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INTERVIEW John Taylor, NCRC, Washington Koalition für verantwortliche Kreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . III AUFSÄTZE Verantwortung bei Kreditvergabe oder im Kredit? – Zum Konzept des Entwurfes der Konsumenten- kreditrichtlinie Udo Reifner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Die Umsetzung der EuGH-Urteile Crailsheimer Volksbank und Schulte für die Abwicklung an der Haus- tür vermittelter Finanzierungen von Anlagen in Immobilien und Immobilienfonds – Teil 2 – Kai-Oliver Knops . . . . . . . . . . . . . . 127 FORSCHUNG Forschungsansatz zu einem Europäischen Sozialvertrags- codex (EuSoCo) . . . . . . . . . . . . . 138 Der Schutz des Bürgen in Europa – Bericht über ein rechts- vergleichendes Forschungs- projekt und seine zweite Jahrestagung Aurelia Colombi Ciacchi . . . . . . . . . 141 RECHTSPRECHUNG ANLEGERSCHUTZ Steuersparmodell, überhöhter Erbauzins, Wucher BGH, Urt. v. 17.6.2005, V ZR 220/04 . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Umsetzung des EuGH-Urteils – Crailsheimer Volksbank (C 229/04) OLG Bremen, Urt. v. 2.3.2006, 2 U 20/02 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 mit Anmerkung Markus Artz und Felix Kessens Anlagevermittlung, stille Beteili- gung, REAL DIREKT LG Frankfurt a.M., Urt. v. 5.1.2006, 2-5 O 402/04 . . . . . . . . . . . . . . . . 154 mit Anmerkung Oliver Renner VERSICHERUNG Unfallversicherung, AUB 97, Vorinvalidität OLG München, Urt. v. 21.3.2006, 25 U 3483/04 . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Berufsunfähigkeits-Zusatzversiche- rung (BUZ), Leistungen aus pri- vater Berufsunfähigkeitsversiche- rung als Rente i.S.d. § 850b ZPO OLG Karlsruhe, Urt. v. 16.2.2006, 12 U 261/05 . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 KONSUMENTENKREDIT Gesamtbetragsangabe, unechte Abschnittsfinanzierung LG Essen, Urt. v. 22.9.2005, 6 O 583/04 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 VERBRAUCHERINSOLVENZ Kein Verschulden des Schuldners bei Überschreitung der Vertre- tungsmacht seines Betreuers AG Duisburg, Beschl. v. 6.12.2005, 62 IN 302/05 . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 SONSTIGES VERBRAUCHERRECHT Kein Anspruch auf Einrichtung eines Girokontos auf Guthaben- basis, ZKA-Empfehlung OLG Bremen, Urt. v. 22.12.2005, 2 U 67/05 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 mit Anmerkung Wolfhard Kohte RECHTSPRECHUNGS- ÜBERSICHT . . . . . . . . . . . . . . . 165 BUCHBESPRECHUNG . . . 168 INFORMATIONEN Verantwortliche Kreditvergabe, Brüssel 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .V Verbraucherzeitschriften im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .VI Veranstaltungshinweise . . . . . . . .VII INHALT IMPRESSUM Schriftleitung: Prof. Dr. Udo Reifner, Institut für Finanzdienstleistungen (iff), Rödingsmarkt 31-33, 20459 Hamburg, Telefon (0 40) 30 96 91-0 Telefax (0 40) 30 96 91-22 Redaktion: Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (iff) Rechtsanwältin Dr. Tanja Plaisier, Rechtsanwalt Guido Plaisier, Waller Ring 140, 28219 Bremen, Telefon (04 21) 3 98 95 61 Telefax (04 21) 3 96 27 93 e-mail: [email protected] Druck und Verlag: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Waldseestraße 3-5, D-76530 Baden-Baden, Telefon 07221/2104-0, Fax 07221/2104-27 Anzeigen: sales friendly, Verlagsdienstleistungen, Bettina Roos, Maarweg 48, 53123 Bonn, Telefon 0228/978980, Telefax 0228/9789820, E-Mail: [email protected] Die Zeitschrift, sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind ur- heberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechts- gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht die Meinung der Herausgeber/Redak- tion wiedergeben. Unverlangt eingesandte Manuskripte – für die keine Haftung über- nommen wird – gelten als Veröffentlichungs- vorschlag zu den Bedingungen des Verlages. Es werden nur unveröffentlichte Originalar- beiten angenommen. Die Verfasser erklären sich mit einer nicht sinnentstellenden redak- tionellen Bearbeitung einverstanden. Erscheinungsweise: monatlich Bezugspreis 2006: jährlich 139,– (inkl. MwSt), Einzelheft 16,– zuzüglich Porto und Versand- kosten; Bestellungen nehmen entgegen: Der Buchhandel und der Verlag; Abbestellungen mit Drei-Monats-Frist zum Jahresende. Zahlungen jeweils im Voraus an: Nomos Verlagsgesellschaft, Postbank Karlsruhe, Konto 73636-751 (BLZ 660 100 75) und Stadtsparkasse Baden-Baden, Konto 5-002266 (BLZ 662 500 30). ISSN 0930-8369 Zeitschrift für Verbraucher und Unternehmen 21. Jahrgang, S. 121-168 4/2006 VuR VERBRAUCHER UND RECHT Vorschau auf Heft 5/2006 AUFSATZ Rechtsprechungsübersicht zum Reiserecht Daniela Schulz RECHTSPRECHUNG Schadensersatz gegen Anlage- vermittler, Voraussetzungen der Verjährung nach § 37a WpHG, Darlegungs- und Beweislast BGH, Urt. v. 19.1.2006, III ZR 105/05 Aufklärungspflichten des Anlage- vermittlers OLG Koblenz, Urt. v. 21.10.2005, 8 U 1295/04 VuR 4/2006 | I

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INTERVIEWJohn Taylor, NCRC, WashingtonKoalition für verantwortlicheKreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . III

AUFSÄTZEVerantwortung bei Kreditvergabeoder im Kredit? – Zum Konzept des Entwurfes der Konsumenten-kreditrichtlinieUdo Reifner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

Die Umsetzung der EuGH-UrteileCrailsheimer Volksbank und Schultefür die Abwicklung an der Haus-tür vermittelter Finanzierungen von Anlagen in Immobilien undImmobilienfonds – Teil 2 –Kai-Oliver Knops . . . . . . . . . . . . . . 127

FORSCHUNGForschungsansatz zu einemEuropäischen Sozialvertrags-codex (EuSoCo) . . . . . . . . . . . . . 138

Der Schutz des Bürgen in Europa – Bericht über ein rechts-vergleichendes Forschungs-projekt und seine zweiteJahrestagungAurelia Colombi Ciacchi . . . . . . . . . 141

RECHTSPRECHUNG

ANLEGERSCHUTZ

Steuersparmodell, überhöhterErbauzins, WucherBGH, Urt. v. 17.6.2005, V ZR 220/04 . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Umsetzung des EuGH-Urteils –Crailsheimer Volksbank – (C 229/04)OLG Bremen, Urt. v. 2.3.2006, 2 U 20/02 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147mit Anmerkung Markus Artz und Felix Kessens

Anlagevermittlung, stille Beteili-gung, REAL DIREKTLG Frankfurt a.M., Urt. v. 5.1.2006, 2-5 O 402/04 . . . . . . . . . . . . . . . . 154mit Anmerkung Oliver Renner

VERSICHERUNGUnfallversicherung, AUB 97,VorinvaliditätOLG München, Urt. v. 21.3.2006, 25 U 3483/04 . . . . . . . . . . . . . . . . 156

Berufsunfähigkeits-Zusatzversiche-rung (BUZ), Leistungen aus pri-vater Berufsunfähigkeitsversiche-rung als Rente i.S.d. § 850b ZPOOLG Karlsruhe, Urt. v. 16.2.2006, 12 U 261/05 . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

KONSUMENTENKREDITGesamtbetragsangabe, unechteAbschnittsfinanzierungLG Essen, Urt. v. 22.9.2005, 6 O 583/04 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

VERBRAUCHERINSOLVENZKein Verschulden des Schuldners bei Überschreitung der Vertre-tungsmacht seines BetreuersAG Duisburg, Beschl. v. 6.12.2005, 62 IN 302/05 . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

SONSTIGES VERBRAUCHERRECHTKein Anspruch auf Einrichtung eines Girokontos auf Guthaben-basis, ZKA-Empfehlung OLG Bremen, Urt. v. 22.12.2005, 2 U 67/05 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161mit Anmerkung Wolfhard Kohte

RECHTSPRECHUNGS-ÜBERSICHT . . . . . . . . . . . . . . . 165

BUCHBESPRECHUNG . . . 168

INFORMATIONENVerantwortliche Kreditvergabe,Brüssel 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .V

Verbraucherzeitschriften im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .VI

Veranstaltungshinweise . . . . . . . .VII

I N H A LT

IMPRESSUM

Schriftleitung: Prof. Dr. Udo Reifner, Institut für Finanzdienstleistungen (iff),Rödingsmarkt 31-33, 20459 Hamburg,Telefon (0 40) 30 96 91-0Telefax (0 40) 30 96 91-22

Redaktion:Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (iff)Rechtsanwältin Dr. Tanja Plaisier,Rechtsanwalt Guido Plaisier, Waller Ring 140, 28219 Bremen, Telefon (04 21) 3 98 95 61Telefax (04 21) 3 96 27 93e-mail: [email protected]

Druck und Verlag: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Waldseestraße 3-5, D-76530 Baden-Baden, Telefon 07221/2104-0, Fax 07221/2104-27

Anzeigen: sales friendly, Verlagsdienstleistungen, Bettina Roos, Maarweg 48, 53123 Bonn, Telefon 0228/978980, Telefax 0228/9789820,E-Mail: [email protected]

Die Zeitschrift, sowie alle in ihr enthalteneneinzelnen Beiträge und Abbildungen sind ur-heberrechtlich geschützt. Jede Verwertung,die nicht ausdrücklich vom Urheberrechts-gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigenZustimmung des Verlags. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssennicht die Meinung der Herausgeber/Redak-tion wiedergeben. Unverlangt eingesandteManuskripte – für die keine Haftung über-nommen wird – gelten als Veröffentlichungs-vorschlag zu den Bedingungen des Verlages.Es werden nur unveröffentlichte Originalar-beiten angenommen. Die Verfasser erklärensich mit einer nicht sinnentstellenden redak-tionellen Bearbeitung einverstanden.

Erscheinungsweise: monatlich

Bezugspreis 2006: jährlich 139,– € (inkl. MwSt),

Einzelheft 16,– € zuzüglich Porto und Versand-kosten; Bestellungen nehmen entgegen: DerBuchhandel und der Verlag; Abbestellungen mitDrei-Monats-Frist zum Jahresende. Zahlungenjeweils im Voraus an: Nomos Verlagsgesellschaft,Postbank Karlsruhe, Konto 73636-751 (BLZ660 100 75) und Stadtsparkasse Baden-Baden,Konto 5-002266 (BLZ 662 500 30).

ISSN 0930-8369

Zeitschrift für Verbraucher und Unternehmen

21. Jahrgang, S. 121-168

4/2006

VuR V E R B R A U C H E R

U N D R E C H T

Vorschau auf Heft 5/2006AUFSATZRechtsprechungsübersicht zum ReiserechtDaniela Schulz

RECHTSPRECHUNG

Schadensersatz gegen Anlage-vermittler, Voraussetzungen derVerjährung nach § 37a WpHG,Darlegungs- und BeweislastBGH, Urt. v. 19.1.2006, III ZR 105/05

Aufklärungspflichten des Anlage-vermittlersOLG Koblenz, Urt. v. 21.10.2005, 8 U 1295/04

VuR 4/2006 | I

ZU_VuR_04_2006 31.03.2006 8:41 Uhr Seite I

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Neu bei Mohr Siebeck

Gralf-Peter CalliessGrenzüberschreitende VerbraucherverträgeRechtssicherheit und Gerechtigkeit auf dem elektronischen Weltmarktplatz

Angetrieben vom elektronischen Geschäftsverkehrsind Europäisierung und Internationalisierung derMärkte inzwischen für jedermann erlebbar. AmBeispiel der Verbraucherverträge stellt Gralf-PeterCalliess die Frage nach dem Schicksal bisher vomNationalstaat garantierter sozialer Schutzrechte inder Globalisierung.2006. xiii, 528 S. (Jus Priv 103). ISBN 3-16-148848-2 Ln € 109,–

Francesco A. SchurrGeschäftsimmanente AbstandnahmeDas ius poenitendi des Europäischen Fernabsatzrechtsin Gegenüberstellung zu artverwandten Institutendes allgemeinen Privatrechts

Warum wird der Grundsatz pacta sunt servanda imEuropäischen Privatrecht so oft durch die geschäft-simmanente Abstandnahme durchbrochen?Francesco A. Schurr untersucht dieses Rechtsinstitutausgehend vom Europäischen Fernabsatzrecht durchdie Bildung von Fallgruppen: geschäftsimmanenteAbstandnahme dient als Marketinginstrument, zieltauf den Schutz des Schwächeren ab oder gleicht denIrrtum einer Vertragspartei aus.2006. Ca. 350 S. (StudIPR). ISBN 3-16-148864-4 fBr ca. € 65,– (Mai)

Wolfgang SeilerVerbraucherschutz auf elektronischen MärktenUntersuchung zu Möglichkeiten und Grenzen einesregulativen Paradigmenwechsels im internetbezoge-nen Verbraucherprivatrecht

Das Internet hat sich zu einem bedeutenden Markt-platz für Waren und Dienstleistungen entwickelt.Der Internet-Handel ist jedoch mit besonderenGefahren verbunden, vor denen der Verbraucherdurch eine Fülle neuer Vorschriften geschützt wird.2006. Ca. 510 S. (Jus Priv). ISBN 3-16-148873-3 Ln ca. € 100,– (Juli)

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Augsburg und VRiLG Dr. Bern-

hard Klose, Chemnitz

2005, 402 S., brosch., 59,– €,

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Die Sicherung von Forderungen der Werkunternehmer ist

durch die wirtschaftliche Entwicklung für die Beratungs-

praxis von immer größerer Bedeutung. Mit dem neuen For-

derungssicherungsgesetz (FoSiG) hat der Gesetzgeber

zahlreiche praxisrelevante Änderungen im Werkvertrags-

recht und der Zivilprozessordnung vorgenommen. Zu den

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tung der GmbH-Geschäftsführer für Werklohnforderungen

verschärft und das Institut der vorläufigen Zahlungsan-

ordnung eingeführt.

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die Mandatsführung.

Die Autoren:

Dr. Frederik Karsten ist Syndikus der Handwerkskammer

Leipzig und hat an der Entstehung des Gesetzes mitge-

wirkt.

RA Dr. Günther Bauer ist Rechtsanwalt in Augsburg und

schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des Baurechts tätig.

RiLG Dr. Gerd Klose ist am LG Dresden in der Kammer für

Bausachen tätig.

Forderungssicherung und -durchsetzung in der Bauwirtschaft

Karsten | Bauer | Klose

NomosPraxis

Nomos

ZU_VuR_04_2006 31.03.2006 8:41 Uhr Seite II

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Am 28. und 29. April findet in Brüssel die 6. Internationa-le Konferenz zu Finanzdienstleistungen zum Thema „Ver-antwortung im Kredit“ statt. Zu den Veranstaltern gehörtJohn Taylor, Präsident und CEO der US-amerikanischenNational Community Reinvestment Coalition (NCRC). DieNCRC stellt einen Zusammenschluss von 600 Initiativenzur Überwachung der Investitionstätigkeiten der Bankennach dem Gesetz über die soziale Transparenz bei der Kre-ditvergabe, dem Community Reinvestment Act, dar.

Mr. Taylor, warum ist aus Ihrer Sicht verantwortliche Kre-ditvergabe und faire Finanzierung ein weltweites Thema?

Wir wissen von unseren Partnern außerhalb der USA, dassskrupellose Geldverleiher fast überall Schuldner übervorteilen,die dafür anfällig sind, besonders Ältere, Arme, weniger Ge-bildete und viele junge Leute. Das ist natürlich nicht ganzneu – Geldhaie haben immer schon dafür anfällige Menschenüberall auf der Welt ausgebeutet. Aber der Unterschied derheutigen Situation zu früher ist, dass es sich dabei nicht mehrnur um die offene Grenze, den „Wilden Westen“ handelt. Es

muss möglich sein, dass wir mehr von unseren Finanzinstitu-tionen erwarten können. Sie sind von den Regierungen dafüreingerichtet worden, dass sie den finanziellen Bedürfnissen derGesellschaft dienen und nicht die Armen um ihren Anteil amWohlstand betrügen. Die Globalisierung im Finanzbereichwirkt sich auf jedes Land aus. Die neue Welt der transnatio-nalen Bankgeschäfte hat ein Raubtierverhalten bei der Kredit-vergabe und einen Strom hochpreisiger Finanzprodukte ineinem bisher nie da gewesenen Maß entfesselt, einschließlichdem Export unfairer Praktiken durch einige der weltgrößtenprivaten Banken. Diese in zunehmendem Maß erpresserischenPraktiken, verbunden mit einer Art Doppelstrategie im priva-ten Bankensektor, nämlich internationale Ausdehnung undgleichzeitig Abbau von Verbraucherschutz, zeigt mir, dass wirund unsere internationalen Partner schnell und strategischvorgehen müssen, um zu gewährleisten, dass die Konsumen-ten geschützt werden und alle Menschen überall auf der WeltZugang zu angemessenen Angeboten an Finanz- und Invest-mentprodukten sowie Finanzdienstleistungen haben.

Wie sind hier die Erfahrungen in den USA und was tut IhreOrganisation, um damit fertig zu werden?

In den USA haben wir erkannt, dass der Schlüssel zur Kontrollevon wucherischen Praktiken (predatory lending) bei der Kre-ditvergabe ist, Brücken zu bauen zwischen NGOs, sozialenUnternehmern und offiziellen Stellen. NCRC verschafft sichtäglich mit vielen Mitwirkenden Zugang zum Finanzbereich,konzentriert sich auf strategische, legislative und Regulie-rungsfragen auf Länder- und Bundesebene und liefert den Or-ganen des Kongresses Expertenwissen. Gleichzeitig beziehtNCRC die Öffentlichkeit und die Medien ein, wenn es um öko-nomische Gerechtigkeit geht und betreibt Forschung zumThema Diskriminierung und unfaire Kreditvergabe USA-weit.Durch die spezialisierten Programme, die NCRC im Laufe derZeit entwickelt hat, können wir jeden ansprechen, von denKreditorganisationen über die Bankaufsicht, die Medien unddie Öffentlichkeit. NCRC, seine Mitglieder und Partner konn-ten sehr erfolgreich unfaire Praktiken bei der Kreditvergabeausrotten, die in der Wirtschaft Standard waren.

Könnten Sie uns Beispiele nennen für wucherische Prakti-ken bei der Kreditvergabe?

Da gibt es einen Koffer voll Tricks und Fallen, die auf den ver-letzlichen Konsumenten abzielen. Sie kommen in vielen Auf-machungen daher: Versteckte Gebühren, eine Restschuld-versicherung und andere überflüssige Produkte, aufgeblasenekurzfristige Zahlungen, negative Amortisation, variable Ver-zinsung, Taxierungsbetrug, exorbitante Finanzierungsgebüh-

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John Taylor, Präsident der NCRC

John Taylor, Präsident der NCRC, WashingtonKoalition für verantwortliche Kreditvergabe

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ZU_VuR_04_2006 31.03.2006 8:41 Uhr Seite III

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IV | VuR 4/2006

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ren. Ein wucherischer Kredit ist ein Kredit, der nicht zu demKreditnehmer passt und das Ziel hat, verwundbare und un-wissende Schuldner auszunützen. Er hat eine oder mehrere derfolgenden Eigenschaften: 1. Die Belastung an Zinsen und Ge-bühren ist höher als es nötig wäre, um das zusätzliche Risikodurch Kreditnehmer, die ein schlechtes Risiko darstellen, ab-zudecken. 2. Er enthält missbräuchliche Bedingungen, die denSchuldnern eine Falle stellen und zu einer erhöhten Ver-schuldung führen. 3. Er kümmert sich nicht darum, ob der Kre-ditnehmer den Kredit überhaupt zurückzahlen kann. 4. Erverletzt oft die Ziele der verantwortlichen Kreditvergabe, in-dem gerade Minderheiten ausgenutzt werden. Zusammen-fassend heißt wucherische Kreditvergabe, dass ein Kredit ver-geben wird, der über die Möglichkeit des Schuldners, ihnzurückzuzahlen, hinausgeht, und dass dieser durch unge-rechtfertigt hohe Gebühren und Zinsen belastet wird.

Warum wird Ihrer Meinung nach die Diskriminierung bei derVerlängerung von Krediten in Zukunft ein weltweites Pro-blem sein?

Das hängt vor allem mit dem unterentwickelten Verbraucher-schutz in vielen Ländern zusammen. Die wirtschaftliche Be-drängnis von an den Rand gedrängten Bevölkerungsgruppenwird durch unfaire Praktiken gesteigert, die sie von dem not-wenigen Kapitalfluss abschneiden. Mit zunehmender Deut-lichkeit wird außerhalb der USA unsere eigene dokumentierteGeschichte von finanzieller Diskriminierung wegen rassi-schen, ethnischen, einkommens- und nationalitätenbezoge-nen, religiösen und anderen nichtökonomischen Faktorenbestätigt.

Sie sind Mitorganisator der Konferenz in Brüssel. Warumkommen amerikanische Sozialverbände nach Europa undwas könnte der gegenseitige Nutzen für beide sein?

Wenn NGOs, Verbraucherschutzorganisationen und öffent-liche Einrichtungen auf jedem Kontinent verstärkt Koalitio-nen bilden, wird es schwierig, global wucherische Praktikenauszuüben. Mehr und mehr arbeiten Banken grenzüber-schreitend auf eine Art und Weise zusammen, die die nationaleAufsicht verwirren, und die Politik trägt teilweise dazu bei, dassdas Problem vergrößert wird, indem sie die Entschädigung vonKonsumenten und Staaten begrenzen. Die sich beschleuni-gende Wachstumsrate von Finanzinstitutionen und der ent-sprechende Einfluss, den sie in vielen Ländern haben, legenden Eindruck nahe, dass diese Herausforderung immens seinwird. Wir müssen einen Weg finden, um diesen Veränderun-gen entgegenzutreten. NCRC und unsere europäischen, asia-tischen, afrikanischen und südamerikanischen Partner habenbereits von dem Erfahrungsaustausch profitiert. Dabei habenglobale Netzwerke engagierter Verbrauchervertreter zu-sammengearbeitet, um gemeinsame globale Strategien zu ent-wickeln. Außerdem wurden die Ergebnisse und Herausforde-rungen beim Zugang zu Bankgeschäften, Kredit, Investmentund der wirtschaftlichen Entwicklung integriert betrachtet.Die Schutzbewegung, die sich gegen wucherische Praktikenbeim Geldverleih und Konsumentenkredit richtet, hat einenlangen Weg vor sich bei ihrem globalen Kampf für wirtschaft-liche Gerechtigkeit. Die Notwendigkeit einer internationalenKoalition für verantwortliche Kreditvergabe ist auf beiden

Seiten des Atlantiks anerkannt. Das verlangt nach einemmehrgleisigen Ansatz, der auf Zusammenarbeit setzt.

Die Konferenzserie wird von Banken gesponsert. Das ist fürEuropa neu, weil beide Seiten sich traditionell für Gegner hal-ten und glauben, sie sollten vom Einfluss der Gegenseite freisein. Sind Sie nicht der Meinung, dass ein solches Sponso-ring die Freiheit von Verbraucherorganisationen, sich zu ar-tikulieren, behindern könnte und sie von den Banken ab-hängig macht?

Die NCRC muss immer ein gutes Gleichgewicht halten. Ein-erseits schafft die NCRC Chancen für Banken, indem sie siedirekt mit einkommensschwachen Konsumenten über Kon-ferenzen und Veranstaltungen zusammenbringt und sie er-mutigt, ihre Verpflichtungen diesen Bevölkerungsschichtengegenüber zu erkennen und sie zu erfüllen. Außerdem wer-den diese Kreditgeber durch die NCRC in eine sinnvolle Dis-kussion mit den Verantwortlichen in den Gemeindeverwal-tungen über ihr Banker-Community Council und mit anderen,die sich für wirtschaftliche Gerechtigkeit engagieren, wieNGOs, Überwachungsbehörden, Regierungsvertreter etc. ge-bracht. Was die finanzielle Unterstützung durch die Bankenangeht, ermutigt die NCRC Banken, Konferenzen und beson-dere Veranstaltungen zu sponsern, das ist besser als direkteorganisatorische Unterstützung von irgendeiner Finanzinsti-tution zu bekommen. Auf diese Weise – und da sind wir klarund eindeutig – schränken uns die Zuwendungen der Bankweder in unserer Fähigkeit ein, unseren Kampf um ökonomi-sche Gerechtigkeit fortzusetzen noch behindert es unsereFreiheit sich auszudrücken oder macht uns abhängig vonBanken.

Sie sind keine traditionelle Verbraucherorganisation, aber Sieverteidigen die Interessen der Verbraucher – gibt es da einenUnterschied, der auch in der Beteiligung an dem europäi-schen Netzwerk sichtbar wird?

Wir sind keine typische NGO. Stattdessen repräsentieren wireine Koalition von Organisationen, die ihren Ursprung inStadtteilgruppen hat, die sich ihrerseits um einkommens-schwache Konsumenten kümmern und die Interessen von tra-ditionell unterversorgten Nachbarschaften fördern. Durchdie NCRC haben sie zusammen auf der nationalen Ebene eineStimme, sie arbeiten miteinander an der Agenda der ökono-mischen Gerechtigkeit – mit der Nebenwirkung, dass dies denKonsumenten zugute kommt. Wir arbeiten eng mit den Ver-braucherorganisationen in den USA zusammen, besonders mitdenen, deren Schwerpunkt sich um einkommensschwacheMenschen und die Frage dreht, wie man ihnen dabei helfenkann, von der Finanzdienstleistungsbranche fair behandeltzu werden.

Interview: Susanne Görsdorf-Kegel, Hamburg

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ZU_VuR_04_2006 31.03.2006 8:41 Uhr Seite IV

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A U F S Ä T Z E

In Verbindung mit Verbraucherzentrale Bundesverband und Bund der Versicherten

Geschäftsführende Herausgeber: Prof. Dr. Hans-W. Micklitz, Universität Bamberg; Prof. Dr. Udo Reifner, Universität Hamburg, Institut fürFinanzdienstleistungen e.V. (iff); Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität Berlin; Prof. Dr. Klaus Tonner, Universität Rostock

Weitere Herausgeber: Prof. Dr. Joachim Bornkamm, Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe; Dr. Friedrich Bultmann, Rechtsanwalt, Berlin;Prof. Dr. Peter Derleder, Universität Bremen; Dr. Stefan Ernst, Rechtsanwalt, Freiburg; Dr. Günter Hörmann, Geschäftsführer der Verbraucher-zentrale Hamburg e.V.; Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Universität Halle-Wittenberg; Dr. Rainer Metz, Bundesministerium für Verbraucherschutz, Er-nährung und Landwirtschaft, Berlin; Prof. Dr. Norbert Reich, Universität Bremen; Prof. Wolfgang Römer, Richter am Bundesgerichtshof a.D., Ver-sicherungsombudsmann, Berlin; Prof. Dr. Astrid Stadler, Universität Konstanz; Prof. Dr. Dirk Staudenmayer, Europäische Kommission, ReferatsleiterGeneraldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz, Brüssel; Walter Stillner, Rechtsanwalt, Stuttgart; Andreas Tilp, Rechtsanwalt, Tübingen

Schriftleitung: Prof. Dr. Udo Reifner, Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (iff), Rödingsmarkt 31-33, 20459 Hamburg

4/200621. Jahrgang, Seiten 121-168

Zeitschrift für Verbraucher und Unternehmen

VuR V E R B R A U C H E R

U N D R E C H T

I. Der Richtlinienentwurf 2005

Die Europäische Kommission hat den Entwurf einer Konsu-mentenkreditrichtlinie vorgelegt, der in der Liberalisierung derKonsumentenkreditmärkte bei gleichzeitiger Einschränkungnationaler Souveränität in der Verbraucherschutzgesetz-gebung u.a. die Verschuldung auf Mausklick über das Inter-net vorsieht, die vom Girokonto losgelösten Kreditkarten-kredite durch Nicht-Banken zulässt und doppelt (als variableund als Kleinkredite) von vielen Anforderungen freistellt, dieEinbeziehung aller Kosten der Kreditaufnahme der Formular-gestaltung der Banken überlässt („nur bei Klauselverpflichtungzu Zusatzkosten“), keinen Bürgenschutz kennt, vielen Lobby-gruppen wie z.B. den Leasingunternehmen, Kleinkredit-gebern, Banken als Arbeitgebern, jeglichen Hypothekenkre-ditgebern auch bei Verbraucherkrediten und schließlich sog.Microlendern Freistellung gewährt. Verbraucherschutz undÜberschuldungsprävention sind keine expliziten Ziele mehr.Die freie Entschuldungsmöglichkeit wird zugunsten einer Ge-bührenpflicht gestrichen und dieser Abbau an Verbraucher-schutz den nationalen Gesetzgebern zur Pflicht gemacht(Maximalharmonisierung) sowie das Rom I und II Abkom-men dadurch ausgehebelt, dass in Zukunft die Anbieter inwichtigen Bereichen wie etwa der Vorfälligkeitsentschädi-gung das Vertragsrecht ihres Heimatlandes auch im Gastlandanwenden dürfen. Die dahinter stehende Ideologie wird alsNeo-liberal bezeichnet. Für die Verbraucherverschuldungübersetzt heißt sie: Verbraucher wird durch Nutzer ersetzt,Schutz durch Information, Harmonisierung durch das stärkereRecht (EU oder Heimatland). Der „Durchschnittsverbraucher“,in der Wettbewerbsrichtlinie wie ein Unternehmer definiert,

soll profitieren. Gemeint ist, dass die schwächeren Verbraucherkeine Zielgruppe mehr sind. Weniger sozialer Schutz sowieder erhöhte Wettbewerb bei nivellierten Standardproduktensenke die Kosten. Profitieren soll der Durchschnittsverbrau-cher, mit dem der unternehmerische gehobene Kunde ange-sprochen ist.

Die Ergebnisse solcher Entwicklungen können in England undden USA studiert werden. Kapitulation des Staates vor Verar-mung und Überschuldung, Wucherzinsen, revolvierende Kre-ditsysteme mit Zinseszins als Prinzip, Sonderkosten für dieArmen und ein Chaos in der Haushaltsführung durch eineVielzahl kleiner Kredite.

Doch in diese klare Linienführung der Richtlinie aus Brüssel,die den Weg der (gescheiterten) Dienstleistungsrichtlinie(„Bolkestein“) über die Bürokratisierung der Finanzdienstleis-tungsgesetzgebung („Lamfalussy-Prozess“), die Dekulturationeines nur noch marktlauteren Wettbewerbs sowie die Freiga-be des Kreditmarktes an Nichtbanken (Zahlungsverkehrs-richtlinie) fortsetzt, sticht ein neuer Begriff heraus, der dasKonzept auf den Kopf zu stellen vorgibt. Kreditvergabe soll inZukunft verantwortlich erfolgen. Das neue Rechtsprinzipheißt „Responsible lending“ und wurde ins Deutsche als „ver-antwortliche Kreditvergabe“ übersetzt, während in den romani-schen Sprachen der „prêt responsable“ bzw. der „prestito respon-sabile“ den „verantwortlichen Kredit“ insgesamt anspricht, wasauch in dem unscharfen Wort „lending“ denkbar wäre.1 Tat-

Verantwortung bei Kreditvergabe oder im Kredit? – ZumKonzept des Entwurfes der Konsumentenkreditrichtlinievon Prof. Dr. Udo Reifner, Institut für Finanzdienstleistungen e.V., Hamburg

1 So der Kongress des „Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.“ in Berlin,http://www.verantwortliche-kreditvergabe.net/media.php?id=1791.

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2 Begründung zum Richtlinienvorschlag KOM(2005) 483 endg.3 Kösters/Paul/Stein, Ordnungspolitische Analyse des Vorschlags der Europäischen

Kommission für eine EU-Verbraucherkreditrichtlinie – Statt Verbraucherschutz Ge-setz gegen den Verbraucher, Bochum, August 2003, S.18, http://www.ecri.be/media/pdf/Bochum-Verbraucherkredit-RL_Gutachten.pdf.

4 Zur Diskussion in den USA siehe V. Countryman, Improvident Credit Extension:A New Legal Concept Aborning?, 27 ME. L. REV. 1 (1975).; Richard M. Hynes,Overoptimism and Overborrowing, http://www.law.fsu.edu/faculty/2003-2004workshops/hynes.pdf; Reifner, ‘Thou shalt pay thy debts’ Personal Bank-ruptcy Law and Inclusive Contract Law, in: Niemi-Kiesilainen/Ramsay/Whitford(Hrsg.), Consumer Bankruptcy in Global Perspective, Portland 2003, S. 194-228.

5 BGH, Urt. v. 27.4.2004 – XI ZR 49/03, BGH NJW 1995, 1886; BGH NJW 1995,190; BGH NJW 1995, 43; BGH NJW 1992, 896; BGH NJW 1992, 1448.

sächlich ist aber, und dies zeigt die Konkretisierung, nur derVergabeprozess gemeint und die Bezeichnung in den anderenSprachen daher irreführend. Gleichwohl soll anschließendgezeigt werden, dass solche historischen Täuschungen auchpositiv gewendet werden können, weil der Richtliniengeberkeine Hoheit über den Sprachgebrauch beanspruchen kann.

Die neue Vorschrift definiert den Begriff der verantwortlichenKreditvergabe nur noch inzidenter, wenn es in Art. 5 Abs. 1 desRichtlinienvorschlags heißt:

„Der Kreditgeber und gegebenenfalls der Kreditvermittler bekennensich zum Grundsatz der verantwortlichen Kreditvergabe. Deshalberfüllen der Kreditgeber und ggf. der Kreditvermittler ihre Verpflich-tungen zur vorvertraglichen Unterrichtung und der Kreditgeber seineVerpflichtung zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers aufder Grundlage der von diesem erteilten genauen Informationenund gegebenenfalls anhand von Auskünften aus der in Frage kom-menden Datenbank.“

In der Fassung des ersten Entwurfes aus dem Jahre 2002 hießes dagegen in einem eigenständigen Art. 9 unter dem Titel„Verantwortliche Kreditvergabe“:

„Schließt ein Kreditgeber einen Kredit- oder Sicherungsvertrag aboder erhöht er den Gesamtkreditbetrag oder den garantierten Be-trag, so wird angenommen, dass er zuvor unter Ausnutzung allerihm zu Gebote stehenden Mittel zu der Überzeugung gelangt ist, dassder Verbraucher und gegebenenfalls der Garant vernünftigerweise inder Lage sein werden, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzu-kommen.“

Diese Vorschrift lehnte sich noch eng an das schweizerischeVorbild an und verlangte eine Kreditwürdigkeitsprüfung mitpositivem Resultat, die „vernünftig“ sein sollte. Anders alsdas schweizerische Recht orientierte sich die Kommission aller-dings an der Praxis, dass die Kreditwürdigkeit zunehmend ausder Kreditgeschichte (zentral gespeicherter Positiv- wie Nega-tivmerkmale) sowie aus dem Gesamtvolumen bestehenderVerpflichtungen abzuleiten sei. Das Einkommen wurde dahernicht speziell aufgeführt.

Diesen weiten Ansatz, der die Sorgfaltspflicht entsprechend§ 241 S. 2 BGB selber statuierte, hat die Kommission in ihrenbeiden neueren Entwürfen zugunsten einer Verpflichtung,die von ihr imperativ vorgegebenen Indikatoren für Über-schuldungsrisiken zu nutzen, aufgegeben. Statt einer vom Kre-ditgeber entsprechend seinem Sachverstand zu übernehmen-den Verantwortung für die Rückführbarkeit soll es nur nochdarum gehen, dass er die nunmehr dem Verbraucher als Ver-pflichtung auferlegte Offenlegung seiner Vermögensverhält-nisse ebenso als Informationsquelle nutzt wie eine „in Fragekommende Datenbank“. Die Verantwortung ist damit dele-giert. Sie liegt beim Verbraucher und, da die Datenbank nichtvom Gesetzgeber vorgeschrieben wird, bei der Möglichkeit ei-ner Datenbankabfrage bei Dritten. Unter Ziff. 5.4 der Begrün-dung2 heißt es zu dieser einschneidenden Änderung:

„Auf Wunsch des Banksektors und einiger Mitgliedstaaten wurde je-doch klargestellt, dass der Verbraucher stets die Verantwortung fürseine endgültige Entscheidung, einen Kreditvertrag abzuschließen,trägt. Die Beratungspflicht ist deshalb als Verpflichtung ausgestal-tet worden, den Verbraucher in die Lage zu versetzen, die Vor- undNachteile eines Kredits abzuwägen.“

Damit folgte die Kommission einer wirtschaftswissenschaft-lichen Argumentation3, die zuletzt auch die englische Regie-rung als Argument gegen eine Wucherbegrenzung anführte.

Danach droht angeblich eine Kreditkontingentierung zulastender Armen, wenn Kreditgeber explizit Überschuldung verhin-dern müssen, eine Annahme die allen vergleichenden Unter-suchungen über Ausschlussquoten in regulierten (Holland,Belgien, Frankreich, Deutschland, Skandinavien, Polen) undderegulierten Ländern England, Irland, USA widerspricht.Verantwortlich für Überschuldung ist nämlich allein der Kre-ditnehmer.

„Denn nicht mehr die informierten Kreditnachfrager selbst sindverantwortlich für ihre Entscheidungen, sondern „fürsorgliche“ Kre-ditgeber sollen ihnen den richtigen Weg zum eigenen Wohl weisen.(…). Durch die bisher diskutierten Vorschriften – insbesonderedenjenigen zur verantwortungsvollen Kreditvergabe – droht insge-samt eine Kreditrationierung bzw. Preiserhöhung auf Grund derfür die Banken steigenden Haftungsrisiken. (…).“

II. Verantwortliche Kreditvergabe im nationalenRecht

Das Konzept der verantwortlichen Kreditvergabe ist nicht neu,sondern findet sich in Rechtsprechung und Gesetzgebung ein-zelner Mitgliedsstaaten.4

1. Verfahrensregulierung

Art. 28 und 29 des niederländischen Konsumentenkredit-gesetzes (Wet op het consumentenkrediet) verlangt vom Kre-ditgeber bei Krediten über 1.000 € die Einholung schriftlicherInformationen über die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmersund deren Prüfung. Im schwedischen Verbraucherkreditgesetz(Konsumentkreditlagen) wird gefordert, dass die finanzielleSituation des Kreditnehmers, sein Einkommen und Vermö-gen zu prüfen sind und darüber beraten werden muss.

Gemäß Art. 493 Abs. 2 Schweizerisches Obligationenrecht musseine Bürgschaft über eine Summe von mehr als 2.000 CHF öf-fentlich beurkundet werden. In Frankreich verlangt Art. 313-7des Code de la Consommation eine handgeschriebene Er-klärung mit einem im Gesetz vorgeschriebenen warnendenInhalt, um eine Bürgschaft wirksam werden zu lassen. Ähn-liches gilt in Belgien. In Deutschland interpretiert die Recht-sprechung die Schriftform bei der Bürgschaft als Warnhinweis,so dass die Schriftform nicht eingehalten ist, wenn nicht allefür die Warnung wesentlichen Umstände in die Urkunde auf-genommen wurden.5 Sektion 23 Abs. 2 des finnischen Geset-zes über Bürgschaften und Pfänder (361/1999) enthält einePflicht des Kreditgebers, den Bürgen über die finanzielle Situa-tion des Hauptschuldners zu informieren. Art. 25a des öster-reichischen Konsumentenschutzgesetzes verlangt bei Fami-lienbürgschaften und Mithaftung eine umfassende Aufklärungdarüber, dass auch bei Ehescheidung die Verpflichtungen wei-ter bestehen.

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2. Ergebnisregulierung

Anders die deutsche Rechtsprechung, die die Überschuldungselber verbietet. Bereits in der Rechtsprechung des Reichs-gerichts findet sich ein Urteil6 zur verantwortlichen Kredit-vergabe. Es nimmt Sittenwidrigkeit an, wenn durch die Artdes Kredites die „wirtschaftliche Freiheit“ des Kreditnehmersentscheidend beeinträchtigt sei. Das OLG Stuttgart7 hat 1988aus dem vor der Schuldrechtsreform noch gültigen § 310 BGB,der Rechtsgeschäfte verbot, die das „gesamte Vermögen“ in-frage stellten, gefolgert, dass die Vereinbarung von Ratenunzulässig sei, die selbst bei isolierter Betrachtung zweierGesamtschuldner sie in ihrer Lebenshaltung unter das Exis-tenzminimum drücken würden. Das LG Hanau8 hatte einezur Überschuldung führende „unverantwortliche Kreditver-gabe“ dabei ähnlich wie das OLG Stuttgart auch verfassungs-rechtlich definiert:

Übersteigt die Ratenhöhe die Pfändungsgrenze, so liegt darinein Verstoß gegen die guten Sitten i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB. DieZivilgerichte müssen bei der Frage, ob Verträge mit § 138 Abs. 1BGB in Einklang zu bringen sind, die Grundsätze aus den Art. 1Abs. 1, 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG (Schutz der Würde des Men-schen, Sozialstaatsprinzip) berücksichtigen. Es obliegt ihnen,solchen Verträgen die Anerkennung zu versagen, die die ma-terielle Bewegungsfreiheit eines Vertragsschließenden so be-schneiden, dass er nicht mehr menschenwürdig leben kann.Als Maßstab für das Minimum an materiellen Gütern, das ineinem sozialen Rechtsstaat jedem zur Führung seines Lebensunter menschenwürdigen Umständen verbleiben muss, kön-nen und müssen die Paragraphen 811 ff., 850 ff. ZPO heran-gezogen werden.

Die Gegenmeinung vertritt das OLG Hamm9. Das Zivilrecht seifür solche Fragen nicht zuständig:

„Die Freiheit der Vertragsgestaltung als Teil der Privatautonomieumfasst das Recht, sich zu Leistungen zu verpflichten, die man nichterbringen kann. (…). Der Staat kommt seiner Schutz- und Für-sorgepflicht dadurch nach, dass er im Rahmen der Zwangsvoll-streckung Pfändungsfreigrenzen festsetzt.“

Dieser Auffassung pflichtet die herrschende Meinung heute10

bei. Doch dabei wird übersehen, dass es einen entgegen ge-setzten Grundsatz bei Bürgschaft und gesamtschuldnerischerMithaftung bei der Kreditvergabe gibt. Bei Kreditschulden imVerhältnis zwischen Bank und mithaftender Ehefrau ist diesittenwidrige Überschuldung nach der Entscheidung desBundesverfassungsgerichts11 von 1993 unzulässig. Der BGH12

hat dies wie folgt zusammengefasst:

Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung desIX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs liegt einesolche Überforderung des Bürgen oder Mitverpflichteten beinicht ganz geringen Bankschulden grundsätzlich vor, wenner voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensver-tragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil sei-nes Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungs-falls dauerhaft tragen kann. Bei Übernahme der Bürgschaftim Januar 1992 verdiente der Beklagte als Bauleiter bei der H.GmbH 2.222,70 DM netto im Monat. Der unter Berücksichti-gung seiner Unterhaltspflicht pfändbare Teil von 564 DMreichte bei weitem nicht aus, die von der Klägerin berechnetenlaufenden Zinsen des verbürgten Geschäftskredits von 17 %bis zum Vertragsende allein zu tragen. Hinzu kommt, dasssein Gehalt von dem finanziellen Leistungsvermögen derHauptschuldnerin abhängig und davon auszugehen war, dass

sie bei Eintritt des Sicherungsfalles entweder zahlungsunfä-hig oder überschuldet sein würde.

Dem entspricht in Italien das Gesetz Nr. 54/1992, das Ver-braucherbürgschaften der Höhe nach auf 25.000 € begrenzt.In Frankreich sind Bürgschaften kraft Gesetzes nichtig, wennsie den Bürgen krass überfordern. In Italien kann zudem eineunverantwortliche Kreditvergabe, die den Kreditnehmer fi-nanziell überfordert, gegen Treu und Glauben i.S.d. Art. 1175-1375 Codice Civile verstoßen und den Kredit damit unwirk-sam machen.13 Auch in Dänemark wird eine Berücksichtigungunverantwortlicher Kreditvergabe nach den allgemeinen Vor-schriften des Zivilrechts für möglich gehalten.

Diese Entwicklung hat mit der Schuldrechtsreform in Deutsch-land eine Weiterung gefunden. Die in § 241 Abs. 1 BGB sta-tuierte neue allgemeine Pflicht zur „Rücksicht auf die Rechte,Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils“ entsteht be-reits vorvertraglich und bezieht sich auf alle Pflichten zum red-lichen Geschäftsverkehr (§§ 157, 242 BGB).14 Damit kannverantwortliches Handeln im Kredit ohne Begrenzung auf fest-gelegte Informationsquellen und die Beratung als Konkreti-sierung der vorvertraglichen und der vertraglichen Pflicht zurRücksichtnahme angesehen werden. Nicht der Prozess der Ent-scheidungsfindung sondern sein Ergebnis wird zum Gegen-stand rechtlicher Bewertung gemacht. Die Frage des Verfah-rens, in der die Entscheidung getroffen wurde, ist daher andersals in der Richtlinie, eine Frage des subjektiven Tatbestandesbzw. im Rahmen der Beratungshaftung eine Frage des Ver-schuldens, das zudem bei typisierten Ergebnissen unwider-leglich vermutet wird. Inkriminiert wird also die Herbeifüh-rung der Überschuldung und nicht die Unwissenheit derKreditgeber. Die Richtlinie will demgegenüber die unterneh-merische Entscheidung definieren und das „richtige banking“vorschreiben, ein untauglicher und unsinniger Versuch desEingriffs in unternehmerische Entscheidungsfreiheit und -verantwortung, die angesichts der praktischen Nutzlosigkeitdieser Vorschrift letztlich nur dazu dient, ihre ersatzlose Strei-chung zu vertuschen.

3. Produktregulierung

Eine andere Form der Kontrolle verantwortlicher Kreditver-gabe ist die Regulierung von Produkten, denen Überschul-dungswirkung beigemessen wird. Dabei ist ein Kreditproduktimmer eine Dienstleistung, so dass es um das Verbot ver-

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6 RGZ 128, 251 (254 f.); RG HRR 34, Nr. 1096.7 OLG Stuttgart VuR 1988, 81 mit ablehnender Anm. Reifner.8 LG Hanau v. 1.9.1988 – 7 O 779/88, http://www.money-advice.net, (ID 21196), mit

Verweis auf LG Lübeck v. 11.12.1986, NJW 1987, 959 und OLG Bamberg NJW-RR1984, 1334 (1335).

9 WM 1988, 1266. 10 OLG Stuttgart WM 2003, 343; OLG Frankfurt/M. WM 1998, 337 (339); OLG Köln

WM 1994, 197 (201); OLG Hamm BB 1992, 2177. 11 BVerfGE 89, 214 ff.; BVerfG, Beschl. v. 6.12.2005 – 1 BvR 1905/02.12 BGH NJW 2004, 161, http://www.money-advice.net, (ID 32956) sowie bei dem

Stichwort „Überschuldung“ sämtliche obergerichtlichen Entscheidungen hierzu.Zusammenfassend auch in dem Vorlagebeschluss vom 29.6.1999, NJW-RR 1999,2584 = NJW 2000, 1185.

13 Dagegen gelten im Investmentrecht in Italien, wie in anderen Ländern auch, diein der Wertpapierrichtlinie der EU festgelegten Pflichten, sich genau nach denVermögensverhältnissen des potenziellen Investors zu erkundigen (vgl. Consob,11522/98, art. 28). Zum deutschen Recht dazu § 31 Abs. 2 Ziff. 1 WpHG: „Es [einWertpapierdienstleistungsunternehmen] ist ferner verpflichtet, 1. von seinenKunden Angaben über ihre Erfahrungen und Kenntnisse (…), über ihre mit denGeschäften verfolgten Ziele und über ihre finanziellen Verhältnisse zu verlangen(…) soweit dies zur Wahrung der Interessen der Kunden und im Hinblick auf Artund Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist. Die Kunden sind nichtverpflichtet, dem Verlangen (…) zu entsprechen.“

14 Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 241 Rn 7.

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15 Vgl. etwa Art. 28 Abs. 2 KKG: Die Konsumentin oder der Konsument gilt dann alskreditfähig, wenn sie oder er den Konsumkredit zurückzahlen kann, ohne dennicht pfändbaren Teil des Einkommens nach Art. 93 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom11.4.1889 über Schuldbetreibung und Konkurs beanspruchen zu müssen. Abs. 3:Der pfändbare Teil des Einkommens wird nach den Richtlinien über die Berech-nung des Existenzminimums des Wohnsitzkantons der Konsumentin oder desKonsumenten ermittelt. Bei der Ermittlung zu berücksichtigen sind in jedem Fall:a. der tatsächlich geschuldete Mietzins; b. die nach Quellensteuertabelle geschul-deten Steuern; c. Verpflichtungen, die bei der Informationsstelle gemeldet sind.

16 Vgl. Art. 28 Abs. 4 KKG: Bei der Beurteilung der Kreditfähigkeit muss von einerAmortisation des Konsumkredits innerhalb von 36 Monaten ausgegangen werden,selbst wenn vertraglich eine längere Laufzeit vereinbart worden ist. Dies gilt auchfür frühere Konsumkredite, soweit diese noch nicht zurückbezahlt worden sind.

17 Zum Kredit vgl. Gesetze vom 10.1.1978 und vom 13.7.1979; alle Gesetze zu-sammengefasst im Code de la Consommation.

18 RL 87/102/EWG des Rates vom 22.12.1986 zur Angleichung der Rechts- und Ver-waltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABl. EG1987 L 42/48.

schiedener Verhaltensmöglichkeiten der Kreditgeber in Ange-bot und Abwicklung geht.

In Deutschland kann hierunter auch das Verbot der Vergabewucherischer Kredite oder ungünstiger Umschuldungen sub-sumiert werden.

Eine idealtypische Form dieser Regelungsart enthält dagegendas schweizerische Recht, das ähnlich in Belgien gilt. DasBundesgesetz über den Konsumkredit (KKG) aus dem Jahre1992 hat sich im fünften Abschnitt über die „Kreditfähigkeit“die Überschuldungsprävention zum Ziel gesetzt: „Die Kredit-fähigkeitsprüfung bezweckt die Vermeidung einer Überschul-dung der Konsumentin oder des Konsumenten infolge einesKonsumkreditvertrags“ (Art. 28 Abs. 1 KKG). Diese Kredit-fähigkeit wird im Ergebnis festgelegt. Sie besteht in der Fähig-keit, die Kreditraten ohne Rückgriff auf das pfändungsfreie Ein-kommen zurückzahlen zu können.15 Wird dies Ergebnis nichterreicht, tritt gem. Art. 32 Abs. 1 KKG Totalverlust von Zinsenund Kapital ein.

An sich ist dies eine Unmöglichkeit, weil das zukünftige Ein-kommen, auf das es eigentlich ankäme, angesichts der vielenEinkommens- und Ausgabenrisiken nicht bekannt sein kann.Daher stellt der schweizerische Gesetzgeber auf das aktuelleEinkommen ab. Um ferner zu verhindern, dass die Rate durchVerlängerung der Laufzeit, wie in den Umschuldungskarus-sells, auf das gesetzlich akzeptable Maß gedrückt wird, schreibtdas schweizerische Recht weiter vor, dass alle Finanzierungenauf drei Jahre16 gerechnet werden müssen, was angesichts derunterschiedlichen Lebensdauer finanzierter Güter (Personen-wagen etwa fünf Jahre) nicht unbedingt logisch erscheint. Dadas ganze nur für Bankkredite gilt, verschiebt der SchweizerGesetzgeber zudem die Risikokunden in den Nichtbanken-sektor, was ohnehin der allgemeinen Tendenz entspricht.

Produktverbote enthalten auch die umfangreichen Vorschrif-ten zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Über-schuldung.

In vielen Ländern wird die Kreditvergabe an Jugendliche undKinder praktisch ausgeschlossen. Nur der Richter kann eineKreditaufnahme genehmigen. Da er bei seiner Entscheidungjeweils das Kindeswohl zu berücksichtigen hat und dabei diemögliche Überschuldung ein wesentliches Kriterium sein dürf-te, wird de facto die verantwortliche Kreditvergabe einer Bankgarantiert. So muss z.B. in Belgien der Juge de Paix einer sol-chen Kreditaufnahme zustimmen. Nach Art. 388, 1304 und1305 des französischen Code Civil dürfen Kindern gewährteKontoüberziehungskredite nicht in Darlehen umgewandeltwerden. Das deutsche Recht stellt in den §§ 1822 Ziff. 8, 1643BGB die „Aufnahme von Geld auf den Kredit“ des Kindes un-ter richterlichen Vorbehalt, ebenso wie das österreichischeRecht in § 154 Exp. 3 ABGB. Nach Sektion 139 des irischenKonsumentenkreditgesetzes wird die Zusendung von Kredit-angeboten an Minderjährige verfolgt. Kreditverträge mit ih-nen sind nur zulässig, wenn sie notwendige Güter („necessa-ries“) betreffen. In Dänemark sind Kreditverträge mit Kindernnichtig.

4. Folgenregulierung

Eine ganz andere Form der Regulierung bezieht sich dagegennicht mehr auf die Kreditvergabe sondern den Zeitpunkt, indem Kredite notleidend werden.

Idealtypisch hierfür ist die deutsche Vorschrift des § 497 BGB,die die Verzugsfolgen so regelt, dass Entschuldung möglichwird. Das französische Recht erlaubt dem Richter, bei Über-schuldung in den Vertrag einzugreifen und die Raten anzu-passen, zinslose Stundungen zu verordnen oder im Hypothe-kenkredit sogar Teile der Schulden zu erlassen.17 Das kommtim Ergebnis einer Herstellung verantwortlicher Kreditvergabeex post gleich, wenn es sich um Probleme handelt, die bereitsbei Vertragsschluss erkennbar waren. Diese Sicht wird dadurchbestätigt, dass die Insolvenzrichter ebenso wie die Insolvenz-kommissionen der Zentralbank im Verbraucherinsolvenzver-fahren überprüfen sollen, ob der Kredit mit der notwendigenSorgfalt, also verantwortlich, vergeben wurde (Gesetz vom31.12.1989). Eine unsorgfältige Vergabe spielt bei der Festset-zung der Schuldentilgungspläne eine Rolle, so dass letztlich dieVerletzung dieser Pflicht über das Insolvenzrecht sanktioniertist.

In Finnland ist eine richterliche Anpassung der Verträge in Kri-senfällen nach dem Prinzip der social force majeure auf dieaktuelle Situation bezogen und nicht retorsiv anwendbar wiein Frankreich.

III. Schutz des Marktes oder Schutz der Verbraucher?

1. Marktschutz

Diese historischen Tendenzen einer Überschuldungsverhin-derung haben sich auf dem Hintergrund des Siegeszuges neo-liberaler Konzepte auf die Pflicht reduziert, sich und die Ver-braucher zu informieren. Der informierte Verbraucher brauche(bzw. bekommt) keinen Schutz. Einen sozialen Zwang zurKreditaufnahme gibt es nicht und wer überschuldet ist hättedies verhindern können – aus soziologischer Sicht eine reineIdeologie, die übersetzt bedeutet, dass Personen in existen-ziellen Kreditverhältnissen dem Recht des Stärkeren überant-wortet werden.

Dieses Ziel war bereits unterschwellig in den Motiven derRichtlinie 87/102/EWG18 bei den Angabepflichten erwähnt,wenn es dort hieß, der Verbraucher solle „über die Kredit-bedingungen und -kosten sowie über seine Verpflichtungenangemessen unterricht werden.“ Konkret soll die schriftlicheVertragsurkunde u.a. Angaben zur Ratenhöhe und Belastungenthalten (Art. 4 Abs. 3 RL sowie Anhang), deren Sinn es nichtist, dem Verbraucher einen Vergleich mit anderen Kreditan-geboten zu erlauben, sondern ihm die Verteuerung der Le-benshaltung durch den Kredit deutlich vor Augen zu halten.So ist alleiniges Ziel der – unter Außerachtlassung der Laufzeitan sich unsinnigen – Angabe des von der Laufzeit losgelösten

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Bruttokreditbetrages, den die Richtlinie für Abzahlungsge-schäfte und die Mehrheit der nationalen Rechtsordnungen füralle Kredite vorschreiben, dem Kreditnehmer die Belastungseines Budgets deutlich zu machen.

Während der erste Entwurf der Kommission sich im Anschlussan das schweizerische Recht deutlich den kontinentaleuro-päischen Prinzipien der guten Sitten und des Handelns nachTreu und Glauben verpflichtet sah, die neben denen desSozialstaats, der solidarité bzw. der social force majeure die Ver-tragsfreiheit des Kreditgebers insoweit begrenzen, als sie einenbestimmten Erfolg definitiv verhindern wollen, haben derzweite und dritte Entwurf das angelsächsische Muster über-nommen, wonach es um eine angemessene Information desKreditnehmers geht. Logisch handelt es sich somit nicht mehrum eine verantwortliche Kreditvergabe, sondern um die För-derung einer verantwortlichen Kreditaufnahme. In der Spra-che der EU-Kommission wird dies so ausgedrückt:

Die Beratungspflicht ist deshalb als Verpflichtung ausgestal-tet worden, den Verbraucher in die Lage zu versetzen, dieVor- und Nachteile eines Kredits abzuwägen.19

In Art. 5 Ziff. 5 des Richtlinienentwurfes wird dieses Ziel –Meinungsbildung beim Verbraucher statt Kreditregulierungbeim Anbieter – gesetzgeberisch festgeschrieben, wenn esheißt:

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Kreditgeber und gege-benenfalls Kreditvermittler dem Verbraucher angemessene Er-läuterungen zum angebotenen Kreditvertrag geben, gegebe-nenfalls durch Erläuterung der vorvertraglichen Informationengemäß Absatz 2 sowie der mit den angebotenen Produktenverbundenen Vor- und Nachteile, „damit der Verbraucher in dieLage versetzt wird, zu beurteilen, ob der Vertrag seinen Bedürfnissenund seiner finanziellen Situation gerecht wird.“

Das angelsächsische Recht ist hier Vorbild. Als deutlichstes Bei-spiel sei das irische Hypothekenkreditrecht zitiert, nach demspezifische Warnhinweise dem Kredit wörtlich mitgegebenwerden müssen.

WARNING – YOUR HOME IS AT RISK IF YOU DO NOT KEEPUP PAYMENTS ON A MORTGAGE OR ANY OTHER LOANSECURED ON IT; THE PAYMENT RATES ON THIS HOUSINGLOAN MAY BE ADJUSTED BY THE LENDER FROM TIME TOTIME (Section 128); Endowment mortgages: WARNING –THERE IS NO GUARANTEE THAT THE PROCEEDS OF THEINSURANCE POLICY WILL BE SUFFICIENT TO REPAY THELOAN IN FULL WHEN IT BECOMES DUE FOR REPAYMENT

2. Verbraucherschutz

Das Informationsmodell ist eine moderne Form des Verbrau-cherschutzes, das seine wirtschaftliche Ausprägung im Modelldes „mündigen Verbrauchers“ hat. Letztlich dient es dazu,Marktwirtschaft überhaupt zu ermöglichen, weil der Kunde alsKönig erst in Erscheinung tritt, wenn er regieren kann undtatsächlich regiert.

Dem steht das traditionelle Wucherprinzip gegenüber, das§ 138 Abs. 2 BGB in der Weise ausdrückt, dass „ein Rechts-geschäft nichtig ist, durch das jemand unter Ausbeutung derZwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsver-mögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderensich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteileversprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligenMissverhältnis zu der Leistung stehen.“

Ähnliche Wucherprinzipien finden sich in allen Privatrechts-ordnungen der Welt und beherrschen auch das CommonLaw. Sie drücken ein Misstrauen des Gesetzgebers gegenüberdem Markt für Fälle aus, in denen eine Partei sich in einerZwangslage befindet. Der dem Notleidenden aufgedrängteWucherkredit oder die dem Obdachlosen abverlangte Wu-chermiete haben vor allem in Notzeiten die Skepsis des Ge-setzgebers bestätigt. Alle Wuchergesetze enthalten ein Nich-tigkeitsverdikt, aber keine Informationspflicht. Sie regeln dasProdukt, nicht den Kreditnehmer.

Im Konsumentenkredit ist dieses Prinzip vor allem in Deutsch-land an die modernen Verhältnisse angepasst worden. DieRechtsprechung erklärt bestimmte Kredite deshalb für nichtig,weil sie das Doppelte des üblichen Preises erzielen. Der sub-jektive Tatbestand wird unwiderleglich vermutet, was seinerAbschaffung gleich kommt. Damit wird das Marktversagenunmittelbar angesprochen. Die Sanktion wird von der krimi-nellen „Ausbeutung“ in die marktkonforme „Ausnutzung“ derSchwäche verlagert, die nun nach § 138 Abs. 1 BGB sitten-widrig ist.

Länder wie Frankreich, Belgien, Italien, Holland, Luxemburgund Polen setzen die Zinsgrenze, bei der verantwortlicherund sittenwidriger Kredit zu unterscheiden sind, zwar durchGesetze, die sich aber ebenfalls am durchschnittlichen Markt-preis orientieren. Wucherische Kredite sind grundsätzlichunerwünscht, unabhängig davon, ob die Verbraucher sie ak-zeptieren. Der Grund liegt darin, dass Kredite auf Dauerzwangsläufig zur Überschuldung führen müssen, wenn ihreKosten so hoch liegen, dass ihr Gebrauch eine Rückzahlungnicht garantieren kann und damit die Kreditaufnahme einerdrastischen Reallohnsenkung gleich kommt. Ökonomischbetrachtet wirken sie nicht „produktiv“. Zwar gibt es kein Prin-zip, dass verlangt, jeder Kredit müsse produktiv sein; jedochmuss jedes Kreditangebot die Chance produktiver Nutzungbeinhalten. Wo der Verbraucher, gerade weil ihm der Kredit –unter Hinweis auf das schweizerische Erfordernis der „verant-wortlichen Kreditvergabe“ – für eine notwendige Finanzierungvon Chancen verweigert wird, wie in England auf Produkteausweicht, die ihn ruinieren müssen, gleichgültig ob der Wu-cher über Höchstzinssätze, durch Kreditkartenreiterei oder un-nütz überteuerte Restschuldversicherungen erreicht wird,kann bereits das Angebot nicht produktiv wirken.

Die wachsende Überschuldung und die daraus resultierendeVerarmung des unteren Drittels der Haushalte in den reichenIndustrieländern zeigt, dass das Wucherprinzip als Grundlageverantwortlicher Kredite aktueller denn je ist. Längst hat es sichin einer Vielzahl von Regelungen etwa zum Schutz bei Verzugund Kündigung, zum Verbot bestimmter Kreditpraktiken, zurRegulierung variabler Kredite, zur Begrenzungen von Um-schuldungen und Kettenkrediten, zu Laufzeitbegrenzungenund Verboten für Kosten im Störungsfall niedergeschlagen, wiesie in einer internationalen Studie für die EU-Kommission20

dargelegt wurden, die allerdings weder an ihrem Inhalt Inte-resse gezeigt noch ihn der Öffentlichkeit präsentiert hat.Kreditsperre ist dabei, wie alle empirischen Untersuchungenseit Caplovitz’ Studien „The Poor Pay more“ und „Debtors in

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19 Ziff. 5.4 der Begründung des Richtlinienvorschlags KOM(2005) 483 endg.20 Reifner/Niemi-Kiesilainen/Huls/Springeneer, Study of the legislation relating to con-

sumer over-indebtedness in all European Union Member States, Hamburg/Rotter-dam/Helsinki 2003.

Rei fner, Verantwortung be i Kred i tvergabe oder im Kredi t? | A U F S Ä T Z E

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21 Consumers in Trouble: A Study of Debtors in Default, New York 1974; zuletzt Reif-ner/Zimmermann, Sozialprofile ver- und überschuldeter Personen, in: SCHUFAHolding AG (Hrsg.), Schuldenkompass, Wiesbaden 2005, S. 103-158, sowie dieBeiträge in vzbv (Hrg.) Schuldenreport 2006, Berlin 2006; ein Überblick überalle Studien international bieten Reifner/Niemi-Kiesilainen/Huls/Springeneera.a.O. in der Einleitung.

Default“21 immer wieder deutlich machen, der falsche Weg.Denn sie erhöhen den Druck auf die Verbraucher, fördernFalschangaben und kriminelle Kredite und leiten in eine Lo-gik, nach der der Kreditpreis beliebig steigen kann. Nur mitHöchstzinssätzen können dann noch Kleinstkredite wie paydayloans, Kreditkartenkredite und Überziehungskredite vergebenwerden. Daher ist die englische Regierung seit langem in demDilemma befangen, dass sie keine schweizerischen Verhältnissevorfindet und daher Wucherkredite fördern muss, um eineKapitalversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. DiesePhilosophie findet zunehmend auch in Brüssel Freunde.

Um ein tragbares, sämtliche europäischen Traditionen um-fassendes Kreditprinzip zu verankern, müssen daher alle As-pekte in die Überlegungen einbezogen werden: Marktver-sagen, Überschuldung, Produktregulierung bei Absatz undvor allem während der Laufzeit, weil in über 80 % der Fälleunvorhergesehene Ereignisse alles das zunichte machen, wasVerbraucher und Kreditgeber vor Vertragsschluss der Rück-zahlungsprognose zugrunde gelegt hatten. Arbeitslosigkeit,Einkommensverminderung, Unfall, Ehescheidung, Krankheitsind und bleiben die Notlagen auch der modernen Welt. EinPrinzip, das logischerweise eine Bank zwingen müsste, allendenen Kredite zu verweigern, die von diesen Faktoren unddamit einem für die Ratenzahlung unzureichenden Einkom-men bedroht sind, wäre absurd. Das Prinzip der verantwort-lichen Kreditvergabe, wie es dem EU-Entwurf und wohl auchdem schweizerischen Recht zugrunde liegt, ist auf eine Ge-sellschaft der Besserverdienenden zugeschnitten, von der wirin den meisten Ländern Europas weiter den je entfernt sind.

Daher sei hier ein Prinzip des crédit responsable/responsible cre-dit/credito responsabilie, d.h. eines verantwortlichen Kreditesvorgeschlagen, das von dem Gedanken getragen wird, Kredit-geber, Markt, Staat und Verbraucher seien Instrumente indem Bestreben, Konsumkredite produktiv für die Verbraucherund damit für die ganze Gesellschaft wirken zu lassen. Wasder Markt dabei leisten kann, muss nicht angeordnet werden.Was er nicht vermag, muss auf andere Weise gesichert werden

nach dem liberalen, aber gleichzeitig sozial verantwortlichenGrundsatz: So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig.

Nach dem Prinzip des crédit responsable, der Verantwortung imKredit, sind Kredite an Verbraucher so zu gestalten, vorzuberei-ten, zu vergeben und in ihrer Abwicklung zu organisieren, dasssie im Leben der Verbraucher möglichst entsprechend dereneigener Zweckbestimmung wirken, damit die gesteckten Zieleerreicht werden können und keine Überschuldung eintritt.

Das Prinzip wird verwirklicht durch eine Reihe staatlicherMaßnahmen, die die Kreditgestaltung, -vergabe, -aufnahmeund -abwicklung regeln und insbesondere sicherstellen, dass

1. auf den Konsumkreditmärkten Wettbewerb herrscht undgeeignete Produkte angeboten werden (Kartellrecht und Ver-braucherforschung),

2. Produkte und Dienstleistungen verhindert werden, derenWirkung insgesamt für einen wesentlichen Teil der Verbrau-cher, die sie in Anspruch nehmen, die Gefahr der Überschul-dung und Entwertung ihrer Einkommen birgt (Wucherverbotei.w.S.),

3. Verbraucher über die nötige Bildung (Allgemeinbildungauf finanziellem Gebiet), die nötigen Informationen (lautereWerbung, Information vor, bei und nach Vertragsschluss, wäh-rend der Laufzeit), die nötige Beratung (Vertrauenshaftung)sowie die für die Verarbeitung der Informationen nötige Zeit(Widerrufsrecht, offre préalable) verfügen, um ihre eigenen Be-dürfnisse sowie ihre Liquidität in Bezug auf die auf dem Marktangebotenen Kreditprodukte und Dienstleistungen angemes-sen erkennen und evaluieren zu können und daraufhin diefür sie richtige Entscheidung zu treffen.

A U F S Ä T Z E | Re i fner, Verantwortung be i Kred i tvergabe oder im Kredi t?

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päischen Ländern, die dogmatischen Zerwürfnisse auf, welche die Kodifikation in

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Bedingt durch zahlreiche Fragen vertragsrechtlicher, dinglicher und deliktischer Natur,

ist eine Neukodifikation angezeigt, zu deren Umsetzung konkrete Normierungsvor-

schläge unterbreitet werden.

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D. Bedingungen des Haustürwiderrufs

Für das Bestehen des Widerrufrechts muss zunächst eine Haus-türsituation bewiesen sein.

I. Haustürsituation

Während die Richtlinie 85/577/EWG in Art. 1 Abs. 1 nur denVertragsschluss in der Haustürsituation schützt, geht das deut-sche Recht darüber hinaus, in dem es den Widerruf auch dannermöglicht, wenn die Überrumpelungssituation fortwirkt. Ei-ne tatsächliche oder subjektiv empfundene Überraschung istdafür nicht erforderlich und muss auch nicht dargetan wer-den. Das Angebot in der Haustürsituation muss bestimmt,das heißt so konkret sein, dass in Bezug auf deren Inhalt eineÜberrumpelung überhaupt möglich ist. Daran fehlt es, wennder Verbraucher nach allgemeinen Gesprächen in der Woh-nung über Themen wie Altersvorsorge oder Immobilienerwerbmit einer konkreten Finanzierungsofferte für ein bestimmtesObjektangebot erstmals außerhalb der Überrumpelungssitua-tion konfrontiert wird. Wie bei jeder anderen Offerte auch,liegt dann keine Überrumpelung i.S.d. HWiG vor. Zu unter-scheiden ist daher zwischen der allgemeinen Anpreisung einesfremden Angebots und einer überrumpelnden Bestimmungunter Nennung des Geschäfts und seiner Konditionen. EineÜberrumpelung liegt demnach auch erst dann vor, wenn derKunde auf ein konkretes Geschäft im Bereich der Privatwoh-nung oder am Arbeitsplatz angegangen wird, auch wenn hier-zu nicht bereits alle Details oder Vertragsformulare vorliegenmüssen.

1. Zurechnung

Dass die Zurechung der Praktiken des Immobiliarvertriebs zuder Kredit gebenden Bank entsprechend § 123 Abs. 2 BGB zurweiteren Bedingung für die Ausübung des Widerrufsrechtsgemacht werden kann,1 hat der EuGH in der RechtssacheCrailsheimer Volksbank verneint. Bislang genügte nach derRechtsprechung bereits das einfache Bestreiten der Gegenseite,ein Kennen oder Kennenmüssen liege nicht vor, um demÜberrumpelten mangels Beweismöglichkeiten von vorne-herein die Möglichkeit des Widerrufs zu nehmen.2 Die Haus-türgeschäfterichtlinie gibt hierzu klare und eindeutige Vorga-ben. Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie gilt diese für Verträge, diezwischen einem Gewerbetreibenden, (…) und einem Verbrau-cher geschlossen werden. Gewerbetreibender ist nach Art. 2eine natürliche oder juristische Person, (…) „sowie eine Person,die im Namen und für Rechnung eines Gewerbetreibenden handelt“,oder in der englischen Fassung „anyone action in the name oron behalf of a trailer“.3 Nach dem Wortlaut der Richtlinie erfolgtsomit eine Zurechnung zum Handeln des Anbieters ohne

Rücksicht darauf, ob er das Handeln des Dritten kannte oderkennen musste.4

Dies gilt auch dann, wenn der Verbraucher in der Haustür-situation lediglich zum Abschluss eines Treuhandvertragesüberrumpelt worden ist und aufgrund dessen ein Treuhänderspäter für ihn einen entsprechenden Kreditvertrag schließt.Die hierzu vertretene Auffassung, bei der Prüfung der Voraus-setzungen eines Haustürgeschäfts sei allein auf die Situationdes Treuhänders abzustellen,5 überzeugt nur, wenn der Ver-treter in keiner Weise mit dem Kreditgeber zusammenarbeitetoder einen gemeinsamen Plan verfolgt. Ansonsten stellt dieAbschlussweise eine unzulässige Umgehung nach Art. 1 derRichtlinie 85/577/EWG wie auch nach § 1 HWiG dar.

a) Wortlaut

Nach § 1 Abs. 1 HWiG besteht die Möglichkeit zum Widerrufimmer dann, wenn der Verbraucher in einer nach der in Nr.1-3 näher definierten Haustürsituation zu einer auf den Ver-tragsabschluss gerichteten Willenserklärung „bestimmt wor-den ist“. Es geht somit um den Verbraucher, der gerade nichtdurch den Gewerbetreibenden oder einen bestimmten Drit-ten, sondern überhaupt in einer seinen Willen typischerweisebeeinträchtigenden Situation zur Abgabe einer Willenserklä-rung gebracht worden ist. Die „Bestimmung“ bezieht sich so-mit allein auf die besondere Lage des Verbrauchers bei Abga-be der Erklärung, ist mithin situativ, nicht aber am Kennenoder Kennenmüssen orientiert und nimmt auf den Vertrags-partner nicht einmal Bezug. Sie wird durch gegebenenfallsmehrere Hausbesuche nicht etwa schwächer, sondern eher ver-stärkt, wobei es darauf ankommt, zu welchem Zeitpunkt derVerbraucher zu dem tatsächlichen Vertrag bestimmt wordenist, nicht aber auf mehr oder weniger unverbindliche Vorge-spräche.6 § 1 HWiG lässt der Formulierung nach nicht einmalansatzweise die Benennung zusätzlicher Kriterien erkennen.Nach der grammatikalischen Interpretation ist daher für dieAufstellung von zusätzlichen tatbestandlichen Voraussetzun-gen, die einen Widerruf erst ermöglichen sollen, nichts er-sichtlich.

VuR 4/2006 | 127

* Fortsetzung des Aufsatzes aus VuR 2006, 90.1 So bereits Derleder, in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen u.

europäischen Bankrecht, 2004, § 9 Rn. 51; Knops, VuR 2004, 397 (400 f.).2 Exemplarisch OLG Köln WM 2005, 557 (559). Siehe aber bereits BGH NJW 2004,

844 (846) (XI. Senat) und nunmehr deutlich BGH, Urt. v. 14.3.2005 – II ZR 405/02,Umdruck S. 5 m.w.N. (II. Senat).

3 Beide Voraussetzungen sind daher alternativ, nicht kumulativ zu verstehen.4 Nicht entscheidend ist, ob dem Verbraucher oder dem Gewerbetreibenden über-

haupt bewusst war, dass der Vertrag an einem solchen Ort angebahnt oder abge-schlossen worden ist.

5 BGHZ 144, 223; BGH NJW 2003, 2319; BGH NJW 2000, 2270; BGH ZIP 2000, 1158;BGH NJW-RR 1991, 1074.

6 So wohl auch Staudinger-Thüsing, 13. Bearb. 2005, § 312 Rn. 70; Fischer/Ma-chunsky, HWiG, 2. Aufl., 1995, § 1 Rn. 55.

Knops, Die Umsetzung der EuGH-Urte i le Cra i l she imer Volksbank und Schul te | A U F S Ä T Z E

Die Umsetzung der EuGH-Urteile Crailsheimer Volksbankund Schulte für die Abwicklung an der Haustür vermit-telter Finanzierungen von Anlagen in Immobilien undImmobilienfonds – Teil 2* – von Dr. Kai-Oliver Knops, Köln und Ulrich Kulke, Würzburg

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7 BT-Drs. 10/2878, S. 11.8 So auch OLG Stuttgart OLGR 2005, 109 (112).9 Staudinger-Werner, a.a.O., § 1 HWiG Rn. 31.

10 BT-Drs. 10/2878, S. 11.11 Soergel-Wolf, a.a.O., § 1 HWiG Rn. 12.12 Knops, VuR 2004, 397 (400).13 Derleder, ZfIR 2003, 177 (186).14 BT-Drs. 10/2876, S. 7.15 BGH VuR 2006, 98. Eine gespaltene Auslegung für Kreditverträge, die nicht an der

Haustür abgeschlossen, sondern lediglich angebahnt wurden (so bspw. Freitag, WM2006, 61 (68)) kommt damit nicht in Betracht.

16 So ausdrücklich BGH VuR 2006, 98 (99).17 EuGH VuR 2005, 423 (424 f.).

b) Entstehungsgeschichte

Auch eine an der Gesetzeshistorie orientierte Auslegung kanndas gegenteilige Ergebnis nicht generieren. Richtig ist, dasssich nach Ansicht des Gesetzgebers die Formulierung „be-stimmt worden ist“ an § 123 Abs. 1 BGB anlehnt, auf dessenAuslegung in Literatur und Rechtsprechung zurückgegriffenwerden könne.7 Mit diesem Hinweis nicht verbunden ist aberein Verweis auf die Anwendung des § 123 Abs. 2 BGB8 odergar die Aufforderung, auf Rechtsgrundsätze zurückzugreifen,die zu einer Einschränkung des Widerrufsrechts überhauptführen. Offensichtlich sollte der Verweis gerade das Gegenteilbewirken, nämlich dass die Person des Bestimmenden nichtauf den anderen Vertragspartner persönlich beschränkt, son-dern es gleichgültig ist, wer für den Geschäftsgegner des Kun-den die Verhandlungen führt.9 Eine andere Intention ist auchden sonstigen Materialien zum HWiG nicht zu entnehmen.Vielmehr wird in der Gesetzesbegründung drei Zeilen späterausdrücklich davon gesprochen, dass die andere Vertragspar-tei auch durch einen Vermittler oder selbstständigen Han-delsvertreter vertreten gewesen sein kann,10 wofür bekannt-lich die Kriterien des § 123 BGB nicht einschlägig sind. DerVerweis auf die Gesetzesmaterialien stützt daher die Auffas-sung des BGH ebenfalls nicht.

c) Systematik

Zudem ist diese weitgehende, allein auf einen unklaren Hin-weis in der Gesetzeshistorie gestützte Interpretation nur einevon mehreren und im Prinzip gleichrangigen möglichen Aus-legungsmethoden. Nach § 2 Abs. 1 HWiG ist der Vertrags-partner selbst und auch nicht etwa ein ihm zurechenbarerDritter zur Belehrung über den Widerruf verpflichtet. Vor al-lem aber wird der Anwendungsbereich des Gesetzes in Bezugauf die andere Vertragspartei des Kunden nur dann nicht er-öffnet, wenn diese nach § 6 Nr. 1 HWiG nicht geschäftsmäßighandelt. Wie in § 123 Abs. 1 BGB reicht die Feststellung aus,dass der Kunde seine Willenserklärung ohne die Umstände derNr. 1 bis 3 des § 1 Abs. 1 HWiG – so wie geschehen – nicht ab-gegeben hätte.11 Auch die angeführte Hilfsbegründung, dieeine Parallele zur arglistigen Täuschung zieht, kann nicht über-zeugen. § 123 BGB knüpft an die verwerfliche Handlung desSchädigers und Dritten an, der Schutz des HWiG aber alleinsituativ an den Ort der Vertragsanbahnung.12 Wer in einerHaustürsituation bedrängt wird, kann sich dem weniger ent-ziehen als ein Bankkunde, der von sich aus Kontakt mit einerBank aufnimmt, wie gegenüber einer Täuschung, da er denWahrheitsgehalt von Informationen vor und nach dem Ver-tragsschluss überprüfen kann.13 Zudem ist das HWiG ge-schaffen worden, gerade weil das Anfechtungsrecht nachAnsicht des Gesetzgebers für die Mehrzahl der Haustürge-schäfte keinen geeigneten Schutz bietet.14

d) Ratio

Auch die Intention des HWiG, den Verbraucher allein wegender besonderen Situation zu schützen und ihm ein Wider-rufsrecht einzuräumen, steht der Ansicht des BGH und derihm folgenden Literatur entgegen. Der Verbraucher wird ander Haustür überrumpelt, unterzeichnet einen vorgefertigtenVertragsantrag, der vom Kreditgeber angenommen wird, undsoll dann noch – wegen der unterlassenen Belehrung vielfacherst nach über einem Jahrzehnt – darlegen und beweisen,dass derjenige, der ihn überrumpelt hat, seinem Vertragsgeg-ner nach den Kriterien des § 123 BGB zuzurechnen ist. Das ist

ihm oftmals aufgrund des dazwischen liegenden Zeitraums,zumeist aber allein deshalb unmöglich, weil in der Haustür-situation in aller Regel gerade kein Dritter zugegen war, derdie Vorstellung des Vermittlers als Zeuge mitverfolgt hat.

e) Änderung der Rechtsprechung

Das Urteil des EuGH Crailsheimer Volksbank macht eine Ände-rung der nationalen deutschen Rechtsprechung notwendig, sodass der Kreditnehmer zur wirksamen Ausübung seines Wider-rufsrechts nicht mehr beweisen muss, als dass der Kontrakt ineiner Haustürsituation angebahnt worden ist. In Absprachemit dem XI. Zivilsenat hat der II. Senat des Bundesgerichts-hofes seine bislang entgegenstehende Auffassung hierzu be-reits aufgegeben.15

2. Schranken der Zurechnung

Dies heißt aber nicht, dass dem Kreditinstitut nunmehr sämt-liche Handlungen Dritter zuzurechnen sind. Ein Darlehens-vertrag wird nicht dadurch zum widerruflichen Haustürge-schäft, dass der Ehemann durch seine Frau oder einen Freundzu Hause überrumpelt wird und später in der Bankfiliale ei-nen entsprechenden Vertrag unterzeichnet. Das Drängen einesFamilienmitglieds kann der Kreditnehmer der Bank nicht ent-gegenhalten. Es kommt zwar nicht darauf an, ob der Kredit-geber Kenntnis davon haben kann, dass eine vorhergehendeÜberrumpelung stattgefunden hat.16 Der Dritte darf aber nichtder Privatsphäre des Überrumpelten, sondern muss dem Kre-ditinstitut zuzurechnen sein. Dies liegt nach der Richtlinie je-denfalls vor, wenn der Dritte im Namen oder für Rechnung desKreditgebers gehandelt hat.17 Eine Zurechnung erfolgt un-problematisch, wenn der Dritte Vertragsvordrucke vorlegt,die den Kreditgeber konkret benennen. Die Bank hat es in derHand, die Verwendung ihrer Vertragsformulare zu steuern undzu kontrollieren. Verwendet der Vermittler oder anderweitigTätige ein neutrales Vertragsformular und leitet dies dem In-stitut als Antrag zu, ist es dem Empfänger durchaus zuzumutennachzufragen, unter welchen Umständen die Unterzeichnungdurch den Antragenden zustande gekommen ist, insbesonde-re auch wenn sich der Ort der Unterzeichnung vom Sitz derBankfiliale unterscheidet. Zwar werden Vermittler in der Re-gel im eigenen Interesse, aber nur gegen Provision oder einanderes Entgelt tätig. Der Dritte wird für die Bank tätig, wenndiese ihn für seine Dienste entlohnt. Bei der Vermittlung vonhaustürvermittelten Immobilien ist es allerdings nicht seltenvorgekommen, dass auch die Provision über den Darlehens-betrag finanziert und damit vom Verbraucher bezahlt wurde.Ein Auftrag zur Kreditverschaffung wie bei Kreditmaklern wardamit aber nicht verbunden. Vielmehr handelte der Vermitt-ler zur Absatzförderung der Immobilie nebst Finanzierung unddamit letztlich im Interesse des Verkäufers und der Bank. Er-folgt die entgeltliche Beauftragung hingegen durch den Kre-ditnehmer aus eigenem Antrieb, kann er sich nicht auf eine

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Überrumpelungssituation bei der Anbahnung berufen.18

Unter den Voraussetzungen der HWiG und der Haustürge-schäfterichtlinie ist dem Kreditgeber eine Anbahnung in derHaustürsituation durch Dritte oft zuzurechen, nicht aber aus-nahms- und voraussetzungslos.

3. Kein Ausschluss durch Beurkundung des Kaufvertrages

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG besteht kein Widerrufsrecht, wenndie Willenserklärung von einem Notar beurkundet wordenist. Nach Ansicht des OLG Jena19 bezieht sich das Entfallendes Überraschungsmomentes zwangsläufig auch auf die späterabgegebene Willenserklärung. In dem entschiedenen Fall wur-den der Kaufvertrag und der Kreditvertrag in der Haustürsi-tuation angebahnt. Daraufhin wurde der Kaufvertrag wie er-forderlich notariell beurkundet. Deswegen sei, meinte das OLGauch hinsichtlich des später nicht vor dem Notar unterzeich-neten Darlehensvertrags das Überraschungsmoment entfallen.In seinem die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisendenBeschluss bezog der Bankrechtssenat hierzu mit einem einzi-gen Satz wie folgt Stellung:20 Die tatrichterliche Feststellung,das Überraschungsmoment einer Haustürsituation sei für denAbschluss des Darlehensvertrages nicht (mit)ursächlich ge-worden, lasse einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Dies blendet jedoch aus, dass § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG selbst derRichtlinie 85/577/EWG nicht entspricht. Die Norm harmoniertnicht mit der Richtlinie, die eine Einschränkung des Wider-rufsrechts bei notarieller Belehrung nicht kennt, sondern nurin Art. 3 Abs. 2 lit. a Immobiliengeschäfte ausklammert. Diemangelnde Koordination mit dem Gemeinschaftsrecht wirdnicht ernsthaft bestritten,21 weswegen es verwegen ist, dieVerneinung des Widerrufsrechts allein auf diese Norm zu stüt-zen. § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG ist vielmehr richtlinienkonformdahin auszulegen, dass nur die tatsächlich beurkundete Wil-lenserklärung, hier das Kaufgeschäft, betroffen ist, da nur hier-über der Notar umfassend aufzuklären und zu warnen ver-mag.22 Ohnehin bezieht sich § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG nur auf „dieWillenserklärung“. Das war der Kaufvertrag, nicht der Darle-hensvertrag. Schließlich gilt doch gerade nach der Richtlinieund dem VerbrKrG die Trennungstheorie, wonach der Kauf-vertrag und der Darlehensvertrag separate Geschäfte sind. DieBelehrung über die Bedeutung des einen Vertrages lässt daherden ganz anderen Vertrag unberührt. Zutreffend sind daher dasKG23 und das OLG Bremen24 dieser Interpretation – auch mitweiteren Gründen – nicht gefolgt.25 Auch der II. Senat hat indem kürzlich ergangenen Urteil vom 12.12.2005 den in derRevision geltend gemachten Einwand, der Darlehensvertrag seinach einer notariellen Beurkundung des Anlagegeschäfts er-folgt, nicht aufgegriffen und die Haustürsituation bejaht.26

II. Beweislast

Das Vorliegen einer Haustürsituation muss durch den Kun-den bewiesen werden.27 Die Haustürsituation muss demnachkausal für den Vertragsschluss sein, wozu Mitursächlichkeitgenügt.28 Gerade über den zeitlichen Zusammenhang ent-brennt nicht selten der Streit zwischen den Parteien, wennder Vertrag nicht in der Überrumpelungssituation selbst, son-dern später abgeschlossen wurde. Hier streitet zunächst dieVermutung der Fortwirkung für den Kunden. Sie entfällt auchnicht nach einer genau festgelegten Dauer, sondern ist vomEinzelfall abhängig.29 Ein enger zeitlicher Zusammenhang istnicht erforderlich.30 Regelmäßig werden 1 bis 2 Wochen alsunproblematisch angesehen.31 Innerhalb dieser Zeitspanne ist

es regelmäßig unschädlich, ob der Vertrag letztlich in demGeschäftslokal der Bank oder des Vermittlers unterzeichnetwird, und zwar auch dann, wenn der Kunde dort unaufgefor-dert erscheint.32 Dies gilt ebenfalls, wenn der Vermittler denKunden zur Unterschriftleistung in die Bankfiliale begleitet.33

Ein Haustürgeschäft liegt auch dann vor, wenn der erste Be-such des Vertreters zwar bereits mehrere Wochen zurücklag,die Überraschungssituation und die Beeinträchtigung derEntschließungsfreiheit aber dadurch fortwirken, dass der Ver-treter Finanzunterlagen zur Prüfung erhalten und auf derenGrundlage vereinbarungsgemäß ein Anlagekonzept erarbeitethat.34 Der Zeitraum kann mehrere Monate betragen,35 derKausalzusammenhang soll aber nach neun Monaten in derRegel, aber widerleglich ausgeschlossen sein.36 Wenn der Ver-braucher bereits zur Unterschrift unter ein auch formloses,aber Rechtsverbindlichkeit suggerierendes Schriftstück ver-anlasst wurde, kann die Kausalität nach sechs Monaten weiter-hin anzunehmen sein.37 Ebenso deutet grundsätzlich diePassivität des Verbrauchers eher auf das Nachwirken der Über-rumpelung, während aktives Einholen von Informationenauf die Erlangung der notwendigen rechtsgeschäftlichen Ent-scheidungsfreiheit schließen lässt.38 Die Beweislast für das Vor-liegen der Kausalität liegt nach dem Entfall der Vermutungs-wirkung beim Kunden.39 Ist der Darlehensvertrag nachzwischenzeitlicher Vertragsanbahnung wieder in der Haus-türsituation unterschrieben worden, besteht überhaupt keinZweifel an der Widerruflichkeit. Für das Vorliegen der Aus-schlussgründe nach § 1 Abs. 2 HWiG ist hingegen die Bankbeweispflichtig. Sie trifft hier zudem nach herrschender Auf-fassung eine erhöhte Darlegungslast, muss also substanziell diekonkreten Umstände (zeitlich wie örtlich) einer vorhergehen-den Bestellung durch den Verbraucher40 o.ä. vortragen.41 So

VuR 4/2006 | 129

18 Wird hingegen eine Kreditanfrage durch den Verbraucher mit Brief und Unter-schrift selbstständig gestellt, kommt in aller Regel nicht sogleich ein Vertrag zu-stande, auch wenn der Kreditgeber mit den dort angegeben Konditionen einver-standen ist. Vielmehr müssen die Verträge den Pflichtangaben des § 492 BGBgenügen.

19 OLG Jena OLGR-Ost 2005, 238.20 BGH MittBayNot 2005, 300.21 MüKo-Ulmer, BGB, § 1 HTWG Rn. 49.22 Staudinger-Thüsing, a.a.O., § 312 Rn. 70 m.w.N. auch zur Gegenansicht. 23 KG WM 2005, 596 (603). Vgl. die w.N. bei Wolters/Fuchs, ZfIR 2005, 806 (808

Fn. 23).24 OLG Bremen VuR 2006, 147 (148 f.).25 So auch Wolters/Fuchs, ZfIR 2005, 806 (808 f.).26 BGH VuR 2006, 98 (99); ebenso BGH WM 2005, 124 m. OLG Stuttgart ZIP 2002,

1885 (1887) als Vorinstanz; OLG Stuttgart WM 2005, 972 (976).27 BGHZ 113, 222; BGH WM 2004, 521 (522); zu § 312 BGB n.F. MüKo-Ulmer, 4. Aufl.,

2003, § 312 Rn. 89.28 BGH NJW 1996, 926.29 BGHZ 131, 385 (392); BGH NJW 2003, 2529 (2530); BGH NJW 2003, 1390.30 BGH VuR 2006, 98 (99); BGH NJW 2003, 2088 (2089).31 Palandt-Grüneberg, § 312 Rn. 13 m.w.N. Das Spektrum reicht von acht Wochen (LG

Berlin GE 2004, 1457), vier bis sechs Wochen (OLG Stuttgart WM 2005, 972(977)), über zwei Monate zu lang (OLG Dresden OLG-NL 2004, 76), einer Woche(OLG Celle, Urt. v. 18.9.2002 – 3 U 261/01) bis zu drei oder vier Tagen (OLGFrankfurt ZIP 2004, 260).

32 BGH NJW-RR 2005, 180.33 Staudinger-Thüsing, a.a.O., § 312 Rn. 70 unter Hinweis auf OLG Karlsruhe, Urt. v.

1.4.2004 – 19 U 162/02.34 OLG Frankfurt OLGR-West 2005, 568.35 BGH NJW 1996, 926.36 OLG Frankfurt NJW-RR 2004, 60.37 BGHZ 123, 380.38 Vgl. Wolters/Fuchs, ZfIR 2005, 806 (808).39 OLG Zweibrücken NJW-RR 1999, 809.40 Dies betrifft etwa eine vorherige Bestellung des Vermittlers durch den Verbrau-

cher (BGH NJW 1989, 584), wobei es nicht ausreichend ist, wenn es durch Ange-hörige, Freunde oder Bekannte zu einem Besuch gekommen ist. Anders kann diesnur bei Ehegatten nach § 1357 BGB sein (BGH NJW 1991, 923). Eine provozierteBestellung schließt das Widerrufsrecht hingegen nicht aus (dazu Palandt-Grüne-berg, § 312 Rn. 28 m.w.N.).

41 OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 506; OLG Köln VuR 1990, 56 (58); OLG StuttgartNJW-RR 1990, 1135 (1136); Staudinger-Thüsing, a.a.O., § 312 Rn. 176.

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42 Palandt-Sprau, a.a.O., § 675 Rn. 31.43 Palandt-Sprau, a.a.O., § 675 Rn. 42.44 Vgl. BGH NJW 2005, 983.45 BGH NJW 2004, 154 (156); BGHZ 107, 92 (101); Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 280

Rn. 58.46 BGH NJW 2004, 154 (156).47 BGH NJW 1999, 2032; BGH NJW 1996, 663. Zu den Fallgruppen Palandt-Heinrichs,

a.a.O., § 280 Rn. 60 ff.48 Besonders wirklichkeitsfremd ist dies unter dem Aspekt, dass die Banken teilweise

selber die Vertriebsmitarbeiter schulten und mit den entsprechenden Darlehens-vertragsformularen ausstatteten, vgl. dazu Teil 1, VuR 2006, 90 (91).

49 BGH NJW 2005, 1576.50 Siehe Teil 1, VuR 2006, 90 (92). Vgl. auch Derleder, BKR 2005, 441 (442).51 Vgl. BGH NJW 2005, 820 (821).52 Palandt-Sprau, a.a.O., § 675 Rn. 29.53 BGH NJW 2005, 820 (821).

muss sie auch beweisen, dass ihr ein Handeln eines Dritten,etwa eines Familienangehörigen des Kreditnehmers, bei derVertragsanbahnung nicht zuzurechnen ist. Auch hier streitetder Beweis des ersten Anscheins beim objektiven Vorliegeneiner Haustürsituation zugunsten des Kunden.

E. Rückabwicklung

Hinsichtlich der Wirkungen und Umsetzungsmöglichkeitender Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes, ist nachdem finanzierten Gegenstand (Immobilie oder Immobilien-fondsbeteiligung) zu unterscheiden. Vorweg ist zu prüfen, obeine Haftung der Beteiligten aus Beratungsverschulden odernach den Grundsätzen der Prospekthaftung eingreift.

I. Beratungsvertrag und Prospekthaftung

Sowohl bei Vorliegen eines Beratungsvertrages als auch beider Prospekthaftung ergeben sich die Ansprüche des Verbrau-chers aus § 280 BGB i.V.m. §§ 249 ff. BGB. Unterschiede erge-ben sich aber hinsichtlich der Berücksichtigung der Pflichtzur Belehrung über das Widerrufsrecht.

1. Haftung wegen Pflichtverletzung aus Beratungsvertrag

Wird eine Pflicht aus einem Beratungsvertrag gegenüber demErwerber einer Immobilie oder einer Immobilienfondsbeteili-gung verletzt, indem eine geschuldete Beratung unterlassenoder unsachgemäß durchgeführt wird, haftet der Vertrags-partner des Verbrauchers diesem auf Schadensersatz. Im Rah-men der fremdfinanzierten atypischen Erwerbermodelle tretendem Verbraucher rechtlich zwar eine Vielzahl von verschie-denen Personen gegenüber, in Erscheinung tritt jedoch regel-mäßig nur ein Vermittler, Vertriebsbeauftragter oder Ver-handlungsgehilfe der Vertragspartner, nämlich derjenige, derden Verbraucher wirbt. Daher ist sorgfältig zu unterscheiden,wer Partei des Beratungsvertrages wird und welche Pflichtenhieraus resultieren.

a) Parteien und Wirkungsweise des Beratungsvertrages

Der Beratungsvertrag kommt mit dem unmittelbaren Emp-fänger des Rates oder der Auskunft zustande,42 also mit demVerbraucher. Als dessen Vertragspartner kommen Vermittler,Berater, Verkäufer und Bank in Betracht. Mit dem Verkäuferkommt in der Regel ein Auskunftsvertrag zustande, mit demBerater ein Beratungsvertrag.43 Der Verkäufer wird Partei desBeratungsvertrages, wenn er von einem Vermittler, Verhand-lungsgehilfen oder Vertriebsbeauftragten im Rahmen der häu-fig eingeschalteten Anlagevermittlungsgesellschaften wirksamvertreten worden ist.44 Gleiches gilt für die Bank, soweit sievon einer der entsprechend genannten Personen wirksamvertreten wird. Problematisch ist dies bei den Banken im Rah-men der fremdfinanzierten atypischen Erwerbermodelle des-halb, weil die Bank in der Regel eben gerade nur das Darlehengewährt, nicht aber auch das Objekt selbst veräußert und da-her nach der Rechtsprechung hinsichtlich der Immobilie ge-nauso wenig Auskunft und Beratung schulden soll45 wie auchhinsichtlich der Risiken der Kreditverwendung.46 DieseGrundsätze gelten allerdings dann nicht, wenn die Bank ihreRolle als reine Kreditgeberin überschreitet.47 Das Zustande-kommen eines Beratungsvertrages zwischen der Bank und demVerbraucher wird auch dadurch erschwert, dass nach derRechtsprechung die Bank in der Regel gar nicht wisse, dassein Vertriebsbeauftragter für sie handelt.48 Demnach sollen der

Verkäufer sowie dessen Vermittler und sonstige Verhand-lungspersonen, soweit diese Angaben zu dem Objekt und derRentabilität der Anlage machten, keine Erfüllungsgehilfender Banken sein.49 Diese Rechtsprechung ist aufgrund derEntscheidungen des EuGH allerdings zu modifizieren. Zumeinen erscheint es danach auch im nationalen Recht dogma-tisch gut vertretbar, die Bank gerade aufgrund der von ihrausgenutzten Haustürsituation Vertragspartner des Bera-tungsvertrages werden zu lassen, da nach der Entscheidung desEuGH bereits das objektive Bestehen der Haustürsituationgegen die Bank wirkt. Zum anderen schuldet die Bank die Be-lehrung des Verbrauchers über sein ihm zustehendes Wider-rufsrecht. Bedient sie sich im Vorfeld des Darlehensvertrags-schlusses des Veräußerers, seiner Mitarbeiter oder sonstigerVerhandlungsgehilfen, um den Darlehensvertrag zum Ab-schluss zu bringen, so hat sie dementsprechend dafür Sorgezu tragen, dass diese die Widerrufsbelehrung entsprechenddem Haustürwiderrufsrecht durchführen. Soweit dies nichterfolgt und der Verbraucher nicht belehrt wird, haftet die Bankfür die schuldhafte Nichtvornahme der Belehrung durch dieentsprechenden Personen gemäß § 278 BGB. Darüber hinaushat die Bank nach der Entscheidung des Gerichtshofes füralle Beratungsleistungen im Zusammenhang mit dem Dar-lehensvertrag einzustehen. Entscheidend ist stets eine Ge-samtwürdigung der Einzelfallumstände, wobei für die Immo-bilienerwerbermodelle der auch konkludente Abschluss einesBeratungsvertrages schon deshalb nahe liegt, weil es sich beiden betroffenen Verbrauchern gerade nicht um die klassischenKapitalanleger handelt, sondern nicht selten um untere Ein-kommensschichten.50 Der Schutz des Überrumpelten darfdaher keinesfalls hinter die anerkannten Grundsätze zumSchutz von Kapitalanlegern zurückfallen. Daher drängt essich geradezu auf, dass den Verbrauchern unabhängig von denjeweiligen Konditionen des zu finanzierenden Vertrages Ratund Auskunft erteilt werden soll.51 Damit liegt es zugleichnahe, dass gerade auch in Bezug auf die mit der Verwendungdes Darlehens einhergehenden Risiken die Bank Partei desBeratungsvertrages wird.

b) Pflichten aus einem Beratungsvertrag

Der Beratungsvertrag ist auf Beratung und Auskunftserteilungals Hauptleistung gerichtet.52 Voraussetzung für das Zustande-kommen eines Beratungsvertrages ist es, dass die Parteien nichtnur über die Bedingungen des angestrebten Geschäftes ver-handeln, sondern dem Verbraucher unabhängig hiervon einRat erteilt werden soll.53 Inhaltlich verpflichtet der Beratungs-vertrag den Schuldner der Beratungsleistung zu richtiger undvollständiger Information über die tatsächlichen Umstände,die für die Willensentscheidung des Interessenten von we-

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sentlicher Bedeutung sind oder sein können54 und den Ratgewissenhaft zu erteilen.55 Bei dem Erwerb einer Immobilie zuAnlagezwecken sind dies zunächst die Aufwendungen, die derInteressent erbringen muss, um das Objekt mit seinen Mittelnerwerben und halten zu können.56 Davon sind auch solcheBeratungsleistungen zur Rentabilität der Anlage erfasst, da siein unmittelbarem Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeitdes Darlehensnehmers stehen. Auch nach der bisherigenRechtsprechung haftet der Darlehensgeber dem Darlehens-nehmer auf Schadensersatz und Freistellung, wenn sich her-ausstellt, dass er wusste, wissen konnte oder auch nur damitrechnete, dass das Gesamtprojekt scheitert,57 dass wesentlichefür das finanzierte Vorhaben bedeutsamen Umstände, insbe-sondere Wert bildende Faktoren durch Manipulation ver-schleiert wurden,58 oder der Kreditnehmer von den Geschäfts-partnern arglistig getäuscht wurde.59 Ein solcher Fall ist auchgegeben, wenn die Bank das eigene wirtschaftliche Wagnis aufden Kunden verlagert und diesen bewusst mit einem Risikobelastet, das über die mit dem zu finanzierenden Vorhaben nor-malerweise verbundenen Gefahren hinausgeht.60

Ist der Verkäufer die andere Partei des Beratungsvertrages,muss er dabei insbesondere die mit einer von ihm vorge-schlagenen Finanzierung des Kaufes verbundenen finanziellenAuswirkungen, einschließlich in eine Aufwandsberechnungeingestellte Steuervorteile, zutreffend darstellen61 und im Zeit-punkt der Beratung bereits abzusehende ungünstige Verände-rungen der Mieteinnahmen oder Unterhaltungskosten beider Berechnung der Finanzierungslasten berücksichtigen.62

Wird als Kaufanreiz die wirtschaftliche Rentabilität herausge-stellt, muss der Verkäufer auch über die hierfür bedeutsamenUmstände richtig informieren. Er verletzt seine Beratungs-pflichten, wenn er ein in tatsächlicher Hinsicht unzutreffen-des, zu positives Bild der Ertragserwartung der Immobilie oderihres Wertsteigerungspotentials gibt und den Interessenten da-durch zum Vertragsentschluss veranlasst.63 Unrichtige bzw.unterlassene Angaben zu den spezifischen, aus den indivi-duellen Gegebenheiten der jeweiligen Immobilie oder Immo-bilienfondsbeteiligung folgenden Risiken, die die in Aussichtgestellte Rentabilität des Erwerbs erheblich zu mindern odergar auszuschließen vermögen, wirken ebenso haftungsbe-gründend.64 So gehören zu den offenbarungspflichtigen Tat-sachen neben den kapitalmäßigen und personellen Verflech-tungen zwischen den Projektbeteiligten65 auch der Umstand,dass als Voraussetzung der Rentabilität der „Anlage“ die Mietemehr als 100 % über der ortsüblichen Miete liegen muss,66

sowie die Tatsache, dass Innenprovisionen von mehr als 15 %zu zahlen sind.67 Steht bereits zum Zeitpunkt des Vertrags-schlusses des Erwerbsgeschäftes fest, dass angesichts des Ver-kehrswertes der Immobilie ein gewinnbringender Verkaufnach Ablauf von fünf Jahren auch bei günstiger Entwicklungdes Immobilienmarktes gänzlich unwahrscheinlich ist, so istvon einer schuldhaften Verletzung des Beratungsvertrages aus-zugehen.68

Soweit man nicht bereits die Bank als zur Aufklärung undBeratung hinsichtlich aller dieser Risiken gegenüber dem Ver-braucher verpflichtet ansieht, da sie sich im Vorfeld des Dar-lehensvertragsabschlusses anderer Personen bedient und da-mit für diese einzustehen hat, sind allerdings alle diese ausder Nichtvornahme der Aufklärung und Beratung resultieren-den Risiken auf die Bank zu verlagern. Denn sie und alle ihr zu-rechenbaren Personen haben den Verbraucher nicht über seinWiderrufsrecht belehrt, sich aber im Rahmen des arbeitstei-ligen Vorgehens mit dem Vertrieb die Haustürsituation zu-

nutze gemacht und es damit erst ermöglicht, dass sich dieseRisiken bei dem Verbraucher realisiert haben. Alle hier aufge-zeigten Pflichten aus dem Beratungsvertrag treffen damit dieBank unmittelbar. Damit handelt es sich nicht um eine Mo-difikation der Haftung der Kredit gewährenden Bank aus cul-pa in contrahendo. Vielmehr haftet die Bank dem Verbraucherwegen schuldhafter Pflichtverletzung des Beratungsvertrages,in dessen Rahmen sie hinsichtlich des angestrebten Darle-hensvertragsabschlusses auch eine Belehrung des Verbrauchersüber sein Widerrufsrecht schuldete. Nach der bindenden Vor-gabe des EuGH,69 hat die Bank die Risiken zu tragen, die sichnur dadurch beim Verbraucher verwirklichen konnten, dasser von der Bank nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurdeund daher nicht widerrufen konnte.70 Daher ist die Entschei-dung des Gerichtshofes dergestalt in das nationale Recht um-zusetzen, dass die Bank immer dann, wenn sie den Verbrau-cher nicht schon über sein Widerrufsrecht belehrt, ihn überdie aus der Verwendung des Kredites und damit aus der Kapi-talanlage resultierenden Risiken und Gefahren aufklären undberaten muss. Das schuldhafte Unterlassen der – im Rahmendes in einer von der Bank ausgenutzten Haustürsituation an-gebahnten Darlehensvertragsabschlusses erforderlichen –Widerrufsbelehrung begründet zugleich die Verpflichtungder Bank, den Verbraucher im Rahmen eines Beratungsvertra-ges über alle mit der Verwendung des Darlehens im Zusam-menhang mit der „Kapitalanlage“ stehenden Risiken aufzu-klären und zu beraten. Erfolgt eine solche Aufklärung undBeratung nicht, verletzt die Bank ihre Pflichten aus dem Bera-tungsvertrag. Ein Haftungsausschluss, der sich auf außerhalbdes Erwerbsvertrages gegebene Zusagen und Erklärungen desVertragspartners oder seiner Verhandlungsgehilfen und Ver-mittler bezieht, kann die Haftung wegen Verletzung der ausdem Beratungsvertrag resultierenden Pflichten nicht aus-schließen und ist unwirksam.71

c) Rechtsfolgen bei Verstoß

Gemäß § 249 Abs. 1 BGB kann der Verbraucher verlangen, sogestellt zu werden, wie er stünde, wenn das schädigende Er-eignis niemals eingetreten wäre. Der Verbraucher kann dahervon der Bank Freistellung von den aus dem Darlehensvertragresultierenden Zahlungspflichten verlangen72, zugleich ver-bunden mit Rückzahlung aller von ihm erbrachten Zins- undTilgungsleistungen. Eingetretene Steuervorteile, denen keine

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54 BGH NJW 2005, 983; BGHZ 123, 126 (129).55 Palandt-Sprau, a.a.O., § 675 Rn. 33.56 BGH NJW 2005, 983; BGHZ 156, 371 (377).57 BGH NJW 1999, 2032; BGH NJW-RR 1988, 960; BGH WM 1987, 1546.58 BGH NJW 1999, 2032; BGH WM 1992, 216 (218).59 BGH NJW 1999, 2032; BGH WM 1989, 1368 (1370).60 BGH NJW 1992, 2146; BGH NJW 1999, 2032 (2033); Vortmann, Aufklärungs- und

Beratungspflichten der Banken, 7. Aufl., 2002, Rn. 96 m.w.Bsp.61 BGH NJW 2005, 983; NJW 2003, 1811; NJW 1991, 2556.62 BGHZ 156, 371 (378).63 BGH NJW 2005, 983.64 BGH NJW 2005, 983; NJW-RR 1988, 348.65 BGHZ 100, 117 (123).66 BGH NJW 2004, 1868.67 BGH ZfIR 2005, 722; BGH NJW 2004, 1732; a.A. noch der XI. Senat in BGH NJW

2005, 664 (665). Diese Auffassung wird nach den Entscheidungen des EuGHnicht mehr aufrecht zu erhalten sein, wenn die Bank ihrer Verpflichtung zur Wider-rufsbelehrung nicht nachkommt.

68 BGH NJW 2005, 983 (985).69 Vgl. Staudinger, NJW 2005, 3521 (3522); Palandt-Grüneberg, Nachtrag zur 65. Aufl.,

Stand: 15.1.2006, § 355, 4.a.70 EuGH VuR 2005, 419 (422).71 BGH NJW 2005, 983 (985); NJW 2000, 2503.72 In diesem Sinne wohl auch Fischer, DB 2005, 2507 (2511); Hoffmann, ZIP 2005,

1985 (1992); Staudinger, NJW 2005, 3521 (5324).

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73 Palandt-Grüneberg, Nachtrag zur 65. Aufl., § 355, 4.e. Nach OLG Bremen, VuR 2006,147 (153) gilt dies nur soweit bereits bestehende Steuererstattungsansprüche auchnicht von vorneherein an die Bank abgetreten worden sind.

74 BGHZ 93, 264 (266).75 BGH NJW 1992, 2149.76 BGH WM 2003, 1066.77 BGHZ 111, 314.78 Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 280 Rn. 54.79 BGH NJW 2005, 820 (821); BGHZ 123, 106 (110).80 BGH NJW 2004, 2228; BGHZ 123, 106.81 BGH NJW 2005, 820 (821); BGH NJW 1993, 2865.82 Vgl. dazu BGH NJW 2005, 820 (821).83 Vgl. die Nachweise bei Palandt-Grüneberg, Nachtrag zur 65. Aufl., § 355 Anm. 4.84 OLG Bremen VuR 2006, 147 (149 ff.) (in diesem Heft).85 Zur c.i.c-Lösung ebenfalls sehr kritisch bereits Palandt-Heinrichs, Nachtrag zur 65.

Aufl., § 280 Rn. 59 ff. und nunmehr Rösler/Lang, WM 2006, 513 (516 ff.).

Nachforderung gegenübersteht, muss er sich allerdings im We-ge der Vorteilsanrechnung schadensmindernd entgegenhaltenlassen.73 Da er den Darlehensvertrag nicht abgeschlossen hät-te, wenn er über die Risiken hinsichtlich der Verwendung desDarlehens aufgeklärt worden wäre, oder aber, wenn er beiDarlehensvertragsabschluss den Darlehensvertrag abgeschlos-sen, dann aber bei ordnungsgemäßer Belehrung widerrufenhätte, wäre es auch nicht zum Abfluss der Valuta in das un-rentable Erwerbsgeschäftes gekommen.

2. Prospekthaftung

Liegen den atypischen fremdfinanzierten Immobilienerwer-bermodellen Prospekte zugrunde, kommen Ansprüche des„Kapitalanlegers“ (besser des Verbrauchers) gegen die Gründer,Initiatoren und Gestalter der Gesellschaft in Betracht. Aucheine Haftung der Kredit gewährenden Bank ist naheliegend,wenn diese sich als Mitinitiator aktiv an der Prospektgestal-tung oder der Werbung beteiligt74 oder wenn sie sich als Re-ferenz benennen lässt.75 Nach dem XI. Senat dagegen soll esnicht genügen, wenn die Bank sich als Darlehensgeber undHausbank des Initiators bezeichnet und die Führung des Treu-handkontos übernommen hat.76

a) Voraussetzungen

Der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung liegt der Gedan-ke zugrunde, dass der Prospekt in Bezug auf die Kapitalanlagedie einzige Informationsquelle des „Anlegers“ darstellt.77 An-knüpfungspunkt für die Haftung ist das typisierte Vertrauen,dass aufgrund des Prospektes beim Verbraucher entsteht.78 DerAnleger, der eine Entscheidung hinsichtlich einer Kapitalan-lage trifft, darf darauf vertrauen, dass der ihm vorgelegte Pro-spekt die Kapitalanlage zutreffend beschreibt und alle ent-sprechenden, wesentlichen Informationen wiedergibt. Es giltder Grundsatz der Wahrheitsgemäßheit und Vollständigkeitdes Prospekts.79 Der Prospekt muss daher über alle Umstän-de, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung sind, rich-tig und vollständig informieren.80 Die Informationspflichtenentsprechen hinsichtlich der Umstände denjenigen, die be-reits im Rahmen des Beratungsvertrages dargestellt wordensind. Informiert der Prospekt nicht, nicht vollständig oder abersachlich unzutreffend, so ist der Prospekt fehlerhaft und esliegt ein Prospektmangel vor, der einen Schadensersatzan-spruch rechtfertigt. Erforderlich ist aber für die Haftung deran dem Prospekt Beteiligten auch, dass der Erwerb tatsächlichauch auf dem Prospekt und seinen Fehlern beruht.81 DieseKausalität der Informationspflichtverletzung muss der Anlegerbeweisen.82

b) Rechtsfolgen nach den Entscheidungen des EuGH

Liegen die Voraussetzungen der Prospekthaftung vor, so stelltsich im Rahmen der atypisch fremdfinanzierten Immobilien-erwerbermodelle die Frage, inwieweit eine Haftung der kre-ditgewährenden Bank dadurch in Betracht zu ziehen ist, dasswiederum die Bank nicht für eine entsprechende Belehrungdes Verbrauchers Sorge zu tragen und dafür einzustehen hat,wenn diese Belehrung nicht erfolgt. In Betracht käme hier eineentsprechende Modifikation im Sinne einer Sorgfaltspflichtder Bank gegenüber den Anlegern, die beispielsweise daraufvertrauen, dass die Immobilie oder die Immobilienfondsbe-teiligung bankgeprüft ist. So erscheint auch im Rahmen derbereits genannten Beispiele, wo die Bank sich als Darlehens-geber und Hausbank des Initiators bezeichnet, eine Modifika-

tion der Rechtsprechung als durchaus gut vertretbar. Denndie Bank profitiert in dem gleichen Maße wie der Vertriebund wiederum macht sie sich die Haustürsituation zunutze.Wird in einem Prospekt daher Bezug auf eine Bank genom-men, so rechtfertigt dieser Umstand, dass die Bank für Pro-spektmängel einzustehen hat. Handelt es sich bei dieser Bankdann auch noch um diejenige, die den Erwerb der Immobilieoder der Immobilienfondsbeteiligung über einen an der Haus-türe vermittelten Darlehensvertrag finanziert, so erscheintnach dem oben bereits ausführlich dargestellten Risikohaf-tungsprinzip eine Haftung der Bank, auch aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung, nicht nur möglich, sondern imSinne einer effizienten Umsetzung der Entscheidung des Ge-richtshofes angezeigt.

II. Bauträgerfinanzierungen

Die bisherige Anwendung des HWiG in ihrer Auslegung vorallem durch den damit befassten Bankrechtsenat beim BGH,wonach der Kreditnehmer im Falle des Widerrufs das Darlehensofort und unter marktüblicher Verzinsung zurückzahlenmuss, ist bei unterlassener Widerrufsbelehrung nach denEuGH-Entscheidungen vom 25.10.2005 offensichtlich nichtmit der Richtlinie 85/577/EWG vereinbar, so dass im natio-nalen Recht andere Lösungen zu finden sind.

1. Haftung aus c.i.c.

Die Mainstream-Lösung in der Literatur besteht darin, wegender unterlassenen Widerrufsbelehrung eine Haftung der Bankaus culpa in contrahendo anzunehmen.83 An dem Urteil desOLG Bremen vom 2.3.2006,84 das dieser Lösung folgt, lassensich deren Schwächen aufzeigen.85

a) Rechtspflicht zur Belehrung

Die Qualifizierung der Widerrufsbelehrung als echte Rechts-pflicht und nicht lediglich als Obliegenheit dürfte im natio-nalen Recht die wenigsten Schwierigkeiten bereiten. Die Richt-linie 85/577/EWG gibt in Art. 4 unmissverständlich vor: „DerGewerbetreibende hat den Verbraucher über sein Widerrufs-recht zu belehren.“ Damit ist ein Ausweichen nicht möglich.Die Richtlinie ordnet die Belehrungspflicht als eine rechtli-che Verpflichtung an. Bloße Obliegenheiten kennt das euro-päische Recht nicht. Mithin liegt bei nicht erfolgter Beleh-rung nach Art. 4 der Richtlinie 85/577/EWG und § 2 Abs. 1HWiG eine Pflichtverletzung vor.

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b) Verschulden

Problematisch ist auch nicht etwa ein Verschulden der Bankhinsichtlich der Pflicht zur Belehrung.86 Die Warnungen Reif-ners 199187 und die Empfehlungen von Peters ab 199388 warenan Deutlichkeit nicht zu überbieten. Es war daher grob fahr-lässig auf eine Belehrung nach dem HWiG überhaupt zu ver-zichten oder auch nur eine solche nach dem VerbrKrG zu er-teilen. Dies gilt umso mehr, als der BGH erst Ende 1998 – alsoerst Jahre nach dem Abschluss der streitigen Kontrakte –zwischenzeitlich einen Vorrang einer Belehrung nach demVerbrKrG anstatt nach dem HWiG angenommen hatte unddiese Frage schon rund ein Jahr später dem EuGH vorgelegthat, um nach dessen Entscheidung seine Auffassung zu revi-dieren.89 Das Verschulden der Bank hinsichtlich der Nicht-vornahme der Belehrung lässt sich dogmatisch damit begrün-den, dass entweder der Bank a priori der Entlastungsbeweisnach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB versagt wird90 oder aber dass be-reits die bloße Pflichtverletzung zugleich das Verschulden im-pliziert,91 was einer Garantiehaftung entsprechen würde,92 dieihrerseits den Vorgaben des Gerichtshofes Rechung trägt.Immerhin spricht der EuGH die Frage eines Vertretenmüssensüberhaupt nicht an, sondern stellt schlicht und einfach fest,dass die Banken bei den atypischen fremdfinanzierten Immo-bilienerwerbermodellen die Risiken zu tragen verpflichtetsind, die sich nur dadurch ergeben konnten, dass die Bankdie Belehrung nicht vorgenommen hat. Das Vertrauen in eineeuroparechtswidrige Gesetzeslage oder Rechtsprechung hatder EuGH weder bei Subventionen noch bei einer Diskrimi-nierung geschützt.93

c) Kausalität

Auch über die aufgeworfenen Kausalitätsfragen kann manmit überzeugender Begründung hinwegkommen. Dies gilt ins-besondere für die Unterstellung, dass der Darlehensnehmer beiBelehrung auch tatsächlich widerrufen hätte.94 Steht – wiebei einem Beratungsvertrag – eine Verletzung der hieraus re-sultierenden Pflicht fest, ist die Ursächlichkeit der Pflichtver-letzung für den Abschluss des Erwerbsgeschäftes zu vermu-ten,95 da insoweit die Grundsätze des aufklärungsrichtigenVerhaltens eingreifen.96 Der Aufklärungs- und Beratungs-mangel begründet die widerlegbare Vermutung, dass der Ver-braucher bei ordnungsgemäßer Belehrung von dem Geschäftabgesehen hätte und damit der Schaden bei ihm nicht ein-getreten wäre.97 Die Entscheidungen des EuGH müssteninsoweit eine Modifikation dieser bisherigen Grundsätze her-beiführen, da der Gerichtshof davon ausgeht, dass ein Ver-braucher, der über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist,den der Finanzierung des Erwerbsgeschäftes dienenden Dar-lehensvertrag nicht abgeschlossen hätte (genauer wohl: abge-schlossen und innerhalb der Widerrufsfrist aber widerrufenhätte). Dies wiederum bedeutet, dass der Gerichtshof damit beider erfolgten Belehrung zwingend davon ausgeht, dass dasKapital nicht in eine unrentable Anlage geflossen wäre, dader Verbraucher die Finanzierung widerrufen hätte. Nach denGrundsätzen aufklärungsrichtigen Verhaltens98 besteht hier-zu eine – allerdings im Einzelfall widerlegliche – Vermutungund faktische Beweislastumkehr.99 Es ist somit Sache des Auf-klärungspflichtigen nachzuweisen, dass der Vertrag auch beiordnungsgemäßer Aufklärung geschlossen worden wäre, zu-mindest ist die dahingehende Vermutung zu erschüttern.100

d) Rechtsfolgen und Anwendbarkeit

Die eklatante Schwäche der culpa-Lösung offenbart sich hin-gegen bei den Rechtsfolgen und der Anwendbarkeit. Die Bankim Wege der Naturalrestitution weg vom Rückzahlungs- undZinsanspruch auf die Immobilie zu verweisen, wie dies durchdas OLG Bremen101 und auch mehrfach im Schrifttum ange-nommen wird,102 führt über die „Hintertür“ das verbundeneGeschäft wieder ein – eine Art Lieblingslösung eines Teils derGerichte und des Schrifttums für gestörte Dreiecksverhältnissewohl auch im Hinblick auf die genannte simple Abwick-lungsfolge. Aufgrund der Trennungstheorie, die auch in derRichtlinie klar und deutlich zum Ausdruck kommt, ist eine sol-che Lösung (auch nach den Vorgaben des EuGH) de lege latafür die Altfälle nicht möglich. Die Schaffung des § 358 Abs. 3S. 3 BGB nach der Heininger-Entscheidung für Neufälle hat diesaugenscheinlich gezeigt.

Die Lösung über ein Verschulden bei Vertragsschluss scheitertvor allem an unbedingten Vorrang des HWiG. Systematischist es nicht möglich, die Bedingungen des Widerrufs nachdieser gesetzlichen Grundlage zu beurteilen, hingegen dieRechtsfolgen einem ganz anderen Institut zu entnehmen.Zwingende Rechtsgründe sind hierfür weder dargetan nochersichtlich.103 Vielmehr sind die §§ 3, 4 HWiG maßgebend104

und müssen als gedachter Umsetzungsakt der Richtlinie85/577/EWG europarechtskonform ausgelegt werden.

2. § 3 HWiG

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 HWiG ist im Falle des Widerrufs jeder Teilverpflichtet, dem anderen Teil die empfangenen Leistungenzurückzugewähren. Bei Nichtbelehrung ergeben sich nach § 3Abs. 2 HWiG besondere Haftungsmaßstäbe. Daher ist einezweistufige Prüfung erforderlich. Vorweg ist festzustellen, obund was die Parteien des Darlehensvertrages erhalten haben.In einem zweiten Schritt ist dann unter den Vorgaben desEuGH zu prüfen, wie das Risiko der Verwendung der empfan-genen Darlehensvaluta verteilt werden muss.

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86 Siehe bereits Teil 1, VuR 2006, 90 (94 f.) zum systematisch zu unterscheidendenVertrauensschutz.

87 Reifner, VuR 1991, 91.88 Peters, WuB I E 2 b. – 6.93; ders., DZWiR 1994, 353 (357); ders., in Lwowski/

Peters/Gößmann, VerbrKrG, 2. Aufl., S. 173 ff.; ders., in Schimansky/Bunte/Lwows-ki, Bankrechts-Handbuch, 1997, § 81 Rn. 105.

89 Siehe die Nachweise in Teil 1, VuR 2006, 90 (94 f.).90 Schwintowski, EuZW 2005, 724 (726); Staudinger, NJW 2005, 3521 (3525).91 So wohl Lechner, NZM 2005, 921 (926).92 Für eine reine Garantiehaftung wohl Hoffmann, ZIP 2005, 1985 (1991); Reich/Rörig,

VuR 2005, 452 (453).93 Vgl. nur EuGH DÖV1998, 287 ff.94 Ebenso Derleder, BKR 2005, 442 (449); Habersack, JZ 2006, 91 (93); Hoffmann, ZIP

2005, 1985 (1992); Staudinger, NJW 2005, 3521 (3523); a.A. Thume/Edelmann, BKR2005, 477 (483); Lechner, NZM 2005, 921 (926).

95 BGH NJW 2005, 983 (985); NJW 2001, 2021.96 BGH ZIP 2005, 263; BGHZ 124, 151 (159).97 BGH NJW-RR 1998, 1271.98 BGH ZIP 1988, 1306; BGH NJW 1996, 2503 m.w.N.; OLG Hamburg NZG 2000,

536 (538); MüKo-Emmerich, a.a.O., vor § 275 Rn. 188, 195.99 Dazu BGHZ 124, 151 (159); BGH WM 1997, 811 (813); BGH WM 1996, 1214

(1216); Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 280 Rn. 39.100 BGH NJW 1996, 2503; BGH NJW 1998, 302 m.w.N.; OLG Hamburg NZG 2000, 536

(538); OLG Jena ZIP 2003, 1444.101 OLG Bremen VuR 2006, 147 (152).102 Vgl. die Nachweise bei Palandt-Grüneberg, Nachtrag zur 65. Aufl., § 355 Anm. 4 e.103 Keiner der Autoren, die eine Lösung über die Grundsätze der culpa in contrahendo

bevorzugen, begründet das Übergehen des HWiG auch nur ansatzweise.104 Ebenso Palandt-Putzo, Nachtrag zur 65. Aufl., § 812 Rn. 54; Knops, in Bub/Knie-

per/Metz/Winter, FS Derleder, 2005, S. 383 (388 ff.); ders., in Bülow/Artz, HandbuchVerbraucherprivatrecht, 2005, 374 (386 ff.); ders., WM 2006, 70. Der Lösung nachdem HWiG und den §§ 812 ff. BGB folgen Derleder, BKR 2005, 441 u. nunmehrauch im Wesentlichen Tonner/Tonner, WM 2006, 505 (510 ff.).

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105 BGH BBKM 2006, 28. Ebenso wohl BGH WM 2005, 828.106 Zuletzt BGH, Urt. v. 17.1.2006 – XI ZR 179/04, Umdruck S. 10.107 Ausf. Knops, BKR 2005, 59; zustimmend Derleder, BKR 2005, 442 (448); ebenso

Palandt-Putzo, Nachtrag zur 65. Aufl., § 812 Rn. 54 für den Fall des Doppel-mangels.

108 Erst diese gibt einer Güterbewegung die Zweckrichtung und macht sie somit zur„Leistung“ (Lorenz, JuS 2003, 729 (729)). Nach allerdings umstrittener Ansichtvon Canaris, § 70 IV 5 b) kommt es zur Direktkondiktion nur bei Unwirksamkeitvon Anweisung und Tilgungsbestimmung. Zum Streitstand BGH NJW 1986,2700; Staudinger-Lorenz, § 812 Rn. 60; ders., AcP 168 (1968), 308 f.; MüKo-Lieb,§ 812 Rn. 79; Bamberger/Roth-Wendehorst, § 812 Rn. 178 u. 160; Jauernig-Stadler,§ 812 Rn. 75.

109 Selbst dann wäre wohl ausschließlich die Direktkondiktion eröffnet, vgl. BGH NJW2000, 1718.

110 So Staudinger-Lorenz, § 812 Rn. 53. Im Ergebnis ebenso Kümpel, WM 2001, 2273(2277) und wohl auch BGH WM 2001, 954 (956).

111 Staudinger-Lorenz, § 812 Rn. 53.112 Knops, BKR 2005, 59. Vgl. BGHZ 147, 145 (151); BGH NJW 2003, 582; Palandt-

Sprau, a.a.O., § 812 Rn. 51.113 BGH NJW 2004, 1315.114 Der Darlehensnehmer ist somit durch die Leistung der Bank an den Verkäufer

auch nicht von einer bestehenden Verbindlichkeit befreit worden. Entgegen derfrüher vorherrschender Meinung (vgl. nur RG Recht 1922 Nr. 1555) besteht nun-mehr die Direktkondiktion auch bei im Valutaverhältnis existierender Forderung(BGHZ 111, 382; Staudinger-Lorenz, a.a.O., § 812 Rn. 51; MüKo-Lieb, a.a.O., § 812Rn. 74; Erman-Westermann, a.a.O., § 812 Rn. 21 m.w.N.).

1. Vorfrage: Rückgabe des Empfangenen

Fraglich ist zunächst, ob der Verbraucher im Falle des Wider-rufs des Haustürgeschäfts an den Kreditgeber die Darlehens-valuta zurückzahlen muss, wenn diese unmittelbar an diesonstigen Beteiligten (Vermittler, Verkäufer, Mietgaranten, No-tar, Gericht) ausbezahlt worden ist. Bei einer Leistung an Drittekommt es darauf an, wer diese veranlasst hat. Hat der Dar-lehensnehmer der Bank eine konkrete Weisung erteilt, giltdie Leistung als von ihm empfangen. So lag es in vielen Fäl-len aber nicht.

a) Fehlende Anweisung

Gelegentlich lag den Auszahlungen der Darlehensvaluta durchdie Bank an Dritte gar keine Anweisung zugrunde. Dann hatsie auf eigenes Risiko gehandelt; der Verbraucher hat keinenKredit erhalten und muss diesen auch nicht zurückzahlen.

b) Treuhänderanweisung

Häufig wurden die Zahlungsanweisungen durch den Treuhän-der gegeben. Dann entspricht es der neueren Rechtsprechungdes Bankrechtssenates im Urteil vom 15.11.2005,105 diese wiefolgt zu behandeln: Sofern die der Geschäftsbesorgerin erteilteVollmacht der Bank gegenüber als gültig zu behandeln ist, hatder Verbraucher die Darlehenssumme erhalten, da die Dar-lehensvaluta in diesem Fall auf seine Weisung ausgezahlt wor-den ist. Das ist nur der Fall, wenn die Bank beweisen kann,dass ihr bei Abschluss des Kreditvertrages entweder das Origi-nal oder eine Ausfertigung der die Geschäftsbesorgerin als Ver-treter des Verbrauchers ausweisende Vollmacht vorgelegenhat.106 Eine spätere Vorlage etwa vor der Auszahlung reichtnicht aus, weil es dann an einem über die §§ 171, 172 BGB er-folgten wirksamen Vertragsschluss fehlt. War die Abschluss-vollmacht hingegen unwirksam, scheidet ein Anspruch derBank gegen den Verbraucher aus ungerechtfertiger Bereiche-rung von vorneherein aus. Die Bank kann nur den Zuwen-dungsempfänger auf Rückerstattung der Darlehensvaluta inAnspruch nehmen.

c) Anweisung im Darlehensvertrag

Teilweise sind in den Darlehensverträgen Klauseln vorhanden,die bereits die Weiterleitung der Valuta an Dritte regeln. Aller-dings zeitigen diese Klauseln keine Wirkung. Im – mangelsBelehrung lange Zeit – schwebend unwirksamen und durchAusübung des Widerrufs endgültig unwirksamen Darlehens-vertrag hatte jedwede Anweisungsklausel keine rechtlich rele-vante Existenz. Eine allein daraufhin an den Immobilienver-käufer ausgezahlte Darlehensvaluta kann die Bank daher nurvon dem Zuwendungsempfänger zurückfordern, nicht abervom Verbraucher.107 Dies gilt selbstverständlich auch für jed-wede Zahlung an Vermittler und die sonstigen Beteiligten.

d) Zwischenergebnis

In allen Fällen fehlender oder unwirksamer Anweisungenkann sich die Bank nur an den Empfänger der Zahlungen hal-ten. Bei fehlender Anweisung des Schuldners kann der Bankauch keine nachträgliche Tilgungsbestimmung108 dahin zu-gestanden werden, dass ihre Leistung auf die Verbindlichkeitdes Darlehensnehmers gegenüber dem Verkäufer bezogen undals Leistung eines Dritten gemäß § 267 BGB gewertet wird,die dann wiederum zu einem Regress gegen den Darlehens-nehmer führen könnte. Eine nachträgliche Herbeiführung

einer dem § 267 BGB entsprechenden Lage109 im Wege einerWahlrechtsausübung ist prinzipiell abzulehnen.110 Die Bankkönnte dem Käufer sonst etwaige Gegenrechte gegenüber demVerkäufer abschneiden.111 Die Bank, die als Leistungsmittlerintätig geworden ist, kann nicht nachträglich als selbstständigleistender Dritter auftreten, um damit eigene Interessen ver-folgen zu können.

Mangels Anweisung des Kreditnehmers kann keine Leistungder Bank an diesen durch Auszahlung an einen Dritten, etwaden Bauträger angenommen werden, ist also ein Leistungs-empfang i.S.d. § 3 Abs. 1 HWiG zu verneinen. Dem Kredit-institut steht dadurch gegenüber dem Empfänger ein Berei-cherungsanspruch aus Nichtleistungskondiktion gem. § 812Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB zu.112 Mangels Setzung eines Rechts-scheins durch den überrumpelten Verbraucher kommt es aufdie Kenntnis des Empfängers von diesem Mangel nicht an.113

Zudem konnte dieser auf die Unwiderruflichkeit der Zuwen-dung durch die Bank bei einem Strukturvertrieb nicht ver-trauen, in dem er regelmäßig sowohl hinsichtlich des Objektswie der Finanzierung eingebunden war. Aufgrund dessen istauch eine Erfüllung der Kaufvertragsverbindlichkeit zum Im-mobilienerwerber vor Ablauf der Widerrufsfrist zu verneinen,so dass dem Verkäufer im Falle mangelnder Belehrung dasRücktrittrecht und Schadensersatzansprüche gegen den Käu-fer zustehen.114

2. Risikoverteilung bei unterlassener Belehrung

Wenn hingegen der Verbraucher die Valuta des Darlehens zurfreien Verwendung erhalten, selbstständig darüber verfügthat oder sich das Handeln des Treuhänders uneingeschränktentgegenhalten lassen muss, ist er grundsätzlich zur Rückgabe,hier der Rückzahlung verpflichtet. In diesem Fall gehört zu densich aus der Richtlinie ergebenden Erfordernissen, dass dernicht belehrte Verbraucher, die mit der Kapitalanlage verbun-denen Risiken nicht zu tragen hat, die durch eine Belehrunghätten vermieden werden können. Die Verteilung des Risikosin Bezug auf das Empfangene hat der deutsche Gesetzgeberim HWiG bereits berücksichtigt.

a) § 3 Abs. 1 S. 3 HWiG

Die Regelung des § 3 HWiG und die dortige Lastenverteilungwurde dem EuGH durch die Vorverfahren, besonders durch die

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Verbraucherseite nahe gebracht. Nach § 3 Abs. 1 S. 3 HWiGist der Kunde nur dann zum Wertersatz verpflichtet, wenn erdie Verschlechterung, den Untergang oder die anderweitigeUnmöglichkeit zu vertreten hat. Zwar passen die Begriffe Ver-schlechterung und Unmöglichkeit nicht unmittelbar auf Geld-schulden. Allerdings sollte nach dem Willen des Gesetzgebersmit der Formulierung der „anderweitigen Unmöglichkeit“der Herausgabe eine lückenlose Regelung erreicht werden.115

Im Falle der Verpflichtung zum Ersatz des Wertes wie auchbei Darlehen ist diese Regelung durchaus anwendbar, wovonauch der Gesetzgeber nach den Materialien zum HWiG aus-gegangen ist. Die zu verteilenden Risiken sind im Falle derNichtbelehrung nochmals weiter zu Gunsten des Kunden in§ 3 Abs. 2 HWiG verschoben, in dem dieser nur für Sorgfalt ineigenen Angelegenheiten einstehen muss. Die gesetzlicheVerteilung der Wagnisse wird also in § 3 HWiG schon zu Las-ten des Gewerbetreibenden im Fall des Widerrufs und be-sonders bei Unterlassen der Belehrung auf diesen verlagert.Inhaltlich ist die Norm daher geradezu prädestiniert, die Vor-gaben des EuGH umzusetzen.

Im Falle der Nichtbelehrung sind die Risiken der Kapitalanla-ge auf die Bank zu verlagern. Dabei geht es vornehmlich umden tatsächlichen Wert der Immobilie im Verhältnis zum Kauf-preis, die versprochenen, aber ausgefallenen Mieteinnahmen,und eine ggf. ausnahmsweise konkret in Aussicht gestellteWertsteigerung der Immobilie – abzüglich rechtskräftig er-langter Steuervorteile.116 Diese Positionen sind von der Dar-lehensvaluta abzuziehen bzw. wie eine erfolgte Tilgung ein-zustellen. Insoweit ist eine Herausgabe der Valuta, weil in dasAnlageobjekt geflossen, „anderweitig unmöglich“ bzw. „unter-gegangen“. Gemäß dem Haftungsmaßstab des § 277 BGB kanndem Kreditnehmer hinsichtlich des Abflusses der Valuta in dasunrentable Objekt kein Verschulden angelastet werden. Viel-mehr trägt der Belehrungspflichtige dieses Risiko nach § 3Abs. 2 HWiG, und zwar ohne dass es auf etwaiges Verschul-den ankäme.

Keinen Unterschied macht es dabei, ob zunächst der Darle-hensvertrag und dann der Kaufvertrag oder umgekehrt ge-schlossen wurde, weil die Entscheidung des EuGH hinsichtlichbeider Konstellationen einheitlich gefallen ist.117 Auch wennzuerst der Kaufvertrag geschlossen worden, und der Kredit-nehmer ordnungsgemäß belehrt worden wäre, hätte er im-mer die Möglichkeit gehabt, den Abfluss der Darlehensvalutain dieses Geschäft mit dem Widerruf zu verhindern. Anders alsdas OLG Bremen meint, kommt es nicht auf eine hypothetischeKausalität zwischen der Unterlassung der Belehrung einer-seits und dem Widerruf und dem Abstandnehmen vom fi-nanzierten Geschäft andererseits an,118 sondern nur auf denWiderruf des Darlehensvertrages selbst. Ob der Kaufvertragnichtig war oder nicht, spielt zudem keine Rolle.

b) Berechnungsbeispiel

Ein widerrufenes Darlehen ist daher in den meisten Fällen sehreinfach abzurechnen, wenn der Wert des Objekts bei Erwerbdurch Sachverständigengutachten ermittelt ist.

Darlehenssumme 60.000 €Minderwert der Immobilie bei Kauf - 20.000 €ausgefallene Mietgarantien - 8.000 €rechtskräftig festg. Steuervorteile + 2.700 €Rückzahlungsbetrag 34.700 €

Den Restbetrag hat der Verbraucher an die Bank bei Widerrufzurückzuzahlen, allerdings ohne Verzinsung, weil eine solchebei Geldschulden im widerrufenen Haustürgeschäft ausdrück-lich vom Gesetzgeber ausgeschlossen wurde.119

3. Beweislast

Nach wirksamer Ausübung des Widerrufsrechts kann der Kun-de von dem Kreditgeber die Rückzahlung der auf den unwirk-samen Vertrag erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen ver-langen. Im Gegenzug hat der Kreditgeber einen Anspruchgegen den Kunden auf Rückzahlung der Valuta. Zuvor mussder Darlehensgeber allerdings darlegen und beweisen, dass erdie Valuta als Darlehen ausgezahlt hat120 und diese dem Dar-lehensnehmer zur freien Verwendung zugeflossen ist. Bestrei-tet der Kreditnehmer den Empfang, kann der Kreditgeber nichtallein darauf verweisen, dass der Schuldner den Empfang alsDarlehen in notarieller Urkunde bestätigt, sich der Zwangs-vollstreckung unterworfen und dem Notar gestattet hat, einevollstreckbare Ausfertigung der Urkunde ohne den Nachweisder Fälligkeit des Darlehens zu erteilen, weil dadurch die Be-weislast als Frage des materiellen Rechts nicht berührt wird.121

Ist das Darlehen an einen Dritten ausbezahlt worden, ist dieBank vielmehr dafür beweispflichtig, dass die Valutierungmittels einer wirksamen Anweisung oder eines Auftrages desKreditnehmers erfolgt ist.122 Die in Allgemeinen Darlehens-bedingungen einer Bausparkasse enthaltene Klausel, dass dieZahlungen an einen Treuhänder für Rechnung und Gefahrdes Darlehensnehmers erfolgen und dessen Rückzahlungs-pflicht begründen, ist nach § 307 BGB bzw. § 9 AGBG a.F. un-wirksam.123

III. Kreditfinanzierte Beteiligung in Immobilienfonds

Fraglich ist, inwieweit die Rechtsprechung zu der Rückab-wicklung der fremd finanzierten Immobilienfondsbeteiligungim Rahmen der Entscheidungen des EuGH einer Modifika-tion bedarf, da die Rechtsprechung des II. Zivilsenates dengesetzlich vorgesehenen Verbraucherschutz bereits effizientumgesetzt hat. Bei Widerruf des Darlehensvertrages nach demHaustürwiderrufsrecht besteht die nach den entsprechendenVorschriften (§ 3 Abs. 1 S. 1 HWiG bzw. § 347 Abs. 1, 346BGB) zurück zu gewährende Leistung nicht in der Darlehens-valuta, sondern in dem Gesellschaftsanteil, wenn beide Ge-schäfte verbunden sind.124

1. Verbundenes Geschäft

Liegen die Voraussetzungen eines verbundenen Geschäftesvor, so wirken sich Leistungsstörungen im Erwerbsgeschäftauch auf die Leistungspflichten des Darlehensvertrages aus.

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115 BT-Drs. 19/2876, S. 13.116 Knops, WM 2006, 70 (73).117 Ebenso Derleder, BKR 2005, 442 (445); Hoffmann, ZIP 2005, 1985 (1989); Hofmann,

BKR 2005, 487 (491); Knops, WM 2006, 70 (79); Staudinger, NJW 2005, 3521 (3523);Schwintowski, VuR 2006, 5.

118 OLG Bremen VuR 2006, 147 (150 f.).119 BT-Drs. 10/2876, S. 14; ausf. Knops, WM 2006, 70 (80). 120 BGH WM 1986, 601; BGH WM 1976, 975; HK/BGB-Ebert, 4. Aufl. 2005, § 488

Rn. 2.121 BGHZ 147, 203, m. zust. Anm. Schilken, JR 2002, 192 (194) unter Aufgabe der frü-

heren Rechtsprechung in BGH NJW 1981, 2756 wie auch BGH NJW 1986, 2571.Ebenso Bamberger/Roth-Rohe, a.a.O., § 488 Rn. 20.

122 Ebenso wohl Erman-Saenger, a.a.O., § 488 Rn. 12 unter Hinweis auf OLG KölnWM 1998, 1682.

123 BGH WM 1998, 1869.124 BGH NJW 2006, 497 f.

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125 BGH NJW 2004, 2731; NJW 2004, 2742. Dagegen KG WM 2005, 596 (605).126 BGH NJW 2004, 2742.127 BGH NJW 2003, 2821; dies wird in den nachfolgenden Entscheidungen nicht mehr

weiter problematisiert.128 BGH NJW 2004, 2736.129 Vgl. dazu nur Hoffmann, ZIP 2004, 1066.130 Nittel, NJW 2004, 2712 (2713).131 Nittel, a.a.O. 132 BGH NJW 2004, 2731 (2734); Nittel, a.a.O.133 BGH NJW 2004, 2731 (2734); Nittel, a.a.O.134 BGH NJW 2004, 2731 (2739 f.); Nittel, a.a.O. 135 BGH NJW 2004, 2731 (2734); NJW 2004, 2736.136 BGH NJW 2004, 2731 (2733).137 BGH NJW 2004, 2731 (2734); NJW 2004, 2736.138 BGH NJW 2004, 2736.139 BGH NJW 2004, 2731; NJW 2004, 2736; NJW 2004, 2742.

a) Voraussetzungen verbundener Verträge

Nach der Rechtsprechung des II. Zivilsenates liegt im Rah-men einer kreditfinanzierten Immobilienfondsbeteiligungjedenfalls dann eine wirtschaftliche Einheit der Verträge unddamit ein verbundenes Geschäft vor, wenn sich der Fondsund die Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen125

oder die Bank dem Verkäufer oder der von diesem eingeschal-teten Vertriebsorganisation eigene Formulare zur Verfügungstellt oder die durch die Vertriebsbeauftragten verwendetenFormulare nutzt.126 Bei Immobilienfonds handelt es sich zu-mindest um finanzierte Verträge sonstiger Art, so dass dieGrundsätze über das verbundene Geschäft auch für einen An-teilserwerb im Rahmen eines Gesellschaftsbeitrittes gelten.127

Besondere Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang,dass nach der Auffassung des II. Senats der nach altem Rechtnoch bestehende Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 2VerbrKrG nicht eingreift und damit die Anwendung derGrundsätze über das verbundene Geschäft nicht hindert, dakein grundpfandrechtlich gesichertes Darlehen vorliegt.128

Die aus dem Schutzzweck der Verbraucherkreditrichtlinie ge-wonnene Erkenntnis ließe sich auch einfach dadurch begrün-den, dass der Ausnahmetatbestand restriktiv auszulegen istund für die Fälle des atypischen Immobilienerwerbs geradekeine Geltung beanspruchen kann.129

b) Rechtsfolgen von Leistungsstörungen

Treten Leistungsstörungen im finanzierten Geschäft auf,macht es keinen Sinn, dass der Verbraucher weiterhin ausdem Darlehensvertrag der Bank gegenüber verpflichtet bleibt,aber aufgrund der Leistungsstörungen im Erwerbsgeschäftmit der finanzierten Beteiligung nicht das erhalten hat, waser erwarten konnte und durfte. Hierfür gewährt der Einwen-dungsdurchgriff dem Verbraucher die Möglichkeit, Einwen-dungen aus dem finanzierten Geschäft dem Kreditgeber ent-gegenzuhalten.

(1) Einwendungsdurchgriff und fehlerhafte Gesellschaft

Der Einwendungsdurchgriff gewährt dem Verbraucher eigent-lich nur ein Leistungsverweigerungsrecht und gerade auchgegenüber der Bank keinen unmittelbaren Zahlungsan-spruch.130 Begründet wurde dies mit den Grundsätzen der feh-lerhaften Gesellschaft, da diese einen Mitgesellschafter an derDurchsetzung eines auf Rückgewähr der geleisteten Einlage ge-richteten Schadensersatzanspruches aus culpa in contrahendohinderten.131 Dies würde ansonsten zu Lasten der anderenGesellschafter gehen. Diese Sichtweise hatte der II. Senat auf-gegeben und festgestellt, dass es aufgrund der besonderenSituation bei fremdfinanzierten Immobilienfondsbeteiligun-gen (Beitretende haben gerade nicht mit den anderen Gesell-schaftern, den anderen Beitretenden, sondern nur mit denGründungsgesellschaftern, Initiatoren, Prospektverantwort-lichen und sonstigen Verantwortlichen zu tun) gerechtfertigterscheint, die Gründungsgesellschafter und alle sonstigenVerantwortlichen als Geschäftspartner des Verbrauchers an-zusehen.132 Hieraus resultiert, dass der Verbraucher im Wegedes Einwendungsdurchgriffes alle Schadensersatzansprüchewegen fehlerhafter Beratung, arglistiger Täuschung und Pro-spekthaftung der Bank entgegen halten kann.133 Dabei ist dieNichtigkeit des Darlehensvertrages wegen Verstoß gegen dasRBerG oder Nichteinhaltung verbraucherschutzrechtlicherVorschriften für diesen Einwendungsdurchgriff irrelevant.134

(2) Rückforderungsdurchgriff

Der II. Senat gewährt den Anlegern einer kreditfinanziertenImmobilienfondsbeteiligung im Rahmen einer umfassendenRückabwicklung nicht nur einen Einwendungsdurchgriff, son-dern darüber hinaus im Wege des Rückforderungsdurchgriffseinen Anspruch gegen die Bank auf Schadensersatz.135 Ent-sprechend einer Rückabwicklung, wie sie oben bereits beieinem Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung imZusammenhang mit einem Beratungsvertrag gegen die finan-zierende Bank dargestellt worden ist, hat der Anleger gegen dieBank einen Anspruch auf Rückzahlung aller von ihm im Zu-sammenhang mit der Fondsbeteiligung bereits erbrachtenLeistungen.136 Dabei muss er sich schadensmindernd die er-haltenen Ausschüttungen ebenso anrechnen lassen wie dieerzielten Steuervorteile, denen keine Nachforderungen desFinanzamtes gegenüberstehen.137 Darüber hinaus gewährt derII. Senat dem Anleger einen Schadensersatzanspruch aus cul-pa in contrahendo, wenn sie ihn über ihr bekannte Risiken desFondsprojektes nicht aufklärt, obwohl sie in Bezug auf dieseRisiken einen konkreten Wissensvorsprung gegenüber demAnleger hat und dies auch erkennen kann.138 Im Gegenzughat der Anleger der Bank seine Beteiligung und gegebenen-falls auch seine Schadensersatzansprüche gegen die Grün-dungsgesellschafter und andere Prospektverantwortliche zuübertragen.139

2. Konsequenzen aus den Entscheidungen des EuGH

Die Rechtsprechung des II. Senats gewährt dem Verbraucherbereits weitreichende Möglichkeiten, die aus dem Erwerbsge-schäft resultierenden Risiken und Gefahren, die sich auch ge-rade daraus ergeben, dass der Verbraucher über sein Wider-rufsrecht nicht belehrt worden ist und dementsprechend denDarlehensvertrag nicht widerrufen konnte und es daher aucherst zum finanzierten Erwerbsgeschäft kommen konnte, aufdas Kreditinstitut zu verlagern. Jedoch könnte in gemein-schaftsrechtskonformer Umsetzung der Entscheidungen desGerichtshofes nunmehr auch gefordert werden, dass geradeauch Leistungsstörungen innerhalb des Darlehensvertragesentsprechend wirken, so dass der Einwendungsdurchgriff bi-lateral auszugestalten wäre. Dann würde bereits auch jede Leis-tungsstörung innerhalb des Darlehensvertrages dazu führen,dass die Grundsätze über das verbundene Geschäft und diehierfür entwickelten Rückabwicklungsmodi zugunsten desDarlehensnehmers eingreifen.

IV. Treuhandverträge und RBerG

In vielen Fällen haben die Verbraucher sowohl den Darle-hensvertrag als auch das Erwerbsgeschäft nicht selbst abge-schlossen. Vielmehr haben sie entweder Erwerbsgeschäft und

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Darlehensvertrag durch einen Treuhänder (Geschäftsbesorger)abgeschlossen, der sich in einer Haustürsituation eine umfas-sende Vollmacht im Rahmen eines Treuhandvertrages ertei-len ließ, oder aber wenigstens eines der Rechtsgeschäfte zumAbschluss brachte, während das andere Rechtsgeschäft vomVerbraucher selbst abgeschlossen wurde. Bei entsprechenderUmsetzung führen die Entscheidungen des EuGH auch hier zuinteressengerechten und vor allem angemessenen Ergebnis-sen.

1. Voraussetzungen für einen Verstoß

Der Treuhänder, der im Rahmen der atypischen fremdfinan-zierten Immobilienerwerbermodelle für den Verbraucher dieverschiedenen Rechtsgeschäfte abschließt und damit Ge-schäfte des Verbrauchers besorgt, bedarf nach mittlerweilegefestigter Rechtsprechung hierzu einer Erlaubnis nach Art. 1§ 1 RBerG.140 Denn der Treuhänder besorgt auf solche Artund Weise Geschäfte von erheblichem Umfang und wirt-schaftlicher Bedeutung, nämlich ausschließlich oder haupt-sächlich die rechtliche Abwicklung eines Grundstückserwerbsim Rahmen eines Bauherrenmodells oder die Beteiligung aneinem Immobilienfonds für den Erwerber.141

2. Rechtsfolgen eines Verstoßes

Verfügt er nicht über eine solche Erlaubnis, so sind der Treu-handvertrag und auch die in der Regel hierin enthaltenen Voll-machten gem. § 134 BGB nichtig.142 Der Schutzzweck desRBerG, den Rechtssuchenden vor unerlaubter Rechtsbera-tung zu schützen, erfordert diese Nichtigkeit, und zwar ohneRücksicht darauf, ob die Vollmacht und das Grundgeschäftnach dem erkennbaren Willen der Vertragsschließenden zueinem einheitlichen Rechtsgeschäft gem. § 139 BGB verbun-den sind.143 Der XI. Senat gewährt jedoch in ständiger Recht-sprechung der Bank als Vertragspartner des Verbrauchers dieBerufung auf einen angeblichen Rechtsschein, wenn nämlichbei Abschluss des Darlehensvertrages (oder genauer im Zeit-punkt der Abgabe der Annahmeerklärung) die notarielle Voll-macht zum Abschluss des Darlehensvertrages im Original oderin entsprechender Ausfertigung vorgelegen hat oder aber dieBank nach den Grundsätzen über die Duldungsvollmacht oderdie Anscheinsvollmacht schutzwürdig sind.144 Der II. Senatdagegen hat sich in Übereinstimmung mit der wohl überwie-genden Auffassung im Schrifttum und mit beachtlichen Ar-gumenten gegen die Schutzwürdigkeit der Banken und eineAnwendung von Rechtsscheinsvollmachten bei einem Verstoßgegen das RBerG gewendet.145 Unter Berufung auf die Grund-sätze über das verbundene Geschäft verneint er eine Anwen-dung der Grundsätze aller Rechtsscheinvollmachten bei einerVollmacht, die wegen des Verstoßes gegen das RBerG nichtigist. Des Weiteren erkennt der II. Zivilsenat die Fälle der Voll-machtserteilung in oder aufgrund einer Haustürsituation alsFälle der „aufgedrängten Stellvertretung“ an. Der XI. Senatgelangt dagegen über die Anwendung der Rechtsscheinvoll-machten zu einer wirksamen Vertretung und damit auch zueinem wirksamen Darlehensvertrag. Nach seiner Auffassungnimmt der Darlehensvertrag auch nicht an den Nichtigkeits-folgen teil.146 Auf diese Weise gelangt der XI. Senat zu einerSchlechterstellung desjenigen, der eine kreditfinanzierte Im-mobilie oder eine Immobilienfondsbeteiligung über einenTreuhänder erworben hat, weil er ein Widerrufsrecht entspre-chend dem Rechtsgedanken des § 166 Abs. 1 BGB nur gewährt,wenn der Treuhänder als Vertreter in einer Haustürsituationgehandelt hat.147

3. Konsequenzen aus den Entscheidungen des EuGH

Diese Rechtsprechung vermag nach den Entscheidungen desEuGH nicht aufrechterhalten zu werden. Soweit die Gerichtegehalten sind, die Entscheidungen des Gerichtshofes in dasnationale Recht umzusetzen, um einen effizienten Verbrau-cherschutz zu gewährleisten, indem die Banken die Risikenzu tragen haben, die sich alleine dadurch realisieren konnten,dass die Bank die Darlehensnehmer nicht über das ihnenzustehende Widerrufsrecht belehrte, würde eine Aufrechter-haltung dieser Rechtsprechung zu einem unerträglichen Wer-tungswiderspruch führen. Denn derjenige, der einen Treu-händer in den Erwerb eingeschaltet hat, könnte sich nachdieser Rechtsprechung nicht von dem Darlehensvertrag lösenund damit keine Risikohaftung der Bank für sich in Anspruchnehmen, obwohl der Darlehensvertragsabschluss und der Er-werb in einer Haustürsituation seinen Ausgangspunkt hatte.Im Rahmen einer gemeinschaftsrechtskonformen Lösung be-darf es daher einer Modifikation der Beurteilung der Treu-handfälle, die sich dogmatisch auf zwei verschiedenen Wegenerreichen lassen könnte. Entweder man lässt in richtlinien-konformer Auslegung den Widerruf nach Haustürwiderrufs-recht auch in Bezug auf die Vollmacht zu,148 womit jedochnoch nicht die Hürde der Rechtsscheinsvollmacht überwun-den ist. Daher muss in jedem Fall zugleich die Anwendungder Grundsätze über die Rechtsscheinsvollmacht auf die Im-mobilienerwerbermodelle abgelehnt werden, wie dies bereitsin weiten Teilen des Schrifttums149 vertreten wird. Dogma-tisch erscheint dies gerade unter dem Schutzzweck des RBerGgut vertretbar; möglich ist aber auch hier in Umsetzung derEntscheidungen des Gerichtshofes eine Versagung jeglichenVertrauensschutzes gegenüber den Banken alleine bereits ausdem Grunde, dass sie die Verbraucher nicht über das ihnenzustehende Widerrufsrecht belehrt haben. Oder aber es wirda priori berücksichtigt, dass in den Treuhandfällen eine Vor-verlagerung der Willensentscheidung stattfindet, da nämlichbereits der Verbraucher mit dem Angebot auf Abschluss desTreuhandvertrages, in welchem die Bevollmächtigung ent-halten ist, die Willensentscheidung für ein bestimmtes Rechts-geschäft trifft. Dann erscheint es gerechtfertigt, entsprechenddem Rechtsgedanken des § 166 Abs. 2 S. 1 BGB, diese einemWillensmangel gleichzusetzende Beeinträchtigung der wirt-schaftlichen Selbstbestimmung bei dem Verbraucher, nämlichAbgabe der Willenserklärung in einer Haustürsituation, demVerbraucher einen Widerruf auch des Treuhandvertrages zuermöglichen,150 wobei auch hier die Versagung eines Ver-trauensschutzes gegenüber den Banken zwingend ist.

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140 BGH NJW 2005, 664 f. m.w.N.141 BGH NJW 2005, 664 (665).142 BGH NJW 2005, 664 (665).143 BGH NJW 2005, 664 (665).144 BGH NJW 2005, 664 (665).145 Im einzelnen BGH WM 2004, 1529 (1531 f.).146 BGH NJW 2005, 664 (668).147 BGH NJW 2005, 664 (668).148 Vgl. Hoffmann, ZIP 1999, 1586 f.; Masuch, BB 2003, SB 6, S. 16.149 Vgl. Gutmann, ZBB 2003, 424 (431); Schwintowski, ZfIR 2002, 534 (535); Kulke,

ZfIR 2004, 138 (140).150 Vgl. Kulke, ZBB 2000, 407 (409 ff., 412 ff.).

Knops, Die Umsetzung der EuGH-Urte i le Cra i l she imer Volksbank und Schul te | A U F S Ä T Z E

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F O R S C H U N G | Forschungsansatz zu e inem Europä ischen Soz ia lver t ragscodex (EuSoCo)

Der nachfolgende Projektvorschlag bezieht sich auf ein Vor-haben, dass im Rahmen der italienischen Forschungsförde-rung an der Universität Trento gemeinsam mit dem Institutfür Finanzdienstleistungen mit Wissenschaftlern aus den Uni-versitäten Nantes, Leeds, Rotterdam, Montreal (UQAM) sowieHamburg und Trento in Angriff genommen werden soll. DasProjekt lehnt sich eng an die Social Justice Gruppe im euro-päischen Vertragsrecht an, mit der eine Kooperation verein-bart ist, will jedoch speziell Verbraucher-, Arbeits- und Miet-rechtler für einen Einfluss auf das europäische Vertragsrechtaktivieren. Im Workshop Arbeit und Kredit auf der Konferenzüber verantwortliche-kreditvergabe.net in Brüssel werdeneinige Ansätze zum ersten Mal gemeinsam diskutiert.

Über 1000 Wissenschaftler arbeiten zur Zeit an Projekten zueinem einheitlichen europäischen Vertragsrecht. Im Mittel-punkt stehen Eigentum und Kauf. Strukturell orientiert mansich stark am Prozess der Rechtsvereinheitlichung im Com-mon Law.

Ansätze im sozialen Zivilrecht, die sich an der traditionellenWerthierarchie des kontinentaleuropäischen Rechtes auf derGrundlage sozialer Gerechtigkeit orientieren, sind unterre-präsentiert.

Seit Anfang der 80ziger Jahre findet in Europa eine intensiveDiskussion über eine Privatrechtsvereinheitlichung statt.(Überblick bei Wurmnest, ZeuP 2003, 715 ff.). Nachdem Parla-ment (15.11.2001) und Kommission (COM(2001) 398) sich fürein einheitliches Vertragsgesetzbuch ausgesprochen habenund entsprechende Projekte finanziert werden, haben dieseBemühungen eine unmittelbar politische Relevanz erhalten.Dabei gibt es unter den 11 Gruppen mit fast 1000 Juristinnenund Juristen neben den Bemühungen zu einzelnen Rechtsge-bieten (Deliktsrecht, Versicherungsrecht, Familienrecht) vorallem um vier große Strömungen, die jeweils nach den dort do-minierenden Personen oder den Universitätsorten ihrer Initi-atoren bezeichnet werden. Der amerikanischen Form eineZivilgesetzgebung durch eine Prinzipien-Zusammenstellung(„Restatement of Law“) entsprechen die Ansätze der „Lando“-Kommission („Principles of European Contract Law“), die diev.Bahr-Kommission in das Projekt eines europäischen Zivil-gesetzbuches („Study Group on a European Civil Code“) ein-bringt. Die Trento-Kommission (Common Core of EuropeanContract Law) von Ugo Mattei stützt sich ebenfalls stark aufdiese amerikanischen Vorbilder und konzentriert sich aufVermögensschutz (Vertrags-, Delikts- und Sachenrecht). Auchdie Gruppen, die ein originäres Gemeinschaftsrecht für denRechtsunterricht vermitteln wollen, nutzen den amerikani-schen Ansatz der Casebooks und der Restatements, wie indem Leuven Projekt, das van Grewen („Ius Commune for theCommon Law of Europe“) initiiert hat. Stärker auf die konti-nentaleuropäischen Zivilrechtskodifikationen bezogen sinddagegen die Acquis-Gruppe (Schulte-Nölke/Adjani) („Com-mon Principles of European Private Law“), obwohl sie sichauf das bereits bestehende Gemeinschaftsrecht stützt sowie dieGandolfi Akademie in Pavia, die an einem europäischen Ver-tragsgesetzbuch arbeitet. Ein technologisches Begriffsnetzwerkauf der Grundlage der Rechtsprechung des europäischen Ge-

richtshofs will das Common-Priniciples-Network („UniformTerminology“;„Münster-Projekt“) schaffen.

Obwohl alle Ansätze ihre Besonderheit betonen und mitein-ander konkurrieren, haben sie aus der Sicht einer sozialen Weltdoch Gemeinsamkeiten, mit denen sie die sozialen Fragen aus-schließen. Sie benutzen die traditionellen Abstraktionen desTauschrechts, die das Weltbild des bürgerlichen Rechts amModell des Kaufrechts bestimmten.

Tatsächlich ist aber neben das Eigentum die Arbeit, nebenden Kauf der warentauschenden Gesellschaft in der Dienst-leistungsgesellschaft Kredit und Miete getreten. Die Fragen desSchadensersatzes sind durch die Fragen nach der Teilhabealler ersetzt worden. Ökonomisch hat sich neben der Kapital-verwertung die Entfaltung realer Persönlichkeiten im Rechtdurchgesetzt.

Es ist daher unbefriedigend, dass sich alle Projekte nach demtraditionellen Vertragsrechtsmodell des 19. Jahrhunderts (Ei-gentum/Property Rights und Kaufvertrag) strukturieren unddas alte System von Recht als Ausdruck einer (sozialen)Gerechtigkeit in einem hierarchischen Wertesystem ignorie-ren.

Sie begreifen das zu schaffende Recht lediglich als ein dieWirtschaft optimierenden Konfliktlösungsmechanismus, dersich in den pragmatischen Fallentscheidungen der Gerichtevor allem der USA und im Common Law am besten ausdrückt.Der Rückgriff auf das EU-Wirtschaftsrecht bringt nichts ande-res, da dieses Recht nicht der traditionellen Wertorientierungsondern einem pragmatischen Ansatz der Wirtschaftsregulie-rung über alle Wertordnungen hinweg folgt. Außer Wirt-schaftsfreiheiten und Verbraucherschutz hat sich bisher keineuropäisches Wertsystem entwickelt. Wertsysteme bleibenweiter national.

Die Projekte leiden auch daran, dass sie fast ausschließlich inEnglisch kommunizieren und ihre Initiatoren häufig enge Be-ziehungen zum Common Law aufweisen. Die sozialen Tradi-tionen des kontinentaleuropäischen Zivilrechts sind dagegenweitgehend ausgespart.

Diese Entwicklung bringt erhebliche Probleme für diejenigenRechtsgebiete mit sich, die sich in besonderer Weise sozialer Ge-rechtigkeit und humaner Prinzipien im historischen Vertrags-recht verpflichtet haben. Durch die neoliberale Grundausrich-tung im europäischen Einigungsprozess werden nationaleVerschiedenheiten und sozialer Schutz eher als Hemmnissedes vor allem wirtschaftlichen Einigungsprozesses gedacht.Die sozialen Rechtstraditionen geraten damit unter Druck undwerden über Deregulierung, Maximalharmonisierung, MutualRecognition vermindert. In einem Manifest („Manifesto: SocialJustice in European Contract Law ELJ 2004“) ist dies bereits voneiner Gruppe (Study Group on Social Justice in European Con-tract Law, Hugh Collins) eingehend kritisiert worden. DieseGruppe erkennt zutreffend, dass das Vertragsrecht sich nichtin der Ermöglichung des internationalen Tausches erschöpftsondern auf soziale Verhältnisse Anwendung findet. Sie ver-langt in der Tradition von v. Gierge, Duguit, Sinzheimer mehr„soziales Öl“, hält die Entwürfe für technokratisch und fordert

Forschungsansatz zu einem EuropäischenSozialvertragscodex (EuSoCo)

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mehr Realistätsbezug. Positiv sollen Prinzipien wie fairness, ver-fassungsrechtliche Teilhaberechte im Zivilrecht sowie demo-kratische Legitimation für den Rechtssetzungsprozess Abhilfeschaffen.

Diese Arbeit von Zivilrechtlern muss jedoch untermauert wer-den durch die Arbeit derjenigen Juristen, die in den Rechtsge-bieten mit sozialem Gewissen engagiert sind, die die Basis fürdie Kritik am kaufrechtlichen Denken bieten. Diese Juristen,die sich dem sozialen Recht verbunden fühlen, müssen sichmit dieser anderen Basis und ihrem dazu vorhandenen Wis-sen am Prozess der Formulierung eines allgemeinen Teils ei-nes europäischen Vertragsrechtes aktiv beteiligen. Dazu dientdie folgende Projektinitiative.

Es sollten Bedingungen geschaffen werden, unter denen daszivilrechtliche Rechtsdenken wieder eine Chance erhält. Da-zu muss die juristische Diskussion auf die Bereiche gelenkt wer-den, in denen die soziale Alternative zu einem kaufrechtlichenModell der Gesellschaft verankert werden. Diese Alternativefindet sich in den sozialen Dauerschuldverhältnissen. Diesoziale Tradition des Zivilrechts aus Gemeinschaftsrecht, ordrepublic, guten Sitten und Wucherverboten lebt in diesen Ver-hältnissen fort. Ihre Verbannung in Sonderrechtsordnungenund ihre Loslösung von der allgemeinen Zivilrechtsdogmatikin der Form von Ausnahmerecht hindert, dass ihre Erfahrun-gen insgesamt wegweisend sein könnten.

Soziale Dauerschuldverhältnisse sind Arbeitsvertrag, Wohn-raummietvertrag und Verbraucherkreditvertrag. Sie bestim-men zunehmend die moderne Dienstleistungsgesellschaft.Dies zeigt sich am Focus der Rechtsprechung, an der Bedeu-tung dieser Rechtsmaterien für die Gesetzgebung und die Po-litik. Allein die Rechtsdogmatik hat bisher nicht erkannt, dassalle drei Bereiche nicht nur zusammengehören, sondern auchden Kern eines neuen Zivilrechts der Dienstleistungsgesell-schaft bilden, das dringend die Erfahrungen des Rechts aus denvorkapitalistischen Dauerverhältnissen von Lehen, Korpora-tion, persönlicher Bindung und Assoziation brauchen, umhumane Regelungsmechanismen zu finden, die den Men-schen als Menschen und nicht nur als Geldsucher undMarktpartner ernst nehmen. Im Übrigen zeigen Entwicklun-gen im Kaufrecht, dass auch diese Beziehungen bei Verbrau-chern immer mehr den Charakter von Dienstleistungen an-nehmen.

Bei diesen Dauerschuldverhältnissen bleibt der soziale Cha-rakter menschlichen Verhaltens und menschlicher Lebensbe-dingungen erkennbar. Sie werden in der praktischen Anwen-dung (und nicht nur abstrakt) von den Prinzipien wieRücksichtnahme, Anpassung, Treu und Glauben, Guten Sittenund vor allem kollektiven Erwartungen wie Ethik, Moral undöffentliches Wohl aber auch durch Tarifvertrag und sozialesEingriffsrecht reguliert, das zunehmend auch auf die Tausch-verträge mit Dienstleistungscharakter angewandt wird. DerZeitfaktor bedeutet Lebenszeit und damit sozialen Zusam-menhang. Er verändert grundlegend das neo-liberale Grund-modell des Kaufrechts vom punktuellen Kontakt und der ra-tionalen Abschätzung von Leistung und Gegenleistung.

Zur Zeit wird die humane Rechtsstruktur sozialer Dauer-schuldverhältnisse prinzipiell als marktwidrig, unflexibel undkostenintensiv infrage gestellt („Abschaffung des Normalar-beitsverhältnisses“; Ersetzung der Zweckkredite durch flexibleGeldabhebungen, Auflösung des Wohnraummietverhältnis-ses) und in das kaufrechtlich geprägte Denkschema kurzfristi-ger und nach dem Prinzip der Nutzenmaximierung organi-

sierter Sozialkontakte eingeordnet. Es soll mehr Freiheit undWettbewerb gewährleisten.

Tatsächlich überlässt es aber auch das Gerechtigkeitsideal Marktund Geld. Zivilrechtliche Wertsysteme werden als Handels-hemmnisse eingestuft. In der Praxis können die Gerichte je-doch nicht umhin, die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit zu nut-zen und bewusst Bezug auf konkrete Lebensverhältnisse zunehmen. In neueren Kodifikationen, wie z.B. in Deutschlandmit den §§ 241 S. 2, 311 Abs. 2, 313 BGB sowie den neuen In-solvenzordnungen wird deutlich, dass ohne soziale Rücksicht-nahme auf unwiederbringliche Lebenszeit das Recht keineAktzeptanzchance in der Gesellschaft hat. Nur die Vertreterdieser Disziplinen können dies praxisnah und fundiert in dieallgemeine Diskussion einbringen. Arbeits-, Miet- und Ver-braucherkredit gehören wirtschaftlich und strukturell zusam-men.

Die Wissenschaftsvertreter und ihre Organisationen in dendrei Disziplinen sozialer Dauerschuldverhältnisse sind wederuntereinander verzahnt noch mit der allgemeinen Zivil-rechtsdogmatik verbunden. Die Forderung, für die europäi-schen Ansätze mehr soziale Verantwortung und nach demMuster der rechtlichen Kritik Anfang des 19. Jahrhundertsmehr „soziales Öl“ in allgemeiner Form zu verwirklichen,muss durch einen strukturell neuen Ansatz untermauert wer-den. Er würde darin bestehen, das erreichte Niveau sozialerRücksichtnahme in den bezeichneten Dauerschuldverhält-nissen zu abstrahieren und als Grundlage eines modernen zu-kunftsweisenden Zivilrechts in einer auf sozialen Zusammen-halt programmierten Gesellschaft zu präsentieren.

Arbeit, Miete und Kredit sind keine Ausnahmeerscheinungendes Vertragsrechts sondern wirtschaftlich wie rechtlich Grund-muster.

Wirtschaftlich stellen sie die drei Kapitalformen vor, dasHumankapital, das Sachkapital und das Geldkapital, die die be-rühmten drei Renditen: Lohn, Rente, Zins hervorbringen, diealle durch das Gewinnprinzip gesteuert werden sollen. Recht-lich spiegelt es sich darin wieder, dass vor allem in der deut-schen Rechtstradition alle drei Verhältnisse als Mietverhält-nisse erkannt wurden: die Dienstmiete, die Sachmiete unddie Geldmiete. Im römischen Recht gab es die locatio con-ductio (operarum, rei). Bereits im römischen Recht wurde er-kannt, dass diese Vertragsverhältnisse humane Elemente derLebenszeit enthalten, die besondere Beachtung brauchen.(Vgl. D.19.2.38 pr. (Paulus))

Der Kredit ist Ende des 20. Jahrhunderts in die sozialen Dauer-schuldverhältnisse aufgerückt. Zugleich hat er damit begon-nen, das Sach- und das Humankapital zu durchdringen. Ausdem Wohnraummieter wird der Wohneigentümer (ohne Ei-gentum, dessen Mietzins durch den Kreditzins, dessen Haus-herr durch die Bank abgelöst wird), aus dem Arbeitnehmerwird der Selbstbeschäftigte oder die „Ich-AG“, in der er mitKredit seine Existenz aufbaut und seine Abhängigkeit vomArbeitgeber durch die Abhängigkeit in der Verschuldung er-setzt. Der Kredit löst im Verbraucherkredit auch den Kaufver-trag ab, indem er alle Konsumprobleme in die Beziehung zumKreditgeber verlagert, der der wirkliche Konsumpartner wird.Alle sozialen Errungenschaft aus Arbeits- und Mietrecht müs-sen daher tendenziell auch im Kreditrecht relevant werden,weil anders die moderne Kreditgesellschaft allein über eineVerschiebung der Rechtsform zu einer sozialen Entrechtungführen muss. In der neuen Selbständigkeit, auf dem anglo-amerikanischen mortgage Markt und bei Überschuldung und

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Forschungsansatz zu e inem Europä ischen Soz ia lver t ragscodex (EuSoCo) | F O R S C H U N G

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Wucherkrediten, Inkassopraktiken etc. ist heute schon sicht-bar, dass der Kredit zum Motor der Verarmung geworden ist,eine Rolle die früher die Ausbeutung im Arbeitsrecht und derWucher bei den Mieten hatte.

Bevor die Vertreter dieser Disziplinen Vorschläge für ein euro-päisches Zivilrecht entwickeln können, müssen sie daher erstgemeinsam und über die Schranken ihrer Sonderrechtgebietehinaus die Prinzipien der sozialen Dauerschuldverhältnisseeinheitlich festlegen.

Ein neues europäisches Vertragsrechtsprojekt sollte nicht nurden Gegenstand neu bestimmen sondern auch ein neues Ver-fahren der Forschung wählen. Dies sollte demokratischer, un-abhängiger und interdisziplinärer sein als die bestehendenVerfahren. Die Rechtsentwicklung muss sich nicht allein ausder Rechtspraxis und den Experten sondern aus der sozialenPraxis in Arbeit, Konsum und Wohnen her legitimieren unddiesen Interessen nicht erst bei der Korrektur der Ergebnissesondern bereits in der Struktur eine Chance einräumen. Diewissenschaftlichen Beiträge sollten in der jeweiligen Mutter-sprache geschrieben werden. Sie sollten mit englischen Sum-maries versehen und kurz sein. Der wissenschaftliche Apparatmuss so verfasst sein, dass er international verständlich ist undnicht mit übersetzt werden braucht.

Alle Akteure sollen sich an den Übersetzungen beteiligen. Essollte jeder Beitrag neben der Muttersprache noch in zwei derdrei Hauptsprachen der EU vorliegen: Französisch, Deutschund Englisch und zwar, bevor sie diskutiert und der Öffent-lichkeit zugänglich gemacht werden.

Der Sachtitel sollte im Vordergrund stehen. Das Projekt könn-te heißen:

Projekt Europäisches Sozialvertragsrecht, Code Européen So-cial des Contrats, European Social Contract Code (EuSoCo).Mit dem Wort „Code” soll nicht für ein Gesetzbuch optiertwerden. Alle Formen eines (Prinzipien-)Codes sind denkbar.Stellungnahmen sollte jeder Beteiligte für die Gruppe ma-chen können. Die Einigung auf die strukturierenden Prinzi-pien sollte konsensual sein. Widersprüche in der Gruppe soll-ten offen dargestellt werden. Alle Beiträge müssen ständig aufdem Internet verwaltet werden. Der Prozess ist für Dritte ein-sehbar, soweit freigegebene Teile vorliegen. Das Projekt solltemit einer Bestandsaufnahme der Regelungen in den drei Be-reichen geordnet nach gemeinsamen Kriterien beginnen, wo-bei zwei Dimensionen entscheidend sind:

Gliederung nach dem zeitlichen Ablauf eines sozialen Dauer-schuldverhältnisses1. Vertragsanbahnung (Werbung, Vermittlung),2. Vertragsschluss (Beratung, Konditionen, Form)3. Durchführung (gegenseitige persönliche Verpflichtungen

wie Treue und Fürsorge; Rücksichtnahme)4. Anpassung im Störungsfall (Weiterbeschäftigung, Umschul-

dung, Umsetzung, Teilkündigung bei Krankheit, Arbeitslo-sigkeit, Geldmangel, Not etc.)

5. Beendigung (Kündigung, Fristablauf)6. Abwicklung (Inkasso, Zwangsvollstreckung, Konkurs, Sozial-

plan, Räumung)

Gliederung nach Ebenen der gesellschaftlichen Teilnahme1. individuell (Auswahl, individuelle Diskriminierung, risk

based pricing, Verhandlungsmacht, Form)2. kollektiv (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen „öffent-

liche Erklärungen“ ( z.B. Exxon Valdes Principles), Codes

of Ethics, Satzungen der Wohnungsgesellschaften, öffent-lichen Banken oder Unternehmen)

3. allgemein/staatlich (Aufsicht, Strafrecht, Ersatzvornahme,staatliche Arbeitsbeschaffung, staatliche Kredite, staatlicheWohnraumversorgung).

Es sollte problemorientiert vorgegangen werden. Recht wirdnicht nur als objektives Regelungsmuster sondern als Reaktionauf (soziale) Konflikte verstanden. Die Konflikte werden aufeiner allgemeinen Ebene definiert wie etwa bei der Lebenszeitim Verhältnis zu den Marktanforderungen (Diskriminierung),gruppenspezifischen Ausnahmen (neu eingestellten Arbeit-nehmern, Mietern in Einzelhäusern, Abzahlungskreditneh-mern) oder phasenbezogene Probleme wie in der Anbah-nungsphase der mangelnde Zugang, die Irreführung, in derAbschlussphase: die Diskriminierung, Überrumpelung etc.

Die Gruppe wird in regelmäßigen Abständen tagen. Zunächstwerden die drei Arbeitsbereiche getrennt voneinander Beiträ-ge und Bestandsaufnahmen aus ihrem Bereich für das ge-meinsame System entwickeln.

Das Projekt wird technisch vom iff und der Universität Tren-to betreut und aus den Spezialisten der drei Rechtsgebiete so-wie Vertretern einer sozialen Zivilrechtsdogmatik bestehen.

Folgende Personen werden zur Mitarbeit angesprochen, wobeider innere Personenkreis so überschaubar bleiben soll, dasseine gemeinsame Diskussion als Projektgruppe möglich bleibt.Die Gruppe sucht weitere Mitglieder und ist langfristig ange-legt.

Arbeitsrecht: Prof. Luca Nogler (Trento); Prof. Rafael Mona-gourri (Nantes); Prof. Ulrich Zachert (Hamburg); NN (UK);Prof. Emmanuel Dockes, (Dijon)

Verbraucherkreditrecht: Prof. Udo Reifner (Hamburg); Prof.Nik Huls (Rotterdam); Prof. Ian Ramsey (Toronto); Prof. Ge-raint Howells (Nottingham); Prof. Thierry Bourgoignie (Mon-treal); Prof. Joahanna Niemi-Kiesiläinen (Helsinki)

Wohnraummietrecht: Dr. Christoph Schmidt (Florenz/Ham-burg); Prof. Peter Derleder (Bremen)

Die Arbeitsgruppen kooptieren Wissenschaftler aus den Nach-bardisziplinen insbesondere der Ökonomie zu den ThemenArbeit, Wohnen und Konsumentenkredit. Eine Gruppe „All-gemeine Vertragsrechtstheorie“ wird als Brücke zur allgemei-nen Vertragsrechtstheorie mit Wissenschaftlern gebildet, diesich in diesem Bereich mit sozialen Fragen beschäftigen ins-besondere Prof. Maurice Tancelin, Montreal. Prof. ThomasWilhemsson, Helsinki ist bereit, die Verbindung zur „SocialJustice“ Gruppe herzustellen.

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Ciacchi , Der Schutz des Bürgen in Europa | F O R S C H U N G

I. Bürgschaft und Missbrauch der Vertragsmacht:Ein europäisches Problem

In einer Reihe europäischer Länder werden Kredite von Ver-brauchern und kleineren/mittleren Unternehmern durchBürgschaften ihrer engen Familienmitglieder gesichert. Nichtselten handelt es sich bei den Bürgen um ahnungslose Men-schen ohne Geschäftserfahrung, die das mit der Bürgschaftverbundene finanzielles Risiko nicht einschätzen können.Manchmal wissen sie nicht einmal, was eine Bürgschaft ist.Sie unterschreiben mehr oder weniger blind die Unterlagen,die ihnen ein Bankangestellter vorlegt. Häufig verbürgen siesich für Summen, die ihre finanziellen Möglichkeiten bei wei-tem überschreiten.1

In anderen Fällen wissen die Familienbürgen ganz genau,welches Risiko sie durch den Bürgschaftsvertrag eingehen. Sietun es aus Verbundenheit zum Hauptschuldner aber trotzdem,denn ein „Nein“ zur Bürgschaft könnte die Harmonie in ihrerFamilie ruinieren. In der Wahl zwischen ökonomischer Ver-nunft und intakter privater Beziehung entscheiden sie sichfür Letztere. Sie ziehen sozusagen das Risiko des ökonomi-schen Ruins dem Risiko des emotionalen Ruins vor.2

In beiden Fällen stellt sich die Frage, inwieweit der Abschlusseines ruinösen Bürgschaftsvertrags noch als Ausdruck der Ver-tragsfreiheit und nicht etwa der Vertrags-Unfreiheit des Bür-gen gilt.3

Die Familienbürgen sind aber nicht die einzigen Bürgen, de-ren faktische Entscheidungsfreiheit hinsichtlich des Vertrags-abschlusses und -inhalts erheblich eingeschränkt ist. Dieschlechte Wirtschaftskonjunktur bedroht die Existenz vielerUnternehmen, von denen die Existenz vieler Arbeitsplätzeabhängen. Diese Lage macht Arbeitnehmer leicht erpressbar.So überrascht es nicht, dass mittlerweile Zivilgerichte mit Fäl-len beschäftigt sind, in denen Arbeitnehmer für die Kredit-schulden ihres Arbeitgebers persönlich bürgen.4 Selbstlos istdiese Hilfeleistung der Arbeitnehmer nicht, frei ist ihre Ent-scheidung zugunsten der Bürgschaft aber auch nicht.

Das Gerechtigkeitsproblem bei Arbeitnehmer- und Familien-bürgschaften ist dasselbe: Einem wirtschaftlich mächtigen, pro-fessionellen Kreditgeber steht regelmäßig ein machtloser nicht-professioneller Bürge gegenüber. Die formelle Vertragsfreiheitdes Letzteren bleibt zwar unangetastet, seine materielle Ver-tragsfreiheit ist aber massiv eingeschränkt oder gar nicht exis-tent. Wenn unter diesen Bedingungen eine ruinöse Bürgschaftgeschlossen wird, liegt es eigentlich auf der Hand, von Miss-brauch der Vertragsfreiheit der stärkeren Partei zu reden.5

Mehr als drei Jahrzehnte lang haben Rechtswissenschaftlerund Zivilgerichte aus verschiedenen europäischen Ländernnach Abhilfe gegen solche unfairen Bürgschaften gesucht.Die wissenschaftliche Diskussion über dieses Thema ist seitden 90er Jahren besonders lebhaft. Dazu haben einige bahn-

brechenden Urteile der obersten Gerichte in Deutschland,Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden wesentlichbeigetragen.6

Rechtsvergleichende Studien zum Schutz nicht-professionellerBürgen sind spärlich vorhanden.7 Untersuchungen zu die-sem Thema, die eine größere Anzahl europäischer Länder ein-beziehen, fehlen bislang. Diese Lücke versucht das hier be-sprochene Projekt zu schließen.

II. Das Bremen-Oxford-Projekt zum Schutz des Bür-gen in Europa

Seit April 2004 koordiniert das Zentrum für europäische Rechts-politik an der Universität Bremen (ZERP) das EU-finanzierteMarie Curie-Wissenstransfer-Projekt „Protection from UnfairSuretyships in the European Union“.8 Das Projekt hat eineLaufzeit von drei Jahren und endet am 31. März 2007. Es wirdvom ZERP in Zusammenarbeit mit dem Institute of Europeanand Comparative Law (IECL) an der Universität Oxford durch-geführt. Das Bremer Team wird von Prof. Gert Brüggemeier undder Verfasserin dieses Berichts geleitet. Zu den wissenschaft-lichen BetreuerInnen des Wissenstransfer-Programms zählenaußerdem Prof. Peter Rott und Prof. Lesley Jane Smith. Projekt-partner an der Universität Oxford ist Prof. Stephen Weatherill.

Zweck der Marie Curie-Aktionen der Europäischen Gemein-schaft ist es, die transnationale Mobilität europäischer Wis-senschaftlerInnen zu fördern. Die Marie Curie-Wissenstrans-

Der Schutz des Bürgen in Europa – Bericht über einrechtsvergleichendes Forschungsprojekt und seinezweite Jahrestagungvon Aurelia Colombi Ciacchi*

* Dr. Dr., LL.M., Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für europäische Rechts-politik an der Universität Bremen (ZERP), ehem. Marie Curie Fellow an der Uni-versity of Oxford, Institute of European and Comparative Law.

1 Vgl. Sagel Grande, in Drobnig/Sagel Grande/Snijders (Hrsg.), Neuere Entwicklun-gen im Recht der persönlichen Kreditsicherheiten in Deutschland und in denNiederlanden, 2003, S. 63 ff. m.w.N.

2 Zur Kollision zwischen der Logik der Ökonomie und der Logik der familiären So-lidarität in der Problematik der Familienbürgschaft Teubner, KV 2000, 388.

3 Vgl. Gernhuber, JZ 1995, 1086.4 BGHZ 156, 302 = NJW 2004, 161.5 Von „Missbrauch der Vertragsfreiheit“ spricht die deutsche Bürgschafts-Recht-

sprechung ganz offen: Siehe z.B. BGHZ 128, 230 = ZIP 1995, 203; BGHZ 134,325 = ZIP 1997, 406; BGHZ 137, 329 = NJW 1998, 597.

6 Siehe in den Niederlanden HR 1.6.1990, NJ 1991, 759 (S. 3393 ff.) („Van Lanschotv. Bink“) m. Anm. Brunner; in Deutschland BVerfGE 89, 214 = BVerfG NJW 1994,36 („Bürgschaftsbeschluss“); in England Barclays Bank plc v O’Brien [1994] 1 AC180; in Frankreich Com. 17.6.1997, D. 1998, 208 („Macron“) m. Anm. Casey.

7 Hauschild, Der Schutz des Bürgen, 1997; Habersack/Giglio, WM 2001, 1100;Lebon, ERPL 2001, 417; Sölter, Die Verbraucherbürgschaft, 2001; Schwarz, Bür-genschutz durch deutsches und europäisches Verbraucherrecht, 2001; Siems,ERPL 2002, 509; Drobnig/Sagel Grande/Snijders (Hrsg.), Neuere Entwicklungen imRecht der persönlichen Kreditsicherheiten in Deutschland und in den Nieder-landen, 2003; Hadjani, ZfRV 2003, 83; Cherednychenko, 8 EJCL März 2004,http://www.ejcl.org/81/art81-3.html.

8 Marie Curie Host Fellowship for the Transfer of Knowledge (TOK), DevelopmentScheme, Contract Nr. MTKD-CT-2004-509803. Die erste Projekttagung war derRound Table „Protection from Unfair Suretyships in the European Union: Consti-tutional Dimension and Empirical Framework“ (Bremen, 30.11.2004). Die Beiträ-ge des Round Table sind in einem Sonderheft der European Review of Private Law(Special Issue „The Protection from Unfair Suretyships in Europe“), ERPL 2005, 285veröffentlicht. Für einen Kurzbericht über den Round Table siehe Colombi Ciac-chi, Editorial, ERPL 2005, 281.

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9 Vgl. Zöllner, Die Bürgschaft des Nichtunternehmers, WM 2000, 1.10 EuGH, Urt. v. 17.3.1998 – C-45/96 – Bayerische Hypotheken- und Wechselbank

AG./.Edgar Dietzinger, Slg. 1998, I-1199, dazu Micklitz, EuZW 1998, 253; EuGH,Urt. v. 23.3.2000 – C-208/98 – Berliner Kindl Brauerei AG./.Andreas Siepert, Slg.2000, I-1741 = NJW 2000, 1323 = EuZW 2000, 339. Dazu Reich, in Reich/Micklitz(Hrsg.), Europäisches Verbraucherrecht, 4. Aufl., 2003, S. 735 (740).

11 KOM (2002) 443 endg. Dazu Kaiser, VuR 2002, 385.12 KOM (2004) 747 endg. Kritisch hierzu Reifner, VuR 2004, 85.13 Dazu Rott, ERPL 2005, 383.14 KOM (2005) 483 endg.15 Zur deutschen Diskussion Schwarz, Bürgenschutz durch deutsches und europäi-

sches Verbraucherrecht, 2001. Zum Streit zwischen der in Deutschland vor demDietzinger-Urteil herrschenden Lehre, die die Verbraucher-Eigenschaft des nicht-unternehmerischen Bürgen unabhängig von der Natur der Hauptschuld bejahte,und der EuGH-konformen deutschen Rechtsprechung siehe Drexl, JZ 1998, 1046.Zur italienischen Diskussion über den Bürgen als Verbraucher vgl. Gioia, in Co-lombi Ciacchi (Hrsg.), Protection of Non-Professional Sureties in Europe: Formaland Substantive Disparity, 2006 (im Erscheinen).

fer-Projekte (TOK-Projekte: Transfer of Knowledge) zielen spe-ziell auf den Wissensaustausch zwischen AkademikerInnenmit mindestens vier Jahren Forschungserfahrung ab. Die For-schungseinrichtung, die ein TOK-Projekt erfolgreich beantragthat, erhält die Möglichkeit, WissenschaftlerInnen aus andereneuropäischen Ländern als Marie Curie Fellows für zwei Monatebis zwei Jahre in den eigenen Forschungsbetrieb einzuglie-dern sowie eigene MitarbeiterInnen als Marie Curie Fellows fürmaximal ein Jahr zu einer Partnerinstitution in einem ande-ren europäischen Land zu entsenden.

Dieses Projekt hat es dem ZERP bislang ermöglicht, Prof. Siefvan Erp aus Maastricht, Prof. Gerard McCormack aus Manches-ter, Dr. Rebecca Parry aus Lancaster, Dr. Gina Gioia aus Paduaund Dr. Mel Kenny aus Luzern als Marie Curie-Stipendiatennach Bremen einzuladen und die Verfasserin dieses Berichtsals Marie Curie-Stipendiatin für ein Jahr nach Oxford zu ent-senden. Weitere Stipendien wird das ZERP ab Januar 2006vergeben.

Thematisch umfasst dieses rechtsvergleichende Projekt fol-gende Fragestellungen:

(1) Welche Lösungen wurden in den EU-Mitgliedstaaten zumSchutz des Bürgen vor missbräuchlichen Bürgschaftsverträ-gen entwickelt?

(2) Inwieweit führen die Differenzen zwischen diesen Lösun-gen zu substantiellen Unterschieden im Niveau des dadurcherreichten Bürgenschutzes?

(3) Welches Schutzniveau ist rechtspolitisch erstrebenswert?Würde vielleicht ein zu hohes Schutzniveau negative Wir-kungen auf den Zugang von kleinen und mittleren Unter-nehmen, Verbrauchern und Familien zum Kredit entfalten?

(4) Wie könnten die Mitgliedstaaten, in denen ein adäquatesNiveau an Bürgenschutz noch fehlt, dieses erreichen? Inwie-weit könnte dies durch Rechtsprechungsänderungen verwirk-licht werden?

(5) Insofern Rechtsprechungsänderungen zur Erreichung deso.g. Ziels ausreichen würden, wie könnten die Mitgliedstaa-ten dazu motiviert werden, sie auch vorzunehmen?

(6) Weist die Problematik der missbräuchlichen Bürgschafts-verträge auch außerhalb Deutschlands eine verfassungsrecht-liche bzw. menschenrechtliche Dimension auf?

(7) Würde die horizontale Anwendung der Gemeinschafts-grundrechte oder der EMRK helfen, ein adäquates Niveau anBürgenschutz durch Richterrecht zu erreichen?

Methodisch folgt dieses Projekt einem pragmatisch-rechtspo-litischen Ansatz. Im Mittelpunkt der rechtsvergleichendenUntersuchung stehen nicht die Rechtsnormen als solche, son-dern die Ergebnisse ihrer Anwendung. Das zivilrechtlicheInstrumentarium zum Schutz des Bürgen wird nicht isoliert,sondern im Gesamtkontext der jeweiligen Rechtsordnungen,einschließlich ihrer zivilprozessualen und insolvenzrecht-lichen Mechanismen, sowie der marktwirtschaftlichen Zu-sammenhänge betrachtet.

Das Projekt zielt nicht auf eine legislative Harmonisierung ab.Es sucht vielmehr nach pragmatischen Problemlösungen, diekeine Gesetzesänderungen erfordern. Besondere Beachtungfinden dabei mögliche neue richterrechtliche Interpretationenbestehender Rechtsinstrumente.

III. Die Bremer Tagung: Konzept und Terminologie

Die zweite Jahrestagung des Projekts, der rechtsvergleichendeWorkshop „Protection of Non-Professional Sureties in Europe:Formal and Substantive Disparity“, fand am 14. und 15. Ok-tober in Bremen statt. Gegenstand der Tagung waren vor allemdie erste, zweite und vierte der oben genannten Fragestellun-gen. Die Tagung hat einen Überblick über die derzeitigenLösungen zum Schutz des Bürgen in den verschiedenen euro-päischen Rechtskreisen ergeben. Damit wurde eine wichtigeGrundlage für die Ermittlung und den Vergleich der materiel-len Bürgenschutz-Standards jenseits der unterschiedlichenformellen Rechtsinstrumente gebildet. Besondere Beachtungfanden dabei die Instrumente des allgemeinen Zivilrechts derjeweiligen Mitgliedstaaten, die in Zukunft neu interpretiertund angewandt werden könnten, um ein besseres Niveau anBürgenschutz zu erreichen.

Ganz bewusst wurde der Begriff des „Verbraucher-Bürgen“(consumer surety) im Titel der Tagung vermieden. Dafür wa-ren mehrere Gründe ausschlaggebend:

(1) Bürgschaften von Nichtunternehmern9 für Unterneh-menskredite werden bislang vom EG-Sekundärrecht nichterfasst. Nach der Rechtsprechung des EuGH10 fallen Bürg-schaften nur dann in den Anwendungsbereich der Haustür-widerrufs-Richtlinie 85/577/EWG, wenn sie von Verbrauchernfür Verbraucherkredite eingegangen werden. Der Kommis-sionsvorschlag für eine neue Verbraucherkreditrichtlinie von200211 schien von dieser Linie abweichen und den Schutzbe-reich dieser Richtlinie auch auf Garantien von Nichtunter-nehmern für Unternehmenkredite ausdehnen zu wollen. Dergeänderte Richtlinienvorschlag von 200412 kehrte jedoch zuro.g. EuGH-Rechtsprechung zurück und erfasste nur Verbrau-cher-Garantien für Verbraucherkredite.13 Schließlich ist imjüngsten Richtlinienvorschlag vom 7. Oktober 200514 – dendie besprochene Tagung schon berücksichtigen konnte – dergesamte Bereich der persönlichen Sicherheiten aus dem An-wendungsbereich der geplanten Richtlinie weggefallen.

„Consumer sureties“ im Sinne des EG-Rechts sind also bis-lang nur Bürgschaften für Verbraucherkredite. Gegenstand derBremer Tagung waren jedoch alle Bürgschaften von Nicht-unternehmern, auch und vor allem diejenigen für Unterneh-menskredite.

(2) In den Privatrechtssystemen der einzelnen Mitgliedstaatenist der Begriff der „Verbraucher-Bürgschaften“ kontrovers bzw.mehrdeutig.15 Nur in wenigen Ländern gelten Bürgschaftenvon Nichtunternehmen für Unternehmenskredite unumstrit-

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ten als Verbrauchergeschäfte.16 Meistens fallen Bürgschaftenfür Unternehmenskredite aus dem Schutzbereich der natio-nalen Regelungen über Verbraucherverträge heraus. Keine,oder höchstens ein Bruchteil der Bürgschaftskonstellationen,denen die Bremer Tagung gewidmet war, gilt unzweifelhaftals Verbrauchergeschäft im Recht aller Mitgliedstaaten.

(3) Ein weiterer Grund, der gegen die Terminologie „consumersureties“ spricht, besteht darin, dass Familienbürgen und sons-tige natürliche Personen, die außerhalb einer geschäftlichenTätigkeit eine Bürgschaft für einen Unternehmenskredit ein-gehen, keine Verbraucher im Sinne des allgemeinen Sprach-gebrauchs sind. Sie wollen durch den Bürgschaftsvertrag nichtin den Genuss eines Gutes oder einer Dienstleistung kom-men, sondern nur dem Hautpschuldner helfen. Sie agierensozusagen außerhalb der Marktlogik des Angebots und derNachfrage in Bezug auf bestimmte Produkte – einer Logik,innerhalb derer die ökonomische Figur des „Verbrauchers“geboren wurde.17

(4) Es liegt allerdings auf der Hand, dass der juristische Sprach-gebrauch des Verbraucherbegriffs die Anbindung an den o.g.allgemeinen Sprachgebrauch längst verloren hat. Selbst wennman aber eines Tages unstreitig jede nichtunternehmerischeGeschäftspartei, unabhängig vom Gegenstand des Rechtsge-schäfts, als „Verbraucher“ im Sinne des europäischen Zivil-rechts bezeichnen sollte, würde es u.U. immer noch Sinnmachen, eine Tagung dem „non-professional“ statt dem „con-sumer“ zu widmen. Die Vermeidung der Verbraucher-Termi-nologie im Titel dieser Tagung hatte nicht zuletzt eine rechts-politische Funktion. Man wollte deutlich machen, dass eseine Kategorie von Verbrauchern im weiten Sinne gibt – dieVerbraucher-Bürgen eben – die zur Zeit noch nicht bzw. nichtvollständig den Schutz des europäischen und nationalen Ver-braucherrechts genießen, obwohl sie ebenso schutzbedürftigsind wie die sonstigen Verbraucher.18

IV. Die Tagungsbeiträge

1. Die Eröffnungsreden

Prof. Christoph Schmid, Direktor des ZERP, eröffnete die Veran-staltung. Er wies darauf hin, dass die Diskussion über die Un-wirksamkeit von Angehörigenbürgschaften wie keine andereprivatrechtliche Fallkonstellation die Überschneidung derRechtsparadigmata (das klassisch-liberale, das materiale unddas neoliberal-plurale) und die politische Dimension des Pri-vatrechts deutlich mache. Damit bestehe ein direkter Zu-sammenhang zwischen dem Thema dieser Tagung und denForschungsschwerpunkten des ZERP.

Daran knüpfte die Präsentation des Bremer TOK-Projekts undseiner Methodologie durch die Veranstalterin der Tagung undVerfasserin dieses Beitrags an. Sie warf zum Schluss die Frageauf, ob und inwieweit gleiche (Grund-)Rechte gleicher Uni-onsbürger gleiche oder zumindest gleichwertige privatrecht-liche Schutzstandards erfordern. Die Problematik missbräuch-licher Bürgschaftsverträge könne und solle im Kontext derKonstitutionalisierung des europäischen Privatrechts betrach-tet werden.

Der Konstitutionalisierung des Privat- und Vertragsrechts wardie Eröffnungsrede Prof. Walter van Gervens (Universität Leu-ven) gewidmet. Van Gerven thematisierte das Verhältnis zwi-schen Konstitutionalisierung und den anderen „-isierungen“des Privatrechts: Partikularisierung, Europäisierung, Privati-

sierung und Harmonisierung. Anders als die sonstigen „-isie-rungen“ wirke die Konstitutionalisierung, insbesondere durchdie Horizontalwirkung der Grundrechte, nicht als brechendes,sondern als zusammenfügendes Element im System. Diesgeschehe durch die Praxis der Gerichte und den Gebrauch of-fener Begriffe wie öffentliche Ordnung (in einem modernenSinne, der die Menschenwürde einschließt, verstanden) undTreu und Glauben. Letzterer Begriff habe eine interpretatori-sche, eine ergänzende und eine korrigierende Funktion. Damitkönne dem Missbrauch der Vertragsfreiheit entgegengewirktwerden. Wichtig sei nicht zuletzt die Auswirkung sozialerGrundrechte, unter anderem als Abhilfe in Fällen „höherersozialen Gewalt“ (force majeure sociale).

2. Der deutschsprachige Rechtskreis

Nach den Eröffnungsreden begann die Reihe der nationalenBerichte. Die deutsche „Bürgschafts-Odyssee“ wurde von Prof.Peter Rott (Universität Bremen) und Prof. Udo Reifner (Univer-sität Hamburg) kommentiert. Rott analysierte die Rechtspre-chungsentwicklung und ihre Ergebnisse im Detail. Dabei de-montierte er das Mythos der dezidiert bürgenfreundlichendeutschen Rechtslage. Die neue Bürgschafts-Rechtsprechunghabe kaum Veränderungen in der Bankenpraxis herbeigeführt.Nur in wenigen, extremen Fällen greife das Urteil der Sitten-widrigkeit. Die meisten Fälle würden im Wege des Mahnver-fahrens geregelt, wo eine gerichtliche Prüfung der Sittenwid-rigkeit nicht stattfinde. Aufklärungspflichten würden denBanken weiterhin nicht auferlegt, daher bleibe der Bürge meis-tens ohne effektiven Schutz.

Als unzureichend kritisierte auch Reifner die gängigen deut-schen Lösungen zum Schutz des Bürgen. Er schlug drei neueInterpretationen und Anwendungen allgemeiner zivilrecht-licher Vorschriften vor:

(1) Als sittenwidrig i.S.d. § 138 BGB sollten – in Anlehnungan den Grundsatz der verantwortungsvollen Kreditvergabe(responsible lending) – alle unverantwortlich hohen und belas-tenden Verpflichtungen gelten, die der Bürge ohne eigeneswirtschaftliches Interesse auf sich nimmt.

(2) Bürgschaften für Unternehmenkredite sollten gem. § 242BGB widerrufbar sein, wenn der Gläubiger eine nicht-markt-wirtschaftliche Beziehung zwischen Bürgen und Haupt-schuldner ausnutzt.

(3) Bei Bürgschaften für Verbraucherkredite sollten die Ver-pflichtungen von Bürge und Hauptschuldner nach einer Tren-nung oder Scheidung entsprechend ihren Einkommens- undVermögensanteilen gem. § 313 BGB aufgeteilt werden.

Dr. Wolfgang Faber (Universität Salzburg) stellte die österrei-chische Rechtslage und ihre Unterschiede zur deutschenRechtslage dar. Die österreichische Rechtsprechung habe sichder deutschen Entwicklung zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaftweitgehend angeschlossen. Eine bedeutende Ausnahme be-stehe darin, dass die österreichische Verfassung aus dem Spiel

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16 Lobenswerte Beispiele stellen Frankreich und Österreich dar: §§ 25b bis 25d KSchGund Art. L. 341-4 Code de la consommation sind unstreitig auf alle Bürgschaftenvon Nichtunternehmen, auch für Unternehmenskredite, anwendbar. Vgl. dieBeiträge von Faber und Vigneron, in Colombi Ciacchi (Hrsg.), Protection of Non-Professional Sureties in Europe: Formal and Substantive Disparity, 2006 (im Er-scheinen).

17 Zu den „non-market sureties in a market economy“ vgl. Reifner, in Colombi Ciacchi(Hrsg.), Protection of Non-Professional Sureties in Europe: Formal and Substanti-ve Disparity, 2006 (im Erscheinen).

18 Hierzu Colombi Ciacchi, ERPL 2005, 285 (306 f.).

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19 Barclays Bank plc v O’Brien [1994] 1 AC 180. Hierzu Habersack/Giglio, WM 2001,1100.

20 Royal Bank of Scotland v Etridge (No. 2) [2001] UKHL 44; [2002] A.C. 773.

gelassen wurde. Außerdem hätten die österreichischen Ge-richte die deutschen Beweislast-Erleichterungen zugunsten desBürgen nicht übernommen. Im Jahre 1997 wurden die ruinö-sen Bürgschaften gesetzlich geregelt: Nach § 25d Konsumen-tenschutzgesetz (KSchG) kann der Richter unter bestimmtenUmständen die Verbindlichkeit eines Interzedenten, die ineinem unbilligen Missverhältnis zu dessen Leistungsfähigkeitsteht, ermäßigen oder ganz erlassen. Diese Lösung sei viel fle-xibler als diejenige der deutschen Rechtsprechung.

3. Frankreich, Belgien und die Niederlande

Die Entwicklung in Frankreich wurde von Dr. Sophie Vigneron(Universität Kent) erläutert. Als die Bürgschaften von Nicht-unternehmen für Unternehmenkredite noch nicht als Ver-brauchergeschäfte galten, wandten französische Gerichte dieallgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften über Irrtum undTäuschung an, um Bürgen vor krass unverhältnismäßigen Ver-pflichtungen zu schützen. Seit 2003 ist die Unwirksamkeitsolcher Verpflichtungen ausdrücklich im Code de la consom-mation geregelt. Außerdem leisten familienrechtliche Vor-schriften wirksame Abhilfe für den Familienbürgen: Gem.Art. 1387-1 Code civil kann der Richter nach einer Scheidungalle Kredit- und Sicherheitsverpflichtungen eines Ehegatten,die dieser für das Unternehmen des anderen bzw. für das Fa-milienunternehmen eingegangen ist, auf den anderen Ehe-gatten übertragen, der nach der Scheidung dieses Unterneh-men weiterführen wird.

Prof. Sjef van Erp (Universität Maastricht) schilderte die nieder-ländische Rechtslage unter dem alten und neuen BurgerlijkWetboek. Der Schutz des Bürgen werde durch Anwendung vonallgemeinen schuldrechtlichen, bürgschaftsrechtlichen sowiefamilienrechtlichen Vorschriften des BW sichergestellt. Dabeispiele das Richterrecht, insbesondere die Auferlegung von Auf-klärungspflichten für Banken, eine wichtige Rolle. Allerdingsbeschäftigen Bürgschaftsfälle ganz selten die Rechtsprechung.In der Bankenpraxis sei die praktische Relevanz persönlicherSicherheiten im Vergleich zu dinglichen Sicherheiten gering.

Die Besonderheiten des belgischen Rechts zum Schutz des Bür-gen wurden von Prof. Vincent Sagaert (Universität Leuven)eindrücklich dargestellt. Der Schwerpunkt liege auf der Phasedes Vertragsschlusses und vor allem auf dem Nichtunterneh-mer-Insolvenzverfahren. Seit 2005 ermächtige eine insol-venzrechtliche Vorschrift den Richter, eine Bürgschaftsver-pflichtung, die der Bürge ohne wirtschaftliches Eigeninteresseeingegangen ist und die im Missverhältnis zu seiner Leis-tungsfähigkeit steht, zu ermäßigen oder ganz zu erlassen.

4. Der angelsächsische Rechtskreis

Prof. Gerard McCormack (Universität Manchester) vertrat dieThese, das englische Recht nehme die richtige Abwägungzwischen Bürgenschutz und Vertragsfreiheit vor. Einerseitskönne der materielle Bürgenschutz durch Anwendung des imUnfair Contract Terms Act 1977 und den Unfair Terms inConsumer Contracts Regulations 1999 verankerten AGB-Rechts verwirklicht werden, wie die Law Commission es vor-geschlagen hat. Andererseits sei der prozedurale Bürgenschutzdurch die Rechtsprechung in O’Brien19 und Etridge20 konsoli-diert worden. Der Bürge müsse vor Vertragsschluss von einerunabhängigen Instanz (sprich: einem Anwalt) über das Bürg-schaftsrisiko ausführlich aufgeklärt werden. Etridge sei aller-dings insofern zu kritisieren, als das Gericht eine Bürgenauf-klärung durch den gemeinsamen Anwalt von Bürgen und

Schuldner zuließ. Eine Aufklärung durch eine separate In-stanz wäre besser, aber für den Bürgen auch kostspieliger.

Die Unterschiede zwischen englischem und schottischemBürgschaftsrecht wurden von Prof. Lesley Jane Smith (Univer-sität Lüneburg) erläutert. Die schottische Rechtsfigur der cau-tionary obligation weiche von der englischen suretyship erheb-lich ab. Schottische Gerichte leiten Aufklärungspflichten desKreditgebers aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ab,während das englische common law dem Begriff des goodfaith skeptisch bzw. ablehnend gegenüber stehe. Zum Standder Entwicklung im Vereinigten Königreich äußerte sich Smithdeutlich kritischer als ihr Vorredner. In Fällen eines offen-sichtlichen Missverhältnisses zwischen Bürgschaftsumfangund Leistungsfähigkeit des Bürgen, sowie in Fällen des Miss-brauchs eines persönlichen Verhältnisses müssten allgemeineRechtsgrundsätze zur Hilfe gezogen werden, um die Bürg-schaftsverpflichtung zu reduzieren oder ganz zu erlassen.Außerdem bestehe im Bereich des Bürgenschutzes, angesichtsder supranationalen Dimension des Bankverkehrs, Bedarf füreine Annäherung der europäischen Rechtssysteme.

Zum Schutz des Bürgen in Irland referierte Patrick O’Callag-han (ZERP). Es gebe nur sehr wenige Entscheidungen irischerGerichte zu dieser Problematik. In diesen Urteilen spielen dietraditionellen Rechtsfiguren des common law und equity,insbesondere die Rechtsfigur der undue influence, die Haupt-rolle. Obwohl Irland eine geschriebene Verfassung hat undobwohl dort die Lehre der direkten Horizontalwirkung vonGrundrechten unstreitig gilt, mache die irische Recht-sprechung davon äußerst zurückhaltend Gebrauch. Im Ergeb-nis falle das Niveau des Bürgenschutzes in Irland hinter dasenglische und schottische Niveau zurück. Dass die richter-rechtliche Abwägung zu sehr zugunsten der Banken ausfällt,sei zu kritisieren.

5. Italien und Portugal

Unter dem westeuropäischen Durchschnitt liegt auch dasNiveau des Bürgenschutzes in Italien und Portugal, wie dieVorträge von Dr. Gina Gioia (Universität Padua) und AndréPereira (Universität Coimbra) darlegten. In beiden Ländernreiche die Entwicklung der Rechtsprechung und Gesetzgebungzum Schutz vor ruinösen Bürgschaften nur bis zur Unwirk-samkeit von Blankobürgschaften. In Italien wird die Anwend-barkeit der Regelungen zur Umsetzung der Klausel-Richtlinie93/13/EWG auf die Bürgschaft von Rechtsprechung und Leh-re thematisiert. Dabei steht jedoch in der Praxis bislang nur dieWirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln und ähnlichenRandbedingungen des Bürgschaftsvertrags in Frage. Der ma-terielle Kern der Unfairness bleibt nach wie vor unangetastet.Gioia plädierte für eine konsequente Anwendung der neuenVorschiften des Codice civile über Verbraucherverträge (Art.1469-bis ff.) in Verbindung mit Art. 1945 cc, nach dem der Bür-ge alle Einreden und Einwendungen gegenüber dem Gläubi-ger geltend machen kann, die auch dem Schuldner zustehen.Demgegenüber plädierte Pereira für eine Anwendung der gel-tenden Vorschriften der portugiesischen Verfassung und desCodigo Civil in Anlehnung an die deutsche Bürgschaftsrecht-sprechung. Sowohl die Sittenwidrigkeits-Klausel des Art. 280CC als auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 70 derportugiesischen Verfassung eigneten sich gut dazu. Die Pri-

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A N L E G E R S C H UT Z

Steuersparmodell, überhöhter Erbauzins, Wucher

Ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung undGegenleistung, das den Schluss auf eine verwerfliche Gesin-

nung des Begünstigten rechtfertigt, kann nicht allein deshalbverneint werden, weil mehrere Hundert Erwerber im Rahmeneines Steuersparmodells denselben oder einen annäherndgleichen Preis für ihre Immobilie bezahlt haben.

BGH, Urt. v. 17.6.2005, V ZR 220/04 (OLG Düsseldorf, LG Düsseldorf)

(ID 36054)

R E C H T S P R E C H U N G

vatwirkung der Grundrechte ist in der portugiesischen Ver-fassung sogar ausdrücklich kodifiziert.

6. Der Vorschlag der Study Group on a European Civil Code

Nach der Darstellung der Gemeinsamkeiten und Unterschie-de im Bürgschaftsrecht der Mitgliedstaaten folgte die Präsen-tation der Rechtsvereinheitlichungs-Vorschläge. Prof. UlrichDrobnig (Max-Planck-Institut, Hamburg) besprach zuerst dieVorschriften der Principles of European Contract Law (PECL)zum allgemeinen Vertragsrecht, die vor missbräuchlichenBürgschaften schützen können: Treu und Glauben und red-licher Geschäftsverkehr (Art. 1:201), übermäßiger Vorteil oderunangemessene Ausnutzung (Art. 4:109) und unangemesse-ne Bedingungen, die nicht individuell ausgehandelt wurden(Art. 4:110). Im Anschluss daran erläuterte er die spezifischenVorschläge zur Regelung der persönlichen Sicherheiten vonVerbrauchern, die eine von ihm selbst geleiteten Arbeitsgrup-pe innerhalb der Study Group on a European Civil Code erarbei-tet und 2005 bekannt gemacht hat. In diesem Regelungsvor-schlag beruht der Schutz des Verbraucher-Sicherungsgebers(Art. 401 bis 408) vor allem auf einem System von Aufklä-rungspflichten. Bemerkenswert ist unter anderem Art. 407, derdem Kreditgeber eine jährliche Pflicht auferlegt, den Siche-rungsgeber über die Höhe der gesicherten Schuld, einschließ-lich Zinsen und Gebühren, zu informieren. Dieses prozeduraleSchutzsystem werde dann von den o.g. allgemeinen PECL-Vor-schriften, die eine materielle Inhaltskontrolle ermöglichen, er-gänzt.

7. Schlussbetrachtungen

Das europäische Bild, das diese Tagung gezeichnet hat, wurdeanschließend von Dr. Mel Kenny (ZERP) und von der Verfasse-rin dieses Beitrags kommentiert.

In seinem Referat unterstrich Mel Kenny einige wesentlicheDivergenzen in der Behandlung der Bürgschaftsproblematik inden Mitgliedstaaten. Dabei unterschied er zwischen der Kon-stitutionalisierung in Deutschland, dem Pragmatismus in denNiederlanden und den engen materiellen und prozeduralenParametern des common law-Ansatzes. Er lenkte dann die Auf-merksamkeit auf das Verhältnis zwischen prozeduralen Kon-trollen (Aufklärungspflichten) und der sich daraus ergebendenBankenpraxis; auf die unterschiedlichen Abgrenzungen zwi-schen den Rechtsgebieten (Vertrags-, Eigentums-, Familien-und Insolvenzrecht); auf das Verständnis möglicher europäi-

scher Lösungen (Sozialrecht, Wettbewerb, Harmonisierung);auf den wahren Adressaten der verschiedenen nationalen Po-sitionen; sowie auf das bisher erreichte Schutzniveau. Dabeibetonte er, dass eine Konstitutionalisierung des Bürgenschut-zes nicht notwendig zu einem tatsächlich hohen Schutznive-au führen müsse. Schließlich brachte Kenny seine Freude da-rüber zum Ausdruck, dass bei dieser Tagung ein gelungener,konstruktiver Austausch zwischen den teilweise auch rechtunterschiedlichen und umstrittenen Positionen der Tagungs-teilnehmer stattgefunden hat. Zumindest in diesem Kontexthabe daher das Teubner’sche Modell des zweiköpfigen Janusbzw. der bedingten Kommunikation zwischen sich überlap-penden Rechtsordnungen21 keine Anwendung gefunden.

Zum Schluss versuchte die Verfasserin dieses Beitrags eine ersteSkizze der substantiellen Disparität zwischen den dargestell-ten Bürgenschutz-Systemen. Eine erste Trennlinie verläuft zwi-schen Ländern wie Italien und Portugal, in denen weder dieRechtsprechung noch der Gesetzgeber spezielle Abhilfe fürden nicht-unternehmerischen Bürgen entwickelt haben, undden übrigen Ländern. Innerhalb letzterer kann man dann einezweite Trennlinie zwischen den Ländern ziehen, die eher aufden materiellen Schutz bzw. auf die richterlichen Inhaltskon-trolle von Verträgen setzen, und denjenigen, die eher auf demprozeduralen Schutz bzw. auf Aufklärungspflichten abstellen.Frankreich, Deutschland und Österreich gehören zur erstenGruppe, während die Niederlande, England, Schottland und Ir-land zur zweiten zählen.22 Der Study Group-Vorschlag versucht,beide Systeme zu kombinieren. Das System der Inhaltskontrollebietet dem Bürgen grundsätzlich einen höheren Schutz als dasSystem der Aufklärungspflichten. Allerdings muss man beisolchen Ranking-Versuchen vorsichtig sein. Es ist nämlichmöglich, dass in einem Land das tatsächliche Schutzniveaumehr von den Besonderheiten der Rechtswirklichkeit und/oderder Wirtschaftspraxis als von der abstrakten materiellen Rechts-lage abhängt. Ein Vergleich solcher empirischen Grundlagensei daher unverzichtbar, um die substantiellen Unterschiedein der Behandlung nicht-unternehmerischer Bürgen in Euro-pa festzustellen. Zu jenen empirischen Grundlagen wird dasBremen-Oxford-Bürgschaftsprojekt im Herbst 2006 seine näch-ste Tagung veranstalten.

21 Teubner, in Schmidt/Weyers (Hrsg.), Liber Amicorum für Josef Esser, 1995, S. 191 ff.22 Belgien bezieht dabei eine Sonderstellung: Es weist Elemente von beiden Syste-

men auf, wobei die Inhaltskontrolle nur im Rahmen der Verbraucher-InsolvenzAnwendung findet. Vgl. Sagaert, in Colombi Ciacchi (Hrsg.), Protection of Non-Professional Sureties in Europe: Formal and Substantive Disparity, 2006 (im Er-scheinen).

Anlegerschutz | R E C H T S P R E C H U N G

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SachverhaltDie Parteien streiten über die Verpflichtung der Kläger zur Zah-lung von Erbbauzinsen. Am 28.10.1993/8.11.1993 schlossen dieKläger mit der GMP im Rahmen eines Steuersparmodells einenTreuhandvertrag. Darin beauftragten sie die GMP mit dem Erwerbeines anteiligen Erbbaurechts an einem Grundstück in D. und desSondereigentums an einer noch zu errichtenden Wohnung vonder C. GmbH (Rechtsvorgängerin der Beklagten, im folgenden:C.). Zugleich erteilten die Kläger der GMP die unwiderruflicheVollmacht zur Vornahme aller nach Ansicht der GMP für den Er-werb erforderlichen und zweckmäßigen Rechtshandlungen, auchzu der Unterwerfung der Kläger unter die sofortige Zwangsvoll-streckung in ihr gesamtes Vermögen. Die C. bestellte sich am22.12.1993 ein Eigentümererbbaurecht an dem Grundstück, legteden Erbbauzins auf 1.007.273,40 DM jährlich fest und unterwarfsich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermö-gen. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 3.3.1994 übertrugsie den von der GMP vertretenen Klägern Anteile an dem Erbbau-recht; der von ihnen für die Zeit bis zur Fertigstellung der Woh-nung zu zahlende Erbbauzins war in der an den Bauträger zu zah-lenden Vergütung enthalten. Die Kläger, wiederum vertretendurch die GMP, und andere Erbbauberechtigte vereinbarten mitnotariell beurkundetem Vertrag vom 15.11.1994 die Bildung vonWohnungs- und Teilerbbaurechten. In derselben Urkunde unter-warfen sie sich hinsichtlich des ab der Fertigstellung zu zahlendenErbbauzinses von 3.354,75 DM p.a. gegenüber dem Eigentümerder sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.Der Erbbauzins ist durch eine in dem Wohnungserbbaugrund-buch eingetragene Reallast für den jeweiligen Eigentümer des Erb-baugrundstücks gesichert.

Später veräußerte die C. das Grundstück an die Beklagte. Nach derFertigstellung von zwei Wohnanlagen mit insgesamt 232 Wohn-einheiten vermieteten die Kläger ihre Wohnung und machten dieErwerbskosten und sonstige Aufwendungen steuerlich geltend.Seit dem Jahr 2001 zahlen sie keinen Erbbauzins mehr, weil ernach ihrer Meinung sittenwidrig überhöht ist. Die Beklagte be-treibt die Zwangsvollstreckung wegen des rückständigen Erbbau-zinses aus dem Aufteilungsvertrag vom 15.11.1994.

Die Kläger halten den Vertrag und die Zwangsvollstreckungs-unterwerfungserklärung für nichtig. Mit ihrer Klage erstreben sie,die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären und die Be-klagte zur Herausgabe der ihr erteilten vollstreckbaren Ausferti-gung der Urkunde vom 15.11.1994 zu verurteilen. Die Beklagtehat Hilfswiderklagen erhoben, mit denen sie die Verurteilung derKläger zur Zahlung des rückständigen Erbbauzinses, die Rückab-wicklung des Erbbaurechtsübertragungsvertrages und die Heraus-gabe der von den Klägern vereinnahmten Mieten erreichen will.Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist er-folglos geblieben. Mit der von dem OLG zugelassenen Revision,deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Klägerihre Klageanträge weiter.

Aus den GründenI. (...).

II. (...).

1. Fehlerfrei – und von der Revision als für die Kläger günstignicht gerügt – ist das BerGer. allerdings davon ausgegangen,dass der zwischen den Klägern und der GMP abgeschlosseneTreuhandvertrag und die darin erteilten Vollmachten nach§ 134 BGB wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetznichtig sind. Das entspricht der neueren ständigen Recht-sprechung des Bundesgerichtshofs zu der rechtlichen Abwick-lung eines Grundstückserwerbs im Rahmen eines Bauträger-oder Bauherrenmodells durch einen Geschäftsbesorger, der –wie hier die GMP – keine Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG be-sitzt. Nichts anderes gilt für den hier vorliegenden Fall, dass imRahmen eines Steuersparmodells ein Erbbaurecht nebst dem

Sondereigentum an einer noch zu errichtenden Wohnung er-worben werden soll. Die GMP durfte alle für den Erwerb er-forderlichen Rechtshandlungen vornehmen; ihre Tätigkeitwar somit auf eine unerlaubte Rechtsbesorgung gerichtet.

2. Zu Recht hat das BerGer. auch angenommen, dass die GMPgemäß §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB gegenüber der C. beidem Abschluss des Vertrags am 15.11.1994 vertretungsbefugtwar.

a) Die §§ 171, 172 BGB sind auch dann anwendbar, wenn dieumfassende Bevollmächtigung des Geschäftsbesorgers – wiehier – unmittelbar gegen Art. 1 § 1 RBerG verstößt und deshalbnach § 134 BGB nichtig ist (BGH, Urt. v. 23.3.2004 – XI ZR194/02; Senat, Urt. v. 8.10.2004 – V ZR 18/04; Urt. v. 17.6.2005– V ZR 78/04, Umdruck S. 5 ff.). Die Beklagte ist auch nichtgehindert, sich auf den Rechtsschein nach §§ 171 Abs. 2, 172Abs. 2 BGB zu berufen, weil – wie die Kläger in anderemZusammenhang behaupten – die C. an der verbotenen Tätig-keit der GMP mitgewirkt habe. Nach § 173 BGB wird der guteGlaube des Vertragspartners an den gemäß §§ 171, 172 BGB ge-setzten Rechtsschein nur dann nicht geschützt, wenn er denMangel der Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechts-geschäfts kennt oder kennen muss. Daran fehlt es nach denFeststellungen des BerGer.

b) (...).

3. Ebenfalls zu Recht hat das BerGer. die Nichtigkeit des Ver-trags vom 15.11.1994 nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegendas RBerG verneint.

a) Ein Verstoß des Rechtsbesorgers gegen Art. 1 § 1 RBerG führtgrundsätzlich nicht zur Nichtigkeit der von ihm als Vertreterdes Auftraggebers abgeschlossenen Verträge (BGH, Urt. v.16.3.2004 – XI ZR 60/03). Etwas anderes kann aber dann gel-ten, wenn die andere Vertragspartei in einer Weise mit demRechtsbesorger zusammenarbeitet, dass ihre Tätigkeit als Be-teiligung an der unerlaubten Rechtsbesorgung angesehenwerden muss (BGH, Urt. v. 3.6.2003 – XI ZR 289/02; Urt. v.23.3.2004 – XI ZR 194/02). Das ist hier jedoch – auch wennman den Vortrag der Kläger zu der Einbindung der C. in dieKonzeption des Steuersparmodells als richtig unterstellt –nicht der Fall. (...). (wird ausgeführt)

4. Schließlich ist auch die Auffassung des BerGer. nicht zu be-anstanden, dass es den Klägern nach Treu und Glauben (§ 242BGB) verwehrt sei, sich gegenüber der Beklagten auf die Un-wirksamkeit der Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklä-rung zu berufen, weil die Kläger sich zu der Abgabe der Unter-werfungserklärung verpflichtet hätten (vgl. BGH WM 2005,828 (830)).

5. Zu Unrecht hat das BerGer. jedoch die Nichtigkeit des Ver-trags vom 15.11.1994 nach § 138 Abs. 1 BGB verneint. Diebisherigen Feststellungen tragen diese Auffassung nicht.

a) Gegenseitige Verträge können nach § 138 Abs. 1 BGB sit-tenwidrig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistungobjektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdemein weiterer Umstand hinzu kommt, der den Vertrag bei Zu-sammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmaleals sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insbesondere derFall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten her-vorgetreten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH,insbesondere des Senats, kann ein besonders grobes Missver-hältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, von dem beiGrundstücksgeschäften bereits dann auszugehen ist, wenn der

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Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert derGegenleistung, den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnungrechtfertigen (siehe nur Senat, BGHZ 146, 298 (302)).

b) Dies hat das BerGer. zwar nicht verkannt; es hat aber ein gro-bes oder auffälliges Missverhältnis zwischen dem von denKlägern zu zahlenden Erbbauzins und dem Wert der dafür er-langten Gegenleistung fehlerhaft verneint. Indem es ledig-lich die anderen 231 Wohnungserbbaurechte als Vergleich-sobjekte herangezogen und darauf abgestellt hat, dass für sieein vergleichbarer oder sogar gleich hoher Erbbauzins verein-bart worden war, hat es das Wertverhältnis zwischen Leistungund Gegenleistung in Wahrheit nicht ermittelt. Denn diese Be-trachtungsweise berücksichtigt nur den Wert der Leistung derKläger, nicht aber den Wert der Gegenleistung der Beklagten.Sie besteht in der anteiligen Belastung des Grundstücks zu-gunsten der Kläger mit dem Recht, darauf ein Bauwerk zu ha-ben. Der objektive Wert dieser Nutzungsüberlassung bestimmtsich nach der marktüblichen Verzinsung des dem Anteil derKläger an dem gesamten Erbbaurecht entsprechenden Grund-stückswerts am 15.11.1994. Die Frage der Marktüblichkeit darfhier nicht ausschließlich danach beantwortet werden, welcheVerzinsung bei der Bestellung der anderen 231 Erbbaurechtevereinbart wurde. Denn da sämtliche Rechte von einem ein-zigen Ausgeber zu dem von ihm einheitlich festgelegten Erb-bauzins angeboten wurden, fehlte es seinerzeit mangels an-derer Angebote an einem für die Preisbildung aussagekräftigenMarkt. Diese Situation war insoweit vergleichbar mit der, dassGemeinden Grundstücke in neu ausgewiesenen Gewerbege-bieten zu einem weit geringeren Preis als sonst üblich verkau-fen, um die Ansiedlung von Betrieben wegen der damit ein-hergehenden Vorteile für die Allgemeinheit zu fördern. Dieunter solchen Umständen zustande gekommenen Kaufpreisesind für einen Vergleich zum Zweck der Bodenwertermittlungnicht geeignet (Simon/Cors/Halaczinsky/Teß, Handbuch derGrundstückswertermittlung, 5. Aufl., B 2 Rn. 3). Die Vorge-hensweise des BerGer. hat – worauf die Revision zutreffendhinweist – zur Folge, dass bei der den örtlichen Markt prägen-den Bestellung einer großen Zahl von Erbbaurechten die Mög-lichkeit einer Nichtigkeit der Geschäfte nach § 138 Abs. 1BGB wegen wucherähnlicher Sittenwidrigkeit aufgrund einesgroben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleis-tung von vornherein ausscheidet, die Bestellung eines einzel-nen Erbbaurechts zu denselben Bedingungen aber dieserNichtigkeitsfolge unterliegen kann. Ein solches unterschiedli-ches Ergebnis ist nicht gerechtfertigt. Deshalb durfte das Ber-Ger. den beweisbewehrten Vortrag der Kläger, der von ihnenzu zahlende Erbbauzins sei um nahezu 250 % überhöht, nichtals unschlüssig ansehen, sondern musste ihm nachgehen.Das wird es nachzuholen haben und dabei für die Werter-mittlung auch auf die Bestellung von Erbbaurechten außer-halb von D. zurückgreifen müssen, damit es seiner Beurteilungeine ausreichende Zahl von geeigneten Vergleichsgeschäftenzugrunde legen kann. Die so ermittelte marktübliche Verzin-sung des Grundstückswerts – die, wie allgemein bekannt ist,bei der Neubestellung eines Erbbaurechts für den Geschoss-wohnungsbau durchschnittlich zwischen 4 % und 5 % beträgt(Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grund-stücken, 4. Aufl., VII Rn. 72) – ist für die Beurteilung des Wert-verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung mit demmit den Klägern vereinbarten Erbbauzins zu vergleichen. Da-bei muss das BerGer. auch berücksichtigen, dass dem Erwer-ber bei einem Steuersparmodell der Erwerb der Immobilieund die sonstigen Leistungen nicht gesondert, sondern als ein-heitliches Gesamtpaket angeboten werden; deshalb kann auch

nur ein besonders grobes Missverhältnis zwischen dem Ge-samtaufwand und dem Wert des gesamten „Leistungspakets“(unter Berücksichtigung der erzielbaren Steuervorteile) fürdie Frage der Sittenwidrigkeit des gesamten Vertragswerks be-deutsam sein (Senat WM 2004, 2349 (2351)).

c) Die Überlegung des BerGer., dass die C. die verlangten Preisenur deshalb erzielen konnte, weil eine entsprechende Nachfra-ge bestand, also viele Anleger zur Zahlung des hohen Erbbau-zinses freiwillig bereit waren, spielt für die Feststellung eines gro-ben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistungkeine Rolle. Spezielle Motive der Vertragsparteien erlangen je-doch für die Prüfung der subjektiven Seite der SittenwidrigkeitBedeutung. Denn die mit dem zulässigen Schluss auf die ver-werfliche Gesinnung des Begünstigten begründete und von demTatrichter bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigende tat-sächliche Vermutung kann dann nicht zur Anwendung kom-men, wenn sie im Einzelfall durch besondere, von dem Begün-stigten darzulegende und zu beweisende Umstände erschüttertist (BGHZ 146, 298 (305)). Zu solchen Umständen gehört auchder Fall, dass den Vertragsparteien das Wertverhältnis der bei-derseitigen Leistungen völlig gleichgültig war, weil der Erwer-ber zur (vermeintlichen) Steuerersparnis das Erbbaurecht aufjeden Fall erwerben wollte. Hierzu wird das BerGer. gegebenen-falls die erforderlichen Feststellungen treffen müssen.

6. Falls das BerGer. auch aufgrund der neuen Verhandlung denVertrag vom 15.11.1994 als wirksam ansieht, wird es der Be-klagten Gelegenheit geben müssen, zu ihrer Forderungsinha-berschaft vorzutragen. Dass sich diese nur aus einer Abtre-tungsvereinbarung mit der C. und nicht etwa aus der in demWohnungserbbaugrundbuch eingetragenen Reallast ergebenkann, ist bisher übersehen worden.

III. Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und dieSache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Ber-Ger. zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Umsetzung des EuGH-Urteils – Crailsheimer Volksbank –(C 229/04)

1. Die Vorgabe des EuGH aus dem Urteil vom 25.10.2006 (C-229/04), wonach die nationalen Rechtsordnungen für denSchutz des Verbrauchers zu sorgen haben, der bei einer imWeg des Haustürgeschäftes angebahnten Immobilienfinan-zierung nicht oder nicht richtig über sein Widerrufsrecht be-lehrt wurde (Art. 4 RiLi 85/577/EWG), ist in deutsches Rechtso umzusetzen, dass dieser Verbraucher im Schadensersatz-wege (Verschulden bei Vertragsschluss) so zu stellen ist, alshabe er weder den Darlehensvertrag, noch den Kaufvertragüber die Immobilie abgeschlossen. Der Bank stehen wederDarlehensvaluta noch evtl. Zinsen zu. Sie ist statt dessen aufdas risikobehaftete Anlageobjekt zu verweisen.2. Ein Nachweis, dass sich der Verbraucher bei zutreffenderBelehrung auch tatsächlich vom Darlehen gelöst hatte, istnicht erforderlich, da von einer entsprechenden Vermutungauszugehen ist. 3. Ein Notartermin zwischen erstem Hausbesuch und endgül-tiger Unterzeichnung des Kredits unterbricht die Kausalitätnicht (Fortdauer der Überumpellung), da die Belehrungs-pflicht nach § 17 BeurkG nur die rechtliche Tragweite undnicht die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit eines Geschäfts be-trifft.

OLG Bremen, Urt. v. 2.3.2006, 2 U 20/02 (LG Bremen)

(ID 37007)

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SachverhaltEine Bauträgerfirma ließ Anfang der neunziger Jahre in der Nähevon Stuttgart einen Komplex von Appartements errichten, dieinsbesondere an Geschäftsreisende vermietet werden sollten. DerAppartement-Komplex sollte von einer als Pächterin handelndenBetreiberfirma als Hotel betrieben werden. Die Appartementswurden in Form von Wohnungseigentum an Privatpersonen alssteuerlich vorteilhafte Kapitalanlage veräußert. Hierzu bedientesich der Bauträger einer von ihm beherrschten Vertriebsfirma, dieu.a. einen „Fahrplan“ der einzelnen zur Verwirklichung des Er-werbsgeschäfts und seiner Finanzierung notwendigen Schrittekonzipierte. Diese Vertriebsfirma schaltete wiederum selbständigeAnlagevermittler ein, darunter den Vermittler W. Die Finanzie-rung des Kaufes der Appartements vollzog sich in der Mehrzahlder Fälle so, dass ein erstrangig gesicherter Teilbetrag von eineranderen Bank (der D-Bank) und der zweitrangig gesicherte Restbe-trag von der Volksbank finanziert wurde, die bereits die Errich-tung des Objekts durch den Bauträger finanziert hatte. Im Februar1993 wurde das Gebäude fertig gestellt. Fünf Monate später stelltedie Betreiberfirma die Pachtzahlungen ein, und Anfang 1994 wur-de sie insolvent. Bis Ende 1993 zahlte die Bauträgerfirma den vor-gesehenen Pachtzins; 1995 ging sie in Konkurs. Die geplante Aus-lastung wurde nie erreicht. Die anschließend mit der Anlage er-zielten Einnahmen waren unzureichend. Der Beklagte stellteseine Zahlungen an die Volksbank ein. Nach der Kündigung desDarlehensvertrages durch den Beklagten klagte die Volksbank aufBegleichung ihrer Forderungen nebst Verzugszinsen. Der Klageder Volksbank gab das LG Bremen durch Urteil vom 4.12.2001statt. Mit Urteil vom 16.1.2003 hob das OLG das Urteil des LG aufund wies die Klage ab. Auf die von der Volksbank eingelegte Revi-sion hob der BGH das Urteil des OLG mit Urteil vom 27.1.2004auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung andieses Gericht zurück. Das OLG Bremen hat mit Beschluss vom27.5.2004 (VuR 2004, 292) gem. Art. 234 Abs. 2 EG den EuGH umVorabentscheidung ersucht; die Entscheidung des EuGH vom25.10.2005 ist abgedruckt in VuR 2005, 423.

Aus den GründenI. (...).

II. Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.Allerdings stehen dem Beklagten die vom Senat im Urteilvom 13.1.2003 zugestandenen Ersatzansprüche nach den in-soweit bindenden Ausführungen des BGH im Revisionsurteilvom 27.1.2004 ebenso wenig zu wie die bereits vom erken-nenden Gericht im genannten Urteil abgelehnten Einwände(A.). Der Beklagte hat aber den mit der Klägerin abgeschlos-senen Darlehensvertrag nach den §§ 1 Abs. 1, 2 HWiG wirk-sam widerrufen (B.). Allerdings finden die Regelungen desVerbrKrG über verbundene Geschäfte keine direkte Anwen-dung; eine analoge Anwendung kommt ebenso wenig in Be-tracht wie der auf Treu und Glauben gestützte Einwand, dassDarlehen und Erwerbsgeschäft eine wirtschaftliche Einheitdarstellten (C.) Die Klägerin muss den Beklagten aber vondem mit dem finanzierten Geschäft verbundenen finanziel-len Risiko entlasten, weil sie diesen nicht ordnungsgemäß übersein Widerrufsrecht nach dem HWiG in der bis zum 30.9.2000gültigen Fassung belehrt hat. Hierauf beruht die Klagabwei-sung (D.)

A. (...).

B. Der vom Beklagten (...) erklärte Widerruf des Darlehens-vertrages nach dem HWiG ist wirksam:

1. Der Senat hat aufgrund der von ihm durchgeführten Be-weisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen C. festgestellt,dass der Beklagte zu dem zwischen den Parteien unter dem6.10.1992 abgeschlossenen Darlehensvertrag in einer Haus-

türsituation i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG bestimmt worden ist.Der BGH hat in seinem Revisionsurteil vom 27.1.2004 dieAnnahme eines wirksamen Widerrufs nach dem HWiG nichtbeanstandet. (...).

2. (...).

3. Bereits das objektive Vorliegen einer Haustürsituation führtzur Anwendung des § 1 HWiG (BGH, Urt. v. 12.12.2005 – II ZR327/04 [VuR 2006, 98] unter Bezugnahme auf die Entscheidungdes EuGH vom 25.10.2005 – C 229/04 – [VuR 2005, 423]).

4. Der Senat hält schließlich an seiner Ansicht fest, dass dieHaustürsituation jedenfalls mitursächlich für den Abschlussdes Darlehensvertrages war und daher der Beklagte durchmündliche Verhandlungen im Bereich einer Privatwohnungzu dem Vertrag bestimmt worden ist. Nach ständiger Recht-sprechung des BGH ist hierfür ausreichend, dass der Hausbe-such für die Abgabe der Willenserklärung mitursächlich ist.Es genügt, dass der später geschlossene Vertrag ohne die Haus-türsituation nicht oder nicht so wie geschehen zu Stande ge-kommen wäre. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist nichterforderlich (BGH NJW 2006, 497), wenn auch bei zuneh-mendem zeitlichen Abstand die Indizwirkung für die Kausa-lität entfällt; dabei ist auf die Gesamtumstände des konkretenFalles abzustellen (BGHZ 131, 385 (392); NJW 2003, 1390;NJW 2003, 2529 (2530)).

Der Senat teilt nicht die Auffassung des OLG Jena in OLGR2005, 238, dass das Überraschungsmoment einer Haustür-situation generell entfällt, wenn anschließend ein notariellerKaufvertrag geschlossen oder ein notarielles Kaufangebot ab-gegeben und erst später der Darlehensvertrag abgeschlossenwird. Soweit das OLG Jena auf § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG ver-weist, betrifft dies, wie auch das OLG Jena nicht verkennt,unmittelbar nur die von einem Notar beurkundete Willenser-klärung. Die für diese Ausnahmeregelung maßgebliche Vor-stellung des Gesetzgebers, dass bei notariellen Verträgen imNormalfall das Überraschungsmoment fehlt und der Verbrau-cher auch durch die Belehrungspflichten des Notars nach§ 17 BeurkG geschützt wird, trifft jedoch nicht zwangsläufigauf eine einer Haustürsituation nachfolgende Beurkundung zuund macht insbesondere nicht die Prüfung entbehrlich, obim konkreten Fall der durch die Haustürsituation indizierteÜberrumpelungseffekt durch die nachfolgende Beurkundungaufgehoben wird (ebenso KG WM 2005, 596 (603)).

Die hier allein in Betracht kommende Beurkundung des An-gebots des Beklagten auf Abschluss des Treuhand- und Ge-schäftsbesorgungsvertrages – bei der Beurkundung des Kauf-vertrages wurde der Beklagte durch die T. GmbH vertreten –fand aber schon am 8.9.1992 statt, d.h. bereits einen Tag, nach-dem der Beklagte die vertrauliche Selbstauskunft (...) unter-zeichnet hatte. (...) Bei der vertraulichen Selbstauskunft han-delt es sich um eine Unterlage, deren Ausfüllung nach dem„Fahrplan zum Notarvertrag“ zum ,,1. Schritt“ der Vermitt-lungstätigkeit gehörte und „nach Klärung aller Einzelheiten“bei der Erstbesprechung erfolgen sollte. Der Senat hat deshalbkeinen ernsthaften Zweifel, dass deren Unterzeichnung beidem von den Zeugen C. bekundeten Hausbesuch bei ihnenerfolgte. Demnach fand der Beurkundungstermin nur einenTag nach der Haustürsituation und damit noch unter demunmittelbaren Eindruck dieses Gesprächs statt. Bereits diesersehr enge zeitliche Zusammenhang steht der Annahme ent-gegen, dass die Beurkundung die Überrumpelungssituationaufgehoben habe; vielmehr indiziert im Gegenteil dieser enge,fast ummittelbare zeitliche Anschluss, dass sich bei der Beur-

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kundung die am Vortage geschaffene Überraschungssituationnoch fortgesetzt hat. Der Senat vermag auch nicht zu erken-nen, dass die bei der Beurkundung vom Notar vorzunehmen-den Belehrungen geeignet gewesen wären, diese Überra-schungssituation zu beseitigen. Die nach § 17 BeurkG zuerteilenden Belehrungen betreffen die rechtliche Tragweite deszu beurkundenden Geschäfts, nicht die wirtschaftliche Sinn-haftigkeit der vom beurkundeten Angebot auf Abschluss ei-nes Treuhandvertrages betroffenen Rechtsgeschäfte und derenwirtschaftliche Folgen. Die Überrumpelung bezieht sich da-gegen vor allem darauf, ob für den angesprochenen und zu derBeurkundung veranlassten Verbraucher das durch den Treu-handvertrag in die Wege geleitete Vertragskonglomerat ausKauf- und Darlehensvertrag eine für ihn wirtschaftlich sinn-volle Anlage ist (s.a. Stüsser, NJW 1999, 1586 (1589 f.)).

Angesichts dieser Beurkundung spielte der anschließendezeitliche Ablauf bis zum tatsächlichen Abschluss des Dar-lehensvertrages am oder nach dem 6.10.1992 keine entschei-dende Rolle mehr. Der Beklagte hatte aus seiner damaligenSicht mit der Beurkundung des ihn für drei Monate bindendenAngebots vollendete Tatsachen geschaffen, denn damit warder Erwerb der Anlage endgültig in die Wege geleitet; der Ab-schluss des zur Finanzierung benötigten Darlehensvertragesstellte sich für ihn als zwangsläufige Folge dieser Entscheidungdar. Für den Beklagten war damit die maßgebliche Entschei-dung gefallen. Ein erneuter Anlass, dennoch bis zum Abschlussdes Darlehensvertrages diese Entscheidung zu überdenken,was zu einer Beendigung der Überrumpelungssituation hätteführen können, ist weder ersichtlich noch dargetan (s.a. KGWM 2005, 596 (603)). (...).

5. Entgegen der Ansicht des LG ist bei richtlinienkonformerAuslegung des § 5 Abs. 2 HWiG der Widerruf nach dem HWiGzulässig gewesen und (...) rechtzeitig erklärt worden. Die vonder Klägerin erteilte Belehrung enthielt mit dem Hinweis auf§ 7 Abs. 3 VerbrKrG eine nach § 2 Abs. 1 S. 3 HWiG a.F., un-zulässige „andere Erklärung“ und genügte damit nicht den An-forderungen des § 2 HWiG a.F. (s. BGHZ 159, 280 (286 f.)).

C. Mit dem wirksam erklärten Widerruf des Darlehensvertra-ges erlischt jedoch nicht die Verpflichtung des Beklagten zurRückzahlung der Darlehensvaluta nach § 9 VerbrKrG (in derFassung bis zum 30.9.2000) in direkter oder analoger Anwen-dung:

Der Senat hält an der im Urteil vom 16.1.2003 vertretenen undvom BGH nicht beanstandeten Auffassung fest, dass der demBeklagten gewährte Kredit ein Realkredit i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 2VerbrKrG ist und deshalb § 9 VerbrKrG nicht zur Anwendungkommt. (...).

Entgegen der Ansicht des LG findet § 9 VerbrKrG auch keineanaloge Anwendung. Nach der für den Senat gemäß § 563 Abs.2 ZPO bindenden Auffassung des BGH hat der Gesetzgeber mitden §§ 3 Abs. 2 Nr. 2, 9 VerbrKrG Realkredite bewusst aus demGeltungsbereich des § 9 VerbrKrG ausgenommen, was einenRückgriff auf die richterrechtlich entwickelten Grundsätzeüber den Einwendungsdurchgriff grundsätzlich ausschließt(s. BGH NJW 2004, 1367). (...).

D. Die Klägerin hat aber den Beklagten von den wirtschaft-lichen Risiken zu entlasten, die dieser trägt, weil er von der Klä-gerin nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrtwurde:

1. Nach den Vorabentscheidungen des EuGH vom 26.10.2005zu C 350/03 und C 229/04 [VuR 2005, 419 und 423] ver-

pflichtet Art. 4 der Richtlinie 85/577/EWG (im Folgenden:RiLi) die Mitgliedsstaaten dafür zu sorgen, dass ihre Rechts-vorschriften die Verbraucher vor den Risiken einer über einDarlehen finanzierten Kapitalanlage schützen, wenn die Ver-braucher nicht nach Art. 4 S. 1 RiLi vom Kreditgeber über ihrWiderrufsrecht belehrt wurden und es daher nicht über dieAusübung des Widerrufsrechts vermeiden konnten, sich denRisiken der Kapitalanlage auszusetzen. Der Schutz des Ver-brauchers hat dadurch zu erfolgen, dass das Kreditinstitut, wel-ches seiner Belehrungspflicht nicht nachgekommen ist, dieFolgen der Verwirklichung dieser Risiken trägt. Sache der na-tionalen Gerichte ist es, bei der Anwendung der Bestimmun-gen des innerstaatlichen Rechts zur Umsetzung dieser Richt-linie das gesamte nationale Recht zu berücksichtigen und esso weit wie möglich so auszulegen, dass das soeben skizzierteErgebnis erzielt wird (s.a. EuGH NJW 2004, 3547 (3550)).

2. (...).

a) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der vorliegende Fallunmittelbar der Haustürgeschäftsrichtlinie unterfällt. Nachdem oben festgestellten Sachverhalt wäre dies zu verneinen,denn der Senat geht von einer Haustürsituation vor Abgabe derauf Abschluss des Darlehensvertrages abzielenden Willenser-klärung aus; die Richtlinie stellt auf einen in einer Haustür-situation abgeschlossenen Vertrag oder auf ein in solcherSituation gemachtes Vertragsangebot des Verbrauchers ab(Art. 1 RiLi). Wie gleichfalls oben bereits diskutiert, kommtaber auch in Betracht, dass der Beklagte nach dem 6.10.1992den Darlehensvertrag selbst in einer Haustürsituation unter-zeichnet hat. Dies bedarf aber keiner weiteren Klärung, dennnach der Rechtsprechung des BGH, von der abzuweichen kei-ne Veranlassung besteht, ist die richtlinienkonforme Ausle-gung auch auf solche Verträge zu erstrecken, die zwar nicht un-mittelbar der Richtlinie unterfallen, die aber nach nationalemRecht die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts erfüllen(BGHZ 150, 248 (260 f.)).

b) - d) (...).

3. Nach Auffassung des Senats lassen sich die Vorgaben desEuGH über die Grundsätze des Verschuldens bei Vertragsab-schluss in das nationale Recht umsetzen. (...).

a) Der EuGH sieht in der vom Gewerbetreibenden nach Art. 4S. 1 RiLi vorzunehmenden Belehrung eine Rechtspflicht, anderen Unterlassung für den Pflichtigen nachteilige Folgen an-geknüpft werden. Allerdings hat der Bundesgesetzgeber dieVornahme der Belehrung in § 2 Abs. 1 S. 2 und S. 3 HWiG ineiner Weise ausgestaltet, dass die h.M. sie als bloße Obliegen-heit der „anderen Vertragspartei“ angesehen hat (BGHZ 109,127 (130)). Gefolgert wurde dies daraus, dass die Wirksamkeitder vom Kunden abgegebenen Erklärung durch den unterlas-senen fristgerechten Widerruf aufschiebend bedingt war, sodass es im Interesse des Vertragspartners/Gewerbetreibendenlag, durch eine taugliche Widerrufsbelehrung die Wochen-frist in Gang zu setzen und damit die Wirksamkeit der seinenErfüllungsanspruch begründenden Willenserklärung des Kun-den herbeizuführen. Diese Betrachtung stellte ausschließlichauf die Wirkungen auf den betreffenden Vertrag ab und be-rücksichtigte nicht auch die mit dem Darlehen wirtschaftlichunmittelbar zusammenhängenden weiteren Verträge. Hat –entsprechend den Ausführungen des EuGH – die Belehrungüber den Widerruf auch die Funktion, dem Verbraucher dieMöglichkeit zu eröffnen, sich von dem mit dem Darlehen zufinanzierenden Geschäft zu lösen bzw. von diesem Abstandzu nehmen, ist die Belehrung jedenfalls im Hinblick hierauf als

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echte Verpflichtung einzustufen, deren Verletzung Schadens-ersatzansprüche nach sich ziehen kann. Dieses Verständnisentspricht zudem der in Art. 4 RiLi gewählten Formulierung(„Der Gewerbetreibende hat den Verbraucher (...) über seinWiderrufsrecht (...) zu belehren“) und wird durch die Wort-wahl in § 2 Abs. 1 S. 2-4 HWiG nicht ausgeschlossen; so wur-de dem ähnlich formulierten § 361a Abs. 1 BGB a.F., der § 2HWiG ablöste, im Hinblick auf eine andere rechtliche Kon-struktion des Widerrufs (nunmehr schwebende Wirksamkeitder Erklärung) die Qualität einer Rechtspflicht zugemessen(s. Palandt-Heinrichs, 61. Aufl., § 361a Rn. 10).

b) Die Klägerin hat diese Verpflichtung verletzt. Wie oben be-reits ausgeführt, entsprach die von ihr dem Beklagten erteilteWiderrufsbelehrung nicht den Vorgaben des § 2 Abs. 1 S. 3HWiG, weil sie andere Erklärungen i.S.d. Vorschrift enthielt.Nach Auffassung des Senats sind derartige untaugliche Wider-rufsbelehrungen jedenfalls dann einer nicht erteilten gleich zustellen, wenn ihre Tauglichkeit nicht allein an formellen Män-geln scheitert, sondern ihre Mangelhaftigkeit sich aus einer in-haltlichen und den Verbraucher irreführenden Fehlerhaftig-keit ergibt. Dies ist hier der Fall, denn die Belehrung enthältden Zusatz, dass der Widerruf als nicht erfolgt gilt, wenn derVerbraucher ein bereits empfangenes Darlehen nicht binnenzwei Wochen zurückzahlt. (...).

c) Dass die Pflicht zur Widerrufsbelehrung zum Zeitpunkt derAbgabe der Willenserklärung des Anlegers besteht, steht derAnnahme einer vorvertraglichen Sonderverbindung (...) nichtentgegen. Die Wirksamkeit des Haustürgeschäfts trat nachder von § 1 Abs. 1 HWiG gewählten rechtlichen Konstruktionerst mit Ablauf der Wochenfrist nach erteilter Widerrufsbe-lehrung ein. Im Übrigen wäre die Alternative nicht etwa kei-ne Haftung der Klägerin, sondern eine Haftung aus positiverVertragsverletzung.

d) Fraglich könnte allerdings sein, ob der Klägerin diesePflichtverletzung als verschuldet anzulasten ist (§§ 276, 282BGB a.F. analog). Der BGH hat mit Urteil vom 3.11.1998 (XIZR 346/97) dem in § 5 Abs. 2 HWiG festgelegten Vorrang desVerbrKrG die Unanwendbarkeit des HWiG auch bei verbun-denen Geschäften i.S.d. § 9 VerbrKrG entnommen. Bereitsmit Beschluss vom 13.5.1998 (WM 1999, 74) und mit Urteilvom 26.8.1998 (WM 1999, 1419) hatte das OLG Stuttgart beiRealkrediten i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG eine teleologi-sche Reduktion des § 5 Abs. 2 HWiG, wie sie für unter § 3 Abs. 1VerbrKrG fallende Kredite diskutiert wurde (s. MüKo-Ulmer, 3.Aufl., 1995, § 5 HausTWG Rn. 15 m.w.N.), abgelehnt (ebensoOLG München WM 1999, 1418 f.) und sich dabei auch mitder Frage befasst, ob dieses Ergebnis mit der Richtlinie 85/577EWG zu vereinbaren sei, was unter Hinweis auf Art. 3 Abs. 2bzw. 2a der Richtlinie bejaht worden war. Diese Ansicht ent-sprach der damals wohl überwiegenden Meinung, zu der esaber auch gewichtige Gegenmeinungen gab, die das Wider-rufsrecht nach dem HWiG nur dann über § 5 Abs. 2 HWiGausgeschlossen wissen wollten, wenn das vorrangig anzu-wendende Gesetz dem Verbraucher einen effektiven Schutzbiete. Der BGH nahm diesen Streit mit Beschluss vom30.11.1999 zum Anlass eine Vorabentscheidung des EuGH ein-zuholen, und vertrat dabei die Ansicht, dass zwar Art. 3 Abs.2a der Richtlinie 85/577 EWG sich auf solche Realkredite nichtbeziehe, aber auch nicht ausschließe, bei bestimmten Ver-tragstypen für Haustürgeschäfte kein Widerrufsrecht vorzuse-hen (NJW 2000, 521 (523)). Der EuGH hat gleichfalls Art. 3Abs. 2.a RiLi nicht für einschlägig gehalten, aber unter Hinweisdarauf, dass Ausnahmen von gemeinschaftsrechtlichen Ver-

braucherschutzvorschriften eng auszulegen seien, Realkrediteals vom Schutz der Richtlinie erfasst angesehen mit dem nachAuffassung des Senats einleuchtenden und auch naheliegen-den Argument, dass der Schutz eines Verbrauchers bei außer-halb der Geschäftsräume des Gewerbetreibenden abgeschlos-senen Verträgen nicht dadurch entbehrlicher wird, dass derKreditvertrag durch ein Grundpfandrecht abgesichert wird.

Angesichts dieses Diskussionsstandes mögen ab Veröffent-lichung der Entscheidung des BGH Mitte Dezember 1998 dieVoraussetzungen für einen unverschuldeten Rechtsirrtum derBanken über des Vorliegen eines Haustürgeschäfts bei Realkre-diten vorgelegen haben (so das OLG Stuttgart WM 2005, 972(975)). Für den davor liegenden Zeitraum und insbesonderefür die hier relevante Zeit September/Oktober 1982 gab es einesolche höchstrichterliche Klärung noch nicht. (...). Ob mandennoch „angesichts des an sich klaren Wortlauts des § 5 Abs. 2HWiG und der damals allgemein noch geringen Sensibilitätgegenüber den den deutschen Gesetzen zugrunde liegendeneuropäischen Richtlinien“ (so dass OLG Stuttgart WM 2005,972 (975)) das Vertrauen der Banken auf den Gesetzeswortlautfür unverschuldet hält, obwohl das Risiko mangelnder Richt-linienkonformität erkennbar war, hält der Senat nicht für un-zweifelhaft. Immerhin hat die gleichfalls mit der Finanzierungdes betreffenden Objekts befasste D.-Bank für ihr – mit einemerstrangigen Grundpfandrecht gesichertes – Darlehen eineBelehrung nach dem HWiG erteilt, was belegt, dass bereits da-mals bei den mit solchen Krediten befassten Banken ein ent-sprechendes Problembewusstsein vorhanden war.

e) Nach Auffassung des Senats kann die Verschuldensproble-matik aber letztlich dahinstehen, weil die vom EuGH verlangteRisikoverlagerung auch ohne Feststellung eines echten Ver-schuldens zu erfolgen hat und § 276 Abs. 1 BGB a.F. eine Haf-tung bei nur objektiv pflichtwidrigem Verhalten nicht aus-schließt:

Der EuGH knüpft die von ihm verlangte Risikoverlagerungvom Verbraucher auf die finanzierende Bank allein daran an,dass das Kreditinstitut seiner Belehrungspflicht nicht nachge-kommen ist, der Verbraucher aber bei rechtzeitiger Belehrunges hätte vermeiden können, sich den Risiken des finanziertenGeschäfts auszusetzen. (...). § 276 Abs. 1 BGB a.F. steht einersolchen nur an eine objektive Pflichtwidrigkeit anknüpfendenHaftung nicht entgegen. Vielmehr enthielt die Norm den aus-drücklichen Vorbehalt, dass der Schuldner Vorsatz und Fahr-lässigkeit zu vertreten hat, sofern nicht ein anderes bestimmtist. Andere Bestimmungen i.d.S. fanden sich z.B. in § 279 BGBsowie in den Sachmangelvorschriften des Kauf-, Miet- undWerkvertragsrechts, die zu verschuldensunabhängigen Ein-standspflichten führten bzw. führen. Der Senat sieht sich nichtgehindert, das auch den nationalen Gerichten gegenüber aus-gesprochene Gebot des EuGH nach einer von der Feststellungeines konkreten Verschuldens unabhängigen Haftung desKreditinstituts bei unterlassener Widerrufsbelehrung dadurchin das nationale Recht umzusetzen, dass den maßgeblichenEntscheidungen für den dort angesprochenen Haftungsfalleine andere Bestimmung i.S.d. § 276 Abs. 1 BGB a.F. entnom-men wird. (...).

f) Nach Vornahme der Belehrung hätte der Beklagte die Mög-lichkeit gehabt, sowohl den Kreditvertrag zu widerrufen alsauch von dem finanzierten Kauf wieder Abstand zu nehmen:

Allerdings vermag der Senat nicht die Ansichten zu teilen, dieunter Hinweis auf die eher vom Zufall abhängige Reihenfolgevon Kauf- und Darlehensvertrag nach einer für beide ursäch-

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lichen Haustürsituation dem Verbraucher auch die Möglich-keit eröffnen wollen, sich von einem vor dem Darlehensver-trag abgeschlossenen Kaufvertrag zu lösen (so z.B. Derleder,BKR 2005, 441 (449) und Knops, WM 2006, 70 (74)). (...).

Der vorliegende Fall bietet allerdings eine Besonderheit, die imErgebnis die zeitliche Reihenfolge zwischen dem Darlehens-vertrag (6.10.1992) und dem Kaufvertrag (29.9.1992) unbe-achtlich bleiben lässt. Der Kaufvertrag wurde abgeschlossenaufgrund einer notariellen Vollmacht, die wiederum im Zugeund als Bestandteil eines Treuhand- und Geschäftsbesor-gungsvertrages erteilt wurde. Dieser ist einschließlich der er-teilten Vollmacht wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 Abs. 1RBerG gemäß § 134 BGB nichtig. Der durch eine tauglicheWiderrufsbelehrung zum Widerruf veranlasste Beklagte hättesich daher nicht darauf beschränken können und müssen,die Erfüllung des bereits kontrahierten Kaufvertrages zu ver-weigern, sondern hätte sich unter Berufung auf dessen Nich-tigkeit von ihm lösen und damit die nachteiligen wirtschaft-lichen Folgen dieses Vertrages vermeiden können.

Der Senat hat bereits im Urteil vom 16.1.2003 die Auffassungvertreten, dass der Treuhand- und Geschäftsbesorgungsvertraggegen das RBerG verstößt und damit nichtig ist. Der Senatsieht keine Veranlassung, diese Auffassung aufzugeben. Nachden vom IX. Zivilsenat des BGH (BGHZ 145, 265 (269 ff.))entwickelten und vom XI. Senat übernommenen (BGH NJW2001, 3774) Rechtsgrundsätzen bedarf derjenige, der aus-schließlich oder hauptsächlich die rechtliche Abwicklung ei-nes Grundstückserwerbs im Rahmen eines Bauträgermodellsfür den Erwerber besorgt, der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 1S. 1 RBerG; ein ohne diese Erlaubnis abgeschlossener derarti-ger Vertrag ist gemäß § 134 BGB nichtig. Die dem Geschäfts-besorger erteilten Vollmachten werden von dieser Nichtigkeiterfasst (BGH NJW 2004, 2378). Der auf Antrag des Beklagtenvom 8.9.1992 abgeschlossene Vertrag mit der T. GmbH ist einsolcher als Geschäftsbesorgungsvertrag zu qualifizierenderTreuhandvertrag, mit dem die T. GmbH beauftragt wurde, imNamen des Beklagten „alle tatsächlichen und rechtlichenHandlungen vorzunehmen, die unmittelbar oder mittelbardazu dienen, den in der Anlage 1 näher bezeichneten Grund-besitz“ (das später vom Beklagten erworbene Appartement)„zu erwerben und die im Zusammenhang mit dem Erwerb vor-gesehenen Geschäftsbesorgungsverträge mit Dritten zu schlie-ßen. Der Treugeber beauftragt den Treuhänder im Rahmen die-ses Vorhabens, für ihn alle Aufgaben zu übernehmen, die mitden Rechten und Pflichten eines Erwerbers – bis zum Vollzugdes Eigentumserwerbs – zusammenhängen“ (so die Präambeldes „Angebot(s) zum Abschluss eines Treuhandvertrages“).(...). Die T. GmbH übernahm hiermit eine Vielzahl von Tätig-keiten mit mannigfaltigem Beratungsbedarf und Gestaltungs-spielraum, die weit über den Bereich bloßer und nicht geneh-migungspflichtiger Hilfsgeschäfte zur kaufmännischenTätigkeit nach Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG hinausgingen. (...).

Der Senat hält zudem an seiner Auffassung fest, dass es der Sch.KG als Verkäuferin verwehrt gewesen wäre, sich gem. § 171Abs. 1 BGB oder § 172 Abs. 1 BGB oder nach allgemeinenGrundsätzen der Duldungsvollmacht auf ihren guten Glaubenan die Wirksamkeit der Vollmacht zu berufen. (...). Wie dererkennende Senat im Urteil vom 13.1.2003 bereits ausgeführthat, beruht aber die vorliegende Vertragskonstruktion desSteuersparmodells samt Vollmacht und „Fahrplan“ auf einervon der Sch. KG über Firmen ihrer Unternehmensgruppe undüber eine generell eingeschaltete Treuhänderin umgesetztenKonzeption, die es rechtfertigt, die Sch. KG nicht als dem Ver-

trauensschutz unterliegende Dritte, sondern als für die verbo-tene Rechtsberatung Mitverantwortliche anzusehen. Soweitder V. Zivilsenat darauf verweist, dass das RBerG den Rechts-suchenden vor sachunkundigen unbefugten Rechtsberaternschützen, nicht aber generell den Abschluss von Verträgen mitDritten verhindern soll (NJW 2005, 2983 (2984)), folgt aus die-sem Argument nach Auffassung des erkennenden Senatsnicht, dass der Bauträger, der die verbotene Rechtsberatungin seiner Vertriebskonzeption einbezieht und mitträgt, Ver-trauensschutz beanspruchen kann. Der Zweck des RBerG, imInteresse einer reibungslosen Abwicklung des Rechtsverkehrsfachlich ungeeignete oder unzuverlässige Personen von der ge-schäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheitenfern zu halten, würde verfehlt, wenn der Rechtsberater trotzUnwirksamkeit des zu Grunde liegenden Geschäftsbesor-gungsvertrages die rechtliche Befugnis behielte, seine gesetz-lich missbilligte Tätigkeit zu Ende zu führen und in binden-der Weise Rechtsgeschäfte zu Lasten seiner durch dieVerbotsnorm geschützten Auftraggeber abzuschließen (BGHNJW 2004, 841 (843) m.w.N.). Dem Nichtigkeitsverdikt des§ 134 BGB kann der Berater daher nicht mit dem Einwandbegegnen, dass er von dem Verbot nichts gewusst habe. EineRechtsprechung, der der Treuhänder die Wirksamkeit derarti-ger Treuhand- und Geschäftsbesorgungsverträge nebst Voll-machten hätte entnehmen können, die ein schützenswertesInteresse am Fortbestand dieser Rechtsprechung hätte be-gründen können (BGHZ 132, 119 (129 ff.)), gab es 1992 nicht.Allein der Umstand, dass in der damaligen notariellen Beur-kundungspraxis Bedenken gegen diese Verträge nicht bestan-den, weswegen kein Verschulden der damit befassten Notarevorgelegen haben soll (so BGHZ 145, 265 (275 ff.)), schuf ei-nen derartigen Vertrauenstatbestand nicht. Warum dennochder Vertrauensschutz es gebieten soll, dass der die verboteneRechtsberatung veranlassende und von ihr profitierende Bau-träger sich dem Nichtigkeitsrisiko der von ihm gewähltenVertriebskonstruktion durch Hinweis auf seinen guten Glau-ben entziehen kann, erschließt sich dem Senat nicht. DieHervorrufung des Rechtsscheins einer wirksamen Bevoll-mächtigung ist der Sch. KG als Initiatorin und Konzeptträge-rin mindestens in gleichem Maße zuzurechnen wie dem Be-klagten, der sich lediglich auf die ihm präsentierte fertigeVertriebskonzeption eingelassen hat (s.a. BGH NJW 2004,2736 (2737); BayObLG NJW-RR 2003, 1553 (1554)).

Daher hätte bei zutreffender Belehrung über den Widerrufder Beklagte nicht nur über diesen die Wirksamkeit des Dar-lehensvertrages verhindern, sondern auch unter Berufungauf die Nichtigkeit des Kaufvertrages sich von letzterem lösenkönnen. Dem steht nicht entgegen, dass 1992/1993 für derar-tige Vertragstypen ein möglicher Verstoß gegen das RBerGnicht diskutiert wurde (s. Diskussionsstand in BGHZ 145, 265(277 ff.)). Dass bei Verträgen mit derart umfassenden Befug-nissen für den Treuhänder ein Verstoß gegen das RBerG ernst-haft erwogen werden konnte, war, wenn auch vielleicht nichthandgreiflich, so doch jedenfalls für einen von einem Man-danten um Rechtsrat ersuchten Rechtsanwalt eine erkenn-bare und nicht unrealistische Verteidigungsstrategie gegen ei-nen aus dem Kaufvertrag hergeleiteten Erfüllungsanspruch.Das RBerG war 1992 durchaus Gegenstand juristischer Wahr-nehmung, so im Hinblick auf die Regulierung fremder Schul-den (BGH NJW 1987, 3003), Verhandlungen mit Gläubigernüber ein Sanierungskonzept (BGHZ 102, 128), die Ermittlungunbekannter Erben mit dem Ziel, sich von diesen mit der Erb-schaftsabwicklung beauftragen zu lassen (BGH NJW 1989,2125), und die Rechtsverfolgung durch Inkassoinstitute

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(BVerwG NJW 1991, 58; OLG Hamm MDR 1992, 1187). Diein BGHZ 145, 277 gemachten Erwägungen enthalten keineÜberlegungen, die ein Rechtsanwalt und ein Gericht nichtbereits 1992/1993 hätten anstellen können. Dies betrifft ins-besondere die Abgrenzung einer Bauträgerschaft zu der nachder Entscheidung des BGH vom 11.6.1976 (NJW 1976, 1635)erlaubnisfreien Vollbetreuung durch einen gewerblichen Bau-betreuer oder durch ein Baubetreuungsunternehmen. Insbe-sondere der vom BGH in BGHZ 145, 278 zitierte Kommentardes Informationsdienstes des Deutschen Notarinstituts ausdam DNotI-Report 2000, 85 zu dem dortigen Berufungsurteil(auf der Suche nach „immer neuen rechtlichen Möglichkei-ten“ sei man nun auf die Rüge eines Verstoßes gegen das RBerGverfallen) spricht allerdings für eine damalige Unwilligkeit,sich ernsthaft mit diesen Argumenten auseinander zu setzen.Das mag die ohne jedes Problembewusstsein erfolgte Beur-kundungspraxis der Notare erklären, rechtfertigt aber nicht dieSchlussfolgerung, dass im Zuge einer mandantengerechten Be-ratung der Beklagte nicht die Nichtigkeit aus § 134 BGB i.V.m.Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG vorgebracht hätte.

g) Der Senat teilt die Auffassung, dass der Beklagte nicht kon-kret den Nachweis führen muss, dass er bei erteilter zutreffen-der Widerrufsbelehrung den Widerruf auch tatsächlich ausge-übt hätte. Vielmehr ist zur effektiven Umsetzung der Vorgabendes EuGH zugunsten des Verbrauchers von der – widerleg-lichen – Vermutung auszugehen, dass er sich nach einer der-artigen Belehrung innerhalb der Widerrufsfrist zu einemWiderruf entschlossen und auch im Übrigen alle erforder-lichen Schritte unternommen hätte, um die vertraglichen Bin-dungen an das Anlagengeschäft zu beseitigen, was ihm nachobigen Ausführungen gelungen wäre.

Eine derartige Vermutung ist dem deutschen Recht nichtfremd. Nach st. Rspr. des BGH ist derjenige, der vertraglicheoder vorvertragliche Aufklärungs- oder Beratungspflichten ver-letzt, dafür beweispflichtig, das der Schaden auch eingetretenwäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschä-digte also den Rat oder Hinweis nicht befolgt hätte (s. BGHZ121, 151 (159 f.) m.w.N.). Allerdings liegt die Besonderheitder die Kreditinstitute nach Art. 4 RiLi treffenden Pflicht zurBelehrung über das Widerrufsrecht darin, dass der Inhalt die-ser Belehrung gewissermaßen verhaltensneutral ist. Dem Ver-braucher ist zwar die Möglichkeit aufzuzeigen, sich über denWiderruf von dem in einer Haustürsituation abgeschlossenenVertrag zu lösen, ihm werden aber keine Hinweise erteilt, diesich auf den Inhalt und die Sinnhaftigkeit des betreffendenVertrages beziehen. Die Ausführungen des EuGH basieren je-doch erkennbar auf der Überlegung, dass eine – ordnungsge-mäße – Belehrung über das Widerrufsrecht tauglich ist, denVerbraucher aus der durch den Hausbesuch geschaffenenÜberraschungs- und Überrumpelungssituation zu befreienund ihm die Möglichkeit zu eröffnen, die Zweckmäßigkeitder eingegangenen Verpflichtungen zu überdenken. Dabei istin den vorliegenden Fällen nicht auf das Darlehen selbst ab-zustellen; dass die dem Beklagten gewährten Darlehenskon-ditionen den damaligen Marktverhältnissen nicht entspro-chen hätten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehrist auf die mit dem Darlehen finanzierte Anlage abzuheben,denn allein auf dieser Anlagenentscheidung beruht der Ent-schluss zur Darlehensaufnahme.

Nach den aus der Selbstauskunft des Beklagten ersichtlichenEinkommens- und Vermögensverhältnissen war dar Erwerbdes Appartements aber für ihn unvernünftig und untunlich.Einem monatlichen Einkommen von DM 2.700,68 und einem

Bankguthaben von DM 1.000,- standen monatliche Ausga-ben von DM 1.546,43 gegenüber, wobei die Aufstellung kei-nerlei Mietaufwendungen für den Beklagten berücksichtigte.Der Beklagte wohnte damals – ohne Kostenbeteiligung – beiseinen Eltern. DM 296,43 waren einkalkuliert als monatlicheZahlungen auf eine Beteiligung an einem Immobilienfonds,deren Verkehrswert mit DM 50.000,- angegeben wurde und diemit einem Restdarlehen von DM 38.836,80 und einer Vorfi-nanzierung über 10.956,- finanziert worden war. Weitere DM1250,- waren als Lebenshaltungskosten berücksichtigt.

Der Beklagte verfügte also weder über ein nennenswertes Ei-genkapital noch über ein für eine – weitere – Finanzierungeinzusetzendes Einkommen, wenn man berücksichtigt, dassder Beklagte als zum Zeitpunkt des Vermittlungsgesprächs be-reits Einunddreißigjähriger in absehbarer Zeit eigene Mietauf-wendungen zu erwarten hatte. Seine Möglichkeit, die laufen-den monatlichen Belastungen von DM 934,- für das Darlehender Klägerin und DM 715,- für das Darlehen der D-Bank zubedienen, war damit – neben dem Fortbestand der einkalku-lierten Steuervorteile – entscheidend davon abhängig; dassdie für sein Appartement prognostizierten monatlichen Pacht-einnahmen von DM 888,- aus dem Objekt dauerhaft erzieltwerden konnten. (...). Angesichts dieser Risikostruktur verbotsich bei vernünftiger Überlegung für Anleger ohne freies Ein-kommen und nennenswertes Vermögen eine solche Anlagevon vornherein. (...).

h) Als Folge dieser Pflichtverletzung ist nach der Recht-sprechung des EuGH der Beklagte zu Lasten der Klägerin vonden besonderen Risiken des finanzierten Geschäfts zu befreien,wobei der Gerichtshof neben dem Risiko eines überhöhtenKaufpreises insbesondere das Risiko anführt, dass sich die ver-anschlagten Mieteinnahmen nicht erzielen lassen und dasssich die Erwartungen in Bezug auf die Entwicklung des Im-mobilienpreises als falsch erweisen. Nach Ansicht des Senatslässt sich diese Risikoverlagerung entsprechend den zu denverbundenen Geschäften nach § 9 VerbrKrG entwickeltenGrundsätzen dadurch bewerkstelligen, dass der Klägerin derAnspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta nebst markt-üblicher Verzinsung zu verwehren und sie auf das mit diesemDarlehen erworbene wirtschaftliche Substrat zu verweisen ist(ebenso Staudinger, NJW 2005, 3521 (3525)). Die Recht-sprechung des BGH, mit der das finanzierende Kreditinstitutbei erfolgtem Widerruf oder bei Nichtigkeit des Darlehensver-trages auf das mit dem Kredit erworbene Anlagenobjekt ver-wiesen wird, basiert allerdings darauf, dass bei Unwirksam-keit des Darlehensvertrages unter den Voraussetzungen einesverbundenen Geschäfts i.S.d. § 9 VerbrKrG bei der Rückab-wicklung die Bereicherung des Anlegers nur in der mit demDarlehen finanzierten Kapitalanlage gesehen wird (BGHZ 159,280 (287 ff.); NJW 2006, 495 (496)). Auch wenn – richtlinien-konform – bei Realkrediten § 9 VerbrKrG keine Anwendungfindet (s.o.), sieht der Senat eine dem verbundenen Geschäftsehr nahekommende Situation darin, dass der Beklagte beierfolgter richtiger Belehrung über sein Widerrufsrecht dieMöglichkeit gehabt und genutzt hätte, Darlehensvertrag undKaufvertrag zu Fall zu bringen. Als Folge der unterlassenenWiderrufsbelehrung muss der Beklagte somit so gestellt wer-den, als habe er weder den Darlehensvertrag noch den Kauf-vertrag über das Appartement abgeschlossen. Nach den Vor-gaben des EuGH ist der Verbraucher aber zudem als Folge derden Darlehensvertrag betreffenden Pflichtverletzung zu Lastendes finanzierenden Kreditinstituts von den Risiken des finan-zierten Geschäfts freizuhalten. Ein Schadensersatz, der den

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Beklagten im Wege der Naturalrestitution von den wirtschaft-lich nachteiligen Folgen des finanzierten Geschäfts freihaltensoll, lässt sich daher nach Auffassung des Senats am Wirk-samsten dadurch herbeiführen, dass die Bank von vornhereinstatt der Darlehensvaluta und eventueller Zinsen auf das risi-kobehaftete Anlagenobjekt zu verweisen ist, was der Beklagtedem Zahlungsanspruch nach Treu und Glauben entgegenhal-ten kann („dolo petit, qui petit, quod statim redditurus est“). (...).

Die aus dem Appartement gezogenen Nutzungen bedürfenkeiner besonderen Berücksichtigung, weil sie unstreitig vonvornherein auf das bei der Klägerin hierfür geführte Girokon-to flossen und damit in der Berechnung des Saldos bereits zu-gunsten der Klägerin berücksichtigt sind. Gleiches gilt für dieSteuererstattungsansprüche (...).

i) Die von der Klägerin erhobene Verjährungseinrede greiftnicht ein. (...). Jedenfalls standen sich bei einer zugunsten derKlägerin unterstellten Entstehung des Gegenanspruchs desBeklagten vor Ablauf des Jahres 2004 der Zahlungsanspruchder Klägerin und der Anspruch des Beklagten auf Schadenser-satz aus unterbliebener Widerrufsbelehrung in aufrechenba-rer Zeit gegenüber, so dass dem Beklagten in entsprechenderAnwendung des § 390 S. 2 BGB a.F. (BGHZ 53, 122 (125)) odernach § 215 BGB n.F. der Einwand trotz Verjährung verblieb.(...).

(Mitgeteilt von Rechtsanwalt Eberhard Ahr, Bremen)

Anmerkungvon Dr. jur. Markus Artz und Referendar Felix Kessens, Uni-versität Trier

1. Vorgaben des EuGH

Bei der vorstehend abgedruckten Entscheidung des OLG Bre-men handelt es sich um die Reaktion des Gerichts auf diedurch den EuGH am 25.10.2005 erfolgte Beantwortung seinesVorabentscheidungsersuchens vom 27.5.2004. Es sei daraufhingewiesen, dass stets die am selben Tag beantwortete Vorla-ge des LG Bochum vom 29.7.2003 zu berücksichtigen ist.

Die folgenden Zeilen beschränken sich auf eine erste Analysedes durch das vorlegende Gericht unternommenen Versuchs,dem weit reichenden Auftrag, den der EuGH an die Mitglied-staaten in seinem dritten Leitsatz gerichtet hat, gerecht zu wer-den. Die 2. Kammer stellt darin sinngemäß fest, dass die Mit-gliedstaaten aus Art. 4 der Haustürgeschäfterichtlinie diePflicht trifft, den Verbraucher zu schützen, wenn ihn das Kre-ditinstitut nicht oder nicht ordnungsgemäß über das Besteheneines Widerrufsrechts belehrt und der Verbraucher es andern-falls hätte vermeiden können, sich den Risiken einer derarti-gen Kapitalanlage („Schrottimmobilie“) auszusetzen. Im Ergeb-nis wird man den Verbraucher von der Verwirklichungderartiger Risiken wohl nur auf dem Wege befreien können,dass der Bank das Verwertungsrisiko der oftmals wertlosenImmobilie auferlegt wird.

2. Lösungsansätze in der Literatur

Nach Veröffentlichung der beiden Urteile des EuGH hat mansich intensive Gedanken darüber gemacht, wie der Vorgabedes Gerichts auf Grundlage des nationalen Rechts Folge ge-leistet werden könne. Hinzuweisen ist dabei insbesondere aufdie Ausführungen von Ansgar Staudinger (NJW 2005, 3521(3524 f.)), der gleich einen ganzen Strauß an Lösungsansätzenanbietet: Zum einen bringt er eine Modifikation des § 3 HWiG

ins Spiel, zieht etwas zurückhaltender, insbesondere hinsicht-lich des Verschuldenserfordernisses, einen Schadensersatzan-spruch entsprechend der heutigen Regelung der §§ 311 Abs. 2,280 Abs. 1 BGB in Betracht und weist auf die Möglichkeit hin,auf Altfälle entweder § 9 VerbrKrG analog anzuwenden oder aufdie aus § 242 BGB entwickelten Grundsätze zum verbundenenGeschäft zurückzugreifen (s. weiterhin Habersack, JZ 2006, 91,Limbach, ZGS 2006, 66, Hoffmann, ZIP 2005, 1985, Schwin-towski, EuZW 2005, 724; dens., VuR 2006, 5; Wielsch, ZBB 2006,16; Fischer, DB 2005, 2507; dens., VuR 2006, 53; Derleder, BKR2005, 442; Leehner, NZM 2005, 921; Heine, ELR 2005, 435;Reich/Rörig, VuR 2005, 452; Hofmann, BKR 2005, 487; Thu-me/Edelmann, BKR 2005, 477; Schneider/Hellmann, BB 2005,2714; Käseberg/Richter, EuZW 2006, 46; Knops, WM 2006, 70;Freitag, WM 2006, 61; Piekenbrock, WM 2006, 466).

3. Umsetzung durch das OLG Bremen

Das OLG Bremen hält eine Lösung durch richtlinienkonfor-me Auslegung des auf den Fall anwendbaren „alten“ Schuld-rechts für möglich, sieht sich nach den Ausführungen des XI.Zivilsenats des BGH in derselben Sache (XI ZR 37/03, NJW2004, 1376) angesichts § 563 Abs. 2 ZPO offenbar daran ge-hindert, die Grundsätze des verbundenen Geschäfts anzu-wenden und beschreitet daher den steinigen und begrün-dungsintensiven Weg eines Schadensersatzanspruchs wegenvorvertraglicher Pflichtverletzung. Auf diesem hat es erheb-liche Klippen zu überschreiten, die im Folgenden kurz be-trachtet werden sollen:

a) Rechtspflicht

Ausgangspunkt einer Schadensersatzhaftung muss das Beste-hen einer Rechtspflicht sein, deren – grundsätzlich – schuld-hafte Verletzung festzustellen ist. Hier war zu klären, ob diePflicht zur Belehrung des Verbrauchers über das Bestehen ei-nes verbraucherprivatrechtlichen Widerrufsrechts tatsächlichals eine solche „echte“ Rechtspflicht einzuordnen ist. Be-trachtet man allein den widerruflichen (Darlehens-) vertragfällt die Annahme unter dem für den Fall geltenden Recht, wo-nach die Willenserklärung schwebend unwirksam war, schwer(Qualifikation als Obliegenheit, ganz h.M. etwa für das Ver-braucherkreditrecht siehe z.B. MüKo-Ulmer, 3. Aufl. 1995, § 7VerbrKrG Rn. 36 m. zahlr. N. in Fn. 81). Der Senat stellt in sei-ner Entscheidung eine über die Wirkungen des einzelnen Ver-trages hinausgehende Betrachtungsweise an und fest, dass ge-rade bei einem Kreditgeschäft der durch dieses Hilfsgeschäftverfolgte Zweck nicht außer Betracht gelassen werden dürfe.Auch der EuGH geht von einer Belehrungspflicht als echteRechtspflicht mit Sanktion bei Unterlassung aus: Nach Art. 4der Richtlinie hat der Unternehmer den Verbraucher übersein Widerrufsrecht zu belehren. Man wird sich mit der Qua-lifikation als Rechtspflicht auch für das frühere Recht an-freunden können (s.a. Habersack, JZ 2006, 91 (93)).

b) Rechtspflichtverletzung

Nimmt man das Bestehen einer Rechtspflicht an, muss diesedurch die Bank objektiv verletzt worden sein. Davon ist so-wohl bei fehlender als auch bei unrichtiger, d.h. an den Vor-gaben des § 7 Abs. 3 VerbrKrG orientierter und mit der Pflichtzur Rückzahlung des Darlehens innerhalb von zwei Wochenbeschwerter Widerrufsbelehrung auszugehen (BGH WM 2004,1579 (1580)).

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154 | VuR 4/2006

c) Verschuldensvorwurf

Ein zentrales Hindernis bei der Begründung der Schadenser-satzpflicht stellt der Verschuldensvorwurf gegenüber der Bankdar. Das Kreditinstitut kann sich auf die seinerzeit geltende Ge-setzeslage und deren Auslegung berufen (Staudinger, NJW2005, 3521 (3524)). § 5 Abs. 2 HWiG ordnete schlicht und er-greifend den Vorrang des verbraucherkreditrechtlichen Wider-rufsrechts an. Diesbezüglich erfolgte vorliegend sogar eineWiderrufsbelehrung, obwohl ein Widerrufsrecht nach Maß-gabe von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG wohl nicht bestand. DerName „Heininger“ spielte verbraucherprivatrechtlich noch kei-ne Rolle, so dass es der Bank, resp. einem ihrer Mitarbeiterschwerlich vorgeworfen werden kann, § 5 Abs. 2 HWiG nichtanzuwenden. Hier lehnt sich der Senat sehr weit aus demFenster. Zum einen neigt er offenbar dazu, dem Kreditinstituteinen Verschuldensvorwurf bzgl. der unterbliebenen fehler-freien Widerrufsbelehrung zu machen. Zum anderen hält er,was nicht nur im ersten Moment Verblüffung auslöst, die Lö-sung des Verschuldensproblems für entbehrlich.

Zum Verschulden des Bankmitarbeiters: Das Kreditinstitutkann, wie vorstehend schon angedeutet wurde, nicht fahrläs-sig handeln, wenn die Belehrung über ein nach den Buchsta-ben des Gesetzes nicht bestehendes Widerrufsrecht unter-bleibt. Selbst der deutsche Gesetzgeber hat knapp zehn Jahrenach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt das Schuldrecht richt-linienwidrig reformiert. Darüber hinaus ist ein Parallellaufder hier zu klärenden Problematik mit der „Heininger“-Dok-trin in Abrede zu stellen. Dort ging es zwar auch darum, dassnach der gesetzlichen Regelung kein Widerrufsrecht bestandenhätte. Eine spätere richtlinienkonforme Auslegung hatte hieraber schlicht zur Folge, dass dem Verbraucher über den Wort-laut des Gesetzes hinausgehend ein Vertragsauflösungsrechtzugestanden wurde. Gegenstand der Problematik war somitnur die objektive Rechtslage. Vorliegend stellt sich aber eineganz andere Frage: Ist dem Mitarbeiter der Bank ein Fahrläs-sigkeitsvorwurf zu machen, wenn er es unterlässt, über einnach dem Gesetz nicht bestehendes Recht aufzuklären? DieFrage zu stellen führt zu ihrer Verneinung. Daher trägt der Hin-weis auf die Rückwirkung der „Heininger“-Rechtsprechungnicht.

Den wohl schwierigsten rechtlichen Schritt der Entscheidunggeht der Senat, als er die Verschuldensproblematik unter Be-rücksichtigung der Vorgaben des EuGH dahinstehen lässt. ImKern ist das OLG folgendermaßen zu verstehen: Der EuGH ver-langt, Maßnahmen zu treffen, die es verhindern, dass der Ver-braucher mit der wertlosen Immobilie belastet wird. Dies sollim Wege einer verschuldensunabhängigen vorvertraglichenHaftung geschehen, deren Zulässigkeit der Senat aus der Mög-lichkeit, die Haftung aus § 276 Abs. 1 BGB a.F. zu erleichternoder zu verschärfen, generiert („sofern nicht ein anderes be-stimmt ist“). Es mutet mehr als eigenartig an, dass der EuGHin seiner Entscheidung eine Bestimmung i.S.d. § 276 BGB solltreffen können. Vor allem aber gilt es vor den unüberschau-baren Gefahren einer solchen Konstruktion eindringlich zuwarnen. Das OLG kreiert eine verschuldensunabhängige c.i.c.wegen Informationspflichtverletzung mit der Rechtsfolge derumfassenden Rückabwicklung des Vertrages (eher zuneigendoffenbar Habersack, JZ 2006, 91 (93); krit. hing. auch Pieken-brock, WM 2006, 466). Betrachtet man die Vielzahl bestehen-der Informationspflichten, scheint das Entflammen eines Flä-chenbrandes nicht fern zu liegen.

d) Kausalität

Ein weiteres schwerwiegendes Problem der vorgelegten Lösungist das der Kausalität. Der EuGH verlangt, dass der Verbraucherbei aufklärungsgerechtem Verhalten die Verwirklichung der An-lagerisiken hätte vermeiden können. Idealtypisch ist an denFall zu denken, dass der Verbraucher beim Abschluss des Darle-hensvertrages über das bestehende Widerrufsrecht aufgeklärtwird, sich aufklärungsgerecht verhält indem er dieses ausübtund es daraufhin nicht mehr zu der unheilvollen Kapitalan-lage kommt. Im vorliegenden Fall lag aber die umgekehrte Rei-henfolge der Vertragsabschlüsse vor, was die hypothetische Kau-salität an Grenzen der Logik stoßen lässt (wie hier Habersack, JZ2006, 91 (93); Auswege zeigt Schwintowski, VuR 2006, 5 auf). Diesgesteht auch der Senat ein, erkennt aber im Vorliegenden ei-nen Sonderfall, der darin besteht, dass der Kaufvertrag wegeneines Verstoßes gegen das RBerG nichtig ist. Obwohl dies sei-nerzeit nicht ernsthaft diskutiert wurde (BGH – XI ZR 375/05und XI ZR 84/05 – v. 15.11.2005 zu Rn. 19), geht das OLG –widerleglich vermutet – davon aus, dass der anwaltlich vertre-tene Verbraucher nicht nur den Darlehensvertrag widerrufen,sondern sich auch auf die Nichtigkeit des finanzierten Geschäftsberufen hätte: „erkennbare und nicht unrealistische Verteidi-gungsstrategie“. Es sei erlaubt, ein Zitat aus einem ähnlichen Zu-sammenhang anzuführen: „Man kann kaum von jemandemverlangen, dass er klüger ist als der BGH“ (Medicus, EWiR § 5HWiG 1/05, 894). Der Bogen des aufklärungsgerechten Verhal-tens wird eindeutig überspannt.

e) Rechtsfolge

In der Rechtsfolge sieht sich der Senat nicht gehindert, dieGrundsätze des verbundenen Geschäfts zur Anwendung kom-men zu lassen.

Es stellt sich daher schlicht die Frage, ob man nicht mittelseines erheblich geringeren Eingriffs in die grundlegenden Zu-sammenhänge des deutschen Zivilrechts (Verschuldenshaf-tung) und auf einem einfacheren Weg hätte zum Ziel kom-men können, indem man nach der Entscheidung des EuGHdie Grundsätze des verbundenen Geschäfts herangezogen hät-te, auch wenn der XI. Senat des BGH dies im vorliegendenFall schon einmal abgelehnt hatte. Dabei ist im Hinblick auf§ 563 Abs. 2 ZPO nicht gering zu schätzen, dass der Spruchdes XI. Senats dem Urteil des EuGH zeitlich voranging. DerEuGH (VuR 2005, 419 (423), Tz. 79) hat nochmals festgestellt,dass die Folgen des Widerrufs auf den Realkreditvertrag nachnationalem Recht zu beurteilen sind.

Anlagevermittlung, stille Beteiligung, REAL DIREKT

Hält ein Anlagevermittler für den Anlageentschluss relevan-tes Wissen zurück (Aufforderung des Bundesaufsichtsamt fürdas Kreditwesen an die REAL DIREKT AG, das von ihr durchAngebot von typisch stillen Beteiligungen unerlaubt betrie-bene Einlagengeschäft unverzüglich abzuwickeln/Warnhin-weise über stille Beteiligung an der REAL DIREKT AG in einerAnlegerzeitschrift), so verletzt dies seine vertragliche Pflich-ten aus dem Anlagevermittlungsvertrag.LG Frankfurt a.M., Urt. v. 5.1.2006, 2-5 O 402/04 (n.rk.)(ID 37008)

SachverhaltDer Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruchwegen behaupteter Verletzung von Verpflichtungen aus einemAnlageberatungs- bzw. -vermittlungsvertrag.

R E C H T S P R E C H U N G | Anlegerschutz

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VuR 4/2006 | 155

Anlegerschutz | R E C H T S P R E C H U N G

Er hatte im Dezember 2001 verschiedene Zeichnungsscheine hin-sichtlich atypisch stiller Beteiligungen an der Firma REAL DIREKTAG gezeichnet. Über das Vermögen dieser Firma wurde am5.9.2003 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet.

Der Kläger behauptet im Wesentlichen, von den Beklagten überdie Risiken der Beteiligung nicht ordnungsgemäß aufgeklärt wor-den zu sein. Bereits in der Ausgabe 1/1998 hatte die Zeitschrift„Cash“ vor einer Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter beider REAL DIREKT AG gewarnt, was die Recherchen des Klägersergaben, nachdem keine Ausschüttungen mehr eingingen. Weiterwurde ihm bekannt, dass das Bundesaufsichtsamt für das Kredit-wesen der REAL DIREKT AG bereits am 1.8.2000 aufgegebenhatte, das von ihr durch Angebot von typisch stillen Beteiligun-gen unerlaubt betriebene Einlagengeschäft unverzüglich abzu-wickeln. Diese Anordnung habe die Liquidität der Gesellschaft zuLasten der verbliebenen atypisch stillen Gesellschafter belastet.Der Beklagte zu 2. habe dem Kläger die Beteiligung an der REALDIREKT AG als eine im Grunde risikolose unternehmerische Be-teiligung vorgestellt.

Aus den GründenDie Klage gegen den Beklagten zu 1. ist unbegründet. Dieser istweder aus einer Verletzung von Pflichten aus einem Anlage-vermittlungsvertrag noch aus einem Anlageberatungsvertrageintrittspflichtig. Ein entsprechender Vertragsschluss ist vomKläger nicht schlüssig dargetan und auch aus den Aussagen dervernommenen Zeugen nicht ersichtlich. (...). (wird ausgeführt).

Die Klage gegen den Beklagten zu 2. ist begründet. Dem Klä-ger steht diesem gegenüber wegen Pflichtverletzung aus einemAnlagevermittlungsvertrag ein Schadensersatzanspruch zu.

Hierzu im Einzelnen:

Der Zweitbeklagte war seinerzeit Geschäftsführer der (...) Con-sulting und Anlagevermittler. Ob der Beklagte zu 2. außer-dem als Anlageberater tätig wurde, bedurfte keiner Entschei-dung, da bereits die Tätigkeit als Anlagevermittler die Haftungauslöst.

Im Rahmen der Anlagevermittlung kommt zwischen demInteressenten und dem Anlagevermittler ein Auskunftsvertragmit Haftungsfolgen zumindest stillschweigend zustande,wenn der Interessent deutlich macht, dass er – auf eine be-stimmte Anlageentscheidung bezogen – die besonderenKenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruchnehmen will und der Anlagevermittler die gewünschteTätigkeit beginnt. Der auf diese Weise zwischen dem Interes-senten und dem Vermittler zustande gekommene Auskunfts-vertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollstän-diger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände,die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonde-rer Bedeutung sind (BGH NJW-RR 1993, 1114; BGH WM 2000,426).

Diese Pflicht zur anlagegerechten Aufklärung umfasst auch diePflicht, einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung alsatypisch stiller Gesellschafter ein zutreffendes Bild über dasBeteiligungsobjekt zu vermitteln. Hierzu gehört die verständ-liche und vollständige Aufklärung des Interessenten über alleUmstände, die für eine Anlageentscheidung von wesentlicherBedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mitder angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenenNachteile und Risiken.

Dazu bedarf es vorab der eigenen Information des Vermittlershinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Anlage und der Bo-nität des Kapitalsuchenden, denn ohne zutreffende Angaben

über die hierfür maßgeblichen Umstände kann der Anlagein-teressent sein Engagement nicht zuverlässig beurteilen undkeine sachgerechte Entscheidung treffen. Liegen dazu objek-tive Daten nicht vor, oder verfügt der Anlagevermittler nurüber unzureichende Erkenntnisse, so muss er dies dem ande-ren Teil zumindest offen legen (BGH a.a.O.). Vorliegend wur-de zwar dem Kläger der Prospekt über die Präsentation derREAL DIREKT AG ausgehändigt. Dort ist unter der Rubrik „Ri-siken allgemein“ auch der Totalverlust der Anlage angespro-chen. Es heißt dort wörtlich: Grundsätzlich kann, wie bei jederunternehmerischen Beteiligung, nicht für den Erfolg der wirt-schaftlichen und steuerlichen Ziele garantiert werden. Imhöchst unwahrscheinlichem Fall der Insolvenz der REALDIREKT AG besteht grundsätzlich die Gefahr des Totalver-lusts des eingetretenen Kapitals (...)“.

Hiermit ist zunächst der Hinweispflicht Genüge getan.

Auch der Beklagte zu 2. hatte im Wege der geschuldetenPlausibilitätsprüfung der Anlage keine Veranlassung, an derWerthaltigkeit und wirtschaftlichen Prosperität des Engage-ments zu zweifeln. Die Wirtschaftszweige, in welche die REALDIREKT AG investierte, waren in dem Prospekt näher darge-stellt. Irgendwelche Anhaltspunkte, dass diese Anlage etwa auf„wackeligen Füßen“ stand, ergaben sich aus dem Prospektin-halt nicht.

Gleichwohl liegt eine Verletzung vertraglicher Pflichten sei-tens des Beklagten zu 2. gegenüber dem Kläger vor, indem erWissen zurückhielt, welches für den Anlageentschluss desKlägers von Bedeutung sein konnte. Dies war zum einen dieVeröffentlichung in der Zeitschrift Cash von 1998 Ausgabe 1,wo vor einer Beteiligung atypisch stiller Gesellschafter bei derREAL DIREKT AG gewarnt wurde. Dieser Warnhinweis, so erdem Kläger mitgeteilt worden wäre, hätte diesen möglicher-weise veranlasst, dass Engagement noch einmal zu überden-ken oder weitere Erkundigungen einzuholen.

Zum anderen wurde aber auch der gravierende Umstand ver-schwiegen, dass der REAL DIREKT AG bereits am 1.8.2000durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen aufgegebenworden war, das von ihr durch Angebot von typisch stillenBeteiligungen unerlaubt betriebene Einlagengeschäft unver-züglich abzuwickeln. Auch wenn die Rückabwicklung dieserBeteiligungen zum Zeitpunkt des Beitritts des Klägers bereitsabgeschlossen gewesen sein sollte – was aus dem Schreiben desRechtsanwalts B. vom 2.5.2001 folgen könnte –, war das Ver-mögen der Firma hierdurch stark geschmälert worden. Dassdieser Umstand zumindest mitursächlich für die wirtschaft-liche Schieflage der Firma wurde, beweist auch der Vortragdes Schriftsatzes vom 23.8.2005, wonach die REAL DIREKT AGschließlich nicht einmal die Verpflichtungen aus einemRatenzahlungsvergleich erfüllen konnte und infolge dessenwegen Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anmelden musste.

Es besteht die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, sodass anzunehmen ist, der Kläger hatte bei Kenntnis der beidenUmstände (negative Presseveröffentlichung und erheblicherKapitalabfluss durch Rückabwicklung des unerlaubten Einla-gengeschäfts) die Anlage nicht gezeichnet. Für ein Mitver-schulden des Klägers bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

Der Kläger macht das negative Interesse als Schadensersatz gel-tend. Die Schadensberechnung erfüllt diese Anforderungen, sodass die Klage gegen den Beklagten zu 2. in vollem Umfangebegründet ist. Der Zinsanspruch ist gemäß § 291 BGB begrün-det. (...).

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Anmerkungvon Rechtsanwalt Oliver Renner, Stuttgart

1. Hintergrund der Entscheidung

Die Real Direkt AG bot ihren Kunden durch den Abschlussunterschiedlicher Zeichnungsscheine/Beitrittserklärungenatypisch bzw. typisch stille Beteiligungen an dem Unterneh-men an. Für die bis April 1999 abgeschlossenen Verträge ga-rantierte das Institut den Anlegern durch eine Zusatzverein-barung eine feste Gewinnzuweisung für die Dauer von 10Jahren in Höhe von 4,25 % p.a.. Bei den seit Mai 1999 ange-botenen typisch stillen Beteiligungsverträgen wurde ein „Vor-ausgewinn“ in Höhe von 4,25 % p.a. des Beteiligungskapitalszugesichert. Eine Verlustbeteiligung des typisch stillen Gesell-schafters war vertraglich ausgeschlossen.

2. Anordnung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen

Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (seit 1.5.2002 istdas Bundesaufsichtsamt mit den Bundesaufsichtsämtern für denWertpapierhandel und das Versicherungswesen zur Bundesan-stalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) verschmolzen)hatte jedoch bereits am 1.8.2000 der REAL DIREKT AG aufge-geben, wegen des Betriebs von unerlaubten Einlagengeschäf-ten die Beteiligungen unverzüglich abzuwickeln.

Bei den Geldern, die das Unternehmen durch den Abschlussder typisch stillen Beteiligungsverträge hereinnahm, handeltees sich um Einlagen im Sinne des Kreditwesengesetzes. Überdie für dieses Bankgeschäft erforderliche Erlaubnis verfügte dieReal Direkt AG nicht. Mit Schreiben vom 18.5.2000 hatte dasInstitut dem Aufsichtsamt dann seine Bereitschaft erklärt, absofort keine fremden Gelder als Einlagen oder andere rückzahl-bare Gelder des Publikums mehr anzunehmen. Mit Ausnahmeder ab Juni 1999 verwandten kombinierten Verträge zum Er-werb von typischen und atypischen Beteiligungen erklärte sichdie Real Direkt AG auch zur unverzüglichen Abwicklung des vonihr unerlaubt betriebenen Einlagengeschäfts bereit.

Zwischen Januar 1998 und dem 15.5.2000 hatte die Gesell-schaft nach Angaben des Bundesaufsichtsamts ca. 1226 Ver-träge über typisch stille Beteiligungen abgeschlossen und da-mit Gelder von mehr als DM 2 Mio. entgegengenommen. VorJanuar 1998 hatte die Real Direkt AG in ca.100 weiteren Fäl-len Einlagen in der Höhe von DM 348.000,- (Anlagesumme)zuzüglich der jeweiligen monatlichen Raten (DM 100,- bzw.DM 200,- pro Monat, ab dem jeweiligen Antragsdatum) ange-nommen, die bisher noch nicht zurückgezahlt wurden.

3. Die Insolvenz

Zum 7.11.2003 hatte das AG Stuttgart das Insolvenzverfahrenmit dem Geschäftszeichen 5 IN 1051/03 eröffnet. Schuldne-rin war die REAL DIREKT AG, Geschädigt sind tausende Anle-ger, die ihre gefährlichen atypisch stillen Beteiligungen teil-weise auf Drängen der Vermittler durch Darlehen finanzierthaben. Der Insolvenzverwalter hatte in seinem Bericht vom3.11.2003 bereits angekündigt, dass die Anleger teilweise nach-schüssig für die Verluste der REAL DIREKT AG haften. Es seiennach damaligem Bestand nur noch liquide Mitteln von nurnoch 100.000,- € vorhanden.

4. Fazit

Nach dem nun vorliegenden Urteil des LG Frankfurt a.M. be-steht die Chance, dass die Anleger bei ihrem Vermittler, so-

weit dieser zahlungsfähig ist, den Schaden realisieren könnten.Nach dem Urteil des LG hielt der Vermittler Wissen zurück,welches für den Anlageentschluss des Anlegers an der REALDIREKT AG von Bedeutung sein konnte: Zum einen hätte derAnleger über eine Veröffentlichung aus der Zeitschrift CASHvon 1998 informiert werden müssen. Darin wurde vor Betei-ligungen bei der REAL DIREKT AG gewarnt. Zum anderenwurde der gravierende Umstand verschwiegen, dass der REALDIREKT AG bereits am 1.8.2000 durch das Bundesaufsichtsamtfür das Kreditwesen aufgegeben worden war, das unerlaubteEinlagengeschäft abzuwickeln.

Nach der Vermutung des sogenannten aufklärungsrichtigenVerhaltens war anzunehmen, dass der Kläger bei Kenntnisbeider Umstände – negative Presseveröffentlichung in CASHund erheblicher Kapitalabfluss durch Rückabwicklung desunerlaubten Eigengeschäfts – die Anlage an der REAL DIREKTAG nicht gezeichnet hätte. Das LG Frankfurt a.M. hat der Klagegegen den maßgeblichen Vermittler der Beteiligungen voll-umfänglich stattgegeben und ihn verurteilt, an den AnlegerSchadensersatz i.H.v. rund 60.000,00 € zu bezahlen.

V E R S I C H E R U N G

Unfallversicherung, AUB 97, Vorinvalidität

1. Vorinvalidität in der Unfallversicherung liegt nur dann vor,wenn die normale körperliche und geistige Leistungsfähig-keit des Versicherungsnehmers bereits vor dem Unfallereignisdauerhaft beeinträchtigt war. Hierbei ist auf die Altersgruppeabzustellen, welcher der Versicherungsnehmer angehört. Ei-ne altersentsprechende Weitsichtigkeit bei einem über 60-jährigen Versicherungsnehmer entspricht daher der norma-len körperlichen Leistungsfähigkeit der Vergleichsgruppeund begründet keine Vorinvalidität. 2. Auch die Notwendigkeit, zeitweise beim Lesen kleinerSchriften eine Lesebrille tragen zu müssen, begründet, an-ders als beim stark kurzsichtigen Versicherungsnehmer (vgl.BGH NJW 1983, 2091), keine Vorinvalidität.

OLG München, Urt. v. 21.3.2006, 25 U 3483/04 (LG Passau)

(ID 37073)

Sachverhalt

Der im Jahre 1939 geborene Kläger macht gegen die Beklagte rest-liche Ansprüche auf Invaliditätsentschädigung geltend. Der Klä-ger unterhält bei der Beklagten eine Unfallversicherung. Die Par-teien haben die Geltung der AUB 97 vereinbart.

Der Kläger erlitt am 1.8.2001 in Ausübung seines Berufes als Bag-gerfahrer einen Unfall. Bei Baggerarbeiten sprang ihm durch dasoffene Frontfenster ein Stein ins rechte Auge, wodurch diesesvöllig erblindete.

Die Parteien streiten um die Frage, ob das rechte Auge des Klägersvor dem Unfallereignis in seiner Gebrauchsfähigkeit bereits ge-mindert war und daher eine Vorinvalidität in Höhe von 2 % inAnsatz zu bringen sei. Anlässlich einer Untersuchung durch dieAugenärztin Dr. D. am 27.1.1999 war beim rechten Auge eine la-tente Weitsichtigkeit mit einem Visus von 0,8 festgestellt worden.

Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Hiergegen wehrtsich die Beklagte mit der eingelegten Berufung.

Aus den GründenI. (...).

R E C H T S P R E C H U N G | Vers icherung

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II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. DasLG ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei dem durch dasUnfallereignis verletzten rechten Auge des Klägers eine Vor-invalidität i.S.d. Regelung in § 7 I (3) AUB 97 nicht vorgele-gen hat. Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wieein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verstän-diger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksich-tigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kannund muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiteneines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtlicheSpezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an(BGHZ 123, 83 (85)). Die Auslegung nach diesen Grundsät-zen führt zu folgendem Ergebnis:

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird zunächstzu Recht davon ausgehen, dass das Merkmal der Invalidität inden verschiedenen AGB-Klauseln einheitlich verwendet wird.Eine Definition des Invaliditätsbegriffs findet sich in § 7 Abs. 1(2 c) AUB 97. Danach liegt eine Invalidität vor, wenn dienormale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit unter aus-schließlicher Berücksichtigung medizinischer Gesichtspunk-te beeinträchtigt ist. Diese Definition ist somit auch maßgeb-lich für die Auslegung des Begriffes der Vorinvalidität im Sinnevon § 7 I (3) AUB 97.

Ausgehend hiervon liegt beim Kläger eine Vorinvalidität nichtvor. Ein verständiger Versicherungsnehmer wird die vorge-nannte Klausel so interpretieren, dass bei der Beurteilung der„normalen körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit“ aufdie Leistungsfähigkeit einer gesunden Person aus der jeweiligenAltersgruppe abzustellen sein wird. Würde man dagegen etwaauf die körperliche Leistungsfähigkeit eines 20 Jahre alten, ge-sunden Versicherungsnehmers abstellen, welche sicherlichhöher liegt als diejenige eines über 60 Jahre alten Versiche-rungsnehmers, so wäre dessen Versicherungsschutz alleinwegen seiner Alters erheblich gemindert. So wird ein verstän-diger Versicherungsnehmer die Klausel unter Anwendung dervorgenannten Auslegungsgrundsätze jedoch nicht verstehen.

Wie sich aus den überzeugenden Ausführungen des gericht-lichen Sachverständigen Prof. Dr. L. ergibt, entsprach der Zu-stand des rechten Auges des Klägers vor dem Unfallereignisdem Normalzustand eines Versicherungsnehmers im Alterdes Klägers. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausge-führt, dass sich im Zeitraum zwischen 40 und 50 Jahren beijedem Menschen eine Altersweitsichtigkeit entwickelt. Dies seidas Ergebnis eines physiologischen Vorgangs. Ohne Brillekönne ein Normalsichtiger mit dieser Altersweitsichtigkeitnormale Texte wie z.B. Bücher und Speisekarten nicht lesen,wohl aber z.B. die Anzeige der Armaturen in einem Fahrzeug,größere Zeitungsüberschriften oder Preisauszeichnungen inGeschäften, soweit diese groß genug seien und der Klägerhinreichend weit entfernt sei. Die Sehfähigkeit des Auges desKlägers habe ungefähr derjenigen von 99 % seiner Altersge-nossen entsprochen. Dem folgt der Senat.

Daher ist davon auszugehen, dass der Zustand des Auges desKlägers vor dem Unfallereignis im Vergleich seiner Altersklas-se normal funktionierte und nicht eingeschränkt war. Aufdiesen Personenkreis ist aus den vorgenannten Gründen ab-zustellen. Daher war die Beklagte verpflichtet, diejenigenLeistungen zu erbringen, die sie für den Fall einer 50 %-igenInvalidität nach der Gliedertaxe bei dem Verlust eines Augesversprochen hat.

Der Senat sieht sich mit seiner Entscheidung nicht im Wider-spruch zur Entscheidung des BGH vom 27.4.1983 (IVa ZR

193/81; NJW 1983, 2091). Im dort entschiedenen Fall war derKläger erheblich kurzsichtig (R-4,0 sph, L-4,5 sph, 1,25cyl./85I). Der BGH hat in dieser Entscheidung die Minderungder Gebrauchsfähigkeit des Auges in der Notwendigkeit gese-hen, eine Brille zu tragen. Bei bestimmten Gelegenheiten,beim Schlafen, beim Baden oder zum Reinigen müsse der Bril-lenträger diese Hilfe absetzen. Dies führe dazu, dass die volleSehkraft eben nicht 24 Stunden täglich zur Verfügung stehe,wie das bei einem gesunden Menschen der Fall sei. Hinzu kom-me die mechanische Belastung durch das Gewicht der Brille,die Behinderung durch das notwendige Auf- und Absetzen, diepsychischen Belastungen durch die Abhängigkeit von derSehhilfe, die Gefahr von Beschädigung der Brille, wie vonVerletzung durch sie, sowie drohender (vorübergehender)Verlust mit der Folge, als Brillenträger vorübergehend in ho-hem Maß Invalide zu werden.

Diese Voraussetzungen sieht der Senat im vorliegenden Fallals nicht gegeben an. Der Kläger war nicht kurzsichtig. BeimSchlafen, beim Baden bzw. beim Reinigen der Brille war ernicht gehindert, seine Umwelt zu erkennen. Er benötigte dieBrille lediglich kurzfristig, zum Lesen kleiner Schriften, alsozu einem Vorgang, der normalerweise nicht mit einem Risi-ko der Verletzung durch eine aufgesetzte Brille verbundenist. Der Senat vermag daher nicht zu erkennen, weshalb dieNotwendigkeit in diesen Fällen eine Brille zu tragen, einepsychische Belastung für den Kläger dargestellt hätte. Auchwäre der Kläger bei Verlust der Brille nicht, wie im vom BGHentschiedenen Fall, im hohen Maß invalide geworden. Aus-gehend von den Ausführungen des Sachverständigen ent-sprach die Sehkraft des Klägers dem Normalfall seiner Alters-genossen. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dassder Kläger je nach Entfernung auch ohne Brille Texte aufeinem Bildschirm lesen und uneingeschränkt den Fernsehernutzen konnte. Die Beeinträchtigung durch den Verlust derAkkomodationsfähigkeit sei bei einem jungen Menschen mit5-10 % zu bewerten, die Beeinträchtigung bei einem 60-jäh-rigen dagegen mit Null. Dem schließt sich der Senat an. DasLG hat die Beklagte daher zu Recht verurteilt, die streit-gegenständliche weitere Invaliditätsleistung zu erbringen,weshalb die Berufung der Beklagten zurückzuweisen war.(...).

Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ),Leistungen aus privater Berufsunfähigkeitsver-sicherung als Rente i.S.d. § 850b ZPO

1. Eine Berufsunfähigkeit steht nicht unmittelbaren ursäch-lichen Zusammenhang mit einem vom Versicherungsschutzausgeschlossenen körperlichen Grundleiden, wenn dieseslediglich Anlass oder Ursache einer depressiven Erkrankungwar, die ihrerseits die Berufsunfähigkeit herbeigeführt hat.2. In der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung erlischt dieLeistungspflicht des Versicherers für eine während der Ge-fahrtragung eingetretene Berufsunfähigkeit nicht durch dasdas Erlöschen der Zusatzversicherung nach sich ziehendeEnde der Hauptversicherung.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 16.2.2006, 12 U 261/05 (LG Heidelberg)

(ID 37073)

Sachverhalt

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Berufsunfähig-keitsrente ab 1998 in Anspruch. 1978 haben die Parteien einendynamischen Lebensversicherungsvertrag mit einer Berufsun-

Vers icherung | R E C H T S P R E C H U N G

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fähigkeits-Zusatzversicherung abgeschlossen, welcher die BB-BUZzugrunde liegen. Eine „Besondere Vereinbarung“ zum Versiche-rungsvertrag, auf die die Beklagte sich beruft, bestimmt:

„Es ist vereinbart, dass Ursache und Folgen der Bandscheibenoperationim Jahre 1972 und dessen/deren Folgen (einschließlich etwaiger Opera-tionsfolgen), soweit ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang mitdem Grundleiden medizinisch nachweisbar ist, eine Leistung aus derBerufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) nicht bedingen und beider Festsetzung des Grades der Berufsunfähigkeit aus anderen gesund-heitlichen Gründen unberücksichtigt bleiben.“

Das LG hat der Klage nur teilweise stattgegeben. Der Versiche-rungsfall sei verspätet angezeigt worden, weshalb erst ab demMonat der Anzeige Leistungen begehrt werden könnten. Die Leis-tungsverpflichtung der Beklagten habe zudem 2002 geendet, weilaufgrund der Kündigung der Lebensversicherung durch die Spar-kasse H., der die Lebensversicherung abgetreten worden sei,. dieBerufsunfähigkeits-Zusatzversicherung erloschen sei (§ 9 Abs. 1BB-BUZ). In der Berufung verfolgen beide Parteien ihr erstinstanz-liches Begehren weiter.

Aus den GründenI. (...).

II.A. Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

1. Die Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung andie Sparkasse H. hat – wovon das LG zutreffend ausgeht – kei-ne Auswirkung auf die Ansprüche des Klägers aus der Berufs-unfähigkeit-Zusatzversicherung. Leistungen aus einer privatenBerufsunfähigkeitsversicherung sind als Renten i.S. von § 850bZPO zu qualifizieren (OLG Karlsruhe OLG Report 2002, 114;OLG Saarbrücken VersR 1995 (1227)). Damit sind sie un-pfändbar und gem. § 400 BGB nicht abtretbar. Der Kläger istsomit trotz Abtretung seiner Ansprüche aus der dynamischenLebensversicherung noch Anspruchsinhaber der Ansprücheauf Berufsunfähigkeitsrente.

2. Beim Kläger lag während des gesamten Zeitraums, für dener Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherunggeltend macht, bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit (§ 2Nr. 1 BB-BUZ) vor. Der Senat schließt sich insoweit den zu-treffenden Feststellungen des LG an. Danach besteht – wie sichaus dem Gutachten von Prof. Dr. S. ergibt, das der Sachver-ständige im Berufungsrechtszug nochmals erläutert hat – beimKläger seit Anfang des Jahres 1998 eine chronifizierte depres-sive Störung, wodurch die berufliche Leistungsfähigkeit sobeeinträchtigt worden ist, dass er seinen früheren Beruf oderVerweistätigkeiten nicht einmal halbschichtig (§ 1 Nr. 1 BB-BUZ) mehr ausüben konnte.

3. Der Leistungsverpflichtung der Beklagten steht auch der ver-einbarte Risikoausschluss (Ursache und Folgen der Band-scheibenoperation im Jahre 1972) nicht entgegen. Hierzu fehltes bereits an dem zum Eingreifen des Ausschlusses notwendi-gen „unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang mit demGrundleiden“. Die insoweit vorformulierte Klausel ist – wie an-dere Versicherungsbedingungen auch – aus der Sicht einesdurchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen, zumalUmstände, die ein übereinstimmendes anderes Verständnisder Vertragsparteien nahe legen, nicht dargetan sind. Schondem Wortlaut nach genügt es nicht, wenn der vom sach-lichen Geltungsbereich der Klausel umfasste Umstand mitur-sächlich geworden ist. Der Versicherungsnehmer wird denAusschluss so verstehen, dass der Versicherungsschutz nurdann nicht bestehen soll, wenn der Eintritt des Versiche-rungsfalls unmittelbar durch den ausgeschlossenen Umstandverursacht worden ist.

Ein Umstand wirkt aber nach allgemeinem und auch demhier maßgebenden Verständnis nur dann unmittelbar, wenner sich ohne Dazwischentreten weiterer Faktoren auswirkt.Bei einer mehrgliedrigen Ursachenkette ist demnach die un-mittelbare Ursache diejenige, die als zeitlich letzte – höch-stens gleichzeitig mit einer anderen – eingreift (OLG KoblenzVersR 1990, 768; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 49 Rn. 20).Eine unmittelbare Ursache liegt somit vor, wenn ihr Erfolgohne das Dazwischentreten einer weiteren Ursache eingetre-ten ist (BGH VersR 1984, 28). So verhält es sich bei der auf einerdepressiven Erkrankung beruhenden Berufsunfähigkeit desKlägers nicht. Damit kann offen bleiben, ob die Depression aufein Schmerzsyndrom im Zusammenhang mit den Wirbelsäu-lenbeschwerden zurückgeführt werden kann. Die Ausbildungeiner Depression als psychischer Erkrankung beruht jeden-falls auf einem seelischen Prozess, der hinzutreten muss, umdas Krankheitsbild, das zur Berufsunfähigkeit führt, hervor-zurufen. (...).

4. Ohne Erfolg berühmt sich die Beklagte einer Leistungsfrei-heit wegen Nichtentrichtung von Beiträgen und qualifizierterMahnung im Jahr 1999. Gemäß § 39 Abs. 2 VVG wird derVersicherer nur dann leistungsfrei, wenn der Versicherungsfallnach Ablauf der nach § 39 Abs. 1 VVG bestimmten Frist ein-tritt. Im vorliegenden Fall ist die Berufsunfähigkeit des Klä-gers aber bereits vor dem Zahlungsrückstand eingetreten. Obeine Leistungsfreiheit nach § 39 VVG überhaupt auf die Nicht-erfüllung einer nur vorläufigen Beitragsverpflichtung wie die-jenige des § 1 Nr. 5 BB-BUZ, die sich letztlich als ungerecht-fertigt herausstellt, gestützt werden kann, bedarf daher keinernäheren Untersuchung.

5. (...).

B. Die Berufung des Klägers hat dagegen Erfolg.

1. Soweit das LG Ansprüche des Klägers vor dem 1.5.1998verneint, weil die Berufsunfähigkeit, die zum 1.1.1998 einge-treten sei, erst am 13.5.1998 und somit später als drei Mona-te nach dem Eintritt angezeigt worden sei (§ 1 Abs. 3 BB-BUZ),kann dem nicht gefolgt werden. Unstreitig lag (...) bereitsinnerhalb weniger Wochen nach dem Eintritt des Versiche-rungsfalls ein Leistungsantrag des Klägers, der auch die not-wendige Anzeige darstellt, vor. Dem Kläger steht seine Berufs-unfähigkeitsrente daher ab dem 1.2.1998 zu.

2. Entgegen der Auffassung des LG endet die Leistungsver-pflichtung der Beklagten nicht mit der Kündigung der Le-bensversicherung durch die Sparkasse H. zum 31.10.2002.Zwar erlischt gemäß § 9 Nr. 1 BB-BUZ auch die Zusatzver-sicherung, wenn der Versicherungsschutz aus der Hauptver-sicherung endet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Beklag-te für einen in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherungbereits eingetretenen Versicherungsfall leistungsfrei wird,wenn der Versicherungsvertrag durch Kündigung der Lebens-versicherung endet (so auch Senat VersR 95, 1341; Beck-mann/Rixecker, Versicherungsrechtshandbuch, § 46 Rn. 109).

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wieein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständi-ger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichti-gung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss.(...). Den wesentlichen Inhalt des Leistungsversprechens der Be-klagten entnimmt der Versicherungsnehmer dem § 1 BB-BUZ(„Gegenstand der Versicherung“). Gemäß § 1 Nr. 1 BB-BUZ istder Versicherer zur Leistung einer Berufsunfähigkeitsrente ver-pflichtet, wenn der Versicherte „während der Dauer dieser Zu-

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satzversicherung“ zu mindestens 50 % berufsunfähig wird. Esgenügt danach zur Auslösung der Leistungspflicht, dass dieBerufsunfähigkeit in versicherter Zeit eingetreten ist. Dass beivorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrages die Leis-tungspflicht für einen einmal eingetretenen und dieLeistungspflicht auch auslösenden Versicherungsfall endensoll, ist § 1 BB-BUZ nicht zu entnehmen. § 1 Nr. 4 BB-BUZ ent-nimmt der durchschnittliche Versicherungsnehmer, dass dieLeistungspflicht des Versicherers nur bei einem Wegfallbedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, bei Tod des Versicher-ten oder „wenn die Dauer der Berufsunfähigkeits-Zusatzversi-cherung abläuft“, also bei Erreichen des im Versicherungs-schein aufgeführten Versicherungsendes erlischt. Dass dasErlöschen der Zusatzversicherung wegen einer Beendigungdes Versicherungsschutzes aus der Hauptversicherung gemäߧ 9 Nr. 1 BB-BUZ seinen berechtigten Leistungsanspruch be-rühren soll, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmerden Bedingungen auch unter Berücksichtigung von § 9 Nr. 8BB-BUZ, wonach anerkannte und festgestellte Ansprüche ausder Zusatzversicherung von Rückkauf oder Umwandlung derHauptversicherung unberührt bleiben, nicht – zumindest nichtmit der erforderlichen Klarheit (§§ 307 Abs. 1 S. 2, 306 BGB) –entnehmen ( Senat, Urt. v. 16.2.2006 – 12 U 196/05 –). (...).

3. Dem LG kann auch darin nicht gefolgt werden, dass nachdem Inhalt der Versicherungsscheine vom 19.9.1979 und da-nach die Leistungspflicht der Beklagten zum 31.10.2003 –und nicht erst zum 30.6.2004 – ende. Der Versicherungsscheinvom 19.9.1979 dokumentiert die Wiederinkraftsetzung derwegen Zahlungsverzugs gekündigten Versicherung gemäß Ver-sicherungsschein vom 6.7.1978. Der Beklagten ist einzuräu-men, dass ihr freigestellt war, den Antrag des Klägers aufWiederinkraftsetzung abzulehnen oder nur zu geänderten Be-dingungen anzunehmen. Sie war deshalb nicht gehindert, ei-nen früheren Ablauf der Versicherung zum Gegenstand ihrerAnnahme des Antrags zu machen. Allerdings ändert diesnichts daran, dass der vom Kläger am 19.7.1979 gestellte An-trag den Inhalt des früheren Versicherungsvertrages zumGegenstand hatte, soweit keine Abweichungen – wie tatsäch-lich vorhanden hinsichtlich der Rubrik „Beginnverlegung“,die auch ein Einverständnis mit der Erhöhung des Monats-beitrags erklärt – aus dem Antrag selbst ersichtlich sind. Dassdas Versicherungsende vorverlegt werden soll, ist dem Antragvom 19.7.1979 nicht zu entnehmen. Hiervon weicht der Ver-sicherungsschein vom 19.9.1979 insoweit ab, als das Versi-cherungsende auf den Oktober 2003 vorverlegt wurde. Wir-kung konnte diese Abweichung durch eine Genehmigungi.S.d. Billigungsklausel des § 5 VVG oder durch eine ausdrück-liche Zustimmung des Klägers entfalten. Letzteres ist – auch fürdie nachfolgenden Jahre – nicht dargetan. Eine Genehmi-gung durch Unterlassen des Widerspruchs nach § 5 Abs. 1 VVGscheidet deshalb aus, weil auf die Abweichung vom Antragnicht besonders aufmerksam gemacht wurde (§ 5 Abs. 2 VVG).Daher ist die Abweichung für den Kläger unverbindlich. Alsvereinbart gilt vielmehr gemäß § 5 Abs. 3 VVG der Inhalt desAntrags. (...).

KO N S U M E N T E N K R E D I T

Gesamtbetragsangabe, unechte Abschnittsfinanzierung

Fehlt bei einer sog. unechten Abschnittsfinanzierung diegem. § 4 Abs. 1 S. 5 Nr. 1b, 2. Hs VerbrKrG erforderliche Anga-

be des Gesamtbetrages aller von dem Kläger zu entrichten-den Teilzahlungen, so ist der Verbraucherdarlehensvertraggem. § 6 Abs. 1 VerbrKrG nichtig. Wird die Darlehensvalutaim Rahmen eines verbundenen Geschäfts von der Bank an dieFondsgesellschaft – wenn auch auf Weisung des Anlegers –ausgezahlt, so ist die Darlehensvaluta vom Darlehensnehmerregelmäßig nicht „empfangen“; eine Heilung nach § 6 Abs. 2VerbrKrG kommt insoweit nicht in Betracht.

LG Essen, Urt. v. 22.9.2005, 6 O 583/04

(ID 37009)

Aus den Gründen

Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagtenach § 812 Abs. 1, S. 1, 1. Alt. BGB der geltend gemachte An-spruch in voller Höhe zu; denn der Kläger hat auf Grund derNichtigkeit des Darlehensvertrages nach § 6 Abs. 1 VerbrKrGeinen Rückgewähranspruch gegen die beklagte Bank.

Der Darlehensvertrag ist wegen fehlender Gesamtbetragsanga-be nach § 4 Abs. 1 S. 5 Nr. 1b) VerbrKrG nichtig. Nach der Recht-sprechung des BGH (BGHZ 149, 302) besteht eine Pflicht zurAngabe des Gesamtbetrages auch in Fällen, in denen – wiehier – eine sogenannte unechte Abschnittsfinanzierung zwi-schen den Parteien vereinbart worden ist. Es handelt sich da-bei um Kredite, bei denen dem Verbraucher ein langfristiges Ka-pitalnutzungsrecht eingeräumt, die Zinsvereinbarung jedochnicht für den gesamten Zeitraum, sondern zunächst nur füreine bestimmte Festzinsperiode getroffen wird, wobei dasDarlehen zum Ende des Finanzierungsabschnitts nicht ohneweiteres fällig wird, sondern nur dann, wenn der Darlehens-nehmer der vorgeschlagenen Änderung der Konditionenwiderspricht. Zwar sieht der Darlehensvertrag in dem vorlie-genden Fall keine Tilgung vor. Zu berücksichtigen ist hingegen,dass die Tilgung aus der Sicht der Verbraucher vereinbarungs-gemäß durch die gleichzeitig abgeschlossene Lebensversiche-rung mit laufender Prämienzahlung erfolgen sollte. Dies er-gibt sich aus der im Darlehensvertrag beigefügten Bedingung,wonach der Darlehensnehmer für den Fall, dass er vor Ablaufder Darlehenslaufzeit die Lebensversicherung widerrufen oderkündigen sollte, die Beklagte so zu stellen hat, als hätte er vonBeginn an ein annuitätisches Darlehen, das eine vollständigeRückführung innerhalb der Gesamtkreditlaufzeit des Darlehensgewährleistet, mit einer entsprechenden anfänglichen Tilgungaufgenommen. Danach handelte es sich um einen Kredit mit„veränderlichen Bedingungen“ i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 5 Nr. 1b. S. 2VerbrKrG, da die Zinskonditionen und der Vertragsablauf selbstbei Abschluss des Kreditvertrages noch nicht für die gesamtevorgesehene Laufzeit feststanden. Aus Sicht der Kläger als Ver-braucher konnte deshalb kein Zweifel daran bestehen, dass ihrefür die Lebensversicherung zu erbringenden monatlichen Zah-lungen wirtschaftlich entsprechenden monatlichen Tilgungs-leistungen an den Kreditgeber gleichzusetzen sind.

Unerheblich ist, dass der Zusammenhang zwischen Lebens-versicherungsabschluss und Kredittilgung durch die einge-schränkte Form der Abtretung – möglicherweise auch aus steu-errechtlichen Erwägungen – nach außen hin verschleiert wird.

Die danach gem. § 4 Abs. 1 S. 5 Nr. 1b, 2. Hs VerbrKrG er-forderliche Angabe des Gesamtbetrages aller von dem Klägerzu entrichtenden Teilzahlungen, fehlt im Kreditvertrag. Dieshat zur Folge, dass der Verbraucherdarlehensvertrag gem. § 6Abs. 1 VerbrKrG nichtig ist.

Konsumentenkredi t | R E C H T S P R E C H U N G

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Die Nichtigkeit des Kreditvertrages ist nicht durch Auszah-lung nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG geheilt. Sowohl nach der Recht-sprechung des II. Zivilsenates des BGH als auch nach der desXI. Senates sind nämlich die Darlehensvaluta nicht „empfan-gen“ oder in Anspruch genommen worden, wenn sie imRahmen eines verbundenen Geschäfts von der Bank an dieFondsgesellschaft – wenn auch auf Weisung des Anlegers – aus-gezahlt worden sind (BGH WM 2004, 1529; BGHZ 152, 331(336 f.)).

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Nach Auffassung der Kam-mer kann ernsthaft kein Zweifel daran bestehen, dass nachden vom II. Zivilsenat des BGH in den Fällen strukturvertrie-bener Beteiligungen an einem Immobilienfonds entwickeltenGrundsätzen der Kreditvertrag und der Anteilserwerb aufGrund der Eingliederung der kreditgebenden Bank in die Ver-triebsorganisation regelmäßig ein verbundenes Geschäft i.S.d.§ 9 VerbrKrG darstellen (BGH WM 2005, 843 (844) m.w.N.). EinVerbundgeschäft ergibt sich schon aus den unstreitigen Ge-samtumständen aber auch aus folgenden Gesichtspunkten:

Das Darlehen diente unstreitig ganz der Finanzierung desFondsanteils. Beide Verträge bildeten aus Sicht der Parteieneine wirtschaftliche Einheit, so dass „keiner ohne den ande-ren abgeschlossen worden wäre“. Dies ergibt sich aus demarbeitsteiligen Zusammenwirken zwischen Finanzierung undVeräußerer, dem örtlich und zeitlich engen Zusammenhangbeim Vertragsschluss sowie aus der Mitwirkung des Vertriebesbeim Abschluss des Finanzierungsvertrages. Das Beitrittsfor-mular zum Fonds sah bereits vor, dass die Bank ein Exemplardavon erhielt; der Vermittler leitete die Unterlagen – auch einSelbstauskunftsformular – an die beklagte Bank weiter. Zudemwird auch an der Grundschuldbestellung über 5.000.000,-DM deutlich, dass die Beklagte hier nicht einen einzelnenFondsanteil finanzierte, sondern insgesamt die Finanzierungvon Fondsanteilen am streitgegenständlichen Fonds über-nommen hatte und sich insoweit auch eine besondereSicherheit in Form der Grundschuld einräumen ließ. In derWiderrufsbelehrung spricht die Bank auch davon, dass es sichum finanziert verbundene Geschäfte handelt. Wenn sie indieser selber davon ausgeht, dann mussten sich auch für dieKläger als Verbraucher die Geschäfte als verbundene Geschäf-te darstellen.

Soweit die Beklagte sich auf die von dem Kläger unterschrie-bene „besondere Erklärung zum Kreditvertrag“ beruft, hatdiese für die Frage, ob ein verbundenes Geschäft vorliegt, kei-nen Aussagewert. Ob ein verbundenes Geschäft vorliegt, rich-tet sich allein nach den hier festgestellten Tatsachen und § 9VerbrKrG. Die Bewertung der Antragsgegnerin, wonach siesich nicht in den Vertriebe eingeschaltet habe, vermag hierannichts zu ändern. Die Erklärung selbst spricht gerade dafür,dass der Beklagten die Geschäfte der Fondsgesellschaft be-kannt waren und sie insofern auch um den Gegenstand derFinanzierung wusste. Demnach macht auch die besondereErklärung deutlich, dass die Beklagte von Anfang an sich zurFinanzierung der Fondsanteile bereit erklärt hat und sich dem-entsprechend in die Vertriebsorganisation eingliedern gelassenhat (vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v. 14.9.2005 – 31 W 74/05).Dem steht auch die Rechtsprechung des XI. Zivilsenats desBGH im Urteil vom 12.11.2002 (BGHZ 152, 331 ff.) nicht ent-gegen. Diese Entscheidung betraf einen Realkredit, der nichtvon § 9 VerbrKrG erfasst wurde. Die den Anlegern dort erteil-te Belehrung entsprach der bestehenden Rechtslage, wonachder Darlehensvertrag und das finanzierte Erwerbsgeschäft

nicht als verbundene Verträge anzusehen waren. Der XI. Se-nat maß der Erklärung keine konstitutive Bedeutung bei.

Liegt ein verbundenes Geschäft vor, schuldet der Kläger nachAuffassung des II. Zivilsenates des BGH (WM 2004, 1529 f.),der sich die Kammer anschließt, im Rahmen der bereiche-rungsrechtlichen Rückabwicklung nicht die Rückzahlung derDarlehensvaluta, sondern nur die – vom Kläger in seinem An-trag bereits berücksichtigte – Abtretung seiner Fondsbeteili-gung. Andererseits hat die Beklagte den Klägern all das her-auszugeben, was diese in Erfüllung der unwirksamen Verträgegeleistet haben.

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Kläger die Rücker-stattung von Zins- und Tilgungsleistungen, die der Höhe nachnicht bestritten sind, nach § 812 BGB Zug um Zug gegen Ab-tretung der Rechte aus der Fondsbeteiligung verlangen können.

Damit hat auch der Feststellungsantrag Erfolg. Aufgrund derNichtigkeit des Darlehensvertrages nach § 6 Abs. 1 VerbrKrGstehen der Beklagten keine Ansprüche aus diesem zu. Die indem Darlehensvertrag enthaltenen Nebenabreden zur Siche-rung durch die Lebensversicherung waren Rechtsgrundlage fürderen Abtretung. Insoweit ist die Beklagte nach § 812 BGBwegen der Nichtigkeit des Darlehensvertrages auch zur Frei-gabe der sicherheitshalber abgetretenen Ansprüche aus derLebensversicherung verpflichtet. (...).

V E R B R AU C H E R I N S O LV E N Z

Kein Verschulden des Schuldners bei Überschreitungder Vertretungsmacht seines Betreuers

1. Bei der Wahrnehmung insolvenzrechtlicher Pflichten undObliegenheiten sind dem Schuldner schuldhafte Versäum-nisse seines Betreuers grundsätzlich als Verschulden zuzu-rechnen.

2. Die Zurechnung entfällt, wenn der Betreuer seine Vertre-tungsmacht überschreitet oder offenkundig und vorsätzlichmissbraucht.

AG Duisburg, Beschl. v. 6.12.2005, 62 IN 302/05

(ID 37010)

Sachverhalt

Der 50 Jahre alte Schuldner, ein ehemals selbstständiger Gastwirt,ist nicht geschäftsfähig und steht seit November 2000 unter recht-licher Betreuung. Betreuerin mit dem Aufgabenkreis der Vermö-genssorge ist seine etwa ein Jahr jüngere Schwester, in deren Haus-halt der Schuldner in O. lebt. Von Februar 2000 bis Juni 2003, alsder Schuldner noch in M. wohnte, war beim AG ein eröffnetes In-solvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners anhängig.Nach dessen Aufhebung verblieben dem Schuldner Verbindlich-keiten i.H.v. mindestens 45.000 €. Dies war der Betreuerin be-kannt. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom30.6.2005 beantragte die Betreuerin für den Schuldner die Eröff-nung des Insolvenzverfahrens sowie Restschuldbefreiung undStundung der Verfahrenskosten. In der Antragsschrift ist erwähnt,dass eine Rentennachzahlung in Höhe von ca. 11.000 € anstehe.

Die daraufhin eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalterin stelltefest, dass der Schuldner zahlungsunfähig war und weder überpfändbare laufende Einkünfte noch über sonstiges freies Vermö-gen verfügte. In ihrem Gutachten vom 12.8.2005 berichtete dievorläufige Verwalterin ferner, dass nach ihren Ermittlungen am3.5.2005 dem Konto des Schuldners aus einer Rentennachzah-

R E C H T S P R E C H U N G | Verbraucher inso lvenz

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VuR 4/2006 | 161

lung ein Betrag von 11.696,22 € gutgeschrieben worden sei. DieBetreuerin habe ihr erklärt, von diesem Geld habe sie 5.000 € andie Gläubigerin A ausgezahlt und 4.000 € für sich selbst entnom-men, weil sie den Schuldner achtzehn Monate finanziell versorgthabe; der Rest sei verbraucht. Mit Schreiben vom 23.11.2005 trugdie Verwalterin nach, dass die Zahlung an A nicht auf eine Ver-bindlichkeit des Schuldners, sondern auf eine solche der Betreue-rin und ihres Ehemanns geleistet worden sei.

Das AG hat die beantragte Stundung bewilligt.

Aus den GründenI. (...).

II. Der Stundungsantrag ist zulässig und begründet. Das zur Zeitverfügbare liquide Schuldnervermögen reicht zur Deckungder Verfahrenskosten (§§ 26 Abs. 1, 54 InsO) nicht aus. Hin-reichende Anhaltspunkte für grob schuldhafte Versäumnissedes Schuldners oder für die Vorschusspflicht eines Dritten be-stehen nicht.

1. Die Verfügungen der Betreuerin vom Mai 2005 verstießenzwar objektiv gegen die Pflicht des Schuldners, im absehba-ren Vorfeld eines auf ihn zukommenden Insolvenzverfahrensmit der erforderlichen Sorgfalt Rücklagen für die Verfahrens-kosten anzusparen (vgl. LG Duisburg ZVI 2004, 534; AG Duis-burg NZI 2000, 286; NZI 2002, 217; ZVI 2005, 309). Versäum-nisse der Betreuerin in diesem Zusammenhang sind auchgrundsätzlich dem Schuldner zuzurechnen, weil die Betreue-rin die Stellung einer gesetzlichen Vertreterin hat (§§ 1902, 164BGB). Angesichts der besonderen Umstände ist aber im vor-liegenden Fall eine solche Zurechnung nicht gerechtfertigt.Die Betreuerin hat nämlich durch die Verfügungen zu Gunstenihrer Gläubigerin A sowie zur Befriedigung ihrer eigenen For-derung ihre Vertretungsmacht vorsätzlich zu ihrem Vorteilteils überschritten und teils missbraucht.

a) Mit der Entnahme des Geldbetrags zur Rückzahlung ihrerVerbindlichkeit gegenüber A hat die Betreuerin die rechtlichenGrenzen ihrer Vertretungsmacht überschritten. Diese Verfü-gung war – als Gewährung eines Darlehens an sich selbst – einRechtsgeschäft der Betreuerin im Namen des Schuldners mitsich selbst im eigenen Namen. Ein solches Geschäft ist ihr vonGesetzes wegen nicht gestattet (§§ 1908i Abs. 1, 1795 Abs. 2,181 BGB). Es ist deshalb dem Schuldner nicht zuzurechnen.

b) Durch die Entnahme des weiteren Geldbetrags zum Aus-gleich für ihre finanzielle Unterstützung des Schuldners hatdie Betreuerin, selbst wenn man die Entnahme als bloße Er-füllung einer Verbindlichkeit des Schuldners bewertet und des-halb als nach § 181 BGB unbedenklich ansieht, offenkundig,grob und vorsätzlich ihre gesetzliche Vertretungsmacht miss-braucht. Die finanzielle Lage des Schuldners und seine Zah-lungsunfähigkeit waren ihr bekannt. Sie hatte zu diesem Zeit-punkt sogar bereits [einen] Rechtsanwalt beauftragt, denInsolvenzeröffnungsantrag vorzubereiten; im Antrag selbstist nämlich nur von einer anstehenden, also noch bevor-stehenden Rentennachzahlung die Rede. Unter diesen Um-ständen hatte die Betreuerin als gesetzliche Vertreterin desSchuldners das Gebot der Redlichkeit besonders zu beachten(§ 1 S. 2 InsO). Sie musste alles unterlassen, was einzelne Gläu-biger bevorzugte und andere benachteiligte (vgl. §§ 133, 290Abs. 1 Nr. 4 InsO). Insbesondere durfte sie durch die Entnah-me nicht sich selbst einen einseitigen Vorteil verschaffen. Sieüberschritt hierdurch offenkundig die interne Bindung ihrerVertretungsmacht. Diese Erkenntnis musste sich auch ihrselbst als einem juristischen Laien ohne weiteres aufdrängen.

Sie nahm es jedenfalls bewusst und billigend in Kauf. Ob da-mit zugleich strafrechtliche Tatbestände, etwa Untreue (§ 266StGB) oder Gläubigerbegünstigung (§§ 283c, 14 Abs. 1 Nr. 3StGB, §§ 131, 133 InsO) verwirklicht sind, ist ohne Bedeu-tung. Jedenfalls kann dem Schuldner dieses Verhalten im Zu-sammenhang mit seiner Pflicht zur Rücklagenbildung nichtzugerechnet werden.

c) Die Schadensersatzansprüche, die sich aus dem Verhaltender Betreuerin ergeben, sind Bestandteile der künftigen In-solvenzmasse und von der Insolvenzverwalterin mit allenrechtlich zulässigen Mitteln zu verfolgen und durchzusetzen.Einnahmen, die sich daraus ergeben, sind nach Verfahrenser-öffnung kraft Gesetzes vorrangig zur Deckung der Verfah-renskosten zu verwenden (§ 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dennochreicht das Bestehen solcher Ansprüche nicht aus, um zurzeiteine verfügbare kostendeckende Masse zu begründen und da-mit die Ablehnung der Kostenstundung zu rechtfertigen.

2. Eine Vorschusspflicht (§ 26 Abs. 1 S. 2 InsO) ergibt sich ausdem Verhalten der Betreuerin nicht. Bei den erwähnten An-sprüchen gegen sie handelt es sich um Schadensersatzansprü-che, die nicht vor, sondern nach der Verfahrenseröffnung zurMasse zu erfüllen sind. (...).

S O N ST I G E S V E R B R AU C H E R R E C H T

Kein Anspruch auf Einrichtung eines Girokontos aufGuthabenbasis, ZKA-Empfehlung

Aus der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA)„Girokonto für jedermann“ ergibt sich kein einklagbarer An-spruch gegen die Mitglieder der in ihr zusammengeschlosse-nen Verbände auf Einrichtung eines Girokontos auf Gutha-benbasis.

OLG Bremen, Urt. v. 22.12.2005, 2 U 67/05 (LG Bremen) (r.k.)

(ID 36623)

SachverhaltDer Kläger begehrt von der Beklagten die Einrichtung eines Giro-kontos auf Guthabenbasis. Der Kläger unterhielt bei der Beklagtenein Girokonto, welches ihm 2003 wegen Überschreitens der Kre-ditlinie fristlos gekündigt wurde. Die Verbindlichkeiten hieraussind mittlerweile getilgt. Nach Rechtshängigkeit hat mit Be-schluss vom 7.10.2004 das AG Bremen, Insolvenzgericht, im Ver-fahren über den Antrag des Klägers auf Eröffnung des Verbrau-cherinsolvenzverfahrens u.a. angeordnet, dass dieser pfändbaresGeld auf einem gesonderten Bankkonto zu halten habe, welchesmit einem Sperrvermerk in der Weise einzurichten sei, dass Ver-fügungen nur mit Zustimmung des Insolvenzgerichts erfolgendürften.

Der Kläger hat in erster Instanz die Ansicht vertreten und nähererläutert, dass er Anspruch auf Einrichtung eines Girokontos aufGuthabenbasis nach Maßgabe der Empfehlung des Zentralen Kre-ditausschusses (ZKA) aus Juni 1995 habe. Die Beklagte hat insbe-sondere im Hinblick auf die fristlose Kündigung des Girokontossowie aufgrund von zwei ihr gegenüber ausgesprochenen Pfän-dungen aus 1997 und 2001 die erneute Einrichtung eines Giro-kontos abgelehnt.

Das LG Bremen hat mit Urteil vom 16.6.2005 (VuR 2005, 350) dieBeklagte verurteilt, dem Kläger ein Girokonto auf Guthabenbasiseinzurichten. Dieser Anspruch ergebe sich aus den §§ 780, 328BGB. Die freiwillige Empfehlung des ZKA sei eine verbindlicheWillenserklärung, die durch das Einverständnis des Gesetzgebersals abstraktes Schuldversprechen in Form eines Vertrages zugun-

Sonst iges Verbraucherrecht | R E C H T S P R E C H U N G

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162 | VuR 4/2006

sten Dritter wirke. Die Beklagte habe sich diese Selbstverpflich-tung zurechnen zu lassen, denn der ZKA sei ihr Dachverband, dieBeklagte habe sich auf ihrer Homepage mit der Geltung der Emp-fehlung „Girokonto für jedermann“ einverstanden erklärt undsich zudem dem hierzu eingerichteten Beschwerdeverfahren an-geschlossen. Der Beklagte sei zudem die Einrichtung des Girokon-tos zumutbar, was näher erläutert wird.

Mit der hiergegen eingelegten Berufung widerspricht die Beklagteder Auffassung des Landgerichts, aus der Empfehlung des ZKA er-gebe sich ein Anspruch des Klägers. Weder sei die Empfehlungeine rechtsverbindliche Willenserklärung, noch gebe es einerechtsgeschäftliche Annahme durch den Gesetzgeber. Eine Voll-macht des ZKA, sie – die Beklagte – zu vertreten, liege nicht vor.Ferner fehle eine Erklärung der Beklagten, die der Kläger als bin-dende Verpflichtung zur Einrichtung eines „Girokontos für jeder-mann“ hätte verstehen können. Im Übrigen wäre die Einrichtungeines solchen Kontos auch nach den Maßstäben der Empfehlunginsbesondere im Hinblick auf die Auflagen des Insolvenzgerichtsfür sie nicht zumutbar, was näher erläutert wird.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Bremen abzuändern unddie Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurück-zuweisen.

Aus den GründenI. (...).

II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. DerKläger hat keinen Anspruch darauf, von der Beklagten einGirokonto auf Guthabenbasis eingerichtet zu bekommen:

1. Entgegen der Ansicht des LG folgt ein solcher Anspruchnicht aus der Empfehlung des ZKA und einem Einverständnisdes Gesetzgebers.

Diese Argumentation geht schon deswegen fehl, weil es sichbei der Empfehlung lediglich um die Bitte des ZKA an die Mit-glieder der in ihr zusammengeschlossenen Verbände handelt,sich in Zukunft an diese Empfehlung zu halten. Dies ergibt sichbereits aus der Überschrift „ZKA-Empfehlung: Girokonto fürjedermann“. Vor allem aber zielte diese Verlautbarung er-kennbar nicht darauf ab, stellvertretend für die im ZKA zu-sammengeschlossenen Verbände oder gar für die einzelnenBanken und Sparkassen gegenüber einem potentiellen Ver-tragspartner – sei es gegenüber dem Gesetzgeber oder dem aneinem solchen Girokonto interessierten Kundenkreis – rechts-geschäftlich verbindliche Erklärungen abzugeben. Ob derZKA zu einer solchen Vertretung bevollmächtigt gewesen wä-re, mag daher dahinstehen.

Auch der vom LG für seine gegenteilige Einschätzung heran-gezogene Gesetzgeber hat dies nicht anders verstanden, wo-bei die im angegriffenen Urteil als Beleg angeführten BT-Drs.14/3611 und 15/2500 Stellungnahmen der Bundesregierunggegenüber dem Bundestag enthalten, also keine Verlautba-rungen des (Bundes-)Gesetzgebers sind und erst recht keinerechtsgeschäftlichen Willenserklärungen. Beide Stellungnah-men lassen zudem keinen Zweifel daran, dass auch die Bundes-regierung von einer Empfehlung des ZKA ohne unmittelbareDrittwirkung ausgeht, die einer nicht erzwingbaren Umset-zung durch die Kreditinstitute bedarf (siehe z.B. den abschlie-ßenden Vorschlag der Bundesregierung in der Drs. 15/2500,dort S. 7: „Die Bundesregierung empfiehlt, den ZKA aufzufor-dern, auch künftig an der Selbstverpflichtung festzuhalten undfür eine weitere konsequente und flächendeckende Anwen-dung bei allen angeschlossenen Banken zu sorgen“).

Bei der dort teilweise gewählten Bezeichnung der Empfehlungals „Selbstverpflichtung“ handelt es sich erkennbar um eine pla-

kative Verkürzung des Sachverhalts, die schon nicht geeignetist zu belegen, dass die Bundesregierung von einer einklagba-ren Verpflichtung der einzelnen Kreditinstitute ausgehe.

Dass der Bundestag von einer gesetzlichen Regelung Abstandnahm und die Bundesregierung in ihrem Bericht vom11.2.2004 – wie bereits in den vorangegangenen Berichten –empfahl, die weitere Entwicklung abzuwarten, basierte auf derHoffnung, dass die Kreditinstitute die ZKA-Empfehlung um-setzen würden und hierdurch die Notwendigkeit einer gesetz-lichen Normierung entfallen werde, zumal nach Ansicht derBundesregierung eine gesetzliche Regelung durchaus weitereProbleme schafft (siehe BT-Drs. 15/2500, S. 7). Einem Verzichtauf eine gesetzgeberische Regelung kommt aber keine überden Verzicht hinausgehende rechtliche Bedeutung zu.

2. Der Senat kann nicht feststellen, dass sich die Beklagte ineinklagbarer Weise zur Einhaltung der ZKA-Empfehlung ver-pflichtet hätte. Dabei mag dahinstehen, wie eine solche aneine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtete Erklä-rung auszusehen hätte, um nicht lediglich die bloße Auffor-derung zur Abgabe eines Angebots zu enthalten:

a) Die Geschäftsbedingungen der Beklagten weisen keine Re-gelung über das Zustandekommen einer Geschäftsbeziehungauf, sondern setzen diese voraus.

b) Dass sich die Beklagte dem Verfahren zur „Schlichtungvon Kundenbeschwerden im Bereich des BundesverbandesÖffentlicher Banken Deutschlands“ angeschlossen hat, ver-hilft dem Kläger gleichfalls nicht zu einem Anspruch aufAbschluss eines Girokontovertrages auf Guthabenbasis. DieBeklagte hat sich allerdings mit ihrem Beitritt dieser Schieds-ordnung unterworfen. Eine darüber hinausgehende Schluss-folgerung rechtfertigt dieses Verhalten jedoch nicht. Insbe-sondere kann ihm nicht die Bereitschaft der Beklagtenentnommen werden, ihren Kunden vor Gericht weitergehen-de Rechte zu verschaffen, als sie den Kunden nach der Schieds-ordnung zustünden. Die Schiedsordnung beschränkt aber dieBefugnisse des Ombudsmannes darauf, den Parteien des Be-schwerdeverfahrens einen schriftlichen Schlichtungsvor-schlag zu unterbreiten (III. (4), S. 1 der Verfahrensordnung).Handelt es sich um die Beschwerde, dass das Kreditinstitutdem beschwerdeführenden Kunden kein Girokonto einge-richtet habe, hat sich sogar der Schlichtungsvorschlag auf diekurz und verständlich zu begründende Feststellung des Om-budsmannes zu beschränken, ob das Kreditinstitut die Emp-fehlung des ZKA zum Thema „Girokonto für jedermann“beachtet habe (III. (4), S. 2 der Verfahrensordnung). Die Unter-werfung der Beklagten unter die Schiedsordnung führt somitlediglich dazu, dass sie ihr Verhalten durch einen unabhängi-gen Dritten an der Empfehlung messen lassen muss und dabeidas Risiko einer schriftlichen Missbilligung eingeht. Damitbegab sie sich aber nicht der Entscheidung, ob sie trotz derFeststellung, dass sie gegen die Empfehlung verstoßen habe,weiterhin dem betreffenden Kunden ein Girokonto auf Gut-habenbasis verweigern werde.

c) Die Präsentation der Beklagten im Internet enthält keineAngaben, die über eine werbende Darstellung ihrer Geschäfts-tätigkeit und ihrer Leistungspalette hinausgehen.

Soweit sich das LG auf die Rubrik „Geschichte“ in der Home-page der Beklagten bezieht, ergibt sich bereits aus der Be-zeichnung dieser Rubrik, aber auch aus ihrem Inhalt, dass dieBeklagte eine Darstellung ihrer Unternehmensgeschichte vor-nimmt. Dabei führt sie allerdings neben Angaben über ihren

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rechtlichen Status sowie zu geschäftlichen und sozialen Akti-vitäten auch die Dienstleistungen auf, die sie im Verlaufe vonmehr als 120 Jahren jeweils neu für ihre Kunden eingeführthabe. Die Beklagte benutzt also die Darstellung ihrer Firmen-geschichte zugleich dazu, ihre ständige Innovationsbereit-schaft und Kundenfreundlichkeit werbend herauszustellen.

Dass sie dabei für das Jahr 1995 u.a. die Einführung des „Giro-konto für jedermann“ aufführt, stellt die werbende Anpreisungdar, sie habe sich ab 1995 an die betreffende ZKA-Empfehlunggehalten. Dies mag wettbewerbsrechtlich irreführend sein, soll-te die Beklagte im relevanten Umfang die Einräumung von Gi-rokonten auf Guthabenbasis entgegen den Vorgaben der Emp-fehlung verweigert haben. Die Beklagte verbleibt mit dieserAngabe jedoch im Bereich der Werbung und gibt erkennbar keinnur der Annahme bedürfendes Angebot an ihre potentiellenKunden ab, diesen entsprechend den Vorgaben der ZKA-Emp-fehlung ein Girokonto auf Guthabenbasis einzurichten.

Ein anderes Verständnis wird auch nicht dadurch nahe ge-legt, dass die ZKA-Empfehlung darauf abzielte, einen vomGesetzgeber erwogenen gesetzlichen Kontrahierungszwang zuvermeiden. Auch der Kunde, dem beim Lesen der Homepageder Beklagten die historischen Zusammenhänge zwischen derEmpfehlung und dem Verzicht des Bundesgesetzgebers aufeine gesetzliche Regelung noch präsent sind, kann redlicher-weise nicht ignorieren, dass die Empfehlung lediglich ein Ap-pell an die Kreditinstitute war, sich an die in der Empfehlungvorgeschlagene Regelung zu halten, und der Gesetzgebers ab-warten wollte, ob diese Empfehlung so konsequent – freiwil-lig – umgesetzt würde, dass kein Bedarf mehr für eine gesetz-liche (Zwangs-)Regelung bestehe. Ob die von der Beklagtenwerbend herausgestellte Bereitschaft, die Empfehlung zu be-achten, den Bereich der Werbung überschreitet, lässt sich da-her mit einem Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte derEmpfehlung und mit dem damaligen Verhalten des Bundes-gesetzgebers nicht beantworten.

Die Internetwerbung der Beklagten für „GIREX“ enthält nebeneiner Beschreibung der verschiedenen Angebote und Preiselediglich die allgemeinen Aussagen „Die Sparkasse Bremen bie-tet das richtige Konto für jeden“ und „GIREX Mehr drauf,drin und dran – für Jedermann“. Es handelt sich hierbei um diefür eine Werbung typische generelle Anpreisung, bei ihr findejeder Kunde das für ihn passende Konto.

d) Das vom Kläger als Grundsatzentscheidung vorgetrageneUrteil des LG Berlin vom 24.4.2003 – 21 S 1/03 – beruhte aufder besonderen Konstellation, dass das dort verklagte Kredit-institut eine – im Urteil nicht wiedergegebene – Erklärunggegenüber der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit undFrauen abgegeben hatte, welche das LG als „Selbstverpflich-tung“ gegenüber potentiellen Kunden ansah. Ob dem gefolgtwerden kann, mag dahinstehen, denn die Beklagte hat eineentsprechende Erklärung nicht abgegeben. (...).

Anmerkungvon Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Halle/Saale

1. Einführung

Der Kläger hat in diesem Rechtsstreit die bekannte Erfahrunghinnehmen müssen, dass im Berufungsverfahren die schwie-rigste Rolle dem Berufungsbeklagten zukommt, der mit einernicht plausiblen Begründung in der Vorinstanz gewonnen hat.

Das Urteil des LG Bremen (VuR 2005, 350 m. Anm. Kohte)hatte einen Vertrag zwischen Gesetzgeber und Zentralem Kre-ditausschuss angenommen. Das war nicht haltbar, gleich-wohl vermag das Urteil des OLG Bremen weder im Ergebnisnoch in weiten Teilen seiner Begründung zu überzeugen.

2. Willenserklärungen und Anpreisungen

Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Entscheidung, wonachjedenfalls die ZKA-Empfehlung zum Girokonto für jedermannkeine Willenserklärung darstelle, die der Gesetzgeber ange-nommen habe. Wenn man den Wortlaut der ZKA-Empfehlungmit den Mitteln der Rechtsgeschäftslehre auslegt, so ergibt sichdaraus zwanglos, dass in ihr kein Rechtsbindungswille zumAusdruck kommt (vgl. dazu Kohte, Festschrift für Derleder,2005, S. 405 (407) sowie Reifner, ZBB 1995, 238 (245)). Da-rüber hinaus kann es nicht zweifelhaft sein, dass der ZentraleKreditausschuss nicht Stellvertreter seiner Mitglieder ist, sodass eine Zurechnung von Willenserklärungen nach § 164 BGBnicht stattfinden kann. Ebenso wenig handelte der Bundes-tag rechtsgeschäftlich, als er es unterließ, einen gesetzlichenKontrahierungszwang einzuführen.

Daher ist es im Ausgangspunkt für eine rechtsgeschäftlicheLösung zutreffend, wenn das OLG Bremen nach einer Wil-lenserklärung der beklagten Bank sucht, die als Angebot aus-zulegen ist. Dies entspricht auch der neueren Judikatur (LGBerlin ZVI 2004, 20) und Literatur (Palandt-Heinrichs, 65. Aufl.,Rn. 10 vor § 145 BGB, Palandt-Sprau, § 676f BGB Rn. 3; Der-leder, EWiR 2003, 963 (964)), denn eine „Selbstverpflichtung“ist im Privatrecht typischerweise zunächst eine rechtsge-schäftliche Verpflichtung.

Auf der Suche nach Erklärungen der beklagten Bank prüft dasOLG Bremen weiter, welche Erklärungen der Bank auf ihrerHomepage als Willenserklärungen ausgelegt werden können.Damit wird zutreffend vorausgesetzt, dass Erklärungen in derÖffentlichkeit keineswegs mehr pauschal als unverbindlichangesehen werden können, sondern bei entsprechender Aus-legung der Erklärung vielmehr zur Bejahung eines Rechtsbin-dungswillens führen können (vgl. dazu nur BGH NJW 2002,363 (364); Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 145 Rn. 2 ).

Das OLG Bremen qualifiziert die Aussagen der Bank zum Giro-konto für jedermann als eine „werbende Anpreisung“ undsieht darin offenbar eine Fallgruppe von Erklärungen ohneRechtsbindungswillen. Das ist in mehrfacher Hinsicht pro-blematisch. Auf der Europäischen Ebene wurde bereits in Art.2 Abs. 2 Buchstabe d) der Richtlinie 1999/44/EG über denVerbrauchsgüterkauf eine Bestimmung eingeführt, nach dersich die Vertragsmäßigkeit einer Sache auch durch öffent-liche Äußerungen des Verkäufers, Herstellers oder dessen Ver-treters in der Werbung bestimmen kann. Die Umsetzung die-ser Vorschrift erfolgte in § 434 Abs. 1 S. 3 BGB. Auch die neuereRechtsprechung hat den Spielraum für rechtlich unverbind-liche Erklärungen in der Öffentlichkeit von Unternehmenstark eingeschränkt (vgl. etwa OLG Frankfurt NJW 1997, 136zu rechtsverbindlichen Äußerungen des Vorstandssprechersder Deutschen Bank im Rahmen einer Pressekonferenz; AG Aa-chen, Urt. v. 7.9.2004 – 10 C 665/03 = SVR 2005, 33: in derInternet-Werbung beschriebenes, tatsächlich aber fehlendesFahrzeugzubehör als Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434Abs. 1 S. 3 BGB). Ingesamt lässt sich eine Entwicklung beob-achten, dass Werbeaussagen nicht mehr grundsätzlich als un-verbindliche Anpreisungen zu sehen sind, sondern der sichöffentlich äußernde Unternehmer ganz im Sinne der Privat-

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autonomie zunehmend „beim Wort“ genommen wird (vgl.dazu Hohmann, Werbeaussagen und Käufererwartung, 2004,S. 73 ff.). Die pauschale Einordnung einer Erklärung als „wer-bende Anpreisung“ ohne Rechtsbindungswillen wird daherder heutigen Rechtsgeschäftslehre nicht gerecht. Vielmehrmuss im Einzelfall eine Auslegung nach rechtsgeschäftlichenGrundsätzen erfolgen, ob die jeweilige Erklärung vom typi-schen Empfänger als bindend verstanden werden darf.

Man mag einwenden, dass es aus Sicht der Bank ungewöhn-lich ist, unter der Rubrik „Geschichtliches“ eine Erklärungmit Rechtsbindungswillen zu platzieren. Doch für die Ausle-gung von Erklärungen ist allein die Sicht des Erklärungsemp-fängers maßgeblich. Falls der Bank in diesem Zusammenhangdas Erklärungsbewusstsein gefehlt haben sollte, so ist dies nachallgemeiner Meinung für das Vorliegen einer Willenserklärungunerheblich.

Für die Auslegung aus der Sicht des Erklärungsempfängers istzu beachten, dass durch die Verwendung der Anführungszei-chen der Begriff „Girokonto für Jedermann“ als feststehen-den Begriff verwendet hat, der nur im Zusammenhang mitder gleichnamigen ZKA-Empfehlung aus dem Jahr 1995 ge-sehen werden kann. Wenn die Bank aber erklärt, sie habe imJahr 1995 das „Girokonto für Jedermann“ eingeführt, so kannder Erklärungsempfänger durchaus erwarten, dass die Bank seitdem Jahr 1995 Girokonten auf Guthabenbasis bereit hält,wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der ZKA-Emp-fehlung vorliegen. Hier greift die pauschale Annahme einerunverbindlichen Anpreisung zu kurz.

Dies gilt auch für die Auslegung der Schiedsordnung. Zutref-fend sieht der Senat, dass der Beitritt zu einem solchen Ver-fahren durch Willenserklärungen erfolgt, meint aber, dassdiese sich auf die Teilnahme des Verfahrens beschränkt. Inder Vereinbarung einer einfachen Feststellung, dass bei der Ab-lehnung des Girovertrags die ZKA-Empfehlung nicht beach-tet worden ist, sieht der Senat den Vorbehalt der Bank, dasssie trotz öffentlicher Missbilligung weiterhin frei sei, über denAntrag zu entscheiden. Das ist eine bemerkenswerte Deu-tung, dass jemand einem Verfahren mit dem Ziel beitritt, sichöffentlich, aber folgenlos rügen zu lassen. Die Differenzie-rung der verschiedenen Schlichterempfehlungstypen könnteauch so erklärt werden, dass der Schlichter in keinem Fall ei-nen Titel schaffen kann und bei einfachen Leistungsansprü-chen die Erklärung zügig durch das Mahnverfahren bzw. denUrkundsprozess zu einem Titel geführt werden kann, währendder Anspruch auf Abschluss eines Vertrages immer nur nachMaßgabe des § 894 ZPO in einem vollständigen Erkenntnis-verfahren tituliert werden kann.

Letztlich sind die Verbände, die die jeweiligen Schiedsord-nungen formuliert haben, am Zuge; machen sie sich die Aus-legung des OLG Bremen – und sei es nur durch beifälligesSchweigen – zu eigen, dann hat das bisherige Verfahren be-reits die erste reale Belastungsprobe nicht bestanden.

3. Allgemeiner Kontrahierungszwang

Auch wenn das OLG Bremen für eine rechtsgeschäftlicheLösung keine Grundlage sah, so durfte es die Frage eines all-gemeinen Kontrahierungszwanges nicht unbeantwortet las-sen. Die Rechtsfigur des allgemeinen Kontrahierungszwangesist allgemein anerkannt; nur ihre dogmatische Ableitung istumstritten (für eine Analogie zu den Vorschriften, die einenunmittelbaren Kontrahierungszwang aufstellen, etwa Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl., § 34 Rn. 33; für einen Anspruch aus

§ 826 Staudinger-Bork, 2003, vor §§ 145 – 156 Rn. 22; MüKo-Wagner, 4. Aufl., 2004, § 826 Rn. 108). Bereits das Reichsgerichthatte im Falle der Verweigerung des Vertragsschlusses einesTheaters mit einem ungeliebten Kritiker in § 826 eine mög-liche Schranke der Abschlussfreiheit gesehen (RGZ 133, 388(392)). Inzwischen ist ein solcher Kontrahierungszwang an-erkannt für den Besuch des Sportplatzes für Sportreporter (LGMünster NJW 1978, 1329) sowie einer öffentlichen Bade-anstalt für jedermann (AG Würzburg NJW-RR 1993, 1332 –allerdings nicht für Träger eines String-Tanga!). Vielfach wirddaher heute zumindest bei Verbrauchern der allgemeineKontrahierungszwanges auf alle elementaren Güter erstreckt(Bydlinski, AcP 180, 1, 37, 41; MüKo-Wagner, a.a.O.; Medicus,Schuldrecht I, 16. Aufl., 2005, Rn. 84). Auch die Umsetzungder RL 2000/43 wird diese Rechtsfigur aufgreifen müssen (Koh-te, VuR 2002, 383).

Für das Vorliegen eines solchen Kontrahierungszwanges wirdverlangt, dass (1) der Interessent auf die Leistung angewiesensei, insbesondere ein Verzicht hierauf unzumutbar sei; dass(2) keine zumutbaren Ausweichmöglichkeiten bestünden, so-wie (3) die Ablehnung des Kontrahierens nicht sachlich be-gründet sei (vgl. Staudinger-Bork, a.a.O., vor §§ 145-156 Rn. 22;Weth, Rechtsprobleme der bargeldlosen Lohnzahlung, in GSWolfgang Blomeyer, 2004, S. 285, 298 f.; LG Stuttgart NJW1996, 3347; OLG Dresden NJW 2001, 1433 (1434)). Die Vor-aussetzungen sollen zwar in der Regel, aber nicht in jedemFall kumulativ vorliegen müssen.

(1) Es besteht inzwischen Übereinstimmung darüber, dass einGirokonto heutzutage von elementarer Bedeutung für die Teil-nahme am Rechtsverkehr (vgl. Weth a.a.O.; Kohte in FS Der-leder, a.a.O., S. 405; BGH NJW 2004, 1031 (1032); Kaiser, VuR2000, 335) und insbesondere für die Sicherung des Existenz-minimums unverzichtbar ist (dazu Kohte, VuR 2005, 354 mitHinweis auf BGH NJW 1988, 709 zum Verlust des Schutzesaus § 55 SGB I bei fehlender Identität von Sozialleistungs-empfänger und Kontoinhaber). Daher ist der typische Inte-ressent auf ein eigenes Girokonto angewiesen.

(2) Ob zumutbare Ausweichmöglichkeiten gegeben sind, hängtinsbesondere von den Alternativen ab. Da nach den Vorschrif-ten des Kreditwirtschaftsgesetzes allein den Kreditinstituten dieFührung von Girokonten erlaubt ist, ergibt sich daraus eineBeschränkung der Auswahlfreiheit der Interessenten (Reifner,ZBB 1995, 243 (246)). Bei Klagen von juristischen Personen hat-ten die Gerichte den Nachweis verlangt, dass diese auch beianderen Banken – sogar außerhalb der Region – erfolglos dieEinrichtung eines Girokontos verlangt haben (OLG Branden-burg NJW 2001, 450 (451); LG Stuttgart NJW 1996, 3347(3349); eingeschränkt auf das örtliche Umfeld OLG DresdenNJW 2002, 757 (760)). Man wird jedoch bei einer natürlichenPerson, die kein Unternehmen betreibt und auf Basis der ZKA-Empfehlung ein Girokonto begehrt, geringere Anforderungenan die Unzumutbarkeit stellen müssen als bei einer juristi-schen Person oder einem Unternehmen (so zutreffend Singerin Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen undeuropäischen Bankrecht, 2004, § 31 Rn. 10). Hier kann nichtverlangt werden, zunächst drei oder fünf andere Kreditinstitu-te aufzusuchen. Der Kläger war im Verbraucherinsolvenzver-fahren auf eine zügige Lösung angewiesen. Auch ein Verweisauf Online-Banking (so OLG Köln NJW 2001, 452; dagegenzutreffend OLG Brandenburg NJW 2001, 450 (451)) geht fürarme Personen, die zunächst einen PC anzuschaffen haben,an der Sache vorbei (so auch Grüneklee, Der Kontrahierungs-zwang bei Banken und Sparkassen, 2001, S. 185).

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Wenn das OLG Bremen den klägerischen Vortrag insoweit fürnicht ausreichend gehalten hätte, so hätte es gemäß § 139 ZPOeinen entsprechenden Hinweis geben müssen.

(3) Für die Frage, ob die Ablehnung des Kontrahierens sachlichbegründet ist, bietet wiederum die ZKA-Empfehlung einenAnhaltspunkt. Da die in der ZKA-Empfehlung aufgeführtenAusschlussgründe von den Akteuren der Kreditwirtschaftselbst formuliert wurde, ist regelmäßig davon auszugehen, dasseine Ablehnung bereits dann unsachlich ist, wenn sie auf Ab-lehnungsgründe gestützt wird, die nicht bereits in der ZKA-Empfehlung vorgesehen sind. Im vorliegenden Fall war dieAblehnung offensichtlich nur auf die Teilnahme am Verbrau-cherinsolvenzverfahren gestützt. Dies kann nicht ausreichen,zumal die hier dem Kläger zustehenden Leistungen nach demSGB II regelmäßig unpfändbar sind, so dass § 115 InsO hiernicht eingreift (dazu nur FK/InsO-Wegener, 4. Aufl., 2006, § 115Rn. 6 und -Kohte, § 313 Rn. 41). Zutreffend wird in der insol-venzrechtlichen Literatur davon ausgegangen, dass ein Gut-haben des Schuldners, das durch Überweisung unpfändbarenEinkommens entstanden ist, auch in der Insolvenz dem Schutzder §§ 55 SGB I, 850k ZPO untersteht (Jaeger/Henckel, InsO,2004, § 36 Rn. 17), so dass es wertungswidersprüchlich wäre,allein aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Unzumut-barkeit der Kontenführung anzunehmen. Im konkreten Fallwar vom Kreditinstitut nicht mehr als in den sonstigen Fällendes § 55 SGB I verlangt worden.

4. Ausblick: Gesetzlicher Kontrahierungszwang in Arbeit?

In die Diskussion um ein gesetzliches Recht auf ein Girokon-to ist Bewegung gekommen, nachdem Bundesjustizministe-rin Zypriss einen entsprechenden Vorstoß angekündigt hat.

Mehr als zehn Jahre nach der ZKA-Empfehlung sind weiterhinviele Menschen von der Welt des bargeldlosen Zahlungs-verkehrs ausgeschlossen. Angesichts der vielen Fälle derKontoverweigerung, die insbesondere aus der Praxis der Schuld-nerberatung bekannt sind, kann entgegen anderslautender Be-teuerungen aus dem Bankensektor (vgl. etwa Steuer, WM 1998,439) festgestellt werden, dass die Banken weiterhin nicht in er-forderlichem Maße Girokonten auf Guthabenbasis bereitstellen.Auch wenn sich – anders als das OLG Bremen meint – den ein-zelnen Kunden rechtsgeschäftliche Lösungen im Einzelfall er-öffnen oder auch der Rückgriff auf den allgemeinen Kontra-hierungszwang möglich ist, ist es rechtspolitisch geboten, sichan den Vorbildern einiger Nachbarstaaten zu orientieren, undeine transparente Lösung zu schaffen, zumal man im Rahmender Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 h der RL 2000/43 zu Maßnah-men gegen ethnische Diskriminierung sowieso einen gesetz-lichen Kontrahierungszwang auch für den Abschluss von Giro-verträgen auf Guthabenbasis installieren muss.

Letztlich geht es nur um die Korrektur eines legislatorischenFehlers aus der Zeit der Postprivatisierung. Viele Jahre ergab sichaus § 8 PostG ein gesetzlicher Anspruch auf Führung eines Post-girokontos; dies war weder unzumutbar noch mit der Wirt-schaftsordnung unvereinbar. Die Abschaffung dieser Regelung1994 hat die Ausweichmöglichkeiten der Antragsteller mini-miert, so dass es nach dem auch in der Politik anwendbarenGesetz der kommunizierenden Röhren geboten ist, dieseKontrahierungspflicht auf alle Kreditinstitute zu erstrecken. Derprivate Bankensektor, dem sich durch die Postprivatisierungund den Wegfall der Gewährträgerhaftung zusätzliche Markt-chancen eröffnen, wird daher auch aus wettbewerblichenGründen mit den öffentlichen Banken den Kontrahierungs-zwang zugunsten armer Menschen zu teilen haben.

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A N L E G E R S C H UT Z

Geschlossener Immobilienfonds, Voraussetzungen fürNachschussverpflichtungBGH, Urt. v. 23.1.2006, II ZR 306/04 (LG Berlin, AG Charlotten-burg)

1. Nachträgliche Beitragspflichten können auch in einer Pu-blikumsgesellschaft nur dann durch Mehrheitsbeschluss be-gründet werden, wenn die gesellschaftsvertragliche Bestim-mung eindeutig ist und Ausmaß und Umfang einermöglichen zusätzlichen Belastung erkennen lässt. Dies erfor-dert die Festlegung einer Obergrenze oder sonstiger Krite-rien, die das Erhöhungsrisiko eingrenzen (Urt. v. 4.7.2005 –II ZR 354/03).

2. Eine gesellschaftsvertragliche Bestimmung, die den einzel-nen Gesellschafter zu Nachschusszahlungen verpflichtet, „so-weit bei der laufenden Bewirtschaftung des Grundstücks

Unterdeckungen auftreten“, genügt diesen Anforderungennicht und kann deshalb nicht Grundlage einer Nachschuss-verpflichtung sein.

(ID 37018)

Finanzierte Immobilienfondsbeteiligung, Nichtigkeitder Treuhändervollmacht, kein Bereicherungs-anspruch der Bank bei Unwirksamkeit des Darlehens-vertrages

OLG Karlsruhe, Urt. v. 29.12.2005, 17 U 43/05

1. Durch eine nach Ablauf der Zinsfestschreibung vorgenom-mene Vereinbarung der Kreditbedingungen passen die Dar-lehensvertragsparteien lediglich die Konditionen für das fort-laufende Kapitalnutzungsrecht den Marktbedingungen anund stellen den wegen Nichtigkeit der Treuhandvollmacht(Art. 1 § 1 RBerG, § 134 BGB) unwirksamen Darlehensvertrag

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nicht auf eine neue vertragliche Grundlage mit der Folge sei-ner Wirksamkeit für die Zukunft.

2. Bei Auszahlung des Darlehenskapitals im Rahmen einerfinanzierten Immobilienfondsbeteiligung handelt die Finan-zierungsbank nicht auf Anweisung des Anlegers, sondern be-stimmt in Verfolgung ihrer gegenüber den Fondsverantwort-lichen gegebenen Finanzierungszusage den Auszahlungszweckgegenüber dem Zahlungsempfänger selbst.

3. Aus diesem Grund steht der Bank bei Unwirksamkeit desDarlehensvertrags auch ein Bereicherungsanspruch gegen ih-ren Kunden nicht zu. Dieser schuldet der Bank lediglich Her-ausgabe des erlangten Fondsanteils einschließlich etwaigerFondsausschüttungen.

4. Der Anleger haftet der Bank auch nicht als Gesellschafter füreinen etwaigen auf die Darlehensvaluta gerichteten Rücker-stattungsanspruch der Bank gegenüber der Fondsgesellschaft.

(ID 37011)

Prospekthaftung, falsche Angabe der Innenprovision,VerjährungsbeginnOLG Stuttgart, Urt. v. 26.9.2005, 6 U 92/05 (n.rk.)

1. Die im Emissionsprospekt von den Prospektherausgeberngemachten Angaben müssen – unabhängig von einer diesbe-züglichen Verpflichtung – richtig sein. Werden die Innenpro-visionen im Prospekt mit 6 % des Anteilswertes angegeben,kommt es nicht mehr darauf an, ob die Innenprovisionen dieGrenze von 15 % nicht überschreiten (BGH, Urt. v. 28.7.2005– III ZR 290/04 und BGHZ 158, 110 (121)).

2. Die kenntnisabhängige Verjährung von Schadensersatzan-sprüchen (§ 199 Abs. 1 BGB n.F.) beginnt nicht schon mit derInsolvenz der Fondsinitiatoren zu laufen. Maßgeblicher Zeit-punkt ist vielmehr die Beratung durch einen Rechtsanwalt.

(ID 37012)

Bauherrenmodell, Nichtigkeit der Auftragserteilungwegen sittenwidrigen kollusiven ZusammenwirkensKG Berlin, Urt. v. 2.2.2006, 16 U 28/05 (LG Berlin)

Vergibt der Geschäftsführer einer Immobilienfonds GbR (Bau-herrenmodell) außerhalb des GeneralübernehmervertragesAufträge an mit ihm verbundene Firmen (hier: an eine KG,deren einziger Kommanditist sowie einziger Gesellschafterund Geschäftsführer der Komplementär GmbH er war) zuweit überhöhten Preisen, kommt eine Nichtigkeit des Auf-trags wegen kollusiven Zusammenwirkens zum Nachteil derGbR in Betracht, auch wenn der im Prospekt der Wohnanlagekalkulierte Endpreis für die Errichtung insgesamt nicht über-schritten wird.

(ID 37019)

Dokumentationspflichten der Banken bezüglich ihrerBeratungs- und AufklärungspflichtenBGH, Urt. v. 24.1.2006, XI ZR 320/04 (OLG Koblenz, LG Koblenz)

Kreditinstitute haben keine zivilrechtliche Pflicht oder Ob-liegenheit zur schriftlichen Dokumentation der Erfüllung ih-rer gegenüber Kapitalanlegern.

(ID 37001)

V E R B R AU C H E R I N S O LV E N Z

Zuständigkeit für Eröffnung des Insolvenzverfahrensbei Umzug des Schuldners ins EU-AuslandBGH, Beschl. v. 9.2.2006, IX ZB 418/02 (AG Wuppertal, LG Wup-pertal)

Das Gericht des Mitgliedstaats, in dem der Antrag auf Eröff-nung des Insolvenzverfahrens gestellt worden ist, bleibt für dieEntscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu-ständig, wenn der Schuldner nach Antragstellung, aber vor derEröffnung den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interes-sen in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats verlegt (im An-schluss an EuGH, Urt. v. 17.1.2006 – C-1/04).

(ID 37013)

Keine Insolvenzverfahrenseröffnung, wenn nur eineeinzige bestrittene unbewiesene Forderung vorliegtBGH, Beschl. v. 14.12.2005, IX ZB 207/04 (LG Berlin, AG Charlot-tenburg)

Soll der Eröffnungsgrund aus einer einzigen Forderung desantragstellenden Gläubigers abgeleitet werden und ist dieseForderung bestritten, muss sie für die Eröffnung des Insol-venzverfahrens bewiesen sein.

(ID 37014)

Wohlverhaltensperiode, grobe FahrlässigkeitBGH, Beschl. v. 9.2.2006, IX ZB 218/04 (LG Göttingen, AG Göttin-gen)

Zur Annahme grober Fahrlässigkeit im Falle der Aushändigungeines Merkblatts zur Wohlverhaltensperiode.

(ID 37077)

Vorläufiges Bestreiten zur Insolvenztabelleangemeldeter ForderungenBGH, Beschl. v. 9.2.2006, IX ZB 160/04 (LG Ingolstadt, AG Ingol-stadt)

1. Auch der Insolvenzverwalter, der eine von einem Insol-venzgläubiger zur Insolvenztabelle angemeldete Forderunglediglich „vorläufig“ bestreitet, löst die vom Gesetz an dasBestreiten geknüpften Rechtsfolgen aus (Anschluss an BAG ZIP1988, 1587 (1589)).

2. Wird die zunächst vorläufig bestrittene Forderung später zurInsolvenztabelle festgestellt und erklären die Parteien darauf-hin übereinstimmend den zuvor vom anmeldenden Gläubigeraufgenommenen Rechtsstreit für erledigt, ist die Kostenent-scheidung nach den zu § 93 ZPO entwickelten Grundsätzenzu treffen.

(ID 37078)

Keine Insolvenzantragspflicht des Vaters bei fehlenderLeistungsfähigkeit zur Zahlung des Unterhaltes anunverheiratete MutterOLG Koblenz, Urt. v. 21.7.2005, 7 UF 773/04 (rk.)

1. Eine Obliegenheit zur Einleitung eines Insolvenzverfah-rens mit Restschuldbefreiung besteht zur Verbesserung des

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Unterhalts von unverheirateten und diesen gleichgestelltenKindern.

2. Eine Obliegenheit zur Einleitung eines Insolvenzverfah-rens besteht nicht, wenn durch die Restschuldbefreiunglediglich die Leistungsfähigkeit zur Zahlung des Unterhaltsfür die unverheiratete Mutter erreicht werden soll.

3. Auch die Obliegenheit, sich auf den Pfändungsschutz der§§ 850 Abs. 2, 850c, 850i ZPO zu berufen, besteht nicht, wenndie Schuldverpflichtungen bei einer Aussetzung oder Verrin-gerung der Zahlungen weiter anwachsen würde.

(ID 37015)

Lebensversicherung, InsolvenzmasseKG Berlin, Urt. v. 10.2.2006, 6 U 139/05 (LG Berlin)

Das Bezugsrecht der zugunsten der Ehefrau des Bäckermeis-ters abgeschlossenen Rentenversicherung ist nicht widerruf-lich, wenn ihr unmittelbar im Versicherungsschein ab demErreichen des 60. Lebensjahres durch die Versicherung eineRente „gewährt“ wird; der nach Kündigung des Versiche-rungsvertrages durch den Insolvenzverwalter fällig geworde-ne Rückkaufswert fällt damit nicht in die Insolvenzmasse.

(ID 37020)

Beratungshilfe für Durchführung des außergericht-lichen Einigungsversuches durch einen RechtsanwaltAG Hamm, Beschl. v. 19.12.2005, 23 II 1297/05 (rk.)

Zumindest bei langen Wartezeiten der Schuldnerberatungs-stellen ist zur Durchführung des außergerichtlichen Eini-gungsversuchs durch einen Rechtsanwalt Beratungshilfe zugewähren, da keine „andere Möglichkeit der Hilfe“ i.S.d. § 1Abs. 1 Nr. 2 BerHG besteht.

(ID 37016)

Keine Versagung der Restschuldbefreiung bei bloßerNichtzahlung fälliger Verbindlichkeiten AG Göttingen, Beschl. v. 13.8.2005, 74 IN 41/04

1. Zahlt ein Schuldner über längere Zeit den Mietzins fürGewerberaum nicht, liegt keine eine Versagung gem. § 290Abs. 1 Nr. 4 InsO begründende verzögerliche Insolvenzan-tragstellung vor, solange der Schuldner nicht aktiv, z.B. durchTäuschung, den Gläubiger von der Stellung eines Insolvenz-antrags abhält.

2. Nimmt der Schuldner eine Berufstätigkeit in einem Staat mitanerkannt schlechten Kommunikationsmöglichkeiten (hier:Irak) auf, liegt in der Nichtangabe der Adresse kein Verstoßgegen § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO, solange er ohne Schwierigkei-ten über seinen Verfahrensbevollmächtigten erreichbar ist.

(ID 37017)

KO N S U M E N T E N K R E D I T

Verbraucherdarlehen ist kein Verbrauchervertrag i.S.d.Art. 29 EGBGBBGH, Urt. v. 13.12.2005, XI ZR 82/05 (KG Berlin, LG Berlin)

1. Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Art. 29EGBGB ist dessen Anwendung auf die genannten Vertrags-typen beschränkt und eine Analogie insoweit nicht zulässig.

2. Zwingende Normen im Sinne des Art. 34 EGBGB sind Be-stimmungen, die beanspruchen, einen Sachverhalt mit Aus-landsberührung ohne Rücksicht auf das jeweilige Vertragssta-tut zu regeln. Diese Voraussetzung erfüllen nur Vorschriften,die nicht nur dem Schutz und Ausgleich widerstreitender In-teressen der Vertragsparteien und damit reinen Individualbe-langen dienen, sondern daneben zumindest auch öffentlicheGemeinwohlinteressen verfolgen.

3. Das deutsche Verbraucherkreditgesetz zählt danach nicht zuden zwingenden Vorschriften des Art. 34 EGBGB, da es demSchutz des einzelnen Verbrauchers dient, während Belange derAllgemeinheit nur reflexartig mitgeschützt werden.

(ID 37004)

V E R S I C H E R U N G

Krankheitskostenversicherung, AVBBGH, Urt. v. 8.2.2006, IV ZR 205/04 (OLG Celle, LG Hannover)

1. In der privaten Krankheitskostenversicherung ist die An-wendung der §§ 74 bis 80 VVG durch § 178a Abs. 2 VVG aus-geschlossen.

2. Wird der Ehepartner des Versicherungsnehmers mitversi-chert (§ 178a Abs. 1 VVG) und enthalten die Versicherungs-bedingungen keine besonderen Bestimmungen über seineRechte aus dem Versicherungsvertrag, so ist er regelmäßignicht lediglich als Gefahrsperson einer allein im Eigeninteres-se des Versicherungsnehmers abgeschlossenen Versicherunganzusehen, sondern es liegt ein Krankheitskostenversiche-rungsvertrag für fremde Rechnung und damit ein echter Ver-trag zugunsten Dritter im Sinne von § 328 Abs. 1 BGB vor.Darauf, ob der mitversicherte Ehepartner einer bezahlten Er-werbstätigkeit nachgeht oder durch Tätigkeit im Haushalt zumFamilienunterhalt beiträgt, kommt es insoweit nicht an.

3. Der mitversicherte Ehepartner kann nach § 328 Abs. 1 BGBeine ihn betreffende Versicherungsleistung im eigenen Namengeltend machen. Das schließt die Berechtigung ein, den Fort-bestand des Versicherungsverhältnisses als grundlegende An-spruchsvoraussetzung gerichtlich feststellen zu lassen.

(ID 37072)

Unfallversicherung, Arbeitsunfall, NothelferBGH, Urt. v. 24.1.2006, VI ZR 290/04 (LG Stuttgart, AG Schorn-dorf)

1. Der Versicherungsschutz für eine Hilfeleistung gemäß § 2Abs. 1 Nr. 13 a SGB VII führt grundsätzlich nicht zu einem Haf-tungsausschluss nach § 104 SGB VII.

2. Die Bindungswirkung des § 108 Abs. 1 SGB VII erstrecktsich auch auf die Entscheidung darüber, ob der Geschädigteden Unfall als Versicherter aufgrund eines Beschäftigungsver-hältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 1 SGBVII oder als Hilfeleistender nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 a SGB VIIerlitten hat.

(ID 37075)

R E C H T S P R E C H U N G S Ü B E R S I C H T

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168 | VuR 4/2006

B U C H B E S P R E C H U N G E N

Im Folgenden wird eine Publikation zum allge-meinen Verbraucherrecht vorgestellt.

Brigitta Lurger/Susanne Augenhofer,Österreichisches und EuropäischesKonsumentenschutzrecht,Springer, Wien-New York 2005, 214 S.,Broschiert, 22,50 €.

Im Laufe der Jahre hat der Europäische Ge-setzgeber insbesondere im Bereich des Ver-braucherschutzrechtes ein unübersichtlichesWirrwarr von Vorschriften mittels diverserRichtlinien und Verordnungen geschaffen.Das vorliegende Lehrbuch gibt eine systema-tische Darstellung der Grundlagen und gehtauf spezielle Aspekte einzelner Bereiche deseuropäischen Verbraucherschutzrechtes ein.In erster Linie wenden sich die Autorinnen anStudenten; zur Überprüfung des Lernerfolgesschließen die Kapitel mit Wiederholungs-fragen ab. Weiterhin sind die Darstellungenmit Fallbeispielen angereichert, die es ermög-lichen, das Aufgenommene zu durchdenken.Aber auch der Praktiker, der sich einen schnel-len Überblick über den Themenbereich ver-schaffen will, wird mit der komprimiertenÜbersicht gut bedient. Für wissenschaftlicheArbeiten ist die skriptartige Darstellung man-gels hinreichender Dichte an Fußnoten weni-ger geeignet, man kann jedoch auf die um-fangreichen Literaturhinweise am Anfang desBuches zurückgreifen.

Einem historischen Abriss der Entwicklungdes Verbraucherschutzrechts in Österreichund der EG folgen Ausführungen zu grund-legenden Fragen, wie etwa dem Verbraucher-leitbild, dem Verbraucherbegriff und der Pro-bleme der Regelungstechnik mittels der Schaf-fung von Richtlinien und deren Umsetzung indie nationalen Rechtsordnungen der Mit-gliedstaaten. Anschließend wird auf sämtlichewichtigen verbraucherschützenden Richt-linien und Verordnungen sowie deren Umset-zung ins österreichische Recht eingegangen.Ein weiteres Kernstück bildet die Darstellungdes österreichischen Konsumentenschutz-gesetzes (KSchG), welche ebenfalls auf dieRechtsdurchsetzungsmöglichkeiten für denKonsumenten eingeht. In diesem Rechtsakthat der österreichische Gesetzgeber die zahl-reichen Vorgaben des Gemeinschaftsrechtsaus dem Bereich des Verbraucherschutzes ge-sammelt umgesetzt. Besonderes Augenmerkrichten die Autorinnen richtigerweise auf dasSpannungsfeld zwischen Lauterkeitsrecht undKonsumentenschutz, wobei sie auch auf zu-künftige Rechtsentwicklungen eingehen, wel-che Brüssel uns bescheren will. Nicht zuletztin diesem Bereich hat sich Brigitta Lurger be-reits durch eine Vielzahl von Publikationen,auch in Deutschland, einen Namen gemacht.Nicht fehlen darf natürlich das abschließendeKapitel über grenzüberschreitende Verbrau-chergeschäfte, welches sich mit Fragen desInternationalen Zivilprozess- und Privatrechtsbeschäftigt.

Insgesamt handelt es sich um eine lesenswer-te und aktuelle Darstellung des Verbraucher-schutzrecht, welche in erster Linie für Juristeninteressant ist, die sich mit österreichischemRecht beschäftigen. Die Abhandlung des Ge-meinschaftsrecht, halte ich gleichfalls für sichgenommen, für sehr lehrreich.

(Stefan Fahrion, Rechtsassessor/Staatsanwalt, Stuttgart)

B U C H B E S P R E C H U N G E N

Frachtführerhaftpflichtversicherung, RisikoausschlussOLG Saarbrücken, Urt. v. 13.7.2005, 5 U 689/04

1. Im Hinblick auf das transportrechtliche Haftungsregimebestehen Bedenken gegen die Wirksamkeit des Risikoaus-schlusses in der Frachtführerhaftpflichtversicherung für leicht-fertig und in dem Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit einesSchadenseintritts herbeigeführte Versicherungsfälle, solangeder Versicherer diese Deckungsbegrenzung und ihre Tragwei-te nicht ausdrücklich hervorhebt.

2. Die Obliegenheit zur sorgfältigen Auswahl des Fahrperso-nals wird verletzt, wenn sich der Versicherungsnehmer keinpolizeiliches Führungszeugnis vorlegen lässt oder sich bei bis-herigen Arbeitgebern über den Leumund unterrichtet.

(ID 37079)

AVB Wassersportfahrzeuge, unwirksame KlauselOLG München, Urt. v. 6.12.2005, 25 U 3834/04

1. Die Regelung in § 5 Nr. 1 lit. a) der AVB Wassersportfahr-zeuge 1993, dass grob fahrlässig vom Versicherungsnehmeroder vom Fahrzeugführer herbeigeführte Schäden nicht ver-

sichert sind, ist gem. § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam(Anschluss an OLG Karlsruhe VersR 1999, 1237)

2. Der Charterer einer Jacht ist jedenfalls dann nicht Reprä-sentant des Vercharterers, wenn sich der Vercharterer vertrag-lich alle wesentlichen Befugnisse die Jacht betreffend vor-behält.

(ID 37080)

Vermögenshaftpflichtversicherung, Fristbeginn des§ 12 Abs. 1 VVGOLG Karlsruhe, Urt. v. 16.2.2006, 19 U 110/05

Die Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG beginnt in der Ver-mögenshaftpflichtversicherung, wenn der Geschädigte denVersicherungsnehmer unter Androhung der Erhebung einerFeststellungsklage zum Verzicht auf die Einrede der Verjährungauffordert und feststeht, dass nur der Versicherungsnehmer alsAnspruchsgegner in Betracht kommt und das Ob und dieHöhe des Schadens nur vom Ausgang eines anderen Verfah-rens abhängt.

(ID 37076)

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VuR 4/2006 | V

I N F O R M AT I O N E N

Freitag, 28. April 2006

8:15 Erste Plenarsitzung: Einleitung und Begrüßung

9:00 Eröffnungsrede: Marcos Kyprianou, EU Kommissar für Ver-braucherfragen und Gesundheit

9:15 US-amerikanische und europäische Ansätze zum verant-wortlichen Kredit: John Taylor, NCRC; Udo Reifner, iff

9:45-10:45 Erste Workshop-Sitzung: Neue Ansätze zur Verantwortungim Kredit – Der Reichtum der Nationen im verantwort-lichen Kredit: Moderierte Berichte aus den Ländern undKonferenzen

Sitzung A1: Maryellen Lewis, NCRC (USA) (Chair); Beiträge:Manfred Westphal, vzbv (Deutschland); Nicole Perez, UFCQC (Frankreich); Damon Gibbons, DOOD (Großbritannien);Marco Pierani, Altroconsumo (Italien)

Sitzung A2: Harro Norder, NVVK (Niederlande) (Chair); Bei-träge: Paul Micallef, MCC (Malta); Melina Mouzouraki, EKPIZO(Griechenland); Anja Peltonen, kuluttajavirasto (Finnland);Catarina Frade, Observatório do Endividamento dos Consum-idores (Portugal); Liam Edwards, Money Advice (Ireland)

Sitzung A3: Paul Dembinski, Observatoirede la Finance(Schweiz) (Chair); Beiträge: BostjanKrisper, ICORI (Slovenien);NN, Polen; Didier Noël, Observatoireducredit et de l`endet-tement (Belgien); Manuel Pardos, ADICAE (Spanien); ManuelThedim (Brasilien)

11:00-12:00 Wiederholung der Berichte zum Reichtum der Nationen

12:00-13:15 Zweite Workshop-Sitzung: Kreditarten und Insolvenzprä-vention

Workshop 1: Gibt es einen neuen Anfang für Überschuldetein Europa? Schuldenregulierungspläne und Aufschub als Er-satz für ein Verbraucherinsolvenzverfahren?Bill Whitford, University of Wisconsin (Chair); Iain Ramsey,IACL; Johanna Niemi-Kiesiläinen, Helsinki; Anne Morin, tes-té pour vous (Paris); Catarina Frade, Coimbra; Didier Noël,Charleroi; Liam Edwards, Money Advice (Ireland); NN, Ban-ken; Helga Springeneer, vzbv (Berlin)

Workshop 2: Wohnungsfinanzierung: Hypothekenkreditefür alle bei hohen Risiken und neuen MärktenAchim Tiffe, iff (Hamburg) (Chair); Manfred Westphal, vzbv,FIN-USE (Berlin); Bernard Vorms, ANIL (Paris); Jeff Jaffee, Citi-bank; NN, European Ass. of Bausparkassen; Tobias Behrens,Stattbau Hamburg; Prof. Filippo Sartori, Trento; Gail Burks,NCRC

Workshop 3: Existenzgründerkredite: Eine Form der sozialenKreditvergabe?

Leo Verhoef (Einleitung und Chair); Stefan Breuer, KfW-SMEBank; Michel Cottet, SIAGI France; Richard Roberts, BarclaysSME Research; Albrecht Mulfinger, DG Enterprise; Maria No-vak, ADIE (Paris)

13:15-14:45 Mittagessen

15:00-17:00 Dritte Workshop-Sitzung: Lösungsansätze zu Überschul-dung und Zugang (Wdhlg. nach einer Stunde möglich)

Workshop 4: Finanzielle Allgemeinbildung als Rettungsanker?Welche Möglichkeiten hat die Bildung zur Verhinderung vonÜberschuldung?Saul Schwartz, University of Ottawa (Chair); Karen Gross,New York Law School; Anne-Françoise Lefèvre, EuropäischeSparkassenvereinigung; NN, UK Advisory Group on FinLit(London); Maryellen Lewis, NCRC (Detroit); Cláudia Lopes,Coimbra; NN, Banken; Felix O’Regan, Irish Bankers Federation

Workshop 5: Gibt es eine europäische Form des amerikani-schen Community Reinvestment Act?Benoît Granger, MicFin (Chair); John Taylor, NCRC; Jeff Jaffee,Citibank; NN, Banken; Bernard Bayot, Réseau FinancementAlternatif; Malcolm McDowell, Europäische Sparkassenverei-nigung; Pat Conaty, NEF; Davida Lachman-Messer, Dep. At-torney General (Jerusalem)

Workshop 6: Arbeit und Arbeitslosigkeit, Kredit und Über-schuldungBernd Balkenhol, ILO (Chair); Catarina Frade, Coimbra; Jean-Marc Guillembet, Cofinoga (Paris); George Gloukoviezoff,Lyon; Luca Nogler, Trento; Manuel Thedim, Rio de Janeiro;NN, Banken

17:30 Ende des ersten Tages

19:00 Konferenzempfang

Samstag, 29. April 2006

9:00 – 10:30 Zweite Plenarsitzung: Europa Europe und die Finanz-dienstleistungen für Verbraucher – Die neuen Kreditricht-linien und Aktionspläne der EU: Regulierung, Deregulie-rung, Selbstregulierung und die Macht der BankenUdo Reifner, iff (Chair); Francoise Domont-Naert, Test-Achats,Brüssel; Jean-Claude Thébault, DG Internal Market; Pierre De-jemeppe, Belgian Govt.; Heidi Rühle, MEP (Grüne); NN, CEPSTask Force on Financial Services; GeertLankhorst, Dutch Govt.;NN, Bankers’ round Table; Manfred Westphal, vzbv, FIN-USE;Jorge Pegado Liz, DECO, European Economic & Social Com-mittee

10:30 – 11:00 Kaffeepause

Verantwortliche Kreditvergabe, Brüssel 2006Sechste Internationale Konferenz zu Finanzdienstleistungen, 28. und 29. April 2006, BrüsselProgramm

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VI | VuR 4/2006

I N F O R M AT I O N E N

■ In der monatlich publizierten Zeitschrift „In-formationen zum Verbraucherrecht“ des ös-terreichischen Vereins für Konsumenteninfor-mation (VKI) befasst sich ein Artikel vom1.3.2006 mit einer Vorabentscheidung desEuGH, welche das Verbot der österreichi-schen Gewerbeordnung, Silberschmuckim Direktvertrieb zu verkaufen als EU-rechtskonform erklärt. Im Ausgangsverfah-ren am LG Klagenfurt verlangte die A-PunktSchmuckhandels GmbH von der in Deutsch-land niedergelassenen Beklagten die Un-terlassung des Vertriebs von Silberschmuckim Wege von Haustürgeschäften und beriefsich dazu auf § 57 Abs. 1 Gewerbeordnung.Diese verbietet in Privathaushalten stattfin-dende Werbeveranstaltungen, wie auch sog.„Schmuckparties“. Die Beklagte sah in die-sem Verbot eine Einschränkung der Waren-verkehrsfreiheit im Binnenmarkt, sei doch derVertrieb von Silberschmuck im Weg von Haus-türgeschäften in Deutschland, Italien undGroßbritannien durchaus erlaubt. Der EuGHging jedoch davon aus, dass ein Mitgliedstaatin seinem Hoheitsgebiet den Vertrieb von Sil-berschmuck im Weg von Haustürgeschäftenverbieten kann, sofern eine solche Bestim-mung für alle Wirtschaftsteilnehmer gilt undsofern sie den Absatz in- und ausländischerErzeugnisse gleichermaßen berührt. Selbstwenn eine Ungleichbehandlung vorläge,könnte ein allgemeines Interesse wie der Ver-braucherschutz diese aber rechtfertigen.

■ In derselben Zeitschrift geht es in einem wei-teren Artikel vom 6.3.2006 darum, dass dieFinanzmarktaufsicht (FMA) mehr Transpa-renz bei Gewinnbeteiligung von Le-bensversicherungen fordert. Eine neueVerordnung soll ab 1.1.2007 die Berechnungder Gewinnbeteiligung für Konsumentenverständlich und nachvollziehbar machen.Die Verordnung soll nur für Neuverträgegelten. Die FMA stellt aber klar, dass sie beieinseitigen nachteiligen Änderungen der Ge-winnbeteiligung auch bei bestehenden Ver-trägen einschreiten wird.

■ Die Zeitschrift der belgischen Verbraucher-schutzorganisation CRIOC, Du Côté desConsommateurs Nr. 195 vom 15.2.2006, be-richtet im Zusammenhang mit dem europa-weit organisierten Safer Internet Day vom7.2.2006 über die Aktion Senioren lernenInternetnutzung von Schülern. Anläss-lich dieser Kampagne stellte der zuständigeMinister einen Comic-Band vor, der für einekritische Herangehensweise an das Internetwirbt.

■ In BEUC/X/010/2006, einem Positionspapierder belgischen Verbraucherschutzorgani-sation BEUC vom 6.3.2006, kommentiertBarbara Gallani die Diskussion um eine ver-einfachte Kennzeichnung von Lebens-mitteln. Viele Lebensmittelhersteller hättendamit begonnen, die Nährwertangaben ih-rer Produkte in verbesserter Form und fürden Verbraucher leichter verständlich zu ge-

stalten. Leider hätte jedoch jede Firma ihreeigene Methode entwickelt, wodurch demVerbraucher der Vergleich der jeweiligenNährstoffqualität konkurrierender Produkteverschiedener Hersteller nicht leicht gemachtwürde. Auf nationaler Ebene würde viel For-schung betrieben werden, um die verschie-denen Möglichkeiten auszuloten, eine ver-einfachte Form von Nährstoffkennzeichnungzu entwickeln. Dies berge allerdings die Ge-fahr, dass die verschiedenen Konzepte derKennzeichnung dem freien Warenverkehrabträglich sein könnten. Vor diesem Hinter-grund initiiert BEUC ein Projekt, um zusam-men mit den verschiedenen Interessengrup-pen zu einem Konsens zu gelangen undeinvernehmlich Nährwertangaben auf derFrontseite von Lebensmittelpackungen invereinfachter Form darzustellen.

Übersetzungen: Doris Luik, Hamburg

V E R B R A U C H E R Z E I T S C H R I F T E N I M A U S L A N D

Die entsprechenden Links auf dieaktuellen Zeitschriften finden Sie imInternet unter www.vur-online.deunter der Rubrik „Verbraucherzeitschrif-ten im Ausland“.

11:00-13.00 Dritte Workshop-Sitzung: Kreditprobleme

Workshop 7: Kundenspezifische Preisbildung ohne Preisklar-heit – Wie soll das gehen?Melina Mouzouraki, EKPITO (Athens) (Chair); Susan Crichton,GE Consumer Finance; Harro Norder, NVVK; Anne-Lise Ev-rard, Test-Achats; Christine Christian, CEO Dunn and Brad-street (Australia); Dieter Korczak, GP München (EU Access toProject Finance); Emmanuel Masset-Denèvre, INC (Paris);NN, Banken

Workshop 8: Neue Wucherkredite: Effektivzinsangabe, Wu-chergrenzen, Kombikredite und Kostenverlagerung auf ver-bundene ProdukteDamon Gibbons, DOOD (London) (Chair); Pierre Dejemeppe,Belgian Govt.; Anne Morin, Testé pour vous; NN, Poland; NN,Financial Regulator (Ireland); Michael Knobloch, iff; NN, Banken

Workshop 9: Kredit und Familie: Bedroht die Verschuldungdie Familie?Aurelia Ciacchi, Bremen (Chair); Sophie Vigneron, Canterbury;NN, Washington D.C.; NN, GE Consumer Finance; NN, Citi-bank; Niall Cooper, DOOD (London); Nicole Perez, UFC QC

13:00 Mittagessen

14:00 Dritte Plenarsitzung: Eine Europäische Koalition für Ver-antwortung im Kreditgeschäft – Verantwortung im Kredit:EinzelhandelsbankgeschäfteJohn Taylor, NCRC (Chair); Joerg Höhling, Deutsche Bank; JeffJaffee, Citibank; NN, HSBC; Michaela Koller, ESBG; BenoitGranger, Micfin; Matthew Lee, New York; NN, Test-Achats;NN, Europäische Kommission

15:00 Eine Koalition für gerechte Finanz- und verantwortlicheKreditvergabe schaffen: Irving Henderson, NCRC

15:20 Wege zu einer European Coalition for Responsible Credit(ECRC) und einem unabhängigen Weltexpertenrat für Kre-dite?

16:30 Ende der Konferenz

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Der notleidende Kredit, 2. Juni 2006,Dortmund

Das Seminar richtet sich sowohl an Rechtsan-wälte, die gelegentlich bankrechtliche Man-date bearbeiten, als auch an Mitarbeiter vonKreditinstituten und Bausparkassen. Insbe-sondere werden behandelt: Kreditvertrag:Unwirksamkeitsgründe; Darlehensempfang;Kündigungsrechte: Kündigungsrecht desDarlehensnehmers; Kündigungsrecht desDarlehensgebers: Recht zur ordentlichen Kün-digung, Recht zur außerordentlichen Kündi-gung aus wichtigem Grund; Besonderheitenbei Verbraucherkrediten: Widerrufsrecht, ver-bundene Geschäfte, Verzug und Gesamtfällig-stellung; Sittenwidrigkeit von Darlehenssanie-rungsdarlehen: Begriff, Rechtsgrundlage fürein Sanierungsdarlehen, Restriktionen beiSanierungskrediten: Kündigungsschranken;Schadenersatzpflicht bei rechtswidriger Kün-digung; Auswirkung auf Sicherheiten, Bedeu-tung des Eigenkapitalersatzes, Vorfälligkeits-entschädigung, Abwicklung des Darlehens-verhältnisses: Verwertung von Sicherheiten:Globalzession, Grundschuld, Bürgschaft, aty-pische Sicherheiten, Pfandrechtprobleme beiZwangsversteigerungen, Grundzüge der In-solvenzanfechtung und deren Auswirkung aufeinen notleidenden Kredit, Besonderheitenbeim „fehlgeschlagenen“ finanzierten Immo-bilienkauf bzw. Immobilienfondsbeteiligung:Entwicklung der Rechtsprechung.Weitere Informationen erhalten Sie unterhttp://www.anwaltakademie.de, Seminarnum-mer: 11606-06.

Aktuelle Entwicklungen im Insolvenz-recht, 26. Juni 2006, München

Das Seminar spricht alle derzeit brennendenFragen des Insolvenzrechts an. Welche Ände-rungen wird das geplante InsOÄG 2006 mitsich bringen? Welche Besonderheiten sindbeim Unternehmenskauf in der Insolvenz zubeachten? Was ist im Fall der Insolvenz einesSelbständigen zu tun und wie sehen die ge-planten Änderungen zum Verbraucherinsol-venz- und Restschuldbefreiungsverfahren

aus? Die Referenten erläutern eingehend dieaktuellen Entwicklungen in diesen und wei-teren Bereichen und stellen ausführlich dieneueste Rechtsprechung dar. Nähere Information sowie das Anmeldefor-mular zu diesem Seminar finden Sie auf derSeite http://rsw.beck.de unter Seminare.

Europäisches Insolvenzrecht, 18.-20. September 2006, Trier

Die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Ra-tes vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfah-ren (Abl. L 160 vom 30.6.2000) ist am 31. Mai2002 in allen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnah-me Dänemarks in Kraft getreten. Die Verord-nung bietet einen Rahmen für die Abwicklungvon Insolvenzverfahren mit grenzüberschrei-tender Wirkung. Sie enthält Normen zur inter-nationalen Zuständigkeit, zur Bestimmungdes anwendbaren Rechts und der gegenseiti-gen Anerkennung von Insolvenzverfahren.Das Seminar zielt auf die Vermittlung einer de-taillierten Analyse der Verordnung, vorrangigauf der Basis der bisherigen Rechtsprechung.Die nationalen Gerichte werden bis Ende2006 mehr als vier Jahre Erfahrungen mit derVerordnung gesammelt haben.Weitere Informationen zu dieser Veranstal-tung erhalten Sie unter http://www.era.int/.

16. Wissenschaftstagung des Bundes derVersicherten e. V., 11.-12. Mai 2006, BadBramstedt

Am 11. und 12. Mai 2006 wird der wissen-schaftliche Beirat beim Verbraucherschutz-verband Bund der Versicherten (BdV) seinejährliche Wissenschaftstagung veranstalten.Die Wissenschaftstagung des BdV gibt Gele-genheit, aktuelle Verbraucherthemen zumVersicherungsrecht branchenübergreifendwissenschaftlich zu diskutieren, wobei die Ver-braucherinteressen im Mittelpunkt stehen.Teilnehmer der alljährlich stattfindenden Wis-senschaftstagung sind Vertreter aus den Be-reichen Wissenschaft, Rechtsprechung, Be-hörden, Verbraucherschutz und Politik sowie

Vertreter von Versicherungsunternehmen,Rechtsanwälte, Versicherungsberater und Me-dienvertreter. Folgende Bereiche stehen die-ses Jahr im Fokus: VVG-Reform, gesetzlicheund private Krankenversicherung, zentraleProbleme in der Berufsunfähigkeitsversiche-rung, Lebensversicherung und der Verbrau-cherschutz für Senioren.Die Tagungsreferate werden wie üblich in den„Versicherungswissenschaftlichen Studien“publiziert (Nomos-Verlag). Nähere Infor-mationen zur Tagung erhalten Sie unterhttp://www.bundderversicherten.de/bdv/. An-meldeunterlagen können angefordert werdenvom Bund der Versicherten e. V. (Heike Fricke)per Fax: (04193) 94221, per Telefon: (04193) 9904-0,per E-Mail: [email protected].

Arbeitsgruppe Verbraucherinsolvenz undRestschuldbefreiung der ARGE Insolvenz-recht und Sanierung, 10. Verbraucher-insolvenzveranstaltung, 5. Mai 2006,Nürnberg

Die Arbeitsgruppe Verbraucherinsolvenz undRestschuldbefreiung wurde als Untergruppie-rung der ARGE Insolvenzrecht und Sanierungim Jahre 2001 gegründet. Die Arbeitsgruppebietet Schuldner- und Gläubigervertretern,Insolvenzverwaltern und Treuhändern ein Dis-kussions- und Fortbildungsforum zu Fragender Insolvenzverfahren natürlicher Personen. Im Zentrum der Veranstaltung steht der In-solvenzplan nach §§ 217 ff. InsO in Verfahrennatürlicher Personen, die neue Entschuldungin masselosen Verfahren, die Bewertung undDiskussion des neuen Entschuldungsverfahrenund aktuelle steuerrechtliche Fragen in Ver-braucherinsolvenz und Restschuldbefreiung.Weitere Informationen erhalten Sie unter:www.arge-insolvenzrecht.de. Anmeldungenbitte an DeutscheAnwaltakademie, AnjaHoffmann, Littenstr. 11, 10179 Berlin, Tel.030/726153183, Fax 030/726153188, [email protected]. Eine Teilnahme-bescheinigung zur Vorlage gem. § 15 FAOwird erteilt.

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