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vii Aus dem Pharmakologisehen Institut und der Universit~ts-Nervenklinik in Wien. Uber psychisehe Beeinflussung der T~tigkeit des Hypophysenhinterlappens, YOn H. ttoff und P. Wermer. (lgit 1 Kurve. ) (Eingegangen am 22. III. 1928.) In der vorhergehenden Arbeit konnte gezeigt werden, da6 nach einer EinverMbung yon Diureticis beim Nensehen und beim Hunde eine wesentliche Vermehrung des Hypophysenhinterlappensekretes im Liquor der Cisterna cerebello-medul!aris zu linden ist (1). Wir haben diese Pituitrinvermehrung darauf bezogen, da~ dureh die Diurese die- jenigen sekretorisehen Impulse, die die Hypophyse physiologischerweise yon den vegetativen Zentren des Zwisehenhirnes auf dem Wege des Tractus suPraopticohypophyseus empf~ngt, betr~ehtlieh verst~rkt wer- den. Wir konnten somit auf experimentellem Wege den Naehweis er-" bringen, dal~ die T~tigkeit der ttypophyse in der gMehen Weise, wie dies vom Inselapparat des Pankreas und yon den 3Iebennieren bekannt ist, dureh nervSse Einfltisse gelenkt wird; dadureh wird die Hypo- physe ebenso wie die anderen endokrinen Drtisen nielat nut dauernd zur gMchm~Ngen Sekretion angeregt, sondern es kann aueh unter Umstanden sogleieh eine verst~rkte Aussehwemmung yon Hormon be- wirkt werden. Bekanntlieh wird die Ausschiittung des Adrenalins dureh eine grol3e Reihe yon Giften, dutch Erregung des sympatNsehen Nervensystems, abet aueh dureh psyehisehe Einfltisse gesteigert (Cannon und de la Paz 2). Es war somit naheliegend zu untersuchen, ob far die Hyp0- Archiv f. experiment;. Path. u. Pharmakol. rid. 133. 7

Über psychische Beeinflussung der Tätigkeit des Hypophysenhinterlappens

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Page 1: Über psychische Beeinflussung der Tätigkeit des Hypophysenhinterlappens

vii Aus dem Pharmakologisehen Institut und der Universit~ts-Nervenklinik

in Wien.

Uber psychisehe Beeinflussung der T~tigkeit des Hypophysenhinterlappens,

YOn

H. ttoff und P. Wermer. (lgit 1 Kurve. )

(Eingegangen am 22. III. 1928.)

In der vorhergehenden Arbeit konnte gezeigt werden, da6 nach einer EinverMbung yon Diureticis beim Nensehen und beim Hunde eine wesentliche Vermehrung des Hypophysenhinterlappensekretes im Liquor der Cisterna cerebello-medul!aris zu linden ist (1). Wir haben diese Pituitrinvermehrung darauf bezogen, da~ dureh die Diurese die- jenigen sekretorisehen Impulse, die die Hypophyse physiologischerweise yon den vegetativen Zentren des Zwisehenhirnes auf dem Wege des Tractus suPraopticohypophyseus empf~ngt, betr~ehtlieh verst~rkt wer- den. Wir konnten somit auf experimentellem Wege den Naehweis er-" bringen, dal~ die T~tigkeit der ttypophyse in der gMehen Weise, wie dies vom Inselapparat des Pankreas und yon den 3Iebennieren bekannt ist, dureh nervSse Einfltisse gelenkt wird; dadureh wird die Hypo- physe ebenso wie die anderen endokrinen Drtisen nielat nut dauernd zur gMchm~Ngen Sekretion angeregt, sondern es kann aueh unter Umstanden sogleieh eine verst~rkte Aussehwemmung yon Hormon be- wirkt werden.

Bekanntlieh wird die Ausschiittung des Adrenalins dureh eine grol3e Reihe yon Giften, dutch Erregung des sympatNsehen Nervensystems, abet aueh dureh psyehisehe Einfltisse gesteigert (Cannon und de la Paz 2). Es war somit naheliegend zu untersuchen, ob far die Hyp0-

Archiv f. experiment;. Path. u. Pharmakol. rid. 133. 7

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98 vI. H. Ho~'r und P. W~R~IER.

physe iihnliche Verhiiltnisse gelten und wir stellten deshMb Versuche in dieser Richtung an.

Die Untersuchungen wurden an mittelgrol~en Hunden ausgeftihrt, im ganzen an 18 Tieren. Den Hunden wurden ebenso wie in den mit Diureticis vorgenommenen Versuchen 1--2 ccm Zisternenliquor ent- nommen, wobei streng darauf geachtet wurde, dal~ die Tiere w~hrend der Punktion ruhig blieben. Einige Stunden spa,ter wurde den in Ruhe punktierten I-tunden eine Katze vorgehalten, wodurch sie meist in grol~e

Kurve 1.

Aufregung gerieten. )~achdem die ttunde einige Zeit in diesem Auf- regungszustand belassen worden waren, wurde ihnen durch eine neuer- liche Zisternenpunktion wiederum Liquor entnommen und der Pitui- tringehalt nun in beiden Portionen entweder nach der Melanophoren- methode oder am virginellen Meerschweinehenuteruspr@arat bestimmt. In der weitaus iiberwiegenden Mehrzahl der Versuche enthielt der nach tier Erregung entnommene Liquor Viel mehr Pituitrin, als tier in der Ruhe abgenommene (Kurve 1). Dal~ diese Pituitrinvermehrung wirk-

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lich auf die Erregung zurtickzuliihren ist und nicht etwa durch Fehler in der Versuehsanordnung vorgetiiuscht war (Nachsickern yon pituitrin- reicherem Liquor aus dem dritten Ventrikel, spontane Schwankungen des Pituitringehaltes im Liquor), ]ie]~ sich durch Kontrollen feststellen, in denen die Hun@ mehrmals in stiindlichen Abst~nden in Ruhe punk, tiert wurden; dabei blieb der Pituitringehalt in den einzelnen Portio~en des Liquors unver~ndert. Ferner wurden in mehreren Versuche~l die Hun@ zuerst in Erregung und erst einige Stunden spater in Ruhe punk- tiert; auch bier war die Liquorportion nach der Erregung wesentlich pituitrinreicher als die Portion, die in der Ruhe abgenommen war.

Was die Menge des Pituitrins betrifft, die naeh der Erregung im Liquor nachweisbar ist, so konnten wir bisher nut feststellen, dal~ sie meistens bedeutend grS~er ist als diejenige, die nach Euphyllin, Urea oder 5Iovasurol gefunden wird (1). Eine genaue Auswertung des Liquors begegnet jedoch wegen der kleinen Mengen, die bei einer Punktion abgenommen werden kSnnen, gro~en Sehwierigkeiten.

Dam einen von uns war es nun gelungen Befunde zu erheben, die es sehr wahrscheinlieh maehen, da] beim Mensehen die nach Euphyllin (3) und Urea (4) vermehrt produzierte Pituitrinmenge ausreieht, um biologi- sehe Wirkungen hervorzurufen. Dureh die Zufuhr der genannten Diure- tika gelingt es ni~mlieh, Menorrhagien ebenso wirksam zu beeinflussen wie dutch Pituitrininjektionen selbst, obwohl den beiden Substanzen eine direkte Wirkung auf den Uterus nieht zukommt. So erschien es yon vornherein wahrseheinlieh, da] auch das infolge der Erregung ~Ter- mehrt gebildete Pituitrin unter geeigneten Versuehsbedingungen eine biologisehe Wirkung erkennen lassen kSnnte. Seit den Untersuehungen yon K a r p i n s k i (5) ist es nun bekannt, da6 bei ttunden, die dutch das Vorhalten einer Katze in Erregung versetzt wurden, eine t temmung der ttarnausscheidung eintritt. ]~folitor, der ~hnliche Versuehe in ver- anderter Form an Blasenfiste]hunden und am Kaninehen durchftihrte (6), konnte die Angaben von K a rp in ski best~tigen und bei genauer experi- menteller Analyse der Bedingungen, die fiir das Eintreten der Diurese- hemmung notwendig sind, feststellen, dal~ die Harnsperre die Folge einer Erregung der Gro~hirnrinde ist. Naeh seiner Annahme wirkt diese Rinden- erregung zuniiehst auf ein im tIirnstamm gelegenes Zentrum der Diurese- regulation ein, und die t temmung der Harnbildung erfolgt erst yon diesem Zentrum aus. Es sehien uns nun auf Grund unserer Versuchs- ergebnisse nicht unwahrscheinlieh zu sein, da~ diese Einwirkung der Erregung auf das Diureseregulationszentrum nicht allein auf dem Ner- venwege vor sich geht, sondern da~ dureh die die Erregung begleitende

7*

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100 u H. HOFF und P. WER5n~m

Pituitrinausschtittung auch eine hormonale Beeinflussung jenes Zen- trums erfolgt. Dag die Diuresehemmung durch Pituitrin auf einer sol- ehen Beeinflussung des Diuresezentrums beruht, erscheint dureh die Untersuchungen yon g o l i t o r and P ick (7), ]~{~hes und N o l i t o r (8) und dureh eigene Untersuchungen (9) naehgewiesen. Unsere weiteren Untersuehungen hatten die Aufgabe, die Riehtigkeit der eben erwghnten Hypothese zu prtifen.

Wir konnten dabei Versuchsergebnisse verwerten, zu denen wir in Hypnoseexperimenten mit Schlafmitteln am Nenschen gelangt waren (10). Es war uns der •achweis gelungen, dag Sehlafmittel, die, wie das Ne- dinal, in der Gegend des Sehlafzentrums angreifen (Pick nnd Yama- waki 11), verhindern, dag psychische Impulse an vegetativen Organen wirksam werden. Wir gingen auf Grund dieser Feststellungen bei den weiteren Tierversuehen so vor, dag wir an Hunden zuerst im Normal- zustand den Einflug der durch das Vorzeigen einer Katze herbeige- ft~hrten Erregung auf die Diurese and auf die Pituitrinsekretion be- stimmten und dann an den gleiehen Hunden den Versueh wiederholten, nachdem ihnen Luminal per os oder Trichlorisobutylalkohol rektal ver- abreicht worden war. Die tIunde befanden sieh wghrend des Versuches im Stoffweehselkgfig; sie erhielten am Anfang des Versuehes 250 ecru Leitungswasser mit der Sehlundsonde. Da Moli tor und P ick gefunden batten, dag sehon dutch narkotiseh unwirksame Dosen yon Luminal und Triehlorisobutylalkohol die Ausscheidung getrunkenen Wassers ver- zSgert werden kann (12), mugte die zugefiihrte Dosis des Sehlafmittels sehr gering sein; es war dies aber auGh deshalb notwendig, weil die tIunde bei grSl~eren Dosen schlgfrig warden, so dag die Erregung night zustande kam. Bei der yon uns in diesen Versuehen angewendeten Dosis yon 0,015--0,025 Lunfinal, bzw. 0,3 Triehlorisobutylalkohol wird aber beim Hun@ das Eintreten der Erregung night verhindert, anderer- seits wird auch die normale Diurese im Wasserversuch in der Ruhe dutch diese Dosen night beeinflul~t. Es liel3 sieh nun feststellen, dal~ bei Hun- den, bei denen in Erregungsversuehen ohne Sehlafmittel eine deutliGhe Pitnitrinaussehwemmung auftrat, diese Pituitrinvermehrung unter Lu- minal oder Triehlorisobutylalkohol ausblieb; ebenso fiel in solchen Sehlafmittelversuchen die etwa 3 Stunden anhaltende Diuresehemmung weg, die sonst bei ttunden, denen vorher Wasser verabreieht wurde, unter dem Einflu6 der Erregung zu sehen ist (Tabelle 1).

Diese Versuchsresultate entsprechen den erwghnten, die wir am Nenschen in Hypnoseversuehen gewonnen batten and wir glauben auch, dal~ beide Versuchsreihen in ghnlieher Weise erklgrt werden kSnnen:

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Uber psychischeBeeinflussung der T':itigkeit des gypopbysenhinterl~ppens. 101

Tabelle 1.

Versueh vom 14., 15. und 16. XI. 1927; Hund ))Schwarz<< erhiilt in jedem Versuch 250 ccm Leitungswasser.

Zeit (Stunden nach der Wasser- zufuhr)

14. XI. 1927 Diureseversuch.

Harnmengo in ccm

40 120

5 20 40 20 30 15

15. XI. 1927 Diureseversuch

am erregten Hunde. Harnmenge in ecru

16. xI. 1927 Diureseversuch

am erregten Hunde, vorher 0,025 Luminal.

Ha~nmenge ia ccm

30 t00 20 5

65 5 5

25

0 0

35 170

5 5

60 5

die Zuleitung der yon hiiheren Gehirnanteilen kommenden Impulse zu den vegetativen Zentren und yon da zur Hypophyse wird durch die im Hirnstamm angreifenden Schlafmittel unterbrochen, die Verst~rkung der Pituitrinsekretion tritt nicht ein und deshalb bleibt auch die Diurese- hemmung aus. Wenn wir aueh auf Grund unserer Versuehe die ~Sg- lichkeit nicht aussehlie~en kSnnen, da~ auch rein ~erv5se Impulse, die in der Erregung normalerweise das Diuresezentrum erreichen und yon deft aus die Diurese hemmen, dutch die Schlafmittel an ihrem Wirk- samwerden gehiudert werden, so ist es bei dem gleichzeitigen Ausbleiben von Pituitrinvermehrung und Diuresehemmu~g unseres Eraehtens doch sehr wahrscheinlich, dal~ zwischen diesen beiden Vorgangen ein ursach- licher Zusammenhang besteht, da6 also an der Diuresehemmung ein hormonaler Faktor mindestens mitbeteiligt ist. Der Hypophysenhiuter- lappen erscheint auch in diesen u gleichsam als ein Reizver- mittler in ein nervSs-hormonales System eingeschaltet, welches d e r Diureseregulation dient.

Es handelt sich bier um einen Vorgang, der der frtiher erw~thnten Adrenalinausschwemmung bei Erregung analog ist. Wit wissen aus C an n o n s Untersuchuugen, dal~ verschiedene vegetative Phanomene, die an sympathisch innervierten Organen im Affekt vor sich gehen, mit grol~er Wahrscheinlichkeit auf den dabei erhShten Adrenalingehalt des Blutes zu beziehen sind. In ~hnlicher Weise diirfte auch die pl(itzliche Ausschwemmung eines so wirksamen Hormons, wie es das Pituitrin darstellt, fiir den 0rganismus yon Bedeutung sein. Es ist aber sehr

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102 VI. I-I. I-IoFe und P. WERMER.

wahrscheinlich, da6 die Vermehrung der Pituitrinsekretion in den Liquor cerebrospinalis, der ja auch eine Vermehrung der Pituitrinkonzentration an den vegetativen Zentren des Zwischenhirns und im Blute entspre- chert mu6, noch andere Erscheinungen verursacht, als die eben beschrie- bane Diuresehemmung beim Hun@. Wit haben keinen Grund, daran zu zweifeln, dal~ auch beim Menschen die Pituitrinsekretion bei heftiger Gemfitserregung gesteigert wird, wenn wir auch aus begreiflichen Grfiu- den keine experimentellen Belege ffir diese Annahme beibringen kSnnen. So ist es z.B. durehaus mSglich, daf~ entsprechend der beschriebenen Wirkung yon Diuretieis bei ]V[enorrhagien auch die manchmal durch starke Affekte herbeigefiihrte Menstruationsunterbrechung bei Frauen, auf dem Wege fiber die Hypophyse erfolgt. Ob das Pituitrin als eine Substanz, die die verschiedensten, glattmuskeligen Organe peripher und yore Zentrum aus zur Kontraktion bringen kann, beim Mensehen noch an@re )>psycho-vegetative(< Ph~inomene im Affekt hervorzurufen ver- mag, mfissen weitere Untersuchungen lehren.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

1. Bei Hun@n, die dutch das Vorzeigen yon Katzen erregt werden, tritt eine betriichtliche Vermehrung des Pituitringehaltes im Zisternen- liquor auf.

2. Diese Pituitrinvermehrung wird als eine Ursache der Diurese- hemmung bei erregten I-tunden aufgefaf~t.

3. An Hun@n, die vor Beginn des Versuches eine kleine Dosis Luminal oder Trichlorisobutylalkohol verabreicht erhielten, tritt die Erregung zwar Bin, die Pituitrinvermehrung bleibt in diesen Versuchen aber aus und gleichzeitig fehlt die Diuresehemmung.

Literatur. 1. H o f f und W e r m e r , Klin. Wochenschr . 1927, Hft. 25; dieses Archiv

192~, Bd. 133, S. 84. - - 2. C a n u o u und de la P a z , Americ. journ, of physiol. 1911, Bd. 28, S. 64. - - 3. W e r m e r , ~ed. Klinik 1927, Hft. 42. - - 4. D e r s e l b e , Zentralbl. f. Gyn~ikol. 1928, Hft. 11. - - 5. K a r p i n s k i , Russki Wratsch 1904. - - 6. iVIol i tor , Dieses Archiv Bd. 113, S. 173. - - 7. M o l i t o r und P i c k , Ebenda Bd. 107, S. 180 und 185; Bd. 112, S. 113. - - 8. ]~'I~hes and l~ Io l i t o r , Ebenda Bd. 127, S. 319. - - 9. H o f f und W e r m e r , Ebenda Bd. 119, S. 153; Bd. 125, S. 140. - - 10. D i e s e l b e n , Klin. Wochenschr . 1928, Hft. 8. - - 11. P i c k , Uber Schlaf und Schlafmittel. Wien 1927, Springer. - - 12. M o l i t o r und P i c k , Biochem. Zeitschr. Bd. 185, S. 130.