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56 R. Mullel.. Studien zum elektrochemischen Verhalten des Aluminiums. I. Von ROBERT MULLER. Mit 4 Figuren im Text. Allgemeines. Das elektrochemische Verhalten des Aluminiums zeigt Besonder- heiten, welche immer wieder zu neuen Untersuchungen anregen. Es ist schon lange bekannt, daB dieses Metal1 sich in waBrigen Lijsungen passiviert, d. h. ein vie1 zu edles Potential zeigt. Diese Passivierung kann zum Teil beseitigt werden, wenn man frische Oberflachen des Metalls mit der Losung in Beriihrung bringt. Sehr unvollstandig erreicht man dies durch Schaben unter der Lijsung oder durch Saurezusatz, vollstandiger aber durch Amnlgamieren des Metalles. Amalgamiertes Aluminium liefert negative Hochstwerte des Potentials, welche man unter gewissen Bedingungen l) auch durch Schaben an nichtamalgamiertem A1 erreichen kann. Diese Tatsache stiitzt die Annahme bloBer Deckschichtenpassivierung zum Unter. schied der von A. SMITS~) vertretenen Annahme einer Elektronen- Passivierung (Elektronen-Verarmung) der Oberflache durch chemischen Angriff. W. D. TREADWELL und H. STERN^) berechnen unter Beruck- sichtigung der Hydrationswarme das Normalpotential des Vorganges Al-t Al'" zu Eh = 1,92 Volt. In der Tatsache, daE alle bisher ge- messenen A1 -Potentiale gegeniiber diesem Wert zu niedrig sind, sehen TREADWELL und STERN eine Bestatigung der schon von KISTIAKORRSKI 4, und HEYROVSKY 6) vertretene Auffassung, daB der potentialbildende Vorgang an der Al-Elektrode nicht A1 +Al"'+ 30, sondern A1 + 3H,O = Al(OH), + 3/2H2 + 93000 cal ist. Als Folge dieser Annahme ergibt sich die Forderung nach Un- abhangigkeit des Potentials von der Ionenkonzentration, welche abe.r, l) R. M~LLEE u. HBLZL, 2. anorg. u. allg. Chem. 121 (1922), 103. 9 Helw. chi~n. 7 (1924), 627. 4, ZscRr. fiphys. Chem. 70 (1910), 206. ' 9 Joum. Chem. 5'00. 117 (1920), 11. A. SHITS, Zschr. f. Elektrochem. 30 (1924), 423; 31 (1925), 304.

Studien zum elektrochemischen Verhalten des Aluminiums. I

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56 R. Mullel..

Studien zum elektrochemischen Verhalten des Aluminiums. I. Von ROBERT MULLER. Mit 4 Figuren im Text.

Allgemeines. Das elektrochemische Verhalten des Aluminiums zeigt Besonder-

heiten, welche immer wieder zu neuen Untersuchungen anregen. Es ist schon lange bekannt, daB dieses Metal1 sich in waBrigen

Lijsungen passiviert, d. h. ein vie1 zu edles Potential zeigt. Diese Passivierung kann zum Teil beseitigt werden, wenn man frische Oberflachen des Metalls mit der Losung in Beriihrung bringt. Sehr unvollstandig erreicht man dies durch Schaben unter der Lijsung oder durch Saurezusatz, vollstandiger aber durch Amnlgamieren des Metalles.

Amalgamiertes Aluminium liefert negative Hochstwerte des Potentials, welche man unter gewissen Bedingungen l) auch durch Schaben an nichtamalgamiertem A1 erreichen kann. Diese Tatsache stiitzt die Annahme bloBer Deckschichtenpassivierung zum Unter. schied der von A. SMITS~) vertretenen Annahme einer Elektronen- Passivierung (Elektronen-Verarmung) der Oberflache durch chemischen Angriff.

W. D. TREADWELL und H. STERN^) berechnen unter Beruck- sichtigung der Hydrationswarme das Normalpotential des Vorganges Al-t Al'" zu Eh = 1,92 Volt. In der Tatsache, daE alle bisher ge- messenen A1 -Potentiale gegeniiber diesem Wert zu niedrig sind, sehen TREADWELL und STERN eine Bestatigung der schon von KISTIAKORRSKI 4, und HEYROVSKY 6) vertretene Auffassung, daB der potentialbildende Vorgang an der Al-Elektrode nicht A1 +Al"'+ 3 0 , sondern A1 + 3H,O = Al(OH), + 3/2H2 + 93000 cal ist.

Als Folge dieser Annahme ergibt sich die Forderung nach Un- abhangigkeit des Potentials von der Ionenkonzentration, welche abe.r,

l) R. M ~ L L E E u. HBLZL, 2. anorg. u. allg. Chem. 121 (1922), 103.

9 Helw. chi~n. 7 (1924), 627. 4, ZscRr. f iphys . Chem. 70 (1910), 206. '9 Joum. Chem. 5'00. 117 (1920), 11.

A. SHITS, Zschr. f. Elektrochem. 30 (1924), 423; 31 (1925), 304.

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wie aus der Arbeit von MULLER und HOLZL (1. c.) hervorgeht, in Losungen, welche Al-Ionen enthalten, nicht zutrifft.

Nichtamalgamiertes A1 zeigt allerdings keinen regelmagigen Potentialanstieg mit der Verdunnung, das ist aber bei der vermut- lich vorhandenen Oxydhaut ganz begreiflich. Aluminiumamalgam dagegen zeigt den Anstieg ziemlich regelmaBig, da8 er fur kon- zentriertere Liisungen vie1 zu hoch ist, erklart sich wohl aus dem geringen, aber mit der Verdunnung rasch zunehmenden Dissoziations- grad dieser Liisungen, auBerdem kommen ooch unkontrollierbare Verhaltnisse durch hydrolytische Spaltung hinzu.

Auch die Messung in NaOH spricht fur den EinfluB der Ionen- konzentration auf die Potentialbildung. In LSsungen von NaOH ist das Aluminiumkomplex also mit sehr kleiner Ionenkonzentration zugegen, das Potential wurde auch tatsachlich sehr negativ gefunden. Immer- hin erscheint die Ansicht von einer normalen Potentialbildung am All also des Vorgangs Al+Al"', durch die genannten Versuche in wafiriger Losung nicht genugend befestigt.

I n dieser und den folgenden Arbeiten sol1 deshalb versucht werden, der Liisung dieses Fragenkomplexes durch das systematische Studium der elektrochemischen und verwandten Eigenschaften des Aluminiums bzw. des Aluminiumbromids in nichtwagrigen Losungen naherzukommen.

Zunachst wurde mit der Messung der Leitfahigkeit von Aluminium- bromid in wasserfreiem Pyridin und Benzonitril bis zu miiglichst hohen Verdunnungen begonnen.

Pyridin und Benzonitril schienen mir wegen der Sauerstoff- freiheit dieser Losungsmittel, fur die spater folgenden Potential- studien besonders geeignet.

A. XeRanordnung. Versuche mit GRIENQL und WITTHANN.

Zur Messung der hohen Widerstinde sehr verdunnter nicht- wa6riger Losungen ist die alte KOHLRAUSCH'SChe Bruckenanordnung mit einem kleinen Induktorium als Wechselstromerzeuger nicht mehr gut brauchbar. Es wurde deshalb eine von. ULICH l) neu angegebene Anordnung in Verbindung mit einer Rohren - Verstarkungsanlage nach LORENZ und KLAUER verwendet, welche die einwandfreie Messung bis zu Widerstanden von einer halben Million Ohm ge-

l) Zschr. f. p h p . Chemie 116 (1925), 377. 2, 2. anorg. u. aZZg. C'm. 136 (1923), 121.

Fig.

1.

Lei

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N.

Studien xuna elektrochemischen Verhalten des Aluminiums. I. 59

stattet. In der Fig. 1 ist diese Anordnung schematisch dargestellt. Als Wechselstromerzeuger diente eine Elektronenrohre in Sende- schaltung. In den Stromkreis war ein ZweirShrenverstarker ge- schaltet, welcher die Scharfe des Minimums bedeutend erhaht. Die Bezeichnungen der Fig. 1 bedeuten folgende Apparatteile :

A B Anodenbatterie R HB Heizbatterie H Heizwiderstand I Selbstinduktion I< Kapazitat T L Leitfahigkeitszelle

Te Telephon

ElektronenrShre (G Gitter, A Anode, HF Heizfaden)

Transformator ( P Primarspule, S Sekundarspule)

1x1 - Vergleichswiderstande

B. Beinignng der Liisnngsmittel.

Pyridin, C,-H:,N, wurde durch langeres Stehenlassen iiber frisch- geschmolzenem Atzkali entwassert und durch mehrmalige fraktionierte Destillation unter Einhsltung enger Sjedepunktsgrenzen gereinigt.

Das aus dem Kahlbaumpraparat zum SchluB gewonnene reine Pyridin hatte einen Eigenleitfahigkeitswert von xZ5 = 1,616 lo-' rez. Ohm gegen einen Literaturwert (WALDEN) von xza = 0,5 - lo-' Fez. Ohm.

Benzonitril, C,H,CN, wurde mit A tzkali entwiissert und dann wiederholt destilliert. Eigenleitfiihigkeit xz5 = 3,45 - lo-' rez. Ohm gegen x2, :0 ,5 . lO- ' (WALDEN). Das AlBr, wurde aus den Ele- menten dargestellt und iiber Alnminiumspanen sublimiert. Es bildete eine farblose Kristallmasse.

C. Bemerkungen znr Durchfuhrnng der KeBarbeit.

Alle Yessungen wurden im Thermostaten bei 25O durchgefuhrt. Die Elektroden mufiten jedesmal sorgraltig gereinigt werden, da sich sonst die Kapazitat wegen des adsorbierten Elektrolyten scheinbar merklich anderte, ohne dafi eine Veranderung der Elektrode durch Verbiegen vorgeliommen ware. Nach griindlicher Reinigung wurde stets wieder die alte Kapazitat gemessen. Zur Kontrolle wurde auch meist jede Me6reihe mit einem zweiten Elektrodenpaar wieder- holt. Schnelles Arbeiten beim Verdiinnen und bei de.r Vornahme

60 R. kliiller.

der Yessungen tragt vie1 zur Genauigkeit der Ergebnisse bei. Eine oftere Kontrolle der Leitfahigkeit des reinen Lijsungsmittels sowie Nachpriifung der Kapazitiit ist wichtig. Die Eigenleitf5higkeit des Lijsungsmittels wurde von der spez. Leitfahigkeit bei hoheren Ver- diinnungen abgezogen.

Die experimentelle Ermittlung des Leitvermijgens bis zu au8ersten Verdunnungen ist auch mit den heutigen verfeinerten Mitteln eine Unmiiglichkeit. Doch darf bei den von uns erreichten hohen Verdiinnungen angenommen werden, daB sich der Verlauf der Leitfahigkeitskurve von dem Gebiete der hiichsten noch ein- wandfrei meBbaren Werte bis zur Konzentration Null sich nicht mehr wesentlich andern wird.

Da in letzter Zeit durchgefiihrte Messungen der Leitfahigkeit von Silbernitrat in verschiedenen organischen Losungsmitteln l) die Giiltigkeit des Ko~~nar s sc~’ schen Quadratwurzelgesetzes fur hohe Verdiinnungen in allen untersuchten Fallen als zutreffend erwiesen haben, versuchten wir auch hier die Grenzwerte des molaren Leit- vermiigens des AlBr, mit Hilfe dieser Formel zu extrapolieren.

-cY-

Fig. 2.

a) AlBr, i n P y r i d i n (Tilbelle 1, Fig. 2). Die Messung des molaren Leitvermogens erstreckte sich yon der

bei 25O gesgttigten Losung (1 Mol in 123 Liter) bis zu Verdiinnungen von 100,000 Liter. Bei solchen extrem hohen Verdiinnungen werden die Messungen unzuverlissig, da stirende Faktoren, wie Feuchtig- keit, Absorption des Elektrolyten und Spuren von Verunreinigungen (Zersetzungsprodukte des AlBr,), immer groBeren EinfluB auf das MeBergebnis gewinnen. Die Av-Kurve durchlauft zwei Minima, von

I) R. MULLEB, GRIENQEL u. MOLTANQ, Grenzfiihigkeit von Silbernitrat in organiachen Liisungsmitteln, erscheint demnachst in den Monatsheften fiurchemie.

Studien xum elelctrochemisohen Verhalten des Aluminiums. 1. 6 1

denen das ausgepragtere bei verhaltnismaBig hohen Verdunnungen liegt. Obwohl Minimumbildung bei hohen Konzentrationen fur alle Elektrolyte charakteristisch ist, weisen solche Minima bei hoherer Verdunnung auf verwickeltere Verhaltnisse wie Assoziation und Solvation hin. Normale Verhaltnisse treten erst bei Verdunnungen von 10,000 aufwlirts ein, in welchem Gebiete tatsachlich der An- stieg zum Grenzwert, der im Mittel bei 62,5 liegen durfte, annahernd linear erfolgt. Ruckschlusse auf die Aluminiumionenkonzentration werden deshalb auch nur in diesem Gebiet moglich sein.

Tabelle 1. Leitfiihigkeit von AlBr, in Pyridin (Eigenleitahigkeit x = 8,090 10-7 bei 25O.

Urn auch einen Anhalt iiber die b d e r u n g der Leitfiihigkeit mit der Temperatur zu gewinnen, wurde die gesattigte Losung von AlBr, in Pyridin (mit Bodenkiirper) in einem Temperaturintervall

Tabelle 2.

62 R. Xuller.

70-

60-

50.

4 0

30'

von - go bis + 80° durchgemessen. Es ware anzunehmen, da6 die Temperatur-Leitfahigkeitskurve Kniclre zeigt, welche der L ~ s - lichlreitsanderung bei etwaigen Umwandlungspunkten entsprachen, was sich allerdings, wie spater gezeigt werden soll, als nicht zu- treffend erwies (Tab. 2, Fig. 3) und auf komplizierte Verhaltnisse in gesattigten Losungen deutet.

Im Temperaturgebiet uber 42O wird die Zunahme der Leit- fahigkeit linear. Der Temperaturkoeffizient des Leitvermogens in diesem Gebiete betraigt - 3,165.

1 20-

a. -10.

-*.,oJ- --- i' , , , , ,

b) AlBr, i n Benzon i t r i l (Tabelle 3, Fig. 3).

Benzonitril lost bei 25O groBere Mengen AlBr,, in der ge- sattigten Losung sind l Mol AlBr, in 1,253 Liter enthalten, sie ist also nahezu 1 molar.

Die Leitfihigkeitswerte wurden von der gesiittigten Losung bis zu Verdunnungen von 30,000 Liter gemessen. Die Messung hoherer Verdiinnungen erwies sich als zwecklos, da schon bei Verdunnungen uber 25,000 die Werte schwankend zu werden beginnen und eine systematische Abnahme der molaren Leitfahigkeit gegen 0 zeigen. Oanz ahnlich verhalt sich eine Losung von AgNO, in Benzonitril, bei welcher wir ebenfalls ein rapides Fallen der molaren Leit- fahigkeit bei hohen Verdunnungen feststellen konnten und welches kaum als Minimabildung gedeutet werden kann, da selbst bei v = 405 Liter kein Anzeichen zu einer Umkehr vorhandec ist.

Studiem zum elektrochemischen Verhalten des Bluminiunzs. I. 63

______ -- -

2. MeBreihe 1,879 6,632 3,132 12,247 6,264 17,497

12,528 21,31 25,056 1 28,325

Es durfte deshalb gerechtfertigt sein, diese Abweichungen auf sekundare Stiirungen zuriickzufiihren und das Kurvenstiick, welches im Gebiete von v = 8,000--20,000 Liter linear ansteigt, bis zur Ver- dunnung co extrapolatorisch zu verlangern. Die Kurve des molaren Leitvermogens von AlBr, in Benzonitril durchlsuft ebenso wie im Pyridin ein deutliches Minimum, doch liegt dieses in Benzonitril bei bedeutend kleineren Verdiinnungen (ca. 350 Liter). Sehr auffallend ist der nahezu streng lineare Anstieg der Kurve im Gebiete der kleinen Verdiinnungen bis 64 Liter, welcher einen zu niederen Grenzwert vortauschen konnte, falls man die Messungen nicht bis zu hohen Verdiinnungen fortsetzt. In diesem Gebiete scheint ein Komplex leitfahigkeitsbestimmend zu sein, dessen Leitfahigkeits- zunahme mit der Verdiinnurig dem Quadratwurzelgesetz gehorcht.

__ __ 3. MeBreihe

16 23,Sl 32 26,68

15,4? 2b,09

001 0 02 -CK- 0 WOI

c -

1,253 2,506 5,012

10,024

Fig. 4.

2,4616 10,346 17,492 21,081

Tabelle 3. Leitfihigkeit von All3131., in Benzonitril (Eigenleitfiihigkeit z25 = 4,993 . lod7).

64 R. Miiller. Studien %urn elektrochem. Vevhaltm des Aluminiums. 1.

Uber 64 Liter fallt die molare Leitfabigkeit stark ab, um aber dann wieder regelmagig anzusteigen. I m Gebiete von 6000 Liter aufwbrts wird der Anstieg linear. Auch daa AlBr, gehorcht also an- acheinend bei hohen Verdunnungen dem KOHLRAUSCH’SChen Quadrat- wurzelgesetz.

Die Extrapolation auf C = 0 ergibt einen Grenzwert von 72,5 im Mittel.

8,000 10,000 12,000 16,000 20,000 30,000

73,818 40,290

69,687 43,883 461090 I 74,572 58,384 53,824 51,963

so 160 320 640

1280 4,000 5,000 6,000 8,000

10,000 12,000

20,000 16,000

25,000

5. MeBreihe 25,29 11,75

16,45

31,796 34,585 I 36,381 40,824 44,025 46,090 50,632 53,321 51,578

9,181

22,11

71,07 67,67 71,56 76,14

Grax, Physikalisch- Chemisches Institzct der Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 2. Mar, 1926.