lehnt sich an die VDI-Richtlinien 3977E und 3979 an. Ziel der Abnahmeist das Abnahmeprotokoll.

”Abnahme Juristisch definierter Vorgang, bei dem der Auftraggeber

die Annahme des Produkts erklart. Das abgenommene Produkt gehtin das Eigentum des Auftraggebers uber.“([4], S. 1098)

8.8.1 Leistungstest

Der Leistungstest, dessen wesentliche Bestandteile der Funktionstest und dieVerfugbarkeitsuberprufung sind, umfasst einen (meist mehrtagigen) zusam-menhangenden Betrieb unter Realbedingungen und Volllast. Eine Unterbre-chung des Leistungsbetriebs im Zusammenhang mit Storungen bedingt eineWiederholung des Tests.

Im Rahmen der funktionalen Leistungstests wird zunachst das Vorhan-densein aller im Pflichtenheft beschriebenen Funktionen uberpruft. Anschlie-ßend erfolgt die Einzelprufung der ordnungsgemaßen Arbeitsweise jeder

Page 331: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

8.8 Abnahme 321

Funktion. Insbesondere sollte hier auf die vom Standard abweichenden Funk-tionen6 geachtet werden:

• Ist die Funktion vorhanden?• Entspricht die Funktion den Anforderungen?

Neben den Funktionen ist das Zeitverhalten des WMS nachzuweisen. Bei-spiele hierfur sind die Dauer des Maskenaufbaus am Bildschirm, die Dauereines Datenbankzugriffs (z. B. Anzeige der Stammdaten eines Artikels) undder Zeitraum fur eine Datenbankabfrage (z. B. offene Kommissionierauftrage)sowie die Bearbeitungsdauer fur einen Report (z. B. Artikel pro Mandant imMonat). Zusatzlich sind die Antwortzeiten an den externen/mobilen Termi-nals (z. B. Stapler-Terminals) abzunehmen. Zu beachten ist hierbei die Richt-linie VDI 3649.

8.8.2 Simulation von Storfallen / Uberprufung vonNotfallstrategien

Bei der Simulation von Storfallen werden Ausnahmesituationen nachgebildet,die im Pflichtenheft beschrieben sind:

• Systemverhalten bei Unterbrechungen der Kommunikation mit dem Host-System

• Auswirkungen bei Stromausfall• Strategieuberprufung (Welche Strategie greift, wenn ausgelagert werden

soll, der Lagerplatz aber leer ist? Wie reagiert das System bei einemEinlagerungsversuch in einen falschen Lagerbereich, z. B. Kuhlgut in denGefahrgut-Bereich?)

• usw.

Wichtig bei der Simulation von Storfallen ist der Nachweis von Notfall-strategien, die den Geschaftsbetrieb soweit wie moglich aufrechterhalten. EineDatensynchronisation nach Behebung der Storung ist zwingend erforderlich:

• Auslagerungen/Einlagerungen, die nur auf Papier festgehalten wurden,mussen in das System eingepflegt werden konnen.

• HOST- und WMS-Datenbestand mussen abgeglichen werden.• Nicht protokollierte Lagerbewegungen mussen erfasst werden.• usw.

Alle im Lasten- bzw. Pflichtenheft genannten Kriterien, Leistungen undVerfugbarkeiten, die fur die Abnahme relevant sind, werden im Ubergabe-protokoll aufgefuhrt.

6 Vom Standard abweichende Funktionen sind alle Funktionen, die individuell furdas Projekt programmiert und nicht uber Parameter oder Customizing an dasProjekt angepasst wurden.

Page 332: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

322 8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

8.8.3 Verfugbarkeit

Die technische Verfugbarkeit beschreibt die Wahrscheinlichkeit, ein Elementoder ein System zu einem vorgegebenen Zeitpunkt in einem funktionsfahigenZustand anzutreffen ([73], S. 2),([13], S. 3).Die Verfugbarkeit betrachtet so-wohl das Ausfall- als auch das Reparaturverhalten eines Systems. Der Schwer-punkt existierender Richtlinien aus dem deutschsprachigen Raum liegt imBereich der Verfugbarkeitstests und -nachweise fur bereits realisierte Materi-alflusssysteme ([13]), ([14]), ([67]), ([73]), ([58]).

Im Allgemeinen wird die Verfugbarkeit innerhalb der Intralogistik als pro-zentualer, einheitsloser Kennwert angegeben, der sich wie folgt berechnet:

Techn. Verfugbarkeit =MTBF

MDT + MTBF100[%]

MDT = Mean Down TimeMTBF = Mean Time Between Failure

Wahrend des Leistungstests wird versucht, auch das langfristige Ausfall-verhalten des Gesamtsystems und seiner Komponenten anhand von Verfug-barkeitskennwerten zu bewerten. Dies ist aufgrund der Kurzfristigkeit ei-nes solchen Tests nur sehr bedingt moglich. Dennoch wird nicht seltenein erheblicher Teil der Abnahme auf einen einzelnen Wert - die Gesamt-verfugbarkeit des Systems - fokussiert. Typische, vertraglich vereinbarte Wer-te liegen im Bereich oberhalb von 98 %. Dies ergibt wiederum eine notwendi-ge Verfugbarkeit des gesamten Leit- und Steuerungssystems, inklusive WMS,von uber 99 %. Dies ist wahren eines Leistungs- und Verfugbarkeitstestsweder serios zuzusagen, noch sinnvoll zu messen. Stattdessen empfiehlt sicheine langerfristige Vereinbarung im Rahmen eines Wartungs- und Instand-haltungsvertrages. Hierbei ist wiederum zu beachten, dass auch WarehouseManagmentsysteme einer vorbeugenden Instandhaltung und Wartung (z. B.Pflege der Datenbank) bedurfen, um deren Leistungsfahigkeit zu erhalten.

8.8.4 Formale Abnahme

Wahrend der Abnahme werden die einzelnen Positionen nacheinander ab-genommen und vom Auftraggeber und Auftragnehmer unterzeichnet. JedeErfullung, jeder Fehler bzw. jede Abweichung wird protokolliert. Bei Fehlernbzw. Abweichungen wird diskutiert, um welche Fehlerklasse es sich handelt,wobei die folgenden vier Fehlerklassen unterschieden werden:

Klasse 1 Das Lager kann aufgrund des Fehlers bzw. der funktionalen Ab-weichung vom Pflichtenheft nicht betrieben werden (z. B. die Sicherheits-lichtschranken oder die Ansteuerung der Regalbediengerate funktionierennicht).

Page 333: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

8.8 Abnahme 323

Klasse 2 Fur einen Fehler bzw. eine Abweichung existiert nur ein aufwan-diges alternatives Vorgehen (z. B. die Scan-Funktion am Wareneingangfunktioniert nicht, jeder Artikel muss daher manuell erfasst werden).

Klasse 3 Fur einen Fehler bzw. eine Abweichung besteht ein akzeptablesalternatives Vorgehen (z. B. bei der taglich zweimal durchzufuhrenden,automatischen Auftragsannahme vom Host werden die Daten gelegentlichnicht vom WMS erfasst, der Benutzer muss daher die Auftragsannahmeprufen und gegebenenfalls neu veranlassen).

Klasse 4 Ein Fehler bzw. eine Abweichung stellt keine Einschrankung hin-sichtlich der Nutzung des Systems dar (z. B. das Druckformat fur denBegleitschein im Warenausgang stimmt nicht exakt mit der Spezifikationuberein).

Die Auswirkungen fur die Abnahme und die Entscheidung uber die Pro-duktivsetzung des WMS sind wie folgt:

Klasse 1 Keine Abnahme, keine Produktivsetzung.Klasse 2 Klarung, wer eventuelle Mehrkosten des Auftraggebers tragt

(wenn bspw. bis zur Behebung des Fehlers zusatzliches Personal einge-stellt werden muss). Die Entscheidung uber eine Teilabnahme mit Auf-lagen und die Produktivsetzung des WMS kann nur fallweise getroffenwerden.

Klasse 3 Eine Abnahme kann mit Auflagen erteilt werden, die Produk-tivsetzung kann erfolgen. Die Umsetzung der offenen Punkte muss mithochster Prioritat erfolgen.

Klasse 4 Eine Abnahme kann mit Auflagen erteilt werden, die Produktiv-setzung kann erfolgen. Die zeitliche Umsetzung der offenen Punkte musszwischen Auftraggeber und Auftragnehmer terminiert werden.

Unwesentliche Abweichungen sollten kein Hinderungsgrund fur die Ein-fuhrung des Systems sein. Es muss jedoch festgelegt werden, ob und bis wanndie Abweichungen zu korrigieren sind. Falls sich die Anzahl der Klasse-3-bzw.Klasse-4-Fehler hauft, sollte gepruft werden, ob die Abnahme erteilt werdenkann. Die Klassen kennzeichnen gleichzeitig die Prioritat, mit der der Fehlerbehoben werden muss.

Die endgultige offizielle Abnahme des Gesamtgewerks gemaß § 12 VOBTeil B und VDMA erfolgt nach einem einwandfreien, unbeanstandeten Leis-tungstest, der spatestens drei Monate nach Inbetriebnahme durchgefuhrtwerden muss. Vor der Abnahme sind die im Ubergabeprotokoll bezeichne-ten Mangel zu beseitigen. Die Abnahme ist vom Auftragnehmer schriftlichzu beantragen.

Die Abnahme erfolgt ausschließlich durch eine schriftliche Bescheinigungdes Auftraggebers. Sie kann weder durch eine fruhere Benutzung, Inbetrieb-nahme oder behordliche Abnahme noch durch die Mitteilung des Auftrag-nehmers uber die Fertigstellung ersetzt werden.

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324 8. Auswahl und Einfuhrung von WMS

Fur die Abnahmen und Tests ist vom Auftragnehmer ausreichendes undqualifiziertes Personal bereitzustellen, welches den reibungslosen Ablauf derbeschriebenen Aktivitaten sicherstellt. Zusatzlich ist vom Auftragnehmer einverantwortlicher Ansprechpartner zu benennen.

Nach der Endabnahme des Gewerks erfolgt die Gefahrubertragung vomAuftragnehmer auf den Auftraggeber, und die bei der Auftragsvergabe ver-einbarte Gewahrleistungszeit beginnt.

Das Ziel der Projektphase Abnahme ist der Abschluss des Projekts Rea-lisierung des Warehouse Managementsystems. In dieser Phase des Projektssind alle zugesicherten Eigenschaften uberpruft, die Gewerke entsprechen denAnforderungen, das Abnahmeprotokoll weist keine Fehler oder Lucken aufund wird von beiden Vertragspartnern unterzeichnet. Das WMS geht in denProduktivbetrieb.

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9. Anhang

9.1 Uberblick marktublicher Technologien am Beispiel(Auto-ID) Middleware

Der Einsatz neuer Technikkomponenten in Materialfluss- oder ERP-Systemenhat sehr haufig Anpassungen der betrieblichen Prozesse zur Folge. Pro-zessanderungen erfordern aber fast immer auch Anderungen der steuern-den IT-Systeme. Je komplexer die Prozessanderungen sind, umso starkersteigt der Anteil der Kosten fur das Softwareengineering an den Gesamt-projektkosten. Es ist keine Seltenheit, dass die Kosten fur Anderungen imERP-System hoher ausfallen als die Hardwareanschaffungskosten fur neueAuto-ID-Infrastruktur wie z. B. RFID-Komponenten. Gerade an diesen Soft-warekomponenten mochte man moglichst wenige Anderungen nach einer er-folgreichen Inbetriebnahme durchfuhren, um zu vermeiden, dass Seiteneffektedie Produktivitat des Unternehmens beeintrachtigen. Ein Technologiewechselmuss folglich mit moglichst geringen Kosten in den ERP-Systemen durch-gefuhrt werden konnen.

Um Auto-ID- und sekundare IT-Systeme in eine bestehende IT-Landschaftzu integrieren, muss die Anbindung an die ERP-Softwaresysteme abstrahiertwerden. Ein probates Mittel fur solch eine Abstraktion ist der Einsatz einerMiddleware, die z. B. durch die Vereinheitlichung von Schnittstellen als Ab-straktionslayer zwischen den Kommunikationspartnern agiert. Beispielsweisemuss ein ERP-System nicht wissen, ob ein Objekt durch einen Barcodeleser,ein RFID-Tag oder durch die manuelle Eingabe eines Bedieners eindeutigidentifiziert wurde. Diese Information wird durch eine Middleware vor demERP-System verborgen. Die Middleware sorgt im Wesentlichen fur die Koor-dination der Kommunikation, d.h. sie routet die Daten vom jeweiligen Senderzum Empfanger. Auch eine mogliche Verdichtung der Daten und eine Transla-tion in ein fur den Empfanger verstandliches Format kann in der Middlewarestattfinden.

Man unterscheidet grundsatzlich zwischen Systemen, die auch vertikaleFunktionalitaten wie z. B. Datenhaltung oder Datenmanipulationen durch-fuhren, und so genannten Informationsbrokern, die die Daten lediglich ho-rizontal weitergeben. Im ersten Fall handelt es sich eher um so genannte

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326 9. Anhang

,,Edgeware“, d.h. um Middleware-Komponenten, die mit einer gewissen Ei-genintelligenz bzw. Funktionalitat erweitert sind.

Die Kommunikation zwischen den teilnehmenden Systemen und damitdie Middleware an sich basiert ublicherweise auf einer Auswahl folgenderKonzepte:

• RPC -Remote Procedure Call• SOAP -Simple Object Access Protocol• CORBA -Common Object Request Broker Architecture• RMI -Remote Method Invocation• Jini -Java intelligent network infrastructure• Web Service• Peer-to-Peer-Computing

Die fruhen Konzepte RPC und CORBA spielen in Software-Neuentwick-lungen nur noch eine zunehmend untergeordnete Rolle.

Das erste plattformunabhangige Konzept einer Middleware war das Java-basierte RMI, auf das das Unternehmen Sun Ende der neunziger Jah-re mit seiner Middleware-Plattform Jini aufsetzte. Auch mit Peer-to-Peer-Computing lasst sich eine hocheffiziente Verbindung zwischen den Kommuni-kationspartnern gestalten, wobei man dann ganz ohne zentrale Dienste aus-kommt. Jeder Peer kann hier sowohl Client als auch Dienstanbieter sein.SOAP wurde mit dem Ziel entwickelt, den Austausch von strukturierten Da-ten zwischen verteilten Anwendungen zu ermoglichen. Fur die Reprasentationder Daten wird XML und zur Ubertragung der Nachrichten Internetproto-kolle wie HTTP genutzt. SOAP erlebte in der Weiterentwicklung mit Hilfevon Web Services bzw. Service-Oriented Architecture (SOA) eine Renais-sance, wobei ahnlich wie bei Jini dynamisch Dienste registriert und gesuchtwerden konnen. Jini verwaltet die Services im jeweiligen lokalen Subnetz,wahrend Web Service mit Hilfe des Universal Discovery and Description In-terface (UDDI) Dienste im Internet nutzen oder anbieten kann, solange sieauf SOAP-Funktionalitat zuruckgreifen.

Unter SOA versteht man einen dienstorientierten und verteilten Architek-turansatz. Als Services bzw. Dienste werden bereitgestellte Funktionalitatengesehen, die uber Schnittstellen angesprochen werden. Die Kernidee ist es,durch die lose Kopplung von einfachen, unabhangigen Diensten komplexeDienste aufzubauen. Dabei werden aufwandige Prozesse durch die Kompositi-on bzw. Aneinanderreihung von Services abgebildet. Besonders Web Services,die auf offenen Standards wie XML und HTTP aufsetzen, sind zur Umset-zung einer SOA geeignet. Die Vorteile einer Service-Oriented Architecturesind hohe Flexibilitat, die Wiederverwendbarkeit der Dienste und der hoheGrad der Verteilung.

Sofern sich Middleware-Systeme mit der unternehmensweiten oder -uber-greifenden Kommunikation zwischen IT-Systemen beschaftigen und zusatzlichnoch Prozesslogik abbilden, werden sie haufig auch als Enterprise Application

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9.1 Uberblick marktublicher Technologien am Beispiel (Auto-ID) Middleware 327

Messaging

Orchestration

BizTalk Server 2006 Engine

Business Rules

Engine

Health and

Activity Tracking

Enterprise Single

Sign-On

Business

Activity

Monitoring

Business

Activity

Services

Abbildung 9.1. Microsoft Middleware BizTalk Server

Integration (EAI) Tools bezeichnet. Prozesslogik auf unterschiedlichen Sys-temen, die uber EAI-Mechanismen miteinander kommunizieren, nennt manhaufig auch Kollaborative Geschaftsprozesse. Anhand verschiedener Produk-te sollen nachfolgend Beispiele fur aktuelle Middleware-Systeme aufgezeigtwerden.

9.1.1 Microsoft

Eine Microsoft-Middleware zur Enterprise Application Integration ist der sogenannte Microsoft BizTalk Server . Aufsetzend auf .NET bietet der MicrosoftBizTalk Server standardisierte Schnittstellen uber Web Services, die durchTransformationsregeln die eingehenden Objekte in das Format des Zielsy-stems konvertieren. Neben Web Services konnen andere Softwareapplikatio-nen auch uber so genannte Adapter angebunden werden. Der BizTalk Ser-ver versteht sich dabei als Hub und steht damit in Konkurrenz zu Peer-to-Peer-Systemen. Microsoft und die hier nicht beschriebenen Middleware-

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328 9. Anhang

Systeme von Sybase (iAnywhere) und Progress (Sonic) gehen bei der applika-tionsubergreifenden Kommunikation mit der .NET-Plattform einen eigenenWeg. Die .NET-Plattform lauft nur auf Hardware mit Microsoft-Betriebs-systemen.

9.1.2 SAP

SAP NetWeaver bildet die technologische Grundlage der Middleware vonSAP. Dabei nimmt die SAP-NetWeaver-Komponente Exchange Infrastruc-ture (XI) eine zentrale Rolle fur den Datenaustausch zwischen beteiligtenKommunikationspartnern ein.

XI bindet uber den so genannten Integration Broker heterogene Kom-ponenten an. Der eigentliche Datenaustausch wird durch Application LinkEnabling (ALE) nicht nur zwischen SAP-Modulen, sondern auch bei derKommunikation mit Fremdsystemen durchgefuhrt. ALE konsolidiert die Artder Kommunikation, indem z. B. XML, SOAP oder SAP-eigene Integrati-onsstandards wie Remote Function Calls (RFC) oder Intermediate Docu-ments (IDocs) zum Einsatz kommen. Klar strukturierte Austauschformatemit Kontroll-, Daten- und Statussatzen entstehen an den Schnittstellen derBusiness Objects (BO), den sogenannten Business Application ProgrammingInterfaces (BAPI).

ALE bietet folgende drei Dienste an:

Application Services Die Application Services bilden die Schnittstelle zuden Business Objects und vereinfachen den Datenaustausch zwischen denSystemen.

Distribution Services Die Distribution Services sind das Herzstuck desALE, sie bieten Filter, Konverter, Verteilungsmodelle etc. an. Je nachTyp, Empfanger, Verteilungsmodell oder anderen Kriterien kann dieserService z.B. das Master-IDoc, welches vom Business Object erstellt wur-de, umwandeln. Hier werden bestimmte Datenfelder ausgeblendet odermit vorhandenen Daten gefullt.

Communication Services Die Communication Services realisieren die Ver-bindung der Systeme z.B. mit RFCs, die einer Transaktionskontrolle un-terliegen. Durch diese RFCs konnen Funktionsaufrufe auch auf entferntenund auch auf Nicht-SAP-Systemen ausgefuhrt werden.

Falls die Gegenseite ein Fremdsystem ist, welches RFC oder ALE nicht un-terstutzt, kommt ein ALE-Converter zum Einsatz. SAP entwickelt selbst kei-ne ALE-Converter, es gibt aber einige von SAP zertifizierte ALE-Converter,wie z. B. die eWay-Schnittstelle in Suns SeeBeyond, einen Konverter furIBM’s WebSphere oder zu Microsofts BizTalk Server.

SAP Auto-ID Infrastructure (SAP-AII) ist die Komponente, die sich in-nerhalb SAP NetWeaver mit der Integration von Auto-ID-Systemen wie z. B.Barcode-Scannern und RFID-Technologien beschaftigt. Kommt sie nicht als

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9.1 Uberblick marktublicher Technologien am Beispiel (Auto-ID) Middleware 329

Composites

mySAP™ Business Suite

Rechnungs-prüfung

... ... ...

ERPAPO CRM FI

Komponenten

SAP NetWeaver™

Abbildung 9.2. SAP Enterprise Application Integration (EAI)

Standalone-System zum Einsatz, dann werden noch zusatzlich die Kompo-nenten SAP XI und SAP Supply Chain Management Server benotigt.

9.1.3 Oracle

Die Middleware zur EAI von Oracle heißt Fusion. Sie besteht aus einer Mengeunterschiedlicher Werkzeuge, die im Wesentlichen auf standardisierten Kom-ponenten aufbauen. Oracle teilt Fusion in funf unterschiedliche, mehr oderminder hierarchische Komponenten:

• Grid Infrastructure• Application-Server• Integration & Business Management• Business Intelligence Suite• User Interface

Grid Infrastructure Oracles Middleware unterstutzt bei Bedarf Grid Com-puting, d.h., die zugrunde liegende Hardware-Infrastruktur wird so verwaltet,dass sie fur die daruber liegenden Schichten wie ein System erscheint.

Application-Server Der Oracle Application-Server 10g bildet die Platt-form fur die Anwendungen in der Oracle Fusion Middleware. Hier werden

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330 9. Anhang

People Integration

Multichannel

Portal Collaboration

Information Integration

Master Data Management

BusinessIntelligence

KnowledgeManagement

Application Platform

DB and OS Abstraction

J2EEIntelligence

ABAPManagement

Process Integration

IntegrationBroker

BusinessProcess

Management

Life

-Cyc

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anagem

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...

Com

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ork

SAP NetWeaverSAP NetWeaver™

Abbildung 9.3. SAP Middleware NetWeaver

z. B. auf J2EE-Basis die technischen Funktionalitaten wie beispielsweise Si-cherheit, Transkaktionsmanagement und Namens- und Verzeichnisdienste alsSOA-basierte Funktionalitaten bereitgestellt.

Integration & Business Management Diese Schicht ist das Herzstuckder Oracle Middleware, in ihr findet die Datentransformation fur den Aus-

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9.1 Uberblick marktublicher Technologien am Beispiel (Auto-ID) Middleware 331

Development Tools

SOA Tools,

Framework

Systems Management

System Application

Services

Identity Management

Directory Provisioning,

Single Sign-on,

Identity Administration

User Interaction

Portals, Content, Search,

Desktop, Mobile, VoIP

Business Intelligence

ETL, O&A, OLAP, Reports,

Alerts, Real Time

Integration & Process

Management

Messaging, ESB, BPM,

B2B, BAM, MDM

Application Server

J2EE, WS-*,

Events, Rules

Grid Infrastructure

Cluster, Metadata,

Registry, Security

Abbildung 9.4. Oracle Middleware Fusion

tausch mit anderen Middleware-Produkten zur EAI statt. Hier gibt es z. B.Konnektoren zu SAP NetWeaver oder IBM WebSphere. Zur Kommunikationdient der Enterprise Service Bus (ESB), der die Datenstrukturen (Messa-ges) des Senders ggf. so konvertiert, dass diese vom Empfanger verstandenund verarbeitet werden konnen. Auch das Verwalten von GeschaftsablaufenBusiness Process Management (BPM) und das Business Activity Monitoring(BAM) zum Betrachten der Geschaftvorfalle, um auf der Basis der erhaltenenInformationen Entscheidungen zu treffen, finden hier statt.

Business Intelligence Suite Die Oracle Business Intelligence Suite bietetz. B. durch Online Analytical Processing (OLAP) echtzeitnahe Unterstutzungbeim Beobachten, Erstellen und Filtern von kritischen Geschaftsablaufen undEntscheidungen.

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332 9. Anhang

Legacy.NET Java

ERPCRM BPEL

Enterprise Service Bus Mediator

Abbildung 9.5. Oracle – Enterprise Service Bus (ESB)

User Interface Das User Interface bildet die Schnittstelle zum Benutzer,indem es die entsprechenden Benutzeroberflachen auf Endgeraten wie z. B.Desktops, Browser-Applikationen oder mobilen Endgeraten zur Verfugungstellt.

Die Oracle Fusion Middleware wird durch weitere Komponenten erganzt.Die Development Tools stellen z. B. SOA-Komponenten in einem Frameworkzur Erganzung der Funktionalitat zur Verfugung. Systems Management undIdentity Management stellen Werkzeuge z. B. zum Verwalten der Anwendun-gen und Benutzer bereit.

RFID-Komponenten, Barcode-Scanner und mobile Endgerate werden beider Oracle Middleware mit Hilfe eines sogenannten Sensor-Edge-Servers an-gebunden. Dieser nimmt die zur Identifikation benotigten Informationen auf,bereinigt gegebenenfalls diese Rohdaten und reicht sie anschließend weiter andie Datenbank, wo sie im Sensor Data Archive gespeichert werden.

9.1.4 IBM

WebSphere ist eine Software-Produktlinie von IBM, die mit Hilfe unterschied-licher Komponenten Middleware-Funktionalitat bereitstellt. Kernstuck derMiddleware ist der IBM WebSphere Application-Server (WAS), der damitein zentraler Baustein der IBM Referenzarchitektur zur Business Integrationist. Fur die SOA-Funktionalitat setzt WAS auf J2EE auf und unterstutztaktuelle Web Service Standards. Zur Konnektivitat der einzelnen Kommuni-kationspartner kommt der Enterprise Service Bus (ESB) zum Einsatz, der beiBedarf Mechanismen fur die Konvertierung der Daten bzw. der Datenstruk-turen der beteiligten Systeme vorhalt. Der ESB bietet eine weitgehend aufStandards basierende Anwendungsintegration und Unterstutzung fur WebServices und nachrichtenorientierten Transport. Fur den Datenaustausch der

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9.1 Uberblick marktublicher Technologien am Beispiel (Auto-ID) Middleware 333

Services für Business Performance Management

Services für das Infrastrukturmanagement

Entwicklungsservices

Interaktions-services

Prozess-services

Informations-services

Partner-services

BusinessApplicationServices

Anwendungs- und Informations-

ressourcen

Konnektivitätsservices Enterprise Service Bus

Abbildung 9.6. IBM Middleware WebSphere

Kommunikationspartner kann auch WebSphere MQ, das Nachfolgeproduktvon MQSeries, zum Einsatz kommen, wodurch eine transaktionsgesteuerteKommunikation z. B. auch mit Großrechnern aufgesetzt werden kann.

Unternehmensweite Geschaftprozesse konnen mit dem WebSphere Mes-sage Broker abgebildet werden.

9.1.5 SUN Microsystems

Die Sun Java Composite Application Platform Suite (CAPS) ist aus demehemaligen SeeBeyond ICAN-System hervorgegangen. Auch CAPS setzt aufSOA und bildet dafur Adapter, Datentransformationen, Orchestrations derWeb Services und Kommunikationsmechanismen ab. Weil sich mittlerwei-le Standards fur offene Services etabliert haben, gibt es auch immer mehrWeb Services, die applikationsubergreifend wiederverwendbar sind. Die WebServices Description Language (WSDL) ist eine XML-Spezifikation zur stan-dardisierten Beschreibung von Web Services. Sun registriert diese mit WSDLspezifizierten Services per UDDI. Solcherart standardisierte Services lassensich auch uber Applikationsgrenzen hinaus einsetzen. Die Schnittstelle, mitder die Applikationen miteinander kommunizieren konnen, wird bei SUNApplication Service Interface (ASI) genannt und dient zur Entkopplung derspezifischen Anwendungssystemfunktionalitat von der Prozessdefinition so-wie der Entkopplung der einzelnen Anwendungen voneinander. Zur Integra-tion von RFID in die Sun-Architektur laufen sogenannte Devicecontroller,die Java-basierte Treiber der RFID-Hardware implementieren. Diese Devices

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334 9. Anhang

Enterprise Application Integration

WarehouseManagement

System

SupplyChain

Execution

EnterpriseResourcePlanning

Java System RFID Software

RFIDEvent Manager

RFIDInformation Server

RFID Readerz.B.

Electronic Product Code-Tag

RF Signal

Network Object Name

Service

RFIDDatabase

Abbildung 9.7. SUN RFID-Middleware-Referenzarchitektur

bieten ihre Dieste als Web Services uber den Integration Server bzw. uberCAPS an.

Sun hat mit der Programmiersprache Java eine objektorientierte und be-triebssystemunabhangige Plattform geschaffen, die die Basis fast aller hierbeschriebenen Middleware-Architekturen ist.

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Abkurzungsverzeichnis

AG AuftraggeberAGB Allgemeine GeschaftsbedingungenALE Application Link Enabling = Synchronisierung von Daten von

verschiedenen SAP-SystemenAN AuftragnehmerANSI American National Standards Institute = Amerikanischer Nor-

menausschußASI Application Service InterfaceAuto-ID Automatische IdentifikationBAM Business-Activity-Monitoring = die Sammlung von Analysen und

Prasentationen uber zeitrelevante Geschaftsprozesse in Organisa-tionen

BAPI Business Application Programming Interface = eine standardisier-te Programmierschnittstelle der SAP-Business-Objekte

BMEcat Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik = einstandardisiertes Austauschformat fur Katalogdaten

BO Business ObjectsBOINC Berkeley Open Infrastructure for Network Computing = eine Soft-

wareplattform fur verteiltes RechnenBPM Business-Process-Management = Managementprozesse und Soft-

ware, die sich mit der Automatisierung und Optimierung vonGeschaftsprozessen auseinandersetzen

CAPS Composite Application Platform SuiteCORBA Common Object Request Broker Architecture = objektorientierte

Middleware, die plattformubergreifende Protokolle und Dienstedefiniert

CSMA/CD Carrier Sense Multiple Access/Collision Detection = Medienzu-griffsverfahren, das den Zugriff verschiedener Stationen auf eingemeinsames Ubertragungsmedium im Zeitmultiplexverfahren be-schreibt

DDL Data Definition LanguageDTAUS Datentrageraustausch-Verfahren = ein Verfahren im bargeldlosen

Zahlungsverkehr

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336 Abkurzungsverzeichnis

DTD Document Type Definition = eine Deklaration in SGML- undXML-Dokumenten zur Strukturierung

DNS Domain Name ServiceEAI Enterprise Application Integration = Integration von ver-

schiedenen Applikationen auf unterschiedlichen Plattformen zuGeschaftsprozessen

EDV Elektronische DatenverarbeitungERP Enterprise Resource PlanningEDI Electronic Data Interchange = Format zum Austausch von DatenEDIFACT Electronic Data Interchange For Administration, Commerce and

Transport = ein branchenubergreifender internationaler Standardfur das Format elektronischer Daten im Geschaftsverkehr

EHB ElektrohangebahnEPB ElektropalettenbahnEP EuropaletteESB Enterprise Service Bus = die zentrale Aufgabe eines ESB ist der

Austausch von Daten zwischen IT-SystemenETB ElektrotragbahnFIFO

”First-In-First-Out“ = Auslagerungsreihenfolge des gleichen Ar-

tikels nach dem Einlagerungsdatum (altester Artikel zuerst)FTF Fahrerloses TransportfahrzeugFTP File Transfer Protocol = ein Netzwerkprotokoll zur Da-

teiubertragungFTS Fahrerloses TransportsystemHRL HochregallagerHTML Hypertext Markup Language = standardisierte Sprache des World

Wide WebHTTP Hypertext Transfer Protocol = ein Protokoll zur Ubertragung von

Daten uber ein NetzwerkI-Punkt IdentifizierungspunktIP Internet Protocol, IP-Adresse: Nummer zur Identifizierung eines

Computers im InternetID Barcode-IdentnummerIDocs Intermediate DocumentsIMAP Internet Message Access Protocol = ein Protokoll fur den Zugriff

sowie die Verwaltung von empfangenen E-MailsISO International Organization for StandardizationIT InformationstechnikJ2EE Java Platform, Enterprise Edition= die Spezifikation einer Soft-

warearchitektur fur die transaktionsbasierte Ausfuhrung von inJava programmierten Webanwendungen

Jini Java intelligent network infrastructure = ein Framework zum Pro-grammieren von verteilten Anwendungen

Page 347: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

Abkurzungsverzeichnis 337

JNDI Java Naming and Directory Interface = eine Programmierschnitt-stelle (API) innerhalb der Programmiersprache Java fur Namens-dienste und Verzeichnisdienste

KEP Kurier-, Express- und Paket(dienst)KPI Key Performance Indicator = KennzahlLAM LastaufnahmemittelLAN Local Area Network = innerbetriebliches NetzwerkLE Ladeeinheit als eine Lager- und TransporteinheitLHM Ladehilfsmittel, z.B. Karton, Behalter oder PaletteLIFO

”Last-In-First-Out“ = Auslagerungsreihenfolge des gleichen Arti-

kels nach dem Einlagerungsdatum (jungster Artikel zuerst)LVS LagerverwaltungssystemMFR MaterialflussrechnerMFC Material Flow ControllerOLAP Online-Analytical-Processing = echtzeitnahes analytisches Infor-

mationssystemOSI Open Systems InterconnectionOSI-Modell Open Systems Interconnection Reference ModellOR-Mapping Object-Relational-Mapping = die Beziehung zwischen Objekten

und Zeilen in einer DatenbanktabellePIN Personal Identification NumberPOP3 Post Office Protocol Version 3 = ein Ubertragungsprotokoll, uber

welches ein Client E-Mails von einem E-Mail-Server abholen kannQS QualitatssicherungQTW QuertransportwagenQVW QuerverteilwagenPPS Produktionsplanungs- und SteuerungssystemRBG RegalbediengeratRFID Radio Frequency IdentificationRFC Remote Function Call = um Funktionsbausteine innerhalb von

SAP R/3 aufzurufenRMI Remote Method Invocation = Aufruf einer Methode eines entfern-

ten Java-ObjektsRPC Remote Procedure Call = Aufruf einer Funktion auf einem ent-

fernten Rechner oder HostSLS StaplerleitsystemSMTP Simple Mail Transfer Protocol = ein Protokoll der Internetproto-

kollfamilie, das zum Austausch von E-Mails in Computernetzendient

SOA Service-orientierte Architektur = ein ManagementkonzeptSOAP Simple Object Access Protocol = plattformunabhangiges Kom-

munikationsprotokoll bei Web Services

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338 Abkurzungsverzeichnis

SPS Speicherprogrammierbare Steuerung zur Steuerung der Bewegun-gen der RBG und der Forderanlagen. Die SPS ist mit dem MFRonline verbunden.

SQL Structured Query LanguageTCP/IP Transmission Control Program/Internet ProtocolTSU Transport UnitTSP Travelling-Salesman-ProblemTUL Transport, Umschlag und LagerungUDDI Universal Description, Discovery and Integration = ein Verzeich-

nisdienstUDP User Datagram Protocol = ein verbindungsloses NetzprotokollUML Unified Modeling Language = eine von der Object Management

Group (OMG) entwickelte und standardisierte Sprache fur dieModellierung von Software

URL Uniform Resource Locator = Internet-AdresseUSV Unterbrechungsfreie StromversorgungWA WarenausgangWAN Wide Area Network oder WarenannahmeWAS WebSphere Application Server = zentraler Baustein der IBM-

Referenzarchitektur zur Business IntegrationWCS Warehouse Control SystemWE WareneingangWMS Warehouse ManagementsystemWSDL Web Services Description Language = XML-Spezifikation zur

standardisierten Beschreibung von Web ServicesWWS WarenwirtschaftssystemXI Exchange Infrastructure = Bestandteil des SAP NetWeaver, ist ei-

ne Middleware-Komponente,die fur den Datenaustausch zwischenbeteiligten Kommunikationspartnern wichtig ist

XML Extensible Markup Language = ist ein Standard zur Definitionvon Auszeichnungssprachen

XSD XML Schema Definition Language = Strukturbeschreibungsspra-che fur XML-Dokumente

XML-RPC eine Spezifikation, die es Software auf verschiedenen Systemen undunter verschiedenen Umgebungen erlaubt, miteinander uber einTCP/IP-basiertes Netzwerk zu kommunizieren

Page 349: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

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Page 353: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

Sachverzeichnis

Uberladen, 235Ubersetzer, 204Ubertragungsrate, 1634GL, 209

Oracle Fusion, 329

Ableitung, 233Abnahme, 320– formale, 322adaptive Hilfesysteme, 190Adressraum, virtueller, 198Aggregation, 235Akteur, 237aktives Warten, 196Anbieterauswahl, 314Anbietervorauswahl, 308Anforderungsanalyse, 237Angebots– prasentation, 314– vergleich, 311Anwendungsfalldiagramm, 237Application Link Enabling (ALE), 328Application Service Providing, 71Application Services, 328Application-Server, 245, 329Applikation, 195Architektur, 221Archivierung, 175Artificial Intelligence, 127ASP, 71Assembler, 204Assoziation, 177, 235Auftragsdisposition, 125, 129, 130, 144Auftragserfassung, 43Auftragsvergabe, 308Auftragszusammenfuhrung, 51Auskunftsfahigkeit, 126, 146Auslagerung, 32Auslagerungsdatei, 199Ausschreibung, 303

Automatisierungspyramide, 225Avis, 23

Backbone, 165Backorder, 29Backup, 184Backus-Naur-Form, 207Bandbreite, 163Basisdaten, 65Basisklasse, 233Basiszeit, 40Batchberechnung, 129, 130, 144Batchkommissionierung, 42Baud, 163Bereitstellung– dezentral, 37– dynamisch, 37– statisch, 37– zentral, 37Bestandsdaten, 65Bestandsfuhrung, 56Betriebsmittel, 200Betriebsmittelstatistik, 60Betriebssystem– kritischer Abschnitt, 200Betriebssystem, 191, 201– Deadlock– – Vermeidung, 195– Echtzeitprozess, 197– Interprozesskommunikation, 196– Multiprogramming, 191– Pagefile, 199– Paging, 198– Preemption, 200– Prozess, 195– Speichermultiplexing, 198– Synchronisation, 191– Task, 195– virtuelle Maschine, 192– Virtueller Speicher, 192– Virtuelles I/O-System, 192

Page 354: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

344 Sachverzeichnis

Bewegungsdaten, 66Bibliothek, 192Blocklager– Boden-, 74BMEcat, 241BNF, 207Bodenlager, 74BOINC, 227Bridge, 167Browser, 172BS, siehe BetriebssystemBusiness Intelligence Suite, 331Bytecode, 206

Client, 169Client-Server, 226Cold Standby, 228Commit, 174Communication Services, 328Compiler, 204Compilezeit, 205Composite Application Platform Suite

(CAPS), 333CORBA, 252CPFR, 17Cross Docking, 29, 69Customizing, 317

Dateisystem, 175Datenbank, 177Datenbankschema, 179DBMS, 182DDL, 180Destruktor, 233dirty read, 174Dispatching, 59, 130, 148Distribution Services, 328DML, 180DNS, 170Doppelspiele, 132, 135DTAUS, 241Durchlagerung, 29

E-Commerce, 18E-Logistics, 18ECR, 17Edgeware, 326EDIFACT, 241EHB, 110Einheit– Entnahme-, 23– Greif-, 23– Lager-, 23, 27

– Logistische, 20– Sammel-, 23– Versand-, 23Einlagerung, 28Elektrohangebahn, 110Elektropalettenbahn, 110Elektrotragbahn, 110EMV, 163Enterprise Application Integration, 241Enterprise Bus, 241Entitat, 177Entity-Relationship-Diagramm, 178EPB, 110Equipment Manager, 273Eroffnungsverfahren, 141, 152ERP, 9ETB, 110Exchange Infrastructure (XI), 328

Forderer– Band-, 92– Ketten-, 94– Rollen-, 91– Stetig-, 91FCFS, 200Fehlerraten, 47Feldbus, 165Filesystem, 175Flurforderzeuge, 96Frame, 159FTP, 159Funktionstest, 320

Gateway, 167Geschaftslogik, 247Geschaftsobjekt, 274Geschaftsprozessaufnahme, 299Grammatiksymbol, 207Greifzeit, 40Grid Infrastructure, 329Gruppierung, 57

Hardware– Memory, 192– MMU, 192Hot Standby, 228HRL, 80HTTP, 172Hub, 166

I-Punkt, 29IANA, 168IBM WebSphere, 332

Page 355: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

Sachverzeichnis 345

IBM WebSphere Application-Server(WAS), 332

Identitatskontrolle, 29IEEE802.11, 161IEEE802.3, 161IEEE802.4, 161IEEE802.5, 161IEEE802.6, 161Image-Backup, 185Implementierung, 317Inbetriebnahme, 318– Laborphase, 318Index, 177indexsequenziell, 176Individualprogrammierung, 317Informationsfluss, 299Instanz, 231Integration & Business Management,

330Integration Broker, 328Intermediate Documents (IDocs), 328Interpreter, 205Interrupt, 194, 199Inventory Manager, 273Inventur, 62IP, 160ISO/OSI-Referenzmodell, 158Ist-Analyse, 299Ist-Aufnahme, 298

J2EE, 245Java Platform Enterprise Edition, 245Jini, 253join, 181Journalfile, 174Journaling, 174, 184

Karusselllager, 87Kennzahl, 65, 303Kennzahlen– Logistik-, 68KEP, 18Klasse, 231Klassendiagramm, 237Kollaborative Geschaftsprozesse, 327Kommissionier-U, 48Kommissionierung, 34– Ablauforganisation, 40– auftragsparallel, 41– auftragsweise, 40– einfache, 40– einstufige, 41– inverse, 50

– Organisation, 39, 42– Strategien, 42– zonenparallele, 41– zweistufige, 41Kommissionierzeit, 40Komponente, 224Komposition, 235Konsolidierungspunkt, 34Konstruktor, 232kontextsensitive Hilfe, 190Konturenkontrolle, 30Kran, 111

Lagerfahigkeit, 30Lagergerat, 99Lagerhaltung, 3Lagerplatzvergabe, 31– Strategien, 32Lagerspiegel, 55Lagertypen, 54Lagerung, 3– Mischpaletten-, 79Lagerverwaltung, 54, 225LAN, 165Lastenheft, 305Latenzzeit, 165Laufzeit, 205Layer, siehe Schicht, 224Leistungstest, 320Leistungsverzeichnis, 303Lieferavis, 23Lieferfahigkeit, 3Liftsystem, 81Link, 171Location Manager, 273Logistik, 15

MAC-Adressen, 168Makro, 204Makroexpander, 204Makroprozessor, 204MAN, 165Mandanten, 70Maschinencode, 204Materialflussrechner, 9Medienbruch, 299, 300Mengenverwaltung, 56Messaging, 244Methode, 125, 231MFR, 9Microsoft BizTalk Server, 327Middleware, 240mime, 172MIS, 9

Page 356: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

346 Sachverzeichnis

Mischpalette, 28Modularisierung, 223Monolithische Architektur, 222Multiplex– Ubertragungskanal, 163, 165– Prozessor, 196– Speicher, 198Multipurpose Internet Mail Extensions,

172Multiuser, 192myWMS– Clearing, 278– Equipment Manager, 273– Inventory Manager, 273– Kernel, 271– Listener, 275– Location Manager, 273– Panel, 278– Plug-In, 271

n-Tier, 224Nameserver, 170Nebenlaufigkeit, 195NSP, 159NTP, 170Nummernkreis, 300

Objekt, 231objektrelationales Mapping, 246ODBC, 182ODBS, 182Open-Source, 204Operations Research, 127Outsourcing, 17

Pack-Programm, 186Paket, 159Parallelbetrieb, 319Parametrisierung, 317passives Warten, 196Paternosterregal, 86Persistierung, 173Person-zur-Ware, 37Pfad, 175Pflichtenheft, 315Pick-to-Belt, 49Pickliste, 45Pipes, 244Plug-In, 271Polling, 196Polymorphie, 235PPS, 9Primarschlussel, 177

Prioritat, 197Projekt, 295Projektion, 181Property, 275Protokoll, 240Protokollheader, 158Protokollstack, 158Prozesskettenanalyse, 300Put-to-Light, 50PzW, 37

QTW, 106Quellprogramm, 204Queues, 244Quittierung, 46

RDBS, 177Realisierung, 317Recovery, 184, 186Referenzielle Integritat, 173Regal– Behalter-, 78– Block, 83– Durchfahr-, 84– Durchlauf-, 88– Einfahr-, 84– Fachboden-, 81– Hoch-, 80– Kragarm-, 82– Paletten-, 77– Satellit-, 85– Turm-, 81– Umlauf-, 86– Verschiebe-, 86– Waben-, 81Regalbediengerat, 107Regel, 207Relation, 177Remote Function Calls (RFC), 328Remote Procedure Call, 252Reorganisation, 57Repeater, 165Resource-Allocation-Graph, 200Ressource, 200Retoure, 28RGB, 107RMI, 252Roboter– Kommissionier-, 124– Palettier-, 124Rollback, 174Rollen, 188Rollpaletten, 89Router, 167

Page 357: Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen (VDI-Buch)

Sachverzeichnis 347

RPC, 252RSA-Verfahren, 217

SAP NetWeaver, 328Scheduler, 196Scheduling, 59, 129, 144Schedulingverfahren, 196Schicht, 158Schichtenmodell, 158Schichtung, 224Schnittstelle, 299Schulung, 320Schutzmechanismus, 177Schwachstellenanalyse, 300SCM, 16Selektion, 181sequenziell, 175Seriennummer, 26Server, 169Sicherheit– Authentifizierung, 218– Integritatssicherung, 217– Public Key System, 217– Sitzungsschlussel, 218– Trustcenter, 219– Verschlusselung, 215Sicherungskopien, 184SMTP, 159SNMP, 160SOA, 251SOAP, 252Softwarearchitekturen, 221Soll-Konzept, 301Sorter, 113– Kippschalen-, 121– Quergurt-, 120– Schiebeschuh-, 122Sortiersystem, 113Sourcecode, 204Sperren, 55Sperrkennzeichen, 55SQL, 180Stammdaten, 65Stapel, 224Stapler– Hochregal-, 101– Kommissionier-, 101– Leitsystem, 59– Quergabel-, 102– Schubgabel-, 100– Schubmast-, 100– Spreizenstapler, 99– Vierwege-, 102

Statechart Diagram, 239Stetigforderer, 91Stored Procedures, 182Strategie– Notfall, 321Strategien– Auslagerung, 33Supply Chain Management, 16Switch, 167Synchronisation, 195Syntaxdiagramm, 207

T-Diagramme, 204Tabelle, 177TCP, 160, 169TCP/IP, 160TELNET, 159TLS, 105Totzeit, 40Transaktion, 174Transportleitsystem, 105Transportverpackung, 20Trigger, 174TSP, 134, 139, 141, 147

UDP, 160Umbuchung, 58UML, 235UML-Diagramme, 236Umlagerung, 58Umlaufregal, 86Umschlaggerat, 97Umstellung– direkt, 319Umverpackung, 20Unicode, 189Universal Resource Locator, 171Unstetigforderer, 91URL, 171USV, 183

Verbesserungsverfahren, 141, 153Verbund, 181Verdichtung, 58Vererbung, 233Verfugbarkeit, 320, 322Verkaufsverpackung, 20Verpackung, 19Verschiebewagen, 106Verschlusselung, 177Verschlusselungsverfahren– symmetrisch, 215– unsymmetrisch, 216Verteilsystem, 113

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348 Sachverzeichnis

Verteilwagen, 106Verzeichnisse, 175view, 180virtuelle Maschinen, 205VM, virtual java machine, 206

wahlfrei, 176WAN, 165Ware-zur-Person, 37Warehouse Control System, 9Warenannahme, 23Wareneingang, 23Warenwirtschafts-

/Produktionsplanungssystem,225

Warenwirtschaftssystem, 9WCS, 9

Web-Applikation, 248Webservice, 252Wechselseitiger Ausschluss, 195, 200Wegzeit, 40Wirtsmaschine, 205WzP, 37

XML– DTD, 211– Schema, 211

Zeilenlager– Boden-, 75– Regal-, 76Zeitscheibe, 196Zielfunktion, 127, 149Zustandsdiagramm, 239