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Agnes Kunkel · Peter Bräutigam · Elmar Hatzelmann Verhandeln nach Drehbuch Aus Hollywood-Filmen für eigene Verhandlungen lernen

Verhandeln nach Drehbuch - Münchner Verlagsgruppe · 2014-10-20 · 12. Einleitung – Der Pate. ist ein Film über Loyalität und Verrat in einem New Yorker Mafiaclan. Es wird über

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Agnes Kunkel · Peter Bräutigam · Elmar Hatzelmann

Verhandeln nach Drehbuch

Aus Hollywood-Filmen für eigeneVerhandlungen lernen

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© des Titels »Verhandeln nach Drehbuch« (ISBN 978-3-636-01204-3) 2010 by Redline Verlag, FinanzBuch Verlag GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.redline-verlag.de
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InhaltsverzeichnisEinleitung ........................................................................................... 11Die sieben Phasen einer Verhandlung.................................................... 13Hollywood zeigt, wie’s geht ...................................................................... 16Konzept Verhandeln nach Drehbuch ....................................................... 27Zusammenfassung ...................................................................................... 28

Phase 1: Vorbereitung ....................................................................... 29Die Verhandlungsmacht ............................................................................ 30Nur die wahrgenommene Verhandlungsmacht ist relevant ........... 35Es geht immer um mehrere Güter........................................................... 37Strategisches Denken.................................................................................. 38Erfahrung........................................................................................................ 42Die neun Grundbedürfnisse ...................................................................... 43Warum will ich verhandeln? Die eigenen Beweggründe .................. 51Nichts erzwingen wollen! .......................................................................... 52Die Verhandlungsleitlinien:das praktische Ergebnis der Vorbereitung ............................................ 53Der äußere Rahmen..................................................................................... 56Zentrale Fehler in der Vorbereitungsphase........................................... 58Zusammenfassung: Vorbereitung........................................................... 64

Phase 2: Begrüßung........................................................................... 65Kontaktaufbau.............................................................................................. 65Sich auf die andere Partei einstellen....................................................... 71Zentrale Fehler bei der Begrüßung.......................................................... 74Zusammenfassung: Begrüßung............................................................... 78

Phase 3: Informationsaustausch ...................................................... 79Informationslücken schließen .................................................................. 82Vorgefasste Meinungen der anderen Partei aufweichen.................. 98Wie Sie Ihre Interessen einflechten......................................................... 106Macht es Sinn, mit dieser Partei in dieKonzessionsphase einzusteigen?............................................................. 111Zentrale Fehler in der Informationsphase ............................................. 116Zusammenfassung: Informationsaustausch........................................ 120

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8 Inhalt

Phase 4: Konzessionsphase oder Verhandeln im engeren Sinne.... 121Eröffnen .......................................................................................................... 125Nachgeben gehört dazu!............................................................................ 132Zentrale Fehler in der Konzessionsphase............................................... 142Streit und Eskalation ................................................................................... 150Zusammenfassung: Konzessionsphase ................................................. 159

Phase 5: Einigung............................................................................... 161Freiwilligkeit, Wechselseitigkeit, Vollständigkeit................................ 164Rituale als Schutz gegen den Wortbruch............................................... 166Kongruenz mit den Grundbedürfnissen ................................................ 169Vollendete Tatsachen.................................................................................. 175Zentrale Fehler bei der Einigung .............................................................. 178Zusammenfassung: Einigung ................................................................... 182

Phase 6: Abschied .............................................................................. 183Auflösung der Verhandlungsrunde......................................................... 185Abschied beim Abbruch der Verhandlungen........................................ 189Zentrale Fehler beim Abschied ................................................................. 194Zusammenfassung: Abschied................................................................... 200

Phase 7: Nachbereitung .................................................................... 201Emotionale Verarbeitung des Geschehens ........................................... 203Systematische Analyse ............................................................................... 203Nutzen Sie das Modell der sieben Verhandlungsphasen .................. 204Wie Sie Ihr Verhandlungsgeschick weiter verfeinern......................... 206Zentrale Fehler bei der Nachbereitung................................................... 207Zusammenfassung: Nachbereitung........................................................ 210

Meisterklasse: weitere Tipps für Verhandlungsprofis..................... 211Verhandeln im Team................................................................................... 211Folgende Spiele kommen beim Verhandeln gerne zum Einsatz.......... 216

Zusammenfassung: Die sieben Phasen einer Verhandlung ........... 229

Inhalts- und Personenbeschreibung................................................. 231Wall Street ...................................................................................................... 231Erin Brockovich .............................................................................................. 234Der Pate ........................................................................................................... 236Pulp Fiction ..................................................................................................... 238

Literaturverzeichnis ........................................................................... 241

Stichwortverzeichnis ......................................................................... 243

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EinleitungVerhandeln ist eine Kulturtechnik, die Sie gut beherrschen sollten.Ihre Verhandlungskunst wird Ihnen immer dann zugute kommen,wenn Sie sich in Konflikten oder Verteilungssituationen behauptenwollen. Naturgemäß sind Verhandlungen Situationen voller (An)-Spannung, Überraschung und Dynamik. Ein Zustand, der denmeisten Menschen eher unbehaglich ist. Geschickte Verhandlerhingegen nutzen Spannung, Überraschungseffekte und Dynamik,um Ihren Verhandlungszielen näher zu kommen. Um diese Vorge-hensweisen erfolgreicher Verhandler anschaulich zu vermitteln,braucht es also ein Medium, das Spannung und Dynamik gutwiedergibt. Kinofilme sind da gerade richtig. Ja, die komprimierteForm, in der Verhandlungen in Filmen auftauchen, macht dieDreh- und Angelpunkte von Verhandlungen erst so richtig sichtbarund fasslich. Die vier folgenden Filme könnte man in diesem Sinnefast schon als Lehrfilme zum Verhandeln betrachten:

– Wall Street, der Finanzkrimi aus den späten 1980er Jahren,verarbeitet die Betrugsskandale an der New Yorker Börse, diedamals die Finanzwelt erschütterten. Verhandlungen aller Artmit Investoren und Banken und ein böses Ende für die gewis-senlosen Geschäftemacher sind garantiert.

– Erin Brockovich ist eine Tatsachenverfilmung aus dem Jahr2000 über die unerschrockenen Verhandlungen der kleinenAnwaltsgehilfin Erin mit dem milliardenschweren Großkon-zern PG&E. Sie sammelt Beweise, aus denen hervorgeht, dassPG&E wissentlich das Trinkwasser von Hinkley mit krebserre-genden Chromverbindungen verseucht. Zusammen mit ihremChef Ed Masry handelt sie für die Bewohner des kleinen OrtesHinkley über 300 Millionen Dollar als Entschädigung heraus,eine der höchsten Summen, die in einem derartigen Fall inAmerika je gezahlt wurden.

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12 Einleitung

– Der Pate ist ein Film über Loyalität und Verrat in einem NewYorker Mafiaclan. Es wird über Auftragsmorde, Rauschgift,Filmrollen in Hollywood, Hotels in Las Vegas und einen trüge-rischen Friedensschluss unter verfeindeten Mafiafamilien ver-handelt. Der Pate gilt als einer der besten Filme, die je gedrehtwurden. Die Romanvorlage von Mario Puzo ist eines derinternational erfolgreichsten Bücher mit weltweit über10 Millionen verkauften Exemplaren.

– Pulp Fiction, der Kultfilm mit dem oskargekrönten Drehbuch,steckt voller großer und kleiner Verhandlungen und ist gutfür viele Tipps. Die Kommunikationstechniken von WinstonWolfe, dem cleveren Problemlöser im zweiten Teil des Films,gelten auch unter professionellen Verhandlern als vorbildlich.

Wer hätte nicht Lust, sich von den Erfolgen, die in diesen Filmenscheinbar immer wieder so mühelos erzielt werden, die eine oderandere Scheibe für die eigenen Verhandlungsfertigkeiten abzu-schneiden?

Filmszenen kann man sich zum besseren Verständnis immerwieder ansehen, mit echten Verhandlungen geht das leider nicht.Und selbst den erfahrensten Leuten bleiben nur Erinnerungenund ein paar schriftliche Notizen. Wie es im Detail zu diesem Zu-geständnis oder jenem Durchbruch gekommen ist, davon wirdIhnen vermutlich jeder der Beteiligten seine eigene Version er-zählen. Filme mit Verhandlungsszenen sind deshalb ein fantasti-sches Anschauungsmaterial, um die eigene Verhandlungsmetho-dik zu überprüfen und gegebenenfalls das eigene Repertoire anVerhandlungstechniken zu erweitern.

Doch worauf müssen Sie achten, wenn Sie von Hollywood-Filmen lernen wollen? Geht es wirklich nur um die kleinenTricks und Bluffs oder kommt es nicht vielmehr auf den großenÜberblick und strategisches Vorgehen im Verlauf der gesamtenVerhandlung an? Denn durch Fehleinschätzungen der eigenenoder fremden Verhandlungsmacht werden in Verhandlungenviele gute Gelegenheiten verpasst oder unnötige Nachteile fürden heiß ersehnten Abschluss in Kauf genommen.

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13Die sieben Phasen einer Verhandlung

Die Verhandlung lotet das Kräfteverhältnis der verschiedenenParteien aus. Der Verhandler ist daran interessiert, möglichst vielüber die objektive Situation und die jeweilige subjektive Einschät-zung herauszufinden. Dazu beginnt er einen Dialog mit der ande-ren Partei. Sein Ziel ist zwar, dass er seine eigenen Interessen soweit irgend möglich durchsetzt. Doch im großen Unterschied zumKampf soll eine Lösung gefunden werden, die auch von der ande-ren Partei akzeptiert wird. Verhandeln ist also geprägt vom Dialogund dem Interesse an der Sichtweise der anderen Partei. Wer ver-handeln will, muss in der Lage sein, vor allem geistige Flexibilitätzu zeigen. Durch sensibles Ausloten der wechselseitigen Verhand-lungsspielräume vermeidet man, sich unter Wert zu verkaufenoder sich zu überschätzen und interessante Angebote auszuschla-gen. Wer die Möglichkeiten des Dialogs mit der anderen Parteiausschöpft, setzt sich nicht nur bei der Verteilung der strittigenGüter besser durch, sondern erhöht gleichzeitig auch die Anzahlder erfolgreichen Verhandlungsabschlüsse. Die große Kunst beimVerhandeln ist, den Zustand der Spannung nicht nur zu ertragen,sondern in diesem Zustand auch noch eine besondere Leistungs-fähigkeit und Aufmerksamkeit zu erbringen. Durch Schulung undkontinuierliche Weiterbildung durchschauen Sie die entsprechen-den Verhandlungsmuster immer besser und entwickeln sichSchritt für Schritt zum „filmreifen“ Verhandlungsprofi.

Die sieben Phasen einer Verhandlung

In den letzten Jahrzehnten untersuchten Wissenschaftler dasThema Verhandeln sehr gründlich. Es wurden viele Experimentezum Entscheidungsverhalten in Verhandlungssituationen durchge-führt und verschiedenste Verhandlungskonstellationen simuliert.Aus diesen Experimenten ergab sich, dass der Ablauf einer Ver-handlung einem festen Muster folgt. Verhandeln nach Drehbuch er-läutert Ihnen dieses Muster. Auf dieses Wissen können Sie künftigbei der Vorbereitung von Verhandlungen, aber auch in kniffligenSituationen während der Verhandlung zurückgreifen. Wie mit ei-

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14 Einleitung

ner Landkarte können Sie Ihre aktuelle Position lokalisieren undentscheiden, was für Sie die beste Reaktion wäre. Wenn man dieseinnere Logik des Verhandelns einmal verstanden hat und künftig inVerhandlungen beherzigt, ist es einfach, den materiellen und emo-tionalen Verhandlungserfolg deutlich zu steigern.

Jede Verhandlung läuft in sieben Phasen ab:

1. Vorbereitung

2. Begrüßung

3. Informationsaustausch

4. Konzessionsphase oder Verhandeln im engeren Sinne

5. Einigung

6. Abschied

7. Nachbereitung

Jede dieser Phasen hat ihre eigenen Regeln und Gesetzmäßigkei-ten. Es ist deshalb sinnvoll, über jede Phase separat zu sprechen.In der Begrüßungssituation ist zum Beispiel ein ganz anderes Ver-halten gefordert als in der Informationsphase. In der Konzessions-phase werden sie mit ganz anderen Strategien Erfolg haben als inder Schlussphase der Verhandlung.

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15Die sieben Phasen einer Verhandlung

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Die sieben Phasen einer Verhandlung

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Hollywood zeigt, wie’s geht

Eine Szene aus dem Film Wall Street eignet sich besonders gut, diesieben Phasen mit einem anschaulichen Beispiel zu unterlegen.In wenigen Filmminuten können Sie alle sieben Phasen gewis-sermaßen im Schnelldurchlauf erleben. Das Ganze ist zwar miteiner kräftigen Dosis Hollywood aufgepeppt, doch gerade die iro-nische Überspitzung des Stoffs bringt so manches Kommunika-tionsmuster erst richtig auf den Punkt. Zudem machen geradedas außergewöhnliche Setting und der komprimierte Ablauf denhohen Erinnerungs- und Wiedererkennungswert der Szene aus.

Wall Street: „Anacott Steel“

Werfen Sie einen Blick auf die Szene „Anacott Steel“ aus WallStreet, dem Drama um den jungen Bud Fox und den cleveren, je-

Wall Street: „Anacott Steel“„’Wall Street‘ © 1987 Twentieth Century Fox. All rights reserved“

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17Hollywood zeigt, wie’s geht

doch gewissenlosen Finanzmagnaten Gordon Gekko. Eine kurzeBeschreibung des Films finden Sie auf Seite 231.

Bud Fox ist ein Aufsteiger aus dem Arbeitermilieu. Er hat ei-nen Job als Aktienbroker an der Wall Street ergattert und willganz nach oben. Der Börsenhai Gordon Gekko nutzt das gnaden-los für seine Zwecke aus. Er verwickelt Bud Stück für Stück inimmer riskantere Geschäfte.

Im Auftrag von Gordon hat Bud ausspioniert, dass GordonsKonkurrent Larry Wildman die marode Stahlfirma Anacott Steelaufkaufen will. Gordon kauft daher schnell ein größeres Aktien-paket und will es mit einem fetten Gewinn an Wildman weiter-verkaufen.

Die Szene spielt in Gordons mondänem Haus. Im Erdgeschoss isteine Party für Geschäftsfreunde im Gange. Plötzlich erhält Gordoneinen Anruf: Larry Wildman möchte kurzfristig mit ihm sprechen.

In der kurzen Vorbereitungszeit bis zu Larrys Eintreffen unter-nimmt Gordon äußerlich nicht allzu viel. Er stellt sich jedoch,wie sich später zeigen wird, mental auf die Verhandlung ein.Gordon macht sich Gedanken über seine Chancen, aber auchüber seine Risiken.

Larry Wildman kommt in Begleitung eines Beraters an. DieBegrüßung verläuft eher frostig. Gordon sorgt dafür, dass auchBud an der Verhandlung teilnimmt. Für die Verhandlung ziehtman sich in Gordons Arbeitszimmer zurück.

Larry braucht das Aktienpaket, um endlich mit der Sanierungvon Anacott Steel beginnen zu können. Erst versucht er Gordonins Gewissen zu reden, dass an der Sanierung viele Arbeitsplätzehängen, doch Gordon geht es nur um den Profit. Er hält LarrysAngebot für zu niedrig. Mit Hilfe von Bud und einer geschicktenDrohung, die Verhandlung scheitern zu lassen, gelingt es ihm,Larry um 10 Prozent heraufzuhandeln. Larry schlägt zwar aufden Deal ein, ist jedoch sehr verärgert. Er fühlt sich von Gordonüber den Tisch gezogen. Grußlos und hoch erhobenen Hauptesverlässt er den Raum. Gordon und Bud lassen in einer kurzenNachbesprechung die Verhandlung nochmals Revue passieren.

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18 Einleitung

Phase 1: Vorbereitung

Soweit die Szene aus dem Film Wall Street. In der Vorbereitunggeht es grundsätzlich darum, den Einstieg in die Verhandlung zufinden. Welche Informationen liegen vor? Welche Alternativengibt es grundsätzlich zu der bevorstehenden Verhandlung? Wiesieht wohl die andere Seite die Situation? Welche tieferen Motivekönnten hinter deren Verhalten stecken? Wie sieht es mit deremotionalen Distanz der Beteiligten zur Verhandlung aus?

In der Filmszene erfährt Gordon durch den Anruf, dass ihnLarry Wildman sprechen möchte. Larry Wildman hat es eilig – erwill etwas von ihm. Gordons Instinkt wittert die Verhandlungs-chance: So eine Möglichkeit lässt sich Gordon nicht entgehen. Zu-nächst sorgt Gordon dafür, dass er in der Verhandlung einen Part-ner hat, mit dem er sich die Bälle zuspielen kann. Deshalb bitteter Bud, bei der Besprechung dabei zu sein. Auf diese Weise hat erauch einen Zeugen für das Gespräch. Und ein Egomane wie Gor-don hat natürlich auch gerne etwas Hofstaat um sich herum.Außerdem arbeiten erfahrene Verhandler meist im Team. Gordonstimmt sich zudem innerlich positiv auf die Verhandlung ein –man spürt an seinen Bewegungen und dem Blitzen in seinen Au-gen, dass er sich auf den Schlagabtausch freut.

Dennoch ist sich Gordon bewusst, dass er Larry, der überweitaus größere finanzielle Ressourcen verfügt, mit dem heim-lichen Aufkauf eines Aktienpakets von Anacott Steel gereizt hat.Gordons objektive Verhandlungsmacht ist wegen seiner geringe-ren finanziellen Spielräume relativ begrenzt, doch er sieht die Sa-che nüchtern und gelassen. Außerdem verlässt er sich auf seinkommunikatives Geschick. Zu der Frage, ob es zwischen ihmund Larry außer den Interessengegensätzen auch noch Verbin-dendes gibt, macht er sich jedoch keine Gedanken.

Phase 2: Begrüßung

Larry Wildman kommt mit einem seiner Berater in das Haus vonGordon. Die beiden treffen jetzt auch physisch aufeinander. Wardie Vorbereitung eher eine intellektuelle Aufgabe, so setzt jetzt

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ein interessanter, oft unbewusster Prozess ein. Es lässt sich im-mer wieder beobachten, dass die Parteien, so gegensätzlich ihreInteressen auch sein mögen, im Laufe der Verhandlung emotio-nal doch zusammenwachsen. Dieser Vorgang läuft hauptsächlichnonverbal ab. Es geht um Fragen wie: Wer könnte die Führungin der neuen Gruppe übernehmen? Welche Spielregeln sollengelten? Das alles hat mit dem sachlichen Auftrag wenig zu tun.Doch Menschen, die in einem Raum zusammen sind, fangen un-willkürlich an, sich mit diesen Themen zu beschäftigen. Solangesich eine übergreifende Gruppenordnung nicht wenigstens sche-menhaft abzeichnet, sind letztendlich alle anderen Themen, vorallem die sachlichen, blockiert. Wenn diese Themen ungelöst aufdie Seite geschoben werden, müssen Sie sich darauf einstellen,dass diese sich im unpassendsten Moment in einer späteren Ver-handlungsphase wieder in den Vordergrund drängen und dannmeist eine eher destruktive Dynamik entfalten. So werden Ab-schlüsse verhindert, die rational für alle Beteiligten sinnvoll wä-ren.

Zur Begrüßung bietet Gordons Frau Larry einen Drink an undheißt ihn auf der Party willkommen. Doch Larry reagiert sehr zu-rückhaltend. Sein Mitarbeiter im Hintergrund bleibt ebenfallsrecht steif. Dann kommt Gordon dazu und begrüßt Larry mitübertriebener Höflichkeit. Larry reagiert darauf ebenfalls sehrfrostig. Kein üblicher Smalltalk, er will sofort zur Sache kommen.Larry erhebt unbewusst den Anspruch darauf, dass er in demoben beschriebenen Prozess der Gruppenbildung die Führungs-rolle übernimmt und die Spielregeln bestimmt. Gordon ist so cle-ver, sich diesem Führungsanspruch erst einmal zu beugen undLarrys Spielregeln – z. B. kein Smalltalk – zu akzeptieren, obwohles seinem eigenen Naturell nicht entspricht. Er führt Larry in seinvom Partybetrieb abgeschottetes Arbeitszimmer. Larrys neugieri-ger Blick auf den Waffenschrank im Büro gibt Gordon dann dochnoch Gelegenheit, seinem Bedürfnis nach einigen unverbind-lichen Worten zur Eröffnung zu frönen. Und Larry besitzt auchdie Größe, Gordon zu seinen Prachtstücken zu gratulieren. Larry

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fühlt sich ein wenig zu sicher. Der geschmeidige Wechsel vonGordon vom Party-Geplaudere zum verbindlichen Geschäftstonsollte ihn warnen, dass er es mit einem psychologisch geschicktenund auch sehr aufmerksamen Verhandler zu tun hat. Gordonwird nicht so schnell klein beigeben.

Phase 3: Informationsaustausch

Larry übernimmt wieder die Gesprächsführung. Er bringt dasThema Anacott Steel auf den Tisch. Gordon hat ein Aktienpaketdieses Unternehmens zusammengekauft. Larry braucht diesesdringend für eine Mehrheit im Gesellschaftergremium, denn nurdann kann er die notwendigen Sanierungsmaßnahmen beschlie-ßen. Jetzt muss der Preis ausgehandelt werden, zu dem Gordonseine Aktien an Larry verkauft. Es beginnt die Sondierung derLage. Gordon macht seine Sichtweise klar: Durch Larrys konti-nuierlichen Aufkauf von Firmenanteilen ist der Börsenkurs vonAnacott Steel gestiegen und damit auch der Wert von GordonsAktien. Da sein Paket für das Erlangen der Mehrheit notwendigist, hat Gordon einen Hebel, um für seine Aktien sogar nochdeutlich mehr als den Börsenkurs zu verlangen. Mit Geschäftendieser Art hat Gordon seinen Reichtum angehäuft. Larry verfolgtdagegen ein anderes Ziel: Er möchte die Firma sanieren, ummöglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Er kann es sich deshalbnicht leisten, allzu viel Geld für Gordons Aktienpaket auszuge-ben. An seiner emotionalen Ausdrucksweise, „es geht um Exis-tenzen und Jobs – drei bis vier Generationen von Stahlarbei-tern“, spürt man, dass Larry dieses Projekt tatsächlich sehr amHerzen liegt. Unter Verhandlungsaspekten schwächt ihn das je-doch eher, denn es fehlt ihm die notwendige innere Distanz zumVerhandlungsgegenstand. Vielleicht war es gar nicht so klug, dassLarry selbst die Verhandlung mit Gordon aufgenommen hat. Einneutraler Berater mit klaren Vorgaben wäre wahrscheinlich diebessere Wahl an der Verhandlungsfront gewesen.

Gordon hat auf den emotionalen Appell nicht reagiert und dieChance, mit Larry auf einer tieferen emotionalen Ebene in Kon-

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takt zu kommen, ungenutzt vorüberziehen lassen. In diesemMoment hätte er für ein „paar Dollar“ seine Beziehung zu Larrynachhaltig verbessern, ja vielleicht sogar auf eine freundschaftli-che Basis stellen können. Denn auf einen emotionalen Appelleinzugehen, muss nicht heißen, dass man wirtschaftlich unver-nünftig handelt. Ganz im Gegenteil, wer sich in seiner Emotiona-lität angenommen weiß, kann an anderer Stelle manchmal ganzunverhoffte Großzügigkeit zeigen. Mit Gordons Reaktion verpas-sen die Verhandlungsparteien Gordon – Larry übrigens die Ab-zweigung zu einer echten Win-Win-Lösung. Das zeigt sich auchgleich in der harten Reaktion von Larry, die jetzt folgt: Als Gor-don auf den emotionalen, konstruktiven Impuls nicht reagiert,schaltet Larry blitzartig um auf Härte. Er fährt jetzt schwere Ge-schütze auf, mit denen er Gordon in die Zange nehmen kann.Larry könnte das Projekt zum Beispiel ganz einfach abbrechen,dann würde Gordon auf seinen mit Krediten finanzierten Aktiensitzen bleiben und möglicherweise mit großen Verlusten verkau-fen müssen. Bei den riskanten Finanzkonstruktionen, die hinterden Geschäften stehen, wie sie Larry und Gordon betreiben,kann so etwas schnell zum völligen wirtschaftlichen Aus führen.

Die Phase 3 des Informationsaustauschs stellt ein Abtastendar; sie wird im realen Verhandlungsprozess oft übersehen undunterschätzt. Wer sich dagegen reichlich Zeit für das Auslotender Situation nimmt, geht mit soliden Voraussetzungen in diePhase der Konzessionen und Angebote.

Phase 4: Konzessionsphase oder Verhandeln im engeren Sinne

Jetzt wird es ernst. Angebote und Forderungen werden ausge-tauscht. Für die meisten Menschen ist es sehr wichtig, dass diesePhase ausführlich zelebriert wird. Sie sind enttäuscht und des-orientiert, wenn dafür nicht genug Zeit und Spielraum zur Verfü-gung steht. Oft wird sogar bewusst emotionaler Druck aufgebaut,um bei der anderen Seite die letzten Verhandlungsreserven he-rauszukitzeln. Die Konzessionsphase ist die große Zeit der klassi-schen „Verhandlungsspiele“, wie z. B. „Hoch eröffnen, langsam

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nachgeben“, „guter Polizist – böser Polizist“, und für Abbruchs-drohungen, wie z. B. dem „Walkout“, Fristen und Ultimaten.Diese Manöver werden im im Kapitel „Meisterklasse“ ausführlichvorgestellt.

Viele meinen, wenn sie von Verhandeln sprechen, nur dieseeine Phase, die man deshalb auch als das Verhandeln im engerenSinne bezeichnen kann. Doch Verhandlungen sind vielschichti-ger. Wie soll zum Beispiel eine vernünftige Strategie für das For-dern und Nachgeben festgelegt werden, wenn Sie sich nicht vorBeginn der Verhandlung sorgfältig mit Ihren eigenen Argumen-ten und der Lagebeurteilung durch die andere Partei auseinandergesetzt haben? Mindestens genauso gefährlich ist es, wenn imUnterbewusstsein persönliche Rivalitäten schlummern, die nurauf einen äußeren Anlass warten, um die Verhandlung aus derBahn zu werfen. Dieses Entgleisen nennt man landläufig den to-ten Punkt. Bei einer sorgfältigen Durchführung der früherenPhasen kommt es aber gar nicht so weit.

Nachdem die Fronten geklärt sind, macht Larry sein „offiziellesEröffnungsangebot“: 65 Dollar pro Aktie – mehr will er Gordonnicht bieten. Während Larry sofort mit seinem Angebot heraus-platzt, geht Gordon raffinierter vor: Er spielt den Ball zu Bud, demAktienanalysten, um durch diesen einen Gegenvorschlag einzu-führen. Er fragt: „Buddy, was wäre ein fairer Preis für die Aktie?“Geschickt nutzt Gordon hier Buds Expertenimage und -neutra-lität. Der Analyst Bud spielt seine Rolle sehr geschickt, denn ergibt nur eine vage Größenordnung von ungefähr 80 Dollar proAktie als Richtpreis an, sodass Gordon frei entscheiden kann, wieer das Spiel weiterspielen möchte. Gordon macht daraus sein offi-zielles Eröffnungsangebot von 72 Dollar pro Aktie, also etwa 10Prozent mehr, als Larry ursprünglich geboten hatte. Gordon hatseinen Experten selbst heruntergehandelt. Interessant: Gilt dochbeim Verhandeln die Regel, dass nie zwei Angebote unmittelbarin Folge abgegeben werden sollen. Warum macht Gordon das? Erweiß, dass das erste Angebot von Bud viel zu hoch gegriffen war.Er kommt Larry mit einer ersten, eher scheinbaren Konzession

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entgegen. Larry ist das immer noch viel zu hoch. Statt mit einerKonzession von seiner Seite auf den Pfad der wechselseitigen An-näherung einzuschwenken, geht er zum Angriff über. Für ihn be-nimmt sich Gordon wie ein kleiner Straßenräuber und Erpresser.Er zweifelt nicht daran, dass dieser sogar seine Mutter verkaufenund auch noch per Nachnahme verschicken würde. Hier könnteman sich leicht in eine wechselseitige Angriffs-Verteidigungsspi-rale hineinsteigern und auf einen toten Punkt zusteuern. DochGordon hat sich dafür viel zu sehr im Griff. Er nutzt die Emotio-nalisierung der Situation für das klassische Manöver des Walkouts(angedeutetes Verlassen der Verhandlung). Dieses Manöver segeltzwar unter der Flagge der Emotion, in Wirklichkeit ist es jedocheiskalte Berechnung. Er spielt den Entrüsteten und mimt den Ab-bruch der Verhandlung. Wohlgemerkt, er spricht nicht einmalkonkret aus, dass er abbrechen will, sondern verkündet nur, dasser eine Pause braucht, um sich zu beruhigen. Er fängt an, langsamaus dem Raum zu gehen. Die Wirkung auf Larry in seiner emotio-nalen Verstrickung mit dem Verhandlungsgegenstand ist verhee-rend: Die dringend gewünschte Einigung verschwindet vor seinenAugen aus dem Raum. Gordons Spiel mit der Androhung desWalkouts hat voll ins Schwarze getroffen. Larry knickt ein. DassGordon seine Entrüstung nur gespielt hat, erkennt der Zuschauervor allem daran, dass er sich nach Larrys Zugeständnis sofort wie-der reibungs- und emotionslos in das Verhandlungsgescheheneinklinkt. Festzuhalten bleibt, dass letztendlich beide mit demKern der Konzessionsphase, dem geschickten Nachgeben, so ihreSchwierigkeiten haben.

Phase 5: Einigung

Larry kapituliert und macht ein Angebot von 71 Dollar, also nurknapp unter den 72 Dollar, die Gordon in seiner Eröffnungsposi-tion gefordert hat. Gordon führt uns gleich noch ein weiteres sehrbeliebtes Verhandlungsspiel vor: das „Knabbern“. Er lässt Larrynicht den Triumph, sein Angebot von 71 Dollar einfach anzuneh-men. Er setzt eine Schlussforderung drauf: „71,50!“, die Larry ak-

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zeptiert, um dem Spiel ein Ende zu machen. In diesem letztenMoment hat Gordon die innere Distanz zum Geschehen verloren.An dieser Stelle noch eine Forderung zu stellen, ist ein Fehler. Dasletzte Zugeständnis sollte nie von der anderen Seite kommen; dasgibt nur böses Blut. Der, der als Letzter nachgibt, fühlt sich nor-malerweise emotional als der Verlierer. Wer das letzte Zugeständ-nis bekommt, und sei es auch noch so klein, fühlt sich emotionalals Sieger. Larry akzeptiert, doch er fühlt sich als Verlierer. Er, derüber eine Firma herrscht, die sechsmal so groß ist wie die vonGordon, hat sich persönlich auf den Weg in Gordons Haus ge-macht, um das Thema Anacott Steel aus der Welt zu schaffen. Dahat er sich wohl ganz andere Hoffungen über den Verlauf der Be-gegnung gemacht. Gordon persönlich aufzusuchen ist in seinenAugen sicher eine große Ehre für diesen. Dafür hatte Larry Aner-kennung und Respekt erwartet. Ja, vielleicht war dieses „Ent-gegenkommen“ sogar eine versteckte Einladung an Gordon gewe-sen, alte Zwistigkeiten zu begraben und künftig zum wechselseiti-gen Vorteil mehr zu kooperieren. Wenn das tatsächlich der Fallgewesen sein sollte, was wir allerdings im Film nicht explizit er-fahren, ist es nur verständlich, dass Larrys Enttäuschung überGordons Verhalten umso größer ist.

Für die Einigung ist es wichtig, dass beide Seiten freiwillig zu-stimmen. Allen anderen Varianten haftet ein Makel an. Ohne Frei-willigkeit ist die Verhandlung nämlich nicht einvernehmlich abge-schlossen. Dies zeigt sich bei Problemen, die später während derUmsetzung der Vereinbarung entstehen: vom eher harmlosenNachverhandeln bis hin zu fatalen Racheakten, wie man sie gegenSchluss des Films Wall Street erlebt. In diesem Fall haben wir danndas Terrain des Dialogs verlassen und sind auf dem Weg zumKampf. Kommt es dagegen zu einer wechselseitig freiwilligen Eini-gung, so erreicht das Zusammenwachsen der Parteien seinen Hö-hepunkt. Dieses beglückende emotionale Erlebnis ist es übrigens,das die enorme Faszination des Win-Win-Gedankens ausmacht.

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Phase 6: Abschied

Durch seinen beleidigten Abzug verhindert es Larry ganz be-wusst, dass höfliche Abschiedsrituale seiner Begegnung mit Gor-don im letzten Moment doch noch eine versöhnliche Note ge-ben. Denn es zählt immer der letzte emotionale Eindruck, denman von einer Begegnung mitnimmt. Unter normalen Umstän-den hätte Gordon also noch eine kleine Chance gehabt, Larrydurch eine Abschiedsgabe, und sei es nur ein versöhnlichesKompliment, doch noch ein gutes Gefühl zu geben. Doch Larryist so tief verärgert, dass er jegliche Möglichkeit für genau diesenAusgleich verhindert, indem er das Gespräch abrupt abbricht unddavonrauscht. Er konserviert gewissermaßen aktiv seine Wutund seine negativen Gefühle gegenüber Gordon. Solch ein Ver-halten sollte Gordon stutzig machen. Er und Larry werden sichauf dem Parkett der Investorenszene vermutlich noch oft begeg-nen. Da sollte man es sich genau überlegen, ob man sich solcheemotional gefärbten und damit unkalkulierbaren Feindschaftenleistet. Wenn da jemand ist, der noch eine derartige Rechnungoffen hat wie Larry mit Gordon, kann das schnell gefährlich wer-den. Landläufig spricht man in solchen Situationen manchmalvom „Rabattmarken kleben“: Rabattmarken, die dann später beieiner passenden Gelegenheit „eingelöst“ werden.

Phase 7: Nachbereitung

Nach dem überstürzten Aufbruch von Larry nimmt sich Gordon –bezogen auf die Dauer der ganzen Szene – relativ viel Zeit für seineNachbesprechung und Nachbereitung mit Bud. Die beiden rekapi-tulieren, was sich gerade abgespielt hat. Zunächst erklärt Gordon,warum er aus seiner Sicht so schnell nachgegeben hat: Liquidität.Larrys Firma ist sechsmal so groß wie seine; Larry hätte ihn tat-sächlich in den Ruin treiben können. Gordon bezieht sich auf dasobjektive Machtverhältnis, das in diesem speziellen Fall allen be-kannt war und von den beiden Kontrahenten auch ähnlich einge-schätzt wurde. Die beiden sind sich jedoch auch bewusst, dass esnoch andere Komponenten für den Verhandlungserfolg gibt. Der

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Einsatz der richtigen Strategie und Taktik ist wesentlich für denVerhandlungserfolg. Eine wertvolle Quelle für derartige Strategienfindet sich in dem zweieinhalbtausend Jahre alten chinesischenStrategieklassiker von Sun Tsu: Die Kunst des Krieges, den Bud zitiert:„… wenn dir der Feind überlegen ist, gehe ihm aus dem Weg, ister zornig, reize ihn; und wenn er ebenbürtig ist, kämpfe …“. Ge-rade daran haben sich Gordon und Bud gehalten: Larry war mitdem Projekt emotional so verknüpft, dass er nicht mehr aussteigenkonnte. Er gab damit ein dankbares Opfer für die Strategie ab, ihnzu reizen und weiter in die emotionale Verstrickung zu treiben.

Für Gordon und Bud ist Verhandeln eher eine elegante undressourcenschonende Form der Kriegsführung, ein Kämpfen imweiteren Sinne. Zum eigentlichen Potenzial des Verhandelns, demDialog mit der anderen Partei, dringen sie nicht vor. Die Zeit-bombe der tiefen Verärgerung Larrys, die sie durch ihr überzoge-nes Taktieren auf der Sachebene gelegt haben, fällt ihnen beidieser Art der Betrachtung gar nicht auf. Dennoch ist es bemer-kenswert, dass Gordon sich die Zeit nimmt und den jungen Budin die wichtigsten Elemente seiner Verhandlungsführung ein-weiht. Dadurch kann Bud seine eigenen Verhandlungsfähigkeitenverbessern. Gordon ist über das Interesse und das Engagementvon Bud begeistert: „Heyhey, er lernt dazu, Buddy lernt dazu ...“.Viele Verhandler sind bei der Weitergabe ihres Wissens nicht sogroßzügig.

Fazit zu „Anacott Steel“

Gordon hat clever verhandelt. Er hat sich im Griff, hat eine hoheinnere Distanz zum Verhandlungsgegenstand und beherrscht dieklassischen Manöver der Verhandlungskunst, wie die angedeu-tete Abbruchsdrohung, auch in der praktischen Umsetzung sehrgut. Doch bei einer differenzierteren Betrachtung macht auch erFehler und achtet vor allem nicht auf mögliche langfristige Schä-den, die durch seinen punktuellen Verhandlungserfolg entstehenkönnten. Larrys Verhandlungspotenzial kommt durch seine emo-tionale Beteiligung jedoch nicht so richtig zum Tragen. Er weiß

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zwar, dass seine objektive Verhandlungsmacht viel größer ist alsdie von Gordon, doch es fehlt ihm an innerer Distanz, um dieVerhandlung mit dem gewieften Taktiker Gordon professionelldurchzuziehen.

Die Analyse der Filmszene ermöglicht es – selbst bei einemkomprimierten Ablauf, wie er sich zwischen Gordon und Larryabspielt (das Ganze dauert im Film keine fünf Minuten) – dieStärken und Schwächen der Akteure genau herauszuarbeiten.Viele Verbesserungsvorschläge können daraus entwickelt wer-den. Genau diese Hinweise sind es, die zur nachhaltigen Verbes-serung der Verhandlungsfähigkeiten beitragen.

Konzept Verhandeln nach Drehbuch

In diesem einleitenden Kapitel haben Sie Larry und Gordon imSchnelldurchlauf bei der Verhandlung um das Aktienpaket derStahlfirma Anacott Steel begleitet und an diesem Beispiel die siebenPhasen einer Verhandlung in den Grundzügen kennen gelernt. Inden folgenden Kapiteln wird nun jede dieser Phasen im Detaildurchleuchtet. Welche Muster sind für sie typisch und welche Tech-niken werden von ausgebufften Verhandlern gerne angewendet?

Sie finden auch weiterhin passende Filmszenen, die Sie als Er-innerungsanker für die Chancen und Risiken der verschiedenenPhasen verwenden können. Sie werden auf Glanzlichter der Ver-handlungsführung genauso hingewiesen wie auf typische Fehler.Allein schon durch dieses Wissen lässt sich so manches Problemkünftig vermeiden. Aus den Filmszenen können Sie sich dannIhren persönlichen „Verhandlungsfilm“ zusammenstellen. Siekönnen sich so umfassend vorbereiten wie Erin Brockovich undunter den schwierigsten Umständen einen verbindlichen undverlässlichen Kontakt aufbauen. Sie können sich eine Blamageersparen, wie sie den teuren Nobelanwälten passiert, die gegenEnde des Prozesses Erin Brockovich in Spezialfragen des Um-weltrechts unterstützen. Sie können Informationen beschaffenwie Mr. Wolfe aus dem Kultfilm Pulp Fiction. Und wenn es um

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Angebote und Konzessionen geht, können Sie viel erfolgreicherIhre Ziele verfolgen als der junge Mr. Foil aus der Rechtsabtei-lung von PG&E.

Den Sack zumachen, das können die Figuren aus dem FilmWall Street. In Pulp Fiction weiß Mr. Wolfe, was eine gute Verab-schiedung ist. Nach Wall-Street-Deals wird fast schulmäßig Bilanzgezogen. Sie werden erfahren, was außer Schulterklopfen nochdazugehört, damit Sie in der nächsten Verhandlung Ihre Zielenoch besser erreichen. Außerdem wird an einigen Stellen auf ei-nen fiktiven Banküberfall zurückgegriffen, um weitere Aspektedes Verhandelns zu veranschaulichen. Anhand der Beispiele er-fahren Sie, welche grundlegenden Methoden und Verhaltenswei-sen notwendig sind, um „nach Drehbuch“ zu verhandeln!

Zusammenfassung

– Machen Sie sich mit dem Phasenkonzept vertraut,es ist der Schlüssel zur „Mechanik“ jeder Verhandlung.

– Achten Sie darauf, in welcher Phase der VerhandlungSie sich befinden.

– Stimmen Sie Ihr Verhalten auf diese Phase ab.

– Verlassen Sie eine Phase erst, wenn Sie das Zielder Phase erreicht haben.

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