42
AN-Nummer ENSI 12/1714 Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI Inspection fédérale de la sécurité nucléaire IFSN Ispettorato federale della sicurezza nucleare IFSN Swiss Federal Nuclear Safety Inspectorate ENSI Datum Aktenzeichen 7. Juli 2012 10KEX.APFUKU1 Typ/Charakter Klassifikation Aktennotiz öffentlich Industriestrasse 19 5200 Brugg Tel.: 056 / 460 84 00 Fax: 056 / 460 84 99 Bearbeiter Projektteam Erdbebennachweis KKL Projekt, Thema, Gegenstand (Schlagwörter) Seiten 42 KKL, Verfügung Fukushima, deterministischer Nachweis Beilagen 10‘000-jährliches Erdbeben Zeichnungen Stellungnahme des ENSI zum deterministischen Nachweis des KKL zur Beherrschung des 10‘000-jährlichen Erdbebens Verteiler: ENSI: KKL:

Vorlage HSK-AN

Embed Size (px)

Citation preview

AN-Nummer

ENSI 12/1714

Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI Inspection fédérale de la sécurité nucléaire IFSN Ispettorato federale della sicurezza nucleare IFSN Swiss Federal Nuclear Safety Inspectorate ENSI

Datum Aktenzeichen

7. Juli 2012 10KEX.APFUKU1 Typ/Charakter Klassifikation

Aktennotiz öffentlich

Industriestrasse 19 5200 Brugg Tel.: 056 / 460 84 00 Fax: 056 / 460 84 99

Bearbeiter

Projektteam Erdbebennachweis KKL

Projekt, Thema, Gegenstand (Schlagwörter) Seiten 42

KKL, Verfügung Fukushima, deterministischer Nachweis Beilagen

10‘000-jährliches Erdbeben Zeichnungen

Stellungnahme des ENSI zum deterministischen Nachweis des KKL zur Beherrschung des 10‘000-jährlichen Erdbebens

Verteiler:

ENSI:KKL:

ENSI 12/1714 Seite 2 von 42

Inhaltsverzeichnis

1 Anlass 3

1.1 Ausgangslage 3 1.2 Gegenstand und Grundlage der Beurteilung 5

2 Bewertung der Gefährdungsannahmen 7

2.1 Erdbebengefährdung 7 2.2 Gefährdung Erdbeben in Kombination mit Hochwasser 9

3 Methodik zur Überprüfung der Erdbebenauslegung 11

3.1 Methodische Vorgaben 11 3.2 Prüfverfahren des ENSI 12 3.3 Nachweisführung durch die Betreiber 14

4 Erdbebennachweis für die Kernkühlung 18

4.1 Erforderliche Bauwerke und Systeme 18 4.2 Erdbebengefährdung für die Bauwerke und Ausrüstungen 20 4.3 Erdbebenfestigkeit der erforderlichen Bauwerke und Ausrüstungen 24

4.3.1 Bauwerke 24 4.3.2 Mechanische und elektrische Ausrüstungen 25

4.4 Radiologische Auswirkungen 30

5 Erdbebennachweis für die Brennelementbeckenkühlung 32

5.1 Erforderliche Bauwerke und Systeme 32 5.2 Seismische Robustheit der erforderlichen Bauwerke und Ausrüstungen 33

5.2.1 Bauwerke 33 5.2.2 Mechanische und elektrische Ausrüstungen 34

5.3 Radiologische Auswirkungen 34

6 Nachweis Kombination von Erdbeben und Hochwasser 35

7 Zusammenfassung und Schlussfolgerung 36

7.1 Zusammenfassung 36 7.2 Schlussfolgerung 39

8 Referenzen 40

ENSI 12/1714 Seite 3 von 42

1 Anlass

1.1 Ausgangslage

Am 11. März 2011 führte das Tohoku-Chihou-Taiheiyou-Oki-Erdbeben und der daraus resultie-rende Tsunami zu schweren Unfällen mit Kernschmelzen in drei Kernkraftwerksblöcken am Standort Fukushima Dai-ichi (Fukushima I) in Japan. Aufgrund dieser Ereignisse hat das ENSI am 18. März 2011 unter anderem verfügt, dass die Auslegung der Kernkraftwerke in der Schweiz bezüglich Erdbeben und Überflutung unverzüglich erneut zu überprüfen ist /29/, gestützt auf Art. 2 Abs. 1 Bst. d der Verordnung des UVEK über die Methodik und die Randbedingungen zur Überprüfung der Kriterien für die vorläufige Ausserbetriebnahme von Kernkraftwerken (SR 732.114.5) /36/.

In seiner zweiten Verfügung vom 1. April 2011 /30/ hat das ENSI die Randbedingungen und Termine für die Überprüfung der Auslegung bezüglich Erdbeben und Überflutung sowie den Nachweis zur Einhaltung der Dosisgrenzwerte nach Art. 3 der Ausserbetriebnahmeverordnung /36/ festgelegt.

Die Grundlagen für den deterministischen Nachweis zur Beherrschung des 10‘000-jährlichen Erdbebens wurden folgendermassen definiert:

„Die seismischen Gefährdungsannahmen sind auf der Grundlage des neuen Erdbebenkataloges des SED und der im Rahmen des PRP erhobenen Standortdaten neu zu ermitteln. Für die Be-rechnung sind die aktuellen Resultate der Abminderungsmodellierung zu verwenden.

Bis zum 30. November 2011 sind die Erdbebenfestigkeitsnachweise (Fragilities) für die zur Be-herrschung des 10‘000-jährlichen Erdbebens relevanten Ausrüstungen und Strukturen aufgrund der neuen seismischen Gefährdungsannahmen sowie der aktuell verfügbaren Erkenntnisse aus Japan zu überprüfen und einzureichen.

Der deterministische Nachweis der Beherrschung des 10‘000-jährlichen Erdbebens ist mit Hilfe der neu bestimmten Erdbebenfestigkeitsnachweise bis zum 31. März 2012 neu zu führen. Dafür gelten folgende Randbedingungen:

• Für den Nachweis der Beherrschung des 10‘000-jährlichen Erdbebens sind nur jene Aus-rüstungen und Strukturen zu kreditieren, deren Festigkeit für die neuen seismischen Ge-fährdungsannahmen nachgewiesen wurde.

• Es ist der Ausfall der externen Stromversorgung zu unterstellen. • Es ist nachzuweisen, dass die Anlage in einen sicheren Zustand überführt werden kann

und dieser Zustand ohne Zuhilfenahme externer Notfallschutzmittel während mindestens 3 Tagen stabil gehalten werden kann.

• Interne Notfallschutzmassnahmen können nur kreditiert werden, wenn sie vorbereitet sind, genügend grosse Zeitfenster zur Durchführung vorhanden sind und die dafür erfor-derlichen Hilfsmittel auch nach einem 10‘000-jährlichen Erdbeben zur Verfügung stehen.

• Die Berechnung der aus dem Störfall resultierenden Dosis erfolgt aufgrund der während des Analysezeitraums emittierten radioaktiven Stoffe und richtet sich nach Richtlinie ENSI-G14.

Nach Abschluss des Projekts PRP und Überprüfung der Ergebnisse durch das ENSI wird das ENSI die Erdbebengefährdungsannahmen neu festlegen. Auf dieser Grundlage sind dann die Erdbebenfestigkeitsnachweise zu aktualisieren und der deterministische Nachweis zur Beherr-schung des 10'000-jährlichen Erdbebens zu erbringen."

ENSI 12/1714 Seite 4 von 42

In der Verfügung vom 1. April 2011 /30/ hat das ENSI ausserdem gefordert, dass zusätzlich zu den Hochwasser- und Erdbebennachweisen auch die Kombination von Erdbeben mit Hochwas-ser zu betrachten sei, wobei das Hochwasser ausgelöst wird durch ein erbebenbedingtes Versa-gen von Stauanlagen im Einflussbereich des Kernkraftwerks. Folgende Randbedingungen sind für diesen Nachweis festgelegt worden:

„Die Beherrschung der Kombination von Erdbeben und dem durch das Erdbeben ausgelöste Versagen der Stauanlagen im Einflussbereich des Kernkraftwerks ist bis zum 31. März 2012 nachzuweisen. Der Nachweis kann auf zwei verschiedene Arten geführt werden.

Variante 1

Für alle Stauanlagen, welche die Kernkraftwerke potenziell gefährden können, ist deterministisch nachzuweisen, dass bei einem 10‘000-jährlichen Erdbeben eine unkontrollierte Wasserabgabe ausgeschlossen werden kann. Der deterministische Erdbebennachweis ist gemäss der BWG-Richtlinie (heute Bundesamt für Energie) zur Sicherheit von Stauanlagen zu führen. In Abwei-chung von der BWG-Richtlinie sind die seismischen Gefährdungsannahmen auf der Grundlage des neuen Erdbebenkataloges des SED zu ermitteln. Für die Berechnung der Gefährdung auf Felsniveau sind die aktuellen Resultate der Abminderungsmodellierung zu verwenden. Die Re-sultate auf Felsniveau sind an die lokalen geologischen Standortverhältnisse anzupassen.

Variante 2

Falls bei einem 10‘000-jährlichen Erdbeben ein unkontrollierter Wasserabfluss deterministisch nicht ausgeschlossen werden kann, ist der deterministische Nachweis für die Beherrschung der Kombination von Erdbeben und Versagen der Stauanlagen im Einflussbereich des Kernkraft-werks zu führen. Dafür gelten folgende Randbedingungen:

• Für den Nachweis des Störfalles sind nur jene Ausrüstungen und Strukturen zu kreditie-ren, deren Festigkeit für die neuen seismischen und hydrologischen Gefährdungsannah-men nachgewiesen wurde.

• Es ist das instantane, vollständige Versagen der Stauanlagen zu unterstellen. • Es ist der Ausfall der von der Flutwelle betroffenen Kühlwasserfassungen zu unterstellen. • Es ist der Ausfall der externen Stromversorgung zu unterstellen. • Es ist nachzuweisen, dass die Anlage in einen sicheren Zustand überführt werden kann

und dieser Zustand ohne Zuhilfenahme externer Notfallschutzmittel während mindestens 3 Tagen stabil gehalten werden kann.

• Interne Notfallschutzmassnahmen können nur kreditiert werden, wenn sie vorbereitet sind, genügend grosse Zeitfenster zur Durchführung vorhanden sind und die dafür erfor-derlichen Hilfsmittel auch nach der Kombination von Erdbeben und Versagen der Stauan-lagen zur Verfügung stehen.

• Die Berechnung der aus dem Störfall resultierenden Dosis erfolgt aufgrund der während des Analysezeitraums emittierten radioaktiven Stoffe und richtet sich nach Richtlinie ENSI-G14.“

Die Art. 2 und 3 der Verordnung zur vorläufigen Ausserbetriebnahme /36/ beziehen sich auf die Kernkühlbarkeit einschliesslich Integrität des Primärkreislaufs und des Containments. Nicht Ge-genstand der Ausserbetriebnahmeverordnung /36/ ist der Erdbebennachweis für die Brennele-mentlagerbecken, weshalb das ENSI in seiner dritten Verfügung vom 5. Mai 2011 /31/ unter an-derem gefordert hat, dass das Kernkraftwerk Leibstadt (KKL) bis zum 31. März 2012 gemäss den Verfahrensvorgaben der Verfügung vom 1. April 2011 /30/ zusätzlich die Auslegung der Brennelementlagerbecken, -gebäude und -kühlsysteme zu überprüfen hat. Der Prüfumfang wur-de wie folgt spezifiziert:

ENSI 12/1714 Seite 5 von 42

• Es sind alle Brennelementbeckenanschlüsse und -Verbindungen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Betriebszustände zu identifizieren, deren Versagen zu einem Füll-standsabfall im Brennelementlagerbecken führen kann, und es sind die Auswirkungen der einzelnen Leckagepfade zu bewerten. Darauf basierend ist festzulegen, für welche Brennelementbeckenanschlüsse und -Verbindungen eine seismische Requalifikation zu erbringen ist.

• Es ist aufzuzeigen, dass allfällige Leckagen in der Beckenauskleidung aufgrund deren Konstruktion unter Zugrundelegen der neuen seismischen Gefährdungsannahmen so be-grenzt bleiben, dass der daraus resultierende Füllstandsabfall durch die vorhandenen Einspeisesysteme kompensiert werden kann.

1.2 Gegenstand und Grundlage der Beurteilung

Gegenstand dieser Stellungnahme sind die Nachweise des KKL, dass die Kernkühlung und die Sicherheit der Brennelementlagerbecken unter Einwirkung eines 10‘000-jährlichen Erdbebens und der Kombination von Erdbeben mit erdbebenbedingtem Hochwasser einzelfehlersicher ge-währleistet bleiben und dass die Dosislimite von 100 mSv bei diesen Störfällen eingehalten wird. Es sei angemerkt, dass für die Erdbebengefährdung der Mittelwert heranzuziehen ist. Würde der Medianwert verwendet (wie international nicht unüblich), so entspräche die hier betrachtete Ge-fährdung eher einem 100‘000-jährlichen Erdbeben.

Das ENSI bezieht sich in seinen Verfügung vom 18. März 2011 /29/ und vom 1. April 2011 /30/ auf den Art. 2 Abs 1 Bst. d der Ausserbetriebnahmeverordnung /36/, wonach der Bewilligungsin-haber die Auslegung des Kernkraftwerks unverzüglich zu überprüfen hat, wenn dies die Behörde anordnet. Die Überprüfung der Auslegung beschränkt sich gemäss Art. 2 Abs.1 Bst. a auf die Kernkühlbarkeit sowie die Integrität des Primärkreislaufs und des Containments. Nach Art. 3 der Ausserbetriebnahmeverordnung /36/ hat der Bewilligungsinhaber das Kraftwerk unverzüglich vorläufig ausser Betrieb zu nehmen, wenn die Überprüfung der Auslegung nach Art. 2 zeigt, dass die Dosisgrenzwerte nach Art. 94 und 96 der Strahlenschutzverordnung /38/ nicht eingehalten werden. Da sich die Verfügung vom 1. April 2011 /30/ auf 10‘000-jährliche Störfälle und somit nach Art. 1 Bst. a der Verordnung über die Gefährdungsannahmen /37/ auf Störfälle der Katego-rie 3 beziehen, ist in diesem Fall nachzuweisen, dass nach Art. 94 Abs. 5 der Strahlenschutzver-ordnung /38/ die Dosislimite von 100 mSv nicht überschritten wird. Gemäss Ausserbetriebnah-meverordnung /36/ hat das KKL nachzuweisen, dass die Kernkühlsysteme, im Fall von KKL ist dies das Notfallkühlsystem, und die Reaktorschnellabschaltung während und nach einem 10‘000-jährlichen Erdbeben auch in Kombination mit erdbebenbedingtem Hochwasser funktions-tüchtig bleiben und dass die Dosislimite von 100 mSv unter Berücksichtigung von allfälligen Le-ckagen im Primärkreis und im Containment eingehalten wird.

Nicht Gegenstand der Ausserbetriebnahmeverordnung /36/ ist der in der Verfügung vom 5. Mai 2011 /31/ geforderte Sicherheitsnachweis für das Brennelementlagerbecken und die zugehörigen Gebäude und Kühlsysteme. Verschärfend gegenüber dem Art. 3 der Ausserbetriebnahmever-ordnung /36/ besagt der Art. 94 Abs. 5 der Strahlenschutzverordnung /38/ jedoch, dass die Do-sislimite von 100 mSv unter Berücksichtigung eines einzelnen Störfalls eingehalten werden muss. Da es sich beim Erdbeben um einen einzelnen Störfall handelt, ist die zu berücksichtigen-de Freisetzung von Radioaktivität somit nicht nur auf den Reaktorkern gemäss der Ausserbe-triebnahmeverordnung /36/ beschränkt, sondern schliesst die Freisetzung aus dem Brennele-mentlagerbecken mit ein. Die durch allfällige Leckagen in den Umschliessungen des Reaktor-kerns und des Brennelementlagerbeckens bedingten Freisetzungen sind somit nicht einzeln, sondern in der Summe zu betrachten.

ENSI 12/1714 Seite 6 von 42

Nach Art. 8 Abs. 4 der Kernenergieverordnung /39/ ist zusätzlich zum auslösenden Erdbeben ein unabhängiger Einzelfehler zu unterstellen. Die technischen Kriterien nach Art. 11 der Verordnung über die Gefährdungsannahmen /37/ sind bei Störfällen der Kategorie 3 einzuhalten, d.h die Un-terkritikalität und der Wärmeübergang von den Brennstab-Hüllrohren zum Kühlmittel dürfen höchstens kurzfristig nicht gewährleistet resp. beeinträchtigt sein und die Integrität von mindes-tens einer der Barrieren Brennstab-Hüllrohr, Reaktorkühlkreislauf oder Primär-Containment muss jederzeit gewährleistet sein.

Neben den gesetzlichen Grundlagen stützt sich das ENSI bei der Überprüfung des Erdbeben-nachweises auch auf internationale Richtlinien, Richtlinien des ENSI sowie fachspezifische Nor-men.

Grundsätze zur Überprüfung der Erdbebenauslegung von nuklearen Anlagen sind im IAEA Sa-fety-Guide „Evaluation of Seismic Safety for Existing Nuclear Installations“ /40/ definiert.

Die Anforderungen an die deterministische Störfallanalyse richten sich nach der Richtlinie ENSI-A01 /41/. Bestimmungen zur Quelltermanalyse sind in der Richtlinie ENSI-A08 /42/ enthalten, die Berechnung der Strahlenexposition ist in der Richtlinie ENSI-G14 /43/ definiert.

Bei der Beurteilung der Tragsicherheit von Bauwerken stützt sich das ENSI auf die Normen des SIA. Für die Beurteilung der Auslegung von maschinentechnischen Komponenten sind die AS-ME-Codes massgebend. Die Anforderungen an die Rütteltischversuche von elektrotechnischen Komponenten sind in der KTA2201.4 /49/ und im IEEE 344 /50/ geregelt. Bei der Beurteilung von probabilistischen Erdbebenfestigkeitsnachweisen richtet sich das ENSI nach den EPRI-Guides /44/ bis /46/

Eingereichte Unterlagen

Mit Brief vom 30.11.2011 /1/ reichte das KKL gemäss Kapitel 3.1 der ENSI-Verfügung vom 1. April 2011 /30/ die Erdbebenfestigkeitsnachweise (Fragilites) für die zur Beherrschung des 10‘000-jährlichen Erdbebens erforderlichen Bauwerke, Systeme und Komponenten /3/, /4/, /5/ fristgerecht ein. Die Dokumentation umfasst einen zusammenfassenden Bericht zu den Erdbe-benfestigkeitsnachweisen (Fragilities) /4/ sowie einen weiteren detaillierten Bericht „Deterministi-schen Erdbebenfestigkeitsnachweise (Fragilities) zur Beherrschung des Sicherheitserdbebens“ /5/, in welchem zu den jeweiligen sicherheitsrelevanten Einrichtungen (Bauwerke, Systeme und Kom-ponenten) die Bestimmung der Erdbebenfestigkeit in Form eines HCLPF-Wertes dargelegt wurde.

Grundlage dieser Nachweise sind die neuen seismischen Gefährdungsannahmen in der Schweiz auf Basis einer Zwischenlösung des PEGASOS Refinement Projektes (PRP).

Mit Brief vom 30. März 2012 /2/ wurden von KKL weitere Unterlagen /3/, /7/, /8/ zum deterministi-schen Nachweis der Beherrschung des 10‘000-jährlichen Erdbebens gemäss Kapitel 3.1 der Verfügung /30/ und der Kombination von Erdbeben mit Hochwasser gemäss Kapitel 3.3 von /30/ termingerecht eingereicht.

Der Bericht /3/ fasst die Ergebnisse zum Nachweis der Beherrschung des 10‘000-jährlichen Erd-bebens für den Leistungsbetrieb und Stillstand zusammen. Dabei wird die Überführung der Anla-ge in den sicheren Zustand mittels Erfolgspfade dargestellt, wobei die Funktionstüchtigkeit bzw. die Integrität aller relevanten erdbebenklassierten Komponenten als nachgewiesen unterstellt wurde. Der deterministische Sicherheitsnachweis für das Brennelementlagerbecken wurde in /7/ gemäss Forderung 4 aus der ENSI-Verfügung vom 5. Mai 2011 /31/ dargelegt.

Im Nachgang zur ENSI-Inspektion vom 23. Mai 2012 reichte das KKL dem ENSI mit Brief vom 01.06.2012 /19/ den Bericht zum „seismischen Walkdown“ /20/ nach. Weitere vom ENSI nachge-forderte Informationen zur Erdbebenfestigkeit relevanter Komponenten übermittelte das KKL mit dem Brief vom 14.05.2012 /21/ und dem Bericht vom 27.06.2012 /27/.

ENSI 12/1714 Seite 7 von 42

2 Bewertung der Gefährdungsannahmen

2.1 Erdbebengefährdung

Ausgangslage: Projekte PEGASOS und PRP

In Anbetracht der fortwährenden Entwicklung des Standes von Wissenschaft und Technik ver-langte das ENSI im Jahre 1999 von den Kernkraftwerksbetreibern, die Erdbebengefährdung nach dem aktuellsten Stand der methodischen Grundlagen neu zu berechnen. Zur Umsetzung der Forderung des ENSI gaben die Kernkraftwerkbetreiber das Projekt PEGASOS (Probabilisti-sche Erdbebengefährdungsanalyse für die KKW-Standorte in der Schweiz) in Auftrag. In Anleh-nung an eine in den USA neu entwickelte Methode wurde in diesem Projekt die Erdbebengefähr-dung unter umfassender Berücksichtigung des Kenntnisstandes der internationalen Fachwelt ermittelt. Dazu wurden Fachleute von erdwissenschaftlichen und unabhängigen fachtechnischen Organisationen aus dem In- und Ausland beigezogen. Mit dem Projekt PEGASOS hat die Schweiz Neuland betreten. Es ist die erste und bisher einzige Studie dieser Art in Europa.

Das Projekt wurde vom ENSI von Anfang an mit einem Expertenteam überprüft. Das ENSI kam zum Schluss, dass mit dem Projekt PEGASOS die methodischen Vorgaben erfüllt wurden und dass hinsichtlich verschiedener Aspekte (Qualitätssicherung, Erweiterung der Methode auf die Charakterisierung der Standorteinflüsse) sogar ein neuer Stand der Technik erzielt wurde. Doch stellte das ENSI auch fest, dass die in den PEGASOS-Ergebnissen ausgewiesene Bandbreite der Unsicherheiten recht gross ist und durch weitere Untersuchungen verkleinert werden könnte.

Mit dem Ziel, die Unschärfe der PEGASOS-Ergebnisse zu reduzieren, starteten die Kernkraft-werkbetreiber im Jahr 2008 das von der swissnuclear geleitete „PEGASOS Refinement Project“ (PRP). Mitte 2009 wurde das PRP auf die damals neu vorgesehenen Kernkraftwerkstandorte erweitert. Die Hauptthemenkreise des Projekts sind wie bereits bei PEGASOS die Charakterisie-rung der Erdbebenherde, der Wellenausbreitung und der dynamischen Bodeneigenschaften an den Standorten der Kernkraftwerke. Das PRP berücksichtigt die seit dem Abschluss von PE-GASOS neu vorliegenden Erkenntnisse aus der Erdbebenforschung und die Resultate aus den neu durchgeführten Messungen der Bodenkennwerte an den Kernkraftwerkstandorten. Voraus-sichtlich wird das PRP auf Ende 2012 abgeschlossen werden können. Wie das Projekt PE-GASOS wird auch das PRP vom ENSI mit einem Expertenteam begleitend überprüft.

Angaben des Betreibers

Der Betreiber bestimmte die Erdbebengefährdung am Standort KKL in zwei Schritten, zuerst für den Felsuntergrund und dann daraus abgeleitet für verschiedene oberflächennahe Niveaus im Lockergestein bis zur Terrainoberfläche.

Für Referenzfelsbedingungen, wie sie für den Standort Leibstadt für eine Tiefe von 90 m festge-legt wurden, berechnete die swissnuclear im Auftrag des Betreibers die Erdbebengefährdung neu /28/. Diese Neuberechnung gründete auf den aktuellen per Mai 2011 aus dem PEGASOS Refinement Project (PRP) verfügbaren qualitätsgesicherten Daten, Expertenmodellen und Prak-tiken. Da einige Untersuchungen im Rahmen des PRP noch nicht abgeschlossen waren, sind bei der Bestimmung der neuen, PRP Intermediate Hazard (PRP-IH) genannter Gefährdung einige vereinfachende Annahmen gemacht worden. Dabei wurden diese Annahmen bewusst vorsichtig getroffen, um die erwartete endgültige PRP Gefährdung nicht zu unterschätzen.

Die aktuellen Zwischenresultate zur Erdbebengefährdung auf Felsniveau wurden von Swissnu-clear mit Bericht vom 27.6.2011 /28/ dokumentiert und den Schweizer Kernkraftwerken als Grundlage zur Verfügung gestellt. Basierend darauf hat das KKL die aktuelle Erdbebengefähr-

ENSI 12/1714 Seite 8 von 42

dung auf verschiedenen Niveaus im Lockergestein berechnet und im Kapitel 7 des Berichts /5/ zusammengefasst. Diese Gefährdung wird "Foundation Input Response Spectrum (FIRS)" ge-nannt und wird vom KKL mit Zwischenresultaten des PRP (PRP-IH) im Lockergestein auf den Niveaus Terrainoberfläche, -6 m und -10 m verglichen. KKL schliesst aus dem Vergleich der ent-sprechenden Verhaltensspektren (Uniform Hazard Spectra UHS, jährliche Häufigkeit 10-4, Mittel-wertkurve "mean"), dass die Zwischenresultate PRP-IH leicht konservativer sind und verwendet deshalb die UHS gemäss PRP-IH als Erdbebengefährdung. Die so definierte Erdbebeneinwir-kung wird von KKL als Review Level Earthquake (RLE) bezeichnet.

Das Bild 1 zeigt den Vergleich der PEGASOS und PRP-IH Gefährdungsspektren. Die maximale horizontale Bodenbeschleunigung (PGA) entspricht im Bild dem Beschleunigungswert bei der Frequenz von 100 Hertz. Sie liegt bei PRP-IH bei 0.31 g.

Bild 1: Vergleich der horizontalen Gefährdungsspektren auf Niveau des Reaktorgebäudefun-

daments KKL (-10m): PEGASOS und PRP-IH.

Beurteilung des ENSI

Mit der Verfügung vom 1. April 2011 forderte das ENSI die Betreiber auf, die seismischen Ge-fährdungsannahmen neu zu ermitteln. In der vom Betreiber eingereichten Neuberechnung der Erdbebengefährdung auf Referenzfelsniveau /28/ ist dokumentiert, dass diese Berechnung, wie vom ENSI verlangt, auf dem neuen Erdbebenkatalog des Schweizerischen Erdbebendienstes und der aktuellen Resultate der Abminderungsmodellierung basiert.

Unter Berücksichtigung der bei Bestimmung der PRP-IH Gefährdung getroffenen Annahmen und Vereinfachungen betrachtet das ENSI die neue Gefährdung als eine plausible Grundlage für die Erbringung der gemäss Verfügung vom 1. April 2011 /30/ geforderten Nachweise. Es ist jedoch anzumerken, dass die Anwendbarkeit der PRP-IH Gefährdung zeitlich begrenzt wird. Nach Ab-schluss des PRP wird das ENSI neue Erdbebengefährdungsannahmen festlegen. Auf dieser Grundlage werden die Erdbebensicherheitsnachweise erneut von den Betreibern zu erbringen und vom ENSI zu prüfen sein.

Zur Beurteilung der Gefährdungsspektren an der Terrainoberfläche und auf den Fundamentni-veau hat das ENSI die beiden standortspezifischen Erdbebengefährdungen (PEGASOS /17/ und

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

1.6

0.1 1 10 100

Besc

hleu

nigu

ng [g

]

Frequenz [Hertz]

KKW Leibstadt, Horizontal, -10m, 10-4/a, mean, 5% Dämpfung

PEGASOS

PRP-I

ENSI 12/1714 Seite 9 von 42

PRP-IH) vergleichend gegenübergestellt. Bild 1 zeigt den Vergleich der Gefährdungsspektren auf dem Niveau des Reaktorgebäudefundaments (-10 m). Die Zwischenresultate gemäss PRP-IH liegen für Frequenzen von weniger als 10 Hertz und mehr als 50 Hertz teilweise beträchtlich tie-fer als die PEGASOS-Gefährdung. Im Frequenzbereich von 10 bis 50 Hertz weist demgegenüber PRP-IH eine höhere Gefährdung aus. Die maximale horizontale Bodenbeschleunigung (peak ground acceleration, PGA) entspricht im Bild 1 dem Beschleunigungswert bei der Frequenz von 100 Hertz. Sie ist bei PRP-IH mit rund 0.31 g kleiner als bei PEGASOS mit 0.4 g.

Hinsichtlich der Plausibilität des mit dem PRP-IH ausgewiesenen Gefährdungsniveaus lässt sich feststellen, dass dieses im Vergleich zu den Ergebnissen des Projekts PEGASOS tiefer, im Ver-gleich zu den beim Bau des Kernkraftwerks Leibstadt verwendeten Erdbebengefährdungsresul-taten jedoch höher liegt. Es deutet sich damit an, dass der mit dem PRP angestrebte Abbau der in den PEGASOS-Ergebnissen enthaltenen Unsicherheit tendenziell zu einer Reduktion des ausgewiesenen Gefährdungsniveaus führt. Die Anforderungen an die Projekte PEGASOS und PRP gehören im internationalen Vergleich zu den strengsten und führen insgesamt im Vergleich zu der ursprünglichen Auslegung des Kernkraftwerks zu einer Verschärfung der in den Sicher-heitsnachweisen zu verwendenden Erdbebengefährdungsresultaten.

Ferner zeichnet sich der PRP-IH dadurch aus, dass er auf aktuellsten Daten gründet und die Erdbebengefährdung auch für die hinsichtlich des geforderten Nachweises relevante Talsperren ausweist.

Aufgrund dieser Betrachtungen kommt das ENSI zum Schluss, dass die von KKL verwendeten Gefährdungsspektren dem aktuellen Wissensstand entsprechen und demnach eine angemesse-ne Grundlage für die vorliegenden Nachweise darstellen.

2.2 Gefährdung Erdbeben in Kombination mit Hochwasser

Angaben des Betreibers

Bei seiner Nachweisführung zur Beherrschung eines Erdbebens in Kombination mit Hochwasser hat KKL die Variante 2 gemäss Verfügung vom 1. April 2011 /30/ (siehe Kapitel 1.1) gewählt. Für Stauanlagen, deren Standfestigkeit für das 10‘000-jährliche Erdbeben nicht nachgewiesen wer-den konnte, wurde deren Versagen unterstellt.

KKL gibt für einen Erdbeben-Referenzfall sowie für drei Sensitivitätsberechnungsfälle an, welche Stauanlagen bei einem den jeweiligen Berechnungsfällen entsprechenden Erdbeben simultan ein Versagensrisiko aufweisen. Zur Bestimmung der am Standort zu erwartenden Wasserstände aufgrund eines Bruchs der betroffenen Stauanlagen greift KKL auf Szenarien der Hochwasser-studie zurück, die bereits im Rahmen des EU-Stresstests eingereicht worden waren:

• Für den Fall, dass nur Stauanlagen entlang des Rheins durch das Erdbeben gefährdet sind, wird das Szenario „Flutwelle Rhein“ mit den sequenziellen Brüchen der Wehre Schaffhausen, Rheinau, Eglisau und Rekingen als abdeckend herangezogen. Dieses Szenario führt zu einer Erhöhung des Wasserstandes beim Standort KKL um maximal 0.26 m.

• Für den Fall, dass nur Stauanlagen entlang der Aare durch das Erdbeben gefährdet sind, wird das Szenario „Flutwelle Aare, Aarekraftwerke“ mit den sequenziellen Brüchen der Wehre Aarau, Rupperswil, Wildegg-Brugg, Rüchlig, Beznau und Klingnau als abdeckend herangezogen. Dieses Szenario führt zu einer Erhöhung des Wasserstandes beim Standort KKL um maximal 0.26 m.

• Für den Fall, dass das Limmat-Stauwehr Wettingen und gegebenenfalls flussabwärtslie-gende Stauanlagen der Aare durch das Erdbeben gefährdet sind, wird das Szenario

ENSI 12/1714

Seite 10 von 42

„Flutwelle Aare, Kraftwerk Wettingen“ mit den sequenziellen Brüchen der Wehre Wettin-gen, Beznau und Klingnau als abdeckend herangezogen. Dieses Szenario führt zu einer Erhöhung des Wasserstandes beim Standort KKL um maximal 0.28 m.

• Für den Fall, dass Stauanlagen an verschiedenen Zuflüssen durch das Erdbeben gefähr-det sind, werden die entsprechenden Szenarien überlagert, indem deren maximale Was-serspiegelerhöhungen am Standort KKL addiert werden. Dies führt zu einer Erhöhung des Wasserstandes beim Standort KKL um bis zu 0.54 m.

Alle zu erwartenden Flutwellen als Folge von Stauanlagenbrüchen sind kleiner als jene als Folge eines Extremhochwassers. Daher identifiziert KKL den Verlust des Nebenkühlwassers als einzi-ge Konsequenz einer erdbebeninduzierten Flutwelle.

Beurteilung des ENSI

Die von KKL durchgeführten Berechnungen für Brüche von Stauanlagen basieren auf dem zwei-dimensionalen, für das relativ enge Limmattal eindimensionalen Modell, das das ENSI bereits für den Nachweis der Beherrschung des 10‘000-jährlichen Hochwassers akzeptiert hat. Die Unter-suchung des sequenziellen Versagens von Wehren entlang der verschiedenen Flüsse (Rhein, Aare, Limmat) deckt sämtliche Einzelbrüche von flussabwärts im relevanten Umkreis des KKL gelegenen Stauanlagen ab. Die angegebenen maximal zu erwartenden Wasserstände sind durch die Unterstellung von Folgebrüchen konservativ abdeckend.

Die maximal zu erwartende Höhe einer erdbebeninduzierten Flutwelle liegt folglich etwa 20 m unterhalb des Terrains des KKL. Aufgrund dieser sehr grossen Sicherheitsmarge ist davon aus-zugehen, dass über eine Gefährdung des Nebenkühlwassers hinaus keine weiteren flutwellen-bedingten Ausfälle im KKL zu erwarten sind.

ENSI 12/1714

Seite 11 von 42

3 Methodik zur Überprüfung der Erdbebenauslegung

3.1 Methodische Vorgaben

Bei einem deterministischen regelwerksbasierten Erdbebennachweis wird ein Bemessungsspekt-rum, für Komponenten ist das das Etagenspektrum am Aufstellungsort, in Kombination mit mög-lichen anderen Belastungen auf die zu betrachtenden Strukturen, Systeme und Komponenten (SSK) aufgebracht. Anstelle von Bemessungsspektren werden alternativ auch daraus abgeleitete Erdbebenzeitverläufe als Anregung verwendet. In der Regel wird ein Spannungsnachweis nach den Bestimmungen der Bauvorschrift geführt. Gegebenenfalls sind weitere Nachweise (Ver-schiebungen, Verformungen, bruchmechanische Betrachtungen, Standsicherheit, Knicken, Beu-len etc.) zu führen. Um Unsicherheiten bezüglich der Einwirkungen, der Modellierung oder der Materialkennwerte abzudecken, werden Sicherheiten im Nachweis eingebaut, indem die zulässi-gen Spannungen reduziert und allenfalls die Einwirkungen mit Lastbeiwerten erhöht werden. Der deterministische Nachweis ist erbracht, wenn die mit reduzierten zulässigen Spannungen be-rechnete Festigkeit einer Struktur grösser ist als die in der Struktur wirkende Summe aller Einwir-kungen.

Deterministische Nachweise für druckführende maschinentechnische Komponenten werden nach den Vorgaben des ASME-Codes /54/ geführt. Analog gelten für Stahlbetonbauwerke die Vorgaben aus der Norm SIA 261, wobei für die Erdbebenüberprüfung von bestehenden Bauwer-ken die Normen SIA 269 und insbesondere das Merkblatt SIA 2018 zur Anwendung kommen. Die Durchführung von Rütteltischversuchen an elektro- oder maschinentechnischen Komponen-ten richtet sich nach der KTA2201.4 /49/ sowie der IEEE /50/.

Mit der Verfügung vom 01. April 2011 /30/ wurde eine derartige Vorgehensweise nicht zwingend gefordert. Alternativ waren auch seismische Erdbebenfestigkeiten, wie sie für die probabilistische Erdbebensicherheitsanalyse verwendet werden (Fragilities), zugelassen. Die Methodik zur Er-mittlung von Fragilities richtet sich nach den EPRI-Guides /44/ bis /46/. Eine Fragility beschreibt die seismisch bedingte Versagenswahrscheinlichkeit eines Anlagenteils in Abhängigkeit der Bo-denerschütterung. Als Kenngrössen für die Versagenswahrscheinlichkeiten werden die HCLPF-Tragfähigkeitswerte (High Confidence of Low Probability of Failure) verwendet. Der HCLPF-Wert repräsentiert eine Beschleunigung, bei der für die betrachtete SSK eine ca. 1-%-ige Versagens-wahrscheinlichkeit besteht.

Im vorliegenden Fall wurden die HCLPF-Tragfähigkeitswerte mit der CDFM-Methode (CDFM: Conservative Deterministic Failure Margins) gemäss EPRI /44/ bestimmt

Die Vorgehensweise nach der CDFM-Methode ist in EPRI NP-6041 /44/ und ASCE 43-05 /53/ beschrieben und gliedert sich in folgende Rechenschritte:

a) Gemäss dem Verfahren wird zunächst ein Review Level Earthquake (RLE) festgelegt, das abdeckend ist für die betrachtete Klasse von Erdbeben. Für das RLE werden die elastischen seismischen Antwortspektren und damit die Belastungen der Strukturen und Komponenten durch die Bodenbeschleunigung berechnet.

b) Die linear-elastische Kapazität der SSK wird in Bezug auf die Belastung durch das RLE bestimmt. Das Versagen einer SSK ist als der Verlust seiner Funktion definiert. Die SSK-Kapazitäten (in g) werden als Produkt des linearen Festigkeitsfaktors Fs mit der zu Grun-de gelegten Belastung (RLE) definiert.

c) Als nächstes wird ein zusätzlicher inelastischer Energieabsorptionsfaktor Fµ bestimmt, der gegebenenfalls die durch nichtlineare Effekte erhöhte seismische Kapazität der SSK be-rücksichtigt.

ENSI 12/1714

Seite 12 von 42

d) Die HCLPF-Kapazität der SSK (in g) wird nun bestimmt als das Produkt der linear-elastischen seismischen Kapazität (Fs * RLE) mit dem inelastischen Energieabsorptions-faktor Fµ

(HCLPF)CDFM = Fs * RLE * Fµ.

3.2 Prüfverfahren des ENSI

Um die Aussagen des KKL zum deterministischen Nachweis zur Beherrschung des 10‘000-jährlichen Erdbebens beurteilen zu können, prüfte das ENSI ausgehend von den im Kapitel 2 dargelegten Gefährdungsannahmen die Analyseschritte des Erdbebennachweises wie folgt.

Prüfung der Auswahl der relevanten Sicherheitssysteme und der dazugehörigen Komponenten

Das ENSI hat geprüft, ob unter den in der Verfügung vom 1. April 2011 /30/ festgelegten Rand-bedingungen (s. Kapitel 1.1) die zur Beherrschung des 10‘000-jährlichen Erdbebens erforderli-chen Sicherheitsfunktionen und Sicherheitssysteme (einschliesslich deren Hilfssysteme) vom Betreiber identifiziert wurden, um die Kernkühlung zu gewährleisten. Hierzu bedarf es folgender Sicherheitsfunktionen /2/:

• Abschaltsicherheit, • Kühlmitteleinspeisung in den Reaktordruckbehälter (RDB), • Wärmeabfuhr aus dem RDB und dem Containment, • Bereitstellung und Erhalt des Kühlmittels.

Sofern der Betreiber mehr als einen Pfad zum Abfahren der Anlage in einen sicheren Zustand beim Erdbebennachweis kreditiert hat, konzentriert sich die Prüfung auf den seismisch robustes-ten Abfahrpfad. Als sicherer Zustand gilt, wenn die Anlage mindestens in den Zustand „Heiss-Abgestellt“ gebracht wird und dort längerfristig (mindestens 72 Stunden) gehalten werden kann.

Des Weiteren wurde geprüft, ob alle Bauwerke und Ausrüstungen identifiziert wurden, die für die einzelfehlersichere Funktion der Sicherheitssysteme erforderlich sind. In diesem Zusammenhang wurden auch Anlagenbegehungen durchgeführt, um zu prüfen, inwieweit diese Bauwerke und Ausrüstungen durch das erdbebenbedingte Versagen anderer, nicht zur Störfallbeherrschung erforderlicher Bauwerke und Ausrüstungen (sogenannte indirekte Auswirkungen) gefährdet wer-den können. Die Ergebnisse der Prüfung sind in Kapitel 4.1 dargestellt.

Entsprechend den Ausführungen in Kapitel 1.1 wurde auch geprüft, ob unter den in der Verfü-gung vom 5. Mai 2011 /31/ festgelegten Randbedingungen die Brennelement(BE)-Lagerbeckenkühlung sichergestellt ist. Hierzu bedarf es der Wärmeabfuhr aus den BE-Lagerbecken und des Erhalts der Integrität der BE-Lagerbecken. Die Ergebnisse der Prüfung sind in Kapitel 5.1 dargestellt.

Prüfung der Erdbebengefährdung für die Bauwerke, Systeme und Komponenten

Das ENSI hat die Erdbebenberechnungen vom KKL nachvollzogen. Es hat Stichproben und Re-sultatvergleiche für die Bestimmung der Erdbebenanregung und die Boden-Bauwerks-Interaktionsanalyse durchgeführt, um die Qualität der Nachweise und die Plausibilität der Resul-tate zu beurteilen.

Die als Erdbebenanregung in die seismischen Gebäudeanalysen eingegebenen Gefährdungs-annahmen wurden durch Vergleiche der verwendeten Uniform Hazard Spektren (UHS) mit den aus dem Pegasos Refinement Project als Zwischenresultate bestimmten UHS und durch die

ENSI 12/1714

Seite 13 von 42

Kontrolle der verwendeten Skalierungsfaktoren geprüft. Im Weiteren hat das ENSI mit eigenen Berechnungen geprüft, ob die aus den UHS hergeleiteten Beschleunigungszeitverläufe den Fre-quenzgehalt der Erdbebenanregung korrekt repräsentieren.

Für die Boden-Bauwerks-Interaktionsanalysen hat das ENSI die Bodenprofile und mit Stichpro-ben die Eingabedaten der Gebäudemodelle geprüft. Es beurteilt die modellierte Gebäudegeo-metrie und die mit den Modellen repräsentierten Eigenfrequenzen und Schwingungsformen auf-grund von Plausibilitätskontrollen.

Prüfung der Erdbebenfestigkeiten

Die Prüfung der Erdbebenfestigkeiten von SSK durch das ENSI umfasst:

• Die Prüfung der zur Herleitung der probabilistischen Fragilities verwendeten Methodik, • die unabhängige Überprüfung von stichprobenartig ausgewählten Bauten und Kompo-

nenten auf der Basis von Auslegungsberechnungen oder vergleichbaren regelwerksba-sierten Analysen oder Versuchen sowie

• die Überprüfung der unterstellten Versagensmechanismen.

Das ENSI hat die Analyse auf Plausibilität hinsichtlich der Verwendung für den deterministischen Erdbebensicherheitsnachweis geprüft. Mit der Plausibilitätsprüfung begutachtete das ENSI die HCLPF-Werte der relevanten Gebäude und Komponenten. Die Plausibilitätsprüfung erfolgte auf qualitativer Basis. Einige Fragility-Analysen wurden einer vertieften Überprüfung unterzogen. Dabei wurden einzelne Berechnungsschritte nachvollzogen und insbesondere beurteilt, ob ein-zelne Variablen der Fragility-Berechnung, wie Dämpfung, Eigenfrequenz oder Festigkeit glaub-würdig hergeleitet und kreditiert wurden.

Zudem wurde auch eine Plausibilisierung der HCLPF-Werte mit deterministischen Methoden vorgenommen. So wurden insbesondere Fragility-Berechnungen aller relevanten Bauwerke ver-tieft geprüft. Das ENSI hat zu diesem Zweck unabhängige Vergleichsrechnungen, Plausibilitäts-betrachtungen und Vergleiche mit vorgängig geprüften Berechnungen durchgeführt. Es hat dabei auch die für die Bauwerke angenommenen Versagensarten hinterfragt.

Die deterministische Überprüfung der Fragility-Berechnungen von mechanischen Komponenten erfolgte auf der Basis von Auslegungsberechnungen oder vergleichbaren regelwerksbasierten Analysen. Durch Vergleich der ursprünglichen angesetzten Lasten und der vorhandenen Sicher-heitsmargen der Spannungsnachweise mit den aus der neuen Gefährdungsannahme abgeleite-ten Werten, lassen sich die HCLPF-Werte unabhängig plausibilisieren.

Für die unabhängige Überprüfung der seismischen Festigkeit von elektrischen Ausrüstungen wurde auf die Resultate von Schwingungstests zurückgegriffen. Der Plausibilitätsnachweis ba-siert auf dem Vergleich der damals angesetzten Prüfbeschleunigungswerte mit den aus dem PRP-IH hergeleiteten Etagenantwortspektren.

Prüfung der radiologischen Nachweise

Mit Hilfe radiologischer Analysen wird nachgewiesen, dass für alle während der Lebensdauer einer Anlage zu erwartenden und für alle nach menschlichem Ermessen nicht auszuschliessen-den Störfälle die Anlage so ausgelegt ist, dass dabei keine für die Umgebung unzulässigen Do-sen auftreten.

Generell umfassen die für die Bestimmung der radiologischen Auswirkungen notwendigen Ana-lysen:

ENSI 12/1714

Seite 14 von 42

- den Aufbau des Aktivitätsinventars im Brennstab und im Reaktorkühlmittel - den Transport radioaktiver Stoffe innerhalb der Anlage bis zur Freisetzung in die Um-

gebung (Bestimmung des Quellterms); - die Ausbreitung der freigesetzten radioaktiven Stoffe in der Atmosphäre und Ablage-

rung auf dem Boden und - die Strahlenbelastung der Bevölkerung.

Es entspricht der internationalen Praxis, für den Nachweis der Einhaltung von Dosiswerten kon-servative Berechnungsergebnisse zu verlangen. Damit wird sichergestellt, dass die ausgewiese-nen Dosen einen oberen Wert der zu erwartenden radiologischen Auswirkungen darstellen.

Das ENSI hat die eingereichten Rechenmodelle sowie deren Annahmen und Eingabeparameter auf Nachvollziehbarkeit und Plausibilität überprüft. Punktuell wurden Quelltermbeiträge auch nachgerechnet und auf Übereinstimmung mit Anforderungen der ENSI-A08 /42/ überprüft. Für die grössten Dosisbeiträge hat das ENSI gemäss ENSI-G14 /43/ die Auswirkungen in der Umge-bung nachgerechnet und mit den Ergebnissen von KKL verglichen.

3.3 Nachweisführung durch die Betreiber

Angaben des Betreibers

Der vom KKL eingereichte deterministische Nachweis zur Beherrschung des 10‘000-jährlichen Erdbebens umfasst ausgehend von den im Kapitel 2 dargelegten Gefährdungsannahmen fol-gende Analyseschritte:

• Identifikation der zur einzelfehlersicheren Beherrschung des Erdbebens (Kern- und Brennelementbeckenkühlung) erforderlichen Strukturen, Systeme und Komponenten (SSK),

• Ermittlung der Erdbebengefährdung für die SSK, • Ermittlung der Erdbebenfestigkeiten für die SSK, • Ermittlung der radiologischen Konsequenzen des Erdbebens.

Identifikation der zur einzelfehlersicheren Beherrschung des Erdbebens erforderlichen SSK

Im eingereichten Bericht /3/ identifiziert das KKL mehrere Abfahrpfade zur Überführung der An-lage in den sicheren Anlagenzustand „kalt abgestellt“ sowie zur Sicherstellung der Brennele-mentbeckenkühlung. Die Abfahrpfade bestehen entweder aus betrieblichen Systemen, Sicher-heitssystemen oder Notstandssystemen. Diese Abfahrpfade werden für den Erdbebennachweis kreditiert, sofern die Erdbebenfestigkeiten aller dazu gehörigen SSK grösser sind als die seismi-sche Gefährdung durch das 10´000-jährliche Erdbeben (PRP-IH).

Interne Notfallschutzmassnahmen werden weder für die Sicherstellung der Kernkühlung noch für die Brennelementbeckenkühlung kreditiert. Für die Aufrechterhaltung des sicheren Anlagenzu-standes sind die Laufzeiten der Notstrom- bzw. der Notstanddiesel beschränkend. Die erforderli-chen Betriebsmittel sind anlagenintern gelagert und für einen Betrieb von mehr als 72 Stunden bemessen.

Die Auswirkungen eines Versagens der Brennelementlagerbeckenanschlüsse und der Becken-auskleidung werden hinsichtlich eines unzulässigen Füllstandabfalls in den Brennelementla-gerbecken wie auch eines Wassereintrages in die Gebäude analysiert.

Ein durch Erdbeben ausgelöstes Hochwasser hat keine zusätzlichen Auswirkungen auf den Standort. Weder die Kernkühlung noch die für die Brennelementbeckenkühlung notwendigen Sicherheitssysteme oder Notstandssysteme werden dadurch eingeschränkt.

ENSI 12/1714

Seite 15 von 42

Ermittlung der Erdbebengefährdung für die SSK

Für die Analyse der Bauwerke hat KKL auf allen drei Niveaus im Lockergestein je zwei vertikale und einen horizontalen Beschleunigungszeitverläufe hergeleitet, deren Frequenzinhalt den vor-gegebenen Spektrenformen entspricht. Diese Zeitverläufe repräsentieren eine Erdbebeneinwir-kung von 60 s Dauer, mit einer Starkbebendauer von rund 10 s. Die maximalen horizontalen Be-schleunigungen (peak ground accelerations, PGA) betragen rund 0.2 g auf Felsniveau bzw. 0.31 g an der Terrainoberfläche.

Mit den berechneten Zeitverläufen und einer Boden-Bauwerks-Wechselwirkungsanalyse wurde die definitive Erdbebeneinwirkung für die Bauwerke bestimmt (siehe Kap 4.2). Die daraus be-rechneten Etagenantwortspektren, die als Gefährdung für die Komponenten relevant sind, wer-den ebenfalls ausführlich im Kap 4.2 beschrieben.

Ermittlung der Erdbebenfestigkeiten für die SSK

Bei der Beurteilung der Erdbebenfestigkeit eines aus mehreren Komponenten bestehenden Sys-tems wird grundsätzlich wie folgt vorgegangen: Die Erdbebenfestigkeit einer Funktionskette der Abfahrpfade ergibt sich als Minimum der Erdbebenfestigkeiten der zugehörigen Komponenten. Dies spiegelt den Gedanken wieder, dass eine Kette nur so stark ist wie ihr schwächstes Glied. Andererseits ergibt sich die Erdbebenfestigkeit des Gesamtsystems als Maximum der verfügba-ren Funktionsketten. Hier spiegelt sich wieder, dass ein Erfolgspfad ausreichend ist um die Anla-ge in den sicheren Zustand zu überführen, auch wenn seismisch schwächere Abfahrpfade ver-sagen.

Das KKL verwendet für die Erdbebenfestigkeitsnachweise /2/ zur Bestimmung der HCLPF-Kapazität der relevanten Bauwerke, Systeme, und Komponenten (SSK) die CDFM-Methode ge-mäss EPRI /44/.

Der Betreiber beschreibt das 10‘000-jährliche Erdbeben mit dem 1 x 10-4 Uniform Hazard Response Spectrum (UHS, gleichbedeutend mit PRP-IH) und bezeichnet dies als RLE. Es ist durch horizontale und vertikale maximale Bodenbeschleunigungen (PGA) von 0.31 g und 0.21 g charakterisiert /2/.

Nach Meinung des Betreibers kennzeichnet eine seismische Marge von 1.0 ein akzeptables Er-gebnis. Ein Wert unterhalb 1.0 bedeutet nicht das Komplettversagen der Struktur oder Kompo-nente. Zum Beispiel bei linearen Analysen für duktile Strukturen bezeichnet ein Wert von 1.0 den Beginn inelastischer Verformungen. Für spröde Strukturen sind auch unterhalb von 1.0 bedeu-tende Sicherheitsmargen vorhanden, bis es zum Strukturversagen kommt.

Durch KKL wurde durchgehend die CDFM-Methode für die Bestimmung der HCLPF-Werte der mechanischen und elektrischen Komponenten genutzt. Dabei wird vorzugsweise auf Ausle-gungsdaten oder vergleichbare Berechnungsergebnisse zurückgegriffen. Auch standen teilweise Ergebnisse von Rütteltischversuchen zur Verfügung. Die Methode lässt sich aber auch mit gene-rischen Daten oder abgeschätzten Erdbebenkapazitäten einsetzen.

Im Rahmen dieses Erdbebennachweises bezieht das KKL seine Erdbebenfestigkeiten auf die maximale Bodenbeschleunigung PGA an der Geländeoberfläche. Der deterministische Nachweis der Erdbebenfestigkeit wird anhand der HCLPF-Kapazitäten geführt. Eine Komponente ist dann ausreichend seismisch robust, wenn deren HCLPF grösser ist als der Wert der PGA beim 10‘000-jährlichen Erdbeben des PRP-IH:

𝐻𝐶𝐿𝑃𝐹 ≥ 0.31 𝑔

ENSI 12/1714

Seite 16 von 42

Ermittlung der radiologischen Konsequenzen des Erdbebens

Als Voraussetzung für die Bestimmung radiologischer Auswirkungen hat KKL für alle Systeme abdeckende Aktivitätsinventare bestimmt. Das KKL kommt in seinen Analysen zum Schadens-bild zu dem Ergebnis, dass kein Versagen von Komponenten beim betrachteten Lastfall unter-stellt werden muss. Somit ist als einzige Folge mit dem Verlust der externen Stromversorgung und der Eigenbedarfsversorgung (Notstromfall) zu rechnen.

Auf Dosisabschätzungen wurde ursprünglich in Folge des fehlenden Komponentenversagens und dadurch bewirkter fehlender Freisetzung radioaktiver Stoffe verzichtet. Mit dem Bericht vom 19.06.2012 /26/ hat KKL einen zusätzlichen radiologischen Nachweis nachgereicht, beim dem ein Ausfall der Containmentisolation beim betrachteten Erdbeben unterstellt wird.

Die Quelltermberechnungen erfolgen nach ENSI-A08, die Ausbreitungs- und Dosisberechnungen nach ENSI-G14.

Beurteilung des ENSI

Identifikation der zur einzelfehlersicheren Beherrschung des Erdbebens erforderlichen SSK

Aus Sicht des ENSI berücksichtigt das KKL im zu erbringenden Erdbebennachweis die in der Verfügung vom 1. April 2011 /30/ festgelegten systemtechnischen Randbedingungen. Aufgrund des infolge des 10´000-jährlichen Erdbebens zu unterstellenden Notstromfalls stehen die aus betrieblichen Systemen bestehenden Abfahrpfade im KKL nicht zur Störfallbeherrschung zur Verfügung.

Die Untersuchungen im Rahmen des EU-Stresstests /6/ haben bestätigt, dass die in der Verfü-gung vom 1. April 2011 festgelegte Randbedingung für ein Halten der Anlage in einem sicheren Zustand für mindestens 72 Stunden sowohl mit den Sicherheitssystemen als auch den Not-standssystemen gewährleistet ist.

Die Beurteilung der Gefährdungsannahmen in Kapitel 2.2 bestätigt, dass die Auswirkungen eines durch PRP-IH ausgelösten Hochwassers zu keinen zusätzlichen Ausfällen in der Anlage führen und somit von dem in Kapitel 4.1 dargelegten, abdeckenden Störfallszenario für den Erdbeben-nachweis ausgegangen werden kann.

Insgesamt gesehen entspricht die Vorgehensweise des KKL zur Identifikation der zur Beherr-schung des Erdbebens erforderlichen Bauwerke, Systeme und Ausrüstungen den Vorgaben in der ENSI-Verfügung vom 1. April 2011. Der in der Verfügung vom 5. Mai 2011 /31/ festgelegte Prüfumfang für die Brennelementlagerbecken wird berücksichtigt.

Ermittlung der Erdbebengefährdung für die SSK

Die Beurteilung der Ermittlung der Erdbebengefährdung für die SSK ist in Kapitel 4.2 dargestellt.

Ermittlung der Erdbebenfestigkeiten für die SSK

Das ENSI stellt fest, dass die von KKL angewendeten Methoden zur Ermittlung der seismischen Fragilities dem Stand der Technik entsprechen.

Die Methode zur HCLPF-Berechnung mittels CDFM, gestützt auf den Bericht EPRI NP-6041 /44/, wird vom ENSI akzeptiert. Die CDFM-Methode findet international breite Anwendung, um die seismische Robustheit bestehender Kernkraftwerke für ein Referenzerdbeben (RLE) zu überprüfen, und wurde u.a. auch im U.S. IPEEE Programm (NUREG 1407 /52/) eingesetzt.

ENSI 12/1714

Seite 17 von 42

Für die Bestimmung der seismischen Belastung sieht die CDFM-Methode entsprechend dem Bericht EPRI NP-6041 /4/ eine Grundvariante und mehrere Alternativen dazu vor. Der Betreiber hat eine Alternativvariante gewählt und die Mean-Werte des 1 x 10-4 UHS verwendet. Die Wahl des 1 x 10-4 UHS (Mean Werte) ist nach dem EPRI-Bericht erlaubt und wird vom ENSI akzeptiert.

Die HCLPF-Kapazitäten schätzen insgesamt das Mass der Bodenbeschleunigung ab, an der die Versagenswahrscheinlichkeit der SSK höchstens 1 % beträgt. Die Berechnung dafür ist unter Verwendung von Annahmen für die Grundvariante der CDFM-Methode erfolgt.

Ermittlung der radiologischen Konsequenzen des Erdbebens

KKL hat die möglichen Abgaben radioaktiver Stoffe in die Umgebung nach einem schweren Erd-beben (inklusive Einzelfehler) nachvollziehbar beschrieben. Das ENSI folgt der Argumentation des Betreibers, wonach die radiologischen Auswirkungen in der Umgebung anhand der Folgen des Störfalls Schliessen aller Frischdampfisolationsventile abdeckend ermittelt werden können, sofern die auslegungsgemässe Funktion der Containmentisolation nachgewiesen ist. Für die Containmentisolation hat das KKL keine Erdbebennachweise eingereicht, die Funktion der Con-tainmentisolation aber im eingereichten radiologischen Nachweis unterstellt. Mit dem nachge-reichten radiologischen Nachweis /26/ vom 19.06.2012 wird von KKL auch der Ausfall der Con-tainmentisolation abgedeckt.

Die in den radiologischen Analysen beschriebenen Quellen radioaktiver Stoffe sind auf Basis des beschriebenen Schadensbildes und der gewählten Methodik des KKL nach Auffassung des ENSI für den vorliegenden Nachweiszweck (das Erbringen der radiologischen Nachweise für die Ab-fahrpfade) ausreichend erfasst worden. Für die Ausbreitungs- und Dosisberechnungen wird die Richtlinie ENSI-G14 berücksichtigt.

Weiterhin wurde für die Erbringung des radiologischen Nachweises der gemäss Technischen Spezifikation /12/ für den uneingeschränkten Betrieb zulässigen Grenzwert (GW1) für die Iodak-tivität zugrunde gelegt. Das ENSI ist der Auffassung, dass der Nachweis zusätzlich mit dem zeit-lich begrenzten höheren Grenzwert (GW2) und ohne Einzelfehler zu führen ist (vgl. Kapitel 4.4).

ENSI 12/1714

Seite 18 von 42

4 Erdbebennachweis für die Kernkühlung

4.1 Erforderliche Bauwerke und Systeme

Angaben des Betreibers

Das in /3/ zugrunde gelegte Störfallszenario berücksichtigt nach Auftreten des 10‘000-jährlichen Erdbebens den Ausfall der externen Stromversorgung und den Verlust der Eigenbedarfsversor-gung (Notstromfall). Damit stehen im KKL noch zwei notstromgesicherte Abfahrpfade zur Verfü-gung. Der Abfahrpfad 1 besteht aus Sicherheitssystemen und der Abfahrpfad 2 besteht aus den Notstandssystemen (SEHR-System). Die Anlage kann mit einem der beiden Abfahrpfade in den Zustand „kalt abgestellt“ gebracht werden.

Nach der Reaktorschnellabschaltung (SCRAM) erfolgt das Abfahren der Anlage entweder durch eine Hochdruck-Einspeisung in Verbindung mit einer langsamen Druckentlastung (Abfahrpfad 1) oder durch eine schnelle und kontrollierte Druckentlastung (Abfahrpfad 2) auf einen Druck, bei dem die Niederdruck-Einspeisesysteme der Abfahrpfade 1 oder 2 die Kernkühlung übernehmen. Die Wärmeabfuhr aus dem Containment erfolgt durch unabhängige Systeme der Abfahrpfade 1 oder 2.

Der Abfahrpfad 2 wird gegenüber dem Abfahrpfad 1 als seismisch robuster bewertet. Für diesen Abfahrpfad werden die zur Störfallbeherrschung erforderlichen Funktionen und Systeme im Fol-genden beschrieben /6/:

Reaktorschnellabschaltung (SCRAM)

Grundsätzlich ist die SCRAM-Auslösung im KKL fail-safe ausgelegt. Bei Störung oder Ausfall der Strom- und Druckluftversorgung wird der Antriebsmechanismus der Steuerstäbe automatisch angesteuert, die Steuerstäbe schiessen ein und damit wird der Reaktor abgeschaltet. Erfolgt ein SCRAM-Signal, so werden beide Spulen der SCRAM-Vorsteuerventile stromlos. Die Steuerluft zu den SCRAM-Ein- und Auslassventilen wird abgesteuert. Die pneumatisch gesteuerten SCRAM-Ein- und Auslassventile, welche normal mit Luftdruck geschlossen gehalten werden, öffnen. Damit kann unter Reaktordruck stehendes Wasser aus dem Reaktordruckbehälter (RDB) oder aus den SCRAM-Akkumulatoren auf die Unterseite des Steuerstabantriebes gelangen. Die Steuerstäbe schiessen innerhalb weniger als 2 s in den Reaktor ein. Das Wasser auf der Steuer-stabantriebsoberseite gelangt über das SCRAM-Auslassventil in den SCRAM-Ablassbehälter.

Automatische Druckentlastung (ADS)

Die SEHR-ADS erfolgt über acht Sicherheits- und Abblaseventile (Safety Relief Valves, SRVs), die im Drywell auf die Frischdampfleitungen geflanscht sind. Dabei handelt es sich um federbe-lastete Sicherheitsventile, die zusätzlich über einem Druckluftzylinder geöffnet werden können. Jedes der acht SRVs ist über je einen 60 l- und einen 500 l-Druckluftbehälter versorgt. Je zwei Magnetvorsteuerventile sind für die SEHR-ADS-Auslösung an den SRVs montiert.

Kern- und Containmentkühlung

Das zweisträngige SEHR-System gewährleistet die Kern- und Containmentkühlung über eine eigene Kühlwasser- und Notstromversorgung. Das benötigte Kühlwasser liefern zwei SEHR-Brunnen. Das SEHR-Kühlwassersystem gibt die Nachwärme aus dem Reaktor und die Abwärme der Notstand-Diesel an den Rhein ab.

ENSI 12/1714

Seite 19 von 42

Containment- und Reaktorisolation

Das KKL hat hinsichtlich Reaktorisolation die ans Reaktordruckgefäss anschliessenden Systeme betrachtet und für die zugehörigen Isolationsarmaturen Erdbebenfestigkeitsnachweise durchge-führt. Zu diesen Armaturen zählen die Isolationsventile der Frischdampfleitungen, der Frisch-dampfentwässerung, der Reaktorwasserreinigung, des Speisewassersystems und der Sicher-heitseinspeisesysteme.

Im Rahmen der ENSI-Verfügung vom 10. Januar 1012 werden weitere seismische Nachweise zur Containmentisolation dem ENSI bis 30. September 2012 eingereicht.

Die Systeme der Abfahrpfade 1 und 2 befinden sich im Reaktorgebäude sowie im Hilfsanlagen-gebäude, den Notstromdieselgebäuden oder im gebunkerten SEHR-Gebäude. Die für die Funk-tion dieser Systeme erforderlichen mechanischen und elektrischen Ausrüstungen wurden vom KKL identifiziert und in einer Komponentenliste festgehalten. Für die Bauwerke und Ausrüstun-gen hat das KKL Erdbebenfestigkeitsnachweise durchgeführt und dokumentiert /3/, /4/, /5/ und /21/.

Beurteilung des ENSI

Das ENSI hat den eingereichten Erdbebennachweis basierend auf den in Kapitel 3.2 aufgeführ-ten Anforderungen daraufhin geprüft und bewertet, ob die für die Sicherstellung der Kernkühlung erforderlichen Bauwerke und Systeme berücksichtigt wurden. Des Weiteren hat sich das ENSI bei der Prüfung auf den seismisch stärksten Abfahrpfad mit dem Notstandssystem SEHR be-schränkt.

Aus Sicht des ENSI sind vom KKL alle Systeme in den Erdbebennachweis einbezogen worden, deren Sicherheitsfunktion für die langfristige Sicherstellung der Kernkühlung auch unter der An-nahme eines Einzelfehlers erforderlich ist. Die in Kapitel 3.2 aufgeführten Sicherheitsfunktionen sind abgedeckt. Der radiologische Nachweis in Kapitel 4.4 wird ohne vollständige Berücksichti-gung der Containmentisolation geführt.

In den Erdbebennachweis sind alle Bauwerke einbezogen worden, deren Standfestigkeit für die Sicherstellung der Kernkühlung erforderlich ist. Die erforderlichen Komponenten sind vollständig in einer Komponentenliste zusammengestellt worden.

Das KKL hat anhand von Anlagenbegehungen bis auf wenige Ausnahmen nachgewiesen, dass die zur Störfallbeherrschung erforderlichen SSK nicht durch SSK gefährdet werden, deren Erd-bebenfestigkeit nicht nachgewiesen wurde. Das KKL hat, wo notwendig, bereits Verbesserungs-massnahmen eingeleitet, um diese Schwachstellen zu beheben. Bei einer Inspektion im Mai 2012 hat das ENSI einige dieser Schwachstellen im SEHR-Gebäude begutachtet, wobei teilwei-se schon Massnahmen umgesetzt waren. Die noch ausstehenden Massnahmen gefährden die Funktion des Notstandssystems nicht.

Ein weiterer Schwerpunkt der Inspektion war die Nachweisführung für Kleinleitungen. Im KKL sind gemäss der Auslegungsrichtlinie vom Kraftwerkshersteller General Electric (GE22A4094) Kleinleitungen weich verlegt worden und wurden während der Erdbeben-Anlagenrundgänge durch externe Experten nicht beanstandet. Das KKL wendet den EPRI-Guide /44/ an, wonach für diese Leitungen keine spezifischen Erdbebenfestigkeitsnachweise zu führen sind, wenn von ei-ner Erdbebenfestigkeit von über 1.2 g ausgegangen werden kann. Das ENSI schliesst sich die-ser Beurteilung an, zumal auch aus Erfahrungen bei Erdbeben in anderen Ländern bisher zu diesem international angewendeten Vorgehen kein Handlungsbedarf bekannt wurde.

ENSI 12/1714

Seite 20 von 42

Zusammenfassend kommt das ENSI zu dem Ergebnis, dass alle zur langfristigen Sicherstellung der Kernkühlung erforderlichen SSK über den vom KKL eingereichten Erdbebennachweis abge-deckt sind und für diese Erdbebenfestigkeitsnachweise eingereicht wurden.

4.2 Erdbebengefährdung für die Bauwerke und Ausrüstungen

Angaben des Betreibers

Für die Ermittlung der Erdbebengefährdung der Bauwerke ist die Boden-Bauwerks-Wechselwirkung (Soil Structure Interaction, SSI) bei Erdbeben von zentraler Bedeutung. KKL hat für 9 Bauwerke der Erdbebenklasse I neue Modelle erstellt und SSI-Berechnungen durchgeführt. Mit diesen Berechnungen wurden einerseits die beim Referenzerdbeben (Review Level Earth-quake, RLE) resultierenden maximalen Beschleunigungen, Verschiebungen und Beanspruchun-gen in den massgebenden Bauteilen bestimmt, anderseits wurden an ausgewählten Stellen Eta-genantwortspektren berechnet, welche die Erdbebeneinwirkung für die Komponenten und Sys-teme charakterisieren.

Die deterministischen SSI-Berechnungen sind im Kapitel 8 des Berichts /5/ zusammengefasst. Sie wurden mit dem Programm SASSI /15/ durchgeführt, welches das Erdbebenverhalten des Bauwerks im Boden mit linear-elastischen Bewegungsgleichungen analysiert. Als Teilmodelle wurden die Bauwerke vorerst mit dem Finite-Element Programm ANSYS /16/ abgebildet. Diese Gebäudemodelle wurden dann in modifiziertem Format in die SASSI-Modelle eingefügt.

Die SSI-Berechnungen berücksichtigen die Streuung der dynamischen Bodeneigenschaften durch Verwendung von drei Bodenmodellen "Best Estimate BE", "Lower Bound LB" und "Upper Bound UB". Das BE-Bodenmodell bildet die mittleren Bodeneigenschaften ab, das LB-Bodenmodell eine untere und das UB-Bodenmodell eine obere Grenze. Letztere beiden be-stimmt das KKL aus dem mittels einer äquivalenten Linearen Site Response Analyse ermittelten BE-Bodenmodell nach der Methode im Nuclear Regulatory Guide (NUREG) 0800, Standard Re-view Plan (SRP) 3.7.2. /55/. In Kombination mit den drei Erdbebeneinwirkungsrichtungen Ost-West, Nord-Süd und vertikale Einwirkung ergeben sich damit 9 einzeln durchgeführte SSI-Berechnungen pro Gebäude. Dabei wird die Erdbebeneinwirkung für diejenigen Gebäude, die im Boden eingebettet sind, auf der Terrainoberfläche angesetzt und für die anderen Gebäude auf dem Fundamentniveau. Die Berechnungen werden für die einzelnen Gebäude getrennt durchge-führt, unter der Annahme, dass die einzelnen Gebäude frei stehen und ihr Erdbebenverhalten von den benachbarten Gebäuden nicht beeinflusst wird. Mit einer ergänzenden "Structure Soil Structure Interaction“ (SSSI) Berechnung weist KKL nach, dass diese vereinfachende Annahme durch die Variation der Bodenparameter abgedeckt ist.

Aus den 9 einzelnen SSI-Berechnungen werden die Antworten der einzelnen Richtungen überla-gert und anschliessend die Antworten aus den drei Bodenmodellen BE, LB und UB umhüllt. Als Ergebnis aus den SSI-Berechnungen ergeben sich die Antworten der Bauwerke der Erdbeben-klasse I in Form von

1) den maximalen Beschleunigungen, Relativverschiebungen und Beanspruchungen (Schnittkräfte und Momente) in den Bauwerken bzw. deren Tragwerken und

2) den einhüllenden Etagenantwortspektren (ISRS) an ausgewählten Orten innerhalb der Bauwerke.

Die ermittelten Etagenantwortspektren beinhalten zusätzlich zur Richtungsüberlagerung und Umhüllung aus den Bodenmodellen eine Verbreiterung um ±15%. Die resultierenden Eta-genantwortspektren widerspiegeln die charakteristischen Eigenfrequenzen der Bauwerke. Diese

ENSI 12/1714

Seite 21 von 42

liegen zwischen 2 und 10 Hertz und verursachen die entsprechende Amplifikation der Spektral-werte in diesem Frequenzbereich.

Beurteilung des ENSI

Das ENSI hat die Erdbebenberechnungen mit der Unterstützung eines beauftragten Experten mittels folgenden Stichproben und Plausibilitätskontrollen überprüft:

- Kontrolle der für die Boden-Bauwerks-Interaktionsanalysen (SSI-Analysen) verwendeten Bodenprofile, Vergleich der von KKL berechneten dehnungskompatiblen Bodeneigen-schaften infolge Erdbebenanregung mit den im PEGASOS Refinement Project entwickel-ten Modellen für die Bodenprofile /18/

- Kontrolle der Modellgeometrie für das SSI-Modell des Reaktorgebäudes - Unabhängige Berechnung des Antwortspektrums aus einem als horizontale Erdbebenan-

regung (Review Level Earthquake, RLE) verwendeten Beschleunigungszeitverlauf, Ver-gleich dieses Antwortspektrums mit dem vorgegebenen Uniform Hazard Spectrum aus dem Pegasos Refinement Project an der Terrainoberfläche (PRP-IH).

- Vergleich der deterministisch berechneten neuen Gebäudeantwortspektren (ISRS) mit den bisher bei KKL verwendeten Etagenantwortspektren an ausgewählten Standorten im Reaktorgebäude (ZA), im Brennelement-Lagergebäude (ZD1) und im Notstromdieselge-bäude (ZK1)

Durch den Vergleich der drei vom Betreiber verwendeten Bodenprofile der Scherwellenge-schwindigkeit vs (Lower Bound, Best Estimate und Upper Bound) mit den drei Bodenmodellen (P1, P2 und P3) des PEGASOS Refinement Projects /18/ (siehe Bilder 3a/b) gelangt das ENSI zum Schluss, dass die verwendeten Bodenprofile LB, BE und UB den Stand des Wissens zu den Bodeneigenschaften und deren Variationen in angemessener Weise berücksichtigen und dass sie plausibel sind.

Bild 3a: Vergleich der in den SSI-Berechnungen verwendeten Bodenprofilen des Betreibers mit den PRP Bodenprofilen aus /18/

ENSI 12/1714

Seite 22 von 42

Bild 3b: Vergleich der in den SSI-Berechnungen verwendeten Bodenprofilen des Betreibers mit den PRP Bodenprofilen aus /18/ Die Überprüfung des SSI-Modells für das Reaktorgebäude führt zum Schluss, dass die Geomet-rie korrekt abgebildet wurde und dass die gewählten Elementabmessungen für die SSI-Berechnungen ausreichend klein gewählt sind.

Der Vergleich eines unabhängig aus dem Beschleunigungszeitverlauf berechneten Antwortspekt-rums der horizontalen Erdbebenanregung mit dem vorgegebenen Uniform Hazard Spectrum aus dem PRP an der Terrainoberfläche (PRP-IH) ist in Bild 4 dargestellt. Das ENSI schliesst aus der guten Übereinstimmung, dass die Erzeugung der Beschleunigungszeitverläufe spektrumskon-form erfolgt ist.

Bild 4: Spektrumskonformität des horizontalen Beschleunigungszeitverlaufs der Erdbebenanre-

gung

ENSI 12/1714

Seite 23 von 42

Der Vergleich der deterministisch berechneten neuen Etagenantwortspektren mit den bisher bei KKL verwendeten Etagenantwortspektren /35/ an ausgewählten Standorten im Reaktorgebäude (ZA), im Brennelement-Lagergebäude (ZD1) und im Notstromdieselgebäude (ZK1) ist in den Bildern 5 - 8 dargestellt. Die neuen ISRS liegen aufgrund der höheren Erdbebenweinwirkung erwartungsgemäss generell höher als die bisherigen Etagenantwortspektren. Die stärksten Amp-lifikationen haben sich bei allen Bauwerken zu höheren Frequenzen verschoben. Dies ist einer-seits auf die heutigen Erkenntnisse zu den Bodeneigenschaften aus dem PEGASOS Projekt und PRP zurückzuführen und andererseits eine Folge der realistischeren Modellierung der Einbet-tung der Bauwerke im Baugrund. Beides verursacht ein steiferes Verhalten und damit höhere Eigenfrequenzen. Beim Notstromdieselgebäude (ZK1) wiederspiegelt sich die realistischere Mo-dellierung der tiefen Einbettung im Baugrund in den neuen ISRS deutlich.

Bild 5: Gebäudeantwortspektren Bild 6: Gebäudeantwortspektren Reaktorgebäude/Containment 28m Reaktorgebäude/Drywell 20.76m

Bild 7: Gebäudeantwortspektren Bild 8: Gebäudeantwortspektren Brennelement-Lagergebäude (ZD1) 6m Notstromdieselgebäude (ZK1) 8.5m

Zusammenfassend schliesst das ENSI aus den Prüfungen, dass die neuen Erdbebenberech-nungen korrekt sind und dem aktuellen Informationsstand gerecht werden. Die resultierenden ISRS repräsentieren das Erdbebenverhalten der analysierten Bauwerke auf plausible Weise.

ENSI 12/1714

Seite 24 von 42

4.3 Erdbebenfestigkeit der erforderlichen Bauwerke und Ausrüstungen

4.3.1 Bauwerke

Angaben des Betreibers

Untersuchte Bauwerke

KKL verweist für die Auslegung der Bauwerke auf den Sicherheitsbericht /13/. Darin werden die Erdbebenklassen und die zugehörigen Auslegungsanforderungen festgelegt. Der vorliegende Nachweis der Erdbebenfestigkeiten wird aber weitgehend auf neue Erdbebenberechnungen ab-gestützt. KKL hat die Erdbebenfestigkeiten für insgesamt 18 Bauwerke neu berechnet. Dazu gehören alle Bauwerke der Erdbebenklasse 1.

Erdbebenfestigkeiten der Bauwerke (Fragilities)

KKL bestimmt die Erdbebenfestigkeiten nach der Spezifikation /14/ mit der probabilistischen Me-thode nach EPRI /44/. Nebst der Festlegung des Referenzerdbebens und den SSI-Berechnungen verlangt diese Methode das Durchführen von Anlagebegehungen und die Be-rechnung der Tragwiderstände für die massgebenden Versagensmechanismen in den Bauwer-ken. Als Kenngrössen der Erdbebenfestigkeiten werden die Versagenswahrscheinlichkeiten, in Form von HCLPF-Werten, mit der CDFM-Methode (Conservative Deterministic Failure Margins) bestimmt.

Die Beanspruchungen der Bauwerke werden mit den SSI-Berechnungen bestimmt (siehe Kapitel 4.2) und dienen als Grundlage für die geführten Festigkeitsnachweise der massgebenden Bau-werksteile. Alle Bauwerke der Erdbebenklasse 1 beziehen ihre Widerstandsfähigkeit gegen Erd-bebenkräfte von Schubwänden aus Stahlbeton. Die HCLPF-Werte dieser Bauwerke werden da-her hauptsächlich von den höchst belasteten Schubwänden für die folgenden Beanspruchungen bzw. Versagensmöglichkeiten abgeleitet: Diagonalzug, Normalkraftwiderstand der Wandenden und Gleitwiderstand an horizontalen und vertikalen Verbindungsstücken. Die entsprechenden Tragwiderstände werden aufgrund der Bauteilabmessungen und der Materialfestigkeiten be-stimmt.

Aus den Verhältnissen der Tragwiderstände zu den Beanspruchungen und aus dem Beschleuni-gungswert des RLE (horizontale peak ground acceleration, PGA = 0.31 g an der Terrainoberflä-che) berechnet das KKL die HCLPF-Werte.

Das KKL hat eine Zusammenstellung der HCLPF-Werte für die Bauwerke in seiner Anlage er-stellt. In Tabelle 1 sind die Erdbebenfestigkeitswerte der für den Abfahrpfad mit dem Notstands-system SEHR wesentlichen Bauwerke des KKL dargestellt.

Gebäude HCLPF [g] Faktor HCLPF/PRP-IH

Reaktorgebäude ZA einschliesslich Lagerbecken mit Auskleidung 0.62 2

SEHR-Gebäude ZC2 0.46 1.4

Brennelement-Lagergebäude ZD1 einschliesslich Lagerbecken mit Auskleidung 1.09 3.5

Tabelle 1: Erdbebenfestigkeitswerte wesentlicher Bauwerke des KKL

ENSI 12/1714

Seite 25 von 42

Alle für die Bauwerke der Erdbebenklasse I bestimmten HCLPF-Werte liegen höher als der Be-schleunigungswert des RLE von 0.31 g. Das KKL stellt fest, dass alle Bauwerke über grosse Tragreserven gegenüber dem RLE verfügen.

Beurteilung des ENSI

Untersuchte Bauwerke

Das ENSI hat die neuen Strukturanalysen mit Stichproben und Plausibilitätskontrollen überprüft. Es wurden dabei Stichprobenkontrollen der mit dem Programm ANSYS erstellten Gebäudemo-delle durchgeführt. Am Beispiel des Reaktorgebäudes und des Reaktor-Hilfsanlagengebäudes wurden Geometrie, Massen, Materialeigenschaften, massgebende Eigenfrequenzen und Schwingungsformen überprüft. Das ENSI schliesst aus diesen Kontrollen, dass die neuen Struk-turanalysen korrekt sind und dem aktuellen Informationsstand gerecht werden.

Erdbebenfestigkeiten der Bauwerke (Fragilities)

Die von KKL verwendete EPRI-Methode /44/ ist international anerkannt. Gegenüber einer detail-lierteren probabilistischen Analyse erfordert diese Methode konservativere Annahmen um die Vereinfachung zu rechtfertigen. Für die Bauwerke wurde mit den neuen SSI-Analysen eine weit-gehend dem aktuellen Stand der Technik entsprechende Beurteilungsgrundlage zur Einschät-zung des Erdbebenverhaltens erarbeitet. Verbesserungspotential sieht das ENSI in der Berück-sichtigung der Frequenzvariation der Baustrukturen infolge Rissbildung und nichtlinearem Ver-halten in den SSI-Berechnungen. Das ENSI erwartet von dieser Variation nur einen geringen Einfluss auf die Bewertung der Erdbebenfestigkeit. Jedoch ist diese Variation im Rahmen der zukünftigen Neuberechnung nach Aktualisierung der Erdbebengefährdung (Abschluss des PRP) zu berücksichtigen.

Insgesamt beurteilt das ENSI die für die Bauwerke postulierten Versagensmechanismen und resultierenden HCLPF-Werte als plausibel.

Das ENSI kann bestätigen, dass die meisten Bauwerke über bedeutende Tragreserven gegen-über dem bisherigen Auslegungserdbeben und dem RLE aufweisen. Mit den von KKL durchge-führten Untersuchungen liegen für alle Bauwerke, welche Systeme für die Kernkühlung enthal-ten, aktualisierte Erdbebenfestigkeiten vor.

4.3.2 Mechanische und elektrische Ausrüstungen

Angaben des Betreibers

Zur Bestimmung der Erdbebenfestigkeit der mechanischen und elektrotechnischen Ausrüstun-gen hat das KKL die CDFM–Methode verwendet /4/. Die Komponenten wurden dabei in Gruppen eingeteilt. Die Analysen der repräsentativen Komponenten einer Gruppe basieren auf folgenden Unterlagen:

- Generischen Daten für das Versagen der Komponente (General Equipment Response Spectrum, GERS).

- Dokumente zu anlagenspezifischen Rütteltischversuchen von Komponenten, - Auslegungsberechnungen und frühere PSA /9/, - Neuberechnungen entsprechend NUREG/CR-4334 /47/ und NUREG/CR-3558 /48/.

ENSI 12/1714

Seite 26 von 42

Die Berechnung der HCLPF-Werte wurde für druckführende Rohrleitungen erweitert auf

(HCLPF)CDFM = (Fs / KRLE) * Fµ * RLE,

wobei der zusätzliche Faktor (1 / KRLE) die Unterschiede in der Form des der Auslegung zugrun-de liegenden Etagenantwortspektrums und des PRP-IH Etagenantwortspektrums berücksichtigt. Für den in-elastischen Energieabsorptionskoeffizienten Fµ hat das KKL durchgängig den Wert Fµ = 1.5 verwendet.

Für Ausrüstungen, die aufgrund generischer Daten oder Festigkeitsberechnungen nachgewiesen wurden, hat das KKL auch deren Verankerungen auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft.

Die vom KKL für die elektrischen Ausrüstungen der identifizierten Abfahrpfade ermittelten seis-mischen Kapazitäten wurden in den Dokumenten /3/ und /5/ festgehalten.

Das KKL hat für insgesamt 68 mechanische Komponenten Analysen durchgeführt (Berech-nungsblätter im Anhang E in /4/). Für einige Komponenten wurden neu ermittelte HCLPF-Werte angegeben, z.B. für die Frischdampfleitungen, die Umwälzschleifen und für die Systeme TH und TG (jeweils mit einem HCLPF von 0.43 g). Diese Werte basieren auf Angaben in den Ausle-gungsunterlagen oder es wurden Berechnungen entsprechend den Auslegungskriterien der Bau-vorschrift /319/ durchgeführt.

Die Analysen umfassen zudem eine ausgewählte Anzahl von mehr als 300 Rohrleitungen der SK1 und SK2, welche das KKL als abdeckend betrachtet. Für alle nicht explizit berechneten Rohleitungen wird konservativ der kleinste ermittelte Wert von HCLPF von 0.43 g, welcher für einige Rohrleitungen im TH-System ermittelt wurde, angegeben. Für die Berechnungen wird in /4/ auf die Referenz /23/ und Auslegungsunterlagen verwiesen.

Für den Reaktordruckbehälter (RDB) und seine Einbauten wurden die Integrität des RDB und der Befestigungen, die Ankerbolzen, das Einfahren der Steuerstäbe und die Biegung der Brennele-mente auf Basis der Auslegungsdaten untersucht. Beim RDB haben sich die Ankerbolzen mit einem HCLPF-Wert von 0.92 g als limitierend erwiesen. Der HCLPF-Wert für das Einschiessen der Steuerstäbe (Abschaltsicherheit) wird von KKL mit 1.1 g angegeben. Versuche haben ge-zeigt, dass das Einschiessen der Steuerstäbe bei einer Verschiebung der Brennelemente von 62.5 mm gewährleistet bleibt. Neuere durchgeführte Versuche wiesen dies selbst für eine Brenn-elementverschiebung von 83 mm nach. Das KKL verwendet als konservativen Ansatz für das Steuerstabeinschiessen den Wert von 62.5 mm. Zusätzlich wird auf Erfahrungen vom Kashiwaz-aki-Kariwa Erdbeben verwiesen, wo PGA-Werte von 0.6 g zu keiner Fehlfunktion der Schellab-schaltung geführt haben.

Als Basis für die Analyse der Wärmetauscher des TH-Systems werden ältere PSA-Studien ver-wendet /22/. Diese beinhalten Betrachtungen zu den Ankerbolzen, den Befestigungen und den Biegebeanspruchungen in der Wandung. Die Ankerbolzen haben sich als limitierend erwiesen. Für die neuen Gefährdungsannahmen wird eine Sicherheitsmarge von ca. 8 und daraus ein HCLPF-Wert von 2.46 g abgeleitet.

Für die Dieselgeneratoren des Notstandssystems wird auf Auslegungsberechnungen zurückge-griffen. Diese beinhalten Spannungs- und Durchbiegungsanalysen von Rotor, Auflager, Anker-bolzen und Schraubverbindungen zwischen Kupplungs- und Motorgehäuse. Für die Neubewer-tung wurden das Versagen des Rotors und der Ankerbolzen analysiert. Der als limitierend ermit-telte HCLPF-Wert von 3.41 g resultiert aus der Belastung der Bolzen. Neben den Dieselgenera-toren selbst wurden zahlreiche Hilfssysteme (Diesel-Kühlung, Treibstoffversorgung, Schmierung, etc.) betrachtet.

Für Ausrüstungen, deren Funktion durch Wechselwirkungen mit seismisch schwächeren Kom-ponenten beeinträchtigt werden kann, sind die HCLPF-Werte unter der Annahme ermittelt wor-

ENSI 12/1714

Seite 27 von 42

den, dass im Rahmen des vorliegenden Nachweises identifizierte seismische Ertüchtigungen (wie Verstärkungen oder Abstützungen) schon erfolgt sind. In /27/ hat das KKL den Nachweis nachgereicht, dass die Komponenten des Abfahrpfades mit dem Notstandssystem auch ohne die noch ausstehenden Ertüchtigungen seismisch genügend robust sind.

Zusammenfassend sind in Tabelle 2 die Erdbebenkapazitäten der mindestens zur Kern- und Brennelementbeckenkühlung notwendigen Sicherheitsfunktionen einschliesslich der seismisch schwächsten Komponente aufgeführt.

Sicherheitsfunktion HCLPF [g]

Faktor HCLPF/PRP-IH

Begrenzende Komponente

SCRAM 0.43 1.38 YV40Z021 Automatische Druckentlastung 0.43 1.38 YB11Z132

Reaktorisolation 0.69 2.22 11TH10S003 SEHR Containment- und Reaktorkühlung 0.45 1.45 TF32Z010

Brennelementbecken-Kühlsystem TG* 0.76 2.45 10TG41S331

Brennelementbecken-Kühlsystem TH 0.43 1.38 TH24Z003

* keine Notstromversorgung

Tabelle 2: Erdbebenkapazität der Sicherheitsfunktionen und begrenzende Komponenten

Beurteilung des ENSI

Das ENSI akzeptiert das vom KKL gewählte Vorgehen für die Bestimmung der Erdbebenfestig-keiten der mechanischen und elektrotechnischen Ausrüstungen.

Bei der Verwendung generischer Daten (GERS) zur Berechnung der HCLPF-Werte der zur Stör-fallbeherrschung erforderlichen Ausrüstungen verwendet das KKL Verstärkungsfaktoren für die seismische Belastung beispielsweise für Komponenten, die auf Rohrleitungen angebracht sind. Reduktionsfaktoren für die HCLPF-Kapazität werden verwendet, wenn zum Beispiel seismische Interaktionen vorliegen. Die Herleitung der angewendeten Verstärkungs- und Reduktionsfaktoren wurde durch das ENSI nicht im Detail überprüft. Das ENSI hat sich aber anhand einer Inspektion im Mai 2012 unter anderem davon überzeugt, dass die Funktion der Komponenten des Abfahr-pfades mit dem Notstandssystem nicht durch Wechselwirkungen mit seismisch schwächeren Komponenten beeinträchtigt werden. Die angewendeten Werte für die genannten Faktoren wer-den deshalb vom ENSI akzeptiert.

Es ist jedoch anzumerken, dass die von KKL ausgewiesenen HCLPF-Werte alle im Rahmen der vorliegenden Nachweisführung identifizierten seismischen Ertüchtigungsmassnahmen bereits vollumfänglich berücksichtigen. Diese waren zum Zeitpunkt der Publikation dieser Aktennotiz noch nicht alle umgesetzt. Die Überprüfungen des ENSI sowie nachgereichte technische Bewer-tungen des KKL vom 27.06.2012 zeigen aber, dass die seismische Sicherheit des relevanten Abfahrpfades mit dem Notstandssystems SEHR auch ohne die noch ausstehenden Massnah-men gewährleistet ist.

ENSI 12/1714

Seite 28 von 42

Der für die Bestimmung der HCLPF-Kapazitäten druckführender Rohrleitungen eingeführte zu-sätzliche Faktor 1 / KRLE wird vom ENSI akzeptiert. Er ist geeignet, die unterschiedliche Form der Etagenantwortspektren der bestehenden Analysen an die neuen Gefährdungsannahmen anzu-passen. Das ENSI akzeptiert, dass der Faktor KRLE vom Betreiber aus Vergleichsrechnungen gewonnen wurde, die konsistent mit /53/ eine Dämpfung von 5 % annehmen /5/. Darüber hinaus ist die Verwendung des ASME BPVC im selben Abschnitt zur Berechnung der HCLPF-Kapazität von Rohrleitungsstücken konsistent mit der CDFM-Methode.

Die ausgewiesenen HCLPF-Werte der elektrischen und leittechnischen Ausrüstungen wurden stichprobenartig geprüft, indem die aus den Schwingungsversuchen bekannten Prüfbeschleuni-gungen mit den hierfür von KKL ausgewiesenen relevanten Beschleunigungen aus den Eta-genantwortspektren verglichen wurden. Die Plausibilitätsprüfungen erfolgten anhand der Daten für folgende repräsentative Ausrüstungen:

• Pumpenantriebsmotor, Reaktorhilfsanlagengebäude • Schaltschrank Niederspannungsschaltanlage, Reaktorhilfsanlagengebäude • Schaltschrank Mittelspannungsanlage, Reaktorhilfsanlagengebäude • Notstromdieselgenerator • Bedienschränke RSD/SEHR, Reaktorhilfsanlagengebäude • Ladegleichrichter, Reaktorhilfsanlagengebäude • Leittechnik-Decontic-Geräte, Reaktorhilfsanlagengebäude • Vorsteuerventilblöcke SRV-Ventile, Drywell • Stellantrieb Einspeiseschieber , Containment

Der Datenvergleich zeigt, dass die Starrkörperbeschleunigungswerte aus den Schwingungstests mindestens den relevanten Beschleunigungen aus den Etagenantwortspektren entsprechen. Aufgrund des Vergleichs der für die jeweiligen Ausrüstungen ausgewiesenen Qualifikationswerte mit den Daten aus den Fragility-Analysen unter Berücksichtigung der Etagenantwortspektren, kann davon ausgegangen werden, dass eine genügende Erdbebenfestigkeit der eingesetzten elektrischen und leittechnischen Ausrüstungen besteht. Im Falle des Notstromdieselgenerators sind zur Aufrechterhaltung dieser Aussage allerdings die aus dem rechnerischen Nachweis be-stehenden grossen Reserven zu kreditieren.

Bezüglich der Beurteilung der Erdbebenfestigkeit der mechanischen Ausrüstungen ist generell festzuhalten, dass die vom KKL bewerteten Erdbebenkapazitäten zu einem grossen Teil auf ge-nerischen Angaben der EPRI-Dokumente /44/ bis /46/ basieren. Das ENSI hat diese Klasse von Fragilities stichprobenartig überprüft. Im Rahmen einer Inspektion hat sich dabei das ENSI über-zeugt, dass die generischen Fragilities methodenkonform abgeleitet wurden.

Insgesamt erachtet das ENSI die generisch bestimmten Erdbebenfestigkeiten (Fragilities) von mechanischen Komponenten als plausibel. Bei der Auslegung der mechanischen Ausrüstungen (druckführende Behälter, Rohrleitungen, Armaturen und Pumpen) werden die durch Erdbeben erzeugten Lasten mit berücksichtigt. Sie sind im Vergleich zu den relevanten Betriebs- und Stör-falllasten klein und spielen deshalb in der Regel eine untergeordnete Rolle. Diese generelle Feststellung gilt auch für die neuen erhöhten Gefährdungsannahmen (PRP-IH). In der Auslegung der druckführenden Komponenten werden Sicherheitsmargen angewendet, die Unsicherheiten der Berechnungsmethoden und der Materialkennwerte konservativ abdecken. Diese Sicher-heitsmargen decken in der Regel auch die aufgrund der neuen erhöhten Gefährdungsannahmen geringfügig erhöhten Auslegungsspannungen ab.

Erdbebenlasten sind jedoch für die Halterungen der Komponenten von Bedeutung, da diese ne-ben dem Eigengewicht insbesondere auch die seismischen Lasten abzutragen haben. Insofern ist es für das ENSI nachvollziehbar, dass für die vom KKL ingenieurmässig festgelegte Versa-

ENSI 12/1714

Seite 29 von 42

gensart überwiegend ein Versagen der Halterungen angenommen wird. Die unterstellten Versa-gensarten werden vom ENSI als plausibel bewertet.

Gemäss EPRI NP-6041 müssen aus generischen Daten abgeleitete HCLPF-Werte um einen sogenannten Knockdown-Faktor, Fk reduziert werden. Der im EPRI-Bericht empfohlene Wert von 1.2 beruht darauf, dass im GERS-Verfahren andere Versagenswahrscheinlichkeiten und Vertrau-ensintervalle zugrunde gelegt werden. Das KKL hat den Knockdown-Faktor ohne nähere Begrün-dung nicht durchgängig angewendet. Dadurch sind die ausgewiesenen HCLPF-Werte teilweise um 20 % zu hoch. Wie aus Tabelle 2 ersichtlich ist, wirkt sich diese Überschätzung für den vor-liegenden Nachweis nicht aus. Die seismische Sicherheit des relevanten Abfahrpfades ist auch trotz allfälligen Überschätzungen gewährleistet. Für zukünftige Nachweise wird darauf hingewie-sen, dass vom Standardwert abweichende Knockdown-Faktoren im Einzelfall zu begründen sind.

Für einige Komponenten wurden die HCLFP-Werte von KKL mangels Auslegungsdaten aufgrund der Angaben aus der PSA-Studie /22/ abgeleitet. Das gilt für das CRD-Antriebssystem, die SEHR-Grundwasserpumpe und die RHR-Wärmetauscher. Für die SEHR-Wärmetauscher wur-den vereinfachte Berechnungen der Bolzenfestigkeiten nach ASME /54/ vorgelegt. Die genann-ten Bolzenberechnungen sind nach Bewertung des ENSI korrekt ausgeführt.

Das ENSI hat die CDFM-Analysen von ausgewählten mechanischen Komponenten vertieft über-prüft. Bei den Notstands- und Notstromdiesel-Generatoren wurden bei der Spannungsberech-nung der Dämpferplatte Fehler identifiziert. Zudem ist der Ansatz zur Ermittlung der resultieren-den Lagerreaktionskräfte der Diesel-Generatoren nicht nachvollziehbar. Eigene Berechnungen des ENSI haben aber ergeben, dass für die limitierenden Teile eine ausreichende Sicherheits-marge für die Erdbebenlasten vorhanden ist.

Bei der Berechnung der seismischen Belastung durch das Schwappen von Flüssigkeit in einem nur teilweise gefüllten Behälter (Sloshing Mode, Tabelle 4.3 von BET/11/0344) wird von KKL eine Dämpfung von 1 % statt wie im Bericht ASCE 43-05 /53/ gefordert, von 0.5 % angenommen. Das ENSI erwartet, dass aufgrund dieser Abweichung wegen der Konservativität der CDFM-Methode keine wesentlichen Änderungen hinsichtlich der Ergebnisse zur Erdbebenfestigkeit der relevan-ten Komponenten resultieren. Das EINSI weist für zukünftige Nachweise darauf hin, dass Abwei-chungen von den Empfehlungen des Berichtes ASCE 43-05 im Einzelfall zu begründen sind.

Für eine repräsentative Anzahl von Rohrleitungen wurde die Erdbebenfestigkeit auf Basis der Auslegungsdaten oder nachträglich geführter ASME-Nachweise analysiert. Der kleinste ermittel-te HCLPF-Wert von 0.43 g wird aus Sicht des ENSI konservativ für alle nicht explizit analysierten Rohrleitungen angegeben. Das ENSI kann dieses Vorgehen für den vorliegenden Nachweis ak-zeptieren.

Gemäss Standard Review Plan 4.2 der USNRC muss für den Nachweis der Abschaltsicherheit das Einschiessen der Steuerstäbe gewährleistet sein. Dies ist gewährleistet, wenn die Brenn-elemente im RDB nicht von ihrer Tragstruktur abheben und wenn die Verbiegung des Brennele-mentkanals begrenzt bleibt. Das ENSI erachtet den vom KKL angesetzten Grenzwert von 62.5 mm für die Brennelementverbiegung als konservativ und geeignet. Eine stichprobenartige Prüfung für eingesetzte Brennelementtypen hat ergeben, dass infolge des 10‘000 jährlichen Erd-bebens deutlich geringere Brennelementverbiegungen zu erwarten sind. Die Möglichkeit des Brennelementabhebens wurde vom KKL nicht analysiert. Gemäss der vorliegenden Brennele-ment-Auslegungsdokumentation besteht für das Abheben der Brennelemente eine deutliche Si-cherheitsmarge zum bisherigen Auslegungserdbeben. Die folgenden Angaben sind jedoch nach-zureichen.

ENSI 12/1714

Seite 30 von 42

Forderung 1: Das KKL hat für alle freigegebenen und noch eingesetzten Brennelementtypen den Nachweis zu erbringen, dass das Brennelementabheben beim 10‘000-jährlichen Erdbeben ausgeschlossen werden kann. Der Nachweis ist dem ENSI bis zum 31.Dezember 2012 einzureichen.

Gesamthaft kommt das ENSI zu dem Ergebnis, dass die zur Beherrschung des 10‘000-jährlichen Erdbebens (PRP-IH) mindestens erforderlichen mechanischen und elektrischen Ausrüstungen eine ausreichende Erdbebenfestigkeit aufweisen.

4.4 Radiologische Auswirkungen

Angaben des Betreibers

Als Voraussetzung für die Bestimmung radiologischer Auswirkungen hat KKL für alle Systeme abdeckende Aktivitätsinventare bestimmt. Für die betrachteten Systeme erfolgte die Berechnung des Aktivitätsinventars über die Komponentenvolumina und eine einheitliche, abdeckende Aktivi-tätskonzentration. Das Ergebnis zeigt, dass mit dem berücksichtigten Umfang an Systemen, so-wie dem Nachweis der Integrität/Dichtheit der Komponenten bereits über 93 % des gesamten Aktivitätsinventars abgedeckt werden.

Das KKL kommt in seinen Analysen zum Schadensbild zu dem Ergebnis, dass beim vorliegen-den Lastfall kein Versagen von Komponenten unterstellt werden muss. Es ist deshalb gemäss /3/ als Folge des 10‘000-jährlichen Erdbebens einzig mit dem Verlust der Eigenbedarfsversor-gung und der externen Stromversorgung (Notstromfall) zu rechnen.

Die radiologischen Konsequenzen dieses Falles werden gemäss der radiologischen Analysen von KKL /11/ durch die betrieblich zu erwartende Transiente „Closure of all Main Steam Isolation Valves (MSIV)" (Schliessen aller Frischdampfisolationsventile) abgedeckt. Die zugehörigen Do-sisberechnungen wurden bei einer Abgabe über Kamin (Abgabehöhe 99 m) und einer minimalen Abwinddistanz von 100 m durchgeführt. Es wurde eine Dosis von 0.007 mSv als Summe aller lokalen Undichtheiten an Komponenten sowie durch den Abblasevorgang zur Druckreduzierung im Primärkreis bestimmt.

Da die seismischen Nachweise zur Containmentisolation von KKL erst am 30. September 2012 beim ENSI eingereicht werden, wird auch der Fall mit Versagen der Containmentisolation be-trachtet. Er wird konservativ durch eine bodennahe, ungefilterte Freisetzung modelliert. Dabei wird keine Rückhaltung im Containment und auch keine Rückhaltung im umgebenden Reaktor-gebäude ZA unterstellt /26/. Der Verzicht auf die Berücksichtigung einer Rückhaltung ist eine extrem konservative Modellierung des unterstellten Versagens der Containmentisolation. Die hierfür ermittelte maximale Dosis beträgt 36.4 mSv.

Der vorliegende Störfall ist der Störfallkategorie 3 zugeordnet. Somit gilt als radiologischer Ak-zeptanzgrenzwert 100 mSv. Mit 0.007 mSv bzw. 36.4 mSv liegt die für beide betrachteten Sze-narien ermittelte maximale Dosis unter dem Akzeptanzwert.

Beurteilung des ENSI

Das ENSI folgt der Argumentation des Betreibers, wonach beim vorliegenden Lastfall kein Ver-sagen von Komponenten unterstellt werden muss (vgl. Kapitel 4.3). Demnach können die radio-logischen Auswirkungen in der Umgebung anhand der Folgen des Störfalls Schliessen aller Frischdampfisolationsventile abdeckend ermittelt werden. In diesem Szenario wird mit dem Aus-fall eines Strangs des Nach- und Notkühlsystems auch ein Einzelfehler unterstellt.

ENSI 12/1714

Seite 31 von 42

Für die zugehörige radiologische Analyse wurde der gemäss Technischen Spezifikation /12/ für den uneingeschränkten Betrieb zulässige Grenzwert (GW1) für die Iodaktivität zugrunde gelegt. Bei der Prüfung des ermittelten Quellterms stellte das ENSI fest, dass eine teilweise Rückhaltung von organischem Iod in der Wasservorlage der Druckabbaukammer unterstellt wurde. Das ENSI ist der Ansicht, dass eine solche Rückhaltung nicht zulässig ist. Trotzdem bleibt die Dosis auf-grund der Einschätzung des ENSI, selbst mit den im Sicherheitsbericht konservativ unterstellten, zusätzlichen Versagensannahmen, weit unterhalb des anzuwendenden Dosisgrenzwertes von 100 mSv.

Mit dem Bericht vom 19.06.2012 /26/ hat KKL einen radiologischen Nachweis nachgereicht. Weil die Nachweise zur Erdbebenfestigkeit der Containmentisolation noch ausstehen, wird in diesem radiologischen Nachweis von deren Ausfall ausgegangen. Für die Kühlmittelaktivität hat das KKL ausgehend von den in den Technischen Spezifikationen gemäss Änderungsantrag vom 20.06.2012 /25/ die für den uneingeschränkten Betrieb zulässigen Grenzwert für die Iodaktivität (GW1) eingesetzt und damit die Einhaltung des Grenzwertes von 100 mSv nachgewiesen. Die Einhaltung des Grenzwertes wurde nach Auffassung des ENSI mit einfachen, aber konservativ abdeckenden Betrachtungen nachgewiesen.

Die erforderlichen Betrachtungen veranlassten KKL zudem, die in den Technischen Spezifikatio-nen festgelegte Zeitdauer für eine Überschreitung der für den unbegrenzten Betrieb zulässigen Aktivität des Kühlmittels von bisher 800 Stunden auf 72 Stunden zu kürzen. Gleichzeitig reduzier-te KKL den Grenzwert GW1 für die Kühlmittelaktivität um den Faktor 10 (Änderungsantrag vom 20.06.2012 /25/).

Mit der Reduktion der zulässigen Zeitdauer für die Überschreitung des Grenzwertes GW1 von 800 auf 72 Stunden fällt die Betrachtung des Falles mit erhöhter, zeitlich begrenzter Kühlmittelak-tivität (GW2) im auslegungsüberschreitenden Bereich und muss folglich nicht weiter betrachtet werden.

Das ENSI hat die Dosisberechnungen des KKL mit dem aus /11/ und /26/ angegebenen Quell-termen überprüft und erhält ähnliche Werte wie das KKL. Die Dosisberechnungen entsprechen den Vorgaben der Richtlinie ENSI-G14 /43/, wobei die angenommene minimale Abwinddistanz mit 100 m gegenüber den Vorgaben aus der Richtlinie (200 m) konservativ ausfällt. Abschlies-send kommt das ENSI zum Schluss, dass der Dosisgrenzwert von 100 mSv deutlich eingehalten wird.

ENSI 12/1714

Seite 32 von 42

5 Erdbebennachweis für die Brennelementbeckenkühlung

5.1 Erforderliche Bauwerke und Systeme

Angaben des Betreibers

Die bereits genutzten Brennelemente werden im KKL übergangsweise im Brennelement-Lagerbecken innerhalb des Containments im Reaktorgebäude (ZA) oder langfristig im äusseren Brennelement-Lagerbecken im Brennelementlagergebäude (ZD) gelagert. Beide Lagerbecken sind mit einem Transferrohr miteinander verbunden, welches im Leistungsbetrieb der Anlage verschlossen ist. Im Leistungsbetrieb müssen die Brennelemente vollständig aus dem Brenn-elementlagerbecken innerhalb des Containments ausgeladen sein /7/.

Das KKL verfügt über das betriebliche Brennelementlegerbeckenkühl- und Reinigungssystem (TG-System) zur Abfuhr der Nachzerfallswärme aus den beiden Brennelement-Lagerbecken. Nach dem Ausfall des TG-Systems wird die Kühlung der Brennelement-Lagerbecken auf das Nach- und Notkühlsystem TH umgestellt, welches weitgehend redundant aufgebaut und not-stromversorgt ist. Bei einem 10‘000-jährlichen Erdbeben und unter Annahme des Ausfalls der externen Stromversorgung kann mit einem Strang des Nach- und Notkühlsystems (TH-System) die Kühlung der Brennelement-Lagerbecken für mindestens 10 Tage ohne externe Massnahmen aufrechterhalten werden /6/.

Das KKL hat für das Primärcontainment ZA, das Brennelementlagergebäude ZD, die beiden Brennelementlagerbecken sowie der Komponenten der TG- und TH-Systeme die Robustheit gegenüber dem 10'000-jährlichen Erdbeben nachgewiesen /7/. Diese Nachweise umfassen auch den Integritätserhalt der Brennelementbeckenanschlüsse und -verbindungen. Ungeachtet des-sen wurden vom KKL hypothetische Leckagen von Rohrleitungen und Anschlüssen am Brenn-elementlagerbecken und am Containmentlagerbecken untersucht. Weiterhin wurden Leckagen in der Auskleidung der beiden Lagerbecken untersucht.

Beim erdbebenbedingten Bruch einer Anschlussleitung muss im Brennelementlagerbecken mit einem maximalen Wasserverlust von ca. 150 m3 und im Containmentlagerbecken mit einem ma-ximalen Wasserverlust von ca. 700 m3 gerechnet werden. Der grössere Wasserverlust im Con-tainmentlagerbecken ist durch die tiefer gelegene Einbindung der Saugleitung des TH-Systems bedingt. Der grösste Wasserverlust kann auftreten, wenn das Containmentbecken mit der Reak-torgrube während der Stillstandsrevision verbunden ist, da zusätzliche, tief liegende Leckagepfa-de an die Reaktorgrube anschliessen. In diesem Fall sind die Brennelemente immer noch mit einer Wasservorlage von 2 m bedeckt. Die Kühlung der Brennelemente ist in allen Fällen sicher-gestellt. Zudem bestehen mehrere Möglichkeiten, die Lagerbecken mit notstromgesicherten Sys-temen oder Notfallschutzmassnahmen nachzufüllen.

Ein Wasserverlust aus den Legerbecken führt zu Überflutung der tiefer gelegenen Räume. Auf-grund der räumlichen Trennung der einzelnen Divisionen der Sicherheitssysteme und der was-serdichten Ausführung der überfluteten Anlagenbereiche würden die Auswirkungen der internen Überflutung auf eine Division begrenzt bleiben und andere Divisionen nicht beeinträchtigen.

Die Brennelementlagerbecken in den Gebäuden ZA und ZD sind Stahlbetonkonstruktionen mit einer einbetonierten Haltekonstruktion aus rostfreiem Stahl zur Befestigung der Auskleidung, die aus rostfreien Stahlblechen besteht. Auf der Rückseite der Beckenauskleidung sind Betonkanäle eingegossen. Diese Betonkanäle sind in Sektoren zusammengefasst. Aus jedem Sektor führt eine Entwässerungsleitung zu einem offenen Auffangbehälter der Leckageüberwachung. Selbst wenn ein Auskleidungsblech beschädigt würde bzw. eine Schweissnaht reissen würde, wäre die Leckagemenge sehr gering, da die Auskleidungsplatte vom geodätischen Wasserdruck gegen

ENSI 12/1714

Seite 33 von 42

die Beton- und Haltekonstruktion gedrückt würde. So kann nur eine geringe Spaltströmung ent-stehen, die überspeist werden kann. Zudem kann die entsprechende Entwässerungsleitung iso-liert werden.

Beurteilung des ENSI

Das ENSI hat den eingereichten Erdbebennachweis basierend auf den in Kapitel 3.2 aufgeführ-ten Anforderungen daraufhin geprüft und bewertet, ob die für die Sicherstellung der Kühlung der Brennelemente in den Lagerbecken erforderlichen Strukturen, Systeme und Komponenten (SSK) berücksichtigt wurden.

Aus Sicht des ENSI sind in den Erdbebennachweis des KKL alle Bauwerke und Baustrukturen einbezogen worden, deren Standfestigkeit und Integrität für die Sicherstellung der Kühlung der Brennelemente in den Lagerbecken erforderlich sind. Zur Gewährleistung der Standsicherheit der Brennelemente in den Lagerbecken hat KKL den Nachweis der Robustheit der Lagergestelle gegenüber dem 10'000-jährlichen Erdbeben nachgereicht. Damit ist entsprechend der Beurtei-lung des ENSI der bisherige Nachweis zur Unterkritikalität der Brennelemente in den Lagerbe-cken auch nach einem 10‘000-jahrlichen Erdbeben gültig.

Das ENSI hat sich anhand der aktuellen Schaltbilder für die BE-Beckenkühlsysteme TH und TG davon überzeugt, dass die vom KKL durchgeführte Integritätsanalyse der Lagerbecken alle An-schlussleitungen berücksichtigt. Grössere Wasserverluste aus den BE-Lagerbecken können bei einem Erdbeben als direkte Folge eines Erdbebens ausgeschlossen werden. Ein Versagen der Anschlussleitungen würde zu einer begrenzten Füllstandabsenkung in den BE-Lagerbecken füh-ren, die aufgrund des verbleibenden Wasserinventars als unbedenklich im Hinblick auf die Si-cherstellung der Kühlung der Brennelemente in den Lagerbecken beurteilt wird. Das ENSI weist darauf hin, dass bei zukünftigen Nachweisen das Brennelementtransfersystem (PX) detaillierter zu betrachten ist. Kleinere Verluste über Undichtigkeiten in der Beckenauskleidung werden durch die Leckageüberwachung sicher aufgefangen und können nicht in die Umgebung gelangen. Das ENSI stimmt weiterhin zu, dass solche kleinen Verluste durch die Beckenauskleidung der La-gerbecken problemlos überspeist werden können.

Zusammenfassend kommt das ENSI zu dem Ergebnis, dass alle zur langfristigen Sicherstellung der Kühlung der Brennelemente in den Lagerbecken erforderlichen SSK über den vom KKL ein-gereichten Erdbebennachweis gemäss den Verfügungen vom 1. April 2011 /30/ und vom 5. Mai 2011 /31/ abgedeckt sind und für diese Erdbebenfestigkeitsnachweise eingereicht wurden.

5.2 Seismische Robustheit der erforderlichen Bauwerke und Ausrüstungen

5.2.1 Bauwerke

Angaben des Betreibers

Die Erdbebenfestigkeit der Bauwerke, in denen sich die Brennelementlagerbecken befinden, hat das KKL mit den Berechnungen für das Reaktorgebäude und das Brennelementlagergebäude (als Teil des zusammenhängenden Reaktorhilfsanlagen-Komplexes) nachgewiesen. Das Vorge-hen, die wichtigsten Annahmen und die Ergebnisse sind im Kapitel 4.2.1 zusammengefasst. Für die Wände des Lagerbeckens im Reaktorgebäude weist der Betreiber HCLPF-Werte von min-destens 3.32 g aus. Für das Brennelementlagergebäude resultiert ein HCLPF-Wert von 1.09 g.

Die Methode zur Bestimmung der Erdbebenfestigkeit der Gebäude wie auch für die Sicherheits-systeme wurde in den vorhergehenden Kapiteln beschrieben.

ENSI 12/1714

Seite 34 von 42

Beurteilung des ENSI

Nach Einschätzung des ENSI sind die Strukturen der Brennelementbecken sowie das Reaktor- und Brennelementlagergebäude seismisch sehr robust und weisen keine relevanten Schwach-stellen auf. Ein Bauwerksversagen in den Bereichen der Brennelementlagerbecken kann beim Referenzerdbeben (Review Level Earthquake RLE) mit einer maximalen horizontalen Bodenbe-schleunigung (PGA) von 0.31 g an der Terrainoberfläche ausgeschlossen werden (siehe Tabelle 1, Kapitel 4.3.1).

5.2.2 Mechanische und elektrische Ausrüstungen

Angaben des Betreibers

Die Erdbebenfestigkeit der Kühlung der Brennelementlagerbecken wird durch die seismische Robustheit der Anschlussleitungen des TG- und des TH-Systems mit einem HCLPF-Werte von 0.43 g bestimmt. Für die Lagergestelle in den Brennelementlagerbecken wird vom KKL ein HCLPF-Wert von 0.46 g ermittelt.

Beurteilung des ENSI

Die Erdbebenfestigkeit der für die Kühlung der Brennelementlagerbecken erforderlichen Ausrüs-tungen wurde bereits in Kapitel 4.3.2 beurteilt. Alle Ausrüstungen weisen eine ausreichende Erd-bebenfestigkeit auf (siehe Tabelle 2, Kapitel 4.3.2). Das ENSI hat die Analyse für die Erdbeben-festigkeit der Lagergestelle in den Brennelement-Lagerbecken geprüft und kommt zu dem Er-gebnis, dass die Kippsicherheit der Lagergestelle gewährleistet ist und damit eine Beschädigung der Brennelemente ausgeschlossen werden kann.

5.3 Radiologische Auswirkungen

Angaben des Betreibers

Für die Brennelementlagerbecken kommt das KKL in /7/ zum Schluss, dass zusammen mit den Ergebnissen zur seismischen Robustheit in /5/ gezeigt werden kann, dass mit der vorhandenen Anlagenauslegung die Gefährdungsannahme Erdbeben ohne Verlust der Integrität von Gebäu-den, Strukturen, Systemen und Komponenten beherrscht werden kann. Die Kühlung ist durch das notstromversorgte TH-System auslegungsgemäss gewährleistet. Es kommt zu keinen zu-sätzlichen Freisetzungen von Radioaktivität in die Umgebung.

Beurteilung des ENSI

Da von keinen erdbebenbedingten Schäden ausgegangen werden muss, erübrigt sich auch nach Auffassung des ENSI eine weitere radiologische Analyse. Das ENSI geht davon aus, dass es aufgrund der auslegungsgemässen gewährleisteten Kühlung der Brennelement-Lagerbecken zu keinen relevanten Freisetzungen in die Umgebung kommt.

ENSI 12/1714

Seite 35 von 42

6 Nachweis Kombination von Erdbeben und Hochwasser

Angaben des Betreibers

Wie in Kapitel 2.2 dargelegt führt die Kombination des 10‘000-jährlichen Erdbebens und des durch dieses Erdbeben bedingte Hochwasser im Falle von KKL zu einem Maximalwasserspiegel von +0.54 m über dem Normalwasserspiegel /8/. Dieser Maximalwasserspiegel liegt weit unter der Terrainhöhe (22 m) des KKL.

Obwohl sich gemäss /24/ der Boden des Pumpenraums auf +4.60m über dem Normalwasser-spiegel befindet geht das KKL abdeckend vom Ausfall des Nebenkühlwassersystems aus. Damit sind Verklausungs- und Verstopfungseffekte des Nebenkühlwassereinlaufes in den Störfallbe-trachtungen abgedeckt.

Beurteilung des ENSI

Aufgrund des hoch über dem Rhein liegenden Kraftwerksgeländes stellt eine Kombination des 10‘000-jährlichen Erdbebens und eines erdbebenbedingten Hochwassers nach Beurteilung des ENSI keine über das Erdbeben hinaus gehenden Anforderungen an die Gebäude und Sicher-heitseinrichtungen des KKL dar. Ein möglicher Hochwasser bedingter Ausfall des Nebenkühl-wassersystems wird bereits in den Nachweisen zum 10‘000-jährlichen Erdbeben berücksichtigt.

Mit den unter Kapitel 2 bis 5 vom ENSI beurteilten Nachweisen zur Fluthöhe und den Beurteilun-gen zur Gewährleistung der notwendigen Sicherheitsfunktionen mit ihren Sicherheitseinrichtun-gen zum Abfahren der Anlage in den sicheren Zustand ist auch der Nachweis zur Beherrschung der Kombination der Kombination Erdbeben und Überflutung erbracht.

Da sich aufgrund der Kombination Erdbeben und Überflutung kein neues Schadensbild ergibt, erübrigt sich auch nach Auffassung des ENSI eine weitere radiologische Analyse.

ENSI 12/1714

Seite 36 von 42

7 Zusammenfassung und Schlussfolgerung

7.1 Zusammenfassung

Gegenstand und Grundlage der Beurteilung

Mit Brief vom 30. März 2012 hat das KKL dem ENSI die in der Verfügung vom 1. April 2011 /30/ geforderten Nachweise zur Beherrschung eines 10‘000-jährlichen Erdbebens sowie der Kombi-nation von Erdbeben und Hochwasser fristgerecht eingereicht. Neben der Sicherheit des Kernre-aktors, des Primärkreislaufs und des Containments war gemäss der ENSI-Verfügung vom 5. Mai 2011 /31/ auch die Auslegung der Brennelementlagerbecken, -gebäude und -kühlsysteme zu überprüfen und die Einhaltung der zulässigen Dosislimiten für diese Störfälle nachzuweisen. Dem Brief des KKL war eine umfangreiche Dokumentation beigefügt. Im zusammenfassenden deterministischen Nachweis /3/ hat das KKL dargelegt, dass diese Störfälle unter Einhaltung der vom ENSI vorgegebenen Randbedingungen und des nach StSV /38/ zulässigen Grenzwerts von 100 mSv beherrscht werden.

Prüfverfahren des ENSI

Nach einer Grobprüfung der eingereichten Unterlagen hat das ENSI weitere Nachweise einge-fordert, die das KKL bis Juni 2012 nachgereicht bzw. im Rahmen eines Fachgesprächs erläutert hat. Aus einer Inspektion des ENSI am 25. Mai 2012 und der Detailprüfung der Erdbebennach-weise resultierte ein weiterer Bedarf an zusätzlicher Dokumentation bzw. Nachweisen. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um einen zusätzlichen radiologischen Nachweis. KKL ist im Juni 2012 diesen Forderungen nachgekommen.

Das ENSI hat die vom KKL eingereichten Unterlagen hinsichtlich der Erfüllung der Randbedin-gungen für die Analysen, wie sie in den Verfügungen vom 1. April 2011 und vom 5. Mai 2012 gefordert wurden, und hinsichtlich der Akzeptanz und Korrektheit der durchgeführten Analysen sowie der Plausibilität der Ergebnisse überprüft. Aufgrund des grossen Umfangs der KKL-Dokumentation, speziell im Bereich der Nachweise der Erdbebenfestigkeiten, wurden vom ENSI mehrheitlich stichprobenartige Überprüfungen der zur Störfallbeherrschung erforderlichen Struk-turen und Komponenten durchgeführt.

Im Bereich der systemtechnischen Voraussetzungen und Anforderungen wurden vom ENSI die vom KKL genannten, zur Störfallbeherrschung erforderlichen Systeme und Komponenten des seismisch robustesten Abfahrpfades eingehend überprüft. Ebenso sind die Erdbebeneinwirkun-gen, auf ihrem Weg vom Fels über den Baugrund via Gebäude bis hin zu den einzelnen Kompo-nenten, im Detail geprüft worden. Dies gilt auch für die Analysen zu den radiologischen Auswir-kungen des 10‘000-jährlichen Erdbebens sowie der gleichzeitigen Überlagerung einer Überflu-tung durch Flutwellen, die aus dem erdbebenbedingten Versagen von Stauanlagen resultieren könnten.

Bewertung der Gefährdungsannahmen

Der Betreiber bestimmte die Erdbebengefährdung am Standort KKL in zwei Schritten, zuerst für den Felsuntergrund und dann daraus abgeleitet für verschiedene oberflächennahe Niveaus im Lockergestein bis zur Terrainoberfläche. Diese Neuberechnung gründete auf den per Mai 2011 aus dem PEGASOS Refinement Project (PRP) verfügbaren Daten und Modellen. Die zur Be-schreibung der Erdbebengefährdung resultierenden Gefährdungsspektren für eine jährliche mitt-lere Eintretenshäufigkeit von 10-4 sind durch eine horizontale Bodenbeschleunigung auf dem

ENSI 12/1714

Seite 37 von 42

Niveau der Terrainoberfläche von 0.31g charakterisiert. Dieser PGA-Wert wird als Referenzwert (PRP-IH) für den vom ENSI geforderten Erdbebenfestigkeitsnachweis akzeptiert.

Hinsichtlich der Gefährdung des KKL durch eine Kombination des 10‘000-jährlichen Erdbeben und des erdbebenbedingten Hochwassers stimmt das ENSI dem KKL zu, dass aufgrund des hoch über dem Rhein liegenden Kraftwerksgeländes eine Überflutung durch Brüche von Stauan-lagen auszuschliessen ist.

Erforderliche SSK für die Kern- und Brennelementbeckenkühlung

Das KKL hat im Erdbebennachweis alle SSK berücksichtigt, die im Rahmen der Probabilisti-schen Sicherheitsanalyse von Bedeutung sind. Das KKL ist damit über die Anforderungen der zu betrachtenden SSK hinausgegangen und hat auch betriebliche SSK hinsichtlich der Integrität betrachtet, bei denen es zu Freisetzungen von radioaktiven Stoffen kommen kann. Aufgrund der Verfügbarkeit aller Sicherheitssysteme ist der Einzelfehler bei der Störfallbeherrschung nach einem Erdbeben abgedeckt.

Das ENSI hat die Darlegungen des KKL eingehend geprüft und kommt in seiner Beurteilung zu dem Ergebnis, dass die vom KKL genannten SSK vollständig und korrekt erfasst wurden. Nach-weise zur Containmentisolation stehen noch aus und werden entsprechend der Forderung aus der Verfügung vom 10. Januar 2012 /32/ von KKL bis Ende September 2012 eingereicht. Für den aktuellen radiologischen Nachweis wird konservativ der Ausfall der Containmentisolation unter-stellt.

Bestimmung der Erdbebenfestigkeiten

Das KKL bestimmte die Erdbebenfestigkeiten mit der vom ENSI akzeptierten probabilistischen Methode nach EPRI /44/. Nebst der Festlegung des Referenzerdbebens und den SSI-Berechnungen verlangt diese Methode das Durchführen von Anlagebegehungen und die Be-rechnung der Tragwiderstände für die massgebenden Versagensmechanismen in den Bauwer-ken. Als Kenngrössen der Erdbebenfestigkeiten werden die Versagenswahrscheinlichkeiten in Form von HCLPF-Werten mit der CDFM-Methode (Conservative Deterministic Failure Margins) bestimmt.

Das KKL hat die Erdbebenfestigkeiten für insgesamt 18 Bauwerke neu berechnet. Dazu gehören alle Bauwerke der Erdbebenklasse I, welche Systeme für die Kernkühlung oder für die Brenn-elementbeckenkühlung enthalten. Das ENSI kann bestätigen, dass die meisten Bauwerke be-deutende Tragreserven gegenüber dem aktuell neu bestimmten 10‘000-jährlichen Erdbeben (PRP-IH) aufweisen. Für den stärksten Abfahrpfad werden für die SSK ausreichende Erdbeben-festigkeiten von grösser gleich 0.45 g angegeben. Entsprechend der Beurteilung des ENSI stellt die CDFM-Methode sicher, dass für die einzelnen SSK eher zu kleine Erdbebenfestigkeiten aus-gewiesen werden.

KKL weist für die Komponenten zur Gewährleistung der Schnellabschaltfunktion einen HCLPF-Wert von 1.1 g aus und begründet diesen zusätzlich mit Versuchsergebnissen sowie der Erfah-rung bei Erdbeben in vergleichbaren Anlagen. Das ENSI kann die Reserven für die Erdbebenfes-tigkeit auf der Basis der Dokumentation zum bisherigen Auslegungserdbeben bestätigen, in der auch das Brennelementabheben untersucht ist. Für den aktuellen Erbebennachweis vermisst das ENSI Aussagen zum Brennelementabheben (siehe Kapitel 7.2, Forderung 1).

ENSI 12/1714

Seite 38 von 42

Nachweis für die Kernkühlung

Beim Nachweis der Beherrschung des 10‘000-jährlichen Erdbebens wurden von KKL zur Ge-währleistung der Kernkühlung nur jene SSK kreditiert, deren Erdbebenfestigkeit nachgewiesen wurde. Es wurde von KKL gezeigt, dass die Anlage im Notstromfall (Ausfall der Eigenbedarfsver-sorgung und des Fremdnetzes) sicher abgeschaltet werden kann und über mehrere Abfahrpfade in den sicheren kalten Zustand überführt werden kann. Das ENSI hat sich bei seiner Prüfung auf den robustesten Abfahrpfad mit dem Notstandssystem beschränkt. Die Kühlung der Brennele-mente kann mit den dafür vorgesehenen Sicherheitssystemen ohne Zuhilfenahme interner und externer Notfallschutzmassnahmen während mehr als 72 Stunden gewährleistet werden. Ausrei-chende Treibstoffreserven sind auf dem Anlagenareal verfügbar.

Nachweis für die Brennelementbeckenkühlung

Das KKL hat für die Kühlung der Brennelemente in den Lagerbecken anhand der Erdbebenfes-tigkeiten für die entsprechenden SSK gezeigt, dass die Integrität der Lagerbecken und die Funk-tion des Nach- und Notkühlsystems nach einem 10‘000-jährlichen Erdbeben auslegungsgemäss für mindestens 72 Stunden gewährleistet ist. Darüber hinaus schliesst sich das ENSI in seiner Beurteilung dem KKL an, dass eine über den Normalbetrieb hinausgehende Freisetzung von Aktivität aus den Becken nicht zu unterstellen ist.

Das ENSI stimmt in seiner Beurteilung mit dem KKL überein, dass erdbebenbedingtes Versagen von Anschlussleitungen bzw. von SSK der Brennelement-Lagerbeckenkühlung ausgeschlossen werden können. Dies gilt für alle Betriebszustände.

Nachweis Kombination von Erdbeben und Hochwasser

Aufgrund des Standortes von KKL mit einem hoch über dem Rhein liegenden Kraftwerksgelände stellt ein durch das Erdbeben induziertes Hochwasser nach Beurteilung des ENSI keine über das Erdbeben hinausgehenden Anforderungen an die SSK dar. Ein möglicher hochwasserbedingter Ausfall des Nebenkühlwassersystems wird bereits in den Nachweisen zum 10‘000-jährlichen Erdbeben unterstellt. Die vorliegenden Nachweise sind auch ohne Einschränkung für die Kombi-nation des 10‘000-jährlichen Erdbebens und eines erdbebenbedingten Hochwassers gültig.

Radiologische Auswirkungen

Die radiologischen Analysen des KKL haben ergeben, dass die Strahlenbelastung aus den be-trachteten Störfällen deutlich unterhalb des zulässigen Grenzwerts von 100 mSv liegt. Mit dem Bericht /26/ hat KKL einen radiologischen Nachweis nachgereicht, bei dem von der Funktion der Reaktorisolation ausgegangen wird, aber der Ausfall der Containmentisolation beim 10‘000-jährlichen Erdbeben unterstellt wird. Auch für diesen Fall hat das KKL die Einhaltung des Grenz-wertes von 100 mSv nachgewiesen. Das ENSI hat die Ermittlung der Dosiswerte des KKL ge-prüft und stellt fest, dass der Dosisgrenzwert von 100 mSv nach StSV /38/ eingehalten wird.

ENSI 12/1714

Seite 39 von 42

7.2 Schlussfolgerung

Insgesamt stellt das ENSI fest, dass das KKL die Überprüfung der Auslegung gemäss Art. 2 der Verordnung des UVEK vom 16. April 2008 über die Methodik und die Randbedingungen zur Überprüfung der Kriterien für die vorläufige Ausserbetriebnahme von Kernkraftwerken /36/ auf der Basis der vorgelegten Analysen zur Erdbebenfestigkeit von wichtigen Strukturen, Systemen und Komponenten durchgeführt hat. Dabei hat KKL die in den Verfügungen vom 1. April 2011 /30/ und vom 5. Mai 2011 /31/ geforderten Randbedingungen für die Überprüfung der Auslegung bezüglich Erdbeben und Überflutung vollumfänglich erfüllt.

Darüber hinaus fordert das ENSI von KKL eine weitergehende Bearbeitung des Erdbebennach-weises zur auslegungsgemässen Funktion der Reaktorschnellabschaltung (erdbebenbedingten Abhebens der Brennelemente im Reaktordruckbehälter) wie folgt:

Forderung 1: Das KKL hat für alle freigegebenen und noch eingesetzten Brennelementtypen den Nachweis zu erbringen, dass das Brennelementabheben beim 10‘000-jährlichen Erdbeben ausgeschlossen werden kann. Der Nachweis ist dem ENSI bis zum 31. Dezember 2012 einzureichen.

Das ENSI hat das mögliche Brennelementabheben auf der Basis des bisherigen Erdbebennach-weises und vor dem Hintergrund der Erfahrung bei bisher aufgetretenen Erdbeben in vergleich-baren Anlagen beurteilt. Das ENSI kommt zu dem Ergebnis, dass die Forderung den vorliegen-den Nachweis nicht in Frage stellt. Die Erfüllung der Forderung wird vom ENSI in einem separa-ten Geschäft weiter verfolgt.

ENSI 12/1714

Seite 40 von 42

8 Referenzen

/1/ KKL-Brief, Antwort: Erdbebenfestigkeitsnachweise (Fragilities) für die Beherrschung des

10‘000-jährlichen Erdbebens, 30.11.2011.

/2/ KKL-Brief, Deterministischer Nachweis der Beherrschung des 10‘000-jährlichen Erdbe-bens, 30.03.2012

/3/ KKL-Bericht BET12/0051 Rev. 0: Deterministischer Nachweis der Beherrschung des 10'000 jährlichen Erdbebens, 30.03.2012

/4/ KKL-Bericht BET11/0350 Rev. 0: Erdbebenfestigkeitsnachweise (Fragilities) für Ausrüs-tungen und Strukturen, die zur Beherrschung des 10'000-jährlichen Erdbebens dienen, 30.11.2011

/5/ KKL-Bericht BET11/0344 Rev. 1: Deterministische Erdbebenfestigkeitsnachweise (Fragili-ties) zur Beherrschung des Sicherheitserdbebens, 30.11.2011

/6/ KKL-Bericht BET11/0089 Rev. 0: Neubewertung der Sicherheit des KKL zum EU-Stresstest, 28.10.2011

/7/ KKL-Bericht BET12/0094 Rev. 0: Überprüfung der Auslegung von Brennelementlagerbe-cken, -gebäude und Kühlsystemen gegen die neuen seismischen Gefährdungsannah-men, 29.03.2012

/8/ KKL-Bericht BET12/0077 Rev. 0: Nachweis zur Beherrschung der Kombination von Erd-beben und Hochwasser am Standort des KKL, 30.03.2012

/9/ Kernkraftwerk Leibstadt AG (KKL), Probabilistic Safety Assessment, KKL Document PSA 2006, Appendix F External Events Analysis, 2006.

/10/ KKL-Bericht, BET/11/0111, Seismische Fragilitätsanalysen: Berücksichtigtes Aktivitätsin-ventar, Rev. 000, 29.03.2012

/11/ AREVA-Bericht, NEPA-G/2009/en/0042, Radiological Analysis for design Basis Acci-dents, Rev.: A, 25.06.2010

/12/ KKL-Betriebsvorschrift TSL-1713-01, Rev. 32 vom 20.09.2011

/13/ Kernkraftwerk Leibstadt AG (KKL), SAR-0001, Safety Analysis Report Design Criteria – Structures, Components, Equipments and Systems, Rev.007, September 2008

/14/ Kernkraftwerk Leibstadt AG (KKL), SPTE/09/0039, Seismic Fragility Analysis Technical Specification, 2009

/15/ Lysmer, et al., Computer Program SASSI – User's Manual, University of California, Berkeley, 1988

/16/ Computerprogramm ANSYS, Release 12.0, ANSYS Inc., Canonsburg, PA 15317

/17/ Nagra, für Unterausschuss Kernenergie der Überlandwerke, Probabilistic Seismic Hazard Analysis for Swiss Nuclear Power Plant Sites (PEGASOS Project), 31.07.2004

/18/ Swissnuclear, TP3-TN-1067, PEGASOS Refinement Project, Soil model for the Leibstadt site (KKL), Version 4.3, 30.08.2010

/19/ KKL-Brief; Information: Entwurf des Seismic Walkdown Berichts, 01.06.2012

/20/ KKL-Bericht BET 11/0259; (Entwurf) Results of the Seismic Walkdown

/21/ KKL-Brief; Antwort: Inspektion zum deterministischen Nachweis des 10‘000-jährlichen Erdbebens, 14.06.2012

/22/ Risk Management Associates, "Living Probabilistic Safety Assessment, External Events, Level 1 Analysis", RMA-033, Leucadia, Rev. 1, July 1997

ENSI 12/1714

Seite 41 von 42

/23/ KKL-Bericht, BET/10/0047, Sicherheitsreserven beim Lastfall Erdbeben für SK1-Systeme, 17.03. 2010

/24/ KKL-Bericht, BET/11/0179, Deterministischer Nachweis der Beherrschung vom Hoch-wasser am Standort KKL, 30.06.2011

/25/ KKL-Brief, Freigabeantrag: Technische Spezifikation TSL-1713-02, Änderung der Kühl-mittelaktivität von I-131, 20.06.2012

/26/ KKL-Bericht BET/12/0001 Rev. 0, Radiologische Störfallanalysen: Konservative Abschät-zungen für den Lastfall SSE, 19.06.2012

/27/ Kernkraftwerk Leibstadt AG, Bewertung der Walkdown-Findings im Zusammenhang mit der seismischen Sicherheit des SEHR Abfahrpfades, Technischer Bericht, BET/12/0193/, vom 27.06.2012.

/28/ Swissnuclear (2011) Intermediate Seismic Hazard (May 2011) - Evaluation of an Inter-mediate Seismic Hazard for the Existing Swiss Nuclear Power Plants, Technical Report FGK- 11-039.GS, Rev. 1, 27.06.2011.

/29/ ENSI; Verfügung: Massnahmen aufgrund der Ereignisse in Fukushima, FLP/SAN-12/11/027 vom 18.03.2011

/30/ ENSI; Verfügung: Vorgehensweise zur Überprüfung der Auslegung bezüglich Erdbeben und Hochwasser, SGE/FLP-12/11/027 vom 01.04.2011

/31/ ENSI; Verfügung: Stellungnahme zu Ihrem Bericht vom 31. März 2011, FLP-12/11/027 vom 05.05.2011

/32/ ENSI; Verfügung: Stellungnahme zu ihrem Bericht zum EU-Stresstest, SGE- 10KEX.STRESSTEST vom 10.01.2012

/33/ ENSI-Schwerpunktinspektion im KKL zum Nachweis der Beherrschung des 10'000-jährlichen Erdbebens vom 25.05.2012

/34/ ENSI-Brief: Nachforderungen zu den aktualisierten Erdbeben-Grenztragfähigkeitsnach-weisen (Fragilities) des KKL, ENSI-Geschäft Nr. 12/11/076, 19.03.2012

/35/ Basler und Hofmann AG (2009). Zusammenstellung der aktuellen Erdbeben-Etagenspektren der schweizerischen Kernkraftwerke, Aktennotiz AN 3210.500-7, 30.09.2009

/36/ SR 732.114.5; Verordnung des UVEK vom 16. April 2008 über die Methodik und die Randbedingungen zur Überprüfung der Kriterien für die vorläufige Ausserbetriebnahme von Kernkraftwerken, Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK)

/37/ SR 732.112.2; Verordnung des UVEK über die Gefährdungsannahmen und die Bewer-tung des Schutzes gegen Störfälle in Kernanlagen vom 17. Juni 2009 (Stand am 1. Au-gust 2009)

/38/ SR 814.501; Strahlenschutzverordnung (StSV) vom 22. Juni 1994 (Stand am 1. Januar 2008)

/39/ SR 732.11; Kernenergieverordnung (KEV) vom 10. Dezember 2004 (Stand am 1. Mai 2012)

/40/ IAEA Safety Standard; Evaluation of Seismic Safety for Existing Nuclear Installations, Safety Guide No. NS-G-2.13

/41/ Richtlinie ENSI-A01; Anforderungen an die deterministische Störfallanalyse für Kernanla-gen: Umfang, Methodik und Randbedingungen der technischen Störfallanalyse, Ausgabe Juli 2009

/42/ Richtlinie ENSI-A08; Quelltermanalyse: Umfang, Methodik und Randbedingungen, Aus-gabe Februar 2010

ENSI 12/1714

Seite 42 von 42

/43/ Richtlinie ENSI-G14; Berechnung der Strahlenexposition in der Umgebung aufgrund von Emissionen radioaktiver Stoffe aus Kernanalgen, Ausgabe Februar 2008, Revision 1 vom 21. Dezember 2009

/44/ EPRI; A Methodology for Assessment of Nuclear Power Plant Seismic Margin (Revision 1), EPRI NP-6041, Revision 1, August 1991

/45/ EPRI; Methodology for Developing Seismic Fragilities, TR-103959, June 1994

/46/ EPRI; Seismic Fragility Applications Guide, 1002988, December 2002

/47/ U.S. Nuclear Regulatory Commission (U.S.NRC), An approach to the Quantification of Seismic Margins in Nuclear Power Plants, NUREG/CR-4334, Washington, USA, August 1985.

/48/ U.S. Nuclear Regulatory Commission (U.S.NRC), Handbook of Nuclear Power Plant Seismic Fragilities, NUREG/CR-3558, Washington, USA, June 1985.

/49/ KTA; Auslegung von Kernkraftwerken gegen seismische Einwirkungen; Teil 1: Grundsätze, KTA 2201.1, Fassung 2011-11 Teil 2: Baugrund, KTA 2201.2, Fassung 06/90 Teil 3: Auslegung der baulichen Anlagen, KTA 2201.3, Fassung Juni 1990, Entwurf Teil 4: Anforderungen an Verfahren zum Nachweis der Erdbebensicherheit für maschi-nen- und elektrotechnische Anlagenteile. KTA2201.4, Fassung 06/90

/50/ IEEE; IEEE Recommended Practice for Seismic Qualification of Class 1E Equipment for Nuclear Power Generating Stations, IEEE 344-2004 vom 13. Juni 2005

/51/ American Society of Civil Engineers (ASCE), Seismic Analysis of Safety-Related Nuclear Structures, ASCE Standard 4-98, 2000

/52/ U.S. Nuclear Regulatory Commission (U.S.NRC), Procedural and Submittal Guidance for the Individual Plant Examination of External Events (IPEEE) for Severe Accident Vulner-abilities, NUREG 1407, Washington, USA, June 1991.

/53/ American Society of Civil Engineers (ASCE), Seismic Design Criteria for Structures, Sys-tems and Components in Nuclear Facilities, ASCE/SEI Standard 43-05, 2005.

/54/ American Society of Mechanical Engineers, ASME Boiler and Pressure Vessel Code, Section III

/55/ U.S. Nuclear Regulatory Commission (2007). Standard Review Plan: 3.7.2, Seismic Sys-tem Analysis, Rev.3, NUREG-0800, March 2007.