10
Untersuchungen iiber die Giftwirkung von dalmatischem Insektenpulver auf die Larven von Corethra plumicornis. Von Friedrieh Kriiger. (dus dem Zoologischen Institut der Universitat Miinster i. W.) (Mit 3 Sbbildungen.) Die Kenntnis der physiologischen Wirkung der Stoffe, die zur Schadlingsbekampfung dienen, hat gleicherweise theoretisches, wit! auch praktisches Interesse. Eine ausfuhrliche Zusarnmenstellung unserer Kennt- nisse uber das dalrnatische Insektenpulver bringt die Arbeit von Sahling, die vor allem auch ein ausfuhrliches Literaturverzeichnis gibt. Die Anregung zu einer genaueren Untersuchung der physiologischen Wirkungen des Insektenpulvers verdanke ich Herrn Prof. Dr. Staudinger, Preiburg i. B., dem ich hierfiir zu besonderern Danke vsrpflichtet bin. Physiologische TJntersuchungen stoBen bei den Insekten wegen ihrer Kleinheit auf groBe Schwierigkeiten. Ich wahlte daher als Versuchstier die durchsichtigen Larven von Corethra plumicornis, die in einfachster Weise unter dem Mikroskop direkt die Funktion und Struktur aller Organe ohne besondere Praparation zu beobachten gestatten. Die Corethralarven stehen an geeigneten Fundplatzen eu allen Jahres- zeiten in geniigender Anzahl zur Verfiigung und diirften daher auch fur andere Untersuchungen von Bedeutung werden. Das Insektenpulver fur die Untersuchungen uberliel3 mir in dankens- werter Weise die Pirma Riedel, Berlin. Es war dieses ein sehr wirk- sames, dalmatiner Insektenpulver, das von ihr unter dem Namen ,,Pereat" in den Handel gebracht wird. Fiir die Versuche wurde eine geringe Menge dieses Pulvers auf ein kleines Schalchen mit Wasser, in dem sich die Larven befanden, gestreut und durch Umriihren verteilt. Unter der Einwirkung des Giftes wurden die Larven sofort unruhig und schon nach 1-2 Minuten setzten die Krampfe ein. Diese durch das Insektenpulver hervorgerufenen Krampfe luBern sich durch ungeordnete Zuckungen der einzelnen Muskeln. Die Tiere krummen

Untersuchungen über die Giftwirkung von dalmatischem Insektenpulver auf die Larven von Corethra plumicornis

Embed Size (px)

Citation preview

Untersuchungen iiber die Giftwirkung von dalmatischem Insektenpulver auf die Larven von Corethra plumicornis.

Von

Friedrieh Kriiger. (dus dem Zoologischen Institut der Universitat Miinster i . W.)

(Mit 3 Sbbildungen.)

Die Kenntnis der physiologischen Wirkung der Stoffe, die zur Schadlingsbekampfung dienen, hat gleicherweise theoretisches, wit! auch praktisches Interesse. Eine ausfuhrliche Zusarnmenstellung unserer Kennt- nisse uber das dalrnatische Insektenpulver bringt die Arbeit von Sahl ing, die vor allem auch ein ausfuhrliches Literaturverzeichnis gibt.

Die Anregung zu einer genaueren Untersuchung der physiologischen Wirkungen des Insektenpulvers verdanke ich Herrn Prof. Dr. S t aud inge r , Preiburg i. B., dem ich hierfiir zu besonderern Danke vsrpflichtet bin.

Physiologische TJntersuchungen stoBen bei den Insekten wegen ihrer Kleinheit auf groBe Schwierigkeiten. Ich wahlte daher als Versuchstier die durchsichtigen Larven von Corethra plumicornis, die in einfachster Weise unter dem Mikroskop direkt die Funktion und Struktur aller Organe ohne besondere Praparation zu beobachten gestatten.

Die Corethralarven stehen an geeigneten Fundplatzen eu allen Jahres- zeiten in geniigender Anzahl zur Verfiigung und diirften daher auch fur andere Untersuchungen von Bedeutung werden.

Das Insektenpulver fur die Untersuchungen uberliel3 mir in dankens- werter Weise die Pirma Riede l , Berlin. Es war dieses ein sehr wirk- sames, dalmatiner Insektenpulver, das von ihr unter dem Namen ,,Pereat" in den Handel gebracht wird.

Fiir die Versuche wurde eine geringe Menge dieses Pulvers auf ein kleines Schalchen mit Wasser, in dem sich die Larven befanden, gestreut und durch Umriihren verteilt. Unter der Einwirkung des Giftes wurden die Larven sofort unruhig und schon nach 1-2 Minuten setzten die Krampfe ein.

Diese durch das Insektenpulver hervorgerufenen Krampfe luBern sich durch ungeordnete Zuckungen der einzelnen Muskeln. Die Tiere krummen

Kriiger : Untersuchungen uhcr die Gift-rirkung yon dalmatischem Insektenpulver USIF. 345

sich unter ihrem Einflusse sekundenlang ring- oder ,,S" formig zusammen. Besonders heftig sind die Kriimpfe wahrend der ersteo Stunde, in der die Tiere fast ununterbrochen zusammenzucken. Nach Ablauf etwa einer Stunde werden sie ruhiger und die Zuckungen treten nicht mehr in der ununtcrbrochenen Polge auf. In den spiiteren Phasen beobachtet man vor alleni Zuckungen des Ropf- tind Schwanzendes der Tiere.

WBhrend der Ruhepausen zwischen den Krampfanfiillen verraten die immer noch standig bewegten Mandibeln die Wirkung des Giftes. Jede Beruhrung der Tiere in diesem Stadium hat ein erneutes Einsetzen der starken Krampfe der ganzen Muskulatur zur Polge.

Die heftigen Kriimmungen wahrend der Krampfe stellen anscheinend den Beginn der normalen Schnellbewegungen dar, deren die Larven sich zn ihrer Portbewegung bedienen, nu r fallen unter der Einwirkung des Giftes die normalerweise anschliellenden Entspannungen der Muskeln fort. Diese bleiben auf jeden Reiz hin unnormal lange kontrahiert. Es ahnelt also die Wirkung des Insektenpulvers auf die Insekten der Wirkung des Strichnins auf die Wirbeltiere. Erstaunlich ist, wie lange die Corethra- larven die Krampfe ertragen konnen. Sie sterben erst nach mehreren Tagen, wenn sie ihr ganzes Aussehen vollkommen geandert haben. Ob allerdings die Wirkung des Insektenpulvers die Tiere totet oder ob die Saprolegnien, die sich meist nach dieser Zeit der kranken Tiere be- machtigeu, die Larven sterben lassen, ist fraglich.

Eontrolltiere, die unter gleichen Verhaltnissen gezuc htetwurden - je- doch ohne Zusatz von Insektenpulver - zeipten keinerlei Veranderungen. Es ermiesen sich die Corethralarven auch unter den ungiinstigen Ver- suchsbedingungen sehr widerstandsfahig. Sie verpuppten sich in den Kon- trollen und entwickelten sich zu normalen Imagines.

An den Versuchstieren in den Insektenpulveraufschwemmungen fallt nach eintagiger Einwirkung auf, daB sie vollkommen kollabiert sind. Die normalerweise glasklaren und prallen Tiere schrumpfen zusammen, werden plump und schlaff und verlieren ihre Durchsichtigkeit.

Eine Corethralarve z. B., die vor der Einwirkung des Insektenpulvers 11 mm Iang war, ma13 nach eintagiger Einwirkung des Giftes nur noch 6 mm. 3ie war also fast auf die Halfte ihrer urspriinglichen Korperlange zusammengeschrumpf t.

Sehr charakteristisch fur die Einwirkung des Insektenpulvers ist ferner noch, daB nach einiger Zeit die Tiere an der Oberflache des Wassers hangen, wobei ihr Panzer teilweise vom Wasser nnbedeckt bleibt.

Wer die auBerordentliche Widerstandsfahigkeit der Insekten gegen die Einwirkung von allen moglichen Chemikalien kennt, wird erstaunt sein, da13 das Insektenpulver schon nach wenigen Minuten seine Wirksamkeit geltend macht. Eine Losung von Ather in Wasser z. B. narkotisiert die Corethralarven erst etna nach einer Viertelstunde; iihnlicher GroBenordnung ist die Einwirkungsdauer fur andere Giftstoffe. Curarelosungen erwiesen

316 K r u g e r :

sich sogar als vollkommen unscbadlich. Die auflerordentlich schnelle Wirksamkeit des Insektenpulvers machte daher quantitative Untersuchungen uber die Abhangigkeit von der Eonzentration wiinschenswert.

Da das Insektenpulver in Wasser unloslich ist, stellte ich durch heftiges Schutteln Suspensionen von genau bekanntem Gehalt her. Als Stammlosung benutzte ich eine Suspension mit 0,1 O/" Gehalt. Von dieser ausgehend stellte ich eine Verdunnungsreihe her, deren Stufen jedesmal um das zehnfache der vorhergehenden Stufe verdunnt waren. Dann brachte ich in diese Losungen die Versuchstiere und kontrollierte die Zeit bis zurn Beginn der Kriimpfe.

Nachfolgend die Ergebnisse eines solchen Versuches. Es wurden 0,0144 g Insektenpulver in 14,4 ccm Wasser suspendiert, es kamen in dieser Stammlosung also 1000 g Wasser auf 1 g Insektenpulver.

Gehalt an Insektenpulver 1: lo00 zeigt nach 1 Minute Beginn der Krampfe 1: 10000 .. ,, 1 ,. 11 11

1 : 100000 ,, ., 2 ,, 1. 1% 11

1 : 1000000 ,. 1, 2 ,> 1. ., 71

1 : 10000000 ,, .l 2 Tagen Krampfe 1 : 100 000 000 ,, ,, auch nach mehreren Tagen keine Krarnpfe

Die Grenzkonzentration, bei der in diesem Versuche die Krampfe mit Sicherheit noch einsetzten, lag also bei 1 : 1000 000. Doch scheint dieser Wert nicht konstant zu sein; es wurde in anderen Fallen die Grenzkonzentration bei 1 : 3 00 000 gefunden. Geringere Werte beobachtete ich in meinen Versuchen niemals.

Bei allen diesen Zahlen ist aber zu bedenken, da13 das Insektenpulver nicht die rein wirksame Substanz ist, sondern das in ihm enthaltene Pyrethrin fur die Giftwirkung verantwortlich zu machen ist. Das In- sektenpulver enthalt nach den Untersuchungen von S taud inge r und H a r d e r im allergunstigsten Falle nur 0,5 */,, dieses Giftes. Das reine Pyrethrin, falls es der alleinige Trager der Giftwirkung ist, wurde nach diesen Angaben noch in der Verdunnung 1 : 10 000 000 bezw. in anderen Fallen 1 : 100 000 000 wirksam sein. Es wurde somit zu den giftigsten Stoffen g6horen, die wir uberhaupt kennen.

DaB die Zeit bis zum Einsetzen der Krampfe fur die verschiedenen Konzentrationen keine Unterschiede zeigt, bangt wohl mit der minimalen Lijslichkeit des Pyrethrins in Wasser zusamrnen. Auch beim Vorhanden- sein von sehr wenig Insektenpulver wird das Pyrethrin immer noch in gesattigter Losung oorliegen. Andererseits wird auch bei der Anwesen- heit von sehr vie1 Insektenpulver das Wasser keine groBeren Mengen dieses Giftes losen.

S t aud inge r gibt zwar an, daB das Pyrethrin in Wasser vollkommen unloslich ist. Da das Pyrethrin noch in unwagbar kleinen Dosen sich im Tierversuch als wirksatn erweist, wird man nicht erstaunt sein, auf

Untersuchungen iiber die Giftwirkung von dalinatiscliern Insekteoputver usw. 3.47

diesem Wege seine Wasserloslichkeit feststellen zu konnen. Urn eine, auch noch so geringe Loslichkeit dieses Giftes zu zeigen. filtrierte ich zweimal sorgfPltig eine Suspension von Insektenpulver. Das Filtrat er- wies sich einwandfrei als wirksuni. I n welchen Mengen das Pyrethrin ge- lost wird, vermag ich durch diesen Versuch nicht zn zeigen, da bei ab- nehmender Konzentration des Insektenpulvers nur sehr geringe Unter- schiede i n der Zeit bis zum Wirksamwerden beobachtet wurden.

Es steht natiirlich noch die Moglichkeit offen, daR wir es nicht mit einer eigentlichen Losung zu tun haben, sondcrn daIS geringe Mengen des Gjftes in kolloidaler Form das Filter passiert haben.

Es interessierte mich jetzt noch die E’rage, ob die mit dem Insekten- pulver vergifteten Corethralarven die Schadigungen durch das Pyrethrin iiberwinden konnen, wenn sie in reines Wasser zuruckgebracht werden. Zu diesem Zweck wurden die Tiere nach verschieden langeni Aufenthtrlt i n den Giftlosungen sorgfaltig in mehrfach gewechseltem Wasser gewaschen und in reinem Wasser gehalten. Die Moglichkeit, die Wirkune des Insektenpulvers zu uberwinden, ist abhangig von der Einwirkungsdauer des Giftes. Tiere, die bis zu etwa einer Stunde in den Insektenpulver- suspensionen verweilt hatten. erholten sich bis zum nacbsten Tage. Tiere, die aber langer dem Gifte ausgesetzt worden waren, zeigten aiich noch nach drei Tagen die typischen Hrampfe. Eine Wiederherstelluog scheint in diesem Falle nicht mehr miiglich zu sein.

Nach diesen orientierenden Versuchen legte ich das Hauptgewicht au f die Untersochungen der morpbologischen und physiologischen Ver- anderungen, die wir unter dem EinfluB dieses Giftes beobachten konnen.

Die ununterbrochenen Krampfe der Tiere legten die Frage nahe, ob wir es hier mit einer spezifischen Wirkung des Giftes auf die kontraktilen Elemente zu tun haben, oder ob sich die Wirksamkeit des Pyrethrins auf bestimmte Teile der Muskulatur beschrankt.

Eine Entscheidung hieruber vermag die Beobachtung des H e r z e n s und s e i n e r P u n k t i o n zu geben. Das Herz ist am Biicken der durch- sichtigen Larve sehr leicht zu beobachten. Bei normalen Kontrolltieren beobachtete ich etwa 21-24 Kontraktionen in der Minute. Die gleichen Werte ergaben vergiftete Tiere noch eine Stunde nach dem Beginn der Krampfe. Erst am nachsten Tage zeigte sich eine Herahsetsung der Fre- quenz auf 15 Kontraktionen in der Minute. Nach mebreren Tagen zablte ich allerdings nur noch 4-6 Schlage in der Minute.

Diese Zahlen sind natiirlich nicht absolut zu nehmen, da sich die einzelnen Individuen sehr vei schieden verhalten. Stets aber nimmt die Hewfrequenz mit der Einwirkungsdauer des Giftes ab. Trotzdem mochte icb annehmen, dafl wir es bier mit einer indirekten Wirkung des Insekten- pulvers zu tun haben. Es scbeiiit mir, als ob die Verlangsamung der Pulsationen im Zusammenhang steht mit der starken Schwachnng, die das

2. anK. Ent. Bd. XVIIT Heft 2. 23

34s Kriiger :

Tier durch die Kriimpfe erfahrt. Xoglichermeise spielt auch der Turgor- verlust der rergifteten Tiere bei dieser Herabsetzung der Herzfrequenz eine Kolle.

Da bei den Insekten das Blut - genauer daher auch die Hamo- lymphe - nicht die Aufgabe des Sauerstofftransportes hat, spielt das Herz bei ihnen eine weniger bedeutungsvolle Rolle, als bei den 'iiirbeltieren. Es miire daher auch unwahrscheinlich, daB eine Liihmung der Herztatig- keit als die ausschlaggebende Wirkung des Insektenpulvers angesprochen werden kann.

Auch der Darm und s e i n e Anhangsdrusen , insbesondere die Malpighischen Gefllle zeigen selbst in den schwersten Vergiftungsfiillen, wenn die Tiere schon ganz zusammengeschrumpft sind, noch immer ein ganz normales Aussehen. Vielleicht ist die Peristaltik des Darmes ein wenig verstarkt. Da diese aber auch bei normalen Tieren sehr unregel- rniiBig ist, 1aBt sich daruber nichts Genaueres sagen.

Jedenfalls zeigte die normale Beweglichkeit von Herz und Darm, daB die Organ-Nuskulatur vom Pyrethrin nicht beeinflufit vrird.

Nennenswerte Veranderungen zeigen aber die drei, jetzt noch zu be- sprechenden Organsysteme: Haut, Muskulatur und Nervensystem.

Die H a u t zeigt allerdings morphologisch sichtbare Veranderungen erst, wenn das Insektenpulver etwa einen Tag lang eingewirkt hat. Nor- malerweise hat die Haut der Corethralarve ein gleichniaBig klares Bus- sehen. Nach etwa eintiigiger Einwirkung des Insektenpiilvers aber sehen die Tiere scheckig aus. Bei stlrkerer VergroBerung erkennt man, daB die Hypodermiszellen, die in dunner Lage unter dem Chitinpanzer liegen, sich an den dunkler erscheinenden Stellen vom Chitin abgelost haben. An anderen Stellen sind sogar Vaknolen in den Hypodermiszellen aufgetreten oder diese haben sich abgerundet und voneinander getrennt. I m letzteren Falle findet man dann einzelne dieser abgelosten Zellen frei in der Leibesbohle schwimmend.

Nine Schadigung der Haut durch das Insektenpulver war eigentlich vorauszusehen. Die Corethralarven bieten namlich einem Gifte nur zwei physiologisch verschiedene Zuqange : den Darln und die Korperoberflache. Das Tracheensystem ist bei diesen Larven noch nicht in Funktion ge- treten und geschlossen, so d& w i r es bei der Frage nach der Eintritt- stelle des Giftes vernachlassigen konnen. Es liegt natiirlich in dieser Ausschaltung des Tracheensystems ein wesentficher Vorteil fiir unsere Untersuchungcn, da wir es nicht zu beriicksichtigen brauchen.

Tom Darme aas konnte das Insektenpulver nur wirksam werden, wenn in der kurzen Zeit von zwei Minuten, die zur Einwirkung des Giftes notwendig sind, nachweisbare Mengen von Wasser in den Darm aufgenommen wurden. Um iiber diese Voraussetzung Klarheit zu ge- winnen, brachte ich die Larven in Wasser, das mit Tusche versetzt war.

l’ntersachungen uber die Giftwirkung von dalinatischern Insektenpulver usw. 3-49

S u r in einzelnen Fallen und nach langeni Aufentbalt in der Tuschelhsuug konnte die Tusclie im Darm nachgewiesen werden. Wir diirfen daher mit grol3er Wahrscheinlichkeit die Darmoberflacbe bei unseren Unter- suchungen als unbeteiligt an der Vergiftung betrachteo.

So hleibt also nur die Korperoberflache als der Angriffspuukt fur die Wirksamkeit des Insektenpulvers ubrig. Mit dieser Annahme ver- tragen sich dauu auch sehr gut die direkt beobachteten Schadigungen der Hypodermiszellen. DaI3 die Einwirkung des Insektenpulvers erst nach verhaltnismallig langer Zeit an den Hypodermiszellen morphologisch er- kennbar wird, spricht nicht gegen diese Ansicht; denn bei der au5er- ordentlichen Starke dieses Gittes kijnnen geniigende Mengen davon durch die Hypodermiszellen in den Korper eindringen, ehe die Veranderungen einen so starken Grad erreicht haben, wie ich ihn oben schilderte. SchlieIjlich spricht ja auch noch fur eine Schadigung der Haut der Turgor- verlust, den wir an den Tieren in der Giftmirkung beobachten. Es scheint die Kiirperhijhlenfliissigkeit durch die geschadigte Hypodermis austreten zu kljnnen.

Nun stunde zmar nichts im Wege, letztere Erscheinungen auch durch eine Permeabilitatsverminderung der Darmwand zu erklaren. Da wir aber an dieser - im Gegensatz zur Haut - auch bei starkster und tagelanger Giftwirkung keine Veranderungen sehen, liegt es wohl naher, die Haut dafur verantwortlich zu machen.

Im Gegensatz zur Haut, die erst verhaltnismaljig spat morphologisch verandert scheint, sehen wir in der que rges t r e i f t en Korpe rmusku la tu r schon eine Viertelstuade nach dem Einsetzcn in die Insektenpulver- aufschwetnmung Vakuolen auftreten. Zunachst sieht man diese im Sarko- plasma, spater treten sie auch am Rande des Muskelfasernbiindels auf. Auch Spalten beobachtet man in den ersten Stunden der Krampfe. Sie gehen aber am nachster Tage meist wieder verloren, sind also wenigstens teilweise durch die Uboraostrengung der Muskeln durch die andauernden Krampfe bedingt.

Unter dem EinfluB des Turgorverlustes der Tiere verlieren die Muskeln ihre normale Spannung. In den mit Insektenpulver vergifteten, kollabierten Tieren sehen wir daher, da13 die Xusheln ihre glatten Konturen verloreu haben und dicker und wellig begrenzt erscheinen.

Dieses gilt in ahnlicher Weise vom N e r v e n s y s t e m der Corethra- larven. Dieses beansprucht unser besonderes Interesse. Wie schon die Vergiftungssymptome zeigen und wie daher schon verschiedentlich ver- mutet murde, sind die Nerven der eigentliche Angriffspunkt des Insekten- pu I vers.

An den Corethralarven ist das Bauchmark sehr leicht zu beobachten, wenn man sie auf dem Objekttrager auf den Rucken legt. Es erscheint am Bauche der Tiere als zwei durchsichtige Nervenstrange, die in jedem Segment durch ein Ganglion verbunden sind. Ton diesen Ganglien, in

23 *

350 K r u g e r :

denen auch die Nerveuzellen gelagert siud, zweigen die Kerven ab, die die Muskulatur und die Sinnesorgane versorgen.

Nach langer andauernder Einwirkung des Insektenpulvers erscheint das Bauchmark - abgesehen von der durch den Turgorverlust bedingten Wellung seiner Konturen - schon bei schwachen Vergr6Berungen trube. Sttirkere VergroBerungen zeigen, daB sowoh1 in den Ganglien, wie auch in den Nervenstrangen unter der Einwirkung des Insektenpulvers un- gezahlte Vakuolen aufgetreten sind. Besondors auffallend sind sie in den Ganglien, in denen sie hlufig so gedraiigt liegen, daB sie ihnen ein schaumiges Aussehen geben. Auch in den Nerven, die vom Bauchmark abzweigen, liegen Vakuolen. Beinerkenswerterweise sind die Vakuolen bautig symmetrisch in den Nervenstrangen angeordnet.

Die Vakuolenbildung i n den Nerven kann man auch direkt unter dem Mikroskop verfolgen. Die Bildung der Vakuolen fallt nicht mit den1 Auftreten der Krampfe zusammen. Erst etwa 10-20 Minuten nach dern Beginn der Krampfe sieht man die ersten Vakuolen. Immerhin mu13 man beriicksichtigen, da13 das Auftreten snlch offensichtlicher Schadigungen schon eine weitgehende Degeneration bedeutet und daB ohne Zweifel die ersten Anfange zur Vakuolenbildung sehr viel weiter zuruokliegen mussen.

Auch in sehr verdunnten Losungen des Insektenpulvers, deren Eon- zentratiou an der Grenze der Wirksamkeit lag, konnte icb trotz der typischen Krampfe auch nach tagelanger Einwirkung keine Vakuolen finden. I n allen starkeren Losungen sah ich aber ausnahmslos Vakuolen auftreten.

Die Lage der Vakuolen in den Bauchmarkstrangen, die ja frei von Ganglienzellen sind, zeigt, daB sie i n den Nervenfasern liegen und nicht an die Nervenzellen gebunden sind. Dieser Befund wurde bestatigt durch die Untersuchung von Mikrotomschnitten. Die Abbildung 1 zeigt einen Langs- schnitt durch ein nnrmales Bauchganglion, die Abbildung 2 einen solchen nach rnehrstundiger Ein wirkung des Insektenpulvers. Die Vakuolen sind in der Nervenfasermasse des letzteren ohne weiteres auffallend. Die Nervenzellea selbst zeigen weder am lebenden Tier noch in den Schnitt- praparaten irgendwelche Veranderungen. An welcher Stelle der Nerveu- fasern, ob in diesen selbst oder in ihren Hulsen, die Vakuolen liegen, konnte ich nicht erkennen.

Fur praktische Zwecke ist ubrigens die Untersuchung von Schnitt- praparaten iiberflussig, da die Vakuolen am lebenden Tier sehr viel schneller und mit viel grol3erer Sicherheit gefunden werden konnen.

Es bleibt noch die Frage zu eriirtern, ob nicht etwa die Valiuolen durch eine indirekte Einwirkung hervorgerufen werden. Als eine solche wiirde ich z. B. eine iibermaige Saureproduktion der durch die Krampfe uberanstrengten Muskeln ansehen. Hiergegen spricht zunachst, da13 ich bei minimalen Insektenpulverkonzentrationen tagelang Krampfe beobachtete. ohne daB Vakuolen gebildet wurden.

Gntersuchungen uber die Giftwirkung vou dalmatiscbem Insaktenpulver USW. 35 I

Es wurde auch der entgegengesetzte Versuch gemacht, nach Aus- schaltung der Krampfe das Insektenpulver zur Wirkung zu bringen. Curarelosungen erwiesen sich leider als unwirksam. Dagegen war es moglich, mit Hilfe von Atherwasser die Tiere zu betauben und durch die Narkose die Krampfe zu mterdrucken. Nach der Betiiubung mit diesem Mittel wurde dem Ltherwasser Insektenpulver zugesetzt. Die Tiere lagen trots der Einwirkung des Giftes vollkommen ruhig, niir Herz und Darm zeigteu schwache Tatigkeit.

Trotz der fehlenden Krarnpfe liel3en sich auch jetzt wieder nach Ab- lauf einer Stunde die Vakuolen in den Nerven beobachten. Kontrolltiere, die die gleiche Zeit in reinem Atherwasser gelegen hatten, wiesen keine einzige Vakuols auf. Der Ausfall dieses Versuches spricht sehr dafur,

Abb. 1. L2ngsschnitt dnrch ein normales Abb. 2. Ihgsschnitt durch ein Benchganglinn von Corethra mit Vakunlenbildang infolqe starker

lnsektenpulverwirkuns. Bauchgangllon von Corethra

daO wir es in der Vakuolenbildung mit einer direkten Wirkung des In- sektenpulvergiftes auf die Nerven zu tun haben.

Die besondere Wi rksamke i t d e s Insek tenpu lve rg i f t e s di i r fen wir dahe r wohl ube rhaup t i n der spez i f i schen Wi rkung auf d a s Nervensystern d e r Insek ten sehen.

Zur Erganzung meiner Erfabrungen uber die Einwirkung des In- sektenpulvers an den Corethralarven machte ich noch einige Versuche mit anderen Insekten. Mit Ausnahme der Stabheuschrecken erwiesen sich alle Insekten als sehr empfindlich gegen dieses Gift. Schaben USW.

verfielen nach wenigen Minuten in die charakteristischen Krampfe. Nur an den Stabhehschrecken konnte ich selbst nach dreitiigigem Aufenthalt im Insektenpulver mit Sicherheit keine Vergiftungserscheinungen feststellen.

Die Untersuchungen an den Landinsekten stoljen dadurch auf gro5e Schwierigkeiten, da13 eine Beobachtung der Organfunktion bei ihnen schwierig ist. Bei Ilehlkafern gelang es mir nach Entfernung der Pliigel durch die durchschimrnernde Riickenhaut das Here zu beobachten und auch an diesem Objekt zu bestatigen, da5 das Insektenpulver keine Ein- wirkung auf die Tatigkeit des Insektenherzens hat.

Die fur die Corethralarven so charakteristischen Vakuolen im Nerven- system konnte ich am Mehlkafer nicht wiederfinden. Zum Zweck der

352 Kruger :

Untersuchung praparierte icli das Rauchmark unter absolutem Alkohol aus den vergifteten Tieren heraus, fiirbte es und schloS es in Kanada- balsam ein. lloglichermeise sind aber bei diesem, mit einem harten Panzer versehenen Insekt die eintretenden Giftmengen so gering, dali sie nicht imstande sind, grobere Veranderungen am Nervensystem hervor- zurufen. Auch bei f‘owlhra fanden wir ja ein Pehlen der Vakuolenbildiing in schwachen Insektenpulversuspensiooen.

Bei den Landinsekten steht wohl immer noch die Frage offen, an welcher Stelle das Insektenpulver eindringt. Es wird vielfach angenonimen, daB die Tiere das Insektenpulver mit dem Munde beruhren miissen, damit es wirksam wird. Nach meinen F’rfahrungen trifft dieses fur den Nehl- kafer nicht zu.

Ich spannte den Hals eines l\iIeh!kiifers ganz eng in eine Gummi- membran, die von einem chirurgischen Fingerling herstammte, so ein, wie

es die Abbildung 3 zeigt. Die Gunimi- membran mit dem Kafer spannten ich uber die offnung eines Glas- rohrchens und hatte nun die Mog- lichkeit, streng getrennt auf Ropf oder Rumpf das Gift einwirken zu lassen. Ganz eindeutig lieBen diese Versuche

Abb. -1. T-orricIitung Z ~ I lokalisierten Einwirkunq rrkennen , da13 beim Bestreuen des

Krampfe in der normaleu Zeit - nach wenigen Minuten - einsetzten, mahrend ein Bestreuen des Kopfes erst nach vielen Stunden wirksam war.

Offen steht naturlich noch immer die Frage, ob das Insektenpulver auf Landinsekten direkt durch die Kiirperhaut oder auf dem Wege durch die Tracheen wirksam wird. Es sind verschiedene Grunde, die mir letztere Annahme unwahrscheinlich erscheinen lassen. Erstens zeigen meintt Be- funde an der Corethralarve, daB das Vorhandensein offener Tracheen fur die Giftwirkung nioht erforderlich ist. Zwejtens wirken Insektenpulver- suspensionen auch auf Wasserkafer und in diesem Falle ist es scbwer verstandlich, auf welchem Wege das Pulrer unter Wasser in die Tracheen eindringen 5011. Es mu13 also durch den Panzer der Kafer wirken. Drittens ist es auch kaum moglich, da13 bei den komplizierten VerschluBeinrichtungen der Tracheen uberhaupt irgend welche Partikel in diese eindringen konnen, und viertens wurden wir auch wenig gewonnen haben, wenn uns der Xachweis yon Insektenpulver in den Tracheengangen gluckt : sind doch diese mit demselben Chitinuberzug versehen wie die Korperoberflliche.

Nach den Ergebnissen meiner Versuche vermute ich eher, daB die minimalen Dosen, die zur Vergiftung notig sind, auch durcli die diinneu Stellen der Korperhaut an den Gelenkhauten eindringen konnen.

des Insektenpulvers anf den Kopf oder don Rumpf. Rumpfes mlt dem Giftpulver die

1-utersuchungen iiber die Giftwirkung yon dalmatischerii Insektenpulver usm. 353

Zusammenfassung. Es wird die Einwirkung von Insektenpulversuspensionen auf die Or-

gane der durchsichtigen Corethralarven an lebenden Tieren untersucht. Es lassen sich rnorphologische Veriinderungen an der Hypodermis, den Xuskeln und den Nervenfasern beobachten. Die Schadigung des Nerven- systeuis darf als der wesentlicbe P u n k t der 1nsektenpiilveru.irkung an- gesehen werden.

Literatur. S a h l i n g , Th. , Uber das wirlisarne Prinzip von Pyrethrurninsektenpulvern uod eine neue

(Hierin ein ausfiihrliches Literatur-

S t a u d i n g e r und R u z i c k a : Uber Isolierung und Eonstitution des wirksamen Teils des

S t a u d i o g e r und H a r d e r . Insektentotende Stoffe. 12. Mitteilung. Ober die Gehalts-

biologische Methodik ihrer Vertbestimmung. verzeichnis.) Zeitschr. f. Desinfektion u. Gesundheitswesen. 1928.

dalrnatischen Insektenpulvers.

bestimmung des Jnsektenpulvers.

Helretica Chimica Acta Bd. VII.

Ann. Acad. Sc. Fennicae. Ser. A. Bd. 18.