Upload
scribd-user
View
48
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Bertelsmann Stiftung, Heinz Nixdorf Stiftung (Hrsg.)
Studium onlineHochschulentwicklungdurch neue Medien
Verlag Bertelsmann Stiftung
Gütersloh 2000
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei
Der Deutschen Bibliothek erhältlich.
2000 Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
Verantwortlich: Ulrike Bentlage
Umschlaggestaltung: werkzwei, Lutz Dudek, Bielefeld
Umschlagabbildung: Tony Stone/Pictor
Satz: digitron GmbH, Bielefeld
Druck: Media-Print Merkur Druck GmbH + Co., Detmold
ISBN 3-89204-483-X
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Peter Glotz
Zentrale Thesen des Expertenkreises . . . . . . . . . . . . . . 13
Szenario: Die Universität im Jahre 2005 . . . . . . . . . . . . 17
José L. Encarnaçao, Wolfgang Leidhold, Andreas Reuter
Neue Technik verlangt neue pädagogische Konzepte . . . . . . 31
Friedrich W. Hesse, Heinz Mandl
Qualitätssicherung interaktiver Studienangebote . . . . . . . . 51
Ulrich Glowalla, Heinz Lothar Grob, Rainer Thome
Technologie und Infrastruktur:
Standardisieren schafft Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
José L. Encarnaçao, Wolfgang Kraemer,
August-Wilhelm Scheer, Dennis Tsichritzis
Finanzierung virtueller Studienangebote . . . . . . . . . . . . 103
Peter Glotz, Herbert Kubicek
5
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Hochschulentwicklung durch neue Medien –
internationale Best-Practice-Projekte . . . . . . . . . . . . . . 139
Michael Brockhaus, Martin Emrich, Antonella Mei-Pochtler
Die Mitglieder des Expertenkreises . . . . . . . . . . . . . . . 165
6
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Vorwort
Experten warnen, Deutschland laufe Gefahr, ein Bildungsimportland
zu werden. Während 1980 beispielsweise noch rund 50 Prozent aller
Auslandsstudenten aus Indonesien nach Deutschland kamen, sind es
heute nur noch knapp 10 Prozent. Stattdessen geht, wer es sich leis-
ten kann, zum Studieren in andere Länder, vorzugsweise in die USA.
Mit dem Internet kommt das Ausland jetzt mitten in die deutschen
Studierstuben. Gute Adressen wie Harvard oder Stanford bietenbereits post graduate-Studiengänge oder MBAs im Netz an. Parallel
dazu etablieren sich so genannte Wissensbroker. Sie beraten und in-
formieren nicht nur, sondern sorgen für den Verkauf des Wissens
internationaler Bildungsanbieter. Sie bereiten die Bildungsmodule
individuell für ihre Kunden auf und liefern ihre Wissenspakete online
an Corporate Universities und andere Kunden. Hunderte von Millio-
nen Dollar werden inzwischen in den USA in die verschiedenen
Spielarten von Virtual Universities investiert. So entsteht mit und
neben den traditionellen Universitäten ein Bildungsmarkt, für denUnternehmensberater prognostizieren, dass sich hier eines der größ-
ten e-commerce-Geschäftsfelder auftut. Bildung gilt ihnen als Zu-
kunftsbusiness. Universitäten in Europa und Deutschland müssen
sich in diesem Feld positionieren und sich dem globalen Wettbewerb
im Netz stellen. Internet und Multimedia schaffen nicht nur globalen Wissenszu-
griff, sie helfen auch Präsenz-Universitäten, ihr Angebot zu verbes-
sern, Lernen zu erleichtern, zu optimieren und zu effektivieren. In
7
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
den Rankings der US-Universitäten gilt IT-Ausstattung bereits als
wichtiges Bewertungskriterium und geht oftmals mit akademischer
Exzellenz einher. Dabei rangieren immerhin knapp 40 Prozent deröffentlichen Universitäten in der Klasse der most wired colleges.
Multimedia ist also keineswegs ein Privileg nur der teuren Privat-
Universitäten. Auch deutsche Hochschulen gehen online. Im Jahr 2005, so die
Prognose, wird mindestens die Hälfte der Studenten zumindest ein-
zelne Teile des Studiums über das Netz absolvieren. Virtuelle Lehr-
veranstaltungen machen flexibel und helfen, Studienzeiten zu verkür-
zen; virtuelle Lernumgebungen unterstützen den Lernprozess mit
Simulationen und Multimedia-Präsentationen. So lernen Studenten
besser – davon sind jedenfalls Professoren an den wirtschaftswissen-
schaftlichen Fakultäten der Universitäten Münster und Köln über-
zeugt. Sie hatten gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung und der
Heinz Nixdorf Stiftung Pilotprojekte zum Studium mit Multimedia
aufgelegt. Zahlen aus den projektbegleitenden Evaluationsberich-
ten geben ihnen Recht. Multimedial unterstützt, erzielten diese Stu-
denten signifikant bessere Prüfungsergebnisse. Mit der Kooperation
»WINFOLine«, einem Zusammenspiel der Universitäten Saarbrü-cken, Göttingen, Kassel und Leipzig, steht eine virtuelle Lernwelt für
Wirtschaftsinformatik im Netz. Gleichzeitig werden in immer mehr
Bundesländern virtuelle Hochschulen im Universitätsverbund ausge-
rufen. Vieles wurde inzwischen angestoßen, manches ist bereits auf
gutem Weg. Aber in der Hochschullandschaft muss sich noch mehr
noch schneller bewegen, damit Deutschland seinen Status als Bil-
dungsexportland zurückgewinnt. In diesem Band sind Empfehlungen der Kommission »Hochschul-
entwicklung durch neue Medien« der Bertelsmann Stiftung und derHeinz Nixdorf Stiftung zusammengefasst; formuliert, um den Trans-
ferprozess in der deutschen Bildungslandschaft zu unterstützen.
Unser Dank gilt allen, die an diesen Empfehlungen mitgewirkt haben
und in besonderer Weise Prof. Peter Glotz, dem Vorsitzenden des
Expertenkreises.
Dr. Ingrid Hamm, Leitung Bereich Medien
Ulrike Bentlage, Projektleitung
8
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Einleitung
Peter Glotz
Die vorliegende Publikation geht auf die Arbeit des Expertenkreises
»Hochschulentwicklung durch neue Medien« zurück, den die Ber-
telsmann Stiftung und die Heinz Nixdorf Stiftung mit dem Ziel ein-
gerichtet haben, die Chancen und Risiken der Anwendung neuer
Medien in den Hochschulen zu untersuchen. Dem Expertenkreis ge-hörten 15 Wissenschaftler aus ebenso vielen Wissenschaftsinstitutio-
nen und zahlreichen Disziplinen an, die sich alle mit der Nutzung
neuer Medien auseinandergesetzt hatten. Die Ergebnisse der Arbeit dieses Kreises, der siebenmal zusam-
menkam und viele Arbeitsgruppen-Sitzungen veranstaltete, sind auf
den folgenden Seiten zusammengefasst. Die Arbeit brachte schnell zu Tage, dass die vielfach genutzten
Schlagworte oft genug in die Irre führen. So geht es keineswegs nur
um »Multimedia«; in bestimmten Disziplinen können auch rein text-basierte Systeme gute Dienste leisten. Auch der Terminus »Online-
Lehre« umfasst nur einen Teil der möglichen Aktivitäten. Natürlich
können auch CD-ROMs, also Offline-Medien, eine wichtige Rolle
spielen. Es gibt Bildungsprodukte, die vollständig auf Virtualität set-
zen, aber auch vielfältige Angebote, die eine intelligente Integration
von Online-Angeboten und Präsenzlehre suchen. Zum gegenwärtigen
Zeitpunkt ist nicht leicht zu entscheiden, welches der Königsweg der
Zukunft sein wird.
9
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Insgesamt ist der Expertenkreis zu der Überzeugung gekommen,
dass die neuen Medien einen nachhaltigen Einfluss auf das Bildungs-
system entwickeln werden. In dem »Szenario 2005« ist das im Über-blick ausgeführt. Vier weitere Beiträge behandeln die aufgeworfenen
Fragen im Einzelnen. Die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens wird Bedürfnisse
nach Bildungsangeboten hervorbringen,die qualitativ hochwertig und
flexibel handhabbar sind. Die neuen Informationstechnologien bieten
dazu die erforderlichen Möglichkeiten. Schon heute lässt sich gut erkennen, dass sich die großen ameri-
kanischen Universitäten, die über einen brillianten Ruf verfügen, da-
rauf vorbereiten, ihre Bildungsprodukte zu internationalisieren und
auf der ganzen Welt anzubieten. Oft suchen sie dazu die Kooperation
mit investitionsstarken Technologiefirmen. Wenn die Universitäten
der Bundesrepublik diese Entwicklung nicht frühzeitig wahrnehmen
und selbst entsprechende Produkte entwickeln, besteht die Gefahr,
dass ein gewisser Teil beweglicher und auch leistungsstarker Studie-
render den deutschen Hochschulen verloren geht. Dieser Entwick-
lung muss vorgebeugt werden.
Auf der anderen Seite ist jedoch auch feststellbar, dass die neuenMedien nicht einfach Selbstläufer sind. Wie erfolglos vergleichbare
Bemühungen sein können, hat sich mit den Plänen zu einem »Fern-
studium in Medienverbund« Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre
erwiesen. Die einzig erfolgreiche Aktivität, die von diesen Bemühun-
gen übrig geblieben ist, ist die Fernuniversität Hagen. Eine vergleich-
bare Entwicklung könnte sich auch jetzt anbahnen; diesmal aber mit
höchst problematischen Konsequenzen für die deutsche Hochschul-
landschaft. Bisher gehörte die Bildung zu den non tradable services.
Wer die Bildungsangebote des Auslandes nutzen wollte, musste insAusland gehen. Diese Situation könnte sich rasch radikal verändern. Dies bedeutet, dass die – höchst verteilten – Verantwortlichen sys-
tematisch überlegen müssen, wie eine neuartige nationale Lern-
Infrastruktur geschaffen werden kann, damit sich die neuen Me-
dien überhaupt nutzen lassen. Diese Verantwortlichen aber stehen
in unterschiedlichen Lagern; die Zuständigkeiten sind zersplittert.
Das sind der Bund, Länder, Hochschulen, es ist aber auch die Indust-
rie. Werden sie zu einer systematischen Kooperation finden, um
10
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Einleitung
die offenen Probleme einer Lösung zuzuführen? Das ist bisher – trotz
vieler optimistisch stimmender Absichtserklärungen – nicht abzuse-
hen. Offene Fragen gibt es viele. Die Intellectual Property Rights gehö-
ren ebenso dazu wie die Netzkostenstruktur. Das Entscheidende und
bisher gänzlich ungelöste Problem aber ist die Frage, wer für die Kos-
ten der Verwendung neuer Medien im Hochschulbereich aufkommen
soll. Intelligente Tools werden nur entstehen, wenn Unternehmen
sich dazu entschließen, solche Tools zu produzieren. Voraussetzung
aber dafür ist, dass diese Tools auch abgenommen werden. Letztlich
sind es vermutlich die Endabnehmer, also die Studierenden, die diese
Kosten tragen müssen. Eine Abwälzung auf die Universitäten (über
staatliche Etats) erscheint absolut unrealistisch. Die Lösung dieses Problems verlangt politische Entscheidungen
von erheblicher Tragweite, auch das Problem der Studiengebühren
ist hier berührt. Die Dinge können nicht so bleiben, wie sie sind. Die
notwendigen Reformen verlangen aber schmerzhafte politische Ent-
scheidungen, ohne die sich die neue Entwicklung in Deutschland und
für Deutschland nicht in Bewegung setzen lässt. Wie gesagt: Wenn die
Entwicklung in Deutschland nicht in Gang kommt, heißt das nicht –wie in früheren Fällen –, dass sich gar nichts ändert. Es könnte dann
heißen, dass internationale Wettbewerber die Veränderungen tragen
und die Szenerie bestimmen. Auch die Hochschulen müssen sich bewegen. Der Einsatz neuer
Technologien in der Universitätslehre macht nur Sinn, wenn nicht
jedes einzelne Institut »seine eigene Suppe kocht«. So, wie sich Lehr-
bücher bundesweit durchgesetzt haben, müssen sich auch Tools bun-
desweit durchsetzen. Das setzt Anerkennungsprozesse zwischen den
Universitäten voraus. Die Professoren an den Universitäten X und Ymüssen akzeptieren, dass ihre Studierenden bestimmte Wissensmodu-
le mit Hilfe von Online-Tools erworben haben, die von den Universi-
täten C und D stammen. Das verlangt eine geistige Öffnung für den
Wettbewerb und eine vollständige neuartige Beweglichkeit. Der Expertenkreis ist davon überzeugt, dass die neuen Medien die
Hochschulen tiefgehend verändern können und dass sie sowohl eine
Optimierung als auch eine Rationalisierung der Lehre ermöglichen.
Aber die Aufgabe ist komplex; sie verlangt z.
B. die Kooperation von
11
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Technikern mit den Vertretern aller anderen Disziplinen; aber sie
verlangt auch, dass die Techniker auf die Bedürfnisse der unter-
schiedlichen Disziplinen eingehen und maximalistische Technik-Kon-zepte zurückstellen. Neue Kooperationsmuster sind notwendig. Wer
die Struktur der Hochschulbereiche kennt, weiß, dass es nicht ein-
fach sein wird, diese Kooperationsmuster durchzusetzen. Derzeit ist die Benutzung neuer Medien in der Hochschullehre die
Sache einer Avantgarde. Die Mehrheit der Lehrenden arbeitet immer
noch mit klassischen Medien wie Tafel und Kreide und glaubt auch
nicht daran, dass sich daran etwas Grundlegendes ändern könnte.
Auch die Politik ist – z. B. durch utopische Finanzforderungen aus
den Hochschulen – eher verschreckt. Wir stehen am Anfang; nicht
nur in Deutschland. Auch in den Vereinigten Staaten, in denen die
großen Ivy-League-Universities sich auf die Zukunft systematischer
einstellen als unsere Universitäten, wird »nur mit Wasser gekocht«.
Auch dort ist die neue Welt noch nicht realisiert. Aber es kann kein
Zweifel darüber bestehen, dass wir an einer Schwelle stehen. Die
These des Expertenkreises lautet: 2005 wird es die ersten Anzeichen
dafür geben, dass die neuen Medien das Lehren und Lernen im ter-
tiären Bereich tiefgehend verändern. Es gilt, sich auf diese neue Ent-wicklung vorzubereiten.
12
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Zentrale Thesen des Expertenkreises
Zentrale Thesen des Expertenkreises
1. Die nationalen Bildungssysteme geraten immer stärker unter den
Druck der Internationalisierung. Durch die zunehmende Nutzung
der Informationstechnologien für die Aus- und Weiterbildung ent-
steht Schritt für Schritt ein globaler Bildungsmarkt. Wollen die
Hochschulen konkurrenzfähig bleiben, müssen sie eine konse-
quente IT-Integration betreiben.
2. Wer in der Wissensgesellschaft Schritt halten will, muss lebens-lang lernen. Dies erfordert ein völlig neuartiges System der Wei-
terbildung. In Deutschland müssen die Universitäten für die Wei-
terbildung systematisch geöffnet werden. Sie müssen auch mit
neuen Partnern im Bildungsmarkt kooperieren, um Vielfältigkeit
des Lernens zu ermöglichen.
3. Der Einsatz neuer Medien in den Hochschulen führt zu einem
Paradigmenwechsel von »push«- zu »pull«-Angeboten. Wenn
Studierende künftig Inhalt, Zeit und Ort ihres Studiums selbst
bestimmen, müssen Selbstständigkeit und Eigenverantwortungder Lernenden gestärkt werden. Die Ausbildung von Lernfähig-
keit und Medienkompetenz werden unverzichtbare Schlüsselqua-
lifikationen für die Teilhabe an der Gesellschaft sein.
4. Neue Medien bieten das Potenzial für einen Quantensprung in der
Qualität und Effizienz des universitären Lehrens und Arbeitens.
Die Integration in ein geeignetes pädagogisches und didaktisches
Konzept ist von entscheidender Bedeutung für die Nutzung dieses
Potenzials.
13
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
5. Auch virtuelle Studienangebote bedürfen der Qualitätssicherung.
Für einen optimalen und kompetenten Einsatz neuer Technolo-
gien in der Lehre ist es notwendig, durch gezielte Evaluation Er-kenntnisse über die spezifischen Potenziale neuer Medien zu ge-
winnen.
6. Die Qualitätssicherung muss sich sowohl auf die Bildungspro-
dukte – die Lernumgebungen, Tools, Begleitmaterialien etc. – als
auch auf die Abschlüsse (Prüfungen) beziehen. Die Bewertung
sollte nach transparenten Qualitätskritierien erfolgen, die ange-
sichts der veränderten Lern- und Wissenskultur neu entwickelt
werden müssen. Nur eine derartige Qualitätskontrolle kann im
globalen Bildungsmarkt Orientierung bieten.
7. Der Prozess der Wissenswertschöpfung setzt sich aus unterschied-
lichen Komponenten zusammen. Dazu gehören die Entwicklung
der Inhalte (Content-Generierung), die Produktion von Tools,
ihre Einbindung in ein pädagogisches Konzept sowie die Distri-
bution. Die Hochschulen sollten je nach Ziel und Art des Bil-
dungsproduktes entscheiden, welche dieser Komponenten sie
selbst erarbeiten und welche sie an externe Partner vergeben. Die
Kernkompetenz der Hochschulen liegt ohne Zweifel im Bereichder Entwicklung der Inhalte, aber auch in der pädagogischen Ein-
bindung von Online- oder Offline-Angeboten, also im Bereich der
Services.
8. Die technologische Infrastruktur der Hochschulen sollte flexibel
angelegt sein und auf Standards basieren, damit eine möglichst
hohe Wiederverwendbarkeit der Bildungsangebote ermöglicht
werden kann. Eine breite Nutzung neuer Medien wird nur ge-
währleistet werden können, wenn an den Hochschulen Service-
Center zur Verfügung stehen, die die Fachinstitute unterstützenund sie anregen, entsprechende Angebote zu entwickeln. Die er-
forderliche Ausstattung und die innere Struktur können von
Hochschule zu Hochschule differieren. Vermieden werden sollten
große Institutionen mit Dauerstellen nach Vorbild der Rechenzent-
ren.
9. Der Einsatz neuer Medien in den Universitäten wird nur erfolg-
reich sein, wenn die Hochschulen bei der Erstellung und vor allem
bei der Nutzung virtueller Studienangebote kooperieren. Ange-
14
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Zentrale Thesen des Expertenkreises
sichts der wachsenden Notwendigkeit des lebenslangen Lernens
sollten sie dabei den Weiterbildungsmarkt – der derzeit vor allem
von Privatanbietern beherrscht wird – besetzen, und so die erfor-derlichen Investitionen erschließen.
10. Ein breiter Einsatz von neuen Medien im Universitätsbereich ver-
langt die Klärung offener Fragen. Die wichtigste ist dabei, wer
die entstehenden Kosten tragen soll (billing ) und wie das Pro-
blem der Intellectual Property Rights zu lösen ist. Deshalb ist die
Finanzierung einer neuartigen nationalen Lern-Infrastruktur nur
bei einer systematischen Kooperation von Bund, Ländern, Hoch-
schulen und Industrie zu leisten. Diese Partner müssen eine ge-
meinsame Initiative ergreifen, damit die Chancen der neuen Me-
dien genutzt werden können.
15
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Szenario: Die Universität im Jahre 2005
José L. Encarnaçao, Wolfgang Leidhold, Andreas Reuter
1 Die Universität im neuen Millennium
Die Universität ist seit dem Hochmittelalter die zentrale Institution
des Wissens. Diese Institution hat die Lebensform unserer Gesell-
schaften entscheidend geprägt. Wie wird ihre Rolle im neuen Millen-
nium aussehen? Die Aufgabe einer zentralen Institution des Wissens war immer
mehr, als bloß ein Archiv des Wissens zu liefern. Wissen ist ein Roh-
stoff und das Ergebnis eines langen Prozesses. In diesen Prozess
gehen die Personen und ihre Ausbildung, ihr Denken und ihre Ent-
deckungen ebenso ein wie Zusammenarbeit und Wettbewerb in der
gesamten wissenschaftlichen Gemeinschaft, aber auch Politik und
Finanzen der öffentlichen oder privaten Träger sowie nicht zuletzt
die kommunikativen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkei-
ten der jeweiligen Epoche. Die Universität spiegelt daher auch dieLebensform ihrer Epoche wider.
Auf dem Weg zur
globalen Wissens-
gesellschaft
Zur Zeit durchläuft unsere Gesellschaft – und mit ihr auch die
Universität – einen epochalen Wandel. Getragen von den neuen In-
formations- und Kommunikationstechnologien entsteht die globale
Wissensgesellschaft. In dieser Gesellschaft ist das Wissen nicht mehr ausschließlich
persönliche Qualifikation und stabiler Fundus, sondern zugleich der
wichtigste Produktionsfaktor. Das Wissen wird integraler Bestandteil
17
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
des industriellen Prozesses. Und solch ein Bestandteil wird das Wis-
sen durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnolo-
gien: Sie erlauben ein Arbeiten ohne Medienbrüche. Die wichtigstenTätigkeiten geschehen nun mit Computern und in digitalen Netz-
werken: Informieren, Planen, Konzipieren, Konstruieren, Simulieren,
Umsetzen, Steuern, Kontrollieren, Kommunizieren. Die Netzwerke
ermöglichen eine globale Verfügbarkeit und einen Zugriff ohne Zeit-
verzögerung. Die einmalig erworbene Qualifikation wird abgelöst
vom Prozess des lebenslangen Lernens. Die industrielle Produktion
entfaltet sich als wissensbasierte und permanente Innovation. Was bedeutet dieser Umbruch für die Universität – das Ende ihrer
bisherigen Daseinsform?
2 Ein Szenario für das Jahr 2005
2.1 Der globale Bildungsmarkt
Eine neue Lernkultur
entsteht
Die Universitätslandschaft wird den Studierenden schon im Jahre
2005 ein gründlich verändertes Bild bieten. Sie wird sich als eineneue Palette von Bildungsangeboten darstellen, in denen sich neue
Lernkulturen herausbilden und neue Wege zum Wissen öffnen. Was findet ein typischer Studienanfänger – nennen wir ihn
Thomas S. – in naher Zukunft vor? Wird sein erster Gedanke sein,
sich eine Hochschule nach ihrem allgemeinen Renommee auszusu-
chen? Wird er sie lieber in einer Großstadt oder eher in einem Städt-
chen besuchen wollen? Soll seine erste Alma Mater eher in der Nähe
(wegen der Freundin) oder doch lieber weiter fort (wegen der Eltern)
liegen? Nichts dergleichen wird ihn beschäftigen.
Der Bildungsbroker
Ein Markt für
Bildungsprodukte
Stattdessen wird Thomas S. das Internet absuchen, um sich – mit
Hilfe verschiedener Online-Bildungsbroker – über die weltweit ange-
botenen Kurse und Abschlüsse zu informieren. Hier findet er die
Palette der »Bildungsprodukte« – das meiste davon in englischer
18
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Szenario: Die Universität im Jahre 2005
Sprache. Typischerweise ist nicht nur das Angebot online zugänglich,
sondern auch das Studium insgesamt. Seminare und Vorlesungen,
Kurse und Betreuung werden als multimediale Websites oder alstraining in the box angeboten. Manche Anbieter haben sich auf
reines Telelearning in einer virtuellen Umgebung, andere auf hybride
Formen spezialisiert. Dazu gibt es persönliche Betreuung vor Ort.
Auch die konventionellen Universitäten sind noch zu finden. Die
klassische Hochschule hat allerdings eine höchst agile Konkurrenz
bekommen.
Die Bildungsangebote
Die Bildungsangebote haben sich in ihrer Struktur ebenso gewandelt
wie in ihrem Entstehungsprozess. Aus den früher getrennten Angebo-
ten von Ausbildung und Weiterbildung formt sich zunehmend ein
kontinuierlicher Prozess. Früher entstanden die Lerninhalte zuerst
lokal an einem Lehrstuhl, mit dem Professor als ihrem wichtigsten
Autor, und wurden dann über die Lehre sowie in Zusammenarbeit
mit Verlagen und Buchhandel verbreitet. Nunmehr hat sich eine neueund internationale Arbeitsteilung zwischen Professoren und Content-
Börsen, Bildungsportalen und diversen Providern, Multimedia-Pro-
duzenten und Medienfirmen, Forschern, Moderatoren, Tutoren und
Technikern herausgebildet.
2.2 Die neue Bildungslandschaft
Internationale
BildungskonsortienBesonders auffällig sind die internationalen Konsortien. Große Te-lekommunikationsfirmen, Fernsehanstalten und andere Medienun-
ternehmen werben mit »starken Partnern« um ihre Studierenden.
Diese Partner sind oft global operierende Großkonzerne, die als
Sponsoren auftreten und den Studierenden Praktikum, Training und
Job bieten. Hier tauchen aber auch international bekannte klassi-
sche Universitäten auf, nämlich die, welche den Anschluss an die
neue Entwicklung gefunden haben. Wissenschaftler sorgen für die
Korrektheit und Aktualität der Inhalte. Diese Konsortien haben ein
19
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
weltweites Netz an »Bodenstationen« aufgebaut. In diesen lokalen
Zentren können sich ihre Studierenden treffen, um sich persönlich
beraten zu lassen. Auch Prüfungen kann man hier nach wie vor ab-legen, wenn der eigene Lernplatz noch nicht als »mogelsicher« zerti-
fiziert ist.
Corporate Universities Weltweit bilden zahlreiche Unternehmen ihre Nachwuchs- und
Führungskräfte in firmeneigenen Corporate Universities aus. Diese
Bildungsinstitute vermitteln den Mitarbeitern nicht nur das notwen-
dige Fachwissen, sondern auch die Kultur und Philosophie des Un-
ternehmens. Durch ihr unternehmensspezifisches Angebot für die
Aus- und Weiterbildung machen sie den Universitäten große Kon-
kurrenz. Bildungsinhalte werden den Mitarbeitern vielfach direkt
über den PC zugänglich gemacht. Sollte Thomas S. Interesse an einer
Laufbahn in einem speziellen Unternehmen haben, wird er sich di-
rekt dort bewerben und in der Corporate University ausbilden las-
sen. Immer häufiger bieten die Unternehmen erfolgreiche Inhouse-
Aus- und Weiterbildung auch auf dem freien Bildungsmarkt an.
Auch mit solchen Optionen ist Thomas S. im Jahre 2005 schon kon-
frontiert.
Universitätsnetzwerke Neben Konsortien und Corporate Universities findet Thomas S.Netzwerke von Universitäten, die sich unter dem Druck dieser Kon-
kurrenz weiträumig zusammengeschlossen haben. Hier kann man
sich aus dem Lernangebot des Netzwerkes bedienen, wird an einer
traditionellen Präsenzuniversität oder an einer Fachhochschule bera-
ten und geprüft. Die Netzwerke praktizieren vornehmlich Hybrid-
Konzepte in der Lehre: Virtuelle Lernwelten werden in Verbindung
mit Präsenzlehre eingesetzt. Die virtuellen Inhalte stehen den jeweili-
gen Partnern in Pools zur Verfügung, Kurse und Zertifizierungen
sind weitgehend kompatibel. Auch die Netzwerke haben den Weiter-bildungsmarkt entdeckt, richten sich hier jedoch vornehmlich an
kleine und mittlere Unternehmen, Verwaltungen und sonstige In-
teressenten, die sich Eigenentwicklungen nicht leisten können. Ihr multimediales Format ist nicht so aufwendig gestaltet wie
bei den Konsortien und den Corporate Universities. Dafür sind die
Gebühren erschwinglicher. Bislang bieten diese Netzwerke freilich
nur ausgewählte Studiengänge an – wie etwa einen M. B. A. in elec-
tronic commerce oder in Medieninformatik. Solche Netzwerke fin-
20
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Szenario: Die Universität im Jahre 2005
det Thomas S. in den USA und Europa, aber einige davon agieren
bereits weltweit und haben Partner in Asien und Lateinamerika »an
Bord«.Virtuelle Universitäten Während die Konsortien und Netzwerke immer nur bestimmte,
meist praxisnahe und kommerziell interessante Studieninhalte in
Ökonomie, Technik, Jura und Sprachen offerieren, versuchen andere
das Gesamtspektrum der bisherigen Universität unter einem virtuel-
len »Dach« zu vereinen. Führend sind auf diesem Gebiet ebenfalls
amerikanische und europäische Universitäten, insbesondere in
Großbritannien, Deutschland und in der Schweiz. Auch hier wird
das Angebot so aufbereitet, dass ein Großteil als Telelearning abruf-
bar ist. Das hat den Vorteil, dass nicht nur die Studierenden sich Zeit
und Ort ihres Lernens und Arbeitens persönlich auswählen können,
sondern es garantiert den Zugang zu den digitalen Bibliotheken und
zu gut betreuten Arbeitsgruppen: zwei Komponenten, die überall
zum Standard des neuen Lernens gehören. Gegenüber den speziali-
sierten Konsortien pflegen die virtuellen Universitäten das klassische
Fächerspektrum der Universität – von Betriebswirtschaft bis Byzan-
tinistik. In den neuen virtuellen Formen dominieren allerdings im di-
rekten Kontakt zu ihren Studierenden nicht die Wissenschaftler, son-dern die Moderatoren und Tutoren, welche die Inhalte nicht selbst
erarbeitet haben. Sie sind Vermittler von vorgefertigten Lehrangebo-
ten. Darin freilich sind sie gut geschulte Profis.
Lifelong learning Alles in allem geht der Trend in der Welt des lifelong learning
dahin, sich bei einer dieser vier neuen Formen der Universität einzu-
schreiben. Thomas S. interessiert sich dabei nicht nur für die nach-
vollziehbare – weil evaluierte – Qualität und Effizienz des Studiums,
sondern auch für die Zukunftsfähigkeit des Angebotes: Kann er seine
späteren Weiterbildungsbedürfnisse mit seinem Bildungspartnerfortsetzen? Oder hat der gar kein solches Angebot? Wenn Thomas S.
erst einmal eine Wissensbasis und genügend Lernpraxis hat, kann er
seine Weiterbildung gut und gern mit virtuellen Angeboten bestrei-
ten. Am besten erscheint ihm da natürlich ein Anbieter, der seine In-
halte dann kundennah anpassen, also »customizieren« kann. Aktuel-
le Statistiken vom Beginn des Jahres 2005 weisen aus, dass sich in
den Industriestaaten die Zahl der Studierenden, die sich in einer der
vier neuen Formen der Universität immatrikulieren, seit dem Jahr
21
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
2000 alljährlich verdreifacht hat und bereits von weitaus mehr als
50 Prozent der Studenten genutzt wird.
Alma MaterMultimedialis
Und die klassische Alma Mater? Sie hat in zweierlei Form über-lebt – in verringerter Zahl oder auf reduziertem Niveau. Dort, wo sie
überlebte, verfügt sie jetzt ebenfalls über ein Online-Angebot. Viele
Universitäten hatten jedoch rasch ihre Studierenden verloren, und
manche private und staatliche Träger sahen sich gezwungen, Institu-
tionen schrumpfen zu lassen oder ganz zu schließen, um ihre Kräfte
auf herausragende und zukunftsträchtige Einrichtungen zu konzent-
rieren. Daher findet man in diesem Segment, besonders in Deutsch-
land, vornehmlich zwei Typen: wenige Elite-Institutionen und etliche
althergebrachte Universitäten, die zwischen Rotstift, staatlich ver-
ordneten Reformen und einer agilen Konkurrenz um ihr Überleben
kämpfen.
Grundlagenforschung
und »Orchideen-
fächer« wandern an
die Elite-Hochschulen
Die Stärke der neuen »alten« Universität liegt in den verbesserten
Studienbedingungen und der persönlichen Nähe der Studierenden zu
herausragenden Wissenschaftlern. Die Alma Mater wandelte sich
damit in einigen wenigen Fällen zu einer privilegierten Elite-Institu-
tion. Das Studium folgt weniger ökonomischen Anreizen als der wis-
senschaftlichen Neigung. Anders als in den Online-Organisationenversteht sich die Bildung an der Elite-Institution als Maßarbeit aus
Meisterhand. Wie im virtuellen Typus leistet man sich auch hier die
kostspieligen Disziplinen mit ihrer Grundlagenforschung – wie die
Archäologie, die Paläo-Anthropologie und die archaischen Sprachen,
die in den profitorientierten Institutionen ganz aus dem Lehrangebot
verschwunden sind. Die Absolventen dieser weltweit herausragenden, aber wenigen
Institutionen sind heiß begehrt, denn sie sind unverzichtbare Genera-
listen mit gut ausgebildetem Teamgeist und mit Führungsqualitäten.Aber wer schafft es schon, hier aufgenommen zu werden? Und wer
kann es sich leisten? Wer sich weder in den virtuellen noch in den
elitären Universitäten ein Studium leisten kann, bleibt auf die bishe-
rigen Hochschulen in staatlicher Trägerschaft angewiesen. Deren Ni-
veau krankt freilich mehr und mehr daran, dass die guten Professo-
ren und Mitarbeiter zu den neuen Formen abwandern, genauer gesagt:
dass sie wie im Profi-Fußball mit guten Angeboten abgeworben wer-
den. Und natürlich bleiben dann auch die besseren Studierenden weg.
22
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Szenario: Die Universität im Jahre 2005
Die Entscheidung des
Studenten: Karriere
oder Neigung?
Thomas S. steht also im Jahre 2005 vor einer gründlich gewandel-
ten neuen Bildungslandschaft. Er kann sich aus der Palette der Or-
ganisationen irgendwo auf der Welt eine auswählen. Wenn ihm dasheimische Bildungssystem unattraktiv erscheint, nutzt er ein anderes
– vorausgesetzt, er kann es sich leisten und seine Englischkenntnisse
sind gut genug. Doch kann er sich nicht nur global bedienen, er
kann sich auch sein Studium nach seinen eigenen Bedürfnissen zu-
sammenstellen. Ein Bildungsbroker ist dafür der richtige Ansprech-
partner. Diese Agenturen vermitteln zwischen dem Studenten als
Kunden und der Organisation als Anbieter und garantieren die Qua-
lität des Angebotes sowie die Zertifizierung der Examina.
Hilfestellung durch
Bildungsbroker
Die meisten Broker beraten auch bei der Wahl der Ausbildung. In
der Regel bieten sie dazu eine Prognose über die Chance auf eine
Anstellung bei gegebenem Notendurchschnitt zu einem gewünschten
Zeitpunkt nach dem Examen an. Einige von ihnen sind selbst als
Zertifizierer autorisiert – sie sind gewissermaßen die »TÜV-Prüfer«
unter den Brokern. Thomas S. schwankt noch in seiner Entscheidung zwischen Kar-
riere und Neigung. Dank seines Broker hat er jedenfalls ein klare
Vorstellung davon, welche Optionen und Perspektiven sich ihmbieten. Bevor er zu seinem Wunschstudium zugelassen wird, muss er
noch ein persönliches Profil seiner Neigungen und Potenziale erstel-
len lassen und wird dann wohl zumindest zu einer informierten Wahl
fähig sein. Die neuen Medien haben auf jeden Fall für eines gesorgt: Das Bil-
dungsangebot wurde transparenter. Und der Lernende liefert sich
nicht mehr dem institutionellen »push« aus, er wird nicht mehr nach
Notendurchschnitt und Verteilungsschlüsseln irgendwohin geschickt,
sondern bedient sich aus einem Angebot, trifft seine persönliche Ent-scheidung. Da fließen neben den Kosten dann auch die Qualitäten
des Bildungsangebotes ein, und immerhin ist die Qualität und ihre
Steigerung deutlich: Wer im Bildungsmarkt bestehen will, muss sich
der Konkurrenz und seinem Kunden stellen. Entschieden wird nach
Kosten und Nutzen.
Die Kosten des
»neuen« Studiums
Diese Wahl wird Thomas S. gewiss nicht leichtfertig treffen, denn
das Studium kostet außerhalb des öffentlichen Bildungssystems meis-
tens zwischen 3
000 und 15
000 Euro pro Jahr. Diese Kosten entste-
23
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
hen u. a. durch die hohen Produktionskosten für Multimedia und
durch die intensivere Betreuung während des Studiums, die dank des
Medieneinsatzes erreicht werden kann. Dieser direkte Kontakt zumDozenten bedeutet aber auch eine erhebliche Qualitätssteigerung für
das Studium.
Industrialisierung
der Bildung?
Da die neuen Bildungsfirmen nur begrenzt auf öffentliche Mittel
zurückgreifen können, müssen sie sich über ihre Studenten finanzie-
ren. Der Vater von Thomas S. beklagt diese »Industrialisierung der
Bildung«, wie er sie nennt – aber was kann man von der älteren
Generation schon anderes erwarten? Sie hat das alte Bildungssystem
mit ihren Steuern getragen und muss nun gleichwohl die Studienge-
bühren ihrer Kinder aufbringen. Außerdem ist sie es nicht gewohnt,
Kultur und Bildung als ein kostspieliges Produkt anzusehen. Thomas
sagt sich stattdessen, er sähe sich lieber von Bildungsmanagern als
Kunde umworben als von Beamten pflichtgemäß mit Ausbildung
versorgt. Wie wird seine Entscheidung fallen? Wird sie in erster Linie durch
die Kosten der Ausbildung und durch die späteren Karrierechancen
motiviert? Wird er sich überhaupt ein zutreffendes Bild seiner
Wahlmöglichkeiten im Reigen der Zertifikate machen können? Hater irgendeine Sicherheit, dass seine Qualifikationen überall akzeptiert
werden? Überlassen wir Thomas S. nunmehr sich selbst und betrach-
ten die neue Bildungslandschaft. Unsere wichtigste Frage lautet: Wird dieses Szenario im Jahre
2005 eingetreten sein? Und wollen wir überhaupt, wollen Gesell-
schaft und Politik im Europa des neuen Millenniums, dass dieses
Szenario real wird?
3 Korridore der Entwicklung
Hier stellt sich die Frage, welche Entwicklungen in diese Richtung
weisen und welche Handlungsspielräume sich zur Gestaltung anbie-
ten. Da es sich nicht um starre Trends, sondern um Spielräume han-
delt, sollen anschließend so genannte »Korridore« erörtert werden.
Korridore, weil wir hier noch offene Spielräume sehen, wenngleich
sie schon in eine bestimmte Richtung weisen. Der erste Korridor be-
24
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Szenario: Die Universität im Jahre 2005
trifft die geistigen Grundlagen der heutigen Universität: ihre Ge-
schichte und die Ideen, welche die Universität hervorgebracht und
getragen haben. Die Korridore zwei, drei, vier und fünf behandelndie Technik, die private und die staatliche Ökonomie sowie die
rechtlichen Rahmenbedingungen.
Korridor 1:
Geschichte
und Idee der
Universität
Die mittelalterliche Universität beruhte im Kern auf Formen der
mündlichen Vermittlung. Das entsprach den Kommunikationsmög-
lichkeiten der Zeit: Vorlesung, lectio, und Streitgespräch, disputatio,
standen im Mittelpunkt von Lehre, Forschung und wissenschaftli-
cher Auseinandersetzung. Auch das Buch war immer ein persönli-
ches Produkt: Es musste von Hand geschrieben werden und war
daher eine Kostbarkeit.
Kloster und Hof Organisiert wurde die Universität nach drei Modellen, die vereint
eine neue Institution ergaben: das Kloster als eine in sich geschlosse-
ne Gemeinschaft, die von einem geistlichen Orden getragen wurde;
die Zünfte und Gilden als Organisationsform der städtischen Wirt-
schaft (auch sie hießen damals universitas); sowie schließlich Frei-
heit in Gestalt besonderer Privilegien zur Selbstorganisation und
Wissenschaft, welche den Universitäten bei ihrer Gründung jeweils
von Kaiser oder Papst verliehen wurden. Die dominante gesellschaft-liche Kraft war – wie schon die meisten der berühmten Repräsentan-
ten wie Thomas v. Aquin und Albertus Magnus belegen – die Kirche
mit ihren Orden. In der Neuzeit erhielt das Wissen mit dem Buchdruck und der
Post eine neue Form. Es wurde nun nicht mehr persönlich weiterge-
geben, in den Bildungsinstitutionen vorgetragen und in die Feder
diktiert, sondern vermittelte sich durch einen Markt und das Trans-
portwesen. Die Kommunikation verlief seither nicht mehr primär
mündlich, sondern schriftlich: Neben den Büchern kursierten diewissenschaftlichen Periodika, ergänzt durch die persönliche Korres-
pondenz.
Entstehung der
Gelehrtenrepublik
Die Universitätsgründungen der Neuzeit sind fast durchweg staat-
liche Produkte, nunmehr getragen von den Landesherren. Diese Ent-
wicklung gipfelte in der Humboldtschen Universität. In ihr vereinte
sich eine neue staatliche Effizienz, nämlich die von Beamten mit einer
profunden Ausbildung getragene Bürokratie. Das Projekt glückte:
Die Universität wurde zum Inbegriff von Forschung, Lehre und In-
25
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
novation und verbreitete sich weltweit. Mit den elektrischen Kom-
munikationsmitteln, wie Telegraf und Telefon, und der Beschleuni-
gung der Transportmittel, wie Bahn, Auto und Flugzeug, wuchs dieGelehrtenrepublik zu einer globalen Gesellschaft zusammen.
Das forschende
Unternehmen
Mittlerweile hat jedoch die moderne Industrie sich des für sie
interessantesten Produktes der Universität, der anwendungsbezo-
genen Forschung, zunehmend selbst angenommen. Innovationen
werden immer seltener in der Universität erarbeitet. Seit dem 19.
Jahrhundert hat sich die Forschungslandschaft durch Forschungs-
einrichtungen und Gesellschaften neben der Universität differen-
ziert, so dass in Deutschland z. B. nur noch 2 Prozent aller Patente
aus den Hochschulen kommen. Ruhte der Erfolg des Humboldtschen
Universitätsmodells auf der Vereinigung von Forschung und Lehre
mit dem Ziel, die Effizienz zu steigern, so hat die zeitgenössische
Universität diesen strategischen Vorteil nicht mehr als ihr Monopol
inne. Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien stel-
len die Universität in eine neue Umwelt. Nunmehr überträgt sich das
Modell des Betriebes auf die Universität. Will die Universität im
neuen Millennium weiter existieren, wird sie sich dieser Betriebsformöffnen müssen, um die Qualität und Effizienz ihrer Ausbildung zu
steigern. Das wird sowohl zu einem Wandel der Binnenstruktur und
auch zu einer Integration der neuen Medien in Lehre und Forschung
als auch zur Kooperation mit privaten Formen führen – etwa in
Gestalt der Produktion von Inhalten.
Korridor 2:
Die Technik
Das Bildungssystem besaß, wie gezeigt, immer schon eine techno-
logische Basis, beispielsweise die Papierherstellung und den Buch-
druck. Andere Techniken, wie etwa der Brief und seine Logistik,
sorgten für die Kommunikation. Was hat sich nun geändert?Computer als
Integrationsmedium
Etwas Grundlegendes hat sich geändert: Die neuen Informations-
und Kommunikationstechnologien vereinen erstmals alle Techniken
des Bildungssystems und der Produktion in einem einzigen Instru-
ment, im Netzwerk der Computer. Die Instrumente der Mitteilung:
über den Computer. Die Instrumente des Lernens: mit dem Compu-
ter. Die Instrumente der Logistik und Archivierung: Datenbanken,
digitale Bibliotheken und Archive im Computer. Die Produktion
neuer Bildungsprodukte: am Computer. Planen, Konzipieren, Kon-
26
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Szenario: Die Universität im Jahre 2005
struieren, Simulieren, Umsetzen, Steuern, Kontrollieren: durch den
Computer.
Der Hauptnutzen liegt daher in der Fusion von kooperativemArbeiten, Informieren und Lernen sowie in der Geschwindigkeit,
Flexibilität und freien Konfigurierbarkeit aller Komponenten. Denn:
Alle diese Prozesse laufen im Computer ab. Durch die neuen Techno-
logien wird es möglich, Lehre, Selbststudium und spätere Weiterbil-
dung zu integrieren. Die gleichzeitige Möglichkeit zur kostengüns-
tigen Tele-Kommunikation macht die meisten Prozesse weitgehend
orts- und zeitunabhängig. Die Online-Medien werden in begrenztem Umfang von Speicher-
medien ergänzt. Deren Nachteil besteht darin, dass der physische
Träger transportiert werden muss und nur in geringem Maß (etwa
durch externe Ergänzungen) die Möglichkeit zur Aktualisierung er-
öffnet. Der Vorteil der höheren Geschwindigkeit beim Zugang zu
großen Datenmengen ist zwar heute noch gegeben, wird jedoch im
Jahre 2005 keine Rolle mehr spielen.
Korridor 3:
Die private
Ökonomie
Die neuen Medien ermöglichen eine kommerziell verwertbare
Produktion von Bildungsgütern neuer Qualität. Diese Bildungspro-
dukte bieten gegenüber dem Buch einen deutlichen Mehrwert: Aktu-alisierbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Flexibilität in der Anpassung
an Kundenwünsche, multimediale Optionen und höherer Unterhal-
tungswert, Integration einer Vielfalt von technischen Funktionen
(Suche, Hypertext-Verknüpfung, Interaktivität, Simulation etc.). Da-
rüber hinaus bietet ihr Einsatz eine kostengünstige Alternative zu
den bisherigen Weiterbildungsmaßnahmen in den Unternehmen und
ihren Verbänden. Dieser Einsatz reduziert personalintensiven Unter-
richt ebenso wie Abwesenheit vom Arbeitsplatz und Anmietung teu-
rer Tagungshotels. Die Produktion solcher technologisch hoch stehenden Bildungs-
güter wird aber nur dann rentabel, wenn dieser Prozess die gleiche
Rationalisierung erfährt wie alle bisherigen industriellen Produktions-
verfahren: Er muss taylorisiert werden, d. h., er wird in eine maßge-
schneiderte Folge von Arbeitsschritten zerlegt. Die Vorgänge werden
wie von Ingenieuren vermessen und standardisiert und dann in Vor-
gehens- und Organisationsmodelle umgesetzt. Diese Rationalisierung
erlaubt eine betriebswirtschaftliche Kostenrechnung für Bildungs-
27
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
produkte. Diese Kosten wiederum werden in Zukunft selbst auf elek-
tronischem Weg mit dem Kunden abgerechnet.
Soweit sich die Universität einer Qualitätskontrolle öffnet undsich im Produktionsprozess für Bildungsgüter selbst engagiert, kann
sie einen Teil dieses Marktes selbst erobern und ihren Gewinn davon
haben. Bei der Zukunft der Universität und der neuen Medien geht
es folglich nicht allein um das Lernen, sondern insgesamt um die In-
tegration des Wissens in den Produktionsprozess der Wissensgesell-
schaft. Das Stichwort heißt: Arbeiten ohne Medienbrüche. Arbeiten
meint hier: alle Wissensprozesse – vom Zugang zum Wissen, über
das Lernen, bis zur Kommunikation und zur Weiterverarbeitung zu
neuem Wissen. Durch die Digitalisierung können alle diese Prozesse
integriert werden.
Korridor 4:
Die Staatsfinanzen
Die neuen Medien werden sich also auch deswegen durchsetzen,
weil sie eine kommerziell verwertbare Produktion von Bildungsgü-
tern ermöglichen. Die Investitionen werden freilich die Möglichkei-
ten der Hochschulen in staatlicher Trägerschaft und mit rein staatli-
cher Finanzierung übersteigen. Daher verlagern sich die Investitionen
vom staatlichen in den privaten Sektor. Die Investitionsmöglichkei-
ten, die sich den Universitäten durch ihren staatlichen Träger eröff-nen, sind zu gering, zu langsam und zu unflexibel. Einerseits werden
Multimedia-Initiativen gefördert, andererseits Personalstellen und
Finanzen immer mehr beschnitten. Während die Maxime von der
unternehmerischen Eigeninitiative immer beliebter wird, sind die
rechtlichen Spielräume für ein solches Handeln unzureichend. Noch
herrscht der Glaube, eigenverantwortliche Unternehmungslust und
Risikobereitschaft ließen sich staatlich verordnen. Die Konkurrenz – insbesondere in der Wirtschaft der USA –
arbeitet nicht nur schneller, sondern auch mit größerem Mittel-einsatz und wird daher die staatlichen Universitäten auch in Deutsch-
land mit wachsender Konkurrenz bedrängen. Dieser Konkurrenz
kann man auf zwei Wegen Herr werden: durch Kooperation und
Anpassung (siehe Korridor 1) und durch die Entwicklung preis-
günstiger Alternativen.
Korridor 5:
Recht und
Zertifizierung
Auch im 21. Jahrhundert wird, zumindest anfangs, der Staat die
Kompetenz im Bildungsbereich innehaben. Schule und Ausbildung
betrachtet der moderne Staat als zentrale Staatsaufgaben. Doch meh-
28
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Szenario: Die Universität im Jahre 2005
ren sich die Anzeichen dafür, dass diese staatsrechtlich abgesicherte
Kompetenz allmählich ausgehöhlt wird.
In der globalen Wissensgesellschaft erleben wir eine entsprechen-de weltweite Beweglichkeit – aber nicht nur als Wissen, das als »In-
formation« durch die Netze wandert, sondern auch als Student und
Lernender, der sich im globalen Angebot tummelt. Diese Mobilität
erfordert, soll sie nutzbar sein, eine globale Standardisierung. Diese
Standardisierung beginnt auf regionaler Ebene – etwa in der Europä-
ischen Union und in Nordamerika, um sich von hier aus weltweit
durchzusetzen. Werden die Staaten eine andere Wahl haben, als sich
dieser Dynamik anzuschließen? Wie bei der Standardisierung von Industrieprodukten aller Art –
vom Kleinbildfilm bis zur Stahlproduktion, von Schnittstellen bis zur
Typologie der Buchstaben – etabliert sich ein globaler Standard der
Zertifizierung – und zwar mit oder ohne nationale Unterstützung.
Wer sich dem nicht anschließt, wird am künftigen Wettbewerb über-
haupt nicht mehr teilnehmen.
29
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Neue Technik verlangtneue pädagogische Konzepte
Empfehlungen zur Gestaltung und Nutzung
von multimedialen Lehr- und Lernumgebungen
Friedrich W. Hesse, Heinz Mandl, unter Mitarbeit von
Gabi Reinmann-Rothmeier, Steffen-Peter Ballstaedt
Thomas S. absolviert für ein halbes Jahr ein Praktikum. Die Arbeit
macht ihm Spaß, die Kollegen sind nett, alle loben seinen Einsatz.
Nur wenn es um sein Studium geht, nehmen Missverständnisse und
skeptische Nachfragen kein Ende. Selbst jüngere Kollegen, die erst
vor ein paar Jahren Examen gemacht haben, können sich nicht vor-stellen, wie das gehen soll: ein Studium, das größtenteils am Bild-
schirm stattfindet. Statt Seminare besucht Thomas Online-Diskussions-
foren. Meistens arbeitet er dort gemeinsam mit anderen Studenten
oder Tutoren aus seinem Jahrgang, mit denen er auch zu gemeinsa-
men Lehrveranstaltungen »im realen Leben« zusammenkommt. Aber
online trifft er des Öfteren auch hervorragende Wissenschaftler sei-
nes Studienfaches, bei denen sonst nie eine Sprechstunde zu bekom-
men war – nun diskutieren sie im Forum mit oder antworten auf
seine E-Mails.Fazit: Der Weg vom
Lernen zur Anwen-
dung wird kürzer.
Auf besonderes Misstrauen stoßen Thomas’ Berichte von den at-
traktiven Multimedia-Angeboten, die vielfach an die Stelle von Vor-
lesungen und Lehrbüchern getreten sind. »Alles nur Edutainment«,
ein paar ältere Kollegen waren sich zunächst einig – aber sie sind
nachdenklich geworden, seit alle sehen, dass Thomas nicht nur viel
weiß, sondern sein Wissen auch anwenden kann. »Wir arbeiten viel
mit Simulationen« erklärt Thomas dazu, »das konfrontiert uns mit
Situationen, in denen wir das Gelernte praxisnah anwenden müssen
31
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
und am weiteren Gang der Dinge schnell sehen, ob wir es richtig ge-
macht haben.«
Die enormen Fortschritte auf dem Sektor der neuen Informations-
und Kommunikationstechnologien bieten zweifelsohne eine hervor-
ragende Grundlage für die Qualitäts- und Effizienzsteigerung der
Hochschullehre. Doch die Annahme, die Technik allein könne diese
Steigerung bereits garantieren, ist ein Irrtum. Neben technischen
Neuerungen sind neue pädagogische und didaktische Konzepte für
die Gestaltung multimedialer Lehr-Lernumgebungen erforderlich, die
über einzelne Modeerscheinungen hinaus wirklich Bestand haben.
Die Beschaffenheit und der Erfolg dieser Konzepte hängen in hohem
Maße davon ab, welche Auffassung vom Lernen und Lehren sich
langfristig durchsetzt. Die bislang vorherrschende kognitivistische Lehr-Lernphilosophie
Eine integrative
Philosophie des
Lehrens und
Lernens verbindet
kognitivistische und
konstruktivistischeElemente.
geht von einem weitgehend problemlosen Wissenstransport vom
Lehrenden zum Lernenden aus. Lernen wird als ein weitgehend re-
zeptiver Prozess angelegt, der vom Lehrenden angeleitet und kontrol-
liert wird. Darin liegen gravierende Schwächen, die sich vor allem im
Phänomen des »trägen Wissens« manifestieren. Die konstruktivisti-sche Lehr-Lernphilosophie dagegen versteht Lernen als einen aktiven
Prozess, der von außen nur angeregt und unterstützt werden kann.
Allerdings mangelt es noch an theoretisch und empirisch gesicherten,
praxistauglichen Modellen. Vieles spricht heute für eine integrative
Lehr-Lernphilosophie, die unter dem Leitkonzept der Problemorien-
tierung kognitivistische und konstruktivistische Elemente bei der Ge-
staltung von Lernumgebungen verbindet. Die Forderung nach problemorientiertem Lernen geht davon aus,
dass Menschen ihr Wissen aktiv, erfahrungsabhängig, situations-gemäß und eingebettet in soziale Kontexte konstruieren, wobei den
Lernenden grundsätzlich die Fähigkeit und Bereitschaft zur Eigenver-
antwortung zugestanden wird. Eine solche aktive und eigenver-
antwortliche Wissenskonstruktion schließt allerdings systematische
Wissensvermittlung und instruktionale Unterstützung der Lernenden
keineswegs aus. Erst beides zusammen gewährleistet wirksame Lehr-
Lernprozesse. Eine Lernkultur, in der eigenverantwortliches Lernen und die Be-
32
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Neue Technik verlangt neue pädagogische Konzepte
Die Hochschulen
brauchen eine
Lernkultur, die zuraktiven Gestaltung
des Wandels befähigt.
reitschaft zum Wissens- und Erfahrungsaustausch kultiviert und so-
wohl für den Bereich der Forschung als auch für den Berufsalltag
eingeübt werden, gibt es an unseren Hochschulen nach wie vor nicht.Neben lernförderlichen Strukturen, Prozessen und Medien gehören
zu einer solchen Kultur Leitbilder und Visionen, in denen der Erwerb
flexibel nutzbaren Wissens ebenso angestrebt wird wie die Entfaltung
fachübergreifender Kompetenzen, die Motivierung zum lebenslangen
Lernen und die Entwicklung demokratischen Denkens und Handelns.
Ziel ist, alle Beteiligten zur Partizipation an relevanten Verände-
rungsprozessen zu befähigen. In der Entwicklung und Gestaltung einer neuen Lernkultur liegt
die große pädagogische Herausforderung der neuen Technologien.
Die neuen Medien können diesen Umbruch nicht nur anstoßen und
unterstützen, in gewisser Weise erzwingen sie ihn auch. Doch bei
allen Auswirkungen, die neue Techniken haben: Kulturelle Verände-
rungen erfordern zuallererst einen Wandel in den Köpfen der Betei-
ligten.
Die Potenziale der neuen Medien für die Hochschullehre
Multimediale und netzgestützte Lernumgebungen können sowohl in
der wissenschaftlichen als auch in der berufsvorbereitenden und -be-
gleitenden Ausbildung der Hochschule gewinnbringend eingesetzt
werden. Sie bieten enorme Vorteile für eine Steigerung der Effizienz
sowie für die Erhöhung der Qualität des Lehrens und Lernens und
schaffen für Lehrende und Lernende neue Freiräume im akademi-
schen Betrieb.
Steigerung von
Qualität und Effizienz Effizienzsteigerungen ergeben sich – nicht nur, aber vor allem –für Massenstudiengänge durch das Potenzial der neuen Medien,
bürokratische Abläufe zu vereinfachen, das Aktualisieren von und
Zugreifen auf Materialien zu optimieren und Informationen besser
zu verarbeiten. So erleichtern die neuen Verfahren allen Beteiligten
Verbesserte Abläufe
erleichtern Lehrenden
und Lernenden die
Arbeit.
den Zugang zu Veranstaltungs- und Prüfungsinformationen. Sie un-
terstützen den Zugang zu Literatur und anderen inhaltlichen Infor-
mationen, die etwa in Datenbanken verwaltet werden. Sie ermög-
lichen den orts- und zeitunabhängigen Zugriff und erleichtern die
33
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Aspekte einer
neuen Lernkultur
Weiterverarbeitung aller Dokumente ohne Medienbrüche. Durch
diese Vorteile können die Lehrenden an der Hochschule erheblich
entlastet werden. Außerdem erhöht sich die Transparenz der Lehr-Lerninhalte und -angebote an der Hochschule, was unmittelbare
Rückwirkungen auf die Qualität des Lehrens und Lernens hat. Zentrales Ziel des Medieneinsatzes ist die Qualitätssteigerung der
Hochschullehre. Hierfür sind fundierte Konzepte erforderlich, wel-
che die Potenziale der neuen Medien offenlegen, spezifizieren und
nutzbar machen – eine integrative Lehr- und Lernauffassung bildet
hierzu eine wichtige Basis.
Auswirkungen
auf die Hochschule
Im Folgenden sollen die Potenziale der neuen Medien näher er-
läutert und soll kurz diskutiert werden, inwieweit sie eine veränderte
Rollenverteilung innerhalb der Hochschule forcieren und struktu-
relle Veränderungen vorantreiben.
1. Eigenverantwortliches Lernen mit neuen Medien
Eigenverantwortlicher
Umgang mitInformation und
Wissen
Die Wissensgesellschaft stellt heute schon hohe Anforderungen an
die Kompetenz zum lebensbegleitenden Lernen. Eine zentrale Rollespielen dabei Bereitschaft und Fähigkeit, mit Hilfe der neuen Medien
einen eigenverantwortlichen Umgang mit Information und Wissen
zu praktizieren. Lehr-Lernumgebungen an der Hochschule müssen
der wachsenden Bedeutung des eigenverantwortlichen Lernens Rech-
nung tragen und Studierende aktiv darin unterstützen, entspre-
chende Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln.
Medien und Netze
als Werkzeuge
Die neuen Medien lassen sich sowohl online als auch offline und
in kombinierten Formen als »Werkzeuge« zum eigenverantwort-
lichen Lernen nutzen. Der große Vorteil besteht darin, dass multi-mediale Module zu individuellen Inhaltspaketen geschnürt werden,
einzelne Lernpfade zielbezogen angelegt und eigenverantwortlich be-
schritten werden können. Die Digitalisierung von Lehr-Lernmaterial
und deren Nutzung für das Selbststudium bedeutet nicht, dass Prä-
senzphasen obsolet werden, wohl aber, dass die Hochschulen von
der reinen Wissensvermittlung entlastet werden. Dafür werden Raum und Zeit für vertiefende Dialoge, Diskussio-
nen und sozialen Austausch an der Hochschule geschaffen. Und:
34
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Neue Technik verlangt neue pädagogische Konzepte
Der aktive Umgang mit neuen Medien forciert die Entwicklung von
Kompetenzen zum (persönlichen) Wissensmanagement, die in der
modernen Arbeitswelt immer mehr zu einem integralen Bestandteilberuflicher Tätigkeiten werden.
2. Problemorientiertes Lernen mit neuen Medien
Träges Wissen
belastet, aber
bewegt nicht.
Eine Vermittlung von Wissen, das vorrangig »träge« bleibt, kann
nicht Ziel der Hochschule sein. Vielmehr muss es um die Förderung
flexibel nutzbaren Fachwissens sowie um Kompetenzen für einen
intelligenten und lösungsorientierten Umgang mit Information und
Wissen gehen. Deshalb sollte die Hochschullehre mehr Anwen-
dungsbezug über authentische Kontexte herstellen und ein Lernen
anhand von Problemen (im Sinne von Fällen, Projekten oder persön-
lichen Erfahrungen) unterstützen. Lehr-Lernumgebungen sind daher
– wann immer es möglich ist – so zu gestalten, dass sie den Umgang
mit realitätsbezogenen Problemen und authentischen Situationen
ermöglichen und anregen. Um zu verhindern, dass situationsbezogen
erworbenes Wissen auf einen bestimmten Anwendungskontext fixiertbleibt, sollten spezifische Inhalte in verschiedene Situationen einge-
bettet und unter unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden
können.
Modelle und
Simulationen helfen,
erworbenes Wissen
übertragbar zu
machen.
Die neuen Medien und Verfahren gestatten weit mehr als her-
kömmliche Methoden und Medien das Einbetten von Information in
unterschiedliche Kontexte. Zur Verdeutlichung einige konkrete Bei-
spiele:
– Fallbasierte Computerlernprogramme vermitteln etwa in der Me-
dizinerausbildung ein hohes Maß an Authentizität.– Unternehmensplanspiele ermöglichen die situationsbezogene An-
wendung betriebswirtschaftlichen Wissens.
– Simulationssysteme aus dem Bereich der Ökologie erlauben rea-
litätsnahe Manipulationen biologischer und biochemischer Ab-
läufe.
Fälle, Problemsituationen, Mikrowelten und Modellierungssysteme
lassen sich vielfältig variieren und ermöglichen so Analysen und
Umsetzungen von Wissensinhalten unter multiplen Perspektiven. Für
35
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
das Bearbeiten von problem-, fall- oder projektbasierten Aufgaben
bieten darüber hinaus weltweite Datennetze eine unermessliche Fülle
an Informationsquellen, die jederzeit und überall genutzt werdenkönnen.
3. Kooperatives Lernen mit neuen Medien
Individuelles Lernen
und Kooperation – im
Netz kein Widerspruch
Auch wenn Lernen – vor allem an der Hochschule – auf den ersten
Blick vor allem ein individueller Prozess ist, spielen soziale Aspekte
beim Erwerb und bei der Anwendung von Wissen eine immer wich-
tigere Rolle. Nach dem Studium sehen sich Hochschulabsolventen
heute oft unvorbereitet mit Situationen konfrontiert, die in zuneh-
mendem Maße Teamfähigkeit und die Bereitschaft zum Wissens- und
Erfahrungsaustausch erfordern. Lehr-Lernumgebungen an der Hoch-
schule sollten daher kooperatives Lernen und Problemlösen fördern.
Phänomene wie verteilte Expertise und shared cognition infolge einer
Ko-Konstruktion von Wissen müssen bereits an der Hochschule
erfahr- und praktizierbar sein. Gruppenarbeit und teamorientierte
Projektarbeit, Tutorensysteme und Lerntandems, aber auch dieÖffnung der Hochschule für Kooperationen nach außen machen
soziale Kontexte erlebbar.
Das Netz als Medium
neuer sozialer
Kontexte innerhalb
und außerhalb der
Hochschule
Die neuen Medien sind geeignet, dem Lehren und Lernen in der
Hochschule neue soziale Kontexte zu erschließen. Durch Computer-
netze werden kommunikative und kooperative Aktivitäten an der
Hochschule prinzipiell aus ihren räumlichen und zeitlichen Begren-
zungen befreit. Zahlreiche Anwendungen wie E-Mail, News-Groups,
Teletutoring oder Tele-Kooperation sind Beispiele für unterschied-
liche Varianten netzbasierten kooperativen Lernens, die den her-kömmlichen sozialen Kontext an der Hochschule bereichern. Freilich
muss abgewogen werden, wann, wo und wie oft dies geschehen soll.
Und den direkten Kontakt zwischen Studierenden untereinander
sowie zwischen Lehrenden und Studierenden werden die neuen Me-
dien nicht ersetzen können. Im Gegenteil: Tatsächlich bedarf es sogar
der Erweiterung und Intensivierung der persönlichen Interaktion –
allerdings auf einem anderen Qualitätsniveau, als es zur Zeit an vielen
Hochschulen der Fall ist. Die neuen Medien können und sollen phy-
36
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Neue Technik verlangt neue pädagogische Konzepte
sische Möglichkeiten des Dialogs und der sozialen Konstruktion von
Wissen weder ersetzen noch verringern. Sie sollen vielmehr so einge-
setzt werden, dass sie den direkten sozialen Austausch ergänzen undauf Bereiche ausweiten, die ohne technische Unterstützung der ko-
operativen Auseinandersetzung verschlossen blieben.
4. Instruktionale Unterstützung mit neuen Medien
Systematische
Wissensvermittlung
und Anleitung bleiben
weiterhin erforderlich.
Weder das Plädoyer für mehr Eigenverantwortung noch die Forde-
rung nach problemorientiertem Lernen in authentischen und sozialen
Kontexten schließen traditionelle Elemente der Hochschullehre, wie
systematische Wissensvermittlung und instruktionale Anleitung und
Unterstützung, aus. Teamfähigkeit und (Tele-)Kooperation, die Bewältigung kom-
plexer Aufgaben unter Berücksichtigung verschiedener Perspektiven
sowie der eigenverantwortliche Umgang mit den neuen Medien und
entsprechenden Informationsfluten sind Wege und Ziele problemori-
entierten Lernens zugleich. Sie können daher nicht als selbstverständ-
lich vorausgesetzt werden – auch an der Hochschule nicht. Wannimmer hierfür Anleitung und Unterstützung erforderlich sind, müs-
sen sie den Lernenden gegeben, individuell angepasst und bei Bedarf
ausgeblendet werden. Auch für die »klassischen Aspekte« der Wissensvermittlung und
instruktionalen Unterstützung bieten die neuen Medien zahlreiche
Potenziale, die in der Hochschullehre genutzt werden können: Sie
eröffnen neue und ausbaufähige Wege für interaktiven Wissenser-
werb, indem sie beispielsweise direkte und individualisierte Rück-
meldungen (etwa bei Aufgaben und Übungen) ermöglichen. IhreFähigkeit zur Visualisierung und Simulation von Zusammenhängen
und Abläufen sowie die Möglichkeit der hypermedialen Aufberei-
tung von Lehr-Lerninhalten erhöhen nicht nur die Authentizität
(s. o.), sondern steigern auch die didaktische Qualität der systemati-
schen Wissensvermittlung. Da sie unterschiedliche Darstellungsfor-
men und Kodierungen ermöglichen, können sie verschiedenen Lern-
typen entgegenkommen. Es liegt auf der Hand, dass auch der Medieneinsatz selbst in man-
37
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Das »neue Lernen«
muss erst erlernt
werden – die neuenMedien bieten
die Mittel dazu.
cher Hinsicht angeleitet und unterstützt werden muss. Praktische Er-
fahrungen wie auch erste empirische Resultate weisen eindeutig da-
rauf hin, dass auch das Lernen in multimedialen Lernumgebungenerst erlernt werden muss: Hohe Komplexität und große Informa-
tionsmengen, die oft nur gering strukturiert sind, sind für die meisten
Studierenden ohne professionelle Unterstützung kaum zu bewältigen.
Dies gilt ebenso für das netzbasierte kooperative Lernen. Es verlangt
nicht nur ungewohnte kommunikative Fähigkeiten, sondern auch
technische Fertigkeiten und besondere Strategien zur Koordinierung
und Strukturierung in der (virtuellen) Gruppe. Ein Teil der notwen-
digen Hilfestellung kann in mediengestützte Systeme selbst integriert
werden, etwa durch Beispiellösungen, Expertenkommentare oder
Strategieanleitungen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, den
Einsatz der neuen Medien mit personengebundenen Lösungen wie
Tele-Tutoring oder direktem Coaching zu kombinieren.
5. Veränderte Rollenverteilung und strukturelle
Veränderungen durch neue Medien
Erforderlich:
ein neues
Rollenverständnis
der Lehrenden
Multimediale Lernumgebungen verlangen ein anderes Selbstver-
ständnis der Hochschuldozenten von ihrer Rolle. Um die Entwick-
lung der Hochschulen positiv zu beeinflussen, reicht es nicht aus,
ihnen das technische Rüstzeug zur Verfügung zu stellen. Ebenso-
wenig genügt die Entwicklung innovativer Lernkonzepte, um tat-
sächlich die Praxis der Hochschullehre zu verändern. Qualifizie-
rungsmaßnahmen, (direkter und elektronischer) Informations- und
Erfahrungsaustausch sowie eine aktive Partizipation der Lehrenden
an der Gestaltung multimedialer Lernumgebungen sind erforderlich,damit nicht nur technische Fertigkeiten erworben, sondern auch die
zugrunde liegenden konzeptionellen Ideen verstanden werden. Im
Rahmen multimedialer Lernumgebungen müssen traditionelle Auf-
gaben wie Informationspräsentation und Wissensvermittlung durch
Funktionen wie Coaching, Beratung und Unterstützung eigenver-
antwortlicher und sozialer Lernprozesse seitens der Studierenden er-
gänzt werden. Die neuen Lernformen verlangen nach grundlegenden Verände-
38
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Neue Technik verlangt neue pädagogische Konzepte
Die neuen Lernformen
verlangen und ermög-
lichen tief reichendeVeränderungen bei
Studieninhalten und
Prüfungsverfahren.
rungen in doppelter Hinsicht: Zum einen müssen Studieninhalte ent-
rümpelt und insbesondere an thematischen Schnittstellen fach- oder
disziplinübergreifend gestaltet werden. Zum anderen folgt daraus,dass auch innovative Prüfungsverfahren erprobt und eingeführt wer-
den müssen. Es macht keinen Sinn, auf der einen Seite nach anwen-
dungsorientierten Formen des Lernens, nach mehr Eigenverantwor-
tung sowie nach situationsunabhängigen Kompetenzen im Umgang
mit Wissen zu rufen, und auf der anderen Seite immer größere In-
formationsberge aufzutürmen, die in immer kürzeren Zeiträumen
verarbeitet werden sollen. Es macht auch keinen Sinn, einerseits
Teamfähigkeit, (Tele-)Kooperation und eine intelligente Nutzung
weltweiter Informationsressourcen zu fordern, und andererseits
Prüfungen nach dem Multiple-Choice- oder anderen traditionellen
Verfahren durchzuführen. Die Universitäten werden Prüfungen ent-
wickeln müssen, die Verständnis erfassen und die kooperative Pro-
blemlösungskompetenz und auch den Umgang mit den neuen Me-
dien berücksichtigen. Vernetzung und neue Medien erlauben einen
aktuellen, bedarfsorientierten und schnellen Zugriff auf Inhalte der
unterschiedlichsten Formen und verfügen damit über das erforder-
liche Potenzial. Die strukturellen Änderungen an den Hochschulen, die sich in
diesem Kontext vollziehen müssen, sind Spiegel stattfindender gesell-
schaftlicher Veränderungen. Jedes Ausweichen vor diesem Struktur-
wandel kann nur ins »Aus« führen.
6. Von Push zu Pull durch neue Medien
push:
– Angebots-
orientierung
– linear
– stark strukturiert
Lehren und Lernen waren bisher auf effiziente push-Angebote orien-tiert. Solche Angebote waren dann gut gestaltet, wenn sie einen an-
gemessenen linearen Aufbau und eine kohärente inhaltliche Darstel-
lung aufwiesen und wenn sie eine ansteigende Schwierigkeit und
Komplexität, ein ausgewogenes Zusammenspiel zwischen Text und
Bild, zwischen Beschreibung oder Erklärung und konkretisierenden
Beispielen beinhalteten. Der Lernende war gut auf das Angebot vorbereitet, wenn er auf-
merksam, motiviert und interessiert war, ein schnelles und gutes
39
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Auffassungsvermögen besaß, über entsprechende Strukturierungs-,
Verarbeitungs- und Abrufmöglichkeiten verfügte und zwischen rele-
vanten und irrelevanten Teilen gut unterscheiden konnte.pull:
– nachfrageorientiert
– modular
– schwach strukturiert
– orts- und zeit-
unabhängig
Bei medienbasierten und netzgestützten pull -Angeboten verändern
sich die Anforderungen und Gestaltungsempfehlungen erheblich. Die
Ausgangssituation wird von drei Elementen gekennzeichnet: (1) Es
gibt eine größere Anzahl von Lehrangeboten mit zunächst unbe-
kannter Qualität. (2) Die Inhalte sind häufig modularisiert und als
Hypertext aufbereitet. (3) Der Zugang zu Informationen ist zeit- und
ortsunabhängig.
Kompetenzen für
die eigenverant-
wortliche Nutzung von
Medienangeboten
Um pull -Angebote erfolgreich zu nutzen, muss der Lernende neue
Fähigkeiten entwickeln oder vorhandene entsprechend stärker aus-
bauen. Dazu gehören:
– (technische) Medienkompetenz,
– die Fähigkeit, die Qualität von Inhalt und technischer Realisie-
rung zu beurteilen,
– Differenzierung zwischen relevanten und irrelevanten Inhalten,
– die Fähigkeit, die eigene Lernkapazität realistisch einzuschätzen
und einen entsprechenden Umfang auszuwählen,
– die Fähigkeit, schwach strukturierte Informationsmengen nachsinnvollen inhaltlichen Zusammenhängen zu ordnen,
– die Fähigkeit, Metawissen aufzubauen, das sowohl Strategien zum
Lernen mit neuen Medien als auch Strategien des Zugriffs auf
externe Ressourcen enthält.
Höhere Anforderungen
an die Lernenden
erfordern gesteigertes
Problembewusstsein
bei den Lehrenden.
Es fällt auf, dass damit eine deutlich höhere Eigenverantwortlichkeit
mit einem Mehr an Selbststeuerung, Selbstkontrolle und auch Selbst-
motivation des Studierenden einhergeht. Die Studenten müssen sinn-
voll auswählen können und dafür geeignete Kriterien entwickeln.
Wenn es gelingt, diese Angebote adäquat zu gestalten und die Ler-nenden in die Lage zu versetzen, effizient mit solchen Angeboten um-
zugehen, werden die Studierenden mehr und bessere Lernmöglichkei-
ten erhalten. Hinsichtlich der Gestaltung multimedialer, netzbasierter
Lernumgebungen muss es deshalb darum gehen, die Gestaltungsspiel-
räume zu konkretisieren und daraus Empfehlungen abzuleiten. Hin-
sichtlich der Lernenden gilt es, ihre Medienkompetenz entsprechend
aufzubauen.
40
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Neue Technik verlangt neue pädagogische Konzepte
Empfehlungen für den Einsatz neuer Medien in der Hochschule
Das spezifischePotenzial der neuen
Medien nutzen
Erklärte Absicht dieser Empfehlungen ist es, in Ergänzung zu allge-meinen didaktischen Überlegungen die spezifischen Potenziale der
neuen Medien in den Vordergrund zu stellen. Damit ist klar, dass
kein allumfassendes, die medienspezifischen Punkte weit überschrei-
tendes, didaktisches Gestaltungskonzept vorgelegt wird. Vielmehr
geht es darum, verschiedene Lehr- und Lernformen zu skizzieren
sowie Empfehlungen zur technischen und inhaltlichen Gestaltung
von Lernumgebungen, zur Gestaltung ihres sozialen Kontextes und
zur Ausbildung von Medienkompetenzen zu formulieren.
1. Formen des Lehrens und Lernens
Selbstlernen oder
kooperativ Lernen –
beides erfordert tuto-
rielle Unterstützung.
Lernformen lassen sich unter anderem danach unterscheiden, ob der
Fokus mehr auf dem Selbstlernen oder auf dem kooperativen Lernen
liegt. Für beide Formen stellt tutorielle Unterstützung eine wichtige
Komponente dar.
Selbstlernformen weisen den Lernenden hohe Eigenverantwor-tung für ihren Lernerfolg zu. Sie nehmen über Netzwerke an Lern-
angeboten teil und setzen sich mit den jeweiligen Inhalten ausein-
ander. Dabei sind folgende Formen zu unterscheiden: CBT (Computer Based Training) präsentiert das zu vermittelnde
Wissen in einem Lernprogramm. Diese Lehreinheiten können als CD
an die Studierenden verteilt werden oder über Internet zugänglich
sein (WBT – Web Based Training).
Vorlesungen via
Internet
Auf Video aufgezeichnete Vorlesungen werden live gesendet oder
später von einem Server abgerufen. Sie ermöglichen es den Lernen-den, den Vorlesungen unabhängig von Ort und Zeit zu folgen. Die
Inhalte werden didaktisch in besonderer Weise aufbereitet, so dass
die Lernenden das Unterrichtsgeschehen am Rechner nachvollziehen
können. Ergänzend zur Vorlesungsaufzeichnung sind erläuternde
Animationen, ein Glossar und die verwendeten Folien abruf- und
ausdruckbar. Live-Übertragungen geben Lernenden die Möglichkeit,
Fragen zu stellen.
41
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Expertenrunden Videokonferenzen zwischen Experten zu einem Thema erlauben es
Studierenden, die Diskussion mitzuverfolgen; ein Moderator kann
Fragen von Zuhörenden in die Diskussion einbringen. KooperativeLernformen laufen in der Gruppe ab. Da sich jeder Teilnehmer in die
Gruppe einbringen muss, verlagert sich hier die Verantwortung für
den Lernerfolg zunehmend auf die Gruppe. Sie muss sich daher in
einerArtundWeiseorganisieren,dieLernenermöglicht(Zeitplanetc.).
Virtuelle Seminare In dieser netzgestützten Lernform erarbeiten Gruppen von Ler-
nenden zusammen ein Thema und präsentieren am Ende ein gemein-
sames Ergebnis. Zur Unterstützung der Gruppenarbeit stehen den
Lernenden über spezielle Werkzeuge gemeinsame Arbeitsbereiche,
Diskussionsforen und themenspezifische Ressourcen zur Verfügung.
Diskussionsgruppen In Diskussionsgruppen können wie bei den Expertenrunden Video-
konferenz-Technologien eingesetzt werden. Die Diskussion ist für
alle Beteiligten offen. Deshalb ist es wichtig, eine geeignete Gruppen-
größe zu wählen, bei der alle Teilnehmenden eine Chance auf Beteili-
gung haben. Experten können zu Diskussionsgruppen eingeladen
werden.
Online-Übungen Im Gegensatz zu virtuellen Seminaren liegt bei Online-Übungen
der Schwerpunkt auf der Unterstützung der Lernenden in einem spe-ziellen Themengebiet. Ein Tutor vertieft ein Thema; er stellt konkrete
Aufgaben, die von den Lernenden bearbeitet werden. Anschließend
erhalten sie vom Tutor Rückmeldung über die Qualität ihrer Lösung.
Formen tutorieller
Unterstützung
Sowohl in Selbstlernformen als auch in Kooperativen können
beim Lernen mit neuen Medien Fragen und Probleme auftreten. Des-
halb ist es wichtig, dass sich die Lernenden mit Fragen an den Do-
zenten wenden können.
Online-Sprechstunde Hier ist der Dozent zu gewissen Zeiten über Videokonferenz oder
Chat erreichbar und beantwortet Fragen von Lernenden.Diskussionsforum Fragen und Anregungen werden in einem für alle Mitglieder einer
bestimmten Gruppe zugänglichen Bereich des Netzes hinterlegt. Der
Dozent oder andere Studierende beantworten die Fragen bzw. stellen
ihre Sicht zu dem Thema dar. Der Lernende kann sicher sein, beim
nächsten Besuch eine Antwort auf seine Frage zu finden.
E-Mail-Support Die Lernenden wenden sich mit ihren Fragen per E-Mail direkt an
den Dozenten – und können sicher sein, kurzfristig eine Antwort zu
erhalten.
42
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Neue Technik verlangt neue pädagogische Konzepte
Expertenkontakte Zusätzlich zum Dozenten stehen den Lernenden weitere Experten
zur Verfügung, an die sie sich mit Fragen zu themenspezifischen De-
tails wenden können.
2. Modularisierung des Wissens
Im Gegensatz zum Vortrag oder Buch bieten die neuen Medien Wis-
sen nicht prinzipiell in einer linearen Abfolge von Kapiteln, Unterka-
piteln und Abschnitten an, sondern in vernetzten Wissensmodulen.
Die hypertextuelle Aufbereitung von Wissen ist eine neue Anforde-
rung für die Lehrenden, die zwei Schritte umfasst: Zunächst muss das Wissen in inhaltlich möglichst abgeschlossene
und selbstständige Module unterteilt werden. Ein Modul ist eine
minimale Lerneinheit, die – mit anderen Modulen verknüpft – zu
einem Themenkomplex kombiniert werden kann. Für die Präsenta-
tion auf dem Bildschirm ist eine Modulgröße anzustreben, die nur
einmaliges Scrollen erfordert.
Eine guided tour
führt durch dieLerneinheit und
erläutert den
Lernstoff.
In einem zweiten Schritt müssen die Module über Links miteinan-
der verknüpft werden. Für die Organisation des Wissens stehen for-male Strukturen und inhaltliche Schemata zur Verfügung. Bei der
Vernetzung sind nicht nur sachlogische, sondern auch didaktische
Aspekte von Bedeutung. In bestimmten Wissensbereichen kann es
sinnvoll sein, eine lineare guided tour vorzusehen.
Orientierung
in Hypertext
Wissen in hypertextuellen Strukturen erfordert Hilfen zur Orien-
tierung und Navigation, damit sich ein Lernender nicht im Netz der
Verknüpfungen verliert. Ein brauchbares Navigationssystem muss
den Lernenden jederzeit darüber informieren,
– wo er sich gerade innerhalb der Gesamtstruktur befindet,– wohin er von der aktuellen Position gelangen kann,
– wo er ein gesuchtes inhaltliches Modul findet.
43
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
3. Interaktivität
Interaktivität istentscheidend für
die Lernhaltung.
Ein didaktisch innovativer Aspekt der neuen Medien liegt in derInteraktivität zwischen Benutzer und Programm. Interaktivität be-
deutet stets Rückmeldung. Der Benutzende macht eine Eingabe und
das Programm reagiert in bestimmter Weise darauf. Interaktive Ele-
mente im Lernmaterial begünstigen eine aktive und konstruktive
Lernhaltung, da der Studierende immer wieder zu Reaktionen aufge-
fordert wird, auf die er eine Rückmeldung bekommt, die wiederum
zu Eingaben Anlass gibt usw.
Formen der
Realisierung von
Interaktion
In einer effektiven medialen Lernumgebung sollte ein hoher Anteil
an interaktiven Elementen realisiert sein. Die von ihnen ausgehenden
Rückmeldungen erhalten die Lernmotivation aufrecht und begünsti-
gen die aktive Aneignung des Wissens. Interaktion wird in folgenden
Formen realisiert:
Grafische Navigation – direkte Navigation über Icons, Menüs, grafische Browser. Sie er-
laubt die Selektion von Lerneinheiten (Modulen) und die indivi-
duelle Gestaltung von Lernwegen bei hypermedialer Aufbereitung
des Wissens; hierher gehört auch die alternative Wahl verschiede-
ner Darstellungsformen, z. B. Tabelle oder Diagramm, Text oderBild;
clickables – aktive Exploration von Abbildungen, Tabellen, Charts, Diagram-
men; durch Anklicken bestimmter Bereiche wird weitere Informa-
tion zur Verfügung gestellt, wie z. B. Detailansichten, Beschriftun-
gen, genaue Daten, Zusatztexte usw.;
Simulationen – Einbindung von Simulationen. Simulationen sind kognitive Werk-
zeuge zum Verstehen dynamischer Systeme und zur Lösung von
komplexen Problemen; in virtuellen Labors lassen sich z. B. durch
Eingaben Experimente durchführen, deren Ergebnisse visualisiertausgegeben werden; Simulationen sind in Realitätsbereichen un-
verzichtbar, in denen reale Beobachtungen nicht möglich oder ge-
fährlich sind;
Rückmeldungen – direkte Rückmeldung zu Lösungen von Aufgaben und Übungen;
diese sind besonders nützlich, wenn sie nicht nur aus »richtig«
oder »falsch« bestehen, sondern aufgrund einer Lernermodellie-
rung auch Hinweise auf den jeweiligen Fehler und seine Beseiti-
gung geben (individualisierte Rückmeldung).
44
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Neue Technik verlangt neue pädagogische Konzepte
Zwischen Eingabe und Rückmeldung sollte so wenig Zeit wie mög-
lich verstreichen, damit der Benutzer die Rückmeldung als unmittel-
bar durch sich verursacht erlebt. Mit zeitlichem Abstand sinkt dasGefühl der Verursachung, auch wenn das Wissen um eine verzögerte
Wirkung vorhanden ist. Hier wirkt ein zeitlicher Gestaltfaktor.
4. Visualisierung
Die »visuelle Wende«
oder »Ein Bild sagt
mehr ...«
Da lange Texte nicht gern auf dem Monitor gelesen werden, erfor-
dert die Präsentation von Wissen auf dem Bildschirm auch die Ver-
wendung nichtsprachlicher Darstellungsformen. Nachdem die digi-
tale Bilderstellung und -bearbeitung sowie die Datenkompression in
den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht haben, wird der
Anteil visueller Information als Ergänzung oder Ersatz der Sprache
weiter ansteigen. Die ausgerufene »visuelle Wende« bedeutet eine
neue sinnliche Qualität des Lernens, die mehr auf die Veranschauli-
chung als auf die sprachliche Beschreibung und Erklärung setzt.
Multiple
Repräsentation:Jeder nach seiner
Wahrnehmung
Einer der besonderen Vorzüge multimedialer Vermittlung ist die
Möglichkeit, verschiedene Darstellungsformen anzubieten (Multi-codierung und Multimodalität). Jeder kann sich Wissen in der ihm
entsprechenden Präsentationsform aneignen. Auch wenn es den
viel beschworenen visuellen Lerntyp nicht geben sollte, fördert das
doppelte Informationsangebot eine multiple mentale Repräsenta-
tion. Eine Form der Visualisierung findet derzeit besondere Beachtung:
die Animation. Durch Animation (Zeitraffer, Zeitlupe, Morphing)
können dynamische Prozesse visualisiert werden, die dem Auge in
der Realität nur schwer zugänglich sind. Animationen bringen fürdie Wissensvermittlung folgende Vorteile:
– Bewegung ist für das visuelle System ein starker Reiz, der eine
Zuwendungsreaktion auslöst. So kann über dynamische Bildan-
teile die Aufmerksamkeit gesteuert werden.
– Mentale Fähigkeiten wie z. B. das räumliche Vorstellen oder das
visuelle Vergleichen werden durch Animationen unterstützt: Ex-
tern vorgeführte Abläufe werden intern nachvollzogen.
– Abbildungen und Visualisierungen bieten Material für den Auf-
45
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
bau mentaler Modelle, mit denen Abläufe und Problemlösungen
geistig simuliert werden können.
Eine wichtige Variable für die Gestaltung von Animationen ist dieBewegungsgeschwindigkeit. Zu schnell ablaufende Animationen sind
ineffektiv für das Lernen, zu langsam ablaufende Animationen wer-
den als unangenehm erlebt. Deshalb ist es sinnvoll, den Lernenden
die Möglichkeit zu geben, die Geschwindigkeit der Bewegungen und
Abläufe selbst einzustellen. Unser Modellstudent Thomas S. nutzt die Online-Angebote seiner
Hochschule sehr rege. Durch die Möglichkeit, sich manche Vorle-
sung im Internet abzurufen, kann er über die Praktikumszeit hinaus
in einem Betrieb mitarbeiten und sich früh mit der Berufswelt aus-
einandersetzen. Die Kommunikation mit dem Tutor und den Dozen-
ten funktioniert online auch recht gut. Schwierig ist der Kontakt mit
seinen Arbeitsgruppen. Der Wissensstand ist oft sehr unterschied-
lich, und manche Kommilitonen kennt er gar nicht persönlich. Es ist
schwierig, sich über Regeln und Ziele zu verständigen. Besonders zu
Semesteranfang, wenn sich die neuen Gruppen bilden, ist das On-
line-Arbeiten zu anonym. Der Fachbereich, an dem er studiert, hat
die Defizite erkannt und sich die Arbeit in internationalen News-groups angeschaut. Auch dort ist die soziale Komponente eine we-
sentliche Voraussetzung für den Kontakt zwischen Personen, die sich
vielleicht nie im realen Leben begegnen werden. Mit einer Reihe von
Maßnahmen wird die Gruppenarbeit künftig verbessert:
5. Gestaltung des sozialen Kontextes
Mit Lernmaterial
allein geht es nicht.Medienbasierte Lernumgebungen können in hohem Maße nutzer-freundlich und lernförderlich gestaltet werden. Darüber hinaus be-
darf ihr Einsatz in aller Regel jedoch einer sozialen Einbettung, wie
z. B. durch die Unterstützung der sozialen Präsenz, der Bildung eines
gemeinsamen Wissenshintergrundes und der Erleichterung der Grup-
penkoordination. Auch die Unterstützung eines effektiven Informa-
tions- und Nachrichtenaustausches in der Gruppe ist unabdingbar. Mangelnde soziale Präsenz und Schwierigkeiten, einen gemeinsa-
men Wissenshintergrund zu generieren, stehen in enger Wechselwir-
46
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Neue Technik verlangt neue pädagogische Konzepte
kung mit der Koordination der Gruppenaktivitäten. Werden keine
geeigneten Maßnahmen zu ihrer Bewältigung ergriffen, erschweren
sie die reibungslose Kommunikation und das gemeinsame Verständ-nis der Gruppenmitglieder untereinander sowie die Abstimmung der
Arbeitsaktivitäten.
Das persönliche
Porträt im Web
– Eine Maßnahme zur Erhöhung der sozialen Präsenz besteht darin,
Information über die Teilnehmer und die Konferenz oder Arbeits-
gruppe bereitzustellen. So könnte jeder Teilnehmer zu Beginn
seinen persönlichen Auftritt gestalten. Dabei wählt er ein Porträt-
foto von sich aus und gestaltet ein eigenes Monogramm, mit dem
er zukünftig seine Nachrichten signiert. Ferner stellt er eine allen
zugängliche Liste mit den Aufgaben zusammen, die er für die
Gruppe übernimmt und macht Angaben zu seinem Ausbildungs-
und Wissenshintergrund. Darüber hinaus können in einem Teil-
nehmerverzeichnis alle Gruppen- oder Konferenzmitglieder auf-
geführt und aus einem who-is-online-Verzeichnis die jeweils aktu-
ell beteiligten Mitglieder ersichtlich sein.
– Um soziale Beziehungen zu unterstützen, kann ein Konferenzmo-
dul eingerichtet werden, das die Möglichkeit für informelle, per-
sönliche Mitteilungen bietet (i. S. einer Cafeteria). Der dadurchangeregte nicht-aufgabenbezogene Austausch hat gleichzeitig den
Vorteil, die themengebundene Gruppenarbeit von zusätzlichen
persönlichen Beiträgen zu entlasten.
Hilfsmittel der
nonverbalen
Kommunikation
– Um fehlende nonverbale Kommunikationsmöglichkeiten zumin-
dest ansatzweise auszugleichen und der mangelnden sozialen Prä-
senz entgegenzuwirken, können emoticons, wie z. B. Icons mit
unterschiedlichen Gesichtsausdrücken (Chernoff-Gesichter) ver-
wendet werden, die der Teilnehmer anklicken und mit denen er
seine jeweilige Stimmung signalisieren kann.– Speziell zur Förderung des gemeinsamen Wissenshintergrundes
kann eine Art Teilnehmer-Protokoll zu jeder versendeten Nach-
richt dienen. Dies ermöglicht den Teilnehmern, sich bei jedem
Beitrag darüber zu informieren, von wem eine Nachricht kommt
und wer sie wann bereits gelesen hat. Eine weitere Informations-
funktion haben Konferenzarchive. Sie bieten jedem Teilnehmer
die Möglichkeit, sich in Ruhe zu vergegenwärtigen, was bereits
diskutiert und erarbeitet wurde. Eine so ausführliche und genaue
47
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Dokumentation des Arbeitsprozesses ist in herkömmlichen Grup-
pen kaum möglich.
Regelung derTeilnehmerrechte
– Entsprechende Informationen sollten regelmäßig in nicht zu lan-gen Zeitintervallen auf den neuesten Stand gebracht werden. Ins-
gesamt ist anzustreben, dass die Konferenzteilnehmer ständig
darüber informiert sind, wenn ein Teilnehmer oder eine Subgrup-
pe ein gemeinsames Arbeitsprodukt weiterentwickelt oder Verän-
derungen vorgenommen hat.
6. Medienkompetenz
Die Medien machen
ein Angebot – lernen
muss jeder selbst.
Lernen selbst kann nur durch den Studierenden geleistet werden. Erst
durch die bei ihm ablaufenden Verarbeitungsprozesse wird aus ange-
botenen oder ausgewählten Informationen Wissen. In den bisherigen
Abschnitten wurde das Lehrangebot daraufhin betrachtet, wie es z. B.
technisch und instruktional zu gestalten oder wie der darin enthal-
tene Inhalt aufzubereiten ist. Entscheidend ist aber zusätzlich, dass
der Lernende das medial aufbereitete Angebot aufgreifen, auswählen
oder aber auch mitgestalten kann.Medienkompetenz –
dazu gehören:
allgemeine
Kompetenzen
Zu solchen »erwünschten« Eigenschaften zählen auf einer allge-
meinen noch eher medienunspezifischen Ebene:
– eigenverantwortliches Handeln,
– selbstgesteuertes und selbstkontrolliertes Vorgehen,
– interaktives und kooperatives Arbeiten,
– selbstkonstruierendes Lernen anhand relevanter Frage- und Pro-
blemstellungen.
Technikkompetenz Für die Arbeit mit multimedialem Lehrmaterial und das Lernen im
Netz kommen weitere wichtige Bestandteile dazu:– der technische Umgang mit den neuen Medien,
– die Fähigkeit, sich zu orientieren und zu navigieren,
– die Fähigkeit, Qualitätskriterien für die Auswahl medialer Ange-
bote zu entwickeln,
– die Fähigkeit, Informationen effizient zu suchen,
– die Fähigkeit, hypertextuelle Bausteine und Module auch da in
kohärente Wissensstrukturen umzusetzen, wo solche Strukturen
nur schwach angelegt sind,
48
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Neue Technik verlangt neue pädagogische Konzepte
– die Entwicklung einer Motivation zum (medien- und problemba-
sierten) Lernen.
Soziale KompetenzUnter Einbeziehung der sozialen Komponenten erweitern sich dieseAnforderungen noch um
– die Fähigkeit zur effizienten netzbasierten Kommunikation,
– die Fähigkeit zur Kooperation und Kollaboration in virtuellen
Lerngruppen.
Die Entwicklung dieser Medienkompetenz bei einem Studierenden
bedarf zunächst einer technisch, instruktional und sozial gestalteten
Lernumgebung. Zusätzlich erforderlich sind ein entsprechendes Trai-
ning und eine insgesamt medienfreundlich gestaltete Lernkultur.
Die Herausforderung annehmen
Den Wandel
beherrschen
Die Hochschulen können sich der Nutzung neuer Medien und dem
damit einhergehenden Strukturwandel nicht entziehen. Denn vor
dem Hintergrund der gesellschaftlichen Veränderungen, die lebens-
langes Lernen erfordern, nimmt die Bedeutung des problemorientier-
ten und eigenverantwortlichen Lernens ständig zu. Es ist die Aufgabeder Hochschule, die Lernenden auf die Anforderungen der Berufs-
welt vorzubereiten. Die Herausforderung besteht darin, den Wandel
zu beherrschen, indem die neuen Medien zur Gestaltung einer neuen,
zukunftsorientierten und emanzipatorischen Lernkultur genutzt wer-
den.
49
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Qualitätssicherung interaktiverStudienangebote
Ulrich Glowalla, Heinz Lothar Grob, Rainer Thome
»Das ist wie bei anderen hochwertigen Produkten auch«, erklärt der
Studienberater, »vor dem Kauf muss man sich genau überlegen, was
man wirklich benötigt und wie viel man dafür ausgeben will.« Tho-
mas S. hatte bei der Zusammenstellung seines Halbjahresplanes die
Übersicht über die große Zahl der Angebote verloren und einen
Beratungstermin vereinbart, nicht online, sondern als Gespräch von
Mensch zu Mensch. Und nun hört er, dass die Entwicklung multi-medialer Lehrangebote von aufwendigen Verfahren der Qualitäts-
sicherung und Zertifizierung begleitet wird, die erhebliche Auswir-
kungen auf den Preis der Lehreinheiten haben können. Weiterhin erfährt er, dass das Verhältnis von Preis und Quali-
tät nicht in jedem Fall eindeutig ist. »Manche Verfahren der Quali-
tätssicherung führen zu einer sehr rationellen Produktion, die sich
dann auch in günstigen Preisen niederschlägt«, führt der Berater aus,
»andererseits garantiert eine sehr umfassende und damit auch teure
internationale Zertifizierung nicht per se, dass eine Unterrichtsein-heit in Ihre persönliche Studienplanung passt und die ins Auge ge-
fasste spätere Tätigkeit fördert.«
Größere Freiheit
bei der Wahl der
Studieneinheiten
stärkt den Wunsch
nach Orientierung
und Bewertung.
Als Konsequenz aus dem Gespräch wird Thomas S. demnächst
einen freiberuflichen Broker aufsuchen, der ihm bei der individuellen
Zusammenstellung seiner Bildungsbausteine behilflich ist – gegen
Honorar. Zuvor will er sich jedoch endlich einmal intensiv mit den
Ranking-Listen und Diskussionsgruppen im Internet befassen, in
denen sich die Erfahrungen von Studierenden und Prüfern mit vieler-
51
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
lei Lehrangeboten niederschlagen. Die neue Freiheit der individuellen
Zusammenstellung des Lehrstoffes, so hat Thomas S. inzwischen ge-
lernt, hat ihren Preis – und der drückt sich nicht nur in Euro aus,sondern auch in der Anstrengung, aus dem globalen Angebot ein zu-
kunftssicheres individuelles Curriculum zusammenzustellen.
Gefragt: Globale Bildungsangebote für lifelong learning
Die Zunahme des Wissens und immer kürzer werdende Innovations-
zyklen haben alte Lern- und Arbeitsmodelle obsolet werden lassen.
Neue Modelle des lebenslangen Lernens sind gefragt. Dazu gehört
eine Verkürzung der Studienzeiten ebenso wie eine Konzentration
auf Kernkompetenzen und Schlüsselqualifikationen. Aufbau und Inhalt des Studiums müssen effizienter und zielgerich-
teter ausgelegt werden. Innovative und – ganz wesentlich – interak-
tive Bildungsprodukte können dazu beitragen. Die veränderte Ausbildungssituation bietet den Hochschulen die
Chance, am quartären Bereich der Weiterbildung teilzuhaben. Das ist
für sie und die Hochschullehrer als zentrale Lieferanten der Inhalteallerdings nur dann interessant, wenn sich die rechtlichen und insti-
tutionellen Voraussetzungen ändern. Das Angebot von Bildungs-
produkten im quartären Bereich verlangt, dass nach marktwirtschaft-
lichen Prinzipien entwickelt und vermarktet wird: Marketing und
Brokerage sind dazu unentbehrlich.
Modelle des
lebenslangen Lernens
erfordern den Wandel
der Universitäten.
Neben Wissenszuwachs und Innovationszyklen tritt als weiterer
Faktor die globale Vernetzung durch das Internet hinzu. Viele
Dienstleistungen und damit auch Bildungsprodukte lassen sich global
anbieten und abwickeln. Da die Möglichkeiten zur kommunikati-ven Unterstützung webbasierter Bildungsmaßnahmen kontinuierlich
zugenommen haben, ist der strategische Standortvorteil der deut-
schen Universitäten als lokaler Anbieter gegenüber globalen Mitbe-
werbern deutlich zurückgegangen. Alle Ivy-League-Universitäten
beispielsweise bauen verteilt über den Globus internationale campus
sites auf, um den Teil ihrer Angebote, der den persönlichen Aus-
tausch erfordert, kundennah anbieten zu können. Da global operie-
rende deutsche Unternehmen zunehmend an einer Internationalisie-
52
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Qualitätssicherung interaktiver Studienangebote
rung ihrer human ressources interessiert sind und deshalb solche
Angebote gern nutzen, erhöht sich damit der Konkurrenzdruck auf
deutsche Universitäten. Die Ivy-League-Universitäten können übrigens als Beleg dafür
dienen, dass eine marktwirtschaftliche Komponente in der Universi-
tätsorganisation keineswegs mit einer Verschlechterung des Lehr-
und Forschungsangebotes einhergehen muss.
Neuorientierung
der deutschen
Universitäten hin zu
marktwirtschaftlicher
Konkurrenzfähigkeit
Die extreme Verknappung öffentlicher Mittel hat auch die Uni-
versitäten schwer getroffen. Die Kürzungen sind – ohne Aussicht auf
kurz- oder mittelfristige Änderung – so gravierend, dass an einigen
Standorten bzw. in einigen Universitätsbereichen kaum noch ein
geordneter Lehr- und Forschungsbetrieb aufrechterhalten werden
kann. Die Mittel, die von Bund und Ländern sowie einigen Stiftun-
gen für die Entwicklung interaktiver Bildungsangebote bereitgestellt
werden, sind im Vergleich zu den Mitteln der Ivy-League-Universitä-
ten und neuer finanzkräftiger Anbieter (z. B. Microsoft) viel zu ge-
ring, als dass der globalen US-amerikanischen Bildungsoffensive mit
großer Aussicht auf Erfolg begegnet werden könnte.
Reform der deutschen
Bildungspolitik imHinblick auf
Konkurrenzfähigeit
mit US-amerikani-
schen Universitäten
Die Situation wird dadurch verschärft, dass den deutschen Hoch-
schulen die institutionellen und rechtlichen Voraussetzungen fehlen,ihre Bildungsprodukte global anzubieten und damit Gewinne erwirt-
schaften zu können.Wenn sich das nicht ändert, werden wir auch in
Bezug auf universitäre Bildungsprodukte Verhältnisse bekommen,
wie sie uns im Printbereich vor allem in den Naturwissenschaften seit
langem bekannt sind: Die Bildungsverantwortlichen goutieren bevor-
zugt Publikationen in amerikanischen Fachzeitschriften, und deut-
sche Hochschullehrer sind in zahlreichen Fächern dazu übergegan-
gen, ihre Studierenden auf der Basis amerikanischer Lehrbücher zu
unterrichten. Die politisch Verantwortlichen in der Bundesrepublikmüssen sich daher die Frage stellen, ob wir mit der Aufgabe des top-
level -Bildungsanspruches auch den Innovationsanspruch des Stand-
ortes Deutschland aufzugeben bereit sind oder die Kraft finden,
schnell, strategisch geplant und umfassend gegenzusteuern.
53
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Elemente einer strategischen Bildungsoffensive
Ein wichtiges Element einer solchen Offensive wird im Einsatz inter-aktiver Bildungsangebote im Rahmen veränderter universitärer Cur-
ricula bestehen. Die Entwicklung solcher Bildungsangebote sollte im
Wechselspiel von Qualitätsprüfung und Qualitätsentwicklung auf
der Basis empirisch abgesicherter Befunde stattfinden.
Qualität prüfen und entwickeln
Interaktive
Bildungsangebote als
wichtiges Element
einer strategischen
Bildungsoffensive
Will man wissen, wie gut ein Produkt geeignet ist, seinen Zweck zu
erfüllen, muss man das anhand anerkannter, zuvor bestimmter Qua-
litätskriterien und im Rahmen eines gegebenenfalls mehrgliedrigen
Evaluationsprozesses überprüfen. Das gilt für ein einfaches Werk-
zeug wie einen Schraubenzieher ebenso wie für ein komplexes techni-
sches System oder ein interaktives Bildungsprodukt im Rahmen der
universitären Lehre. Der Qualitätssicherungsprozess kommt im Allgemeinen nicht zu
dem Ergebnis, dass man bereits das ideale Produkt gefunden hat,sondern führt zu einer Stärken-/Schwächenanalyse. Diese kann man
im Sinne der Qualitätsentwicklung nutzen, um die festgestellten De-
fizite durch geeignete Vorkehrungen zu beseitigen und neue Er-
kenntnisse strategisch geplant in die Produktentwicklung einzubezie-
hen. Zur Förderung der Akzeptanz qualitätssichernder Maßnahmen ist
es von großer Wichtigkeit, alle relevanten Personen und Institutionen
an der Festlegung der Qualitätskriterien zu beteiligen. Außerdem
müssen die vereinbarten Qualitätskriterien allen daran Interessiertenzugänglich gemacht werden.
Tranzparenz der
Qualitätskriterien
als Bedingung für
größere Akzeptanz
Bei Bildungsprodukten denkt man im Hinblick auf die Qualitäts-
sicherung zunächst an die Feststellung der Lerneffektivität: Ist das
zu evaluierende Bildungsprodukt geeignet, das angestrebte Lernziel
möglichst schnell, gut und nachhaltig zu erreichen? Der Aspekt der
Kosten-Nutzen-Relation bleibt demgegenüber vielfach unberücksich-
tigt. Daher sind bei der Beurteilung von interaktiven Bildungspro-
dukten mindestens zwei zentrale Qualitätsbereiche zu beachten:
54
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Qualitätssicherung interaktiver Studienangebote
Zentrales Anliegen eines Bildungsproduktes ist die möglichst
leicht verständliche und nachhaltige Vermittlung bestimmter Qua-
lifikationen, wobei diese Qualifikationen von Wissen bis Anwen-dungs- und Beurteilungskompetenz reichen können (und müssen?).
Lerneffektivität,
Nutzen-/Kosten-
effizienz und
informationstech-
nische Ergonomie
als entscheidende
Faktoren des
Evaluationsprozesses
In Bezug auf interaktive Bildungsprodukte soll (und kann!) festge-
stellt werden, mit welchen Kosten ihre Produktion sowie ihre Nut-
zung behaftet ist und welcher Nutzen damit erzielt werden kann. Ein weiterer Qualitätsbereich mit entscheidendem Einfluss auf
die Lerneffektivität und die Nutzen-/Kosteneffizienz ist die informa-
tionstechnische Ergonomie.BeiderEntwicklunginteraktiver Bildungs-
produkte spielen neben dem Inhalt und der didaktischen Methode
die eingesetzten Entwicklungswerkzeuge, die sinnvolle Speicherung
der Bildungsinhalte und die Ergonomie der Darbietung eine zentrale
Rolle. Modularisierung, medienneutrale Datenhaltung, plattform-
übergreifende Darstellung und softwaretechnische Unterstützung von
Pflege und Wartung sind hier von entscheidender Bedeutung.
Rechtliche und administrative Rahmenbedingungen
Globale Vermarktung
interaktiver
Bildungsangebote
Damit interaktive Bildungsangebote auch global angeboten und ver-
marktet werden können, müssen die rechtlichen Voraussetzungen
geschaffen werden: Übernahme (Akkreditierung) eines Bildungsan-
gebotes der Universität A an der Universität B, telematisch gestützte
Zertifizierung, Vermarktung von Bildungsangeboten im quartären
Bildungsbereich, Erhebung von Gebühren zur Refinanzierung und
weiteren Entwicklung. Es muss möglich sein, Gewinne zu erwirt-
schaften, die nicht global dem Landes- oder Universitätshaushalt
zufließen, sondern auch den an der Entwicklung beteiligten Dozen-ten und Unternehmen. Dabei sind angemessene Ausgleichszahlungen
für die benutzten Landes- oder Universitätsressourcen selbstverständ-
lich.
55
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Akkreditierung und Zertifizierung
Wachsende Bedeutungvon Akkreditierung
und Zertifizierung
interaktiver
Bildungsangebote
Bei traditionellen Bildungsprodukten wie Vorlesungen und Semina-ren ist die Akkreditierung schon allein dadurch geklärt, dass die
Bildungsprodukte von einer staatlich anerkannten Universität ange-
boten werden. Interaktive Bildungsangebote können demgegenüber
auch unabhängig von einer etablierten und akkreditierten Bildungs-
institution über das Internet zugänglich sein. Damit gewinnt der
Prozess der bildungsproduktbezogenen Akkreditierung zunehmend
an Bedeutung. Vergleichbares gilt für die Zertifizierung. Wer ist befugt, auf der
Basis einer Prüfung ein Zertifikat auszustellen? Wie gut vergleichbar
sind Zertifikate? Wer erkennt sie an? etc. Hier sind klare Regelungen
unabdingbar.
Wie kann Lerneffektivität erzeugt und gesichert werden?
Entscheidend für die Qualität eines Bildungsproduktes ist seine Lern-
effektivität. Deshalb ist es gerechtfertigt, den Nachweis dieser Ef-fektivität einzufordern und seine empirische Absicherung zu verlan-
gen. Bevor dieser Prozess im Detail erläutert wird, sind ein paar
Bemerkungen zur Effektivität traditioneller Bildungsangebote ange-
zeigt.
Wie effektiv sind traditionelle Bildungsangebote?
Trotz der in vielen Bundesländern an den Universitäten durchgeführ-ten Lehrevaluationen weiß man über die Lerneffektivität traditionel-
ler universitärer Bildungsprodukte eher wenig. In den Evaluationen
wird nämlich nach den Einschätzungen der Studierenden in Bezug
auf die didaktische Qualität des Dozenten, die Aktualität des von
ihm vermittelten Lehrstoffes usw. gefragt. Die Frage allerdings, was
eine Vorlesung dazu beiträgt, eine Klausur oder eine Prüfung zu
bestehen oder gar eine berufsrelevante Qualifikation zu entwickeln,
ist damit nicht zu beantworten.
56
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Qualitätssicherung interaktiver Studienangebote
Tatsächlich können Studierende bei schlechten Vorlesungen bzw.
Seminaren jederzeit durch Selbststudium ihre Leistungen verbessern –
ein gutes Abschneiden in einer Klausur lässt daher nicht zwangs-läufig auf eine gute Vorbereitung dieser Klausur durch die entspre-
chende Lehrveranstaltung schließen.
Suche nach
qualitativen
Unterschieden
zwischen traditionel-
len und interaktiven
Bildungsangeboten
im Hinblick aufLerneffektivität
Aus dem Weiterbildungsbereich großer Unternehmen »weiß« man
immerhin, dass die Lerneffektivität des dort (immer noch) vorherr-
schenden Seminarbetriebes eher gering eingeschätzt wird. Von dem
Stoff, der in einem Weiterbildungsseminar behandelt wird, bleiben
bei den Adressaten kaum mehr als 20 bis 30 Prozent hängen, heißt
es hinter vorgehaltener Hand. Dennoch ist die Frage nach der Lerneffektivität interaktiver Bil-
dungsangebote durchaus berechtigt. Schließlich geht es um Verbesse-
rungen des bestehenden Bildungsprozesses. Immer dann jedoch,
wenn Altes durch Neues ersetzt oder ergänzt werden soll, muss sich
das Neue die Frage gefallen lassen, ob es tatsächlich besser ist.
Lerneffektivität beurteilen
Lerneffektivität kann als Lernfortschritt in Relation zur Lernzeit
bestimmt werden. Einen entscheidenden Einfluss auf die Lernzeit hat
der Lernverlauf. Diese drei Variablen werden durch mindestens zwei
weitere Faktoren beeinflusst. Zum einen ist das Lernklima zu be-
rücksichtigen, zum anderen ist der curriculare Zusammenhang zu
beachten, in den ein interaktives Bildungsangebot eingebunden wer-
den soll. Für den Lernerfolg ist die didaktisch begründete curriculare
Einbettung des interaktiven Angebotes in ein Gesamtangebot von
entscheidender Bedeutung. Der Lernfortschritt ist zu erfassen, um beurteilen zu können, ob
und wie viel Wissen die Lernenden beim Studium mit einem bestimm-
ten Bildungsprodukt erwerben. Hierbei kommt es vor allem darauf
an, geeignete Methoden der Wissensdiagnostik einzusetzen, um das
erworbene Wissen adäquat erfassen zu können. Der Zeitaufwand beim Lernen ist von großer praktischer Be-
deutung. Das wird unmittelbar deutlich, wenn man Lerneffektivität
als Lernfortschritt in einer bestimmten Lernzeit begreift und die Ana-
57
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
logie zum physikalischen Leistungsbegriff (Arbeit in der Zeit) er-
kennt.
In welcher Reihenfolge ein Lerner welche Inhalte studiert, wirdseinen Verstehensprozess unmittelbar beeinflussen. Wählt er eine un-
günstige Reihenfolge, so wird sich die Lernzeit verlängern. Darüber
hinaus liefert die Analyse des Lernverlaufs wichtige Hinweise darauf,
an welchen Stellen das Bildungsprodukt verbessert werden sollte.
Lernklima und allgemeine Rahmenbedingungen
spielen eine große Rolle
Lernfortschritt und
Lernzeit als Kriterien
für die Beurteilung
von Lerneffektivität
Nur ein Bildungsprodukt, das von den Lernenden positiv angenom-
men wird, führt auch langfristig zu gutem Lernerfolg. Umgekehrt
kann allerdings von einer hohen Akzeptanz keineswegs unmittelbar
auf gute Lerneffekte geschlossen werden. Ob und in welchem Ausmaß ein interaktives Bildungsprodukt die
Lehre verbessert, hängt entscheidend davon ab, wie es in das beste-
hende Bildungsangebot integriert wird. Deshalb ist immer zu prüfen,
wie gut die curriculare Einbettung gelungen ist.
Wie sich Lerneffektivität erfassen lässt
Auf den ersten Blick scheint die Erfassung des Lernfortschritts ganz
einfach zu sein: Man misst, ob und wie weit der Lernende über das
Wissen verfügt, das er mit Hilfe des Bildungsproduktes hat erwerben
sollen. Fragt man aber danach, was genau der Lernende am Ende des
Lernprozesses können soll, so zeigt sich, dass man hier zwischenganz verschiedenen Fähigkeiten und Fertigkeiten unterscheiden muss.
Ein Beispiel soll erläutern, wie differenziert Wissen aus kognitions-
psychologischer Sicht betrachtet wird: Zu Beginn des Spracherwerbs muss der Lernende beim Lesen
eines Satzes die Bedeutung eines jeden Wortes aus seinem Gedächtnis
abrufen und danach den Sinn mühsam entschlüsseln. Je weiter er
voranschreitet, desto mehr Wortdeutungen werden automatisiert:
Mit dem Hören oder Lesen stellt sich automatisch auch die Bedeu-
58
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Qualitätssicherung interaktiver Studienangebote
tung des Wortes »im Kopf« ein. Neben einem entsprechenden Inven-
tar an Vokabeln sind auch grammatikalische Kenntnisse erforderlich.
Hierzu gehört nicht nur das Wissen über grammatische Regeln, son-dern auch das Wissen über Ausnahmen, Abweichungen von diesen
Normen. Um sich in einer Sprache flüssig ausdrücken zu können,
muss man feine Nuancen zwischen verschiedenen Wortbedeutungen
unterscheiden. Das geht nicht ohne umfangreiche Kenntnisse über
Idiome und den Kulturkreis der Sprache. Will man vor diesem Hintergrund beurteilen, wie gut ein interak-
tives Sprachlernprogramm den Spracherwerb unterstützt, so muss
man zunächst prüfen, welche der verschiedenen kognitiven Fertigkei-
ten durch welche Programmteile vermittelt werden. Dann ist danach
zu fragen, wie gemessen werden kann, ob diese Fertigkeiten auch
erworben wurden.
Verfahren zur
Messung des
Lernfortschritts
Um Wissen zu diagnostizieren, gibt es verschiedene Verfahren:
angefangen von Multiple-Choice-Aufgaben bis hin zum Abfassen
längerer schriftlicher Arbeiten. Alle Testformen haben ihre Stärken
und Schwächen hinsichtlich des Aufwandes und der Ergiebigkeit.
Daher muss bei jeder Testaufgabe überlegt werden, wie gut sie den
im Bildungsangebot vermittelten Lehrstoff abdeckt und ob ein Testwirklich das misst, was vermittelt wurde.
Messung von
Verstehens- und
Behaltensprozessen
Ebenso wichtig wie die Frage, was man messen will, ist auch die,
wann man messen sollte. So kann man den Lernfortschritt direkt
nach einer Lernsitzung oder erst nach einem längeren Zeitintervall
erfassen. Diese Frage ist deshalb besonders interessant, weil wir in
der Regel erfahren möchten, ob ein Lernender das Wissen langfristig
behält. Aus psychologischer Sicht unterscheidet man zwischen Verste-
hens- und Behaltensprozessen. Wenn wir von Verstehensprozessensprechen, meinen wir stets das direkte Nachvollziehen der dargebo-
tenen Informationen. Etwas behalten bedeutet, das Wissen auch
längerfristig bereit zu haben oder gar jemand anderem das Gelernte
erklären zu können. Das Verstehen von Informationen ist eine not-
wendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für längerfristiges
Behalten.
59
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Lernzeit und Lernverlauf erlauben Rückschlüsse auf die Qualität
Verbesserung desLernsystems auf
der Basis exakten
Protokollierens
des Lernverlaufs
Lernzeit und Lernverlauf kann man anhand von Protokollen desNutzerverhaltens differenziert erfassen, um Stärken und Schwächen
der einzelnen Komponenten eines Bildungsproduktes zu erkennen.
Wenn beispielsweise zu bestimmten Textpassagen überdurchschnitt-
lich viele Erläuterungen aufgerufen werden oder einzelne Testaufga-
ben auffällig häufig falsch bearbeitet werden, so lässt dies in der
Regel auf mangelhaftes Kursmaterial schließen. Ein exaktes Proto-
koll des Lernverlaufs ermöglicht gezielte Verbesserungen eines Bil-
dungsangebotes. Vergleichbares gilt für die Benutzeroberfläche und
das Interaktionsdesign: Protokolle aller relevanten Benutzeraktivitä-
ten erlauben eine genaue Funktionsanalyse und so die Verminderung
überflüssiger oder hinderlicher Handlungsabläufe.
Akzeptanz: Kommt das Bildungsangebot an?
Bedeutung des
subjektivenLernerfolgs
Zum einen sollten die Lernenden beurteilen, wie ihnen ein Lernange-
bot gefällt. Dabei ist jeweils auch nach spezifischen Inhalten undFunktionen zu fragen, um das Angebot gezielt verändern zu können.
Entscheidend für eine hohe Akzeptanz bei Lernenden – zumindest
bei Erwachsenen – ist auch, dass sie das Gefühl haben, wirklich
etwas zu lernen und sinnvoll bei ihren Bemühungen unterstützt zu
werden. Auch wenn der Eindruck, viel gelernt zu haben, durchaus
nicht den tatsächlichen Lernerfolg widerspiegeln muss, ist der subjek-
tive Eindruck des Lernenden von großer Bedeutung, da er sich erheb-
lich auf die Bereitschaft auswirkt, mit dem Bildungsangebot zu arbei-
ten.Curriculare Einbettung
und Akzeptanz bei
Lehrenden und
Bildungs-
verantwortlichen
Zwei Rahmenbedingungen sind für die Effektivität eines Lernsys-
tems von entscheidender Bedeutung: die curriculare Einbettung und
die Akzeptanz auch bei Lehrenden und Bildungsverantwortlichen. Dabei geht es zunächst um die Fragen, welche Lernziele mit dem
Einsatz des interaktiven Bildungsproduktes erreicht werden sollen,
auf welche Weise das Bildungsprodukt dazu beiträgt und wie die
angestrebten Lernziele mit dem Gesamtcurriculum verbunden sind. Weiterhin ist zu erfassen, ob das Bildungsprodukt auch von den
60
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Qualitätssicherung interaktiver Studienangebote
Lehrenden und Bildungsverantwortlichen akzeptiert wird. Nur wenn
die Personen, die ein Bildungsprodukt betreuen sollen, sich mit dem
Bildungsprodukt »anfreunden« können, werden sie den Einsatz un-terstützend begleiten.
Evaluationsstudien: Weshalb ist Bildungsmodell A besser als B?
Förderung der
Lerneffektivität
als Ziel von
Evaluationsstudien
Das Ziel einer Evaluationsstudie ist nicht nur die Feststellung, dass
das Bildungsangebot A besser ist als das Bildungsangebot B. Das
Erkenntnisinteresse besteht vielmehr darin herauszufinden, warum
Bildungsangebot A besser ist als Bildungsangebot B. Daher muss
stets genau geprüft werden, welche Komponenten eines Bildungsan-
gebotes zu welchen Lerneffekten führen, um substanzielle Erkennt-
nisse für die Verbesserung von Lehre identifizieren zu können. Für Evaluationsstudien interaktiver Bildungsangebote sind zwei
zentrale Anforderungen aufzustellen: (1) Es sollten verschiedene
plausible Alternativen miteinander verglichen werden, um die Lernef-
fektivität beurteilen zu können. (2) Die Evaluation sollte einsatzbe-
gleitend ablaufen. Wenn eine Evaluationsstudie ergibt, dass eine Lernergruppe A mit
dem Lernsystem X im Schnitt 60 Minuten braucht, um eine mittlere
Leistung von 80 Prozent im Behaltenstest zu erzielen, weiß man noch
nichts über die Lerneffektivität des Systems. Man weiß weder, ob 80
Prozent eine gute, eine mittlere oder eine schlechte Leistung bedeu-
ten, noch weiß man, ob 60 Minuten Lernzeit viel oder wenig sind.
Aussagen zur Effektitivät lassen sich in aller Regel nur als Vergleichs-
urteile abbilden.
Für solche Vergleiche lassen sich mindestens drei Vorgehensmög-lichkeiten unterscheiden:
Konventionelle versus
interaktive
Bildungsangebote
Die erste Klasse von Vergleichen umfasst die Gegenüberstellung
von interaktiven und konventionellen Lehrveranstaltungen. Will
man beispielsweise untersuchen, ob ein interaktives Lernangebot zu
besseren Ergebnissen führt als ein Seminar, so vergleicht man die
Lernergebnisse nach Bearbeiten des Lernsystems mit den Ergebnissen
am Ende des Seminars. Dieser Vergleich birgt jedoch eine Reihe von
methodischen Problemen:
61
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
– Der Lernerfolg beim Seminar wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit
dann höher, wenn hier mehr individuelles Coaching stattfinden
würde als bei dem interaktiven Bildungsprodukt. Hat der Studentim Seminar nämlich die Möglichkeit, Verständnisfragen zu stellen
und direkt beantwortet zu bekommen, dann wird er Verständnis-
schwierigkeiten schneller beheben können, als dies mit einem
interaktiven Bildungsangebot möglich ist.
– Sind in das interaktive Bildungsprodukt Wissensdiagnosen einge-
baut, die dem Lerner erlauben, seinen Wissensstand zu erfahren
und gezielt Wissenslücken zu schließen, so wird am Ende vermut-
lich das Lernergebnis mit dem Bildungsprodukt deutlich höher
ausfallen.
Ein einfacher Vergleich der Lernergebnisse zwischen konventionel-
len und interaktiven Bildungsangeboten ist keineswegs trivial zu in-
terpretieren. Man muss sehr genau prüfen, in welchen Aspekten sich
die beiden Angebote unterscheiden, um klare Hinweise auf die tat-
sächlichen Ursachen für die gefundenen Unterschiede zu erhalten.
Unterschiedliche
Gruppen arbeiten mit
demselben Produkt.
Die zweite Klasse von Vergleichen beobachtet verschiedene Ler-
nergruppen mit demselben Bildungsangebot. Bei interaktiven Bil-
dungsangeboten ist es jederzeit möglich und vor allem auch wün-schenswert, dass Studierende verschiedener Universitätsstandorte mit
demselben Bildungsangebot arbeiten. Ob und wie gut das gelingt,
sollte Gegenstand empirischer Untersuchungen sein.
Verschiedene
Varianten desselben
Bildungsproduktes
und Vergleich
plausibler
Alternativen
Um Kursangebote schrittweise optimieren zu können, sollten ver-
schiedene Varianten desselben Bildungsangebotes realisiert werden,
bei denen man aufgrund bekannter Eigenschaften der beteiligten In-
formationsverarbeitungsprozesse positive Ergebnisse erwarten darf.
Dann kann im Rahmen von Vergleichsstudien beispielsweise geprüft
werden, ob aufwendige und kostenintensive Animationen zur Erläu-terung eines Sachverhaltes zu besseren Lernergebnissen führen als
einfachere und kostengünstigere Darstellungsformen des gleichen
Sachverhaltes.
Auswertung der
Qualität interaktiver
Bildungsprodukte auf
der Mikro- und
Makroebene
Der Evaluationsprozess zur Bestimmung der Lerneffektivität sollte
auf der Mikroebene sukzessive und auf der Makroebene zyklisch
erfolgen. Mikroebene: Beim Einsatz eines interaktiven Bildungsangebotes
ist im Allgemeinen festzustellen, dass bestimmte Bildungsinhalte gut,
62
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Qualitätssicherung interaktiver Studienangebote
andere Inhalte eher schlecht vermittelt werden konnten. Ein solches
Ergebnisprofil kann in einer Stärken-/Schwächenanalyse dargestellt
werden. Nun kann vor dem nächsten Einsatz des Bildungsproduktesversucht werden, die Schwächen zu beseitigen. Bei der erneuten Eva-
luation des optimierten Bildungsproduktes stellt man dann hoffent-
lich fest, dass die im ersten Durchgang ermittelten Schwächen tat-
sächlich beseitigt werden konnten. Durch den wiederholten Einsatz
des Bildungsproduktes in der relevanten Zielgruppe und der Schritt
für Schritt erfolgenden Beseitigung der Mängel kann man so ein in-
teraktives Bildungsprodukt sukzessive optimieren. Makroebene: Aufgrund der raschen Veränderungen in vielen
Qualifikationsbereichen sind Bildungsprodukte immer wieder an
neue Bedingungen anzupassen und um weitere Inhalte zu ergänzen.
Nach einer entsprechenden Erweiterung – respektive Überarbeitung
– sollte erneut geprüft werden, ob das Bildungsprodukt nach wie vor
hohe Lerneffizienz aufweist. Werden hierbei wiederum Schwächen
festgestellt, können diese erneut sukzessive beseitigt werden.
Rein statistische Auswertungen liefern magere Ergebnisse
Hat man in dem bisher beschriebenen Evaluationsprozess viele Daten
zur Lerneffektivität erhoben, stellt sich die Frage, welche Schlussfol-
gerungen aus den Ergebnissen gezogen werden können. Eine bloße
statistische Analyse reicht dazu nicht aus. Bei der Interpretation der
Ergebnisse ist ein erhebliches Maß an Sachverstand und Praxiswissen
einzubringen, um keine zu weit reichenden oder gar falschen Schlüs-
se zu ziehen.
Stellt man beispielsweise in einem Evaluationsschritt fest, dass Stu-
dierende ein angebotenes Glossar selten nutzen und auch negativ be-
werten, so kann dies mindestens drei verschiedene Ursachen haben:
– Die Begriffserläuterungen im Glossar sind schwer verständlich
und unterstützen somit nicht den Lernprozess.
– Alle im Glossar vorgestellten Begriffe werden bereits im Bildungs-
angebot so gut erläutert, dass die Studierenden sie nicht nach-
schlagen müssen.
– Begriffe, die erläutert werden sollten, fehlen im Glossar.
63
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Sukzessive
Beseitigung der
Ursachen fürmangelnde
Lerneffizienz
Auf ein solches Ergebnis kann man auf zweierlei Weise reagieren:
Entweder kann man im nächsten Evaluationsschritt die Benutzung
des Glossars nochmals genau beobachten und die Lerner gezielt be-fragen, welche der Ursachen sie für plausibel halten. Oder man kann einen gezielten Vergleich verschiedener Alternati-
ven durchführen, etwa indem man verschiedene Varianten des Glos-
sars anbietet und deren Nutzung beobachtet.
Wie verhalten sich Nutzen und Kosten zueinander?
Bei den folgenden Ausführungen wird zwischen der Entwicklung von
interaktiven Bildungsprodukten und Informationssystemen für die
Hochschullehre unterschieden. Interaktive Bildungsprodukte stellen
zum einen Anwendungen dar, die eine Wissensdomäne (z. B. eine
Standardvorlesung oder ein ausgewähltes Thema) multimedial prä-
sentieren; weiterhin gehören hierhin auch Werkzeuge, mit denen in-
teraktive Bildungsprodukte erzeugt werden. Informationssysteme für
die Hochschullehre dienen der Administration solcher Anwendungen
und anderer digitaler Objekte sowie der Kommunikation zwischenden Hochschulangehörigen. Sie unterstützen dabei entweder die ge-
samte Hochschule, einzelne Fakultäten, häufig aber auch nur Institu-
te, Lehrstühle oder Lehreinheiten. Beispiele von Informationssystemen für die Hochschullehre sind
etwa die virtuelle Universität der Fern-Universität Hagen, das
VIRTUS-Projekt der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fa-
kultät der Universität zu Köln, das Konzept der computergestützten
Hochschullehre der Universität Münster sowie der WINFOLine-
Verbund, der von der Universität Saarbrücken koordiniert wird. Eine Evaluation von Multimedia-Entwicklungen hat nach Mög-
lichkeit eine Quantifizierung des Nutzens und der Kosten im Rah-
men von Controlling-Modellen zum Ziel. Bei der Gestaltung der
Modelle sind die wesentlichen Eigenschaften von interaktiven Bil-
dungsprodukten und Informationssystemen für die Hochschullehre
differenziert zu betrachten. Ihre Entwicklung ist als wesentlicher Bei-
trag zur Qualitätssicherung von interaktiven Bildungsangeboten an-
zusehen.
64
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Qualitätssicherung interaktiver Studienangebote
Wie wirtschaftlich sind interaktive Bildungsprodukte?
Es gibt für interaktive Bildungsprodukte keine einheitlichen Stan-dards, nicht einmal auf nationaler Ebene. Das wäre wohl auch zu viel
verlangt, da es das interaktive Bildungsprodukt nicht gibt. Vielmehr
existiert eine Vielzahl von Entwicklungen mit unterschiedlichen Zie-
len, die aus divergierenden Ansprüchen resultieren.
Probleme der
Methodik der
Nutzenbestimmung
Bei der wirtschaftlichen Evaluation geht es vorrangig um den Nut-
zen eines Produktes. Untersucht werden kann, wie hoch einzelne
Teilnutzen (z. B. Verständnis- und Gedächtnisleistungen) bei einem
gegebenen Produkt – und damit auch bei einem gegebenem Budget –
zu bewerten sind. Diese Fragen sind zwar von besonderem Interesse
bei Entwicklung und Anpassung spezifischer Eigenschaften von
interaktiven Bildungsprodukten. Doch die Frage nach einer effizien-
ten Nutzen-Kosten-Relation des Gesamtproduktes wird damit noch
nicht beantwortet. Erst die Quantifizierung des Gesamtnutzens wür-
de die Möglichkeit bieten, einen Vergleich zwischen verschiedenen
Produkten anzustellen. Aber selbst wenn jeder Teilnutzen zufrieden-
stellend bewertet wird, besteht die methodische Schwierigkeit, die
Zwischenergebnisse zu einem Gesamtnutzen zu aggregieren, da dieeinzusetzenden multikriteriellen Verfahren, wie z. B. die Nutzwert-
analyse, erhebliche Schwächen beinhalten. Die Evaluation der Nut-
zenkomponente von interaktiven Bildungsprodukten ist keineswegs
als methodisch ausgereift anzusehen. Das Endergebnis einer Aggre-
gation kann deshalb nur unter Vorbehalt akzeptiert werden. Zur Un-
terstützung von Entscheidungen kann die Nutzenbestimmung durch-
aus akzeptiert werden.
»Quick and clean«
als alternativeAnwendung zu
teuren Multi-
media-Produkten
Neben dem Nutzen sind die Kosten der Entwicklung und des Ein-
satzes der Produkte zu untersuchen. Die Frage, wie teuer ein interak-tives Bildungsprodukt ist, ist wenig sinnvoll, da analog zur Nutzen-
seite auch hier zwischen einer Vielzahl von Varianten unterschieden
werden muss. Oft werden interaktive Bildungsprodukte mit Multi-
media-Produkten gleichgesetzt, von denen behauptet wird, sie wür-
den regelmäßig mehr als 1 000 000 DM kosten. Dies mag für kom-
plexe Anwendungen gelten, in denen neben Text tatsächlich stehende
und bewegte Bilder, aufwendige Animationen und Ton eingesetzt
werden. Es ist aber keinesfalls zwingend, alle interaktiven Wissens-
65
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
produkte im vollen Multimediaumfang zu produzieren. Quick-and-
clean-Lösungen (z. B. PowerPoint-Animationen, einfache HTML-
Seiten oder digitale Skripte) werden in vielen Fällen sogar zu einemhöheren Nutzen führen. Es mag überraschen, dass auch die Konzepte zur Planung und
Kontrolle der Kosten von interaktiven Bildungsprodukten als noch
unterentwickelt anzusehen sind. Häufig wird nur das Kostenbudget
zur Entwicklung eines Produktes analysiert. Tatsächlich sollte sich
das Controlling auf den gesamten Lebenszyklus (life cycle) eines
Objektes beziehen und neben der Entwicklungsphase auch die Nut-
zungsphase beinhalten. Zwischen den Kosten und den Nutzen von interaktiven Bildungs-
produkten besteht ein enger Zusammenhang. Dennoch sind die
Kosten keinesfalls als Nutzentreiber anzusehen. Man muss zwischen
spezifischen Kosten- und Nutzentreibern unterscheiden. Die Kosten
einer zusätzlichen HTML-Seite korrespondieren zwar unmittelbar
mit ihrem Nutzen, falls wirtschaftliches Verhalten vorausgesetzt
wird. Andere zu Kosten führende Ressourcenverbräuche weisen je-
doch keinen unmittelbaren (Teil-)Nutzen auf. Die Zusammenhänge
zwischen Nutzen, Kosten und ihren Determinanten sind nicht zuletztdeshalb so komplex, weil bei der Entwicklung von Multimedia-Pro-
dukten nicht nur das Wissen aus dem geplanten Anwendungsbereich
(z. B. Betriebswirtschaftslehre), sondern auch weitere Erkenntnisse
aus der Pädagogik, der Psychologie und der Gestaltungslehre zu be-
rücksichtigen sind.
Wie ein Controlling für die Hochschullehre aussehen könnte
Mehr Transparenz
auf der Kostenseite
Bei interaktiven Bildungsprodukten ist eine Kostenanalyse trotz der
hier dargelegten Probleme zumindest näherungsweise realisierbar,
wenn auf bewährte Budgetierungsverfahren und multikriterielle
Verfahren zurückgegriffen wird. Dagegen sind bei größeren interak-
tiven Bildungssystemen für die Hochschullehre neue Überlegungen
zum Controlling erforderlich. Der Nutzen innovativer Konzepte
dieser Kategorie ist im Regelfall nicht seriös quantifizierbar. Es han-
delt sich hier um strategische Entscheidungen einer Hochschulinsti-
66
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Qualitätssicherung interaktiver Studienangebote
tution, die durch Argumente und Szenarien-Diskussionen qualitativ
formuliert werden sollten. Dabei sind insbesondere Vergleiche zur
Fortführung des Status quo vorzunehmen. Auch wenn die Nutzensei-te nicht allein unter Kostengesichtspunkten zu betrachten ist, sollten
Investitionsrechnungen für die geplante Inanspruchnahme von Res-
sourcen durchgeführt werden. Neben der Planung und Kontrolle von Investitionsauszahlungen –
gegebenenfalls um Einzahlungen korrigiert – während der Entwick-
lung des Systems sollte hier auch ermittelt werden, wie hoch die
Ausgaben – und Einnahmen – während der Nutzungsphase im Ver-
gleich zu einem herkömmlichen Vorlesungsbetrieb sind. Allerdings
stellen die Einzahlungen lediglich einen Teil des ansonsten nicht
quantifizierbaren Nutzens dar. Selbst wenn für die Analyse der Vorteilhaftigkeit eines interakti-
ven Bildungsvorhabens wegen der Bewertungsproblematik keine
Auszahlungen erhoben werden können, sondern »lediglich« die Ver-
bräuche von Sach- und Personalressourcen, ist dies schon ein erhebli-
cher Erkenntnisfortschritt gegenüber der derzeit vorherrschenden
Situation an den Hochschulen.
Im Folgenden sollen einige Realisierungsvorschläge zum Controll-ing der oben skizzierten Produkte und Systeme unterbreitet werden.
Vorschläge für ein effizientes Controlling
Standardisiertes
Vorgehen als
Voraussetzung zur
Klassifizierunginteraktiver
Bildungssysteme
Um die Nutzen-Kosteneffizienz sinnvoll zu operationalisieren, emp-
fiehlt sich ein standardisiertes Vorgehen. Nur so ist eine vergleichen-
de Beurteilung möglich.
Grundsätzlich ist ein prozessorientiertes Controlling zu fordern.Dabei steht der in Entwicklungs- und Nutzungsphasen gliederbare
Lebenszyklus von interaktiven Bildungsprodukten im Vordergrund
der Betrachtung. Die Vielzahl und Verschiedenartigkeit bereits reali-
sierter, aber auch denkbarer Bildungsobjekte macht ihre Klassifizie-
rung (Typologisierung) erforderlich.
Entwicklung eines
spezifischen
Vorgehensmodells
Für jede Klasse sind spezifische Entwicklungsprozesse zu identi-
fizieren, denn es gibt kein einheitliches Vorgehensmodell zur Ent-
wicklung von interaktiven Bildungsobjekten. Interaktive Bildungspro-
67
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
dukte und -systeme für die Hochschullehre können als Beispiele für
spezifische (Ober-)Klassen angesehen werden, bei denen die typische
Kosten- und Nutzenentwicklung offensichtlich unterschiedlich ver-läuft. Bei interaktiven Bildungsprodukten fallen nach Abschluss des
Entwicklungsprozesses kaum noch Kosten an. Interaktive Bildungs-
systeme sind hingegen nicht nur durch hohe Entwicklungs-, sondern
auch durch hohe Nutzungskosten gekennzeichnet.
Analyse der
Nutzen-/Kosten-
effizienz unter
betriebswirtschaft-
lichen Aspekten
Die prozessorientierte Betrachtung wird als geeignete Basis zur
Planung, Erfassung und Kontrolle von Nutzen und Kosten angese-
hen. Ihr spezieller Vorteil dürfte darin bestehen, dass die Beschäfti-
gung mit der Prozessgestaltung häufig zu einer Umstrukturierung
von Entwicklungsprozessen führt oder die Frage aufwirft, ob Kom-
ponenten selbst entwickelt oder zugekauft werden sollen. Insofern
kann die prozessorientierte Betrachtung der Kostenentstehung letzt-
lich auch zur Effizienzsteigerung beitragen.
So lassen sich Nutzen und Kosten beurteilen
Referenzmodelleals Mittel zur
Verdeutlichung des
Zusammenhanges
zwischen verschiede-
nen Klassen von
Multimedia-Objekten
Die Untersuchung von Nutzen und Kosten ist zunächst gesondertvorzunehmen, da hierfür spezifische Methoden erforderlich sind. Zunächst ist zu klären, ob eine Quantifizierung des Nutzens über-
haupt möglich ist. Das ist insbesondere bei strategischen Vorhaben
kaum seriös realisierbar. Für diejenigen Objekte, die für eine Nut-
zenbewertung in Frage kommen, sind sodann die Nutzendeterminan-
ten (Nutzentreiber) zu bestimmen, um die gewünschten Klassen zu
bilden. Anschließend sind die zu untersuchenden Multimedia-Objekte
in die gebildeten Klassen einzuordnen. Dabei können einzelne klas-
senspezifische Mindestansprüche vorgegeben werden, um einen Min-
destnutzen zu garantieren. Langfristig sollten für einzelne Klassen Referenzmodelle entwi-
ckelt werden, die den Zusammenhang zwischen den Klassen der
Multimedia-Objekte und den für diese typischen Entwicklungs- und
Nutzungsprozessen darstellen. Damit wird auch eine spezifische Kos-
tenbewertung möglich. Das Bewerten von Kosten bzw. Ausgaben bei Entwicklung und
Einsatz von interaktiven Bildungsprodukten und -systemen sollte in
68
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Qualitätssicherung interaktiver Studienangebote
Detallierte
Kostenplanung und
-erfassung bei derVergabe von
Fördermitteln
der universitären Praxis intensiver betrieben werden als bisher. Häu-
fig erfolgen nur eine intuitive Planung der benötigten Personal- und
Sachmittel sowie eine pauschale Kostenkontrolle, bei der lediglichdarauf geachtet wird, dass das vorgegebene Budget nicht überschrit-
ten wird. Ministerien oder Stiftungen sollten bei der Vergabe von
Fördermitteln eine detailliertere Planung und Erfassung der Ausga-
ben unter Berücksichtigung eines Systems von Kostentreibern zur
Auflage machen. Das gilt auch für das Self-Controlling bei eigenfi-
nanzierten Projekten. Für diese Aufgaben sollten konsequenterweise
finanzielle Mittel eingeplant werden.
Ermittlung der Kosten
von Bildungssystemen
mit Hilfe von
Referenzmodellen
Die Bewertung der Kosten erfolgt für die jeweiligen Klassen von
Bildungssystemen auf Basis der erarbeiteten Referenzmodelle. Dazu
ist zunächst die zutreffende Variante des Referenzmodells zu identifi-
zieren. Dann sind die verwendeten Ressourcen zu planen bzw. zu
erfassen und zu quantifizieren. Dabei sind Zeit- und Mengengerüste
mit Kostensätzen oder Marktpreisen zu gewichten und zu untersu-
chen, ob automatische Zeiterfassung durch software monitoring
möglich ist. Bei der Messung der Ressourcen-Inanspruchnahme ist
davon auszugehen, dass Mitarbeiter – gerade im universitären Be-
reich – selten ausschließlich mit der Entwicklung eines einzigen inter-aktiven Bildungsobjektes beschäftigt sind. Dies gilt insbesondere
auch für Hochschullehrer, deren Ressourcen-Einsatz regelmäßig bei
der Budgetierung von Projekten nicht explizit einbezogen wird. Auch
diese Kosten sollten im Gesamtbudget berücksichtigt werden.
Controlling-Analysen sind effizient
Effektive Durch-
führung von
Abweichungs-
analysen durch
den Einsatz von
Benchmark-Tests
sowie von Best-
Practice-Konzepten
Bei Controlling-Analysen geht es um Plan-, Ist- und Abweichungsbe-trachtungen. Die Planung des Nutzens und der Kosten ist konsequent
vor Projektbeginn durchzuführen. ZurObjektivierungderKostenplanung lassensichdanndiezugehö-
rigen Referenzmodellvarianten heranziehen. Während und nach Ab-
schluss der Projektarbeit sind Ist-Werte zu erfassen. Zur Operationa-
lisierung des Ist-Nutzens können Hochschulen Marktanalysen, an
erster Stelle in Form von Nutzerbefragungen, durchführen. Bei fertigen, »marktreifen« interaktiven Bildungsprodukten sollte
69
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
der Entwickler sein System in den Klassen von Multimedia-Objekten
positionieren und dann eine Konkretisierung der Lernziele zusam-
men mit seinem Produkt publizieren, um die geplante Lerneffizienztransparent und gegenüber den zukünftigen Nutzern (Marktteilneh-
mern) verbindlich zu machen. Eine derartige Standardisierung durch
Selbstauskunft gegenüber potenziellen Anwendern hat im Vergleich
zu einer zentralen Vergabe von Gütesiegeln erhebliche Vorteile.
InteraktiveBildungsangebote:Potenziale,ProblemeundPerspektiven
Beim Einsatz interaktiver Bildungsprodukte ist zurückhaltender Op-
timismus angebracht, da sie – zumindest bislang noch – von vielen
Beteiligten nicht akzeptiert werden. Die folgenden Thesen zeigen
exemplarisch auf, wo sich beim langjährigen Einsatz interaktiver
Selbstlernsysteme, multimedial unterstützter Vorlesungen und virtuel-
ler Lernumgebungen Probleme, aber auch Vorteile gezeigt haben.
Daraus können Erkenntnisse gewonnen werden, die bei der Anwen-
dung und der weiteren Entwicklung interaktiver Bildungsangebote
bedacht werden sollten. Charakteristisch für die hier genannten und untersuchten Systeme
sind umfangreiche Lerninhalte, welche die Vermittlung ganzer Wis-
sensgebiete zum Ziel haben. Beispielhaft kann dies die »Einführung in
die BWL« in Würzburg mit etwa 100 Stunden aufzeigen. Mit der
Ausarbeitung des Inhaltes war die Entwicklung von Autorenwerk-
zeugen verbunden, die sowohl hypermediale Verknüpfungen des
Lernstoffes als auch die Angleichung der von verschiedenen Autoren
erstellten Beiträge unterstützen müssen. Entsprechend dem techni-
schen Fortschritt und der gewonnenen Erkenntnisse müssen laufendneue Generationen dieser Autorenwerkzeuge entstehen und – als
nicht zu unterschätzendes Problem – auch neue Darstellungsformen
für den Inhalt gefunden werden. Zur Evaluation des multimedialen Lernens im Vergleich zum klas-
sischen Lehrangebot wurden die Klausurergebnisse von Gruppen
multimedial und konventionell unterrichteter Probanden verglichen,
die Teilnehmer über ihre Eindrücke befragt und das Lernverhalten
der Nutzer von Selbstlernsystemen beobachtet.
70
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Qualitätssicherung interaktiver Studienangebote
Einige Probleme und ihre Lösungen
Rolle der Wissen-schaftsdiagnostik
bei der Entwicklung
multimedialer
Bildungsangebote
Studierende akzeptieren interaktive Lernsysteme noch nicht als allei-nige Lernumgebung. Es fehlt das Vertrauen in die Vollständigkeit des
Materials. Gleichzeitig kann einegute Präsentationsform einen »Schon-
klar-Effekt« (illusion-of-knowing effect ) erzeugen, der nur durch
integrierte Rückfragen und Aufgaben des Systems korrigiert werden
kann. Das menschliche Erinnerungsvermögen erlaubt nur zum Teil die
direkte Reproduktion des Lehrstoffes. Oftmals kann man sich aber
an die Situation erinnern, in der etwas gelernt wurde. Um dieses
Wissen zu nutzen, muss der Lerner auch lange nach dem Bearbei-
tungsprozess des Stoffes in möglichst gleicher Weise auf das Lehrma-
terial zugreifen können (Reihenfolge, Seitenaufmachung, Farbgebung
etc.). Dies verlangt bei der Verwendung rein netzbasierter Lernsysteme
auch die zeitlich dokumentierte Bereitstellung vorausgegangener
Versionen bzw. das Angebot zum Herunterladen. Das Sicherheitsge-
fühl, das durch die Nachschlagemöglichkeit beim Buch vermittelt
wird, ist auch für das Vertrauen in die Lernumgebung wichtig. Die bisher übliche undifferenzierte Betrachtungsweise verwirrt die
heutigen Lehrkräfte, die nach Sparmöglichkeiten suchenden Politiker
und nicht zuletzt die Lernenden selbst. Die Konsequenzen der Diffe-
renzierung liegen in der Erkenntnis, dass das Lernen mit Multimedia
zwar anschaulicher und damit auch angenehmer gestaltet werden
kann, dass aber die Ausbildungskosten (Geld und Zeit) nur schwer zu
reduzieren sind. Die Entwicklung und Fortschreibung von erfolgrei-
chen Lernsystemen ist sehr kosten- und zeitintensiv. Gleichzeitig er-
warten und brauchen die Studierenden auch die persönliche Anlei-tung und das persönliche Interaktionstraining.
Einsatz und
Effektivität bei
Frontalunterricht,
Selbstlernen und
virtueller
Lernumgebung
Das Üben von Fertigkeiten kann gut im Rahmen von virtuellen
Lernumgebungen unterstützt werden. Dabei wird auch das Ver-
ständnis der Funktionsgrundlagen gefördert. Die Entwicklung sol-
cher die Realität simulierender Lernumgebungen ist allerdings sehr
aufwendig, und ihre Anwendung bedingt auch einen hohen Personal-
aufwand für die Betreuung.
71
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Verhältnis von
Darstellungsaufwand
und angestrebtemLernergebnis
Durch schönere und damit aufwendigere Darstellungen wird nicht
unmittelbar ein besseres Lernergebnis erzielt. Es besteht sogar, wie
ausgeführt, die Gefahr, dass eine besonders einleuchtend und pro-blemlos gestaltete Umsetzung von komplexen Zusammenhängen beim
Betrachter die trügerische Sicherheit hervorrufen kann, er habe das
Gelernte verstanden. Andererseits ist die Finesse der Darstellung ein
wesentliches Bewertungselement für die Studierenden. Dieses Krite-
rium ist jedoch der laufenden technischen Weiterentwicklung und
neuen Trends unterworfen, so dass bei ständiger Anpassung ein
Amortisationsproblem entsteht.
Mit Qualitätssicherung und Controlling die Konkurrenzfähigkeitdeutscher Bildungsangebote sichern
Aus den geschilderten Einsatzerfahrungen und den aufgezeigten Pro-
blemlösungen ergeben sich drei zentrale Rahmenbedingungen, denen
bei der weiteren Entwicklung interaktiver Lernsysteme Beachtung
geschenkt werden sollte:
– Die Entwicklungsumgebung muss die konsistente Darstellung undVerknüpfung auch bei mehreren Autoren sichern.
Es ist für multimediale Lernsysteme notwendig und sinnvoll, dass
sie von mehreren Autoren entwickelt werden. Der Lernende soll
jedoch nicht durch verschiedene Darstellungsideen der Beteiligten
verwirrt werden.
– Die Systeme müssen von vornherein auf Erweiterbarkeit und Ak-
tualisierbarkeit angelegt sein.
Der große Entwicklungsaufwand macht einen längerfristigen
Einsatz notwendig. Nur eine objektbezogene Komposition derBildschirmseiten erlaubt eine effiziente Fortschreibung der In-
halte.
– Auch die Entwickler müssen den Lernstoff verstehen, und die
Autoren der Lerninhalte müssen über weitreichende Kenntnisse
der Möglichkeiten zur interaktiven und multimedialen Darstel-
lung verfügen.
Für die sinnvolle Nutzung der multimedialen Möglichkeiten ist
es notwendig, den Lernstoff in Beispielen bzw. Gleichnissen ab-
72
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Qualitätssicherung interaktiver Studienangebote
zubilden und zu veranschaulichen. Dies kann nur im Zusammen-
spiel von medienbezogen ausgebildeten Fachautoren mit fach-
kundigen Medienentwicklern geschehen.Interaktive und multimediale Bildungsangebote werden auf dem
weltweiten Bildungsmarkt der Zukunft eine bedeutende Rolle spie-
len. Sie werden herkömmliche Bildungsformen nicht verdrängen,
aber in erheblichem Umfang ergänzen. Voraussetzung dafür, dass sie
wirkungsvoll und konkurrenzfähig eingesetzt werden können, ist
neben der Schaffung geeigneter rechtlicher Rahmenbedingungen die
Entwicklung angemessener Verfahren der Qualitätssicherung und des
Controlling. Eingeführte Methoden leisten hierzu bereits wertvolle
Beiträge. Sie sind entsprechend den besonderen Anforderungen der
Lehre und der technischen Entwicklung weiter zu vervollkommnen
und konsequent zu nutzen.
73
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Technologie und Infrastruktur:Standardisieren schafft Vorteile
José L. Encarnaçao, Wolfgang Kraemer,
August Wilhelm Scheer, Dennis Tsichritzis
So hat Thomas S. sich das nicht vorgestellt. Der Studienanfänger hat
sich für ein BWL-Studium mit dem Schwerpunkt »Internationales
Management und Consulting« bei einem Kooperationsverbund von
Universitäten entschieden, die mit dem Slogan Join the future – life-
long leadership werben. Doch gleich zu Beginn gibt es eine ärgerli-che Panne. Dreißig Minuten vor Beginn des Einführungskurses in das E-
Learning erhält Thomas S. die Nachricht, dass wegen technischer
Probleme mit den zentralen Lernservern die Veranstaltung nicht wie
vorgesehen am Rechenzentrum, sondern von einem Assistenten an
einem Lehrstuhl seines Studienfaches durchgeführt wird. Auf eine
E-Mail-Anfrage, ob der geplante zweite Teil des Kurses in acht Wo-
chen stattfinden wird, erhält er nach sechs Wochen die Anwort, dass
die Zuständigkeit für die damit einhergehende Betreuung seit mehre-ren Jahren in einem Expertenkreis mehrerer Hochschulen intensiv
diskutiert werde und zur Zeit keine Ressourcen verfügbar seien. Doch dies ist nur der Anfang des Ärgers. Nach sechs Monaten
intensivster Nutzung von multimedial aufbereiteten Lerninhalten
zieht Thomas S. eine niederschmetternde Zwischenbilanz: Sein Curriculum bis zum Vordiplom setzt sich aus 36 Einzelleis-
tungen von 24 Lehrstühlen an zwölf Standorten zusammen. Wie sich
erst jetzt herausstellt, konnte sich der Kooperationsverbund aller-
75
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
dings noch nicht auf ein einheitliches E-Learning-Anwendungssystem
einigen. Die Einschreibung zu den verschiedenen Online-Kursen
muss daher 36fach durchgeführt werden – obwohl alle Daten bereitsbei der Immatrikulation an seiner Heimat-Universität erfasst wurden.
Diese könnten, so wird ihm offiziell mitgeteilt, aus Datenschutz-
gründen nicht weitergeleitet werden. Inoffiziell ist zu hören, die Uni-
versität habe Probleme bei der Integration ihrer Informationssysteme
mit den E-Learning-Anwendungen. Die Einarbeitung in zwölf verschiedene virtuelle Lern- und Wis-
senswelten im ersten Semester hat Thomas S. zwar mit den Vor- und
Nachteilen der einzelnen E-Learning-Anwendungen vertraut ge-
macht; das war aber derart zeitaufwendig, dass er kaum zur Be-
schäftigung mit den Inhalten kam. Erhebliche Schwierigkeiten berei-
tet ihm auch, dass die Lerninhalte völlig unterschiedlich aufbereitet
sind und vermittelt werden. So sind die Lerninhalte eines Lehrstuhls
eher mit textorientierten »Blättermaschinen« vergleichbar, während
ein anderer exzellent aufbereiteten multimedialen Content bietet.
Darüber hinaus gestaltet sich die Interaktion mit den Lehrenden
überaus schwierig, weil vier Lehrstühle nur über unzureichende
Netzbandbreiten verfügen und insgesamt sechs verschiedene Kom-munikations- und Kollaborationsdienste im Einsatz sind. Eine Be-
schwerde über die technischen Schwierigkeiten und die mangelhafte
Infrastruktur bringt wenig: Zwölf Professoren antworten auf seine
E-Mail-Anfrage überhaupt nicht, sechs Professoren verweisen per
Formbrief auf das Teletutoring ihrer Assistenten, vier Professoren tei-
len mit, dass Prüfungsleistungen der Partner-Universitäten aus Asien
und Lateinamerika nur mit Auflagen und vorbehaltlich einer noch
nicht erfolgten Abstimmung zertifiziert werden. Gerade einmal zwei
Professoren antworten schnell und zufriedenstellend.Fazit: Auf dem
Weg zur virtuellen
Universität sind bei
weitem nicht nur
technologische
Probleme zu lösen.
Innerhalb der nächsten drei Semester wird Thomas S. von 48 ver-
schiedenen Teletutoren betreut. Die Aufzeichnungen zu seinen absol-
vierten Lerninhalten sowie den Lernfortschritt verwaltet Thomas S.
mittlerweile auf dem Papier. Bei der Bewerbung um ein Praktikum
bei einem internationalen Unternehmen stellt er fest, dass der elek-
tronische Lernpass leider nicht kompatibel zur Skill-Datenbank die-
ses Konzerns ist. Der Sprecher der Entwicklungsgruppe dieser in
einem Verbund mehrerer Hochschulen realisierten Software-Kompo-
76
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Technologie und Infrastruktur: Standardisieren schafft Vorteile
nente teilt lapidar mit, dass die Gruppe sich den weltweit etablierten
Schnittstellenstandards wegen Zweifeln an deren Leistungsfähigkeit
nicht habe anschließen wollen. Die Praktikumsstelle geht an einenBewerber aus einem Entwicklungsland. Die Erlebnisse unseres Musterstudenten Thomas S. mögen dras-
tisch und zugespitzt sein. Punktuell treffen sie auf den Alltag an
vielen deutschen Hochschulen zu.
Vorbereitungen für
den Bildungsmarkt
der Zukunft
Es gibt heute kaum noch eine Bildungsinstitution, die sich nicht
mit der Fragestellung beschäftigt, wie sie eine stabile Wettbewerbs-
position im Bildungsmarkt der Zukunft erreichen kann. Die Ber-
telsmann Stiftung und die Heinz Nixdorf Stiftung haben dazu eine1ausführliche Dokumentation erarbeiten lassen. Die Liste netzba-
sierter und multimedial aufbereiteter Bildungsangebote rund um den
Globus wird täglich länger, das entsprechende Lehr- und Lernange-
bot an deutschen Hochschulen ist allerdings sehr heterogen. Begriffe
wie Telelearning, E-Learning, Distance Learning, Web based Trai-
ning, Teleteaching, virtueller Klassenraum, virtuelle Universität etc.
werden häufig in unterschiedlichen Kontexten, teilweise synonym
und ohne definitorische Abgrenzung verwendet. Das Spektrum reicht
von der schlichten Informationspräsentation zu einem Lehrstuhl imWorld Wide Web über die Möglichkeit der Kommunikation mit dem
Professor via E-Mail und die Bereitstellung von Übungsaufgaben und
Musterlösungen im Internet bis hin zur vollständigen Abwicklung
eines Studiengangs im Netz. Doch zum Alltag der Hochschulen ge-
hört der Einsatz netzbasierter und multimedialer Bildungsangebote
noch lange nicht. Die folgenden Ausführungen fassen die Empfehlungen des Arbeits-
kreises »Technologie/Infrastruktur« in zwei Kapiteln thesenartig zu-
sammen. Der erste Teil legt ein Geschäftsmodell für Hochschulendar, aus dem sich auch unmittelbare Schlussfolgerungen für erforder-
liche technologische Infrastrukturen ergeben, die im zweiten Teil
näher erörtert werden.
77
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Geschäftsmodelle für Hochschulen
Der Bildungsmarktstellt hohe
Anforderungen.
Mit der Wissensgesellschaft entsteht ein eigenständiger Bildungs-markt. Er ist charakterisiert durch dezentrale Wissensangebote, ubi-
quitären Wissenszugriff, vernetzte Ressourcen und individuelle bzw.
teamorientierte Wissensnutzung. Diese hoch differenzierte Land-
schaft verlangt nach Geschäftsmodellen und Standardisierungen für
die zugrunde liegende informationstechnologische Infrastruktur, die
Wissensinhalte sowie die Prozesse der Wissensaneignung und Wis-
sensnutzung. 75 Prozent aller Multimedia- und Telelearning-Projekte werden
zur Zeit als Einzelprojekte an einem Lehrstuhl oder innerhalb einer
Universität durchgeführt. Die Budgets dieser Projekte werden erfah-
rungsgemäß je zur Hälfte für die Basisentwicklung einer technologi-
schen Infrastruktur und für Content-Entwicklung eingesetzt.
Hochschulübergreifende Kooperationsmodelle statt Einzelprojekten
Stand und Reifegrad der heutigen Entwicklung von virtuellen Lern-und Wissenswelten sind insoweit mit den Vorgehensmodellen bei der
Entwicklung von Anwendungssoftware aus den 70er Jahren ver-
gleichbar. Individuelle Lösungen dominieren. Design und Präsenta-
tion, Instruktionslogik und Verwaltung der Inhalte sind so eng mit-
einander verknüpft, dass eine Wiederverwendung von Konzepten,
Inhalten, Technologie und Infrastruktur in verschiedenen Bildungs-
produkten nicht möglich ist. Diese »handwerkliche« Produktion
bringt erhebliche Kostennachteile mit sich. Systeme und Konzepte
veralten bei technologischen Neuerungen sehr schnell, und die War-tungskosten sind im Vergleich zu den Aufwendungen der Ersterstel-
lung viel zu hoch. Es bietet sich also an, die Entwicklungsziele zu koordinieren und
Bildungsprodukte ressourcensparend im Verbund mit themenver-
wandten Projekten zu erstellen: Die Ergebnisse können dann weite-
ren Universitäten zur Verfügung gestellt werden, womit teure Dop-
pel-Entwicklungen vermieden werden. Damit wird zum einen die
Konzentration auf die eigentlichen Projektaufgaben unterstützt. Zum
78
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Technologie und Infrastruktur: Standardisieren schafft Vorteile
anderen ermöglicht die kooperative Bereitstellung von Bildungspro-
dukten mehr Gestaltungsvarianten, als dies ein einzelner Lehrstuhl
erbringen kann. Für die Kooperation kommen zwei Hauptfelder in-frage:
Hauptfelder der
Kooperation:
Entwicklung
von Content
– Hunderte von multimedialen Bildungsangeboten zu einem The-
ma sind überflüssig. Sinnvoller ist die Entwicklung einiger Stan-
dardprodukte, die dann je nach Einsatzgebiet nur noch um in-
dividuellen Content ergänzt werden müssen. Damit verbunden
ist die Entwicklung wiederverwendbarer Wissensmodule, die so
adaptierbar und konfigurierbar sind, dass sie in unterschiedlichen
Bildungsangeboten und Lernkontexten eingesetzt werden können.
– Die administrative und informationstechnische Plattform für
Bildungsprodukte bedarf der Standardisierung. Damit die Vorteile
des Lernens mit neuen Medien zur Geltung kommen können,
müssen Mechanismen zur Verwaltung von Lerninhalten, Kurs-
teilnehmern und Lehrenden entwickelt werden. Hierzu gehören
z. B. Standardmodule zum Führen von Lernkonten, Definieren von
Curricula, Steuern von Lernenden, Gruppieren von Teilnehmern
in tutorgestützten Kursen für Tests und andere Aktivitäten.
Entwicklungkommerzieller
Software als Vorbild
Dieses Modell lässt sich im Prinzip auch für die Entwicklung vonvirtuellen Lernwelten nutzbar machen. Als Alternative zu den »Uni-
kat-Lösungen« bzw. zu hochschulübergreifenden Entwicklungsko-
operationen, die in der Regel im Rahmen von Forschungsprojekten
erfolgen – mit den damit verbundenen Problemen der Weiterentwick-
lungsgarantie und Wartungsgewährleistung – wird empfohlen, die
Entwicklungsanforderungen zu bündeln und auf einen kommerziel-
len Standardsoftware-Hersteller zu übertragen. Dadurch kann auch
sichergestellt werden, dass die E-Learning-spezifischen Komponenten
Schnittstellen zu den derzeit entwickelten administrativen Universi-täts-Standardsoftware-Systemen erhalten.
Konzentration auf Kernkompetenzen und Reduzierung
der Fertigungstiefe spart Zeit und Kosten
Lerninhalte werden
zu Contentware.
Lerninhalte nehmen in Zukunft den Charakter von Bildungs- bzw.
Wissensprodukten an, die auf einem Markt gehandelt werden. In
79
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
2diesem Zusammenhang wird auch von Contentware gesprochen.
Die Verfügung über Wissensgüter wird einen entscheidenden Wett-
bewerbsvorteil auf zukünftigen Märkten darstellen. Es ist dahernotwendig, die erfolgreichen industriellen Produktions- und Distribu-
tionsmethoden auf das Produkt Wissen anzuwenden. Dies bedeutet
insbesondere:
– Entwicklung von Basis-Standards zur Kostenreduktion und Quali-
tätssteigerung bei Basis-Bausteinen,
– Konzentration auf die Wertschöpfungskomponenten der »Verede-
lung«, Individualisierung und Anpassung.
Übergang von
handwerklichen zu
industriellen
Produktionsverfahren
Wie weit wir heute noch davon entfernt sind, wird deutlich, wenn
man den aktuellen Stand bei der Entwicklung von Contentware auf
ein Buchprojekt eines Lehrenden übertragen darstellt. Danach müsste
der Lehrbuchautor:
– selbst ein Textverarbeitungs- und Grafiksystem entwickeln,
– ein Druckereiunternehmen für die zur Abwicklung der Druck-
vorstufen und des eigentlichen Druckes sowie
– einen Verlag zur Vermarktung seines Buches gründen.
Dass Bücher arbeitsteilig geschrieben, produziert und vertrieben
werden, gilt als Selbstverständlichkeit. Diese Arbeitsteilung ist auchfür die Produktion von Contentware für den Bildungsmarkt der
Zukunft anzustreben. Erst wenn die Rollen und Leistungsbeziehun-
gen der Hochschulen in diesem Zusammenhang spezifiziert sind,
wird eine Diskussion hinsichtlich der einzusetzenden Technologie
sinnvoll.
Die Hochschulen entwickeln sich
zu Lieferanten von Contentware
Drei Akteure auf dem
Bildungsmarkt:
– Die Nachfrager
Das Erstellen und Vermarkten von Contentware erfordert eine grund-
legende Neuorganisation der Wissenslogistik. Der Kreis der Herstel-
ler und Broker von Contentware wird sich dabei um Unternehmen
aus der Branche der Informations- und Kommunikationstechnologie
erweitern. Dies führt zu einem wachstumsfördernden Wettbewerb
im Bildungsmarkt. Bildungsprodukte und damit verbundene Dienst-
leistungen werden global vermarktbar und exportierbar.
80
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Technologie und Infrastruktur: Standardisieren schafft Vorteile
– Die Lieferanten Zur Gruppe der Nachfrager gehören nicht nur Schüler und Stu-
denten, sondern auch Erwerbstätige in Industrie, Dienstleistung und
Verwaltung, Erwerbslose, die durch Weiterbildung ihre Chancen amArbeitsmarkt erhöhen wollen, und Selbstständige. Dazu kommen
betriebliche und unternehmensexterne Bildungseinrichtungen sowie
Hochschulen, die fremdbezogene Bildungsbausteine in ihr Lehrange-
bot mit aufnehmen. Die Wissenslieferanten sind die Hochschulen
und Unternehmen, die ihre Praxiserfahrungen als Lehrbeispiele zur
Verfügung stellen, sowie die betrieblichen und sonstigen Bildungsein-
richtungen.
– Die Vermittler Die dritte Gruppe von Akteuren besteht aus den Bildungsbrokern,
die als Makler zwischen den Anbietern und den Nachfragern fungie-
ren sowie Betreuungs- und Beratungsleistungen übernehmen.
Welche Rolle spielen
die Hochschulen im
Bildungsmarkt der
Zukunft?
Die Position und Rolle der Hochschulen in diesem Modell ist
noch nicht festgelegt: Zweifellos werden sie auch in Zukunft selbst
Wissen produzieren oder Contentware von anderen Hochschulen
erwerben und insoweit auf den Aufbau von eigenen Lehrressourcen
verzichten. Weiterhin ist es denkbar, dass die Hochschulen selbst die
Rolle von Bildungsbrokern übernehmen. Dabei könnte der Schwer-
punkt bei der Auswahl verfügbarer Bildungsprodukte und derenMontage zu zielgruppenspezifischen Curricula liegen. In jedem Fall ist es sinnvoll, dass die Hochschulen ihre Kernkom-
petenzen als Wissensproduzenten mit spezialisierten Multimedia-
Dienstleistern, Network-Providern und Service-Providern verbinden,
die primär die Vermarktung und Abwicklung zum Endkunden vor-
nehmen. Für die Umsetzung solcher Lernallianzen ist es erforderlich,
den gesamten Prozess der Wissenswertschöpfung in seinen einzelnen
Elementen zu betrachten.
Die Wissens-
wertschöpfungs-
kette:
– Content-Providing
Hochwertige und attraktive Wissensinhalte sind ein wichtiger Er-folgsfaktor in der Wissenswertschöpfung; ihre Urheberrechte liegen
in der Regel bei den Lehrenden. Durch Selektion und Bündelung der
Lerninhalte, Definition von Lernzielen, Auswahl von Lehrmethoden
sowie Festlegung der Lernzielkontrollen wird das Curriculum be-
stimmt. In dem Maße, in dem die Verfügbarkeit von medienbasierten
Lerninhalten über das Internet zunimmt, wächst die Bedeutung von
Ordnungs-, Filter- und Zertifizierungsaufgaben der Lehrenden. Das
ist insbesondere dann relevant, wenn es um die gegenseitige Aner-
81
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
kennung von Prüfungsleistungen in virtuellen Studienverbünden
geht. Die Lehrenden fungieren somit nicht nur als Curricula-Ent-
wickler, sondern beraten die Studierenden bei der Auswahl multime-dialer Lerninhalte.
– Multimedia-
Produktion
Eine einfache 1:1-Umsetzung von klassischen Bildungsprodukten
wie z. B. Büchern oder Skripten zum Abruf über das Internet entfaltet
keinesfalls die innovativen Anwendungspotenziale der neuen Medi-
entechnik. Ihre weitergehende Ausschöpfung ist jedoch nicht ohne
eingehende Überlegungen zur Kosten-Nutzen-Relation möglich. Die
Kosten für Entwicklung und Produktion liegen je nach Grad der
Multimedialität und der erwarteten Professionalität, zum Beispiel bei
der Einbeziehung von Sound-, Bild-, Video- und Animationselemen-
ten, zwischen 50 000 DM und 100 000 DM je Contentstunde. Dabei
kann davon ausgegangen werden, dass durch eine Contentstunde ein
halber bis ganzer Tag Präsenzlernen substituiert werden kann. An
den Hochschulen sind weder die Ressourcen noch die Medienkom-
petenzen für solche Entwicklungen vorhanden. Es erscheint deshalb
sinnvoll, dass sich die Hochschulen auf die Spezifikation der Curricu-
la und Entwicklung mediengemäßer »Vor- bzw. Zwischenprodukte«
konzentrieren und die Veredelung zu Endprodukten an spezialisierteMultimedia-Produzenten übertragen wird.
– Network-Providing Der Zugang zu Contentware setzt eine entsprechende Informa-
tions- und Kommunikationsinfrastruktur voraus. Ihr Aufbau und Be-
trieb sind Aufgaben von Network-Providern.
– Service-Providing Service-Provider übernehmen die Mechanismen des marktmäßi-
gen Tauschens von Leistungen und institutionalisieren somit einen
elektronischen Markt für Contentware. Neben der Vermarktung
werden von Service-Providern Beratungs-, Betreuungs- und Abrech-
nungsfunktionen wahrgenommen. Die Abrechnung mit den Wissens-lieferanten und -nutzern kann von den Service-Providern auf Basis
des Nutzungsumfangs der Bildungsproduke erfolgen. Die Beherrschung dieser Wissenswertschöpfungskette – ganz oder
in Teilen – eröffnet Hochschulen die Möglichkeit, als Dienstleister im
Bildungssektor zu agieren. Dadurch wird vor allem die Form des
Das Studium mündet
in eine lebenslange
Lernbeziehung.
Wissensaustausches verändert. Die Leistungsbeziehungen zwischen
den Hochschulen und Studierenden enden nicht mehr mit der Exma-
trikulation, sondern werden in eine lebenslange Lernbeziehung über-
82
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Technologie und Infrastruktur: Standardisieren schafft Vorteile
führt. Dabei koordinieren Bildungsbroker die gesamte Wertschöp-
fungskette der medienbasierten Bildungsprodukte. Auf diese Weise
entstehen zwischen den Beteiligten völlig neue Aufgaben und Leis-tungsbeziehungen, die durch ein Kunden-Lieferanten-Szenario, wie in
Abbildung 1 dargestellt, beschrieben werden können.
3Abbildung 1: Education Brokerage
B I L D U N G S B R O K E R
W I S S E N S L I E F E R A N T E N
F a c h h o c h -
s c h u l e n
U n i v e r s i t t e n
w e i t e r e B i l -
d u n g s d i e n s t l .
. . .
C o n t e n t /
E d u c a t i o n
P r o v i d i n g
M u l t i m e d i a
P r o d u c t i o n
N e t w o r k
P r o v i d i n g
S e r v i c e
P r o v i d i n g
O u t s o u r c i n g
K U N D E N
S t u d e n t e n
H o c h s c h u l e n
I n d u s t r i e ,
D i e n s t l e i s t u n g ,
V e r w a l t u n g
B i l d u n g s -
e i n r i c h t u n g e n
K U N D E N
S t u d e n t e n
H o c h s c h u l e n
I n d u s t r i e ,
D i e n s t l e i s t u n g ,
V e r w a l t u n g
B i l d u n g s -
e i n r i c h t u n g e n
A u s w a h l ,
D e f . d e s
P r o d u k t -
p o r t f o l i o s
K o o r d i n a t i o n
M o n t a g e ,
V e r m a r k t u n g
K
u
n
d
e
n
a
n
f
o
r
d
e
r
u
n
g
e
n
E r l s e a u s d e r
W i s s e n s v e r w e r t u n g
K
u
n
d
e
n
s
p
e
z
i
f
i
s
c
h
e
B
i
l
d
u
n
g
s
d
i
e
n
s
t
l
.
E r l s e a u s d e r
W i s s e n s v e r w e r t u n g
Das Modell der Leistungsbeziehungen zeigt, wie zunächst durch die
Anforderungen der Kunden aus »Roh-Inhalten« der Wissenslieferan-
ten kundenspezifische Bildungsdienstleistungen entstehen können.
Mit der Vermarktung dieser Bildungsdienstleistungen durch Bil-dungsbroker entsteht dann ein elektronischer Bildungsmarkt. Auf
diesem Markt stehen die Angebote vergleichbar nebeneinander, und
letztendlich entscheiden dann die Kunden über den Erfolg bzw.
»Hitlisten« für
Bildungsprodukte
Misserfolg einzelner Bildungsdienstleistungen. Es wird im elektroni-
schen Bildungsmarkt »Hitlisten« der erfolgreichsten Bildungspro-
dukte geben, die Aufschluss über die Zufriedenheit der Kunden
geben und gleichzeitig als Indikator für die Qualität der angebotenen
Bildungsdienstleistungen fungieren. Dabei kann letztendlich auch auf
83
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
die Leistungsfähigkeit der Lieferanten, also der Hochschulen, ge-
schlossen werden. Die Bildungsbroker können sich bei der Lieferan-
tenauswahl der Bildungsbausteinanbieter an diesen Evaluationser-gebnissen orientieren. Ein weiteres Argument für das Engagement der Hochschulen an
den Bildungsmärkten sind die zusätzlichen Einnahmepotenziale aus der
Vermarktung dieser Lerninhalte durch die Bildungsbroker. Diese Ein-
nahmen fließen anteilig an die Wissenslieferanten zurück und sind
somit unter den gegenwärtigen finanzpolitischen Restriktionen eine
höchst willkommene Ergänzung der staatlichen Grundfinanzierung.
Hochschulen fungieren als Bauherren und Architekten
von Contentware und weniger als Bauunternehmer
Curricula als
Storyboard für
multimediale
Bildungsprodukte
Mit der Überführung von Bildungsangeboten in Contentware nimmt
die Bedeutung der Curricula zu. Ihre Entwicklung bleibt die Aufgabe
der Lehrenden. Curricula übernehmen nicht nur die Funktion von
Bauplänen, die verbindlich angeben, welche Lerninhalte erarbeitet
werden sollen, sie legen auch auf der Grundlage von konkretenLernzielen die inhaltliche Struktur und den zeitlichen Ablauf eines
Bildungsangebotes fest. Da sie auch didaktisch aufbereitete Unter-
richtsmaterialien enthalten, bestimmen sie zusätzlich die einzusetzen-
den Unterrichtsmethoden. Sie stellen daher ein ideales Instrument zur
Planung und »Konstruktion« von Aus- und Weiterbildungsmaßnah-
men dar und können als Grundlage für die technische Realisierung
eines multimedialen Bildungsproduktes im Sinne eines Storyboards
herangezogen werden.
Vom Prototyp zur
Endmontage Die pädagogisch-didaktischen Vorgaben des Curriculums sind imRahmen einer medientechnischen Realisierung umzusetzen. Hierzu
können entsprechende Vorgehensmodelle, wie beispielhaft in der
Abbildung dargestellt, eingesetzt werden:
– In einer Analyse-Phase überprüfen Implementierungsspezialisten
die Vorgaben des Curriculums auf technische und finanzielle Rea-
lisierbarkeit. Gegebenenfalls müssen gemeinsam mit den Lehren-
den und Instruktionsdesignern alternative Lösungsvarianten für
Ausschnitte des Curriculums entwickelt werden.
84
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Technologie und Infrastruktur: Standardisieren schafft Vorteile
4Abbildung 2: Vorgehensmodell zur Entwicklung multimedialer Bildungsprodukte
A n a l y s i s
C o n t e n t D e s i g n M e d i a P r o d u c t i o n
T e s t & R e d e s i g n
D o c u m e n t a t i o n a n d Q u a l i t y A s s u r a n c e
Z i e l d e f i n i t i o n
B e n u t z e r a n a l y s e
T e c h n i k
G r o b k o n z e p t
I d e n t i f i k a t i o n
S p e z i f i k a t i o n
E n t w i c k l u n g
S t o r y b o a r d i n g
M e d i e n b a u s t e i n e
P r o g r a m m i e r -
a n w e i s u n g e n
I n t e r a k t i o n s -
s t r u k t u r
B e n u t z e r o b e r -
f l c h e n d e s i g n
P r o t o t y p
T e x t - , B i l d , - A u d i o - ,
V i d e o b e a r b e i t u n g
u n d - e r s t e l l u n g
A n i m a t i o n e n
I m p l e m e n t a t i o n
A l p h a - V e r s i o n
B e t a - V e r s i o n
P r o g r a m m i n g
P l a t t f o r m t e s t
P e r f o r m a n c e t e s t
U s a b i l i t y t e s t
E n d - V e r s i o n
P r o d u k t r o l l o u t
Q M - P l a n , D o k u m e n t a t i o n s p l a n , S t a t u s r e p o r t s , T e i l e r g e b n i s p r s e n t a t i o n e n , D o k u m e n t a t i o n
P r o j e k t p l a n
B u d g e t i e r u n g
P r o d u c t -
r o l l o u t
K i c k - O f f
P r o j e c t M a n a g e m e n t
Ein Vorgehensmodell
für die medien-
technische
Realisierung
– Nach der Verabschiedung eines Grobkonzeptes kann die Fertigung
des Bildungsproduktes geplant und budgetiert werden.
– Im Rahmen der Phase Content Design werden die zu produzie-
renden Medienbausteine identifiziert und Anforderungen an ihre
Qualität spezifiziert. Für die Erstellung von Animationen müssenin der Regel eigene Storyboards, Programmieranweisungen und
Interaktionsstrukturen entwickelt werden. Sofern keine Vorgaben
für das Benutzeroberflächendesign existieren, bietet es sich an,
zum Abschluss dieser Projekt-Phase einen Prototyp zu entwi-
ckeln, der einen ersten Eindruck des fertigen Bildungsproduktes
vermitteln kann.
– Im Anschluss werden die zu erstellenden Medienbausteine von
unterschiedlichen Spezialisten, wie beispielsweise Fotografen, Vi-
85
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
deoproduzenten oder Grafik- bzw. Screendesignern, erstellt und
abschließend im Rahmen der Implementierung zum fertigen Bil-
dungsprodukt montiert.– Nach der Durchführung von Qualitätssicherungsmaßnahmen
wird das Bildungsprodukt zur Nutzung freigegeben und in den
elektronischen Bildungsproduktkatalog aufgenommen.
Verteilung von
Kompetenzen und
Ressourcen
Dieses Vorgehensmodell für Multimedia- bzw. E-Learning-Projekte
an den Hochschulen zeigt eine mögliche Kompetenz- und Ressour-
cenverteilung:
– Die Entwicklung von multimedialen »Vor- bzw. Zwischenpro-
dukten« bis zum Storyboard wird von den Hochschulen vorge-
nommen.
– Die weiterführende Multimedia-Produktion wird von spezialisier-
ten Unternehmen übernommen.
– Der »Betrieb« der virtuellen Lern- und Wissenswelten erfolgt
durch entsprechende Service- und Network-Provider.
Der Technologieeinsatz für die Produktion von Wissensmodulen
sowie die Anforderungen an die Infrastruktur an den Hochschulen
reduzieren sich somit auf ein Minimum von bereits existierenden und
in der Regel auch verfügbaren Softwaresystemen wie Textverarbei-tungssysteme, Grafikprogramme sowie HTML-Editoren. Ergänzend
erscheint es darüber hinaus sinnvoll, standardisierte Storyboard-
Templates zu entwerfen, die die Lehrenden in die Lage versetzen,
multimediale Vorprodukte zu entwickeln.
Aufbau einer integrierten Wissenskette:
internetgestütztes Lernen, Training und Qualifikation
Gegenwärtige
Schwachpunkte der
Wissensvermittlung:
Heutige Techniken der Wissensvermittlung haben folgende charakte-
ristische Mängel:
– Die Wissensvermittlung findet oft reaktiv auf bereits vollzogene
technologische Änderungen statt. Daraus ergibt sich das Problem
der Vermittlung veralteten Wissens.
– Wissensvermittlung erfolgt in separaten, oft praxisfernen Um-
gebungen. Daraus resultiert das Problem des Umgebungstrans-
fers.
86
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Technologie und Infrastruktur: Standardisieren schafft Vorteile
– Zur Wissensvermittlung werden oft praxisferne Beispiele herange-
zogen. Daraus ergibt sich das Problem des Wissenstransfers.
Nutzung vonSynergien zwischen
Hochschulen und
Wirtschaft
Internetgestützte Wissenssysteme können wesentlich zur Lösung die-ser Probleme beitragen. Durch den Einsatz von Internet-Technologien
kann sich die Universität öffnen, Wissen von außerhalb schneller he-
reinholen und ihre Ergebnisse auch Unternehmen im kooperativen
Verbund zur Verfügung stellen. Mit der zunehmenden elektronischen
Erfassung von Unternehmenswissen (knowledge management) erge-
ben sich neue Möglichkeiten hinsichtlich einer Integration in Lehr-
materialien. Lern- und Wissensbausteine der Hochschulen sowie Un-
ternehmenswissen haben ein hohes Synergiepotenzial.
Stärken des
multimedialen
Lernens
Der Einsatz des Internet kann die Probleme des Wissenstransfers
erheblich verringern. Ein Portfolio unterschiedlicher Wissensvermitt-
lungsstrategien sollte theoriebasiertes Lernen, praxisorientierte Trai-
nings sowie eine Online-Qualifikation im Produktionsprozess umfas-
sen.
– Das theorieorientierte Lernen dient der Vermittlung von Metho-
denwissen in Lehrveranstaltungen, auf die sich die Lernenden
gezielt vorbereiten können, so dass ein möglichst homogener Vor-
wissensstand erreicht wird. Dabei umfasst Lernen in der (zukünf-tigen) Informations- und Wissensgesellschaft immer den Erwerb
von Wissen über Inhalte und den Erwerb von Wissen über den
Umgang mit modernen Medien, d. h. den Erwerb von Medien-
kompetenz.
– In praxisorientierten Trainings vermittelt ein Tutor Werkzeugwis-
sen, dabei übernimmt er zunehmend die Rolle eines Coach. Diese
Trainings können stufenweise reale Geräte einbeziehen und die
Bereiche Virtual Reality Training und Augmented Reality Training
abdecken.– Bei der praktischen Anwendung in der produktiven Umgebung
kann der Lernende schließlich bei Bedarf auf eine Online-Hilfe
oder einen zuschaltbaren Consultant zugreifen.
Unterstützungneuer
wissensgestützter
Arbeitsformen
Das oben skizzierte Modell der Übertragung von Wissen aus Lern-
und Arbeitsumgebungen gilt auch für die Techniken der Wissens-
vermittlung selbst. Internetbasiertes Lernen und Training unter
Ausschöpfung des Potenzials von Teamarbeit, Tele-Tutoring, Online-
Consulting und der Zugriff auf verteilte Ressourcen leisten damit
87
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
einen wichtigen Beitrag zur Etablierung netzgestützten Arbeitens im
Unternehmen. Die Möglichkeiten der internetgestützten Wissensver-
mittlung sind daher von den Universitäten auch unter dem Aspekt zuforcieren, dass sie damit eine wichtige Vorreiterrolle bei der Einfüh-
rung neuer, wissensgestützter Arbeitsformen einnehmen können.
Technologische Infrastruktur
Konsequenzen für die
Infrastruktur der
Hochschulen
Die Ausführungen im ersten Teil haben deutlich gemacht, dass es in
allen Bereichen der Konzeption, Implementierung, Evaluation und
Aktualisierung von Online-Bildungsangeboten erforderlich ist, bis-
lang getrennte und nebeneinander herlaufende Entwicklungen und
Projekte zu koordinieren und zu konzentrieren, um die Qualität und
Nachhaltigkeit der Lernsysteme zu steigern. Im Folgenden wird er-
läutert, welche technologischen Notwendigkeiten die Hochschulen
dazu bedenken sollten und welche Anforderungen daraus für die
eigene Infrastruktur resultieren.
Entwicklung einer E-Learning-Referenzarchitektur
Es erscheint sinnvoll, eine E-Learning-Referenzarchitektur (Abbil-
dung 3) zu entwickeln:
Campus-Komponenten Campus-Komponenten stellen ihre Dienste ohne Bezug zu einem
konkreten Bildungsprodukt allen registrierten Personengruppen einer
virtuellen Lernwelt zur Verfügung. Hierzu zählen Komponenten zur
Identifizierung gegenüber dem System, allgemeine Informations-
dienste wie z. B. Yellow Pages, Listen mit Hinweisen auf interessanteInformationsangebote im Internet oder eine Mediathek, welche die
Funktion einer multimedialen Bibliothek übernimmt. Weiterhin ste-
hen auf dieser Ebene synchrone und asynchrone Kommunikations-
und Kollaborationsdienste zur Verfügung, die auch bildungspro-
duktbezogen von einzelnen Gruppen genutzt werden können.
Classroom-
Komponenten
Der private Arbeitsbereich eines Teilnehmers gehört zu den Class-
room-Komponenten der E-Learning-Applikation. Hier kann der
Teilnehmer seine personenbezogenen Daten verwalten. Analog zum
88
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Technologie und Infrastruktur: Standardisieren schafft Vorteile
privaten Arbeitsbereich eines Lernenden verfügt jeder Tutor ebenfalls
über seinen eigenen privaten Arbeitsbereich. Die Komponente Öf-
fentlicher Arbeitsbereich steht bildungsproduktbezogen den Teil-nehmern eines bestimmten Kurses zur Verfügung. Sie dient als
Kommunikations- und Kollaborationsplattform zwischen Lehrendem
und Lernenden sowie zwischen den Lernenden und ermöglicht so die
Realisierung von offenen und geschlossenen Lerngruppen.
5Abbildung 3: E-Learning-Referenzarchitektur
H o m e p a g e
M a i l b o x
A r b e i t s m a p p e
L e r n k o n t o
P r i v a t e r A r b e i t s b e r e i c h T e i l n e h m e r
H o m e p a g e
M a i l b o x
A r b e i t s m a p p e
C o a c h i n g -
K o n t o
P r i v a t e r A r b e i t s b e r e i c h T u t o r
B i l d u n g s p r o d u k t -
b e z o g e n e r
f f e n t l i c h e r
A r b e i t s b e r e i c h
C h a t
D i s k u s -
s i o n s -
f o r e n
N e w s -
g r o u p s
Y e l l o w
P a g e s
N e w s
M e d i a -
t h e k
F A Q
B i l d u n g s b e d a r f s -
a n a l y s e
L i n k -
L i s t e n
W h i t e -
B o a r d
V a l u e A d d e d S e r v i c e s ( I n f o r m a t i o n s d i e n s t e )
K a r r i e r e - / B i l d u n g s -
b e r a t u n g
P r o d u k t -
K a t a l o g
C u r r i c u l u m - M a n a g e m e n t
B i l d u n g s p r o d u k t -
a n f o r d e r u n g e n
C u r r i c u l u m - P l a n u n g
u n d - D e s i g n
L e i s t u n g s k o n t r o l l e n
B i l d u n g s p r o d u k t - F r e i g a b e
V e r a n -
s t a l t u n -
g e n
G l o s s a r
I n f o -
A b o
( P u s h )
R e g i s t i s t r i e r u n g
( I m m a t r i k u l a t i o n )
S y s t e m a n m e l d u n g
( L o g i n / L o g o u t )
I d e n t i f i z i e r u n g
S t a k e h o l d e r - D B
C u r r i c u l u m -
D B
P r o f i l - D B
E v a l u a t i o n s -
D B
N u t z u n g s -
s t a t i s t i k e n ,
T e i l n e h m e r -
M o n i t o r i n g . . .
D e m o g r a f i s c h e
P r o f i l e ,
B i l d u n g s p r o f i l e ,
S t e l l e n p r o f i l e
T e i l n e h m e r ,
T u t o r e n ,
I n s t r u k t i o n s -
d e s i g n e r ,
A u t o r e n , . . .
C o n t e n t - D B
( Q u e l l - ) T e x t e ,
B i l d e r , A u d i o s ,
V i d e o s ,
A n i m a t i o n e n ,
. . . .
B i l d u n g s p r o d u k t -
s t r u k t u r , R e f e -
r e n z l e r n p f a d e ,
L e r n z i e l e , U n t e r -
r i c h t s f o r m e n . . .
F r a m e w o r k - R e p o s i t o r y
D e s i g n - T e m p l a t e s M a s k e n - T e m p l a t e s F u n k t i o n s b i b l i o t h e k e n
C a m p u s -
K o m p o n e n t e
C l a s s r o o m -
K o m p o n e n t e
P r o d u k t i o n s -
K o m p o n e n t e
D a t e n b a n k -
K o m p o n e n t e
C o n t e n t - M a n a g e m e n t
P r o d u k t i o n s -
p l a n u n g
C o n t e n t -
F e r t i g u n g
C o n t e n t - F r e i g a b e
L e r n g r u p p e n
K o m m u n i k a t i o n s - u n d K o l l a b o r a t i o n s d i e n s t e
89
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Produktions-
komponenten
Die Produktionskomponenten unterstützen die arbeitsteiligen Prozes-
se zwischen den Instruktionsdesignern eines Bildungsproduktes und
den Entwicklern der Medienbausteine. Hierbei ist zwischen Kompo-nenten zum Curriculum-Management und Komponenten zum Con-
tent-Management zu unterscheiden.
Datenbank-
Komponenten
Die Datenbank-Komponenten bilden die inhaltliche Integrations-
basis der E-Learning-Applikation. Logisch ist zwischen Informations-
daten (Stakeholder-DB, Profil-DB) und Bildungsprodukten (Curricu-
lum-DB, Content-DB, Evaluations-DB) zu unterscheiden. Durch die
semantische und syntaktische Beschreibung dieser Datenbestände in
einem Repository kann die Applikation an die spezifischen Anforde-
rungen eines Lernweltbetreibers flexibel angepasst und erweitert wer-
den.
Allgemeine Standards als Basis für E-Learning-Umgebungen
Im Bereich neuer Lernmedien und -systeme gibt es bisher nur wenige
allgemein akzeptierte Standards. Auf der Ebene der eigentlichen
Lerninhalte (Texte, Bilder oder Videos) ist die Übernahme allgemei-ner Standards und Formate sinnvoll. Dafür spricht auch die Menge
der vorhandenen Werkzeuge zur Erstellung, Rezeption und Pflege
dieser Inhalte. Auf der Meta-Ebene der Beschreibung der Wissens-
bausteine oder der Lernprozesse sind demgegenüber lernspezifische
Standards notwendig und sinnvoll.
Ein Fundus an
Standards und
Konventionen
Für vollständige Lernumgebungen, die aus einer Vielzahl von
Subsystemen zusammengesetzt sind, gibt es bislang so gut wie keine
Standardarchitekturen und Konstruktionsprinzipien. Von solchen
Architekturen und Prinzipien ist zu verlangen, dass sie Entwurf,Standardisierung und Verbreitung neuer Technologien (vgl. z. B. die
Entwicklung im Bereich der Informationssysteme) unterstützen. Es
ist ein Fundus an Standards und Konventionen für Lernsysteme
anzustreben, der die Möglichkeiten zur Konstruktion solcher Syste-
me auf der Basis abstrakter Bausteine und ihrer Schnittstellen be-
schreibt. Dieser design space stellt eine einheitliche Terminologie
für Lernumgebungen bis hin zur Definition von technischen Schnitt-
stellen zur Verfügung. Dies ermöglicht zum einen eine Verständigung
90
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Technologie und Infrastruktur: Standardisieren schafft Vorteile
zwischen unterschiedlichen Personengruppen – z. B. Anwendern, Ent-
wicklern und Betreibern – und zum anderen eine eindeutige Spezifi-
kation und Beurteilung von Alternativen. Ein solcher design space lässt sich etwa als System von Soft-
warepatterns für den Gegenstandsbereich beschreiben. Konkrete
Ausprägungen von Teilpatterns (d. h. konkrete Bausteine oder Sys-
teme z. B. für Benutzerprofil, Authentifizierung, ISDN-Verbindung,
application sharing, A/V-Konferenz, E-Mail) können dann einfacher
wiederverwendet und ggf. gegeneinander ausgetauscht werden. Dies
erhöht die Effizienz der Implementierung für Lernumgebungen. Die
folgende Abbildung zeigt eine mögliche Grobstruktur eines design
space:
Abbildung 4: Grobstruktur des design space
Wissens-plattform
IuK-Plattform
Wissensinhalte Wissensvermittlung
Meta-Wissen
Workflow
ContentManagement
Web-Server
Wissenspools:strukturiertes Wissen
koop. Arbeits-umgebung
Broker-Umgebungen
integriert inArbeitsprozesse
integrierteLernumgebungen
Mobilität
Profiling
Marktanalyse
Zertifizierung
e-commerce Copyright
Administration vonWissenspools
Authoring,Redaktion
Nutzungs-profile
Authenti-fizierung
Accounting/Billing
A/V-Conferencing/chat/e-mail
Such-maschinen
Krypto-graphie
Kommunikation(IP/ISDN
Wissens-module
Kommunikations- undKooperationsplattform
91
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Verwendung von Meta-Daten zur Standardisierung von Inhalten
und als Retrieval-Werkzeug für Autoren und Lernende
Die Nutzung von im Internet angebotenen Wissensbausteinen erfor-
dert intelligente Such- und Auswahlmöglichkeiten. Heutige, inhalts-
orientierte Suchmaschinen (wie Altavista, Yahoo) sind hierfür nicht
ausreichend, da sie zu viele Treffer, aber zu wenige Informationen
vermitteln. Diese Suchmaschinen sind gut geeignet, um Kursmateria-
lien auf der Basis von Volltextsuche oder Schlüsselworten zu ermit-
teln. Sie versagen jedoch bei Anfragen, die beispielsweise den Lern-
kontext oder das Nutzerprofil einbeziehen und deren Beantwortung
daher nicht direkt aus einem Dokument abgeleitet werden kann.
Hierzu sind zusätzliche Informationen in Form so genannter Meta-
Daten notwendig.
Meta-Daten
erleichtern das
Auffinden von
geeignetem
Lehrmaterial.
Meta-Daten attributieren die eigentlichen Lerninhalte mit zusätz-
lichen Informationen zu Lernzielen, didaktischen Strategien, erfor-
derlichem Vorwissen etc. Die Verwendung von Meta-Daten stellt
dem Lernenden erweiterte Suchmöglichkeiten zur Verfügung und
unterstützt die Wiederverwendung bereits erstellten Wissens durch
Autoren und Entwickler. Meta-Daten können unabhängig von der Produktion des eigentli-
chen Inhalts erstellt werden. Ein Pädagoge kann einen bereits existie-
renden Content für seine Zwecke attributieren und damit in einen
bestimmten Lehrzusammenhang stellen. Außerdem können verschie-
dene Meta-Daten denselben Content referenzieren. Dies gestattet die
Verwendung derselben Inhalte in verschiedenen Vorlesungen.
Knowledge engines
ergänzen die
herkömmlichenSuchmaschinen.
Die Suche nach Wissen wird künftig neben klassischen Suchma-
schinen auch über knowledge engines erfolgen, die bei der Suche
bereits das Lernprofil berücksichtigen können. Hierdurch können imBereich des Retrieval inhaltliche und didaktische Aspekte sinnvoll
ergänzt werden. Zur Standardisierung von Meta-Daten wird die Erstellung von
Katalogen zur Wissensklassifikation vorgeschlagen. Solche Kataloge
sind spezifisch für verschiedene Fachdisziplinen zu entwerfen und,
soweit möglich, untereinander abzustimmen. Hierzu sollten entspre-
chende internationale Aktivitiäten (z. B. ARIADNE, IMS, IEEE-
LTSC, Prometeus-Initiative der EU) intensiv verfolgt und auf der
92
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Technologie und Infrastruktur: Standardisieren schafft Vorteile
Basis der dort erzielten Ergebnisse Prototyp-Entwicklungen und Feld-
versuche durchgeführt werden. Es ist anzustreben, Ausbildungsmaß-
nahmen künftig konsequent auf der Meta-Ebene zu beschreiben undanschließend mit Inhalten zu füllen.
Entwurf modularer,
wiederverwendbarer Wissensbausteine
Wissensbausteine
erleichtern die
Präsentation und
Aktualisierung des
Lehrstoffes.
Modularität erlaubt die präzise Definition von Wissensbausteinen
und ist damit die Voraussetzung für Wiederverwendung. Die Kom-
position modularer Elemente führt zu komplexen Wissenselementen
– das ist insoweit eine Übertragung des aus dem Software-Entwurf
bekannten Baukastenprinzips. Die Realisierung abstrakter Kursmus-
ter gestattet den Entwurf und die formale Prüfung von Qualifika-
tionsmaßnahmen vor der eigentlichen Implementierung. Weiterhin
erlaubt sie die Normung und Standardisierung von Vorgehensmodel-
len. Die Wiederverwendung von Wissenselementen kann vor allem
bei der Konfiguration und der Anpassung von Wissenselementen für
konkrete Zusammenhänge sinnvoll eingesetzt werden. Es ist eben-falls möglich, die Präsentation von Wissen dem aktuellen Wissens-
stand eines Lernenden optimal anzupassen. Es sind sowohl Technologien für Wissensinhalte wie auch für
Wissensstrukturen zu entwickeln. Hier sind statische Strukturen und
dynamische Navigationsmuster zu unterscheiden. Statische Struktu-
ren entsprechen kanonischen Wissensklassifikationen; als Beispiel
kann die Strukturierung von Büchern dienen. Dynamische Naviga-
tionsmuster werden typischerweise von Pädagogen individuell auf
statischen Wissensstrukturen definiert; hier sind beispielsweise re-
commended readings, guided tours oder auch berechnete Naviga-
tionspfade bei programmiertem Lernen zu nennen. Aus pädagogi-
scher Sicht sind hier die entsprechenden Strukturen und Muster zu
entwerfen, aus technischer Sicht sind Visualisierungen für die Navi-
gation in Wissensstrukturen zu entwickeln. Die Übertragung der Ansätze der Objektorientierung auf die
Gestaltung von Contentware führt zu so genannten Content Learning
Objects (CLO), wie in Abbildung 5 dargestellt.
93
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Content Learning
Objects übertragen
die Ansätze derObjektorientierung
auf die Produktion
von Contentware.
Ein Content Learning Object stellt Lernmethoden bereit, die je
nach Lerninhalt verwendet werden. Beispielsweise enthält es für gra-
fisch animierte Veranschaulichungen kognitive Lernmethoden. Sollein Nutzer seinen Lerninhalt selbst entwickeln, werden konstruktivis-
tische Lernmethoden vom CLO vordefiniert. Sofern der Lernerfolg
geprüft werden soll, stehen Testmethoden zur Verfügung. Soll der
Nutzer die Inhalte selbst erkunden, so werden explorativ die Lehr-
inhalte bereitgestellt. Content Learning Objects können in einem Content Learning
Object Repository verwaltet werden. Ein Lernsystem greift über die
Metabeschreibung auf das Content Learning Object Repository zu
und »zieht« die von einem Lernenden angeforderten Lerninhalte und
Medienelemente. Diese können so zu einem individuellen Curricu-
lum flexibel zusammengestellt und konfiguriert werden.
6Abbildung 5: Content Learning Objects in Lernsystemen
L e r n -
e i n h e i t
1
L e r n -
e i n h e i t
n
. . .
L e r n -
w e l t
S y s t e m -
k o m p o -
n e n t e n
L e r n -
s y s t e m
A
W
i
s s e n s -
d a t e n -
b a n k
C o n t e n t L e a r n i n g O b j e c t ( C L O )
L e r n z i e l e
B i l d e r /
G r a f i k e n
T e x t e
A u d i o s /
V i d e o s
A n i m a -
t i o n e n
E i g e n s c h a f t e n e i n e s C L O :
¥ G r a n u l a r e K a p s e l u n g v o n W i s s e n
¥ B e r e i t s t e l l u n g v o n L e r n f u n k t i o n e n
¥ D e f i n i e r t e L e r n - / N u t z u n g s d a u e r
¥ W i e d e r v e r w e n d b a r i n
u n t e r s c h i e d l i c h e m K o n t e x t
¥ A n p a s s b a r k e i t u n d A u s t a u s c h -
b a r k e i t d e r g e k a p s e l t e n
M e d i e n e l e m e n t e ( z . B . f r
u n t e r s c h i e d l i c h e S p r a c h e n ,
L e r n k u l t u r e n , . . . )
94
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Technologie und Infrastruktur: Standardisieren schafft Vorteile
Harmonisierung eines Produktmodells und -lebenszyklus für Wissen
Mit höhererRationalität von der
Produktion bis zur
Entsorgung
Zum Produkt Wissen tragen verschiedene Komponenten wie Infra-strukturen, Content, Dienstleistungen und Methoden bei. Ein Tele-
Tutoring-Szenario verlangt beispielsweise eine Infrastruktur, die
Telekommunikation und Tele-Conferencing zum gemeinsamen Zu-
griff auf Lehrmaterialien unterstützt. Es setzt typischerweise auf
simulationsgestützten Inhalten auf, kann von einem Experten als
Dienstleistung erbracht werden und beruht auf einer bestimmten
Trainingsmethode. Szenarios der Wissensgenerierung und der Wis-
sensnutzung basieren auf einem Zusammenwirken der verschiedenen
Komponenten. Es sind Produktmodelle zu entwickeln, die dieses
Zusammenwirken formalisieren. Es wird empfohlen, hier Vorge-
hensweisen aus dem Bereich des Entwurfs industrieller Produktmo-
delle zu übernehmen und entsprechend anzupassen. Weiter sind Modelle für den Produktlebenszyklus von Wissen zu
entwickeln, wie in der Abbildung unten dargestellt, die alle Phasen
(Design, Autorierung, Konfiguration, Nutzung, Beurteilung, Auswer-
tung) abdecken. Der Entwurf eines solchen Produktlebenszyklus
wird es insbesondere erleichtern, verschiedenartige Implementierun-gen der einzelnen Phasen durchzuführen und die Schnittstellen zwi-
schen ihnen zu definieren. Insgesamt kann damit ein Referenzmodell
für das Wissensprodukt und seinen Lebenszyklus entwickelt werden.
Wissensprodukt Lebenszyklus
Von besonderer Bedeutung für die internetbasierte Wissensvermitt-
lung sind dabei die Aspekte Konfiguration und Auswertung. DasSchaffen von Wissen im Internet wird zunehmend auf der Wieder-
verwendung bereits vorhandener Bausteine basieren. Es sind daher
spezielle Techniken zu entwickeln, welche die Konfiguration von
Wissen aus vorhandenen Bausteinen unterstützen (Baukastenprinzip).
Mit der explosionsartigen Wissenszunahme sowie der sich ständig
verkürzenden Gültigkeit von Wissen gewinnt die Auswertung von
Wissensszenarios an Bedeutung. Daraus können dann verschiedene
Maßnahmen abgeleitet werden: zum einen das Redesign von Wissens-
95
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
bausteinen mit dem Ziel einer kontinuierlichen Verbesserung, zum
anderen das gezielte Verlernen nicht mehr aktuellen Wissens bzw.
das »Entsorgen« von Wissensinhalten.
Abbildung 6
Design
Autorierung
Konfiguration
Nutzung
Auswertung
Inhalte
Strukturen
Curricula
Neuerstellung
Anpassung
Komposition
Update
Anpassung
Komposition
Wiederverwendung inanderen Kontexten
Lernen
Tutoring
Coaching
Lernerfolg
Kursqualität
Zertifizierung
Lernende
TutorenKurse
Beurteilung
Es sind daher Maßnahmen zu entwickeln, die den Lernenden über
Wissens-Updates oder die Ungültigkeit erworbenen Wissens infor-
mieren. Dazu sind sowohl konzeptionelle als auch technische Vor-
leistungen zu erbringen; es sind Konzepte zu entwickeln, die die Gül-
tigkeit von Wissen formalisieren. Aus technischer Sicht können hier
beispielsweise Regelsysteme verwendet werden. Weiterhin sind
Technologien (beispielsweise auf der Basis von Agenten) zu entwi-
ckeln, die die Beurteilungsergebnisse autonom abfragen und den Be-
nutzer hierüber informieren.
96
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Technologie und Infrastruktur: Standardisieren schafft Vorteile
Mit kooperativen Lernumgebungen lassen sich die Probleme
des individualistischen Lernparadigmas überwinden
Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Pädagogik und pädagogischen
Psychologie der letzten Jahre ist die Notwendigkeit, Lernprozesse zu
situieren, d. h. auf konkrete Situationen zu beziehen, und damit u. a.
auch in soziale Kontexte zu stellen, um Anwendung und Transfer des7Gelernten zu fördern. Die Möglichkeit der personalen Ansprache,
Anleitung, Unterstützung und Rückmeldung durch Lehrende und
Tutoren ist daher in der Regel eine Voraussetzung für effektives
Lernen. Die Notwendigkeit kooperativen Lernens liegt ferner im
Wandel der Lerninhalte und -ziele begründet: Maxime und Ziel des
Lernens wird – weit über das Aneignen einfacher Fakten und Metho-
den hinausgehend – die Fähigkeit zum Erkennen, Gestalten und zur
Bewältigung komplexer Alltagssituationen sein. Dies kann nur dann
gelingen, wenn das Lernen unter den Anwendungssituationen ver-
gleichbaren Bedingungen erfolgt. Es gibt bereits eine Anzahl IT-gestützter kooperativer Basisdiens-
te, sei es zur asynchronen Kooperation mit Hilfe von elektronischer
Post und Nachrichtenbrettern, sei es zur synchronen Kooperationdurch gemeinsames Benutzen von Anwendungsprogrammen (appli-
cation sharing ) oder durch Audio-/ Videokonferenzsysteme. Diese
Dienste werden zur Zeit meist als Einzellösungen angeboten. Not-
wendig ist die Integration dieser Dienste in einer umfassenden Lern-
und Kooperationsplattform mit definierten Schnittstellen zu Lern-
werkzeugen und Wissensbausteinen. Die bestehenden Ansätze zur Kooperationsunterstützung berück-
sichtigen noch nicht im nötigen Umfang die besonderen Koopera-
tionselemente in Lernprozessen. Auch bei der Flexibilität, die für dielernspezifische Ausprägung dieser Elemente erforderlich ist, gibt es
noch Mängel. Unter anderem wohl auch deshalb werden vorhandene
Technologien und Werkzeuge zur Zeit nicht im möglichen Maße
akzeptiert und eingesetzt. Durch die Definition lernspezifischer
Kooperationsprozesse und die Orientierung an den Anforderungen
der Autoren, Lehrenden, Tutoren und Lernenden können deren
Zugangshemmnisse abgebaut, die Akzeptanz erleichtert sowie das8
Einsatzpotenzial kooperativer Lernumgebungen vergrößert werden.
97
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Der Einsatz von Technologien hat sich den Anwendungszwecken
unterzuordnen: Lernen und Training im Internet ist nicht Technolo-
gie-getrieben, sondern Technologie-gestützt. Dies bedeutet auch, dassdie zugrunde liegende Technologie den Anwender nicht behindern
darf – Idealvorstellung ist das transparent computing , das die zu-
grunde liegende Technologie vor dem Anwender verbirgt, ihm jedoch
andererseits alle Möglichkeiten offen lässt.
Hybride Lernszenarios erfordern skalierbare
und flexible Infrastrukturen
Vier Szenarios,
die einander nicht
ausschließen,
sondern ergänzen
Von besonderer Bedeutung ist die Unterstützung unterschiedlicher
Szenarios der Wissensnutzung:
– Beim Online-Lernen steht genügend Bandbreite kostenfrei zur
Verfügung, so dass der Benutzer in ständiger Verbindung zu Lern-
servern, Dozenten, Tutoren oder Kommilitonen stehen kann. In
diesen Bereich fallen Szenarien wie virtuelles Klassenzimmer,
Lernlabor oder Lernen am Arbeitsplatz.
– Der Wissenszugriff von zu Hause oder von kleinen und mittlerenUnternehmen erfolgt in aller Regel über schmalbandige Netze.
Hier sind dann auch die Übertragungskosten ein wichtiger Faktor.
Daher ist es hier notwendig, größere Lerneinheiten an den Ar-
beitsplatz laden zu können, sie lokal zu bearbeiten und die Ergeb-
nisse anschließend zum Lernserver übertragen zu können (Off-
line-Lernen).
– Daneben sind auch stand-alone-Szenarios, beispielsweise auf Basis
von CD-ROM oder DVD, zu unterstützen. Diese bieten sich vor
allem für datenintensive Multimedia Trainings (z. B. im Bereichder Medizin) an.
– Künftig werden zunehmend auch Hybridszenarien anzutreffen
sein, bei denen beispielsweise die hochquantitativen Inhalte auf
DVD lokal vorliegen, für Wissenskontrollzwecke oder Tutoring
jedoch eine Online-Verbindung aufgebaut wird.
Lernsysteme sollten mehrere Nutzungsarten vorsehen und insbeson-
dere auch den reibungslosen Übergang zwischen verschiedenen Nut-
zungsarten unterstützen.
98
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Technologie und Infrastruktur: Standardisieren schafft Vorteile
Verschiedene
Einsatzformen
bedingen den Einsatzunterschiedlicher
Techniken.
Die verschiedenen Szenarien sind bereits bei der Entwicklung von
Wissensbausteinen zu beachten: So können für bestimmte Inhalte
Alternativen (z. B. Animationen mit unterschiedlicher Qualität, Bildermit unterschiedlicher Auflösung) entwickelt werden. Aus technischer
Sicht sind Werkzeuge zur Abfrage von Bildschirmauflösung, Multi-
mediafähigkeit und aktuell verfügbarer Netzbandbreite bereitzustel-
len. Aus diesen Informationen lassen sich Geräteprofile ableiten, die
als Parameter zur Auswahl der am besten geeigneten Präsentationen
dienen können. Im Bereich der Lernszenarios sind unterschiedliche pädagogische
Formen der Wissensnutzung zu unterstützen. Hier sind Modelle zur
Unterstützung von induktivem, deduktivem, explorativem Lernen,
zum Zugriff auf Testpools, zur Bereitstellung von Glossaren, zur
Wissensüberprüfung und zum Differenzlernen zu entwickeln. Als
Maßnahme wird die Gründung einer Expertengruppe von Pädagogen
zur Entwicklung dieser Modelle vorgeschlagen. In einem zweiten
Schritt sind die entwickelten Modelle dann in Kooperation mit einem
Team von IT-Experten auf eine Referenzarchitektur für flexibles
Lernen abzubilden. Auf Basis dieser Architektur können dann modu-
lare Wissenskomponenten entwickelt werden, aus denen der Lernen-de seine individuelle Lernwelt konfigurieren kann.
Konsequenz
Just Start Now!
Die beschleunigte
Entwicklungrelativiert den Wert
von Erfahrungen.
Es liegt eine Vielzahl von Erfahrungen mit dem Einsatz von – jeweils
neuen – Medien in Lernprozessen vor. Es hat sich beispielsweise ge-zeigt, dass die formale Betrachtung von Medien (vgl. z. B. die ver-
schiedenen Versuche der Medienklassifikation in den 60er und 70er
Jahren) nur eine sehr grobe Orientierung vermitteln kann. Durch
die Geschwindigkeit der technischen Entwicklungen verlieren auch
die bisher favorisierten Ansätze wie summative Evaluation oder um-
fangreiche Labor-, Pilot- oder Modellprojekte zunehmend ihre Be-
rechtigung bzw. ihre entwicklungssteuernde Wirkung. Das frühzeitige Einbeziehen aller potenziell Betroffenen ist ent-
99
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
scheidend für die Eignung und die Akzeptanz neuer Medien und
Systeme zur Unterstützung von Lehr- und Lernprozessen. Insbeson-
dere die Auswahl und Entwicklung von Technologie muss sich nachden konkreten Erfordernissen vor Ort richten. Basierend auf der
Analyse der technologischen Infrastrukturen wird ein bottom-up-
Ansatz favorisiert, welcher den schrittweisen Aufbau der benötigten
Infrastruktur erlaubt. Zwei wichtige Vorteile dieser Vorgehensweise
gegenüber der üblicheren top-down-Vorgehensweise sind:
– Die Kosten werden gering gehalten, weil die benötigten technolo-
gischen Bausteine nach Bedarf schrittweise hinzugefügt werden.
– Im Gegensatz zu einem top-down-Modell kann sehr flexibel auf
sich ändernde technologische Randbedingungen eingegangen wer-
den.
Eine effektive Förderung des Einsatzes neuer Lernmedien und Lern-
systeme erfordert deshalb nach Ansicht der Autoren den zeitnahen
Einsatz neuer Entwicklungen der Lerntechnologie, die Partizipation
der Betroffenen im Sinne formativer Evaluation sowie technisch eine
bottom-up-Vorgehensweise. Vor allem aber geht es angesichts der hohen Dynamik der Ent-
wicklung darum, mit der praktischen Nutzung der aktuell vorhande-nen Möglichkeiten zu beginnen. Die Hochschulen können und soll-
ten dabei nicht auf abgesicherte und abschließende Ergebnisse der
Medien- und Lernforschung als Grundlage ihrer Planung warten.
Abschließende Ergebnisse wird es in der Wissensgesellschaft immer
weniger geben.
Anmerkungen
1 Vgl. hierzu Kraemer, W.; Milius, F.; Scheer, A.-W. in: Bertelsmann Stiftung/Heinz Nix-
dorf Stiftung (Hrsg.), Virtuelles Lehren und Lernen an deutschen Universitäten – Eine Do-
kumentation, 2. Auflage, Gütersloh 1998, S. 11, und www.big-internet.de.
2 Vgl. hierzu Kraemer, W.; Scheer, A.-W.: Erschließung neuer Märkte für deutsche Hoch-
schulen durch die Entwicklung medienbasierter Contentware, in: Küting, K.; Langenbucher,
G. (Hrsg.): Internationale Rechnungslegung, Festschrift für Prof. Dr. Claus-Peter Weber
zum 60. Geburtstag, Stuttgart 1999, S. 13 – 36.
3 Vgl. Kraemer, W.: Education Brokerage – Wissensallianzen zwischen Hochschulen und
Unternehmen, in: Information Management & Consulting 14(1999)1, S. 24.
100
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Technologie und Infrastruktur: Standardisieren schafft Vorteile
4 Vgl. Milius, F.; Zimmermann, V.: Neues Wissen – Neue Medien: Internetbasierte Ma-
nagementkonzepte für Intellectual Capital, in: Scheer, A.-W. (Hrsg.): Electronic Business
und Knowledge Management – Neue Dimensionen für den Unternehmenserfolg, Tagungs-
band zur 20. Saarbrücker Arbeitstagung für Industrie, Dienstleistung und Verwaltung, Hei-
delberg 1999, S. 527 – 542.
5 Vgl. Milius, F.: E-Learning Framework, in: Information Management & Consulting
14(1999)1, S. 40.
6 Vgl. Kraemer, W.; Milius, F.; Zimmermann, V.: Elektronische Bildungsmärkte für ein
integriertes Wissens- und Qualifikationsmanagement, in: Scheer, A.-W. (Hrsg.): Neue
Märkte, neue Medien, neue Methoden – Roadmap zur agilen Organisation, Tagungsband
zur 19. Saarbrücker Arbeitstagung für Industrie, Dienstleistung und Verwaltung, Heidel-
berg, 1998, S. 571 – 599.
7 Siehe hierzu auch den Beitrag Mandl/Hesse zum Thema »Neue Technik verlangt neue
pädagogische Konzepte«.
8 Vgl. Wessner, M.; Haake, J. M.: Kooperative Lernumgebungen, in: Der GMD-Spiegel,
Juni 1998, S. 32 – 34
101
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
Peter Glotz, Herbert Kubicek
Eine nationale Lern-Infrastruktur für1die Bundesrepublik Deutschland
Die amerikanische Politik hat den Begriff der National-Information-
Infrastructure (NII) geprägt. In Anlehnung daran sprechen wir von2einer »nationalen Lern-Infrastruktur« , wenn es um neuartige Rah-
menbedingungen für das Lernen in einer computerisierten Gesell-
schaft geht. Die folgenden Überlegungen konzentrieren sich auf den
Hochschulbereich. Wenn die Politik der Bundesrepublik Deutschland
allerdings den »großen Sprung« zu einer breit verankerten Medien-
und Computerkompetenz in der Bevölkerung schaffen möchte, muss
sie die Felder Schule und Weiterbildung ebenso einbeziehen. Bildung hat in der Wissensgesellschaft eine zentrale Bedeutung.
Auf dem europäischen Kontinent ist Bildung aber nur ein adminis-trierter Bereich. Im deutschen föderalistischen System gibt es unter-
schiedliche Akteure und die Zuständigkeiten sind zersplittert, wo-
raus sich vielfältige Komplikationen ergeben. Des Weiteren haben
wir es mit einem typischen Henne/Ei-Problem zu tun: Da Studierende
(oder auch Schüler) nicht ausreichend mit Hardware ausgestattet
sind, lohnt sich die Produktion von Bildungssoftware nicht. Da es
andererseits nicht genügend Bildungssoftware (und genügend ausge-
bildete Hochschullehrer bzw. Lehrer) gibt, besteht auch kein Grund
103
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
für eine große Initiative zur Ausstattung der Lernenden mit Hard-
ware. So bleibt es bei Modellversuchen in Modellhochschulen oder
-schulen. Eine prinzipielle Modernisierung der Lehr- und Lernprozes-se durch den systematischen Einsatz von Online- und Offline-Medien
findet nicht statt. Diese Modernisierung erreicht man nicht, indem die eine oder
andere Lehrveranstaltung durch neue Medien ergänzt wird, sondern
nur durch die systematische Ersetzung bestimmter Teile der Lehre
durch Tools oder virtuelle Seminare. Im selben Augenblick aber, in
dem neue Medien nicht als zusätzlicher Luxus, sondern als obligatori-
sche Regelveranstaltung angeboten werden, ist massiver Widerstand
zu erwarten, der auch mit Hilfe des Hochschulrechts geleistet werden
wird. Können virtuelle Seminare überhaupt Pflichtveranstaltungen
sein, wenn die Universität nicht jedem einzelnen Studierenden einen
Laptop (und die entsprechende Grundausbildung) kostenlos zur
Verfügung stellt? Den Schlachtruf kann man schon hören: Einfüh-
rung von Gebühren durch die Hintertür.
Wie die Hoch-
schule zu einem
Medieneinsatzauf breiter
Front kommen
kann
Der Gordische Knoten scheint unlösbar. Eine wirkliche Verbilli-
gung der Lehre durch neue Medien ist nur möglich, wenn neue Me-
dien auf breiter Front eingesetzt werden. Umfassender Einsatz schei-tert aber an mangelnder Hard- und Software. Der Staat allein kann
die Kosten für die technische Ausstattung keineswegs aufbringen.
Also muss ein neues System von accounting und billing entwickelt
werden. Hierfür ist eine nationale Strategie nötig. Klaus Haefner hat
auf folgende Felder hingewiesen:
Das Netz
Mit dem Deutschen Forschungsnetz (DFN) steht ein leistungsfähiges
Instrument zur Verfügung, das aber ausgeweitet und angepasst wer-
den muss.
104
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
Mobile Personalcomputer auf der Anwenderseite
Die 1,8 Mio. Studierenden müssen über Laptops/Notebooks verfü-gen.
Software
Für existierende und neu zu schaffende Unternehmen muss es sich
lohnen, den Bildungsmarkt mit neuartigen Tools zu bedienen.
Umsetzung in den Hochschulen
Neben den Rechenzentren müssen Kompetenzzentren für neue Me-
dien entstehen, welche die einzelnen Hochschulmitglieder in die Lage
versetzen, ihre intellektuelle Arbeit (z. B. Vorlesungen, Seminare,
Skripts etc.) online oder offline umzusetzen.
Portale
Die scientific community muss in die Lage versetzt werden, alle
unterschiedlichen Angebote aus dem Markt für neue Medien zur
Kenntnis zu nehmen. Das gilt national wie international. Dazu sind
Portale notwendig, welche die Navigation zu den unterschiedlichen
Angeboten in übersichtlicher Form ermöglichen.
Hochschuldidaktische Forschung
Von zentraler Bedeutung für die Akzeptanz neuer Medien in der
Hochschule ist eine systematische hochschuldidaktische Forschung.
Ihre Aufgabe ist die Analyse unterschiedlicher Bildungsprodukte: In
welchen Bereichen sind standardisierte Produkte sinnvoll, wie z. B.
computerunterstützte Lehr- und Lernprogramme, in welchen ist eine
Kombination von neuen Medien und Präsenzlehre notwendig, und
105
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
auf welchen Feldern muss die klassische Form des Präsenzunterrichts
unbedingt beibehalten werden?
Die »nationale Strategie« muss den Gordischen Knoten durch-schlagen. Das administrierte Feld Bildung ist so weiterzubearbeiten,
dass sich Marktprozesse entwickeln können. Ist dies geschehen, kann
der Staat zurücktreten und darauf vertrauen, dass ein neuartiger
Markt der Bildungsmedien entsteht.
Kooperation
als Strategie
Eine nationale Lern-Infrastruktur setzt die systematische Koopera-
tion von Bund, Ländern, Hochschulen und Industrie voraus. Zu
denken wäre an einen hochrangigen Initiativkreis unter der Schirm-
herrschaft des Bundespräsidenten mit Beteiligung von Bundesregie-
rung, Ministerpräsidentenkonferenz, Hochschulrektorenkonferenz
sowie Industrie, und zwar BDI, Netzbetreiber, Hersteller von Soft-
und Hardware, Verlage. Die Erfahrungen aus vielfältigen Technisie-
rungsprozessen könnten hier einfließen. Entscheidend ist nicht die Investition, die für den anstehenden
Umbau aufgebracht wird. Vielmehr geht es um die mentale Verände-
rung unter den Beteiligten. Die zentrale Veröffentlichung zu diesem
Thema stammt von dem Schweizer Technikhistoriker David Gugerli.
Sie trägt den bezeichnenden Titel »Redeströme« und beschreibt dieBedeutung der Bewusstseinsveränderungen bei der Elektrifizierung
der Schweiz. Für die Computerisierung der Bundesrepublik gelten
vergleichbare Grundbedingungen. Auch wenn dem Bewusstseinswandel dabei die ausschlaggebende
Rolle zukommt, sind sich die Autoren dessen bewusst, dass dieser
Prozess erhebliche finanzielle Anstrengungen erfordern wird. Der
Expertenkreis schließt seine Ausführungen deshalb mit ersten Über-
legungen zu den Kosten für die Einführung computergestützter Lehr-
und Lernverfahren im Hochschulwesen. Diese Ansätze bedürfen derÜberprüfung, Weiterentwicklung und Präzisierung. Sie lassen erken-
nen, dass hier ein Finanzvolumen aufzubringen ist, das mit den her-
kömmlichen Mitteln nicht mehr bestritten werden kann. Aber sie las-
sen auch erkennen, dass es aufzubringen ist, wenn die Gesellschaft
sich nur dazu entschließt.
106
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
Erste Überlegungen zur Finanzierung3von Multimedia in der Hochschule
Die folgenden Überlegungen können nur vorläufige Schätzungen der
Kosten des Multimedia-Einsatzes in Hochschulen wiedergeben, weil
es bisher keine fundierten empirischen Daten über die Kosten von
Online-Studienangeboten oder gar kompletten Online-Studiengängen
gibt. Dies liegt nicht nur daran, dass sich die Szenarien mit neu-
artigen Konstellationen präsentieren. Auch dort, wo bereits einzelne
Online-Kurse angeboten werden, verfügen die betreffenden Hoch-
schulen in der Regel nicht über ein differenziertes System der Kosten-
rechnung, das es erlauben würde, die speziell für die multimedialen
Online-Angebote entstehenden Zusatzkosten genau zu erfassen.
Gleichwohl ist es, um diese Szenarien umzusetzen, unverzichtbar, die
damit verbundenen Kosten einigermaßen zutreffend zu schätzen. Erst
dann kann über Finanzierungsmöglichkeiten, Anforderungen an
Wirtschaft und Politik sowie hochschulpolitische Schlussfolgerungen
gesprochen und Konkreteres eingeleitet werden. Die folgenden Aus-
führungen sind dazu ein erster Schritt.
Ein konzeptionellesGerüst für Kosten-
kategorien und -arten
Zum einen geht es um ein konzeptionelles Gerüst für solcheSchätzungen, indem die Kostenkategorien und -arten für verschiede-
ne, durch Annahmen definierte Modelle benannt werden. Dabei sind
die Modelle an die Szenarien angelehnt, die Kostenarten beziehen
sich weitestgehend auf die Elemente der Telelearning-Referenzarchi-
tektur aus dem Kapitel Technologie/Infrastruktur dieses Berichtes.
Abgleich mit
Erfahrungen der
Wirtschaft
Zum anderen werden für die einzelnen Komponenten der ver-
schiedenen Modelle vorläufige Kostenschätzungen vorgenommen.
Da entsprechende Daten aus dem Hochschulbereich fehlen, dienten
als Vergleichsgrößen Kostenansätze für Online-Kurse in der betriebli-chen Weiterbildung bei Siemens Qualification and Training, die Jür-
gen Guttmann freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Weil die
Bedingungen des Online-Lernens in der betrieblichen Weiterbildung
und der Hochschulgrundausbildungnicht identisch sind, können diese
Kostenansätze nur Anhaltspunkte für die Größenordnung von Kos-
tenarten bieten, die mittelfristig bei professionellem Management zu
erwarten sind. Außerdem beinhalten die Berechnungen ein hohes
Maß an subjektiven Schätzungen. Methodisch können die hier vor-
107
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
gelegten Zahlen als erster Input in einem Delphi-Prozess begriffen
werden, der in zwei oder drei weiteren Schritten von Experten mit
unterschiedlichen Erfahrungen fortzuführen ist. Wichtiger als die absoluten Beträge sind zunächst die Relationen,
die sich beim Vergleich der Werte für die verschiedenen Modelle
ergeben. Wenn bei allen vier Modellen der gleiche Schätzfehler ge-
macht wird, so kann man daraus trotzdem etwas über die Kostenre-
lationen ableiten. Methodisch müsste dieser Vergleich zu Sensitivi-
tätsanalysen ausgebaut werden, bei denen man kritische Elemente
identifiziert, indem man u. a. feststellt, welchen Effekt ein Ausbau
oder eine Reduzierung eines Elementes auf die Gesamtkosten hat.
Einige vorläufige Thesen zu derartigen Relationen sind am Ende die-
ses Papiers formuliert.
Vier Modelle als Basis für einen Vergleich
Die Kosten für Multimedia hängen unmittelbar mit der Breite und
Tiefe des Multimedia-Einsatzes zusammen. Zunächst erscheint es
sinnvoll, vier Modelle zu betrachten, die auch als unterschiedlicheAusbaustufen begriffen werden können. Für die Modellrechnungen
wird ein einzelner Studiengang an einer Präsenz-Universität als Be-
zugsbasis gewählt, weil die Entwicklung in den Universitäten in
erster Linie studiengangsweise voranschreitet.
Modell 1:
Multimedia-Unter-
stützung in der
Präsenzlehre
Multimedia-Techniken werden zur Präsentation in Lehrveranstal-
tungen sowie in Übungen eingesetzt. Ergänzende Informationsange-
bote (Kursmaterial, Übungsaufgaben) stellt das Internet bereit. Über
E-Mail-Kontakte hinaus findet noch keine regelmäßige elektronische
Kommunikation statt.Modell 2:
Kombi-Modell mit
30 Prozent Anteil
von Online-Kursen
einfacher Art
Während der Schwerpunkt beim Präsenzstudium liegt, werden
einzelne besonders geeignete Kurse (z. B. Propädeutik, Grundstu-
diumsveranstaltungen, Übungen) als Online-Kurse mit wenigen Prä-
senzstunden angeboten. Dazu gehören nicht nur die Betreuung per
E-Mail, Diskussionsliste und/oder Chat, sondern auch interaktive
Kursinhalte für das Selbststudium sowie Prüfungsleistungen. Daraus
ergeben sich bestimmte Anforderungen an die Zugangskontrolle und
die Benutzerverwaltung.
108
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
Die interaktiven Kursinhalte entstehen in diesem Modell unmit-
telbar aus den herkömmlichen Unterrichtsmaterialien wie Skripts,
Folien, PowerPoint-Dateien oder Videoaufzeichnungen von Vorle-sungen. Das vorhandene wissenschaftliche Personal bereitet diese
technisch auf, stellt sie im Netz bereit und ergänzt die Materialien
durch Link-Sammlungen sowie Übungsaufgaben. Alle Prüfungen er-
folgen noch in der herkömmlichen Form des Präsenz-Studiums. Die
Unterrichtsmaterialien und die didaktische Lernsituation entsprechen
im Wesentlichen Offline-Fernstudiengängen. Modell 2 beinhaltet
also überwiegend herkömmliches Unterrichtsmaterial mit überwie-
gend selbstgemachten oder wenigen zugekauften Multimedia-Einhei-
ten, wie sie heute auf CD-ROMs angeboten werden.
Modell 3:
Kombi-Modell mit
30 Prozent Anteil
von Online-Kursen
anspruchsvoller Art
Auch hier bleibt der Schwerpunkt auf dem Präsenzstudium. Für
den Online-Anteil werden jedoch die technischen Möglichkeiten von
Multimedia und Hypertexten in Form von hypermedialen Lernräu-
men intensiv genutzt. Im Sinne konstruktivistischer Lerntheorien
werden Räume geschaffen, in denen sich die Lernenden auf unter-
schiedlichen Pfaden bewegen und dabei ihre Kenntnisse erweitern
und überprüfen können. Diese Lernräume sind unter Ausschöpfung
aller technischen Möglichkeiten (Animation, Simulation, Audio- undVideo-Clips sowie Online-Datenzugriffen und -Aktualisierungen)
gestaltet. Die Technik ersetzt weitgehend die vermittelnde, Kontext
herstellende und individuelle Lernerfolge verstärkende Funktion der
Lehrenden in den Präsenzveranstaltungen. Solche hypermedialen Lernräume gibt es bisher nur in Ansätzen.
Der Aufwand für ihre Entwicklung besteht nicht nur in der Pro-
grammierung, sondern zuvor in einem konzeptionellen Entwurf, der
alle Varianten des erforschenden Lernens berücksichtigen muss. Für
die Erstellung solcher hypermedialen Lernräume sind über Fachwis-sen hinaus nicht nur Programmierkenntnisse erforderlich, sondern
auch didaktische und designerische Fähigkeiten. Es sind Skripts und
Hypermaps für die verschiedenen Pfade zu entwickeln. Die Entwick-
lung solcher Lernmaterialien ebenso wie die technische Herstellung
müssen entweder von Experten in der Hochschule unterstützt oder
nach außen vergeben werden. In Modell 4 sind die Relationen im Vergleich zu den Modellen 2
und 3 umgekehrt. Es handelt sich um einen Online-Studiengang, in
109
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Modell 4:
Online-Studiengang
mit 30 ProzentPräsenzanteil
dem sich die Studierenden online anmelden, den überwiegenden Teil
des Lehrangebotes online bearbeiten sowie Übungsaufgaben und
einen Teil der Prüfungen online absolvieren. Aber auch ein solcherOnline-Studiengang wird nicht vollständig über elektronische Medi-
en von zu Hause aus abgewickelt und ausschließlich virtuell sein. Die
Formulierung »virtuelle Hochschule« soll daher nicht wörtlich ge-
nommen werden. Präsenzphasen finden nach wie vor statt
– für bestimmte Lernziele, insbesondere im Bereich sozialer Kompe-
tenzen und Schlüsselqualifikationen (z. B. Team- und Konfliktfä-
higkeit),
– für den Erwerb der Medienkompetenz, die notwendig ist, um die
Online-Angebote souverän und effektiv zu nutzen,
– zur Kundenbindung und für einzelne Prüfungseinheiten.
Neben dem höheren Online-Anteil unterscheidet sich Modell 4 von
Modell 3 zusätzlich dadurch, dass die gesamte Studien- und Prüfungs-
verwaltung online abgewickelt wird und daher alle elektronischen
Kommunikationsvorgänge ein höheres Maß an rechtlicher Verbind-
lichkeit haben müssen. Daraus ergeben sich höhere Anforderungen
an Datensicherheit und Datenschutz bei der technischen Ausgestal-
tung.
Kostenkategorien für vier Komponenten
In Anlehnung an die E-Learning-Referenzarchitektur aus dem Kapi-
tel Technologie und Infrastruktur (s. S. 89, Abbildung 3) werden vier
Komponenten mit jeweils einschlägigen Kostenarten unterschieden:
(1) Campus-Komponente
Allgemeine
Infrastruktur
Campus-Komponenten stellen Infrastrukturleistungen für alle Kurse
und Teilnehmer zur Verfügung. Dazu gehören
– Nutzerverwaltung in technischer Hinsicht (Zugangsberechtigun-
gen),
– Orientierungsinformationen, FAQs und andere Informations-
dienste,
110
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
– Kommunikations- und Kollaborationsdienste wie Chat und Dis-
kussionsforen und, sofern noch nicht vorhanden,
– technische Einwahlmöglichkeiten für Studierende von außen indas Campusnetz sowie das Campusnetz selbst mit dem high-
speed -Internet-Zugang.
Die Siemens AG, die als Vergleichsbeispiel der betrieblichen Weiter-
bildung dient, unterscheidet folgende Kostenkategorien:
– Entwicklung eines Portals ( portal development ),
– Benutzernavigation (user navigation),
– Nutzereinwahl und -zugang (user access),
– Abrechnung (billing ),
– Netzbereitstellung (net providing ),
– Basisdienste für Betreuung (teletutoring basic service),
– grundlegende technische Dienstleistungen (basic value added serv-
ice), z. B. Datensicherung.
Für diese Kategorien werden jeweils die Kosten für Hard- und Soft-
ware, Personal, Lizenzen und sonstige laufende Aufwendungen ange-
setzt.
(2) Classroom-Komponente
Multimedia-Technik
für die
Unterrichtsräume
In der Präsenz-Universität besteht die Classroom-Komponente vor
allem in der Ausstattung vorhandener Räume mit geeigneter Multi-
media-Technik. In den Hörsälen und Seminarräumen geht es um
Beamer, Verdunkelung, Leinwände, Beschallungsanlagen etc. Außer-
dem benötigt man Multimedia-Arbeitsräume mit 15 bis 20 vernetz-
ten Multimedia-Rechnern, damit praktische Übungen gemeinsam
durchgeführt werden können. Diese Technikausstattung muss vongeeignetem Personal betreut werden. Beim Telelearning bedeutet Classroom-Komponente, wie im Kapi-
tel Technologie/Infrastruktur definiert, vor allem die Einrichtung von
Arbeitsbereichen für die Online-Studierenden. Dabei sind öffentliche,
geschlossene und private Bereiche vorzugeben und entsprechend zu
sichern. Hierfür führt Siemens folgende Kostenkategorien auf:
– Multimedia-Präsentationstechnik,
111
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
– Multimedia-Trainingsraum,
– Klassenraum-Unterstützung (Classroom-Service),
– Online-Service.Dabei wird davon ausgegangen, dass die Rechner in dem Trainings-
raum nach ein bis zwei Jahren ausgetauscht werden müssen. Für die
Hochschulen nehmen wir eine durchschnittliche Nutzungsdauer von
vier Jahren an.
(3) Produktionskomponente
Von der Planung über
die Produktion
bis zur Anwender-
unterstützung
Die Produktionskomponente betrifft das Planen, Erstellen, Warten
und Betreuen von multimedialen Lerninhalten. Hier ist das Curricu-
lum- und Content-Management ebenso zu berücksichtigen wie die
arbeitsteilige Produktion von Lernsoftware und die spätere Betreu-
ung und Beratung der Studierenden. Der Aufwand für die Produktion hängt stark davon ab, inwieweit
die multimedialen Möglichkeiten für das erforschende Lernen auf der
Basis konstruktivistischer Konzepte genutzt werden. Die bloße Auf-
bereitung von Texten und Folien zu Web-Seiten kann weitestgehendmit dem vorhandenen Personal erfolgen. Computergestütztes Lernen
mittels multimedialer Elemente, das die Funktionen der Lehrenden
weitgehend integriert, erfordert indes einen komplexen und aufwen-
digen Produktionsprozess. In der Referenzarchitektur wird zwischen Curriculum- und Content-
Management unterschieden. Zum Ersten gehören Curriculum-Pla-
nung und -Design, Definition von Bildungsproduktanforderungen,
Leistungskontrollen und Bildungsproduktfreigabe. Content-Manage-
ment umfasst Produktionsplanung, Content-Fertigung und -Freigabe.Grenzen des
Vergleiches von
Wissensprodukten an
Hochschulen und in
der Wirtschaft
Siemens begreift Content als Bildungsprodukt und unterscheidet
zwischen Produktentwicklung und Produktion. Zur Produktentwick-
lung gehören Curriculum-Planung, Akquisition von relevanten Inhal-
ten, Content-Vorproduktion (Skript-Erstellung), Beratung, Markt-
einführung sowie Unterstützung der Betreuung (teletutoring ) und
Bildung von Lerngemeinschaften (communities). Zur Produktion
zählen Medienplanung, Verhandlungen mit Agenturen (agency ac-
quisition), Content-Produktion sowie Test und Qualitätskontrolle.
112
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
Die Wirtschaft verfügt
über Kompetenzen in
der Organisation vonProduktionsprozessen.
Dies verdeutlicht, dass die organisatorischen und inhaltlichen
Unterschiede zwischen betrieblicher Weiterbildung (corporate uni-
versities) und allgemeiner Hochschulausbildung für die Produktions-komponente besonders groß sind. Im Weiterbildungsbereich sucht
man zunächst Träger von inhaltlichem Wissen, das als Rohmaterial
Die Hochschulen
verfügen über
das »Rohmaterial«:
Wissen.
eingekauft und von anderen Partnern didaktisch aufbereitet und von
wiederum anderen technisch multimedial umgesetzt wird. Content-
Produktion bietet sich hier vor allem als Organisations- und Ma-
nagementprozess von Lernprodukten dar. Anders an den Hochschulen: Hier verfügt das wissenschaftliche
Personal über das fachlich-inhaltliche Wissen. Das Rohmaterial ist
vorhanden. Jedoch fehlen Kenntnisse für die didaktische Aufberei-
tung und anspruchsvollere, professionelle technische Realisierung.
Auch Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit externen Dienstleis-
tern für Design und Produktion sowie mit der Organisation von
Online-Kursen sind kaum vorhanden. Um diese Kompetenzen zu ge-
winnen, haben die Hochschulen zwei Optionen: Entweder sie arbei-
ten wie die betrieblichen Weiterbildungsträger mit professionellen
und kommerziellen Partnern zusammen – und zahlen dann auch die
marktüblichen Preise im Bereich der Managementweiterbildung –,oder sie bauen eigene Multimedia-Zentren mit entsprechendem pro-
fessionellen Personal auf.
(4) Datenbank-Komponente
Datenbanken bilden
die Grundlagen der
Administration.
Schließlich wird im Kapitel Infrastruktur eine umfassende Daten-
bank-Komponente vorgeschlagen mit
– Curriculum-Datenbank (Bildungsproduktstrukturen),– Content-Datenbank (Quellentexte, Bilder, Videos, Animationen),
– Evaluations-Datenbank (Nutzungsstatistiken, Teilnehmermoni-
toring),
– Stakeholder-Datenbank (Teilnehmer, Tutoren, Autoren) und eine
– Profildatenbank (Bildungsprofile, Stellenprofile).
Diese Datenbank dient der Verwaltung der Studierenden und der
Inhalte sowie einer kontinuierlichen Qualitätssicherung. Der Ein-
fachheit halber wird hier nur von Content-Verwaltung und Teilneh-
113
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
merverwaltung mit jeweils entsprechenden Datenbanken ausgegan-
gen.
Eine realistischeGrundlage für die
Kostenabschätzung
Bei den folgenden Schätzungen für multimediale Angebote setzenwir generell nur die zusätzlichen Kosten im Vergleich zum traditio-
nellen Präsenzunterricht an. Die Ausstattung von Studiengängen mit
Rechnern, Netzanschlüssen für Lehrende und Veranstaltungsräume
ist zur Zeit allerdings sehr unterschiedlich. Vielfach ist nur eine Mini-
malausstattung vorhanden, die im Wesentlichen aus PCs mit Inter-
net-Anschluss in den Büros der Professoren und wissenschaftlichen
Mitarbeiter besteht. Veranstaltungs- und Übungsräume haben keinen
Netzzugang, wodurch die Verbindung nach außen nur eingeschränkt
möglich ist. Auf der anderen Seite gibt es wenige ideal ausgestattete Einrich-
tungen, in denen Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter nicht
nur leistungsfähige Rechner in ihren Büros haben, sondern ihre Ar-
beitsgruppen zusätzlich über leistungsstarke Server vernetzen. Veran-
staltungs- und Seminarräume sind an das Campus-Netz angeschlossen
und verfügen zum Teil über Projektions- und Verdunkelungsmöglich-
keiten. Für die Betreuung steht technisches Personal bereit. Eine
multimediale Unterstützung der Lehrveranstaltungen ist hier bereitssehr gut möglich. Es fehlen allerdings geeignete vernetzte Lernsyste-
me in speziellen Übungsräumen und Produktionsmöglichkeiten ins-
besondere für AV-Anteile. Den folgenden Überlegungen liegt eine mittlere Ausstattungsquali-
tät zugrunde, wie sie dem Durchschnitt der zur Zeit in vielen Stu-
diengängen vorhandenen oder mittelfristig realisierbaren Ausrüstung
entsprechen dürfte. Veranstaltungs- und Übungsräume sind zwar an
das Campus-Netz angeschlossen, jedoch nicht mit multimedialer
Präsentations- und Übungstechnik ausgestattet. Es gibt auch keinetechnischen und personellen Ressourcen für die Produktion von
audiovisuellen und anderen technisch anspruchsvolleren multimedia-
len Inhalten.
114
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
Erste Schätzwerte für vier Modelle
Die im Folgenden zur Diskussion gestellten Ausgangswerte orientier-ten sich an eigenen Schätzungen für die Komponenten des Architek-
turmodells sowie an Werten aus dem Siemens-Beispiel. In den meis-
ten Fällen ergibt sich eine erstaunlich hohe Übereinstimmung.
Bezugsbasis ist ein Studiengang mit 4 000 bis 5 000 Studierenden,
15 Professoren und 30 wissenschaftlichen Mitarbeitern (Alle in den
Tabellen nachfolgenden Beträge sind in DM angegeben).
Modell 1:
Präsenzveran-
staltungen mit
multimedialer
Ergänzung
Multimediale Unterstützung des Präsenzunterrichts bedeutet,
dass Vorlesungen zumindest teilweise aus PowerPoint-Präsentatio-
nen, Videovorführungen und unmittelbaren WWW-Zugriffen beste-
hen. Dazu müssen Rechner, Beamer und Beschallungsanlagen für die
Veranstaltungsräume beschafft und diese Räume an das Campusnetz
angeschlossen werden. Für aktiv multimediale Übungen unter Anlei-
tung reichen Rechner-Pools nicht aus. Vielmehr benötigt man dazu
Räume mit einem Dozenten- und zehn bis zwanzig Übungsrechnern,
die über ein entsprechend konfiguriertes Netz verbunden sind. Von
jedem Rechner aus sollte jederzeit der Bildschirminhalt auf einen
Großbildschirm übertragen und damit von der ganzen Gruppe dis-kutiert werden können. Dazu sind elektronische whiteboards und
groupware-Systeme notwendig. Multimediale Ergänzung besteht darin, dass Studierende zusätz-
lich zu den Lehrveranstaltungen die Inhalte über das Netz abrufen
können, elektronisch Fragen zu dem Stoff stellen und diese von dem
Veranstalter oder Tutor per E-Mail beantwortet werden können.
Zudem werden gelegentlich Diskussionsforen eingerichtet. Technisch
setzt man dazu vorhandene Internet-Basisdienste mit standard server-
und client -Funktionen wie newsgroups, Listen, chat ein.Ohne Schulung
geht es nicht.
Derzeit sind bereits einige wissenschaftliche Mitarbeiter in der
Lage, diese Dienste zu nutzen, und ihre Zahl wird sich in Zukunft
deutlich erhöhen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Anforde-
rungen an Design, Gestaltung und Funktionalität solcher Angebote
im WWW steigen werden. Es erscheint daher erforderlich, die wis-
senschaftlichen Mitarbeiter in den jeweiligen Studiengängen für den
Benutzersupport zu schulen. In der Wirtschaft ist dieser support für
die dort üblichen Anwendungen in der Regel vorhanden, in den
115
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Hochschulen ist die Unterstützung zumeist unzureichend und für
multimediale Gestaltungsfragen noch völlig unzulänglich.
Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgangsbedingun-gen werden folgende zusätzlichen Aufwendungen geschätzt:
Kosten für die
Campus-Komponente
Die vorhandenen Einwahlmöglichkeiten sollten für die Zugriffe
auf die ergänzenden Online-Materialien ausreichen; notfalls können
Kapazitätserweiterungen aus den laufenden Mitteln vorgenommen
werden. Die Gestaltung des inhaltlichen Angebotes (Homepage, Orien-
tierungsinformationen, FAQs) erfolgt durch die wissenschaftlichen
Mitarbeiter.
Kosten für die
Classroom-
Komponente
Erforderlich sind für einen Studiengang der genannten Größen-
ordnung:
– drei Hörsäle mit Multimedia-Präsenztechnik,
– zwei Übungsräume mit jeweils 15 vernetzten Übungsrechnern,
elektronischem whiteboard und entsprechende Projektionsmög-
lichkeiten.
Außerdem muss Betreuungspersonal für diese Systeme eingestellt
werden. Für die Ausstattung eines Hörsaals mit multimedialer Präsenta-
tionstechnik (Notebook, Beamer, Videorecorder, Lautsprecheran-lage) wurden von einer Arbeitsgruppe der Universität Bremen bei
fünfjähriger Nutzungsdauer jährliche Aufwendungen von 15 000 DM
ermittelt. Darin sind bauliche Maßnahmen für Verdunkelung und
Internet-Anschluss nicht enthalten. Drei Hörsäle kosten demnach
45 000 DM pro Jahr. In dem Vergleichsbeispiel aus der betrieblichen Weiterbildung
werden für einen Übungsraum mit 15 Rechnern folgende Kosten an-
gesetzt (Sachaufwendungen um 10 000 DM reduziert):
Investitionen 120 000 30 000
(Hardware/Software) (bei vier Jahren Nutzungsdauer)
lfd. Sachaufwendungen 30 000 30 000
Personal 60 000 60 000
Lizenzen 20 000 5 000
(bei vier Jahren Nutzungsdauer)
insgesamt 230 000
jährlich: 125 000
116
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
Bei zwei Räumen können bei Personal und Sachaufwendungen De-
gressionseffekte genutzt werden, so dass man insgesamt von jährli-
chen Kosten von 210 000 DM ausgehen kann:
Investitionen 60 000
Sachaufwendungen 40 000
Personal 100 000
Lizenzen 10 000
insgesamt 210 000
Kosten für die
Produktions-
bzw. Verwaltungs-
und Datenbank-
komponente
Die Produktion besteht in diesem Modell vor allem in der Um-
wandlung von Texten und Powerpoint-Präsentationen in HTML-
Dokumente. Dies geschieht durch die wissenschaftlichen Mitarbeiter
und gegebenenfalls durch studentische Hilfskräfte. Ein zusätzlicher
wissenschaftlicher Mitarbeiter für Schulung, Beratung und Betreuung
erscheint jedoch notwendig. Zusätzliche Verwaltungsprozesse sind nicht erforderlich.
Jährliche Gesamtkosten Modell 1
Jährliche Gesamtkosten für
Präsenzlehre mit Multimedia-
Unterstützung bei angenom-
mener durchschnittlicher
Ausstattung
Investitionen Sachkosten Personal Rechte/
Content
Summe
Campus-Komponente – – – – –
Classroom-Komponente 105 000 40 000 100 000 10 000 255 000
Produktionskomponente – – 120 000 – 120 000
Verwaltungskomponente – – – – –insgesamt 105 000 40 000 220 000 10 000 375 000
117
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Modell 2:
Modell mit 30 Prozent
Online-Kurseneinfacher Art
Beim Übergang auf Modell 2 steigen die Anforderungen an Infra-
struktur (Campus-Komponente), Produktion von Inhalten, aber auch
an Verwaltungsprozesse (Datenbank-Komponente). Zunächst einBlick auf die Erfahrungen in der betrieblichen Weiterbildung. Bei Siemens werden die Kosten für ein Campus-Portal wie folgt
angegeben:
(1) Campus-Komponente
Lfd. Sach-
kosten
Sachkosten Personal Rechte/
Content
Summe
Portal Entwicklung 50 000 50 000 200 000 20 000 320 000
User Navigation 20 000 5 000 50 000 5 000 80 000
User Access 10 000 10 000 100 000 5 000 125 000
billing 10 000 10 000 30 000 20 000 70 000
Net Providing 20 000 10 000 50 000 5 000 85 000
Teletutoring Basic Service 20 000 20 000 20 000 20 000 80 000
Basic Value added Service 20 000 10 000 100 000 20 000 150 000
insgesamt 160 000 115 000 550 000 95 000 910 000
pro Jahr 40 000 115 000 550 000 25 000 730 000
Steigende
Anforderungen
an die Leistung
des Netzes
Geht man von den Elementen der Referenzarchitektur aus, so gelangt
man zu einem Betrag von 650 000 DM. Dabei werden folgende
Maßnahmen zugrunde gelegt, die auf der definierten Bezugsbasis
aufbauen: Bei der angenommenen durchschnittlichen Ausstattung
existiert zwar ein Campus-Netz mit Einwahlmöglichkeiten, jedoch
ohne garantierte Leistungsqualität. Für das individuelle Surfen istdies auch nicht notwendig, für die Nutzung von Pflichtbestandteilen
eines Studiums hingegen schon. Hier muss die Netzverfügbarkeit si-
chergestellt sein. Zudem müssen differenzierte Zugriffsberechtigun-
gen vergeben und verwaltet werden. Bei 4 000 bis 5 000 Studierenden
ist dafür eine zusätzliche Stelle erforderlich.
118
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
Campus-Komponente Hardware-
Invest./
Software-Entwicklung
lfd. Sach-
kosten
Personal Rechte/
Content
Summe
Nutzerverwaltung – – 120 000 – 120 000
Portal, Orientierungshilfen,
FAQ etc.
50 000 – 120 000 – 170 000
Kommunikations- und
Kooperationstechnik
120 000 – – – 120 000
Internet-Kosten für
zusätzlichen Verkehr
– 100 000 – – 100 000
Erweiterung der
Einwahlmöglichkeiten
– 20 000 120 000 – 140 000
insgesamt 170 000 120 000 360 000 – 650 000
Für die Entwicklung von Portal, Orientierungs- und Navigationshil-
fen, FAQs sind einmalige Software-Entwicklung und laufende in-
haltliche Pflege geboten. Das zuständige Personal pflegt die Einzel-
module. Die Redaktion des Gesamtangebotes erfordert jedoch einezusätzliche Stelle. Wenn 4 000 bis 5 000 Studierende ein Drittel ihrer
Lehrveranstaltungen online abwickeln, führt dies zu einem erhebli-
chen Anstieg des Datenverkehrvolumens und erfordert eine Erweite-
rung der Einwahlmöglichkeiten. In der Regel sind bisher auch keine
individuell abgesicherten Bereiche für einzelne Studierende eingerich-
tet, auf denen sie ihre Arbeitsmappen geschützt ablegen können. Für
diese und die darauf aufbauenden CSCW-Anwendungen bedarf es
einer einmaligen Software-Entwicklung; Wartung und inhaltliche
Anwendung kann dann durch das wissenschaftliche Personal erfol-gen.
(2) Classroom-Komponente
Kosten für die
Classroom-
Komponente
Bei einem Online-Anteil von 30 Prozent kommen zur Ausstattung
der Hörsäle und Seminarräume im ersten Modell weitere Kosten für
die intensivere Betreuung hinzu. Das Online-Tutoring kann bei An-
119
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
geboten einfacher Art aber noch mit dem vorhandenen wissenschaft-
lichen Personal und studentischen Tutoren bewältigt werden.
Der Einsatz einer eigenen client-software würde enorme Kostenfür Wartung und Pflege verursachen. Sie lassen sich vermeiden, wenn
stattdessen der Standard-Browser für Kommunikation und Doku-
mentenablage verwandt wird.
(3) Produktionskomponente
Kosten für die
Produktions-
komponente
In diesem Modell werden Inhalte einfacher Art im Netz angeboten,
die von dem wissenschaftlichen Personal aus den inhaltlich verant-
wortlichen Arbeitsgruppen mit etwas Anlernung und Betreuung er-
stellt werden können. Zwei zusätzliche technische Mitarbeiter er-
scheinen dafür ausreichend. Außerdem wird in geringem Umfang
multimedialer Content eingekauft.
Modell 2: Produktionskomponente
Content-Produktion Investitionen Sachkosten Personal Rechte/ Content Summe
Curriculum-Planung – 10 000 120 000 – 130 000
Betreuung und Beratung – 10 000 240 000 – 250 000
Einkauf von MM Content – – – 30 000 30 000
insgesamt – 20 000 360 000 30 000 410 000
(4) Datenbank-/Verwaltungskomponente
Höhere Kosten
für Verwaltungs-
und Datenbank-
Komponenten
Wenn Online-Kurse gebucht und prüfungsrelevante Leistungen on-
line erbracht werden sollen, muss eine entsprechende, für die Studie-
renden transparente Nutzer- und Studierendenverwaltung aufgebaut
werden. Ein vorhandenes lokales Prüfungsverwaltungssystem muss
für die Online-Selbstbedienung weiterentwickelt werden. Dafür sind
Entwicklungskosten von rund 1 Mio. DM anzusetzen, die über fünf
Jahre verteilt werden können. Der Aufwand für Betreuung, Wartung
120
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
und Pflege über die Präsenzlehre hinaus wird auf 40 000 DM jährlich
geschätzt.
Bei der Gesamtkalkulation werden wegen der besseren Vergleich-barkeit jeweils die eigenen Schätzungen übernommen. Die Zahlen
aus der betrieblichen Weiterbildung liegen ähnlich hoch, weisen
jedoch öfter und insbesondere zwischen den Kostenarten Personal
und Lizenzen/Rechte eine andere Verteilung auf, weil Fremdvergabe
die Regel ist.
Jährliche Gesamtkosten Modell 2
Kombimodell mit
30 Prozent Online-Kursen
Investitionen Sachkosten Personal Rechte/
Content
Summe
Campus-Komponente 170 000 120 000 360 000 – 650 000
Classroom-Komponente 105 000 40 000 120 000 10 000 275 000
Produktionskomponente – 20 000 360 000 30 000 410 000
Verwaltungskomponente 200 000 – 40 000 – 240 000
insgesamt 475 000 180 000 880 000 40 000 1 575 000
Modell 3:
Kombi-Modell mit
30 Prozent Anteil
anspruchsvoller
Online-Kurse
Modell 3 hebt sich vor allem durch die anspruchsvolleren multi-
medialen Lerninhalte ab, die insbesondere die Aufwendungen für die
Content-Produktion steigen lassen. Zudem haben multimediale In-
halte ein wesentlich höheres Datentransfervolumen zur Folge, mit
entsprechenden Konsequenzen für die externe Netzanbindung und
die Einwahlmöglichkeiten.
(1) Campus-Komponente
Kosten für die
Campus-Komponente
steigen.
Gegenüber Modell 2 verdoppeln sich die Kosten für die Netzanbin-
dung (Internet-Kosten) von 100 000 DM auf 200 000 DM. Für die
Einwahl reichen die analogen Modems nicht mehr aus. Stattdessen
müssen mehrere ISDN-Kanäle zusammengeschaltet, XDSL-Eingangs-
möglichkeiten geschaffen und/oder Kabelmodems eingesetzt werden.
Zusätzliche Investitionen fallen an.
121
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Campus-Komponente Hardware-
Invest./
Software-Entwicklung
lfd. Sach-
kosten
Personal Rechte/
Lizenzen
Summe
Nutzerverwaltung – – 120 000 – 120 000
Portal, Orientierungshilfen,
FAQ etc.
50 000 – 120 000 – 170 000
Kommunikations- und
Kooperationstechnik
120 000 – – – 120 000
Internet-Kosten für
zusätzlichen Verkehr
– 200 000 – – 200 000
Erweiterung der
Einwahlmöglichkeiten
50 000 20 000 120 000 – 190 000
insgesamt 220 000 220 000 360 000 – 800 000
(2) Classroom-Komponente
Unveränderte Kosten
für die Classroom-Komponente
Bei der Classroom-Komponente ändert sich gegenüber Modell 2
nichts. Zunächst sollen zwei Kalkulationen für eine überwiegendeFremdvergabe vorgenommen, anschließend soll eine Vergleichsschät-
Deutlich höhere Kosten
für die Produktions-
komponente
zung für die überwiegende Eigenproduktion in einem Multimedia-
Zentrum präsentiert werden.
(3) Produktionskomponente
Fall A:
Überwiegend
Fremdproduktion
Folgende Kosten fallen für die Produktion von fünf Stunden Multi-4media-Unterricht an , wobei die Entsprechung mit herkömmlichen
Unterrichtsstunden mit dem Faktor 1,5 angegeben wird.
122
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
Investi-
tionen
Lfd. Sach-
kosten
Personal Lizenzen Summe
Produktentwicklung
Curriculum-Planung 2 000 2 000 5 000 – 9 000
Content Akquisition 2 000 2 000 5 000 2 000 11 000
Pre-Production (Script etc.) 5 000 2 000 5 000 2 000 14 000
Consulting – 2 000 2 000 – 4 000
Teletutor/Community 2 000 2 000 2 000 – 6 000
Produktion
Media Planning – 1 000 5 000 – 6 000
Agentur Akquisition – 1 000 1 000 – 2 000
Content Production – – 80 000 – 80 000
Test 2 000 2 000 5 000 – 9 000
Quality 2 000 1 000 5 000 – 8 000
insgesamt für 5 Std. 15 000 15 000 115 000 4 000 149 000
für 1 Std. 3 000 3 000 23 000 ca. 1 000 ca. 30 000
230 Std. in Alleinvergabe 690 000 690 000 5 290 000 230 000 6 900 000
230 Std. im Gemeinschafts-
auftrag von 4 Hochschulen
172 500 172 500 1 322 500 57 500 1 725 000
insgesamt für 460 Stunden
bei 4 Partnern
862 500 862 500 6 612 500 287 500 8 625 000
bei 3-jähriger Nutzung:
Kosten p. a.
287 500 287 500 2 204 000 95 800 2 875 000
Ein Studiengang im Umfang von acht Semestern mit durchschnittlich
20 Semesterwochenstunden und 13 Wochen pro Semester umfasst
2080 Unterrichtsstunden. Bei einem Online-Angebot im Umfangeines Drittels und bei einem Faktor von 1,5 entspricht dies 460 On-
line-Stunden. Da sich die oben angegebenen Kosten auf jeweils fünf
Stunden beziehen, ergeben sich Gesamtkosten von 149 000 x 460/5 =
13 708 000 DM.
Möglichkeiten
der Vermarktung
Die Möglichkeiten, durch Vermarktung dieser Produkte zusätzli-
che Einnahmen zu erzielen, sind zurückhaltend zu bewerten. Zum
einen steigt der Aufwand für eine entsprechende Produktentwick-
lung, und für Vertrieb, Werbung sowie Wartung und Pflege kommen
123
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
nochmals Kosten hinzu. Angesichts eines steigenden Wettbewerbs
und des daraus resultierenden Druckes zur Differenzierung werden
zum anderen Hochschulen bzw. Studiengänge nur in begrenztemUmfang bereit sein, Produkte von Mitbewerbern zu kaufen und un-
verändert einzusetzen. Sinnvoll und realistisch erscheint demgegen-
über die gemeinsame Entwicklung einzelner Kurse durch Hochschul-
lehrer unterschiedlicher Universitäten, wie dies bereits gelegentlich
bei Lehrbüchern vorkommt. Potenzielle Vermarktungsmöglichkeiten
solcher Bildungsprodukte bestehen im Weiterbildungsbereich, bei
wettbewerbsschwächeren Universitäten oder bei Universitäten, die in
dem jeweiligen Bereich keine eigene Profilierung anstreben. Bei einer kooperativen Entwicklung von vier Partnern reduzieren
sich die Kosten für die 460 Online-Stunden auf 8,6 Mio. DM. Bei
einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von drei Jahren ergeben sich
daraus jährliche Kosten von knapp 3 Mio. DM.
Standardschätzungen
erscheinen überhöht.
Als Produktionskosten für multimediale Lernräume werden in der
Regel Beträge von ca. 100 000 DM pro Stunde genannt. Der Betrag
dürfte zunächst eher bei 70 000 DM liegen und später auf 50 000
DM sinken. Die Differenz zu dem soeben geschilderten Beispiel liegt
zur Zeit und auch zukünftig vor allem in der Position pre-production,d. h. bei der Skripterstellung und thematischen Strukturierung des
Lernraums. Da die Anforderungen nicht bei allen Kursen gleich kom-
plex sein dürften, erscheint ein Durchschnittssatz von 50 000 DM/h
angemessen. Zum Vergleich auch hier eine eigene Schätzung auf der
Basis der Referenzarchitektur.
Kostenrechnung
anhand der
Referenzarchitektur
Geht man von der Gliederung der Referenzarchitektur aus, so ist
eine Stelle für die Planung und Koordination des Online-Angebotes
(Curriculum-Planung) anzusetzen. Für einige Angebotsstunden wird
Content fertig eingekauft (200 000 DM), für kleinere Eigenentwick-lungen wird eine Beratungsstelle eingesetzt. Daneben sind technische
Mittel für ein Videostudio und für Bild- und Tonbearbeitung erfor-
derlich (300 000 DM insgesamt, bei dreijähriger Nutzung 100 000
DM p. a.). Wenn der größte Anteil des anspruchsvollen Content an
professionelle Firmen vergeben wird, soll von den längerfristig zu
erwartenden Kosten für die inhaltliche Entwicklung und die techni-
sche Herstellung von durchschnittlich 50 000 DM pro Stunde ausge-
gangen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein erheblicher
124
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
Anteil in die inhaltlich-didaktische Entwicklung fließt, bei der sich
die Preise nicht durch technische Entwicklungen senken lassen. Und
es ist noch einmal zu betonen, dass die Qualität der Angebote imWettbewerb entscheidend ist. Bei 460 Stunden à 50 000 DM ergeben
sich Kosten von 23 Mio. DM, was bei einer dreijährigen Nutzungs-
dauer jährlichen Kosten von 7,7 Mio. DM entspricht. Insgesamt ad-
dieren sich die Kosten auf ca. 8 Mio. DM pro Jahr. Teilen sich drei
Studiengänge diese Entwicklungskosten, reduziert sich der jährliche
Gesamtaufwand auf knapp 3,1 Mio. DM. Dieser Betrag liegt nur
knapp über dem, der sich auf der Basis der betrieblichen Kalkulation
in Höhe von 2,875 Mio. DM ergibt.
Alternativrechnung mit Einkaufspreisen von durchschnittlich 50 000 DM pro Lernstunde
Produktionskomponente
Modell 3 bei Fremdproduktion
Investitionen Sachkosten Personal Rechte/
Content
Summe
Curriculum-Planung – – 120 000 – 120 000
Content-Beschaffung – – – 200 000 200 000
Content-Planung (inhaltliche
Entwicklung) und -Produktionvon 460 Std. (50 000 DM/h)
bei dreijähriger Nutzung
100 000 – 120 000 7 650 000 7 870 000
Betreuung und Beratung
von Lehrenden
– – 120 000 – 120 000
insgesamt 100 000 – 360 000 7 850 000 8 310 000
Bei Gemeinschaftsentwicklung
von 3 Studiengängen
100 000 – 360 000 2 616 000 3 076 000
Kosten für die
Produktions-
komponente
Eine Reihe von Universitäten richtet Multimedia-Zentren ein, die
zunächst die Unterstützung und Ergänzung der Präsenzlehre (Mo-
dell 1) fördern, perspektivisch aber auch bei der Produktion von On-
line-Content mitwirken oder diese gar übernehmen sollen.
Fall B:
Überwiegend
Eigenproduktion
Würde man statt der Fremdvergabe der Content-Entwicklung und
-Herstellung ein eigenes Multimedia-Zentrum der Hochschule auf-
bauen und einsetzen, so kann in Anlehnung an die Planung an der
Universität Bremen von folgenden Kosten ausgegangen werden:
125
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Personal
1 Leiter 140 0001 Sekretariat/Verwaltung 90 000
6 wissenschaftl. Mitarbeiter für Script-Entwicklung, Design 600 000
6 technische Mitarbeiter für Produktion 600 000
4 studentische Hilfkräfte 60 000
Investitionen
Arbeitsplatzausstattung 15 x 8 000 = 120 000 : 3 Jahre 40 000
AV-Studio 300 000 : 3 Jahre 100 000
insgesamt 1 630 000
Zum Vergleich: Die Universität Erfurt gibt die jährlichen Kosten des
Multimedia-Zentrums mit 1,5 Mio. DM an.
Kontinuierlicher
Ausbau des Angebotes
reduziert Kosten.
Ein solches Multimedia-Zentrum soll im Prinzip alle Studiengänge
unterstützen. Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass die Studien-
gänge erst nach und nach Online-Kurse anbieten wollen und dieses
Angebot auch jeweils Kurs für Kurs entwickeln. Pro Studiengang
sind drei Kurse pro Semester bzw. sechs Kurse pro Jahr anzubieten,
wenn ein Drittel des Angebotes online sein soll. Geht man davon aus,dass ein zweiköpfiges Team ein halbes Jahr an einem Kurs arbeitet,
dann kann mit der skizzierten Ausstattung die Entwicklung und
Produktion für zwei Studiengänge garantiert werden. Die anteiligen
jährlichen Kosten pro Studiengang reduzieren sich damit auf
810 000 DM. Zu den Personal- und Investitionskosten kommen noch die Kos-
ten für den Einkauf von Rechten an Bildern und anderen Werken.
126
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
Produktionskomponente
Modell 3 mit
Multimedia-Zentrum
Investitionen Sachkosten Personal Rechte/
Content
Summe
Curriculum-Planung – – 120 000 – 120 000
Content-Beschaffung – – – 400 000 400 000
Content-Planung
(inhaltliche Entwicklung)
und -Produktion von 460 Std.
70 000 – 745 000 – 815 000
insgesamt 70 000 – 865 000 400 000 1 335 000
Stärken undSchwächen der
Eigenproduktion
Folgt man diesen Kostenschätzungen, so erscheint die Produktiondurch ein eigenes Multimedia-Zentrum deutlich günstiger als die
Vergabe an externe Auftragnehmer. Das trifft auf die Auftragsertei-
lung durch eine einzelne Universität ebenso zu wie auf die gemein-
same Vergabe durch mehrere Hochschulen. Dieser Eindruck rührt da-
her, dass für das Zentrum, auch wenn es neu errichtet werden muss,
in diesem Rechenmodell nur die Personalkosten und unmittelbaren
Investitionen in Arbeitsmittel, nicht aber die Kosten für die Arbeits-
plätze (Baumaßnahmen/Mieten), die laufenden Sachaufwendungen
und Gemeinkosten u. a. m. berücksichtigt wurden, die von externen
Auftragnehmern selbstverständlich in Rechnung gestellt werden. Alle
hier vorgenommenen Schätzungen sind jedoch auf die zusätzlich an-
fallenden Kosten begrenzt und beziehen keine Fixkosten für die Ar-
beitsplätze mit ein. Auf der anderen Seite ist jedoch zu fragen, ob
ein hochschuleigenes Zentrum auf Dauer die erforderliche Qualität
garantieren kann. Die technischen Anforderungen und Realisierungs-
möglichkeiten ändern sich laufend, und es ist fraglich, ob das festan-
gestellte hochschuleigene Personal, sofern keine intensive Weiterbil-dung erfolgt, die jeweils neuen Anforderungen so gut erfüllen kann
wie speziell ausgewählte, wechselnde Auftragnehmer. Die Erfahrun-
gen mit den Hochschulrechenzentren zeigen, dass dies durchaus ein
Problem darstellen kann. Daher wird für dieses Modell mit der Alternative der externen
Auftragsvergabe mit 50 000 DM/h kalkuliert.
127
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
(4) Datenbank-/Verwaltungskomponente
Kosten für dieVerwaltungs-
komponente
Gegenüber Modell 2 ergeben sich hier keine Änderungen.
Jährliche Gesamtkosten Modell 3
Kombimodell mit 30 Prozent
Online-Kursen anspruchs-
voller Art
Investitionen Sachkosten Personal Rechte/
Content
Summe
Campus-Komponente 220 000 220 000 360 000 – 800 000
Classroom-Komponente 105 000 40 000 120 000 10 000 275 000
Produktionskomponente 100 000 – 360 000 2 616 000 3 076 000
Verwaltungskomponente 200 000 – 40 000 – 240 000
insgesamt 625 000 260 000 880 000 2 626 000 4 391 000
(1) Campus-Komponente
Modell 4:
Online-Studiengang
mit 30 Prozent
Präsenzanteil
Höhere Kosten der
Campus-Komponente
In Modell 4 sind die Relationen im Vergleich zu 2 und 3 umgekehrt.
Die Online-Kurse sind bestimmend für das Studiengeschehen. Darauf
müssen sich die Infrastruktur und die Verwaltung einstellen. Die An-
forderungen an die Gestaltung der Kurse und den support steigen,
weil nicht mehr alle offenen Fragen und Probleme aus den Online-
Aktivitäten in den Präsenzphasen besprochen und geklärt werden
können. Gegenüber Modell 3 sind die Kosten für die Netzanbindung (In-ternet-Kosten) von 200 000 DM auf 400 000 DM erhöht worden.
Auch die Hardware und die Kapazität der Telekommunikationsein-
richtungen für die Internet-Anbindung müssen erweitert werden.
Zusätzliche technische Maßnahmen sind erforderlich, um rechtsver-
bindliche Transaktionen zu ermöglichen und die entsprechende
Sicherheit zu garantieren. Die Universität kooperiert mit einer Zerti-
fizierungsstelle (trust-center) und fungiert selbst als Registrierungs-
stelle für digitale Signaturen.
128
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
Campus-Komponente Hardware-
Invest./
Software-Entwick-
lung
lfd. Sach-
kosten
Personal Rechte/
Content
Summe
Nutzerverwaltung – – 240 000 – 240 000
Portal, Orientierungshilfen,
FAQ etc.
100 000 – 120 000 – 220 000
Registrierungsstelle,
Sicherheitsfunktionen
200 000 100 000 120 000 – 420 000
Kommunikations- und Koope-
rationstechnik, auch für rechts-
verbindliche Transaktionen
300 000 – – – 300 000
Internetkosten für
zusätzlichen Verkehr
– 400 000 – – 400 000
Erweiterung der
Einwahlmöglichkeiten
100 000 20 000 120 000 – 240 000
insgesamt 700 000 520 000 600 000 – 1 820 000
(2) Claasroom-Komponente
Keine Kosten-
reduktion für
die Classroom-
Komponente
Bei der Classroom-Komponente ändert sich gegenüber den bisherigen
Modellen nichts. Denn auch für einen Präsenzanteil von 30 Prozent
kann auf die drei Hörsäle und zwei Übungsräume mit Multimedia-
technik nicht verzichtet werden.
(3) Produktionskomponente
Kosten der
Produktions-
komponente
für 1 000
Lernstunden
Bei dem höheren Anteil an Online-Kursen dürfte es zur Kombination
verschiedener Produktionsformen kommen. Ein Studiengang im Umfang von acht Semestern mit durchschnitt-
lich 20 Semesterwochenstunden und 13 Wochen pro Semester um-
fasst 2 080 Stunden. Bei einem Online-Anteil von 70 Prozent sind
dies 1
456 Stunden. Bei einem Faktor von 1,5 für die multimediale
129
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Lernstunde sind ca. 1 000 multimediale Lernstunden zu produzieren.
Für diese wird folgende Verteilung angenommen:
– 200 Stunden in individuellem Auftrag (Profilierung gegenüberWettbewerbern),
– 600 Stunden durch Gemeinschaftsaufträge,
– 100 Stunden durch Einkauf von Standardmaterial,
– 100 Stunden durch Eigenproduktion.
Private Anschaffung
digitaler Unterrichts-
materialien
Für das Standardmaterial wird von Lizenzkosten von durchschnitt-
lich 4 000 DM ausgegangen. Dabei wird angenommen, dass Studie-
rende bestimmte elektronische Nachschlagewerke und elektronische
Standardlehrbücher, die sie lokal auf ihren Rechnern jederzeit verfüg-
bar haben wollen, selbst erwerben und dass die Universität diese Li-
zenzen ebenso wenig jedem Einzelnen zur Verfügung stellt, wie sie
dies heute mit Lehrbüchern tut. Die Eigenproduktion soll sich auf die didaktisch und technisch
weniger anspruchsvollen Teile beschränken, die es auch in einem ins-
gesamt hochwertigen Angebot gibt. Sie kann daher weitgehend durch
die wissenschaftlichen Mitarbeiter erfolgen. Für Schulung, Beratung
und Betreuung dieser wissenschaftlichen Mitarbeiter sind zwei Stel-
len erforderlich. Für ein AV-Studio sind Investitionen von 300 000DM und ein Betreuer anzusetzen.
(4) Datenbank-/Verwaltungskomponente
Höhere Kosten auch
für Verwaltungs-
und Datenbank-
komponente
In diesem Modell ist das Netz auch für die Verwaltungsvorgänge be-
stimmend. Alle Daten der Studierenden werden online eingegeben,
im Netz gespeichert und sind für die Studierenden und Lehrenden im
Rahmen ihrer jeweiligen Berechtigungen einsehbar. Bei dem hohenAnteil an Kursen, Übungsaufgaben, Prüfungsleistungen können auch
diese Daten effektiv nur durch Datenbanken verwaltet werden. In Modell 4 werden daher alle im Architekturmodell genannten
Datenbanken benötigt. Für sie gibt es keine Vorläufer. Ihre Entwick-
lungskosten lassen sich auf ca. 4 Mio. DM schätzen, die über fünf
Jahre verteilt werden können. Auch hier kommt eine Gemeinschafts-
entwicklung von vier Hochschulen in Frage. Dann entstehen jährli-
che Kosten unter Berücksichtigung individueller Anpassungen von
130
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
250 000 DM. Der Aufwand für Betreuung, Wartung und Pflege, der
über die Präsenzlehre hinausgeht, erfordert die Schaffung von zwei
Stellen und wird jährlich auf 240 000 DM geschätzt.
Produktionskomponente
Modell 4 bei
überwiegender Vergabe
Investitionen Sachkosten Personal Rechte/
Content
Summe
Curriculum-Planung – – 120 000 – 120 000
Betreuung und Beratung
von Lehrenden für
eigene Produktion
– – 120 000 – 120 000
Beschaffung von Rechten
für eigene Produktionen
– – – 200 000 200 000
Aufträge für Content (inhaltl.
Entwicklung bei Produktion
von 200 Std. (50 000 DM/h)
und dreijähriger Nutzung)
100 000 – 120 000 3 330 000 3 550 000
Aufträge für Content (inhaltl.
Entwicklung bei Produktion
von 600 Std. (50 000 DM/h),
dreijähriger Nutzung undGemeinschaftsentwicklung
(von drei Studiengängen)
100 000 – 120 000 3 330 000 3 550 000
Beschaffung von Standard-
material für 100 Std.
– – 120 000 400 000 520 000
insgesamt 200 000 – 600 000 7 260 000 8 060 000
Jährliche Gesamtkosten Modell 4
Online-Studiengang mit 30
Prozent Präsenzzeiten
Investitionen Sachkosten Personal Rechte/
Content
Summe
Campus-Komponente 700 000 – 500 000 580 000 1 780 000
Classroom-Komponente 105 000 40 000 120 000 10 000 275 000
Produktionskomponente 200 000 – 600 000 7 260 000 8 060 000
Verwaltungskomponente 250 000 – 240 000 – 490 000
insgesamt 1 255 000 40 000 1 460 000 7 850 000 10 605 000
131
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Resümee: Hochschulen brauchen neue Modelle zur Finanzierung
Wege zur Realisierungdes verstärkten
Einsatzes
multimedialer
Bildungsangebote
Eine nationale Lern-Infrastruktur für Deutschland erfordert finan-zielle Mittel in einem Umfang, wie sie derzeit nicht bereitstehen. Aus den Kostenschätzungen für vier unterschiedliche Modelle mul-
timedialer Lehre lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen: 1. Die multimediale Unterstützung der Präsenzlehre kann mit-
telfristig aus den Hochschuletats durch Umschichtung, gezielte Per-
sonalauswahl und Umschulung bewältigt werden. Für Anfangsinves-
titionen und zusätzliches Personal in der Übergangsphase sind
zusätzliche Mittel in Höhe von knapp 400 000 DM pro Studiengang
und Jahr erforderlich.
Kooperationen
können die hohen
Kosten senken.
2. Der Übergang von der Unterstützung und Ergänzung der
Präsenzlehre zu kompletten Online-Kursen erweist sich als aufwen-
diger, als zumeist erwartet wird. Die geschätzten zusätzlichen Kosten
pro Jahr und Studiengang vervierfachen sich bei einfacher Material-
aufbereitung und verzehnfachen sich, wenn nur für ein Drittel des
Lehrprogramms multimediale Online-Kurse angeboten werden, die
auch die didaktischen Möglichkeiten zur Verbesserung des Lernens
technisch realisieren. Bei dieser Kalkulation sind die realistischenMöglichkeiten zur Senkung der Kosten, insbesondere durch hoch-
schulübergreifende Kooperationen, bereits weitgehend ausgeschöpft
und die Entwicklungskosten für anspruchsvollen Content so niedrig
angesetzt worden, dass zukünftige Preissenkungen schon berücksich-
tigt sind. Von daher handelt es sich um Schätzungen am unteren Rand des
Möglichen. Mit 4 Mio. DM jährlichen Zusatzkosten pro Studien-
gang ist selbst der 30 Prozent-Anteil von Online-Kosten für die
meisten Studiengänge in den bisherigen Budgets nicht erreichbar. Da-rauf gerichtete Förderprogramme müssten entsprechend hoch dotiert
sein. 3. Studiengänge, die etwa 70 Prozent der Kurse online anbieten
und auch Verwaltung und Prüfung weitgehend über das Netz abwi-
ckeln, führen nur dann zu einer Kostendegression, wenn eine hinrei-
chend große Nutzergruppe erreicht wird. Entscheidend wird sein, in
welchem Maße Online-Studiengänge nicht nur ergänzend, sondern
ersetzend für traditionelle Lehrangebote eingesetzt werden. Außer-
132
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
dem steigen mit der professionellen Aufbereitung die Vermarktungs-
chancen für virtuelle Bildungsangebote. Diese potenziellen Einnah-
memöglichkeiten sind den Erstellungskosten gegenüberzustellen. Um diese Möglichkeiten auszuschöpfen, sollten die Universitäten
mit ihren Partnerfirmen klare Vereinbarungen über Vermarktung
und Verwertung der Bildungsprodukte treffen oder eine hochschulei-
gene Vertriebs- und Verwertungsgesellschaft aufbauen. Sowohl bei 30 Prozent als auch bei 70 Prozent Anteil virtueller
Studienangebote fallen in erster Linie die Kosten für die Entwicklung
des multimedialen Lern-Content ins Gewicht. Bei den beiden Model-
len mit dem 30-prozentigen Online-Anteil steigen diese Content-Kos-
ten von der einfachen Online-Aufbereitung von vorhandenem Mate-
rial zur Neuentwicklung multimedialer Lernräume von 410 000 DM
auf 3 Mio. DM, bei der Ausweitung auf 70 Prozent anspruchsvoller
Lerninhalte dann auf ca. 8 Mio. DM. Diese Kalkulationen bedürfen sorgfältiger Überprüfung. Wie die
Aufteilung nach Kostenarten zeigt, handelt es sich dabei nicht in
erster Linie um Personalkosten, sondern um die Vergabe von Aufträ-
gen und Lizenzgebühren, so dass hier gewisse Spielräume bestehen.
Grundlegende Veränderungen sind jedoch nicht zu erwarten, sofernnicht ganz andere Prämissen gesetzt werden – das heißt in der Praxis,
dass ganz andere Organisationsmodelle und Produktionsverfahren
entwickelt und auch konkret realisiert werden müssen. Dies gilt ins-
besondere für die Kooperation zwischen Hochschulen, Trägern der
betrieblichen Weiterbildung und Verlegern sowie Anbietern von On-
line-Diensten. Das ist nicht trivial. Tatsächlich gibt es bisher weltweit
keine Beispiele für multimediale Anwendungen, die inhaltlich die
Erwartungen an eine Verbesserung des Lernens voll erfüllen und
gleichzeitig betriebswirtschaftlich rentabel sind. 4. Für Förderprogramme kann daraus die Konsequenz gezogen
werden, dass es zukünftig nicht primär um weitere Modellversuche
zur Produktion von Content geht, sondern um die Erprobung solcher
Kooperationsmodelle. Dazu dürfte die Förderung einiger weniger gut
ausgestatteter Verbundprojekte sinnvoll sein, statt die Mittel auf
viele kleine Projekte zu verteilen. Neben der Content-Entwicklung
wären dabei die organisatorischen und rechtlichen Innovationen zu
berücksichtigen und gezielt zu fördern.
133
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
5. Die vorgelegten Berechnungen gehen davon aus, dass die Stu-
dierenden sowohl die erforderlichen Computer als auch die Tele-
kommunikations- und Internetkosten für das Online-Studieren sowiedie Kosten für Software-Lizenzen für jederzeit lokal verfügbare Soft-
ware selbst tragen. Und es wurde unterstellt, dass sie die dazu erfor-
derlichen Fähigkeiten möglichst schon in der Schule erworben haben.
Beide Prämissen sind heute in der Regel noch nicht erfüllt. Zu klären
ist noch, inwieweit es zulässig ist, dass Software von einem Server
der Universität auf Rechner der Studierenden heruntergeladen und
dort benutzt wird, ohne dass dafür zusätzliche Lizenzgebühren be-
zahlt werden. Mit den bisherigen BAFöG-Sätzen können die Studie-
renden die zusätzlich aufzubringenden Kosten nicht tragen. Ohne
eine entsprechende Erhöhung oder andere Regelungen lässt sich die
politisch angestrebte Chancengleichheit nicht gewährleisten. 6. Wirtschaftliche Modelle für die Bereitstellung von Online-
Studienangeboten müssen sich noch entwickeln. Notwendiger Be-
standteil einer Vermarktung sind weitere Maßnahmen wie Marke-
ting, Vertrieb und Wartung. Denkbar ist, dass Auftragnehmer die
entwickelten Bildungsprodukte an Dritte verkaufen und die auftrag-
gebende Hochschule an den Erlösen beteiligen. Mittelfristig kanneventuell auf Baumaßnahmen (Kabel statt Beton) und/oder die Wie-
derbesetzung einer Hochschullehrerstelle verzichtet werden. Voraus-
setzung dafür sind verbindliche Koooperationsverträge zwischen
Hochschulen, die sich zu einem Verbund zusammenschließen, in dem
bestimmte Wissensbereiche nur einmal angeboten werden. Der dafür
erforderliche Wandel in Verständnis und Organisation der Hoch-
schulen wird angesichts des allgemeinen Wandels von Globalisierung
und Wettbewerb im Bildungsbereich unumgänglich sein.
Lassen wir zum Abschluss unseren Modellstudenten Thomas S.berichten, wie er als Studierender die höheren Kosten für multimedi-
ale Lehrangebote betrachtet: Zunächst wollte er nicht akzeptieren,
dass seine Hochschule für die interaktiven Angebote der Kategorien
C (30 Prozent Anteil anspruchsvolle Online-Kurse) und D (Online-
Studiengang mit 30 Prozent Präsenzanteil) beträchtliche Zusatzge-
bühren fordert. Selbst der Verweis darauf, dass entsprechende Kurse
z. B. aus Ann Arbor noch wesentlich teurer wären, konnte ihn nicht
überzeugen. Nachdem er sich – mit etwas unwillig gewährter Unter-
134
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
stützung seiner Eltern – zunächst einmal zwei der teuren Unterrichts-
einheiten geleistet hat, ist er bereit, die Dinge etwas anders zu sehen.
»Der technische Aufwand, der dahinter steckt, ist einfach enorm«,erklärt er seinem Vater, der wissen will, ob sich die Investition ge-
lohnt hat. »Der Informationsgehalt ist sehr dicht, und man hat so
aufwendige Mechanismen zur Kontrolle des Lernerfolges eingebaut,
dass keiner in Versuchung kommt, das Ganze als Fernsehen zu be-
trachten. Man lernt wirklich etwas, und das schneller und vielseitiger
als sonst.« Trotz der Zusage weiterer Unterstützung durch die Eltern kann
Thomas S. es sich allerdings nicht leisten, den überwiegenden Teil
seines Studiengangs mit Bausteinen der höchsten Online-Kategorien
zu bestreiten. »Der Nutzen der Multimedia-Kurse ist wohl auch
nicht bei allen Studieneinheiten gleich groß«, vermutet er, »und Eini-
ges habe ich aus ganz traditionellen Büchern bestimmt ebenso gut ge-
lernt, wie das am Bildschirm möglich gewesen wäre.« Trotzdem
rechnet er damit, dass der Stellenwert der Online-Ausbildungseinhei-
ten in seinem Studium und erst recht anschließend in der Weiterbil-
dung ständig zunehmen wird, wenn sein Wissen immer auf der Höhe
der aktuellen Anforderungen sein soll. Darauf, dass die staatlicheAusbildungsförderung später einmal ausreichen wird, seinen Kindern
ein Studium auf der Höhe der Zeit zu finanzieren, mag er sich nicht
verlassen. »Neben dem Bausparvertrag werden wir wohl auch einen
Bildungssparvertrag abschließen müssen, um auf der sicheren Seite
zu sein.«
Anmerkungen
1 Beitrag von Peter Glotz.
2 Klaus Haefner, »MultiMedia« in der Hochschulausbildung. Eine nationale Infrastruktur
muss entwickelt und realisiert werden, Juni 1999, Manuskript.
3 Beitrag von Herbert Kubicek.
4 Die Kosten für Markteinführung in Höhe von 6 000 DM werden hier nicht übernommen.
135
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
10 40
2626
7850
220
880 880
1460
40180
260
40105
475625
1255
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
8000
9000
Kosten in TDM
Höhe der verschiedenen Kostenarten
Modelle I II III IV
Investitionen 105 475 625 1255
lfd. Sachkosten 40 180 260 40Personal 220 880 880 1460
Rechte/Content 10 40 2626 7850
136
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Finanzierung virtueller Studienangebote
240 240
490
120
410
3076
8060
255 275 275 275
650800
1780
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
8000
9000
Kosten in TDM
Größe der Komponenten
Modelle I II III IV
Campus-Komponente 0 650 800 1780
Classroom-Komponente 255 275 275 275Produktionskomponente 120 410 3076 8060
Datenbanken 0 240 240 490
137
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Hochschulentwicklung durchneue Medien – internationaleBest-Practice-Projekte
Michael Brockhaus, Martin Emrich, Antonella Mei-Pochtler
Die Universität in fünf Jahren – werden die im Szenario 2005 prog-
nostizierten Zustände Wirklichkeit? Was müssen wir tun, um posi-
tive Trends zu verstärken und negative Entwicklungen zu vermeiden?
Welche Weichen müssen gestellt werden, damit das deutsche Hoch-
schulwesen auch künftig seine vielfältigen Aufgaben erfüllen kann?
Welche Auswirkungen ergeben sich für die Studierenden, die Profes-
soren, Unternehmen und den Staat? Welche Rolle wird und kann
Multimedia spielen? Der Expertenkreis versucht, u. a. auf diese Fra-
gen Antworten zu geben. Die Boston Consulting Group wurde gebeten, weltweit nach Best-
Practice-Beispielen zu suchen und ihre Übertragbarkeit auf Deutsch-
land zu analysieren. Als »Best Practice« verstehen wir in diesem Zu-
sammenhang bildungsspezifische Modelle, die bereits in die Praxis
umgesetzt sind und eine Vorreiterrolle in ihrem Bereich einnehmen.
Ziel war es, die konzeptionell interessantesten und unterschiedlichen
Modelle zu identifizieren, an denen sich die Verantwortlichen in
Deutschland orientieren können oder vielleicht sogar müssen. Diese
Beispiele besitzen Vorbildcharakter aufgrund ihres innovativen und/ oder effizienten Multimedia-Einsatzes und erlauben uns, aus den
internationalen Erfahrungen zu lernen. Dabei wurde insbesondere
darauf geachtet, die Besonderheiten der fünf Komponenten des Sze-
nario 2005 von der Alma Mater Multimedialis bis zur virtuellen
Universität zu berücksichtigen. Das Szenario 2005 zeichnet für die künftige Hochschullandschaft
ein Bild, in dem sich grundsätzlich neue Formen von Bildungsanbie-
tern etablieren werden: Internationale Bildungskonsortien treten als
139
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Kooperationen von Hochschulen und Wirtschaft mit Profitorientie-
rung auf den Plan. Corporate Universities übernehmen die Aus- und
Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunehmendselbst und liefern die Bildungsinhalte vielfach über das Internet di-
rekt an den Arbeitsplatz. Universitätsnetzwerke schließen sich zu-
sammen, um gemeinsam ein Bildungsangebot bereitzustellen, das die
Studierenden teils in traditioneller Präsenzlehre an ihrer Heimatuni-
versität und teils als virtuelles Studienangebot einer anderen Netz-
werkhochschule erarbeiten. Virtuelle Universitäten decken einen
breiten Fächerkanon ab, wollen eine möglichst große Zielgruppe er-
reichen und bieten die Lehre vollständig über das Internet an. Die
traditionelle Universität muss sich unter diesem Einfluss profilieren
um zu überleben. Einige klassische Universitäten werden sich eben-
falls um ein Online-Angebot bereichern und die neuen Technologien
für die Lehre nutzen. Diese Alma Mater Multimedialis wird in einigen
Fällen eine Position als Elite-Universität erreichen, die eine heraus-
ragende und auch teure Generalistenausbildung bietet. Die hier präsentierten Beispiele sind Vorboten einer Entwicklung
im Bildungsmarkt, die sehr unterschiedliche Typen von Bildungsanbie-
tern hervorbringen wird. Sie zeigen, wie sich Hochschulen im Zeichender neuen Technologien ein neues Profil geben und welche grundsätz-
lich neuen Institutionen sich als Wettbewerber am Markt positionie-
ren werden. Die Modelle sind aber auch kritisch zu analysieren. Sie
dürfen keinesfalls unreflektiert übertragen werden – vielmehr sind
die Erkenntnisse der Recherche im deutschen Kontext zu bewerten.
Vorgehensweise
Zunächst wurde über verschiedene Quellen eine Vielzahl von Bei-
spielen identifiziert. Daraus wurden 21 Projekte zur eingehenderen
Untersuchung in eine Longlist aufgenommen. Diese Liste enthielt
Beispiele aus Europa, den USA und der Region Asien/Pazifik. Da-
raus wurden die Beispiele mit der jeweils höchsten Gesamtbewertung
für die fünf Typen von Bildungsanbietern des Szenario 2005 für
die detaillierte Best-Practice-Analyse ausgewählt. Es wurde sicherge-
stellt, dass alle ausgewählten Beispiele Mindestanforderungen in den
140
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Hochschulentwicklung durch neue Medien
Kriterien der
Bewertung
Einzelkriterien aufweisen. Die Kriterien der Bewertung lauten wie
folgt:
– Medieneinsatz (Spektrum eingesetzter Technologie; Qualität mul-timedialer Inhalte),
– Lerneffektivität (Einsatz der neuen Medien auf der Basis von
Lehrkonzepten; Evaluationsstudien; von Nutzern und Dozenten
wahrgenommene Effektivität),
– Lehreffizienz (Effizienz von Lehrprozessen; Kostenreduktionen in
der Administration),
– Entwicklungsstadium (Routine versus Pilotprojekt),
– Ausmaße des Projektes (Breite des Kursangebotes; geografische
Reichweite der Kurse; Breite der Zielgruppe)
– Region (Konzentration auf Projekte außerhalb Deutschlands).
Dabei suchte die Boston Consulting Group nach Beispielen, die im
Projektstatus als fortgeschritten gelten, andererseits ein innovatives
Profil aufweisen. Viel versprechende europäische Projekte, wie etwa
die Finnish Virtual University oder der Kölner Global eCommerce
Master, blieben aufgrund ihres frühen Projektstadiums von der letz-
ten Phase der Recherche ausgeschlossen. Deutsche Projekte wurden
explizit nicht berücksichtigt, da der anvisierten Zielgruppe der deut-schen Universitäten und Bildungspolitik die hiesige Projektlandschaft
sehr gut bekannt ist. Persönliche Interviews vor Ort sowie darüber hinausgehende de-
taillierte Recherchen ermöglichten eine genaue Analyse der ausge-
wählten Best-Practice-Beispiele.
Vergleich auf
sechs Achsen
Im Folgenden werden diese acht Beispiele näher beschrieben und
Unterschiede der identifizierten Projekte mit den Komponenten des
Szenario 2005 aufgezeigt und diskutiert. Dieser Vergleich erfolgt
anhand von Profilen, die auf sechs »Achsen« beruhen. Die Achsenstehen für die Hauptdimensionen des Wandels im Bereich der post-
sekundären Bildung. Sie dienen der Veranschaulichung der unter-
schiedlichen Profile der Beispiele und der jeweiligen Bildungsanbieter
im Szenario 2005. Ein »optimales« Profil existiert nicht. Die unter-
schiedlich starke Ausdehnung der Beispiele auf den Achsen zeugt
eher von einer Profilierung als von einem Mangel an Ausgewogenheit
und Potenzial. Die Einordnung der Szenarien und der Best-Practice-
Beispiele erfolgte relativ zueinander und geschah auf Basis der Pro-
141
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
jektkenntnis sowie aufgrund von Diskussionen mit einzelnen Mit-
gliedern des Expertenkreises. Die Haupttreiber des Wandels lassen
sich wie folgt charakterisieren und benennen:– Virtualisierung (Einsatz des Internet zur Ausbildung und für eine
damit verbundene zeitliche und örtliche Flexibilität der Lernenden
und Lehrenden),
– Globalisierung (Zugriff der Studierenden auf internationale Bil-
dungsangebote bzw. im Gegenzug ein globales Angebot der Bil-
dungsprodukte im Netz),
– lebenslanges Lernen (Umfang der Weiterbildung als Teil des Bil-
dungsangebotes),
– Kundenorientierung (individuelle Adaptierbarkeit der Angebote,
Modularisierung der Lernmaterialien durch die Anbieter),
– Umfang des Medieneinsatzes (von rein textbasierten Darstellungs-
formen bis zur interaktiven Multimedialität)
– Community/Lerngemeinschaft (Berücksichtigung der sozialen In-
teraktionsmöglichkeiten der Lernenden und Lehrenden).
Im zweiten Teil dieser Studie wird die Übertragbarkeit der interna-
tionalen Entwicklungen auf Deutschland zur Debatte gestellt.
Weltweite Best-Practice-Beispiele
Internationale
Bildungs-
konsortien
Im künftigen Bildungsmarkt werden branchenfremde Unternehmen
Studienangebote bereitstellen und sich dabei nach kommerziellen
Gesichtspunkten richten. Das internationale Bildungskonsortium des
Szenario 2005 besteht aus einer solchen profitorientierten Koopera-
tion internationaler Unternehmen der Telekommunikations- und
Medienbranche mit renommierten Universitäten. Die Konsortien tre-ten als Bildungsanbieter auf, die Studierende auf der ganzen Welt
zu ihren Kunden zählen. Zusätzliche Partnerschaften mit Großunter-
nehmen können auf Anbieter- wie auf Abnehmerseite erfolgen. Die hier aufgeführten Projekte Pensare und UNext.com zeichnen
sich durch Kooperationen mit führenden Universitäten, enge Zu-
sammenarbeit mit der Wirtschaft, ein globales Geschäftsmodell sowie
durch Profitorientierung aus. Sie werden im Folgenden genauer por-
trätiert.
142
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Hochschulentwicklung durch neue Medien
Pensare
Pensare ist ein privates, gewinnorientiertes Unternehmen, das Lern-systeme für Firmen und Universitäten anbietet. Der Tätigkeitsschwer-
punkt der 1996 gegründeten US-Firma liegt im Design von internet-
basierten Lern-Infrastrukturen für Gruppen. Bereits mehrere tausend
Anwender, etwa bei GE, Intel oder Ernst & Young, nutzen die maß-
geschneiderten Lösungen, deren Inhalte von Partner-Universitäten
(z. B. Wharton, Harvard, Fuqua School of Business) und Unterneh-
men gestaltet werden. Zum Einsatz kommen synchrone und asyn-
chrone Videokonferenzen sowie zahlreiche andere moderne Kom-
munikationstechnologien, etwa Satellitenübertragung und so genann-
te Multi User Domains (MUDs), mit deren Hilfe räumlich getrennte
Teams gemeinsam an derselben Unterlage arbeiten können. Pensare
plant den Börsengang für Juni 2000. Die Studierenden begrüßen
nicht nur die moderne Lernumgebung, sondern betrachten gerade
auch die (virtuelle) Gemeinschaft mit den anderen Studierenden als
besonders motivierend. Projektwebsite: www.pensare.com.
UNext.com
Die »Next Generation University« wurde Ende 1997 gegründet und
gehört zu 20 Prozent dem Unternehmen Knowledge Universe. Knowl-
edge Universe gründet, betreibt und investiert in Firmen, die Serv-
ices im Bereich Bildung für alle Altersstufen und für Unternehmen
und Privatpersonen erstellen. Ziel von UNext.com ist die Bereitstel-
lung hochwertiger lebenslanger Lernprozesse, zunächst für Berufstä-tige mit akademischer Ausbildung. Dazu stehen ihnen rund 80 bis
100 Mio. US$ als Wagniskapital zur Verfügung. Seit Herbst 1999
erstellt UNext gemeinsam mit europäischen und amerikanischen
Top-Universitäten (London School of Economics, Stanford, Colum-
bia, University of Chicago, Carnegie-Mellon) betriebswirtschaftliche
Kurse und vermarktet diese unter dem Namen Cardean. Das Ange-
bot ist zunächst an Unternehmen weltweit gerichtet. IBM zählt zu
den ersten Kunden. Später sollen auch Privatpersonen angesprochen
143
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
werden. Dem akademischen Beirat gehören die Nobelpreisträger
Arrow, Becker und Miller an. Die Wissensübermittlung erfolgt durch
das Internet (Text, Audio, Grafik und Video). Die verwendete pro-prietäre Software erlaubt dabei auch bei niedriger Bandbreite die
Übertragung multimedialer Inhalte sowie eine Kombination von
Selbststudium und interaktiver Zusammenarbeit. Integrierte Feed-
back- und Leistungskontrollsysteme sowie die Unterstützung von
Gruppenarbeit sollen eine anwenderzentrierte Lernumgebung schaf-
fen. UNext will nach erfolgter Akkreditierung ein MBA-Studienpro-
gramm mit Abschluss in das Angebot aufnehmen. Außerdem ist
geplant, Hochschulen als Kunden zu gewinnen. Projektwebsite: www.unext.com.
Abbildung 1
I n t e r n a t i o n a l e s K o n s o r t i u m u n d U N e x t . c o m
V i r t u a l i s i e r u n g
K u n d e n o r i e n t i e r u n g
G l o b a l i s i e r u n g
l e b e n s l a n g e s
L e r n e n
U m f a n g
M e d i e n e i n s a t z
C o m m u n i t y
I n t e r n a t i o n a l e K o n s o r t i e n b e i n h a l t e n
a u c h P r s e n z l e h r e ; U n e x t . c o m b i s h e r
n u r v i r t u e l l
U n e x t . c o m e x p e r i m e n t i e r t m i t n e u e n
L e r n f o r m e n i n s e h r f r h e m S t a d i u m
U N e x t . c o m
S z e n a r i o 2 0 0 5 /
I n t e r n . K o n s o r t i u m
Q u e l l e : B C G - A n a l y s e
144
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Hochschulentwicklung durch neue Medien
Die links stehende Grafik veranschaulicht, inwieweit die Profile des
internationalen Konsortiums laut Szenario 2005 und der Beispiele
von UNext.com und Pensare übereinstimmen. Die Grafik zeigt,dass bei dem internationalen Konsortium das Potenzial der multime-
dialen Aufbereitung von Lernmaterialien zu einem sehr hohen Grad
genutzt wird. Damit werden die unterschiedlichen Lernertypen un-
terstützt. Allerdings verzichten die gezeigten Beispiele auf Präsenz-
phasen und kompensieren dies durch eine elektronischecommunity. Zusätzlich zu den dargestellten Beispielen ist ein stärkeres Enga-
gement von Telekommunikations- und Medienunternehmen bereits
in der Entstehung, auch wenn die Umsetzung bislang nicht öffentlich
sichtbar und darstellbar ist. Die Dimension der hier dargestellten
Beispiele und erste Marktanalysen verdeutlichten jedoch die Bereit-
schaft von Unternehmen, diesen Markt aggressiv anzugehen.
Corporate
Universities
Die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens steigert den Bedarf
an kontinuierlicher Aus- und Weiterbildung für Berufstätige. Viele
Unternehmen reagieren darauf, indem sie ihre interne Weiterbildung
durch Corporate Universities gestalten lassen. Diese Corporate Uni-
versities, so das Szenario 2005, werden künftig jedoch nicht nur der
Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern des eigenen Unternehmensdienen. Zwar liegt hier der Schwerpunkt: Unternehmensspezifisches
Wissen wie auch die Kultur und Philosophie eines Unternehmens
werden hier vermittelt – vielfach direkt über den PC am Arbeitsplatz.
Jedoch bieten die Unternehmen Teile ihres internen Bildungsangebo-
tes zunehmend auf dem freien Bildungsmarkt an. Das hier gezeigte Beispiel der Motorola Corporate University
bedient nicht nur alle Angestellten des Konzerns in der ganzen Welt,
sondern auch zahlreiche Kunden und Lieferanten – ein erster Schritt
zur Öffnung des Angebotes ist damit bereits erfolgt.
Motorola University
Die Motorola University wurde 1981 gegründet und wird heute von
130 000 Angestellten und einer großen Anzahl Kunden und Lieferan-
ten in fünf Kontinenten genutzt. Die Webseiten werden in acht Spra-
chen angeboten. Deutsche Ausbildungsstandorte sind Berlin, Flens-
145
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
burg und Wiesbaden. Jede/r Angestellte nimmt mindestens vierzig
Stunden pro Jahr an Trainingsmaßnahmen teil. Bisher finden 90
Prozent der Trainings face-to-face und 10 Prozent mit Hilfe neuerMedien statt. Beim Einsatz neuer Medien werden die Kurse gefilmt
und danach per CD-ROM verteilt ( just-in-time lectures technology).
Das breit gefächerte Angebot behandelt u. a. betriebswirtschaftliche
Themen, transkulturelle Bildung, Technologie, Verkaufstechniken
und Fremdsprachen. Trotz des Namens »University« besteht kein
Anspruch auf universitäre Grundausbildung. Zum Einsatz kommt
neben dem Internet und CD-ROMs das webbasierte TAS (Training
Administration System) zur Kursübersicht und Kursanmeldung. Ab
September 2000 können mit dem TAS auch die Trainingsleistungen
von Angestellten erfasst und mit Anforderungsprofilen künftiger
Stellen verglichen werden. Partner der Motorola University sind die
Purdue University, die Carnegie-Mellon University und Pensare. Projektwebsite: mu.motorola.com/aboutMU.html.
Abbildung 2
Corporate University und Motorola University
Virtualisierung
Kundenorientierung
Globalisierung
lebenslangesLernen
UmfangMedieneinsatz
Community
Quelle: BCG-Analyse
erst 10 Prozent
virtuelles Training;
Tendenz steigend
Motorola etablierte konzernweitgültige Lehrpläne
bisher sparsamer Multimedia-
einsatz; Anwendung neuer
Medien in Pilotphase
Motorola University
Szenario 2005/
Corporate University
146
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Hochschulentwicklung durch neue Medien
Obgleich die Virtualisierung der Lehre bei der Motorola Corporate
University bislang noch nicht besonders weit fortgeschritten ist, ist
das Maß der Globalisierung bereits sehr hoch. Dies liegt daran, dassder Konzern seine Inhalte weltweit in gleicher Weise anbietet. Mit
dem geplanten steigenden Einsatz des Internet zur Verbreitung der
Inhalte und einer möglicherweise weiteren Öffnung für unterneh-
mensexterne Nutzer wird der globale Zugriff auf die Motorola Cor-
porate University noch breiter werden können.
Universitäts-
Netzwerke
Kooperationen sind ein Weg, um dem wachsenden Wettbewerbs-
druck im Bildungsmarkt standzuhalten. Daher werden sich Unter-
nehmen zusammenschließen, um ihre Kompetenzen zu bündeln. In
den Universitätsnetzwerken des Szenario 2005 tauschen die beteilig-
ten Universitäten die Lehrinhalte mit dem Ziel des Ressourcen-
sharing und der Stärkung der Konkurrenzfähigkeit untereinander aus.
Die Curricula enthalten virtuelle Studienanteile und Campusphasen.
Auch die Netzwerke kommerzialisieren ihr Produkt, vornehmlich für
den Weiterbildungsmarkt kleiner und mittlerer Unternehmen. Im geschilderten Beispiel der Singapore-MIT-Alliance findet ein
enger Austausch von Lehrinhalten statt. Vor allem die Universitäten
in Singapur verfolgen mit dem Projekt eine Stärkung ihrer Position inder internationalen Bildungslandschaft. Eine Ausweitung des Kon-
zeptes auf die University of Dublin und University of Cambridge
seitens des MIT ist in Vorbereitung.
Singapore – MIT Alliance (SMA)
Die SMA ist eine Bildungs-Kooperation, die 1998 zwischen dem
Massachusetts Institute of Technology (MIT) und den beiden Hoch-schulen National University of Singapore (NUS) und Nanayang
Technological University (NTU) aus Singapur geschlossen wurde.
Das fünfjährige Pilotprojekt mit derzeit 64 Studenten setzt multime-
diale Übertragungstechnologien ein und will Erkenntnisse über On-
line-Interaktionsmöglichkeiten liefern. Der Kursschwerpunkt liegt im
Bereich der Technologie. MIT-Lehrveranstaltungen werden zwei-
mal täglich per Video live nach Singapur übertragen. Parallel dazu
findet ein Austausch von Forschern, Lehrenden und Studierenden
147
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
statt. Das Projekt hat ein Gesamtbudget von 200 Mio. US$, von
denen die Regierung in Singapur 80 Prozent trägt. Dieser hohe Anteil
verdeutlicht das Interesse Singapurs an einem Know-how-Transfervom MIT. Ab Frühjahr 2000 können die Studierenden in Singapur
zusätzlich zur Videoübertragung handschriftliche Skizzen des Profes-
sors in Boston live mitverfolgen. Selbst wenn die Vorlesung zu einem
späteren Zeitpunkt abgerufen wird, bleibt der Weg, wie eine Zeich-
nung angefertigt wurde, rekonstruierbar. Die teilnehmenden Studie-
renden bewerten v. a. die interaktiven Videoübertragungen äußerst
positiv, auch wenn diese aufgrund des zwölfstündigen Zeitunter-
schiedes sehr früh bzw. spät am Tag erfolgt. Kommunikationspro-
bleme zwischen den Studierenden in Boston und denen in Singapur
sind eher durch interkulturelle Unterschiede als durch die benutzten
Übertragungstechnologien bedingt. Projektwebsite: www.caes.mit.edu und web.mit.edu/SMA/.
Abbildung 3
Uni-Netzwerke und Singapore-MIT-Alliance
Virtualisierung
Kundenorientierung
Globalisierung
lebenslangesLernen
UmfangMedieneinsatz
Community
Quelle: BCG-Analyse
SMA überbrückt
mehrere Zeitzonen undmassive Kulturunter-schiede; Ausbau nach
Europa geplant
MIT als technisch
orientierte Einrichtung
geht bewusst an Grenzendes technisch Machbaren
Uni-Netzwerke werden aus
geografischen undkulturellen Gründen
engere Kontake haben
Singap.-MIT-Alliance
Szenario 2005/
Uni-Netzwerk
148
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Hochschulentwicklung durch neue Medien
Dieses Beispiel zeigt, dass Netzwerke von Beginn an eine stark aus-
geprägte globale Reichweite haben können. Sicher ist diesem Projekt
auch das hohe Maß technischer Unterstützung seitens des MIT zugu-te zu halten. Unter diesem Aspekt ist auch der hohe Umfang des Me-
dieneinsatzes zu sehen. Andere, beispielsweise in Deutschland beob-
achtbare Netzwerke wie das Projekt Vikar oder WINFOLine zeigen
darin eine jeweils geringere Ausprägung. Dafür fällt bei diesen loka-
len bzw. nationalen Netzwerken der Aufbau einer Community leich-
ter.
Virtuelle
Universitäten
Im Jahr 2005 werden virtuelle Universitäten das Gesamtspektrum
der traditionellen Universität in einer virtuellen Einheit anbieten. Das
Angebot ist überwiegend als Telelearning abrufbar und der Zugang
zu digitalen Bibliotheken und Arbeitsgruppen im Netz ist gewährleis-
tet. Die Vermittlung der Lehrinhalte erfolgt überwiegend nicht durch
die Wissenschaftler selbst, sondern durch eigens geschulte Moderato-
ren und Tutoren. Die gewählten Beispiele University of Phoenix Online sowie West-
ern Governors University erleichtern ihren Studenten den Zugang zu
Bildung durch ihre Telelearning-Angebote. Das Fächerspektrum
deckt nicht alle üblichen Disziplinen einer traditionellen Universitätab, jedoch ist bei beiden Beispielen eine Erweiterung gegenüber den
marktgängigen Fächern wie Technik oder Wirtschaft festzustellen. Der Zugang zu virtuellen Arbeitsgruppen ist ebenso gegeben wie
die Begleitung durch den Teletutor.
The University of Phoenix Online
Die Institution ist gewinnorientiert und gehört zur börsennotiertenApollo Group. Phoenix Online will Berufstätigen den Zugang zu Bil-
dung erleichtern. Die Themenschwerpunkte liegen in den Bereichen
Wirtschaft, Technologie und Erziehungswissenschaften. Seit 1976
wurden über 500 000 Studierenden an der University of Phoenix aus-
gebildet. Seit 1989 bietet Phoenix Kurse online an, zunächst mit ge-
ringer Teilnehmerzahl. Die derzeit über 11 000 Online-Studierenden
lernen ausschließlich über textbasierte Einheiten, die über das Inter-
net übertragen werden. Lerngruppen von 3
–
4 Studierenden korrigie-
149
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
ren sich gegenseitig die wöchentlichen Hausarbeiten vor Abgabe an
die Lehrenden. Dadurch vertiefen die Studenten den Stoff und der
Korrekturaufwand des Lehrers verringert sich deutlich. Mehrheitlichsind die Studierenden der Auffassung, dass das Online-Lernen min-
destens so viel Zeit braucht wie Offline-Lernen. Einen großen Vorteil
sehen sie aber im Wegfall der täglichen Anfahrt zur Bildungseinrich-
tung und in der freien Zeiteinteilung. Projektwebsite: www.online.uophx.edu.
Western Governors University
Die WGU versteht sich als Portal zu einer virtuellen Universität.
Insgesamt werden rund 900 Kurse von über 45 Universitäten aus 19
westlichen Bundesstaaten der USA angeboten. Die Initiative wurde
1996 von den State Governors ins Leben gerufen, um auch Studie-
renden aus abgelegenen Regionen ein umfassendes Bildungsangebot
zu ermöglichen. Im Juni 1999 öffnete die WGU ihre virtuellen Tore.
Der konzeptionelle Schwerpunkt dieser Institution liegt darauf, die
Kompetenzen der Studierenden (v. a. aus dem Bereich Weiterbil-dung) zu bestimmen und sie bezüglich weiterer Bildungsmaßnahmen
individuell zu beraten. Die Angebote der teilnehmenden Universitä-
ten werden regelmäßig bewertet, um so ein hohes Qualitätsniveau zu
sichern. Von Anfang an betonte die WGU sehr deutlich ein eigenes,
innovatives Bildungskonzept, das sich stark an den notwendigen
Qualifikationen der von den jeweiligen Studierenden angestrebten
Arbeitsplätze orientiert. Diese Qualifikationsanforderungen werden
gemeinsam mit dem partizipierenden Industrieunternehmen erarbei-
tet, das auch die Hälfte der Startkosten in Höhe von 13 Mio. US$bereitstellte. Die Anlaufschwierigkeiten in Form einer langen Gründungsphase
und sehr niedrigen Studierendenzahlen verdeutlichen die Gefahr zu
starker Vorgaben seitens des Staates. Dabei zeigten die staatlichen
Universitäten, dass sie den Prozess durch mangelnde Kooperation
deutlich verzögern können. Noch heute muss z. B. ein Studierender
aus Wyoming für einen Kurs an der Texas University die hohe out-
of-state tuition zahlen. Auch hat WGU nicht alle notwendigen Kom-
150
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Hochschulentwicklung durch neue Medien
ponenten eines Business-Plans erarbeitet. Die geringen Studentenzah-
len werden wesentlich auf eine mangelnde Berücksichtigung des
Marketing-Aspektes zurückgeführt. Nach diesen Schwierigkeitenhofft die virtuelle Universität nun auf ihre Akkreditierung. Eine Ent-
scheidung darüber soll im Mai 2000 fallen. Die Teilnehmerzahl
steigt mittlerweile kontinuierlich und lag im Februar 2000 bei 190
Studierenden. Projektwebsite: www.wgu.edu.
Abbildung 4
Virtuelle Universität und Western Governors University
D-301-16 kk
Virtualisierung
Kundenorientierung
Globalisierung
lebenslangesLernen
UmfangMedieneinsatz
Community
Quelle: BCG-Analyse
Start ist in USA, bei Bestätigungdes Konzeptes globaleAusdehnung möglich
WGU-Studenten
bisher vorwiegend
Personen, die aufgrund
Lebenssituation auf face-to-faceUnterricht verzichten
müssen/wollen
Hauptkompetenz vonWGU ist individuelleBildungsberatung
bisher fast
ausschließlich
Internet-Text, um
vielen Studenten Zugangzu ermöglichen
Western Governor U.
Szenario 2005/
Virtuelle Universität
Beide Beispiele für die virtuelle Universität setzen vorwiegend text-
basierte Lernmaterialien ein. Damit kann einerseits ein großer Adres-
satenkreis – auch am privaten Lernplatz – erreicht werden. Ande-
rerseits bleiben die Produktionskosten niedrig. Die neuen Medien
werden in beiden Beispielen stark zur Effizienzsteigerung eingesetzt.
Somit handelt es sich eher um ein Lernangebot für eine große Anzahl
151
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Studierende, die aufgrund der individuellen Lebensumstände auf
einen campusbasierten Unterricht verzichten wollen oder müssen.
Diese Zielgruppe führt weniger zu einer Globalisierung, d. h. zu einerStreuung des Angebotes in die Breite, denn in die Tiefe für eine
bestimmte Region oder Nation. Trotzdem ist eine Globalisierung des
Angebotes möglich.
Alma Mater
Multimedialis
Ein Teil der klassischen Universitäten wird bis zum Jahr 2005 im
Wettbewerb des internationalen Bildungsmarktes ebenfalls ein On-
line-Angebot integrieren. Diese neue »alte« Universität bietet verbes-
serte Studienbedingungen und mehr persönliche Nähe zwischen
Studierenden und Wissenschaftlern. Diese Alma Mater Multimedialis
wird in einigen Fällen eine Position als Elite-Universität erreichen,
die hervorragend ausgebildete Absolventen hervorbringen wird.
Aufgrund der Besetzung der Lehrstühle durch hochkarätige Profes-
soren sowie durch das günstige Studierende-Professoren-Verhältnis
sind auch die Studiengebühren sehr hoch. Die Wharton Business School hat sich konsequent und in vielfälti-
ger Weise um eine Online-Komponente bereichert, um ihre Attrakti-
vität für die Studierenden weiter zu steigern. Die Studienbedingungen
profitieren in hohem Maße von den technologischen Dienstleistun-gen, und die hohe Qualität von Lehre und Dozenten verschafft den
Absolventen herausragende Berufsaussichten.
The Wharton School
Wharton gilt derzeit als eine der besten Business Schools weltweit
und hat zahlreiche IT-Projekte initiiert, um seine Führungsposition
zu festigen. Der Einsatz von IT und Multimedia erfolgt ganz bewusstals Ergänzung der traditionellen Präsenzlehre und zur Entlastung von
Routineaufgaben. Bei der Erstellung und Umsetzung der technologie-
gestützten Angebote wird so viel wie möglich extern vergeben bzw.
von externen Anbietern importiert. Zu den Effizienz steigernden
IT-Produkten zählen u. a. eine umfassende Forschungsdatenbank
(knowledge@wharton) sowie das anwenderfreundliche, preisgekrönte
Intranet SPIKE. Gerade diese Lösung stößt bei den Studierenden auf
große Zustimmung – sie nutzen SPIKE zur allgemeinen Information,
152
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Hochschulentwicklung durch neue Medien
als E-Mail-System und zur Beschaffung von Kursmaterialien. SPIKE
wird inzwischen an andere Universitäten vertrieben, ebenso wie das
internetgestützte Recherche-Instrument Wharton Research Data Serv-ices (WRDS), das bislang 30 mal an andere Universitäten verkauft
wurde. Die Kundenliste umfasst z. B. Stanford, Harvard und London
School of Economics. Daneben gibt es einzelne Pilotprojekte, z. B. seit
1998 »Wharton Direct« – ein Programm mit ca. 150 Studenten.
Diese können per webbasierter Videokonferenz live und interaktiv
an den »traditionellen« Kursen teilnehmen. Ziel von »Wharton Di-
rect« ist nicht die Steigerung der Lehreffizienz, sondern die Bereitstel-
lung eines multimedial angereicherten Lernerlebnisses für die Studie-
renden. Projektwebsite:www.wharton.upenn.eduundwww.direct.wharton.
upenn.edu.
Abbildung 5
A l m a M a t e r M u l t i m e d i a l i s u n d W h a r t o n
V i r t u a l i s i e r u n g
K u n d e n o r i e n t i e r u n g
G l o b a l i s i e r u n g
l e b e n s l a n g e s
L e r n e n
U m f a n g
M e d i e n e i n s a t z
C o m m u n i t y
Q u e l l e : B C G - A n a l y s e
P r o j e k t e i n W h a r t o n
( z . B . W h a r t o n D i r e c t ) s i n d
z . T . w e n i g a d a p t i e r b a r e
M o d u l e
W h a r t o n n u t z t I n t e r n e t
z u r A n r e i c h e r u n g t r a d i -
t i o n e l l e r V e r a n s t a l t u n g e n
;
b e i e i n z e l n e n P r o j e k t e n
u n d g e s a m t e r V e r w a l t u n g
W h a r t o n
S z e n a r i o 2 0 0 5 /
A l m a M a t e r M u l t i m e d i a l i s
153
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Die Kundenorientierung einer Hochschule wie Wharton liegt weniger
im Bereich der Modularisierung virtueller Studienangebote als in
der persönlichen Betreuung und Ausbildung der Studierenden. DaWharton über den Einsatz der Technologien on-campus hinaus bei-
spielsweise mit Wharton Direct auch Distance Learning anbietet, ist
der Grad der Virtualisierung hier höher anzusetzen. Dies zeigt, dass
es zwischen den fünf umrissenen Prototypen von Bildungsanbietern
keine trennscharfen Abgrenzungen, sondern vielfach auch Über-
schneidungen geben wird.
Trends und Übertragbarkeit
Im Folgenden werden Entwicklungen aufgezeigt, die im Ergebnis der
Recherche in den USA als besonders wichtig für den Einsatz von
Multimedia im Hochschulbereich erscheinen. Des Weiteren wird ihre
Übertragbarkeit auf Deutschland diskutiert.
Wachsender Markt
für Aus- und
Weiterbildung
Aus- und Weiterbildung werden künftig für jeden Einzelnen
wesentlich an Bedeutung gewinnen. Verkürzte Innovationszyklen
erfordern lebenslanges Lernen. Die Halbwertzeit des Wissens sinktdramatisch und erhöht die Bedeutung einer kontinuierlichen Weiter-
bildung. Dadurch ändert sich auch die traditionelle Kette der Ausbil-
dung: Zukünftig muss die universitäre Ausbildung durch eine vielfa-
che Weiterbildung – bedingt durch einen häufigeren Berufswechsel –
ergänzt werden. Dementsprechend ist sowohl in den USA als auch in
Deutschland die Bildungsbereitschaft – gemessen am Anteil der Be-
völkerung, der an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen teilnimmt
– signifikant gestiegen (Abbildung 6).
154
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Hochschulentwicklung durch neue Medien
Abbildung 6
( 1 ) A l t e r s g r u p p e 1 9 - 6 5
Q u e l l e : U S N a t i o n a l C e n t e r f o r E d u c a t i o n S t a t i s t i c s ;
U S B u r e a u o f C e n s u s ; B M B F ; B C G - A n a l y s e
U S A D e u t s c h l a n d
A n t e i l W e i t e r -
b i l d u n g s t e i l -
n e h m e r
( 1 )
( % )
A n t e i l W e i t e r -
b i l d u n g s t e i l -
n e h m e r
( 1 )
( % )
4 4 7 0
A n z a h l
( M i o . )
2 1
3 0
0
5
1 0
1 5
2 0
2 5
3 0
3 5
4 0
4 5
5 0
1 9 9 1 1 9 9 7
1 9 2 6
A n z a h l
( M i o . )
W e i t e r b i l d u n g s b e r e i t s c h a f t a n g e s t i e g e n
2 8
4 1
0
5
1 0
1 5
2 0
2 5
3 0
3 5
4 0
4 5
5 0
1 9 9 1 1 9 9 7
Im Zusammenhang mit dieser stark wachsenden Nachfrage der Be-
rufstätigen nach Weiterbildung steigt ihre Bereitschaft, für Weiterbil-
dungsmaßnahmen Geld auszugeben. Sie haben erkannt, dass Ausga-
ben für Bildung eine Investition in die eigene Zukunft sind.
Ein attraktiver
weltweiterBildungsmarkt
entsteht.
Die erhöhte Notwendigkeit einer fundierten Aus- und einer konti-
nuierlichen Weiterbildung, die gleichzeitige Entwicklung einer hohenBildungs- und Zahlungsbereitschaft und die dramatisch vergrößerte
Zahl der kommerziellen Bildungsanbieter haben einen Wettbewerb
um die zahlenden Lernenden entstehen lassen. Dieser Wettbewerb spielt sich bereits teilweise auf einem globa-
len Bildungsmarkt ab. Multinationale Unternehmen und mobile
Arbeitnehmer sorgen dafür, dass Wissen noch weniger geografisch
beschränkt bleibt als dies bisher der Fall war. Auch der gestiegene in-
ternationale Studierendenaustausch sorgt für eine Diffusion des
155
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Wissens und ist zugleich Beweis für die Globalisierung der Bildungs-
landschaft. Diese Entwicklung wird durch das Internet noch ver-
stärkt: Bildungsangebote können weltweit angeboten und nachge-fragt werden.
Konkurrenz-
fähigkeit deutscher
Hochschulen
Fraglich ist die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Hochschulen
in diesem Wettbewerb. Nimmt man den Anteil ausländischer Studie-
render als Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Bil-
dungssystems bzw. der deutschen Bildungseinrichtungen, dann muss
man zu einer ernüchternden Einschätzung gelangen: Vor 20 Jahren
studierten beispielsweise noch knapp 50 Prozent aller indonesischen
Auslandsstudierenden in Deutschland. Heute sind es nur noch etwa
10 Prozent. Mehr als die Hälfte der indonesischen Studierenden
gehen heute zum Studium in die USA. Dass diese Zahlen keinen Ein-
zelfall darstellen, sondern deutlich zeigen, dass die Attraktivität der
deutschen Universitäten gesunken ist, sieht man auch an folgendem
Umfrageergebnis: nur 42 Prozent der in Deutschland studierenden
Ausländer würden sich bei freier Studienlandwahl wieder für ein
Studium in Deutschland entscheiden. 30 Prozent wären beispielswei-
se lieber in den USA. Als Gründe für die mangelnde Attraktivität des
Studiums in Deutschland nennen ausländische Studierende vor allemdie fehlende Möglichkeit internationaler Abschlussgrade, mangelnde
Anerkennung von Studienleistungen sowie die geringe Zahl an Auf-
baustudiengängen. Diese Punkte werden mancherorts bereits durch
Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen aufgegriffen. Wer sich im globalen Bildungswettbewerb behaupten möchte, muss
Wettbewerb zulassen und ihn gezielt fördern. Das gilt umso mehr,
als zunehmend kommerzielle Anbieter in diesen internationalen
Markt drängen (Abbildung 7). Diese bedienen heute noch vorwie-
gend den Weiterbildungsmarkt und hier vornehmlich die technischenund wirtschaftlichen Disziplinen. Eine Ausdehnung in den Ausbil-
dungsbereich ist jedoch bereits erkennbar, wie etwa bei UNext.com.
Dort will man einen universitätsequivalenten MBA anbieten. Ebenso
werden weitere Fächer wie z. B. Sinologie oder Psychologie multime-
dial aufbereitet ins Internet gestellt.
156
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Hochschulentwicklung durch neue Medien
Abbildung 7
Inhalts-
generierung
Beratung bei
Kurswahl
Vermittlung von
Inhalten
nicht profit-orientiert
profit-
orientiert
Inhalts
"packaging"
traditionelle Universität
Singapore-MIT-Alliance
UNext.com Cardean University
Pensare
Deutsche Telekom• Global Learning
MCI
• Caliber LearningNetworkTV-Netzwerke
Ziff-Davis• Smart Planet
Prentice Custom
PublishingVerlage
Hungry Minds.com
Web CTKnowledge Universe
IBM
Siemens
MicrosoftBlackboard
Jones International University
Western Governors University
Viele profitorientierte Unternehmen besetzen klassischeUniversitätsaufgaben
Beispiele:
Finish Virtual University
Ökonomie und
Qualität
Aufgabe der deutschen Hochschule ist eine qualitativ hochwertige
Ausbildung für eine große Studentenzahl. Dafür ist eine ökonomische
Orientierung wichtig, denn nur wer im Rahmen angemessener Bud-
gets wirtschaftet (das bedeutet nicht Gewinn-Erzielung), kann auch
andere bildungspolitische Aufgaben wahrnehmen, wie z. B. die Bereit-
stellung eines breiten Fachangebotes für viele Studierende oder die För-derung nicht direkt kommerzialisierbarer Forschung. Die Betonung
von Wettbewerbsprinzipien, innerhalb und zwischen den Universitä-
ten, ist also kein Selbstzweck – vielmehr ist sie sine qua non, um
überhaupt ein qualitativ hochwertiges Bildungsniveau aufrecht erhal-
ten zu können. Wer wirtschaftlich erfolgreich ist, kann auch einfa-
cher gesellschaftlich bedeutsamen Bildungsaufträgen gerecht werden. Will man auf diesem Bildungsmarkt erfolgreich sein, gilt es, die
neuen Informations- und Kommunikationstechnologien zu nutzen,
157
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Verbindung von
Reichweite
und Intensität
um Angebote von höherer Reichweite und besserer Qualität anbieten
zu können. Wie Abbildung 8 zeigt, kann mit dem Einsatz von Mul-
timedia der traditionelle trade-off zwischen Reichweite und Intensi-tät von Lehrveranstaltungen gebrochen werden. Dabei kann der
Multimedia-Einsatz zwischen Ergänzung von Präsenzlehre bis zu
komplett virtuellen Angeboten reichen, wie die Best-Practice-Beispie-
le eindrucksvoll demonstrieren.
Abbildung 8
• Universitäts-Seminar
• face-to-face-Diskussion
• multimedial unterstützte
Präsenzlehre
Informations-reichweite
(»reach«)
Interaktions-
intensität(»richness«)
multimediales,
interaktives
(Distance) Learning• Fernlehre
• computergestützte
Bibliotheks- und
Datenrecherchen
Internet ermöglicht reichere und intensivere Vermittlung vonBildungsangeboten
Community Aspectweiterhin wichtig
Die neuen Bildungsangebote in Form interaktiver multimedialerProgramme ermöglichen gleichzeitig hohe Reichweite und hohe In-
tensität der Lernprozesse. Eine eingehende Auseinandersetzung mit
den Best-Practice-Beispielen offenbart ferner, dass Studierende im
Alter von 18 – 24 Jahren kein reines Online-Learning wünschen. Bei
dieser Gruppe sind soziale Aspekte besonders ausgeprägt, d. h. Stu-
dierende gehen u. a. deshalb zur Universität, um Gleichaltrige ken-
nen zu lernen, Partner zu finden oder ein Netzwerk aufzubauen.
Neben der sozialen spielt auch die bildungsspezifische Orientierung
158
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Hochschulentwicklung durch neue Medien
für diese Altersklasse eine große Rolle. So beenden momentan 25
Prozent der deutschen Studierenden ihr Erststudium nicht. Als Grund
geben viele Orientierungslosigkeit und mangelnde Beratung an. Anders sieht es bei älteren Zielgruppen aus. Dort ist die örtliche
Flexibilität längst nicht so häufig gegeben und das Zeitbudget wesent-
lich stärker beschränkt. Auch das Bedürfnis nach sozialer und aka-
demischer Orientierung ist nicht so deutlich ausgeprägt. Aufgrund
dieser Umstände und der vorhandenen, hohen intrinsischen Motiva-
tion eignen sich daher reine Telelearning-Bildungsangebote für dieses
Segment wesentlich eher. Die Best-Practice-Beispiele lösen das Spannungsfeld vielfach da-
durch, dass sie meistens zum Beginn der Kurse Präsenztreffen der
späteren virtuellen Lerngemeinschaften organisieren.
Individualisierung
der Lernpläne
Die Informationstechnologien können helfen, die beschriebenen
Ansprüche zu befriedigen. Sie erlauben ferner beispielsweise eine in-
dividuelle Lehrplanzusammenstellung, etwa durch Modularisierung
der Inhalte, und eine multimediale Anreicherung der Präsenzlehre.
Die so erzielte Individualisierung kommt den Anforderungen der Ler-
nenden stark entgegen. Bildung wird dadurch immer mehr zu einem
»Supermarkt«, der ein breites Angebot bereitstellt, aus dem der Stu-dierende auswählen und die Inhalte individuell anpassen kann. Bei der Beobachtung dieser Entwicklung stellt sich allerdings die
Frage, inwiefern eine solche Art der Bildung den bildungspolitischen
Zielen einer Gesellschaft gerecht wird. Im Rahmen der Recherche
konnte eine starke Tendenz festgestellt werden, Bildungsangebote so
zu gestalten, dass sie die Bildungsbedürfnisse von Lernenden befrie-
digen. Inwiefern dieser Trend als gesamtgesellschaftlich Gewinn
bringend gesehen werden darf, ist eine bildungspolitische Entschei-
dung und sei an dieser Stelle zur Debatte gestellt.
Anforderungen an die Lehrenden
Die deutsche Hochschulausbildung der Zukunft kann sich nur dann
am global entstehenden Markt und an den Bedürfnissen der Studen-
ten orientieren, wenn dieser Prozess von den Professoren nicht nur
geduldet, sondern maßgeblich getragen wird.
159
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Abbildung 9 zeigt, in welchen Lernphasen Multimedia künftig
eine wesentliche Rolle in der Hochschulausbildung einnehmen wird
und wie sich dadurch das Anforderungsprofil an den Lehrendenändert. Durch Entlastung von konfektionierbaren Wissensvermitt-
lungsprozessen – die multimedial teilweise sogar besser aufbereitet
werden können – kann der Professor sich trotz heutiger Massenuni-
versität wieder stärker in Hauptstudiums- und Promotionsthemen
einbringen.
Abbildung 9
Expertise
(Wissens-erzeugung)
Wissen(InterpretierteangewandteInformation)
Information(Zusammenhänge
von Daten)
Daten (Bibliothek …)
Fokus der Ausbildung bei...
Dissertation
Hauptstudium
Grundstudium
laufend
Ergänzung
Präsenzlehre
24 h / 7 Tage
Verfügbarkeit;
tw. asynchron
starker
Einsatz
niedriger
Einsatz
24 h / 7 Tage
Verfügbarkeit;
tw. asynchron
Anforderungan Lehrenden
Expertise
Praxis-
orientierung;
Moderation
Moderation
Synthese;
Moderation
Aufbereitung;
Darstellung,
Recherche
Navigations-
unterstützung
Dozenten können Multimedia zur Effizienzsteigerung und zurAnreicherung von Präsenzlehre einsetzen
berufliche
Weiterbildung
zukünftiger EinsatzMultimedia
heutiger EinsatzMultimedia
Von der Veränderungsbereitschaft der Dozenten wird es ganz erheb-
lich abhängen, ob die traditionelle Universität den Wechsel hin zu
einer modernen Bildungseinrichtung vollziehen kann.
160
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Hochschulentwicklung durch neue Medien
Umschichtung der Ressourcen
Bei Anerkennung der Möglichkeiten von Multimedia stellt sich stetsauch die Frage nach der Finanzierbarkeit solcher Projekte. Um Er-
kenntnisse über eventuelle Finanzierungsstrukturen zu gewinnen,
wurden Universitäten in den USA näher untersucht. Betrachtet man die 50 am besten mit IT ausgerüsteten Colleges in
den USA, findet man unter ihnen nicht nur private Einrichtungen.
Wie Abbildung 10 zeigt, findet man eine große Anzahl öffentlicher
Universitäten – insgesamt 17 –, ebenfalls hervorragend mit den neuen
Technologien im Sinne von Hardware-Ausstattung, Serviceleistungen
und Online-Angeboten versorgt.
Abbildung 10
R a n k i n g - P o s i t i o n
È M o s t W i r e d
C o l l e g e s 1 9 9 9 Ç
Q u e l l e : W i r e d C o l l e g e s 1 9 9 9 ; B C G A n a l y s e
1
5
1 0
1 5
2 0
2 5
3 0
3 5
4 0
4 5
5 0
p r i v a t e
C o l l e g e s
f f e n t l i c h e
C o l l e g e s
T o p I T - A u s s t a t t u n g i n U S A a u c h b e i f f e n t l i c h e n C o l l e g e s
C o l l e g e
161
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Wie die Analyse von IT-Ausstattung und erzielten akademischen
Leistungen in Abbildung 11 zeigt, besteht kein offensichtlicher Zu-
sammenhang mit der privaten oder staatlichen Finanzierungsform.Unter den 29 Einrichtungen, die sowohl zu den computertechnischen
als auch zu den akademischen Spitzenreitern gehören, finden sich elf
öffentliche Colleges wieder. Offensichtlich scheint es in den USA
auch den öffentlichen Stellen zu gelingen, ihre Einrichtungen hervor-
ragend mit IT zu versorgen.
Abbildung 11
f f e n t l i c h e U S - C o l l e g e s e r r e i c h e n T o p - R a n k i n g
b e i I T u n d b e i a k a d e m i s c h e n V e r g l e i c h e n
( 1 ) T o p 5 0 È M o s t W i r e d C o l l e g e s 1 9 9 9 Ç
( 2 ) T o p 5 0 M o s t W i r e d u n d T o p 1 0 0 U S N e w s a n d W o r l d R e p o r t 1 9 9 9
Q u e l l e : W i r e d C o l l e g e s 1 9 9 9 ; U S N e w s a n d W o r l d ; B C G A n a l y s e
0
5
1 0
1 5
2 0
2 5
3 0
3 5
4 0
4 5
5 0
I T - E x z e l l e n z I T u n d
a k a d e m i s c h e
E x z e l l e n z
F i n a n z i e -
r u n g s f o r m
2 9
1 1
1 8
A n z a h l
C o l l e g e s
5 0
p r i v a t e
C o l l e g e s
f f e n t l i c h e
C o l l e g e s
162
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Hochschulentwicklung durch neue Medien
Die Finanzierung der notwendigen Investitionen darf aber nicht nur
Angelegenheit des Staates sein. Die Beispiele verdeutlichen, dass
öffentliche Institutionen neben effizienzorientiertem Managementauch Unterstützung von Sponsoren, Unternehmen und Alumni erhal-
ten.
Zusammenfassung
Unter dem Einfluss sich beschleunigender Innovationszyklen und der
gleichzeitigen Globalisierung und Virtualisierung vonWissen entsteht
ein weltweiter Bildungsmarkt. Dieser Markt ist wegen des hohen
Bildungsbedarfs zahlreicher zahlungsbereiter Kunden außerordent-
lich attraktiv. Viele Unternehmen nutzen diesen Markt und bieten kommerzielle
Bildungsprodukte an, die das Potenzial haben, die Bildungsbedürfnis-
se von Lernenden effizient und ansprechend zu erfüllen. Um in die-
sem Umfeld bestehen zu können, müssen deutsche Hochschulen
Wettbewerbsaspekte stärker in ihre strategischen Planungen integrie-
ren. Die Hochschullehrer müssen Anforderungen des neuen Markteserkennen und unter Einsatz geeigneter technischer Mittel studienzen-
trierte Lernprozesse gestalten und entsprechende Produkte entwi-
ckeln. Um die dafür erforderlichen beträchtlichen Mittel aufzubringen,
bedarf es einer grundlegenden Umschichtung der Ressourcen und der
Ausschöpfung sowohl öffentlicher als auch privater Förderungsmög-
lichkeiten.
Bekenntnis zur
Transformationnotwendig
Alle Beteiligten müssen jetzt die Weichen stellen. Mit den hier
beschriebenen Tendenzen werden Ansatzpunkte zur Veränderungaufgezeigt. Allerdings müssen diese Maßnahmen durch das klare und
unmissverständliche Bekenntnis aller Beteiligten zur Transformation
getragen werden. Andernfalls wird sich der gewünschte Effekt nicht
einstellen. Reformvorhaben werden dann weiterhin nur isoliert ver-
wirklicht und führen lediglich zu ineffizienten Einzellösungen. Wenn
das deutsche Hochschulwesen international wettbewerbsfähig blei-
ben soll, müssen alle Akteure bereit sein, sinnvolle tradierte (Bil-
dungs-) Ideale und neue Denkweisen zu kombinieren. Diese neuen
163
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Denkweisen sollten sich sowohl am Wirtschaftlichkeitsprinzip als
auch an der neuen Form des interaktiven, nutzergesteuerten Lernens
orientieren. Multimedia kann und muss dabei als Katalysator fürdiesen Reformprozess genutzt werden. Dieser Recherche-Bericht sowie Links zu den Best-Practice-Beispie-
len finden Sie auch im Internet unter www.big-internet.de/hochschule.
htm unter der Rubrik »Expertenkreis«.
164
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Die Mitglieder des Expertenkreises
Prof. Dr. Nicolas Apostolopoulos ist Gründer und Leiter des Center
für Digitale Systeme (CeDiS) an der Freien Universität Berlin und in
dieser Funktion für die informations- und kommunikationstechnolo-
gische Versorgung des Fachbereiches Wirtschaftswissenschaft und
der Universitätsverwaltung verantwortlich. Nach seinem Wirtschaftswissenschafts- und Informatikstudium
hat er sich mit besonderem Interesse der Informatisierung der Hoch-
schulen und deren Auswirkung für Lehre und Management beschäf-tigt. Seit 1995 ist Nicolas Apostolopoulos Sprecher des Arbeitskrei-
ses »Verteiltes Lehren und Lernen« des DFN-Vereins. Prof. Apostolopoulos leitet seit 1994 einen eigenen Forschungsbe-
reich zu multimedialen Lernsystemen und distance learning, der unter
dem Namen DIALEKT (Digitale Interaktive Lektionen) bekannt
geworden ist und sich vorrangig mit der Entwicklung innovativer,
multimedialer, netzbasierter Lernsoftware beschäftigt. DIALEKT-
Lektionen wurden 1997, 1998 und 2000 mit dem Deutschen Bil-
dungssoftware-Preis »digita« ausgezeichnet.
Ulrike Bentlage ist Projektleiterin im Bereich Medien in der Bertels-
mann Stiftung. In ihren Verantwortungsbereich fallen Projekte im
Bereich »Medien in der Hochschule«. Ulrike Bentlage absolvierte,
bevor sie 1998 zur Bertelsmann Stiftung kam, ihr Studium der Ma-
thematik, Germanistik und Romanistik in Münster und Nantes und
das Zweite Staatsexamen für das Lehramt der Sekundarstufe II.
165
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Prof. Dr. Dieter Rolf Eichhorn M.A. war von 1983 bis zu seiner Eme-
ritierung 1996 Professor im Fachbereich Medientechnik an der Fach-
hochschule Stuttgart, Hochschule für Druck und Medien, wo er haupt-sächlich Mediendidaktik sowie AV- und Multimedia-Design lehrte. Nach Ausbildung und zehnjähriger Arbeit im gehobenen öffentli-
chen Dienst war Dieter Rolf Eichhorn von 1967 bis 1976 Geschäfts-
führer einer sozialen Einrichtung der Evangelischen Kirche. Parallel
dazu, von 1973 bis 1977, absolvierte er ein Studium am Institut für
Pädagogik an der Technischen Hochschule Darmstadt. Anschließend
wirkte er fünf Jahre als Medienpädagoge der Evangelischen Kirche.
Zwischen 1981 und 1983 folgten verschiedene Tätigkeiten als Me-
dienschaffender, unter anderem als Kameramann und Drehbuch-
autor, bis er sich endgültig seiner universitären Karriere zuwandte.
1997 wurde dem Emeritus von der Universität zu Halle-Wittenberg
der Titel Doktor der Philosophie magna cum laude verliehen. In den 80er und 90er Jahren war Prof. Eichhorn an Gründung
und Aufbau verschiedener Einrichtungen im Bereich Medien beteiligt.
Dazu gehörte unter anderem ein Multimedia-Bildungszentrum, dessen
pädagogische Leitung er ebenfalls übernahm. Seit Januar 2000 befasst
er sich im Auftrag der Stadt Bad Mergentheim mit der Konzeptionund Realisation einer Akademie für Kommunikation und Medien.
Prof. Dr.-Ing. José L. Encarnaçao ist Professor für Informatik an der
Technischen Hochschule Darmstadt und dort seit 1975 Leiter des
Fachgebietes Graphisch-Interaktive Systeme (THD-GRIS). Als Vor-
standsvorsitzender leitet er das Zentrum für grafische Datenverar-
beitung e.V. (ZGDV) in Darmstadt und seit 1987 das Fraunhofer
Institut für Grafische Datenverarbeitung (FhG-IGD).
José L. Encarnaçao hat Elektrotechnik an der TU Berlin studiertund ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur grafischen Daten-
verarbeitung und zum Computer-Aided Design (CAD), die interna-
tional große Beachtung gefunden haben. Er berät verschiedene Re-
gierungen und große Industrieunternehmen in Sachen Informatik,
Informationstechnik und insbesondere grafische Datenverarbei-
tung. Zudem bekleidet er leitende Positionen in Aufsichtsgremien
sowie Direktionen von Industrie- und Forschungsinstitutionen im In-
und Ausland.
166
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Die Mitglieder des Expertenkreises
Prof. Encarnaçao war seit 1991 Vorsitzender des Hessischen For-
schungs- und Technologiebeirates und ist seit 1994 Mitglied des Wis-
senschaftlichen Beirates der Technologiestiftung des Landes Hessen.1997 erhielt er die Konrad-Zuse-Medaille der Gesellschaft für Infor-
matik e. V. und wurde im März 1999 durch das Bundesministerium
für Bildung und Forschung in den Sachverständigenbeirat »EXIST –
Existenzgründer aus Hochschulen« berufen.
Prof. Dr. Peter Glotz betreut seit Anfang dieses Jahres als ständiger
Gastprofessor an der Universität St. Gallen den Lehrstuhl »Medien
und Gesellschaft« innerhalb des 1998 neu gegründeten Instituts für
Medien- und Kommunikationsmanagement (MCM-HSG). Peter Glotz studierte Zeitungswissenschaften, Philosophie, Ger-
manistik und Soziologie in München. Von 1970 bis 1972 führte er
die Geschäfte der Arbeitsgemeinschaft für Kommunikationsfor-
schung in München. Bis 1996 war er Mitglied des Deutschen Bun-
destages, 1974 bis 1977 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bun-
desminister für Bildung und Wissenschaft. 1977 bis 1981 Senator für
Wissenschaft und Forschung in Berlin. Von 1981 bis 1987 war Glotz
Bundesgeschäftsführer der SPD, als deren bildungs- und forschungs-politischer Sprecher er ab 1995 amtierte. 1996 schied Peter Glotz aus
allen politischen Ämtern aus und nahm die Berufung zum Rektor
und Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität
Erfurt an. Prof. Glotz war während seiner Laufbahn in maßgeblichen Funk-
tionen in der Medienbranche tätig, unter anderem als Mitglied der
Rundfunkräte des Bayerischen Rundfunks, des Deutschlandfunks
und des ZDF und als Vorsitzender der Medienkommission der SPD.
Prof. Dr. Ulrich Glowalla beschäftigt sich als Professor für Pädago-
gische Psychologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen mit Kogni-
tions-, Instruktions- und Medienpsychologie. Er hat den Lehrstuhl
seit 1995 inne. Im Mittelpunkt seiner Lehre stehen Themen wie
Wahrnehmen, Verstehen und Behalten, Lernen und Informieren mit
neuen Medien sowie zentrale Fragen des lebenslangen Lernens und
der empirisch fundierten Evaluationsforschung.
167
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Ulrich Glowallas Forschungsarbeit – im Rahmen von DFG-,
BMBF- und Stiftungsprojekten sowie Unternehmenskooperationen –
betrifft die ergonomische Gestaltung elektronischer Publikationen,die Entwicklung und Evaluation internetbasierter Lehrangebote, den
Umbau traditioneller Bildungsabteilungen zu Corporate Training
Units sowie das internetbasierte Wissensmanagement in Unterneh-
men.
Prof. Dr. Heinz Lothar Grob ist seit 1990 Inhaber des Lehrstuhls für
Wirtschaftsinformatik und Controlling am Institut für Wirtschaftsin-
formatik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Mit-
gestalter des neu eingerichteten Studiengangs Wirtschaftsinformatik.
Er ist Direktor der Institute für Wirtschaftsinformatik und Ange-
wandte Informatik sowie des Instituts für Genossenschaftswesen.
Seit Herbst 1998 ist Prof. Grob Mitglied des Rektorates der Universi-
tät Münster und hat das Amt des Prorektors für Struktur, Planung
und Bauangelegenheiten der Universität Münster inne. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Entwicklung
computergestützter Controllingsysteme sowie das computergestützte
Lehren und Lernen. Mit dem Konzept der computergestützten Hoch-schullehre (cHL) verfolgt er das Ziel, Multimedia in die universitäre
Lehre zu integrieren. Neben einer Vielzahl »klassischer« Veröffentli-
chungen in Form von Büchern, Aufsätzen und Beiträgen in Sammel-
bänden hat er auch eine Reihe von Softwareprodukten publiziert.
Dr. Ingrid Hamm ist Leiterin des Bereiches Medien der Bertelsmann
Stiftung. In ihre Verantwortung fallen die gesellschaftspolitischen Ini-
tiativen der Stiftung im Medienbereich. Sie leitet internationale Pro-
jekte zum Einsatz neuer Medien in der Bildung. Weitere Arbeits-schwerpunkte sind Medienpolitik, Medienethik und Fortbildung im
Medienbereich. Ingrid Hamm hat als Sozialwissenschaftlerin in der
Medienforschung gearbeitet, bevor sie 1988 zur Bertelsmann Stiftung
kam. Sie war als freie Journalistin für Tageszeitungen und das Fern-
sehen tätig. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Fernsehdramaturgie
und zur Medienerziehung.
168
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Die Mitglieder des Expertenkreises
Prof. Dr. Dr. Friedrich W. Hesse hat einen Lehrstuhl für Kognitions-
psychologie an der Universität Tübingen inne und leitet eine außer-
universitäre Forschungsabteilung im Bereich Wissensmedien in Tü-bingen. Er arbeitet in der kognitionswissenschaftlich orientierten
Forschung über Grundlagen des Wissenserwerbs und der Wissens-
kommunikation im Internet und realisiert mit seiner Arbeitsgruppe
praktische Umsetzungen von Konzepten virtuellen Lehrens und Ler-
nens. Friedrich Hesse hat Psychologie an den Universitäten Marburg
und Düsseldorf studiert und an der RWTH Aachen promoviert. Da-
nach war er als Forscher an der University of Pittsburgh, der Carne-
gie-Mellon University (Pittsburgh) und der Universität Göttingen
tätig, wo er sich 1990 habilitierte. Im selben Jahr wechselte er an die
Universität Tübingen. Er ist Sprecher einer Reihe von Forschungs- und Entwicklungsini-
tiativen zum Einsatz von Wissensmedien, etwa des ersten deutschen
Virtuellen Graduiertenkollegs der DFG, eines DFG-Schwerpunktpro-
gramms zur »Netzbasierten Wissenskommunikation« und eines der
»Verbundprojekte der Virtuellen Hochschulen in Baden-Württem-
berg«.
Prof. Dr. Bernhard Koring ist Professor für allgemeine Erziehungs-
wissenschaft an der TU Chemnitz. Er engagiert sich in Projekten der
Lehrerweiterbildung mit den Schwerpunkten Politische Bildung, so-
ziales Lernen und Projektarbeit. Bernhard Koring hat in Frankfurt Erziehungswissenschaften und
Politik studiert und war neben seiner wissenschaftlichen Arbeit in
verschiedenen Institutionen und Projekten der Erwachsenenbildung
tätig. Nach der Habilitation in Hamburg wurde er 1989 Professorfür Allgemeine Pädagogik in Bayreuth. In Chemnitz gilt sein beson-
deres Interesse der Erarbeitung von rationellen Verfahren und For-
men der Präsentation von Seminaren im Internet.
169
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Dr. Wolfgang Kraemer ist Habilitand am Institut für Wirtschafts-
informatik an der Universität des Saarlandes und hier Projektleiter
des interuniversitären, virtuellen Studienverbundes Wirtschaftsinfor-matik-Online (WINFOLine). Zu seinen Forschungsschwerpunkten
gehören die Themen Education Brokerage, Virtuelle Universität, Cor-
porate Universities und Hochschulentwicklung durch neue Medien. Nach dem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens in Karlsruhe
promovierte Wolfgang Kraemer 1992 an der Universität des Saar-
landes. 1993 wurde ihm von der SEL-Stiftung der Dissertationsfor-
schungspreis für technische und wirtschaftliche Kommunikationsfor-
schung verliehen. Seit 1997 ist er Geschäftsführer der imc GmbH, die
als spinoff des Instituts für Wirtschaftsinformatik gegründet wurde
und primär auf den Gebieten Virtuelle Corporate Universities, E-
Learning, Web-based Training und Knowledge-Management tätig ist.
Dr. Kraemer ist außerdem Mitglied des Schmalenbach Arbeitskreises
»Online-Aus- und -Weiterbildung« und Leiter der Arbeitsgruppe
»Corporate Universities«.
Prof. Dr. Herbert Kubicek ist seit 1988 Professor für Angewandte
Informatik im Fachbereich Mathematik und Informatik der Universi-tät Bremen. Schwerpunkte seiner Forschung und Lehre sind Informa-
tionsmanagement und Telekommunikation. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre und während sei-
ner anschließenden Assistententätigkeit promovierte Herbert Kubicek
über die organisatorische Gestaltung des Benutzerbereiches von com-
putergestützten Informationssystemen. Von 1977 bis 1987 war er
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Trier. Mit
dem Antritt seiner Professur in Bremen 1988 übernahm er auch die
Leitung der interdisziplinären Forschungsgruppe Telekommunikation. Prof. Kubicek gehörte der Enquete-Kommission des Deutschen
Bundestages »Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft –
Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft« an. Er leitet auf
nationaler und internationaler Ebene verschiedene Arbeitsgruppen,
die sich mit den politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der
fortschreitenden Informationstechnologie befassen. In zahlreichen
Veröffentlichungen setzte er sich unter anderem mit dem Thema
»Bildung und Multimedia« auseinander.
170
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Die Mitglieder des Expertenkreises
Prof. Dr. Wolfgang Leidhold ist seit 1992 Professor für Politikwis-
senschaft an der Universität zu Köln. Er repräsentiert die Universität
seit 1997 im »Universitätsverbund Multimedia« des Landes. SeineArbeitsgebiete sind Politische Theorie, Kommunikation und Interna-
tionale Beziehungen. Wolfgang Leidhold studierte Politische Wissenschaft, Politik
Ostasiens, Methodologie der Sozialwissenschaften, Philosophie und
Sinologie in Bochum und vertiefte seine Kenntnisse durch Auslands-
aufenthalte und Forschungen unter anderem an den Universitäten
Stanford, Georgetown, Hawaii (Manoa) und der Australian National
University. Seit 1997 leitet Prof. Leidhold das von ihm initiierte VIRTUS-Pro-
jekt, ein Projekt für den Einsatz neuer Medien in der Hochschullehre
an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni-
versität zu Köln. Er hat sich insbesondere in seinen jüngeren Publika-
tionen mit webbasiertem Lernen, Informieren und Arbeiten beschäf-
tigt.
Prof. Dr. Heinz Mandl ist Professor für Empirische Pädagogik und
pädagogische Psychologie an der Universität München. Er leitet dieForschungsgruppe »Komplexes Lernen« und amtiert seit 1995 als
Dekan der Fakultät für Psychologie und Pädagogik. Die Arbeitsschwerpunkte von Heinz Mandl liegen auf den Gebie-
ten Wissensmanagement, Wissenspsychologie, Lehr-Lernforschung,
Tele-Lernen und Teletutoring sowie der Gestaltung multimedialer
Lernumgebungen. Außerdem wirkt er in Kooperationsprojekten mit
bedeutenden Industrieunternehmen wie Siemens, BMW, Telekom. Prof. Mandl hat die DFG-Schwerpunktprogramme »Wissens-
psychologie«, »Lehr-Lernprozesse in der kaufmännischen Erstaus-bildung« und »Netzbasierte Kommunikation in Gruppen« initiiert
sowie die DFG-Forschergruppe »Wissen und Handeln« an der Uni-
versität München ins Leben gerufen.
171
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Prof. Dr. Detlef Müller-Böling ist seit 1981 Professor an der Wirt-
schafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Dort-
mund und betreut das Fachgebiet Empirische Wirtschafts- undSozialforschung. Seine Forschungsschwerpunkte sind Unternehmens-
gründung und Unternehmensentwicklung, Informationsmanagement
sowie Hochschulmanagement. Von 1990 bis 1994 war er Rektor der
Universität. Er studierte Betriebswirtschaftslehre in Aachen und Köln und
promovierte an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakul-
tät der Universität zu Köln. Hier war er bis zu seiner Berufung an die
Universität Dortmund als Assistent am Seminar für Allgemeine Be-
triebswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftliche Planung tätig. Seit
1985 ist er Direktor des Betriebswirtschaftlichen Instituts für empiri-
sche Gründungs- und Organisationsforschung e. V. (bifego). Neben anderen Auszeichnungen erhielt Prof. Müller-Böling den
SEL-Forschungspreis für technische Kommunikation. Seit 1994 leitet
er das gemeinnützige CHE Centrum für Hochschulentwicklung in
Gütersloh.
Prof. Dr. med. Gebhard Reiss ist seit 1998 Lehrstuhlinhaber undLeiter des Instituts für Anatomie und klinische Morphologie an der
Universität Witten/Herdecke. Sein Hauptforschungsgebiet ist die
Elektronenmikroskopie. Im Anschluss an eine zunächst klinische Ausbildung in der Hals-
Nasen-Ohrenheilkunde habilitierte sich Gebhard Reiss für das Fach
Anatomie an der Medizinischen Hochschule Hannover, die ihn 1996
zum Professor berief. Nach einem Forschungsjahr in den USA trat er
seine Stelle in Witten/Herdecke an. Neben seiner Lehrtätigkeit be-
fasst sich Prof. Reiss mit multimedialen CD-ROM-Projekten zurGrundlagenmedizin.
172
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Die Mitglieder des Expertenkreises
Prof. Dr. Ing. Andreas Reuter ist seit 1998 wissenschaftlicher Direk-
tor der European Media Laboratory GmbH (EML) Heidelberg und
seit Februar 1999 Geschäftsführender Direktor des EML. Er ist Mit-gründer der International University in Germany und Dean of the
School of Information Technology. Die International University ist
eine englischsprachige Privatuniversität, die 1998 gegründet wurde.
Sie konzentriert sich auf IT und ihre Anwendungen. Besondere
Merkmale sind Unterricht in kleinen Gruppen und Projekten sowie
die Nutzung neuer Medien. Andreas Reuter war zuvor Professor für Informatik an der Uni-
versität Stuttgart und gründete dort 1988 das Institut für Parallele
und Verteilte Höchstleistungsrechner. Von 1989 bis 1991 war er
Dekan an der Fakultät für Informatik und von 1992 bis 1996 Pro-
rektor für Lehre an der Universität Stuttgart.
Prof. Dr. Dr. h.c. August-Wilhelm Scheer ist Direktor des Instituts
für Wirtschaftsinformatik – IWi – der Universität des Saarlandes und
beratender Professor der Tongji-Universität Shanghai. 1997 wurde ihm die Ehrendoktorwürde durch die Universität
Pilsen (Tschechische Republik) für seine wissenschaftlichen Verdiens-te um die Entwicklung von Methoden zur Gestaltung von Informa-
tionssystemen und zur Analyse von Geschäftsprozessen verliehen.
1999 wurde er mit dem IT-Vordenker Award der Zeitschrift
»IT.Services« in Köln ausgezeichnet. Prof. Scheer ist seit November 1999 Beauftragter des Ministerprä-
sidenten des Saarlandes für die Aufgabenbereiche Innovation, Tech-
nologie und Forschung. Er ist Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender
der IDS Scheer AG sowie Hauptgesellschafter der imc (information
multimedia communication GmbH), Herausgeber mehrerer Buchrei-hen und Zeitschriften und Veranstalter der jährlich stattfindenden
Saarbrücker Arbeitstagung.
173
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Studium online
Prof. Dr. Rainer Thome ist Inhaber des Lehrstuhles für Betriebswirt-
schaftslehre und Wirtschaftsinformatik an der Universität Würzburg.
Er studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg, Di-plom im Jahr 1970, Promotion im Jahr 1972 und Habilitation im
Jahr 1976. Im selben Jahr wurde er an die Universität Hamburg be-
rufen. Er war von 1982 bis 1989 Sprecher der wissenschaftlichen Kom-
mission Wirtschaftsinformatik des Verbandes der Hochschullehrer
für BWL und ist Vorsitzender des Anwenderverbandes Wirtschafts-
informatik in Europa e.V. Seit 1998 ist er Mitglied im Experten-
gremium für Electronic Commerce des Bundesministeriums für Wirt-
schaft und im Präsidium des Deutschen Hochschulverbandes. Schwerpunkte der Arbeit von Rainer Thome sind die Anwendung
der Informationsverarbeitung als integrierte Gesamtlösung in den
Bereichen Produktion, Handel und Verwaltung sowie die Multime-
dia-Integration und Entwicklung von Hypermedia Lernsystemen zur
Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinformatik. Auf diesen und ande-
ren Tätigkeitsfeldern arbeitet er im Rahmen von Kooperationen mit
zahlreichen mittleren und großen Unternehmen zusammen. Er ist
Mitgründer der IBIS (Institut für betriebliche Informationssysteme)Prof. Thome GmbH und der IBIS Multi Media Informationssysteme
GmbH.
Prof. Dr. Dennis Tsichritzis ist Vorsitzender der Geschäftsführung
der GMD-Forschungszentrum Informationstechnik GmbH in St.
Augustin bei Bonn. Dennis Tsichritzis studierte Elektrotechnik und
Informatik an den Universitäten in Athen und Princeton, wo er 1968
promovierte. Er war von 1968 bis 1985 Hochschullehrer für Com-
puter Science an der Universität Toronto und erhielt 1985 einen Ruf als Professor für Informatik an die Universität Genf. Er hat auf un-
terschiedlichen Gebieten der Informatik wissenschaftlich gearbeitet,
die von den theoretischen Grundlagen über Datenbank-Systeme,
Büroautomation bis zu Multimedia-Anwendungen reichen. Er veröf-
fentlichte zahlreiche Beiträge und Publikationen zu Themen aus die-
sen Bereichen und ist Mitglied verschiedener nationaler und interna-
tionaler Gremien, darunter des ERCIM (European Consortium of
Research Centers in Informatics and Mathematics) und des RWC
174
5/12/2018 Studium Online - HS-Entwicklung Durch Neue Medien - Bertelsmann - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/studium-online-hs-entwicklung-durch-neue-medien-bertelsman
Die Mitglieder des Expertenkreises
(Real World Computing Partnership), das vom japanischen MITI ge-
tragen wird.
Als Vorsitzender der Geschäftsführung der GMD amtiert Prof.Tsichritzis seit 1991. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte liegen
auf den Gebieten der Multimedialen Arbeitsumgebungen und der In-
novationspolitik.
175