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trans-kom 5 [1] (2012): 1-28 Seite 1
trans-kom ISSN1867-4844 http://www.trans-kom.eu
trans-kom ist eine wissenschaftliche Zeitschrift für Translation und Fachkommunikation.
Thorsten Roelcke
Struktur, Linearisierung und Definitionen
Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen in zwei grammatischen Darstellungen der deutschen Gegenwartssprache
Structure, Linearization and Definitions: A Study of Terminological Constitution of Word Classes in two Grammars of Modern German – Abstract
The constitution of terminological systems in linear organized texts is an important, but un-common subject of LSP-research. Using the example of word class-systems in two grammars of modern German (Duden 1959/2006; Hentschel/Weydt 1990/2003), the study analyses, firstly, the complex hierarchical structures of terminological systems, secondly, the order of appearance of terms along the textline, and, thirdly, the types of definitions used for introducing the terms. It is shown that both systems are based on Glinz’ model of five word classes, the linearization of their terms is hierarchically-determined or not hierarchically-determined, and the definitions follow the operational, explicative, Aristotelian or generic type or the explicative or Aristotelian type only. This is to be interpreted through the idea of grammar in everyday life (cf. Duden 1959/2006) or of an academic handbook and their specific purposes (users; cf. Hentschel/Weydt 1990/2003).
1 Vorbemerkungen
Die Analyse von Fachwörtern ist in der Fachsprachenlinguistik und der Termino-logielehre seit den 1930er Jahren (Wüster 1931/1970) im Allgemeinen an einzelnen Fachwörtern oder ganzen Fachwortschätzen orientiert; dabei stehen insbesondere die folgenden Gesichtspunkte im Vordergrund:1 Geschichte einzelner Fächer und deren Fachsprachen; Begriffsgeschichte und Diskursanalyse; Definitionslehre (einschließlich der philosophischen Diskussion); Terminologielehre, Terminologiearbeit und Termino-logienormung; Quantitative Linguistik und Computerlinguistik (einschließlich Termi-nologiemanagement); Translationswissenschaft (Übersetzen und Dolmetschen); Sprach-didaktik (mutter- wie fremdsprachlich).
1 Vgl. zur Übersicht: Fluck (1976/1996: 47-59), Hutchinson/Waters (1987),Arntz/Picht/Mayer (1989/
2009), Hoffmann u.a. (Hg.) (1998, 1999), Roelcke (1999a/2010: 55-77), Kageura/L’Homme (2008), Stolze (2009) sowie mehrere Beiträge aus dem Sammelband von Picht (Hg.) (2006): Alexeeva/Novodranova (2006), Budin (2006), Costa (2006), Laurén/Picht (2006), L’Homme (2006), Pilke/Toft (2006), Rogers/Wright (2006), Shelow/Leitchik (2006).
Thorsten Roelcke trans-kom 5 [1] (2012): 1-28 Struktur, Linearisierung und Definitionen Seite 2 Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
Hinsichtlich einzelner Termini sind dabei neben den fachspezifischen Bedeutungen selbst deren fachspezifische Gebrauchsbedingungen von Interesse; hinzu kommen diverse semantische Eigenschaften (wie beispielsweise Genauigkeit, Eindeutigkeit oder Metaphorik) und grammatische Merkmale (insbesondere Muster der Form- und der Wortbildung oder die Motivation von Bezeichnungen). Der Ansatz, ganze Fach-wortschätze beziehungsweise Terminologien in ihrer Gesamtheit zu erfassen, zeigt sich vor allem in historischen beziehungsweise diskursanalytischen sowie in lexiko-graphischen beziehungsweise terminographischen Unternehmen, die wiederum auf eine semasiologische oder eine onomasiologische Erfassung von einzelnen Fach-wörtern in deren systematischem beziehungsweise kommunikativem Zusammenhang abzielen.
Bei all diesen Ansätzen bleibt indessen ein wesentliches Desiderat bestehen, dem sich bislang weder die Fachsprachenforschung noch die Terminologielehre ernsthaft gestellt hat: nämlich die Beantwortung der Frage, wie Terminologien überhaupt in Fachtexte eingeführt werden (zur Übersicht vgl. Roelcke demn. a). Fachtexte sind (von Abbildungen zunächst einmal abgesehen) lineare Gebilde: Einzelne Wörter folgen einander (in den meisten Sprachen) in einer einzigen Dimension von links nach rechts. Eine Terminologie ist dagegen in aller Regel mehrdimensional: Ein hierarchischer Aufbau ist zum Beispiel zweidimensional; kommen Gegensatzrelationen hinzu, öffnet sich das ganze in eine dritte Dimension und so weiter. Das Problem besteht nun darin zu klären, wie eigentlich solche mehrdimensionalen terminologischen Gebilde in einer einzigen Textdimension zum Ausdruck gebracht werden: Wie wird überhaupt ein Fachwortschatz in einem Fachtext eingeführt?
An dem Ausschnitt eines Textes aus dem 17. Jahrhundert lässt sich gut zeigen, worum es hier konkret geht (vgl. Abb. 1 und 2 nach Roelcke demn. b): Der kurze Text zur “Wortforschung” aus Deutscher Sprachlehre Entwurf von Christian Gueintz (1641) besteht im Wesentlichen aus einer linearen (eindimensional von links nach rechts laufenden) Folge von Wörtern (zu den terminologischen Marginalien am Rand vgl. unten). In dieser linearen Wortfolge ist eine ganze Terminologie zur “Wortforschung” enthalten, die eine komplexe hierarchische (zwei- oder mehrdimensionale) Struktur aufweist (hier in Form eines Baumgraphen erfasst). Angesichts der eindimensionalen Anlage des Textes und der mehrdimensionalen Struktur der Terminologie stellt sich nun die generelle Frage, wie diese komplexe Terminologie in dem linearen Text aufgebaut beziehungsweise konstituiert wird.
Thorsten Roelcke trans-kom 5 [1] (2012): 1-28 Struktur, Linearisierung und Definitionen Seite 3 Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
Abb. 1: Fachlicher Text (Gueintz 1641: 24-27)
Thorsten Roelcke trans-kom 5 [1] (2012): 1-28 Struktur, Linearisierung und Definitionen Seite 4 Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
nähere mittel [der sprachlehre]
Wortforschung wörterfügung
eigenschaften theilung
art ankunft gestalt wandelbar unwandelbar
urspringlich entspringlich untheilbar theilbar eigenschaft theilung
zahl person ohne zeit mit zeit
eintzelne eintzig
mehrere übereinzig
erste andere dritte nenwort vornenwort
geschlechtswort […]
Abb. 2: Terminologisches System (Gueintz 1641: 24-27)
Thorsten Roelcke trans-kom 5 [1] (2012): 1-28 Struktur, Linearisierung und Definitionen Seite 5 Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
Eine solche Konstituierung von Terminologie in einem fachlichen Text wird im Fol-genden als Terminologisierung bezeichnet. Die Wahl des Terminus knüpft an dessen Verwendung in der Literatur an: Bezeichnenderweise wird unter dem Terminus Terminologisierung bislang vornehmlich die semantische Transformation eines ein-zelnen allgemeinsprachlichen Wortes zu einem fachsprachlichen Terminus verstanden; so etwa bei der Differenzierung von Besitz im Sinne von ‘tatsächliche Gewalt einer Person über eine Sache’ gegenüber Eigentum unter der Bedeutung ‘umfassendes Herrschaftsrecht über eine Sache’ im Rahmen juristischer Terminologie (Schaeder 1993/2000: 727 unter Berufung auf Knobloch 1989). Diese Vorstellung von Termino-logisierung bezieht sich also wiederum auf einzelne Fachwörter und greift daher zu kurz: Die Konstitution ganzer terminologischer Systeme in Texten bleibt hinter der semantischen Transformation einzelner Termini unbeachtet.2
Im Folgenden wird Terminologisierung im Sinne der Konstituierung ganzer termi-nologischer Systeme am Beispiel zweier grammatischer Darstellungen zur deutschen Gegenwartssprache analysiert und diskutiert (das historische Beispiel von Gueintz wird am Ende noch einmal kurz aufgegriffen). Die beiden Beispiele sind vergleichsweise einfach, verdeutlichen jedoch im Kontrast bereits die enorme Herausforderung, die die Analyse von Terminologisierung für die germanistische Linguistik darstellt. Es handelt sich dabei um zwei Darstellungen der Wortarten im Deutschen – das von Peter Gallmann verfasste Kapitel “Lexikalische und syntaktische Wortart” der Duden-Grammatik (1959/2006: 132-135) sowie wortartenbezogene Abschnitte der “Einleitung” aus Hentschel und Weydt (1990/2003: 14-22; vgl. auch 1995): In der Duden-Grammatik wird (vermeintlich) gesichertes Wissen systematisch dargestellt, während das grammatische Handbuch von Hentschel und Weydt einen (mehr oder weniger) eigenständigen Ansatz entwickelt.
Im Folgenden wird gezeigt, dass sich dieser Unterschied auch in der Termino-logisierung der beiden Werke niederschlägt. Es sei daher an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die folgenden Ausführungen keine Diskussion der Wortarten im Deutschen selbst darstellen (vgl. Hoffmann in Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997: 21-67 oder Hoffmann 2009): Es geht hier ausschließlich um deren sprachliche Vermittlung: Wie wird also die komplexe Terminologie eines Wortarten-systems in dem linearen Fachtext einer Grammatik konstituiert? – Diese Leitfrage lässt sich in mehrere Teilfragen aufspalten:
(1) Wie ist das terminologische System (der Wortarten) strukturiert? (2) In welcher Reihenfolge werden die Termini im Text eingeführt (linearisiert) (3) Auf welche Weise werden die einzelnen Termini eingeführt (definiert)?
Diese kurze Liste ist nicht vollständig: Sie repräsentiert vielmehr einen Ausschnitt aus einem Forschungsdesign, das derzeit durch Erweiterungen und Änderungen entwickelt wird und dabei eine ganze Reihe weiterer Fragen qualitativer wie quantitativer Natur
2 Vgl. zum Gebrauch des Terminus Terminologisierung etwa Drozd/Seibicke (1973: 147), Fluck (1976/
1996: 50),Gerzymisch-Arbogast (1996), Fraas (1998: 436-437), Sager (1998-1999), Busch (2004).
Thorsten Roelcke trans-kom 5 [1] (2012): 1-28 Struktur, Linearisierung und Definitionen Seite 6 Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
umfasst (etwa nach Entlehnung oder Bildung von Termini, Polysemie und Synonymie von Termini, Reichtum an Termini und Definitionen, Schwankungen im Grad an Fach-lichkeit des Textes usw.; vgl. Roelcke demn. a). Die drei genannten Fragen werden im Folgenden aufgegriffen und diskutiert. Die Quellentexte selbst sind auf Grund ihres Umfangs im Anhang zu finden: Die Ziffern auf der linken Seite geben die Reihenfolge wieder, in der die Termini jeweils zuerst genannt werden (Linearisierung); die Ziffern in Kästchen auf der rechten Seite weisen auf Definitionen hin.
2 Wie ist das terminologische System (der Wortarten) strukturiert?
Die beiden terminologischen Systeme der Wortarten in der Duden-Grammatik und in dem Handbuch von Hentschel und Weydt zeigen hinsichtlich ihrer strukturellen Anlage folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede (vgl. Abb. 3 und 4):
Thorsten Roelcke trans-kom 5 [1] (2012): 1-28 Struktur, Linearisierung und Definitionen Seite 7 Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
1 lexikalische Wortart 1
4 Lexemklasse[en] 1
5 Wortart[en]
27 Wortart im lexikalischen Sinn
2 syntaktische Wortart 12, 13
3 Flexion (flektierbar)
6 Veränderbarkeit (veränderbar)
18 nicht flektierbar
19 unveränderbar
8 Konjugation (konjugierbar)
9 nach Tempus
11 Deklination (deklinierbar)
12 nach Kasus
13 mit festem Genus
20 mit variablem Genus
21 steigerbar
15 Komparation (komparierbar)
7 Verb 2, 7
25 verbales Lexem
10 Substantiv 3, 8
28 substantivische Adjektivform
14 Adjektiv 4, 9
23 adjektivisches Lexem
24 adjektivisches syntaktisches Wort
26 adjektivisch gebrauchte Verbform
16 Pronomen
5, 10, 14 22 Artikelwort
14
17 Nichtflektier-bare 6, 11, 19
29 Interrogativpronomen 15
30 Relativpronomen 16
31 Indefinitpronomen 17
32 Demonstrativpron. 18
[…]
33 definiter Artikel
34 Präposition 20
35 Adverb 21
36 Subjunktion 22
37 Fokuspartikel 23
38 Verbpartikel 24
[…]
= lexikalische und syntaktische Wortarten
= syntaktische, nicht lexikalische Wortarten
Abb. 3: Terminologisches System (Duden-Grammatik 1959/2006: 132-135)
Thorsten Roelcke trans-kom 5 [1] (2012): 1-28 Struktur, Linearisierung und Definitionen Seite 8 Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
1 Wortarten 1, 2ab
2 partes orationis
3 Verbalklassen
4 Typen von Bedeutung
(kognitive Prinzipien)
25 offene Klassen 24ab, 25
26 geschlossene Klassen
26, 27
13 Autosemantika 4
15 Nennwörter 5
16 Deiktika 6, 7
14 Zeigwörter 6
27
Synkategorematika 28
5 kategorematische
Bedeutung 3, 15
6 lexikalische Bedeutung
7 autosemantische Bedeutung
9 Wortart[en]-
bedeutung 11, 16
10 kategorielle Bedeutung 16, 17
8 deiktische Bedeutung
11
synkategorematische Bedeutung 18
12 synsemantische Bedeutung 18
19 Verb 10, (19)
17 Substantiv 8, (19)
18 Adjektiv 9, (19)
23 Pronomen 20, 21
24 Partikel 22, 23
22 verbal 14
20 substantivisch 12
21 adjektivisch 13
Abb. 4: Terminologisches System (Hentschel/Weydt 1990/2003: 14-22)
Thorsten Roelcke trans-kom 5 [1] (2012): 1-28 Struktur, Linearisierung und Definitionen Seite 9 Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
• Beide Terminologien fußen auf derselben terminologischen, zum Teil auch konzep-tionellen Grundlage, der Fünf-Wortarten-Lehre von Hans Glinz (zum Beispiel 1952/1973, 1957), der zufolge Verb, Substantiv (Nomen), Adjektiv, Begleiter oder Stell-vertreter und Partikel unterschieden werden.
• Die terminologischen Systeme der Duden-Grammatik und des Handbuchs von Hentschel und Weydt unterscheiden zum einen Termini, die einzelne Wortarten bezeichnen (hier recte wiedergegeben), und zum anderen solche, die deren Merkmale angeben (kursiv).
• Die zwei terminologischen Systeme zeigen jeweils eine hierarchische Anlage. In den beiden graphischen Darstellungen erscheinen hier die hyperonymen Termini oben, die hyponymen (kohyponymen) Termini unten (direkt unterhalb).
• Beide Strukturen sind prinzipiell binär gegliedert; in der Regel werden also einem Terminus zwei weitere Termini untergeordnet. Dabei sind jedoch zwei Ausnahmen zu beobachten: Erstens werden auf der rechten Seite Nichtflektierbare im Duden und Synkategorematika bei Hentschel und Weydt nicht weiter spezifiziert. Zweitens sind auf der untersten Ebene im Duden mehr als jeweils zwei Kohyponyme und auf derjenigen bei Hentschel und Weydt eine nicht binäre Kreuzklassifikation zu finden.
• Die Terminologie des Duden ist binär spezifizierend: Mit jedem Merkmal wird Schritt für Schritt eine Wortart klassifizierend ausgesondert, bis zuletzt eine Wortart übrig bleibt. Die bei Hentschel und Weydt ist demgegenüber binär nivellierend: Beinahe auf jeder Ebene finden sich neben Termini für Merkmale auch solche für Wortarten.
• Polysemie spielt in beiden Textausschnitten keine Rolle – anders dagegen Synony-mie: In der Duden-Grammatik finden sich vor allem allgemeinsprachliche Synonyme, die den Wissenstransfer erleichtern sollen (zum Beispiel Veränderbarkeit für Flexion). Bei Hentschel und Weydt erscheinen dagegen diskursverknüpfende Synonyme (etwa kategorematische, lexikalische und autosemantische Bedeutung).
• Zur semantischen Vagheit: Die Kreuzklassifikation im Handbuch von Hentschel und Weydt scheint aus der Not geboren, ein semantisches Kontinuum zwischen den Termini Verb, Adjektiv und Substantiv hinsichtlich kategorematischer und kategorieller Bedeutung klassifikatorisch abzubilden.
Die pragmatische Relevanz all dieser Beobachtungen ist offensichtlich. Die Rezi-pienten der beiden Texte stehen nun jeweils vor der Aufgabe, sich das betreffende terminologische System aus dem gegebenen Text zu erarbeiten. Die Frage ist nun, wie sie bei dieser Interiorisierung terminologischen Wissens von Text geleitet oder unter-stützt werden.
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3 In welcher Reihenfolge werden die Termini im Text eingeführt (linearisiert)?
In den Abbildungen 3 und 4 finden sich vor den Termini jeweils Ziffern: Diese geben die Reihenfolge des ersten Erscheinens der einzelnen Termini an und spiegeln damit deren Linearisierung wider. Auf den ersten Blick erscheint das Ganze recht verwirrend, da die Zahlen hin und herspringen. Auf einen zweiten Blick hin lassen sich jedoch zwei grobe Tendenzen ausmachen:
• Die Linearisierung in der Duden-Grammatik erfolgt streng von oben nach unten (und von links nach rechts, was letztlich durch die graphische Wiedergabe bedingt ist): Termini, die eine abstrakte Wortartenbedeutung tragen (etwa Pronomen oder Nichtflektierbare), werden im Allgemeinen vor solchen mit konkreter (etwa Inter-rogativpronomen oder Relativpronomen bzw. Präposition oder Adverb) genannt. Die Linearisierung der Wortartentermini im Handbuch von Hentschel und Weydt erfolgt ebenfalls von oben nach unten, zeigt jedoch neben einigen kleinen Unregelmäßigkeiten auch einen erheblichen Sprung: Die Mehrworttermini der zweiten Ebene (also offene Klassen und geschlossene Klassen) werden zuletzt genannt.
• Termini, die Merkmale von Wortarten bezeichnen, werden im Duden nach den Bezeichnungen für Wortarten selbst eingeführt; sie stehen zwischen der ersten und der zweiten Wortartenebene (so finden sich ganz links etwa Konjugation und nach Tempus oberhalb von Verb). Bei Hentschel und Weydt werden demgegen-über die Bezeichnungen für Wortarten und diejenigen Merkmale weitgehend geschlossen eingeführt: Auf der ersten und der vierten Ebene werden zuerst die Wortarten und dann die Merkmale genannt, auf der dritten zuerst die Merkmale und dann die Wortarten, und auf der zweiten schließlich wird auf die Angabe von Merkmalen ganz verzichtet.
Die lineare Einführung der Terminologie folgt im Duden also weitgehend der hierarchi-schen Anlage des terminologischen Systems, bei Hentschel und Weydt erscheint sie dagegen freier. Eine Erklärung für diesen Befund ist anhand der Funktion der beiden Texte möglich: Wie eingangs erwähnt strebt der Duden als Alltagsgrammatik die Wiedergabe (vermeintlich) gesicherter Kenntnisse an, während das akademische Handbuch einen (mehr oder weniger) eigenständigen Ansatz entwickelt. Der Duden kann sich vor diesem Hintergrund offensichtlich eine eher systematisch-strukturelle Entfaltung seiner Terminologie leisten, während Hentschel und Weydt eine eher diskursiv-thematische Entwicklung vornehmen. – Eine systematisch-strukturelle Ent-faltung mag zwar die Rezeption der Terminologie selbst erleichtern, ein Verständnis der theoretischen Grundlagen und konzeptionellen Bezüge wird jedoch eher durch eine diskursiv-thematische Entwicklung gesichert. So etwas wie eine ideale Lösung gibt es hier allein relativ zum Rezipienten.
Thorsten Roelcke trans-kom 5 [1] (2012): 1-28 Struktur, Linearisierung und Definitionen Seite 11 Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
4 Auf welche Weise werden die einzelnen Termini eingeführt (definiert)?
Die Reihenfolge der einzelnen Definitionen entspricht nicht der Reihenfolge der ersten Erwähnung der Termini, zumal nicht jeder Terminus auch definiert wird. Diese Folge der Definitionen wird in den Abbildungen 3 und 4 durch die nachgestellten Ziffern in Kästchen wiedergegeben.
• Die Reihung der Definitionen in der Duden-Grammatik erfolgt weitgehend systema-tisch von oben nach unten; die Termini der mittleren Ebene werden oft mehrfach definiert. Dabei fällt auf, dass allein Wortartenbezeichnungen definiert werden; die Kenntnis der Merkmalbezeichnungen wird offensichtlich vorausgesetzt.
• Im Handbuch von Hentschel und Weydt erfolgt die Reihung der Definitionen eben-falls tendenziell von oben nach unten, weist jedoch im Vergleich zum Duden zahlreiche Unregelmäßigkeiten auf: Auch diese sind letztlich einer eher diskursiv-thematischen Definitionsentfaltung geschuldet, die sich von der eher systematisch-strukturellen im Duden unterscheidet.
Neben der Reihenfolge sind auch die verschiedenen Typen der Definitionen von Inter-esse, die in den beiden Textausschnitten erscheinen (vgl. Dubislav 1926/1981; Arntz/Picht/Mayer 1989/2009: 59-72; Roelcke 1999a/2010: 60-68). Die Verhältnisse im Duden sind dabei verhältnismäßig klar: Auf den verschiedenen Ebenen von Wortarten finden sich überwiegend eigene Typen von Definitionen:
• So lautet die erste Definition: “Lexeme (lexikalische Wörter) können nach den grammatischen Merkmalen, die bei ihren Flexionsformen eine Rolle spielen, in Lexemklassen oder lexikalische Wortarten eingeteilt werden” (Duden-Grammatik 1959/2006: 132). Hierbei handelt es sich um eine operationale Definition, in der angegeben wird, wie das Definiendum ermittelt oder erzeugt werden kann.
• Auf der mittleren Ebene werden die Wortartbezeichnungen Verb, Substantiv, Adjektiv, Pronomen und Nichtflektierbare jeweils mindestens zweimal definiert – und zwar in einer Tabelle und in einer Graphik. Die Tabelle (Tab. 1) ist als eine Reihe von explikativen Definitionen (den Nummern 2 bis 6 entsprechend) zu lesen: In der linken Spalte stehen die Wortartentermini als Definienda, der Trennstrich zwischen linker und rechter Spalte dient als Definitor und in der Spalte rechts werden jeweils einige lose Merkmale als Definiens angegeben (Hauptmerkmale sind hervorgehoben). Die Definitionen 7 bis 11 sind nun in dem Stemma (Abb. 5) enthalten: Die fünf Definienda stehen hier als Nomenklatur ganz unten und werden gemeinsam durch den Terminus ganz oben als Wortarten beziehungsweise Lexemklassen ausgewiesen. Dazwischen werden weitere Merkmale angegeben, die die einzelnen Wortarten selbst ausdifferenzieren. Dies entspricht einem besonderen Typ der aristotelischen Definition, bei der das Definiens stets aus einem Gattungsbegriff (dem genus proximum) und den artunterscheidenden Merk-malen (den differentia specifica) gebildet wird.
Thorsten Roelcke trans-kom 5 [1] (2012): 1-28 Struktur, Linearisierung und Definitionen Seite 12 Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
• Die Definitionen der untersten Ebene schließlich erfolgen wiederum im Text und sind allesamt exemplarisch: Die Termini Interrogativpronomen bis Verbpartikel werden allein durch Beispiele definiert, wobei nicht einzelne Wörter, sondern ganze Sätze angegeben werden. So etwa im Falle des Interrogativpronomens: “Was hat Anna vor?” (Duden-Grammatik 1959/2006: 134; kursiv im Original: recte, blau unterlegt).
Wortart (Lexemklasse) Flexion (Veränderbarkeit)
Verb Flexion (Konjugation) nach Person, Numerus, Tempus, Modus
Substantiv Flexion (Deklination) nach Numerus und Kasus(lexikalisch festgelegt: Genus)
Adjektiv Komparation (sofern semantisch möglich), Flexion (Deklination) nach Numerus, Genus, Kasus
Pronomen Flexion (Deklination) nach Person (teilweise), Numerus, Genus, Kasus
Nichtflektierbare nicht flektierbar (unveränderbar)
Tab. 1: Wortartdefinitionen in Tabelle (nachgezeichnet nach: Duden-Grammatik 1959/2006: 132)
Thorsten Roelcke trans-kom 5 [1] (2012): 1-28 Struktur, Linearisierung und Definitionen Seite 13 Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
Wortarten
(Lexemklassen)
veränderbar (flektierbar)
unveränderbar
(nicht flektierbar)
nach Tempus (konjugierbar)
nach Kasus
(deklinierbar)
mit festem
Genus mit variablem
Genus
steigerbar (komparierbar)
Verb Substantiv Adjektiv Pronomen Nichtflektierbare
Abb. 5: Wortartdefinitionen in Stemma (nachgezeichnet nach: Duden-Grammatik 1959/2006: 133)
Diese klare Verteilung von Definitionstypen mag zunächst überraschen, kann jedoch gut begründet werden: Aristotelische Definitionen bedürfen der Angabe übergeordneter Gattungs- und untergeordneter Merkmalsbezeichnungen. Solche Angaben sind jedoch für die Spitze der Hierarchie (und für deren Boden) terminologisch kaum sinnvoll zu leisten, sodass hier andere Definitionstypen zu wählen sind. Und so ist es kaum ver-wunderlich, dass das Hyperonym lexikalische Wortart an der Spitze der termino-logischen Hierarchie axiomatisch durch eine operationale Definition gesetzt wird, während die untersten Hyponyme als Nomenklatur konkret durch Beispiele gefasst werden. – Solche Verfahren zu operationalisieren und transparent zu machen, wäre eine wichtige Hilfestellung für die Benutzer dieser Grammatik.
Die Tabelle und das Stemma erfüllen bei der Terminologisierung im Duden im Übrigen eine textkonstitutive Funktion: Mit beiden werden definitorische Bestimmungen vorgenommen, die im sprachlichen Teil des Gesamttexts nicht zu finden sind. Im Falle der kleinen Graphik aus Hentschel und Weydt (Abb. 6) ist das Text/Bild-Verhältnis dagegen illustrativ: Sie enthält kaum etwas Neues und verzichtet sogar auf Wichtiges aus dem sprachlichen Text. In beiden Fällen wird jedoch deutlich, dass – in Ergänzung zu der eingangs aufgestellten Definition von Terminologisierung – auch graphische Abbildungen wie Tabellen oder Stemmata einen Beitrag zur Konstituierung komplexer Terminologien in sprachlichen und nichtsprachlichen Gesamttexten leisten können (vgl. hierzu Roelcke demn. c,d).
Thorsten Roelcke trans-kom 5 [1] (2012): 1-28 Struktur, Linearisierung und Definitionen Seite 14 Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
Abb. 6: Wortartdefinitionen in Stemma (Hentschel/Weydt 1990/2003: 22)
Um nun einen Blick auf die Definitionen bei Hentschel und Weydt selbst zu werfen: Operationale oder exemplarische Definitionen erscheinen hier kaum. Auf sämtlichen Ebenen sind explikative, bisweilen auch aristotelische Definitionen anzutreffen.
• Dies gilt auch für die Spitze der Hierarchie: So heißt es zu Beginn des Texts: “Wortarten wie z.B. Substantiv, Verb, Konjunktionen sind Gruppen von Wörtern, die bestimmte Merkmale teilen” (Hentschel/Weydt 1990/2003: 14; fett wie im Original). Die Angabe von Substantiv, Verb und Konjunktion ist zwar exemplarisch, trägt jedoch kaum zur konzeptionellen Klärung von Wortart bei. Dies gilt auch für den anderen definitorischen Hinweis, dass es sich bei Wortarten um Gruppen von Wörtern handele, die bestimmte Merkmale teilten; diese allgemeinsprachliche Tautologie wird erst gute zwei Seiten weiter unten aufgehoben, wenn diese Merkmale als die “grundlegenden Typen von Bedeutungen” ausgewiesen werden (Hentschel/Weydt 1990/2003: 17).
• Die explikativen Definitionen funktionieren vor allem hinsichtlich der dritten Ebene des terminologischen Systems gut und beziehen sich dabei auf Bezeichnungen für Merkmale, mit denen dann die Wortartbezeichnungen definiert werden.
• Auf der untersten Ebene zeigt sich jedoch wieder deren Randproblematik: Zur (kategoriellen) Wortartbedeutung heißt es hier etwa: “Als Substantiv (Blut) wird [ein außersprachliches Faktum] als ein Etwas aufgefasst, als eine abgeschlossene Größe oder ein Objekt […]. Als Adjektiv (blutig) hingegen wird dasselbe Phänomen
Thorsten Roelcke trans-kom 5 [1] (2012): 1-28 Struktur, Linearisierung und Definitionen Seite 15 Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
als eine Eigenschaft gefasst, die einem Gegenstand zugeschrieben wird. Das Verb (bluten) schließlich drückt das Phänomen als eine Eigenschaft der Zeit aus. Einem außersprachlichen Phänomen x wird also bei der sprachlichen Erfassung stets auch eine Wortartbedeutung zugeordnet. Es muss entweder als ein X (also sub-stantivisch) oder als x-ig (also adjektivisch) oder als x-en (also verbal) gestaltet werden” (Hentschel/Weydt 1990/2003: 20-21; kursiv wie im Original).
Das Ringen um eine allgemeinsprachliche (oder gar formale) Formulierung des genus proximum oder der differentia specifica lassen die Problematik aristotelischer Defini-tionen von Termini an der Spitze oder auf dem Boden einer Hierarchie offensichtlich werden. Auch hier wäre eine transparente Operationalisierung von Definitionsverfahren nützlich.
5 Zusammenfassung und Diskussion
Die vorliegenden Befunde im Hinblick auf die Struktur, die Linearisierung und die Definition der terminologischen Systeme von Wortarten in der Grammatik des Duden und im Handbuch von Hentschel und Weydt sind wie folgt zusammenzufassen (vgl. Tab. 2):
• Die zwei terminologischen Systeme fußen auf der Grundlage des Fünfwortarten-modells von Glinz und weisen jeweils Bezeichnungen für Wortarten und deren Merkmale auf.
• Sie sind dabei hierarchisch binär strukturiert, wobei das System der Wortarten im Duden spezifizierend, das System bei Hentschel und Weydt nivellierend ist. In dem einen Fall stellen synonyme Termini Verbindungen zur Allgemeinsprache, im anderen zu verschiedenen Diskursen her. Polysemie spielt in beiden Systemen keine Rolle; Vagheit wird in Hentschel und Weydt mit einer Kreuzklassifikation zum Ausdruck gebracht.
• Die terminologische Linearisierung, also die Reihenfolge, in der die Termini im Text eingeführt werden beziehungsweise erscheinen, zeigt im Duden eine systematisch-strukturelle Entfaltung von oben nach unten, bei Hentschel und Weydt dagegen eine diskursiv-thematische Entfaltung mit Sprüngen. Abbildungen (Tabellen bzw. Stemmata) haben im Duden eine text- bzw. terminologisierungskonstitutive, bei Hentschel und Weydt eine text- beziehungsweise terminologisierungsillustrative Funktion.
• Im Handbuch von Hentschel und Weydt werden Wortart- und Merkmal-bezeichnungen definiert, in der Duden-Grammatik hingegen allein Wortartbezeich-nungen. Während im Duden ebenentypische Definitionstypen nachgewiesen werden können (von oben nach unten: operational, aristotelisch oder explikativ und exemplarisch), finden sich bei Hentschel und Weydt überwiegend explikative Definitionen.
Thorsten Roelcke trans-kom 5 [1] (2012): 1-28 Struktur, Linearisierung und Definitionen Seite 16 Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
Duden-Grammatik (1959/2006) Hentschel/Weydt (1990/2003)
System Hierarchische Grundlage: 5-Wortartenlehre (Glinz);
Wortartenbezeichnungen und Merkmalstermini
binär spezifizierend;
allgemeinsprachliche Synonymie
binär nivellierend;
diskursverknüpfende Synonymie;
Vagheit (Kreuzklassifikation)
Linearisierung streng von oben nach unten;
Merkmale nach Wortarten
→ systematische Entfaltung
Abbildungen textkonstitutiv
hierarchisch mit Sprüngen;
Merkmale vor/nach Wortarten
→ diskursive Entfaltung
Abbildungen textillustrativ
Definitionen Wortarten (keine Merkmale);
Typen nach hierarchischen
Ebenen: operational, explikativ,
aristotelisch, exemplarisch
Wortarten und Merkmale;
Typen nicht nach hierarchischen
Ebenen: weitgehend explikativ
(aristotelisch)
Tab. 2: Analyseergebnisse (Übersicht)
Diese Befunde lassen sich anhand der Funktion der beiden Texte erklären: Der Duden strebt als Alltagsgrammatik die Wiedergabe von vermeintlich gesicherten Kenntnissen an, während das akademische Handbuch einen mehr oder weniger eigenständigen Ansatz zu entwickeln sucht. Dies spiegelt sich in den terminologischen Systemen, deren Linearisierung und deren Definitionen wie folgt wider:
• Systeme: Ein binär spezifizierendes terminologisches System ist ganz offensicht-lich einfacher zu überschauen und zu erlernen als ein binär nivellierendes – vermutlich auch mit Grund dafür, dass auch Glinz’ Wortartensystem wie das des Dudens eine solche Anlage zeigt. Die höhere Komplexität des Systems im akade-mischen Handbuch entspricht dessen Anspruch einer tieferen konzeptionellen Durchdringung des sprachlichen Phänomenbereichs. Dem Charakter des Dudens als Alltagsgrammatik folgt im Weiteren die Tatsache, dass allgemeinsprachliche Synonyme zur Unterstützung der sprachwissenschaftlichen Terminologie ein-gesetzt werden. In Entsprechung hierzu erfüllen fachsprachliche Synonyme bei Hentschel und Weydt die Aufgabe einer Diskursverknüpfung.
• Linearisierung: Das terminologische System wird im Duden systematisch-strukturell entfaltet, um dessen Rezeption möglichst übersichtlich zu gestalten; dabei übernehmen eine Tabelle und ein Stemma eine konstitutive Funktion im Rahmen der Terminologisierung. Bei Hentschel und Weydt wird das System dagegen diskursiv-thematisch entwickelt, um ein tieferes Verständnis der theore-
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tischen Grundlagen und konzeptionellen Bezüge zu sichern; ein Stemma am Ende des entsprechenden Textausschnitts ist dabei lediglich illustrativ.
• Definitionen: Der durchaus nicht unproblematische Versuch bei Hentschel und Weydt, nicht allein Termini der Mitte, sondern auch der Spitze und des Bodens der terminologischen Hierarchie anhand aristotelischer Definitionen zu bestimmen, entspricht dem Anspruch akademischer Explizitheit. Die Duden-Grammatik macht es sich hier leichter, indem bei der operationalen Definition des Terminus an der Spitze und den exemplarischen Definitionen der Termini am Boden durchaus intuitives Vorwissen der Rezipienten vorausgesetzt wird. Dieser Einschätzung entspricht die weitere Beobachtung, dass bei Hentschel und Weydt sowohl Bezeichnungen für Wortarten als auch solche für deren Merkmale, im Duden lediglich solche für Wortarten definiert werden.
Die Anforderungen, die die Konstituierung eines Fachwortschatzes innerhalb eines Textes an dessen Produktion wie dessen Rezeption stellt, sind verhältnismäßig hoch. Der erfolgreiche Umgang mit verschiedenen Strategien der Terminologisierung setzt dementsprechend eine ganze Reihe an sprachlichen und kommunikativen Kom-petenzen voraus. Diese Strategien formal und funktional zu operationalisieren und transparent zu machen, wäre eine wichtige Hilfestellung für die Rezeption von Grammatiken, die im alltäglichen wie auch im akademischen Kontext Verwendung finden.
6 Schlussbemerkungen
In der vorliegenden Studie wird am Beispiel der Konstituierung von terminologischen Systemen in zwei Textausschnitten ein Analyseansatz vorgestellt, der noch in Ent-wicklung ist. Neben den beiden Grammatik-Ausschnitten und dem eingangs genannten Kapitel aus Gueintz’ Deutscher Sprachlehre Entwurf wurden bereits weitere Text-ausschnitte diesen und anderen Fragestellungen im Hinblick auf Terminologisierung unterzogen. Hierzu zählen insbesondere auch der zweite Abschnitt der termino-logischen Grundsatznorm DIN 2330 (1993): Begriffe und Benennungen (vgl. Roelcke 2012a, demn. a) sowie der erste Paragraph der “Transzendentalen Ästhetik” aus Kants Kritik der reinen Vernunft (1781/1987; vgl. Roelcke 2012b, demn. a). Im Rahmen all dieser Studien zeichnet sich eine Vielfalt an Strategien zur Terminologisierung sowie an Aspekten ihrer Analyse ab. Das Ganze soll letztlich geordnet und verdichtet werden, um so ein abgeschlossenes Forschungsdesign zu entwickeln, das auf spezielle fachsprachliche Korpora angewandt werden kann. Eine solche Korpusanalyse verschiedener Aspekte von Terminologisierungsstrategien verspricht eine Reihe wissenschaftlicher Impulse, darunter:
• variations- und textlinguistisch: Die Terminologisierungsanalyse in verschiedenen Fachbereichen und auf unterschiedlichen kommunikativen Ebenen ist ein wichtiger Schritt zu einem besseren Verständnis fachlicher Kommunikation.
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• historisch: Studien zu Terminologisierung zu verschiedenen Zeiten ermöglichen es, Perioden und Traditionen der Verwendung von Fachwortschatz zu unterscheiden (so darf etwa die Verwendung lateinischer Marginalien neben deutschen Termini im Text wie bei Gueintz als ein Charakteristikum von Texten aus Barock und Frühaufklärung gelten; vgl. Gardt 1999; Roelcke 1999b; Hundt 2000).
• pragmatisch: Terminologisierung spielt eine entscheidende Rolle beim sogenann-ten “Wissenstransfer”, also bei der Exteriorisierung und der Interiorisierung von Kenntnissen und Kompetenzen.
• didaktisch: Kenntnisse von Terminologisierungsstrategien machen den Weg frei für entsprechende Bedarfsanalysen und Zielvorgaben, Entwicklung von Lehr- und Lernmedien sowie Unterrichtsgestaltung.
• kulturell: Es darf davon ausgegangen werden, dass Terminologisierung auch in anderen Sprachen und Kulturen jeweils auf eigene Weise gestaltet wird (so wie dies auch bei Höflichkeit in und bei der thematischen Organisation von Fachtexten der Fall ist; vgl. etwa Watts/Ide/Ehlich Hg. 1992/2005 oder Casper-Hehne 2005).
• kognitionslinguistisch: Das Verständnis von Terminologisierung erlaubt über den Gebrauch von Sprache möglicherweise auch Einsichten in das menschliche Denken selbst.
Das Thema Terminologisierung stellt somit nicht nur ein sehr komplexes, sondern darüber hinaus auch ausgesprochen interessantes linguistisches Analysegebiet dar, auf dem es künftig noch einiges zu entdecken gibt.
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trans-kom ISSN 1867-4844
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Anhang: Annotierte Quellentexte
Die Ziffern auf der linken Seite geben die Reihenfolge wieder, in der die Termini jeweils zuerst genannt werden (Linearisierung); die Ziffern in Kästchen auf der rechten Seite weisen auf Definitionen hin.
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Quellentext 1: Duden-Grammatik (1959/2006: 132-135) (annotiert) 1 2 3 4 5 6
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Autor
Thorsten Roelcke studierte Germanistik, Philosophie und Geschichte an der Universität Heidelberg. Er war außerplanmäßiger Professor an den Universitäten Heidelberg und Freiburg und arbeitete zuletzt als Lehrer für Deutsch, Geschichte und Philosophie am Kolleg St. Blasien. Heute ist er Professor für deutsche Sprache und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hoch-schule Freiburg; seine Forschungsschwerpunkte sind Fachsprachenlinguistik und deutsche Sprachgeschichte. E-Mail: [email protected]
FFF – Forum für Fach sprachen-ForschungHerausgegeben von Prof. Dr. Dr. h.c. Hartwig Kalverkämper
Ingrid Simonnæs: Rechtskommunikation national und international im Spannungs-feld von Hermeneutik, Kognition und Pragmatik. ISBN 978-3-86596-427-4
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TRANSÜD. Arbeiten zur Theorie und Praxis des Übersetzens und DolmetschensHerausgegeben von Prof. Dr. Dr. h. c. Hartwig Kalverkämper und Prof. Dr. Larisa Schippel
Erich Prunc: Entwicklungslinien der Trans-lationswissenschaft. 3. erweiterte und ver-besserte Auflage. ISBN 978-3-86596-422-9
Mehmet Tahir Öncü: Die Rechtsüber-setzung im Spannungsfeld von Rechts-vergleich und Rechtssprachvergleich. ISBN 978-3-86596-424-3
Małgorzata Stanek: Dolmetschen bei der Polizei. Zur Problematik des Einsatzes unqualifizierter Dolmetscher. ISBN 978-3-86596-332-1
VorankündigungHartwig Kalverkämper/Larisa Schippel (Hg.): „Vom Altern der Texte“. Bausteine für eine Geschichte des transkulturellen Wissenstransfers. ISBN 978-3-86596-251-5
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