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Ilya Frank’s Reading Method www.franklang.ru 1 German with Theodor Storm Immensee Theodor Storm Immensee Text adaptation by Irina Solntseva and Ilya Frank English translation by Olga Tyuleneva Ilya Frank’s Reading Method Der Alte (The Old Man) An einem Spätherbstnachmittage (one afternoon: «closer to the evening» in the late autumn: der Nachmittag — afternoon; der Herbst — autumn/fall; spät — late) ging ein alter, wohlgekleideter Mann (a well-dressed old man was walking; kleiden — to dress; das Kleid — dress) langsam (slowly) die Straße hinab (down the street; hinabgehen — to go down). Er schien von einem Spaziergange nach Hause zurückzukehren (he seemed to be returning: «to return» home from a walk; scheinen — to seem; der Spaziergang — walk; spazieren gehen — to walk; to go for a walk); denn (for/as) seine

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German with Theodor Storm

Immensee

Theodor Storm

Immensee

Text adaptation by Irina Solntseva and Ilya Frank

English translation by Olga Tyuleneva

Ilya Frank’s Reading Method

Der Alte

(The Old Man)

An einem Spätherbstnachmittage (one afternoon: «closer to the evening» in the

late autumn: der Nachmittag — afternoon; der Herbst — autumn/fall; spät —

late) ging ein alter, wohlgekleideter Mann (a well-dressed old man was

walking; kleiden — to dress; das Kleid — dress) langsam (slowly) die Straße

hinab (down the street; hinabgehen — to go down). Er schien von einem

Spaziergange nach Hause zurückzukehren (he seemed to be returning: «to

return» home from a walk; scheinen — to seem; der Spaziergang — walk;

spazieren gehen — to walk; to go for a walk); denn (for/as) seine

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Schnallenschuhe (his buckle-shoes: «his shoes with a buckle»; die Schnalle —

buckle; schnallen — to buckle; der Schuh — shoe), die einer

vorübergegangenen Mode angehörten (which belonged to a bygone fashion;

vorübergehen — to pass; vorüber — by; past), waren bestäubt (were covered

with dust; bestäuben — to dust /archaic: to make or become dirty with dust/; to

cover with dust; der Staub — dust). Den langen Rohrstock (a long cane; der

Rohrstock — cane; /walking/ stick/cane; das Rohr — pipe; cane; der Stock —

stick; cane) mit goldenem Knopf (with a golden knob; der Knopf — button;

knob) trug er (carried he; tragen) unter dem Arm (under his arm; der Arm —

arm; = under his arm he carried a long, gold-headed cane); mit seinen

dunklen Augen (/with/ his dark eyes; dunkel; das Auge, die Augen), in welche

sich die ganze verlorene Jugend gerettet zu haben schien (in which all the lost

youth seemed to have escaped; verlieren — to lose; retten — to save; scheinen

— to seem) und welche eigentümlich von den schneeweißen Haaren abstachen

(and which contrasted peculiarly with /his/ snow-white hair; der Schnee —

snow; weiß — white; das Haar, die Haare; von etwas abstechen — to differ

/from/; to contrast /with/), sah er ruhig umher (looked he calmly around;

sehen; die Ruhe — rest; calm; peace) oder in die Stadt hinab (or into the town

below), welche im Abendsonnendufte (which in the haze of the sunset: «the

evening sun»; der Duft — fragrance; aroma; haze; die Sonne — sun; der

Abend — evening) vor ihm lag (lay before him; liegen). — Er schien fast ein

Fremder (he appeared to be almost a stranger); denn von den Vorübergehenden

(for of the passers-by) grüßten ihn nur wenige (only a few greeted him),

obgleich mancher umwillkürlich (although many: «some /Sing./» involuntarily)

in diese ernsten Augen zu sehen gezwungen wurde (were compelled to gaze

into these: «those» grave eyes; zwingen — to compel; to force).

An einem Spätherbstnachmittage ging ein alter, wohlgekleideter Mann

langsam die Straße hinab. Er schien von einem Spaziergange nach Hause

zurückzukehren; denn seine Schnallenschuhe, die einer vorübergegangenen

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Mode angehörten, waren bestäubt. Den langen Rohrstock mit goldenem Knopf

trug er unter dem Arm; mit seinen dunklen Augen, in welche sich die ganze

verlorene Jugend gerettet zu haben schien und welche eigentümlich von den

schneeweißen Haaren abstachen, sah er ruhig umher oder in die Stadt hinab,

welche im Abendsonnendufte vor ihm lag. — Er schien fast ein fremder; denn

von den Vorübergehenden grüßten ihn nur wenige, obgleich mancher

umwillkürlich in diese ernsten Augen zu sehen gezwungen wurde.

Endlich stand er von einem hohen Giebelhause still (at last he stopped before a

high gabled house; stillstehen — to stop; to stand still; hoch — high; der

Giebel — gable; das Giebelhaus — gabled building), sah noch einmal in die

Stadt hinaus (looked out toward the town once more; hinaussehen — to look

out; hinaus — outside; out: «there-out») und trat dann in die Hausdiele (and

then entered the hall/lounge of the house; treten — to tread; to step). Bei dem

Schall der Türglocke (at the sound of the door-bell; der Schall; schallen — to

sound; die Tür — door; die Glockе — bell) wurde drinnen in der Stube von

einem Guckfenster (was inside = in the room in front of the small /observation/

window; gucken — to look; das Fenster — window), welches nach der Diele

hinausging (that looked out: «went out» on to the hall), der grüne Vorhang

weggeschoben (the green curtain moved aside; schieben — to push; to move;

weg — away; off; wegschieben — to push away; to move aside) und das

Gesicht einer alten Frau dahinter sichtbar (and the face of an old woman was

seen: «/became/ visible» behind it; dahinter — /there/ behind; behind it;

sichtbar — visible; die Sicht — view; visibility; = at the sound of the door-bell

some one in the room within drew aside the green curtain from a small window

that looked out on to the hall, and the face of an old woman was seen behind

it). Der Mann winkte ihr mit seinem Rohrstock (the man made a sign to her

with his cane; winken — to signal; to wave). „Noch kein Licht!“ (no light yet =

light is not necessary yet; das Licht) sagte er in einem etwas südlichen Akzent

(he said in a slightly southern accent; der Akzént); und die Haushälterin ließ

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den Vorhang wieder fallen (and the housekeeper let the curtain fall again; die

Haushalt — housekeeping; halten — to hold; fallen lassen — to let fall).

Endlich stand er von einem hohen Giebelhause still, sah noch einmal in die

Stadt hinaus und trat dann in die Hausdiele. Bei dem Schall der Türglocke

wurde drinnen in der Stube von einem Guckfenster, welches nach der Diele

hinausging, der grüne Vorhang weggeschoben und das Gesicht einer alten Frau

dahinter sichtbar. Der Mann winkte ihr mit seinem Rohrstock. „Noch kein

Licht!“ sagte er in einem etwas südlichen Akzent; und die Haushälterin ließ

den Vorhang wieder fallen.

Der Alte ging nun über die weite Hausdiele (the old man passed through the

broad hall of the house), dann durch einen Pesel (then through an inner hall;

der Pesel — /Low German/ a large room for eating and celebrations on the

ground floor of a peasant house), wo große Eichschränke mit Porzellanvasen

an den Wänden standen (wherein against the walls stood big oaken

cabinets/cupboards bearing porcelain vases; die Eiche — oak; der Schrank —

cabinet; cupboard; das Porzellán — porcelain; die Wand, die Wände — wall,

walls); durch die gegenüberstehende Tür trat er (through the door opposite he

entered; treten) in einen kleinen Flur (a small corridor/inner porch), von wo

aus eine enge Treppe (from which a narrow staircase; von wo aus — from

where) zu den oberen Zimmern des Hinterhauses führte (led to the upper

rooms at the back of the house; das Zimmer, die Zimmer; das Hinterhaus —

rear/back building; outhouse; hinter — behind). Er stieg sie langsam hinauf

(he climbed them = the stairs slowly; hinaufsteigen — to ascend; to climb up;

hinauf — up; upward: «there-up»), schloss oben eine Tür auf (unlocked a door

at the top; schließen — to close; aufschließen — to open) und trat dann in ein

mäßig großes Zimmer (and entered then a room of medium size: «moderately

big»).

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Der Alte ging nun über die weite Hausdiele, dann durch einen Pesel, wo große

Eichschränke mit Porzellanvasen an den Wänden standen; durch die

gegenüberstehende Tür trat er in einen kleinen Flur, von wo aus eine enge

Treppe zu den oberen Zimmern des Hinterhauses führte. Er stieg sie langsam

hinauf, schloss oben eine Tür auf und trat dann in ein mäßig großes Zimmer.

Hier war es heimlich und still (it was comfortable and quiet here); die eine

Wand fast mit Repositorien und Bücherschränken bedeckt (оne of the walls

was covered = lined with stacks/shelves and bookcases; der Schrank, die

Schränke — cabinet; cupboard; bedecken — to cover); an der anderen hingen

Bilder von Menschen und Gegenden (on the other hung pictures of men and

places; hängen — to hang; das Bild — picture; die Gegend — place; area); vor

einem Tische mit grüner Decke (before one table with a green tablecloth; der

Tisch), auf dem einzelne aufgeschlagene Bücher umherlagen (on which a

number of/some open books lay; aufschlagen — to open; umherliegen — to lie

in disarray; to lie in a mess; umher — round; around), stand ein schwerfälliger

Lehnstuhl mit rotem Sammetkissen (stood a clumsy arm-chair with a red

velvet cushion; der Stuhl — chair; sich lehnen — to lean; das Kissen —

cushion; der Sammet = Samt — velvet). — Nachdem der Alte Hut und Stock in

die Ecke gestellt hatte (after the old man had placed his hat and stick in a

corner; der Hut; der Stock), setzte er sich in den Lehnstuhl (he sat down in the

arm-chair) und schien mit gefalteten Händen von seinem Spaziergange

auszuruhen (and, folding his hands: «with folded hands», seemed to be taking

his rest after his walk; scheinen — to seem; der Spaziergang — walk;

spazieren gehen — to go for a walk).

Hier war es heimlich und still; die eine Wand fast mit Repositorien und

Bücherschränken bedeckt; an der anderen hingen Bilder von Menschen und

Gegenden; vor einem Tische mit grüner Decke, auf dem einzelne

aufgeschlagene Bücher umherlagen, stand ein schwerfälliger Lehnstuhl mit

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rotem Sammetkissen. — Nachdem der Alte Hut und Stock in die Ecke gestellt

hatte, setzte er sich in den Lehnstuhl und schien mit gefalteten Händen von

seinem Spaziergange auszuruhen.

Wie er so saß (as = while he sat thus; sitzen), wurde es allmählich dunkler (it

was growing gradually darker; dunkel); endlich fiel ein Mondstrahl durch die

Fensterscheiben auf die Gemälde an der Wand (finally a moonbeam came

streaming through the window-panes and upon the pictures on the wall; fallen

— to fall; der Mond — moon; der Strahl — beam; die Fensterscheibe —

window glass/pane; das Gemälde — painting), und wie der helle Streif

langsam weiterrückte (and as the bright band of light passed slowly onward;

weiterrücken — to go onward/s/), folgten die Augen des Mannes

umwillkürlich (the old man followed it involuntarily with his eyes: «the man’s

eyes followed /it/ involuntarily»; die Willkür — selfwill). Nun trat er über ein

kleines Bild in schlichtem schwarzem Rahmen (and now it /the bright band of

light/ reached: «stepped through» a little picture in a simple black frame; treten

— to tread; to step). „Elisabeth!“ sagte der Alte leise (said the old man

softly/quietly); und wie er das Wort gesprochen (and as /soon/ he uttered the

word; sprechen — to speak), war die Zeit verwandelt (time had changed: «time

was transformed») —; er war in seiner Jugend (he was young again: «he was

in his youth»).

Wie er so saß, wurde es allmählich dunkler; endlich fiel ein Mondstrahl durch

die Fensterscheiben auf die Gemälde an der Wand, und wie der helle Streif

langsam weiterrückte, folgten die Augen des Mannes umwillkürlich. Nun trat

er über ein kleines Bild in schlichtem schwarzem Rahmen. „Elisabeth!“ sagte

der Alte leise; und wie er das Wort gesprochen, war die Zeit verwandelt —; er

war in seiner Jugend.

Die Kinder

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(The Children)

Bald trat die anmutige Gestalt eines kleinen Mädchens zu ihm (soon a graceful

figure of a little girl approached him; treten — to tread; to step). Sie hieß

Elisabeth (her name was Elisabeth: «she /was/ called…»; heißen) und mochte

fünf Jahre zählen (she might have been five years old: «she counted»…; mögen

— might /expresses assumption/); er selbst war doppelt so alt (he himself was

twice that age: «as old»). Um den Hals trug sie ein rotseidenes Tüchelchen

(round /her/ neck she wore a red silk kerchief; tragen — to wear; das Tuch —

kerschief); das ließ ihr hübsch zu den braunen Augen (it was very becoming to

her brown eyes; hübsch — beautiful; nice; sweet; lassen — here: to become).

„Reinhard!“ rief sie (she cried; rufen — to cry; to call), „wir haben frei, frei

(we have a holiday, a holiday: «we are free, free»; frei haben — to have free

time, a day off)! Den ganzen Tag keine Schule (no school the whole day: «the

whole day no school») und morgen auch nicht (and none to-morrow either).“

Bald trat die anmutige Gestalt eines kleinen Mädchens zu ihm. Sie hieß

Elesabeth und mochte fünf Jahre zählen; er selbst war doppelt so alt. Um den

Hals trug sie ein rotseidenes Tüchelchen; das ließ ihr hübsch zu den braunen

Augen.

„Reinhard!“ rief sie, „wir haben frei, frei! Den ganzen Tag keine Schule und

morgen auch nicht.“

Reinhard stellte die Rechentafel (Reinhard put the slate; die Rechentafel —

slate /for counting/; rechnen — to compute; to calculate), die er schon unterm

Arm hatte (that he already had had = was carrying under his arm; der Arm),

flink hinter die Haustür (quickly behind the door; flink — quickly; nimbly), und

dann liefen beide Kinder durchs Haus in den Garten (and then both children

ran through the house into the garden; laufen — to run; to walk) und durch die

Gartenpforte hinaus auf die Wiese (and through the garden gate out into the

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meadow; hinaus — outside; out). Die unverhofften Ferien kamen ihnen

herrlich zustatten (the unexpected holiday came to them at a most happily

opportune moment = was very apropos; unverhofft — unexpected; unforeseen;

hoffen — to hope; herrlich — splendidly; zustatten kommen — to come

opportunely). Reinhard hatte hier mit Elisabeths Hilfe ein Haus aus

Rasenstücken aufgeführt (Reinhard, with Elisabeth's help, had built here a

house out of sods of grass; das Rasenstück — patch of grass; der Rasen —

/short dense/ grass; herbage; lawn; grass plot; aufführen — to build); darin

wollten sie die Sommerabende wohnen (they meant to live in it during the

summer evenings = to spend summer evenings); aber es fehlte noch die Bank

(but it still lacked = wanted a bench). Nun ging er gleich an die Arbeit (he set

to work at once); Nägel; Hammer und die nötigen Bretter lagen schon bereit

(nails, hammer, and the necessary boards were already lying ready; der Nagel;

der Hammer; liegen — to lie).

Reinhard stellte die Rechentafel, die er schon unterm Arm hatte, flink hinter

die Haustür, und dann liefen beide Kinder durchs Haus in den Garten und

durch die Gartenpforte hinaus auf die Wiese. Die unverhofften Ferien kamen

ihnen herrlich zustatten. Reinhard hatte hier mit Elisabeths Hilfe ein Haus aus

Rasenstücken aufgeführt; darin wollten sie die Sommerabende wohnen; aber es

fehlte noch die Bank. Nun ging er gleich an die Arbeit; Nägel; Hammer und

die nötigen Bretter lagen schon bereit.

Währenddessen ging Elisabeth an dem Wall entlang (meanwhile Elisabeth

went along the dyke/bank; der Wall — dike/dyke; bank) und sammelte den

ringförmigen Samen der wilden Malve in ihre Schürze (and gathered the ring-

shaped seeds of the wild mallow in her apron); davon wollte sie sich Ketten

und Halsbänder machen (out of them she wanted to make herself chains and

necklaces; davon — of it; of him; of her; of them; die Kette — chain; das

Halsband — necklace: «neck band»); und als Reinhard endlich (and when

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Reinhard at last) trotz manches krumm geschlagenen Nagels (in spite of

several crookedly hammered nails; schlagen — to beat; to strike) seine Bank

dennoch zustande gebracht hatte (had finished his bench; dennoch —

nevertheless; zustande bringen — to complete) und nun wieder in die Sonne

hinaustrat (and came out into the sunlight again; hinaustreten — to go out: «to

tread/to step» outside/out), ging sie schon weit davon am anderen Ende der

Wiese (she was already wandering/going far away from him: «from this» at the

other end of the meadow; das Ende).

Währenddessen ging Elisabeth an dem Wall entlang und sammelte den

ringförmigen Samen der wilden Malve in ihre Schürze; davon wollte sie sich

Ketten und Halsbänder machen; und als Reinhard endlich trotz manches

krumm geschlagenen Nagels dennoch zustande gebracht hatte und nun wieder

in die Sonne hinaustrat, ging sie schon weit davon am anderen Ende der Wiese.

„Elisabeth!“ rief er (he called), „Elisabeth“, und da kam sie (and here she

came; da — here/there), und ihre Locken flogen (and her locks were flying =

streaming behind her; fliegen — to fly). „Komm (come /here/)“, sagte er (he

said), „nun ist unser Haus fertig (our house is ready = finished now). Du bist ja

ganz heiß geworden (why, you have got quite hot; heiß werden — to get hot:

«to become hot»); komm herein (come in: «come here-in»), wir wollen uns auf

die neue Bank setzen (let us sit: «we want to sit» on the new bench). Ich erzähl

dir etwas (I will tell you something)“.

„Elisabeth!“ rief er, „Elisabeth“, und da kam sie, und ihre Locken flogen.

„Komm“, sagte er, „nun ist unser Haus fertig. Du bist ja ganz heiß geworden;

komm herein, wir wollen uns auf die neue Bank setzen. Ich erzähl dir etwas.“

Dann gingen sie beide hinein (then they both went in; hinein — there-in) und

setzten sich auf die neue Bank (and sat down on the new bench). Elisabeth

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nahm ihre Ringelchen aus der Schürze (Elisabeth took the little /seed-/rings out

of her apron; nehmen; der Ring — ring) und zog sie auf lange Bindfäden (and

strung them on long strings/threads; ziehen — to draw, to pull; to string; to

thread; der Bindfaden — string; thread; binden — to bind; der Faden —

thread); Reinhard fing an zu erzählen (Reinhard began to tell /his tale/;

anfangen — to begin): „Es waren einmal drei Spinnfrauen“ (there were once

upon a time three spinning-women...; spinnen — to spin) —“

„Ach“, sagte Elisabeth, „das weiß ich ja auswendig (/but/ I know that off by

heart); du musst auch nicht immer dasselbe erzählen (you really must not

always tell me the same /story/).“

Dann gingen sie beide hinein und setzten sich auf die neue Bank. Elisabeth

nahm ihre Ringelchen aus der Schürze und zog sie auf lange Bindfäden;

Reinhard fing an zu erzählen: „Es waren einmal drei Spinnfrauen —“

„Ach“, sagte Elisabeth, „das weiß ich ja auswendig; du musst auch nicht

immer dasselbe erzählen.“

Da musste Reinhard die Geschichte von den drei Spinnfrauen stecken lassen

(accordingly/then Reinhard had to give up the story of the three spinning-

women; stecken lassen — to let stuck; to give up; stecken — to stick out; to

be), und statt dessen erzählte er die Geschichte von dem armen Mann (and tell

instead the story of the poor man), der in die Löwengrube geworfen war (who

was cast into the den of lions; der Löwe — lion; die Grube — pit; hole;

werfen).

„Nun war es Nacht (it was now night; nun — now)“, sagte er, „weißt du (you

know)? Ganz finstere (quite dark/black /night/; finster — dark), und die Löwen

schliefen (and the lions were asleep; schlafen). Mitunter aber gähnten sie im

Schlaf (every now and then/but sometimes they would yawn in their sleep; der

Schlaf) und reckten die roten Zungen aus (and shoot out /their/ red tongues; die

Zunge); dann schauderte der Mann (then the man would shudder) und meinte,

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dass der Morgen komme (and think it was morning: «thought morning came»).

Da warf es um ihn her auf einmal einen hellen Schein (all at once a bright light

fell all about him; auf einmal — all at once), und als er aufsah (and when he

looked up), stand ein Engel vor ihm (an angel was standing in front of him;

stehen). Der winkte ihm mit der Hand (he beckoned to him with his hand) und

ging dann gerade in die Felsen hinein (and then went straight into the rocks;

der Fels).“

Da musste Reinhard die Geschichte von den drei Spinnfrauen stecken lassen,

und statt dessen erzählte er die Geschichte von dem armen Mann, der in die

Löwengrube geworfen war.

„Nun war es Nacht“, sagte er, „weißt du? Ganz finstere, und die Löwen

schliefen. Mitunter aber gähnten sie im Schlaf und reckten die roten Zungen

aus; dann schauderte der Mann und meinte, dass der Morgen komme. Da warf

es um ihn her auf einmal einen hellen Schein, und als er aufsah, stand ein

Engel vor ihm. Der winkte ihm mit der Hand und ging dann gerade in die

Felsen hinein.“

Elisabeth hatte aufmerksam zugehört (Elisabeth had been listening attentively).

„Ein Engel (an angel)?“ sagte sie. „Hatte er denn Flügel (had he wings then;

der Flügel)?“

„Es ist nur so eine Geschichte (it is only/just a story)“, antwortete Reinhard

(answered Reinhard) „es gibt ja gar keine Engel (there are no angels /at all/)“.

„O pfui, Reinhard (oh, fie, Reinhard)!“ sagte sie und sah ihm starr ins Gesicht

(and stared him straight in the face; starr — fixed; stiff). Als er sie aber finster

anblickte (but when he looked at her gloomily), fragte sie ihn zweifelnd (she

asked him dubiously: «doubting»; zweifeln — to doubt; der Zweifel — doubt):

„Warum sagen die es denn immer (why do they always say this)? Mutter und

Tante und auch in der Schule (mother, and aunt, and at school as well)“.

„Das weiß ich nicht (I don't know)“, antwortete er (he answered).

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Elisabeth hatte aufmerksam zugehört. „Ein Engel?“ sagte sie. „Hatte er denn

Flügel?“

„Es ist nur so eine Geschichte“, antwortete Reinhard; „es gibt ja gar keine

Engel“.

„O pfui, Reinhard!“ sagte sie und sah ihm starr ins Gesicht. Als er sie aber

finster anblickte, fragte sie ihn zweifelnd: „Warum sagen die es denn immer?

Mutter und Tante und auch in der Schule“.

„Das weiß ich nicht“, antwortete er.

„Aber du (but, then /listen/)“, sagte Elisabeth, „gibt es denn auch keine Löwen

(and are there no lions either)?“

„Löwen? Ob es Löwen gibt (are there lions)! In Indien, da spannen die

Götzenpriester sie vor den Wagen (in India, the heathen/pagan priests harness

them to their carriages: «in front of the carriages»; spannen — to strain; to

harness; der Götze — idol; der Wagen) und fahren mit ihnen durch die Wüste

(and drive about the desert: «through the desert» with them). Wenn ich groß

bin (when I'm big), will ich einmal selber hin (I mean to go out there myself

one day: «I want there myself»; hin — there, that way). Da ist es

vieltausendmal schöner als hier bei uns (it is thousands of times more beautiful

in that country than it is here); da gibt es gar keinen Winter (there's no winter at

all there). Du musst auch mit mir (you must /come/ with me too). Willst du

(will you: «do you want»)?“

„Ja“, sagte Elisabeth, „aber Mutter muss dann auch mit und deine Mutter auch

(but mother must /come/ with us, and your mother as well)“.

„Nein“, sagte Reinhard, „die sind dann zu alt, die können nicht mit (they will

be too old then, and cannot /come/ with us).“

„Ich darf aber nicht allein (but I mayn't go by myself; allein — alone)“.

„Du sollst schon dürfen (you should be allowed); du wirst dann wirklich meine

Frau (you will then really be my wife; wirklich — really), und dann haben die

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anderen dir nichts zu befehlen (and the others will have no say in the matter:

«will not be able to command to you»).“

„Aber du“, sagte Elisabeth, „gibt es denn auch keine Löwen?“

„Löwen? Ob es Löwen gibt! In Indien, da spannen die Götzenpriester sie vor

den Wagen und fahren mit ihnen durch die Wüste. Wenn ich groß bin, will ich

einmal selber hin. Da ist es vieltausendmal schöner als hier bei uns; da gibt es

gar keinen Winter. Du musst auch mit mir. Willst du?“

„Ja“, sagte Elisabeth, „aber Mutter muss dann auch mit und deine Mutter

auch“.

„Nein“, sagte Reinhard, „die sind dann zu alt, die können nicht mit“.

„Ich darf aber nicht allein“.

„Du sollst schon dürfen; du wirst dann wirklich meine Frau, und dann haben

die anderen dir nichts zu befehlen.“

„Aber meine Mutter wird weinen (but my mother will cry).“

„Wir kommen ja wieder (we shall come back again yes/of course;

wiederkommen — to come back: «to come again»)“, sagte Reinhard heftig

(said Reinhard impetuously; heftig — violent; strong; abrupt); „sag es nur

gerade heraus (now just tell me straight out; heraus — out: «here-out»), willst

du mit mir reisen (will you go with me; reisen — to travel)? Sonst gehe ich

allein (if not: «otherwise», I will go /all/ alone) und dann komme ich nimmer

wieder (and then I shall never come back again).“

Der Kleinen kam das Weinen nahe (the little girl came very near to crying: «to

the little girl came crying close»). „Mach nur nicht so böse Augen (please don't

look so angry: «don’t make so angry eyes»)“, sagte sie, „ich will ja mit nach

Indien (I will go to India with you: «I /do/ want to go to India»).“

„Aber meine Mutter wird weinen.“

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„Wir kommen ja wieder“, sagte Reinhard heftig; „sag es nur gerade heraus,

willst du mit mir reisen? Sonst gehe ich allein; und dann komme ich nimmer

wieder.“

Der Kleinen kam das Weinen nahe. „Mach nur nicht so böse Augen“, sagte sie,

„ich will ja mit nach Indien.“

Reinhard fasste sie mit ausgelassener Freude bei beiden Händen (Reinhard

seized/grabbed both her hands with frantic glee; ausgelassen — playful;

vivacious; boisterous; unrestrained: «unloosened», ausgelassene Fröhlichkeit

— boisterous merriment) und zog sie hinaus auf die Wiese (and rushed out

with her: «pulled her» into the meadow; ziehen). „Nach Indien, nach Indien“,

sang er und schwenkte sich mit ihr im Kreise (he sang, and swung her round

and round: «round in circles»; singen — to sing; schwenken — to swing; sich

im Tanze schwenken — to swing/sway/whirl in the dance; to poussette; der

Kreis — circle), dass ihr das rote Tüchelchen vom Halse flog (so that her: «to

her» little red kerchief flew from her neck; der Hals; fliegen — to fly). Dann

aber ließ er sie plötzlich los (but then he suddenly let her go; loslassen) und

sagte ernst (and said earnestly/solemnly): „Es wird doch nichts daraus werden

(there is nothing to be of it); du hast keine Courage (you have no courage).“

— „Elisabeth! Reinhard!“ rief es jetzt von der Gartenpforte (/some one/ was

now calling from the garden gate). „Hier! Hier (here /we are/)!“ antworteten

die Kinder und sprangen Hand in Hand nach Hause (the children answered,

and raced: «sprang» home hand in hand; springen — to spring; to jump; to

leap).

Reinhard fasste sie mit ausgelassener Freude bei beiden Händen und zog sie

hinaus auf die Wiese. „Nach Indien, nach Indien“, sang er und schwenkte sich

mit ihr im Kreise, dass ihr das rote Tüchelchen vom Halse flog. Dann aber ließ

er sie plötzlich los und sagte ernst: „Es wird doch nichts daraus werden; da hast

keine Courage.“

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— „Elisabeth! Reinhard!“ rief es jetzt von der Gartenpforte. „Hier! Hier!“

antworteten die Kinder und sprangen Hand in Hand nach Hause.

Im Walde

(In the Woods)

So lebten die Kinder zusammen (so the children lived together); sie war ihm

oft zu still (she was often too quiet for him), er war ihr oft zu heftig (and he

was often too impetuous/head-strong for her), aber sie ließen deshalb nicht

voneinander (but for all that they wouldn‘t part with each other; von etwas

lassen — give up smth; to abandon smth; to leave smth; to part with smth); fast

alle Freistunden teilten sie (they spent nearly all their leisure hours together:

«they shared…»), winters in den beschränkten Zimmern ihrer Mütter (in

winter in their mothers' tiny/small rooms; beschränken — to confine; to

restrict; to limit), sommers in Busch und Feld (during the summer in wood and

field; der Busch — bush; shrub; das Feld). — Als Elisabeth einmal in

Reinhards Gegenwart von dem Schullehrer gescholten wurde (once when

Elisabeth was scolded by the teacher in Reinhard's hearing/presence; die

Gegenwart; schelten — to scold, wurde gescholten — was scolded), stieß er

seine Tafel zornig auf den Tisch (he angrily banged his slate upon the table;

stoßen — to push; der Zorn — anger), um den Eifer des Mannes auf sich zu

lenken (in order to turn upon himself the man's zeal; lenken — to direct, to

turn). Es wurde nicht bemerkt (this failed to attract attention: «it wasn't

noticed»).

So lebten die Kinder zusammen; sie war ihm oft zu still, er war ihr oft zu

heftig, aber sie ließen deshalb nicht voneinander; fast alle Freistunden teilten

sie, winters in den beschränkten Zimmern ihrer Mütter, sommers in Busch und

Feld. — Als Elisabeth einmal in Reinhards Gegenwart von dem Schullehrer

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gescholten wurde, stieß er seine Tafel zornig auf den Tisch, um den Eifer des

Mannes auf sich zu lenken. Es wurde nicht bemerkt.

Aber Reinhard verlor alle Aufmerksamkeit auf den geographischen Vorträgen

(but Reinhard paid no further attention to the geography lessons: «reports»;

verlieren — to lose; der Vortrag, die Vorträge); statt dessen verfasste er ein

langes Gedicht (and instead he composed a long poem; verfassen — to

compose); darin verglich er sich selbst mit einem jungen Adler (in which: «it»

he compared himself to a young eagle; vergleichen — to compare; gleich —

like; similar; der Adler), den Schulmeister mit einer grauen Krähe (the

schoolmaster to a grey crow), Elisabeth war die weiße Taube (and Elisabeth

was a white dove); der Adler gelobte, an der grauen Krähe Rache zu nehmen

(the eagle vowed vengeance on the grey crow; an jemandem Rache nehmen —

revenge oneself /upon smb for/: «take vengeance /on smb for/»), sobald ihm

die Flügel gewachsen sein würden (as soon as his wings had grown; der

Flügel). Dem jungen Dichter standen die Tränen in den Augen (tears stood in

the young poet's eyes; die Träne — tear); er kam sich sehr erhaben vor (he felt

very exalted of himself; vorkommen — to seem). Als er nach Hause gekommen

war (when he returned home), wusste er sich einen kleinen Pergamentband mit

vielen weißen Blättern zu verschaffen (he contrived to get hold of a little

parchment-bound volume with a lot of blank: «white» pages in it; wissen zu +

Infinitiv — to manage; to succeed; das Blatt, die Blätter — leaf; sheet); auf die

ersten Seiten schrieb er mit sorgsamer Hand sein erstes Gedicht (on the first

pages he elaborately/carefully wrote out his first poem: «wrote out with his

careful hand»; die Seite; schreiben). —

Aber Reinhard verlor alle Aufmerksamkeit auf den geographischen Vorträgen;

statt dessen verfasste er ein langes Gedicht; darin verglich er sich selbst mit

einem jungen Adler, den Schulmeister mit einer grauen Krähe, Elisabeth war

die weiße Taube; der Adler gelobte, an er grauen Krähe Rache zu nehmen,

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sobald ihm die Flügel gewachsen sein würden. Dem jungen Dichter standen

die Tränen in den Augen; er kam sich sehr erhaben vor. Als er nach Hause

gekommen war, wusste er sich einen kleinen Pergamentband mit vielen weißen

Blättern zu verschaffen; auf die ersten Seiten schrieb er mit sorgsamer Hand

sein erstes Gedicht. —

Bald darauf kam er in eine andere Schule (soon after this he went to another

school); hier schloss er manche neue Kameradschaft mit Knaben seines Alters

(here he made: «concluded» many new friendships among boys of his own

age; schließen — to lock; to shut; to conclude /an agreement/; der Kamerád —

comrade; der Knabe; das Alter); aber sein Verkehr mit Elisabeth wurde

dadurch nicht gestört (but this did not interrupt his comings and goings with

Elisabeth: «his intercourse/communication was not disrupted by this»; dadurch

— thereby; thus; stören — to impede; to disturb; to interfere). Von den

Märchen, welche er ihr sonst erzählt und wieder erzählt hatte (of the stories

which he had formerly told her over and over again; das Märchen), fing er jetzt

an (he now began: «began he now»; anfangen — to begin), die, welche ihr am

besten gefallen hatten (the ones which she had liked best), aufzuschreiben (to

write down); dabei wandelte ihn oft die Lust an (and in doing so the fancy

often took him), etwas von seinen eigenen Gedanken hineinzudichten (to

weave in something of his own thoughts; der Gedanke; hinein — «there-in»);

aber er wusste nicht weshalb (yet, for some reason he could not understand:

«but he didn’t know why»), er konnte nicht dazu gelangen (he could never

manage it; gelangen — to reach). So schrieb er sie genau auf (so he wrote them

down exactly; aufschreiben — to write down), wie er sie selber gehört hatte (as

he had heard them himself). Dann gab er die Blätter an Elisabeth (then he

handed the sheets over to Elisabeth), die sie in einem Schulfach ihrer Schatulle

sorgfältig aufbewahrte (who kept them carefully in a /school/ drawer of her

writing-desk: «box/case»; das Fach — box; case; aufbewahren — to keep; to

preserve; to store); und es gewährte ihm eine anmutige Befriedigung (and it

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granted/afforded him agreeable: «graceful» satisfaction; anmutig — graceful;

die Anmut — grace; befriedigen — to satisfy; to please), wenn er sie mitunter

abends diese Geschichten in seiner Gegenwart (when he /heard/ her sometimes

in the evenings these stories in his presence = when he was present) aus den

von ihm geschriebenen Heften ihrer Mutter vorlesen hörte (out of the

notebooks in which he had written them reading aloud to her mother; das Heft,

die Hefte).

Bald darauf kam er in eine andere Schule; hier schloss er manche neue

Kameradschaft mit Knaben seines Alters; aber sein Verkehr mit Elisabeth

wurde dadurch nicht gestört. Von den Märchen, welche er ihr sonst erzählt und

wieder erzählt hatte, fing er jetzt an, die, welche ihr am besten gefallen hatten,

aufzuschreiben; dabei wandelte ihn oft die Lust an, etwas von seinen eigenen

Gedanken hineinzudichten; aber er wusste nicht weshalb, er konnte nicht dazu

gelangen. So schrieb er sie genau auf, wie er sie selber gehört hatte. Dann gab

er die Blätter an Elisabeth, die sie in einem Schulfach ihrer Schatulle sorgfältig

aufbewahrte; und es gewährte ihm eine anmutige Befriedigung, wenn er sie

mitunter abends diese Geschichten in seiner Gegenwart aus den von ihm

geschriebenen Heften ihrer Mutter vorlesen hörte.

Sieben Jahre waren vorüber (seven years had gone by; vorüber — past; by;

vorüber sein — to go by). Reinhard sollte zu seiner weiteren Ausbildung die

Stadt verlassen (Reinhard was to leave the town in order to proceed to his

further = higher education). Elisabeth konnte sich nicht in den Gedanken

finden (Elisabeth could not bring herself to think: «could not find herself into

the thought»; der Gedanke), dass es nun eine Zeit ganz ohne Reinhard geben

werde (that there would now be a time to be passed entirely without Reinhard:

«would be quite a while now without Reinhard»). Es freute sie (she was

delighted: «it delighted her»), als er ihr eines Tages sagte (when he told her

once), er werde, wie sonst (/that/ he would as before), Märchen für sie

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aufschreiben (continue to write out stories for her); er wolle sie ihr mit den

Briefen an seine Mutter schicken (/that/ he would send them to her in the

letters to his mother; der Brief, die Briefe); sie müsse ihm dann

wiederschreiben (and then she would have to write back to him), wie sie ihr

gefallen hätten (/and tell him/ how she liked them). Die Abreise rückte heran

(the day of departure was approaching; heranrücken — to move; to draw

nearer; to come up; to approach; heran — «here-to»; rücken — to move, to set

in motion, to set going); vorher aber kam noch mancher Reim in den

Pergamentband (but ere it came a good deal more poetry: «rhymes» found its

way into the parchment-bound volume). Das allein war für Elisabeth ein

Geheimnis (but that in itself was a secret for Elisabeth; das Geheimnis —

mystery; secret; geheim — secret), obgleich sie die Veranlassung zu dem

ganzen Buche und zu den meisten Liedern war (although she herself had

inspired: «she was the cause of» the whole book and most of the songs;

veranlassen — to cause; der Anlass — occasion, pretext; cause, reason; das

Buch; das Lied, die Lieder), welche nach und nach fast die Hälfte der weißen

Blätter gefüllt hatten (which gradually had filled up almost half of the blank:

«white» pages; nach und nach — gradually; little by little; nach — after).

Sieben Jahre waren vorüber. Reinhard sollte zu seiner weiteren Ausbildung die

Stadt verlassen. Elisabeth konnte sich nicht in den Gedanken finden, dass es

nun eine Zeit ganz ohne Reinhard geben werde. Es freute sie, als er ihr eines

Tages sagte, er werde, wie sonst, Märchen für sie aufschreiben; er wolle sie ihr

mit den Briefen an seine Mutter schicken; sie müsse ihm dann

wiederschreiben, wie sie ihr gefallen hätten. Die Abreise rückte heran; vorher

aber kam noch mancher Reim in den Pergamentband. Das allein war für

Elisabeth ein Geheimnis, obgleich sie die Veranlassung zu dem ganzen Buche

und zu den meisten Liedern war, welche nach und nach fast die Hälfte der

weißen Blätter gefüllt hatten.

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Es war im Juni (it was in June); Reinhard sollte am andern Tag reisen (/and/

Reinhard was to leave/start on the following day). Nun wollte man noch

einmal einen festlichen Tag zusammen begehen (now they wanted to once

again celebrate a festive day together; das Fest — feast; /festive/ occasion).

Dazu wurde eine Landpartie (for this a picnic was; die Landpartie — picnic;

outing) nach einer der nahe belegenen Holzungen in größerer Gesellschaft

veranstaltet (in one of the nearby groves/forests organized in a fairly large

company; die Gesellschaft — company; veranstalten — to organize; to

arrange). Der stundenlange Weg bis an den Saum des Waldes wurde zu

Wagen zurückgelegt (it was an hour's drive along the road to the edge of the

forest: «the hour-long journey to the edge of the forest was covered in

carriages»; zurücklegen — to cover; to put back/aside); dann nahm man die

Proviantkörbe herunter und marschierte weiter (then they took down the food

baskets /from the carriages/ and walked the rest of the way; der Korb —

basket; herunternehmen — to take off: «take down»; herunter — «here-

down»). Ein Tannengehölz musste zuerst durchwandert werden (the road lay

first of all through a fir grove: «fir grove had to be passed»; die Tanne —

spruce; fir; fir tree; das Gehölz — lignosa; forest cover; grove; small wood);

es war kühl und dämmerig (it was cool and darksome) und der Boden überall

mit feinen Nadeln bestreut (and the ground was all strewed with fine/thin

needles; die Nadel). Nach halbstündigem Wandern (after half an hour's walk;

eine halbe Stunde — half an hour; das Wandern; wandern — to wander) kam

man aus dem Tannendunkel in eine frische Buchenwaldung (/they/ passed out

of the gloom of the fir trees into a bright fresh beech forest; das Dunkel —

darkness; die Buche — beech); hier war alles licht und grün (here everything

was light and green), mitunter brach ein Sonnenstrahl durch die blätterreichen

Zweige (every here and there a sunbeam burst through the leafy branches;

brechen — to break; to burst; die Sonne — sun; der Strahl — beam; reich —

rich; der Zweig — branch); ein Eichkätzchen sprang über ihren Köpfen von

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Ast zu Ast (and /high/ above their heads a squirrel was leaping from branch to

branch; das Eichkätzchen = das Eichhörnchen; springen; der Kopf, die Köpfe;

der Ast, die Äste — bough; branch). —

Es war im Juni; Reinhard sollte am andern Tag reisen. Nun wollte man noch

einmal einen festlichen Tag zusammen begehen. Dazu wurde eine Landpartie

nach einer der nahe belegenen Holzungen in größerer Gesellschaft veranstaltet.

Der stundenlange Weg bis an den Saum des Waldes wurde zu Wagen

zurückgelegt; dann nahm man die Proviantkörbe herunter und marschierte

weiter. Ein Tannengehölz musste zuerst durchwandert werden; es war kühl und

dämmerig und der Boden überall mit feinen Nadeln bestreut. Nach

halbstündigem Wandern kam man aus dem Tannendunkel in eine frische

Buchenwaldung; hier war alles licht und grün, mitunter brach ein Sonnenstrahl

durch die blätterreichen Zweige; ein Eichkätzchen sprang über ihren Köpfen

von Ast zu Ast. —

Auf einem Platze, über welchen uralte Buchen mit ihren Kronen zu einem

durchsichtigen Laubgewölbe zusammenwuchsen (at a certain spot, over which

the topmost branches of ancient beech trees interwove a transparent canopy of

leaves; die Krone; das Laub — leaves; leafage; zusammenwachsen — to

coalesce), machte die Gesellschaft halt (the party came to a halt; haltmachen —

to come to a halt; halt! — halt; halten — to halt). Elisabeths Mutter öffnete

einen der Körbe (Elisabeth's mother opened one of the baskets); ein alter Herr

warf sich zum Proviantmeister auf (/and/ an old gentleman constituted himself

quartermaster; sich zu etwas aufwerfen — to assume a role; to perform the part

of; das Proviánt). „Alle um mich herum, ihr jungen Vögel (round me, all of

you young people: «young birds»; der Vogel, die Vögel — bird)! rief er (he

called), „und merket genau, was ich euch zu sagen habe (and attend: «notice»

carefully to what I have to say to you). Zum Frühstück erhält jetzt ein jeder von

euch zwei trockene Wecken (for breakfast each one of you will now get two

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dry rolls; erhalten — to receive; to get; trocken — dry; die Wecke — roll); die

Butter ist zu Hause geblieben (the butter has been left /behind/ at home;

bleiben), die Zukost müsst ihr euch selber suchen (the extras/appetizers every

one must find for himself). Es stehen genug Erdbeeren im Walde (there are

plenty of strawberries in the wood; die Erdbeere — strawberry: «earth berry»;

die Erde — earth; die Beere — berry), das heißt (that is/I would like to say: «it

means»), für den, der sie zu finden weiß (for anyone who knows where to find

them: «for those who know how…..»). Wer ungeschickt ist, muss sein Brot

trocken essen (unless you are sharp, you'll have to eat dry bread: «who is

awkward/clumsy must eat his bread dry»; ungeschickt — awkward; clumsy;

trocken — dry); so geht es überall im Leben (that's the way of the world all

over: «so it goes everywhere in life»; das Leben). Habt ihr meine Rede

begriffen (have you understood my words: «my speech»; begreifen — to

comprehend; to grasp; greifen — to grab; to grip)?“

„Jawohl (yes/sure; ja — yes; wohl — well; indeed)!“ riefen die Jungen (cried

the young /folks/; rufen).

Auf einem Platze, über welchen uralte Buchen mit ihren Kronen zu einem

durchsichtigen Laubgewölbe zusammenwuchsen, machte die Gesellschaft halt.

Elisabeths Mutter öffnete einen der Körbe; ein alter Herr warf sich zum

Profiantenmeister auf. „Alle um mich herum, ihr jungen Vögel!“ rief er, „und

merket genau, was ich euch zu sagen habe. Zum Frühstück erhält jetzt ein jeder

von euch zwei trockene Wecken; die Butter ist zu Hause geblieben, die Zukost

müsst ihr euch selber suchen. Es stehen genug Erdbeeren im Walde, das heißt,

für den, der sie zu finden weiß. Wer ungeschickt ist, muss sein Brot trocken

essen; so geht es überall im Leben. Habt ihr meine Rede begriffen?“

„Jawohl!“ riefen die Jungen.

„Ja seht (yes/well, but look here)“, sagte der Alte, „sie ist aber noch nicht zu

Ende (I have not done yet; zu Ende sein — to end: «be by the end»). Wir Alten

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haben uns im Leben schon genug umhergetrieben (we old folks have done

enough roaming about in our time; sich umhertreiben — to wander; to hang

around; umher — around; about; treiben — to drive); darum bleiben wir jetzt

zu Haus (and therefore we will stay at home now), das heißt (that is: «it

means»), hier unter diesen breiten Bäumen (here, under these wide-spreading

trees; der Baum, die Bäume), und schälen die Kartoffeln (and we'll peel the

potatoes; die Kartoffel — potato) und machen Feuer (and make a fire; das

Feuer) und rüsten die Tafel (and lay the festive table; rüsten — to equip; to

prepare; die Tafel rüsten — to prepare a festive table; die Tafel — board;

/dinner/ table), und wenn die Uhr zwölf ist (and by twelve o'clock), sollen auch

die Eier gekocht werden (the eggs shall be boiled; das Ei). Dafür seid ihr uns

von euren Erdbeeren die Hälfte schuldig (in return for all this you will be

owing us half of your strawberries; schuldig sein — to owe; die Schuld —

debt), damit wir auch einen Nachtisch servieren können (so that we may also

be able to serve some dessert). Und nun geht nach Ost und West und seid

ehrlich (so off you go now, east and west, and /mind/ be honest; die Ehre —

honour)!“

„Ja seht“, sagte der Alte, „sie ist aber noch nicht zu Ende. Wir Alten haben uns

im Leben schon genug umhergetrieben; darum bleiben wir jetzt zu Haus, das

heißt, hier unter diesen breiten Bäumen, und schälen die Kartoffeln und

machen Feuer und rüsten die Tafel, und wenn die Uhr zwölf ist, sollen auch die

Eier gekocht werden. Dafür seid ihr uns von euren Erdbeeren die Hälfte

schuldig, damit wir auch einen Nachtisch servieren können. Und nun geht nach

Ost und West und seid ehrlich!“

Die Jungen machten allerlei schelmische Gesichter (the young folks cast many

a roguish glance at one another: «the boys made all sorts of mischievous

faces»; allerlei — all sorts; der Schelm — scoundrel, rascal; swindler, fraud,

trickster; cheat; das Gesicht — face). „Halt (halt/wait)!“, rief der alte Herr

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noch einmal (cried the old gentleman once again; rufen). „Das brauche ich

euch wohl nicht zu sagen (I suppose I need not tell you this), wer keine findet

(/that/ whoever finds none), braucht auch keine abzuliefern (need not produce

any); aber das schreibt euch wohl hinter eure feinen Ohren (but take particular

note of this: «but you write well behind your fine ears»; das Ohr, die Ohren),

von uns Alten bekommt er auch nichts (/that/ he will get nothing out of us old

folks either). Und nun habt ihr für diesen Tag gute Lehren genug (now you

have had enough good advice for to-day); wenn ihr nun noch Erdbeeren dazu

habt (and if you gather strawberries to match: «if you have strawberries to

this»), so werdet ihr heute schon durchs Leben kommen (you will get on very

well for the present at any rate: «lay a road in life»)».

Die Jungen machten allerlei schelmische Gesichter. „Halt!“ rief der alte Herr

noch einmal. „Das brauche ich euch wohl nicht zu sagen, wer keine findet,

braucht auch keine abzuliefern; aber das schreibt euch wohl hinter eure feinen

Ohren, von uns Alten bekommt er auch nichts. Und nun habt ihr für diesen Tag

gute Lehren genug; wenn ihr nun noch Erdbeeren dazu habt, so werdet ihr

heute schon durchs Leben kommen.“

Die Jungen waren derselben Meinung (the young people were of the same

opinion) und begannen sich paarweise auf die Fahrt zu machen (and pairing off

in couples set out on their quest; beginnen; die Fahrt — trip).

„Komm, Elisabeth (come along, Elisabeth)“, sagte Reinhard, „ich weiß einen

Erdbeerenschlag (I know where there is a clump of strawberry bushes; der

Schlag — blow; plot); du sollst kein trockenes Brot essen (you shan't eat dry

bread).“

Elisabeth knüpfte die grünen Bänder ihres Strohhutes zusammen (Elisabeth

tied the green ribbons of her straw hat together; das Band — band; ribbon; das

Stroh — straw; der Hut — hat) und hing ihn über den Arm (and hung it on her

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arm: «over the arm»; hängen — to hang). „So komm (come on, then)“, sagte

sie, „der Korb ist fertig (the basket is ready).“

Die Jungen waren derselben Meinung und begannen sich paarweise auf die

Fahrt zu machen.

„Komm, Elisabeth“, sagte Reinhard, „ich weiß einen Erdbeerenschlag; da

sollst kein trockenes Brot essen.“

Elisabeth knüpfte die grünen Bänder ihres Strohhutes zusammen und hing ihn

über den Arm. „So komm“, sagte sie, „der Korb ist fertig.“

Dann gingen sie in den Wald hinein (then they went off into the wood), tiefer

und tiefer (on and on: «deeper and deeper»); durch feuchte, undurchdringliche

Baumschatten (through moist impenetrable tree shades; durchdringen — to

penetrate; der Schatten — shade), wo alles still war (where everything was /so/

still/peaceful), nur unsichtbar über ihnen in den Lüften das Geschrei der Falken

(except for the cry of the falcon flying unseen in the heavens far above them =

their heads; die Luft, die Lüfte — air; schreien — to cry; der Falke); dann

wieder durch dichtes Gestrüpp (then again through the thick brushwood), so

dicht, dass Reinhard vorangehen musste (so thick that Reinhard had to go

ahead), um einen Pfad zu machen (to make a track), hier einen Zweig zu

knicken (here snapping off a branch), dort eine Ranke beiseite zu biegen (there

bending aside a trailing vine; biegen — to bend). Bald aber hörte er hinter sich

Elisabeth seinen Namen rufen (but ere long he heard Elisabeth behind him

calling out his name; der Name). Er wandte sich um (he turned round; sich

umwenden).

Dann gingen sie in den Wald hinein, tiefer und tiefer; durch feuchte,

undurchdringliche Baumschatten, wo alles still war, nur unsichtbar über ihnen

in den Lüften das Geschrei der Falken; dann wieder durch dichtes Gestrüpp, so

dicht, dass Reinhard vorangehen musste, um einen Pfad zu machen, hier einen

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Zweig zu knicken, dort eine Ranke beiseite zu biegen. Bald aber hörte er hinter

sich Elisabeth seinen Namen rufen. Er wandte sich um.

„Reinhard“, rief sie, „warte doch (do wait /for me/; doch — indeed, after all

/intensifying particle/), Reinhard!“ Er konnte siе nicht gеwahr werden (he

could not see her); endlich sah er sie in einiger Entfernung mit den Sträuchern

kämpfen (but at length/finally he caught sight of her some way off struggling

with the undergrowth/bushes; der Strauch, die Sträucher); ihr feines Köpfchen

schwamm nur kaum über den Spitzen der Farnkräuter (her little/dainty head

just swam = was just peeping out over the tops of the ferns; schwimmen — to

swim; die Spitze — spike; top; das Farnkraut = der Farn — fern; das Kraut —

herbage; grass /motley grass/). Nun ging er noch einmal zurück (/now/ he

went back once more) und führte sie durch das Wirrnis der Kräuter und

Stauden auf einen freien Platz hinaus (and brought her out from the tangled

mass of herbs and shrubs into an open space; führen — to lead; wirr —

tangled; die Staude — little shrub), wo blaue Falter zwischen den einsamen

Waldblumen flatterten (where blue butterflies fluttered among the solitary

wood blossoms; der Falter). Reinhard strich ihr die feuchten Haare aus dem

erhitzten Gesichtchen (Reinhard brushed the damp hair away from her heated

/little/ face; streichen — to stroke); dann wollte er ihr den Strohhut aufsetzen

(then he wanted to put on her the straw hat /upon her head/; aufsetzen — to put

on /a hat, glasses/: «to set on»), und sie wollte es nicht leiden (but she would

not let it; leiden — to suffer); dann aber bat er sie (but then he begged/asked

her; bitten — to beg; to ask), und dann ließ sie es geschehen (and then she let it

happen; lassen — to let).

„Reinhard“, rief sie, „warte doch, Reinhard!“ Er konnte siе nicht gеwahr

werden; endlich sah er sie in einiger Entfernung mit den Sträuchern kämpfen;

ihr feines Köpfchen schwamm nur kaum über den Spitzen der Farnkräuter.

Nun ging er noch einmal zurück und führte sie durch das Wirrnis der Kräuter

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und Stauden auf einen freien Platz hinaus, wo blaue Falter zwischen den

einsamen Waldblumen flatterten. Reinhard strich ihr die feuchten Haare aus

dem erhitzten Gesichtchen; dann wollte er ihr den Strohhut aufsetzen, und sie

wollte es nicht leiden; dann aber bat er sie, und dann ließ sie es geschehen.

“Wo bleiben denn aber deine Erdbeeren (but where are your strawberries: «but

where do your strawberries remain/stay»; bleiben — to remain; to stay)?“

fragte sie endlich (she asked at length), indem sie stehen blieb und einen tiefen

Atemzug tat (standing still and drawing a deep breath; indem — just when,

while; stehen bleiben — to stop; to come to a stop: «to remain standing»; der

Atem — breath; der Zug — draw; ziehen — to draw; to pull; tun — to do).

„Hier haben sie gestanden (they were: «stood» here; stehen), sagte er, aber die

Kröten sind uns zuvorgekommen (but the toads have got here before us; die

Kröte — toad; zuvor — before), oder die Marder, oder vielleicht die Elfen (or

the martens, or perhaps the elfs; der Marder).“

„Ja“, sagte Elisabeth, „die Blätter stehen noch da (the leaves are still: «still

stand» here); aber sprich hier nicht von Elfen (but not a word about elfs).

Komm nur, ich bin noch gar nicht müde (come along, I'm not a bit tired yet;

nur — only; /intensifying particle/ indeed, after all); wir wollen weitersuchen

(we want to look furher/continue to look = let us look farther on).“

“Wo bleiben denn aber deine Erdbeeren?“ fragte sie endlich, indem sie stehen

blieb und einen tiefen Atemzug tat.

„Hier haben sie gestanden, sagte er, aber die Kröten sind uns zuvorgekommen,

oder die Marder, oder vielleicht die Elfen.“

„Ja“, sagte Elisabeth, „die Blätter stehen noch da; aber sprich hier nicht von

Elfen. Komm nur, ich bin noch gar nicht müde; wir wollen weitersuchen.“

Vor ihnen war ein kleiner Bach (in front of them ran a little brook), jenseit

wieder der Wald (on the other side the forest again). Reinhard hob Elisabeth

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auf seine Arme (Reinhard raised Elisabeth in: «on» his arms; der Arm) und

trug sie hinüber (and carried her over /the other side/; tragen; hinüber — over:

«there-over»). Nach einer Weile traten sie aus dem schattigen Laube wieder in

eine weite Lichtung hinaus (after a while they came out of the shady foliage

again into a wide clearing; eine Weile — a while; das Laub). „Hier müssen

Erdbeeren sein (there must be strawberries here)“, sagte das Mädchen, „es

duftet so süß (it smells so sweet).“

Sie gingen suchend durch den sonnigen Raum (they went searching through

the sunny space/spot; suchen — to search); aber sie fanden keine (but they

found nothing; finden — to find). „Nein“, sagte Reinhard, es ist nur der Duft

des Heidenkrautes (it is only the smell of the heather: «meadow grass»; die

Heide — heathland; field; meadow; das Kraut — herbage; grass /motley

grass/).“

Vor ihnen war ein kleiner Bach, jenseit wieder der Wald. Reinhard hob

Elisabeth auf seine Arme und trug sie hinüber. Nach einer Weile traten sie aus

dem schattigen Laube wieder in eine weite Lichtung hinaus. „Hier müssen

Erdbeeren sein“, sagte das Mädchen, „es duftet so süß.“

Sie gingen suchend durch den sonnigen Raum; aber sie fanden keine. „Nein“,

sagte Reinhard, es ist nur der Duft des Heidenkrautes.“

Himbeerbüsche und Hülsendorn standen überall durcheinander (raspberry

bushes and burs were mixed together everywhere; die Himbeere — raspberry;

raspberries); ein starker Geruch von Heidenkräutern (a strong smell of

heather), welche abwechselnd mit kurzem Grase die freien Stellen des Bodens

bedeckten (that = and the heather alternatively with short grass covered vacant

= open spaces/spots of the soil; der Boden), erfüllte die Luft (filled the air).

„Hier ist es einsam (it is lonely here)“, sagte Elisabeth; „wo mögen die andern

sein (where may the others be)?“

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An den Rückweg hatte Reinhard nicht gedacht (Reinhard had never thought of

getting back: «of the way back»; denken). „Warte nur; woher kommt der Wind

(wait a bit; where is the wind coming from)?“ sagte er und hob seine Hand in

die Höhe (and raised his hand in the air: «in the height»; heben). Aber es kam

kein Wind (but wind there was none).

Himbeerbüsche und Hülsendorn standen überall durcheinander; ein starker

Geruch von Heidenkräutern, welche abwechselnd mit kurzem Grase die freien

Stellen des Bodens bedeckten, erfüllte die Luft. „Hier ist es einsam“, sagte

Elisabeth; „wo mögen die andern sein?“

An den Rückweg hatte Reinhard nicht gedacht. „Warte nur; woher kommt der

Wind?“ sagte er und hob seine Hand in die Höhe. Aber es kam kein Wind.

„Still (quiet/silence)“, sagte Elisabeth, „mich dünkt, ich hörte sie sprechen (I

think I heard them talking). Rufe einmal dahinunter (just give a call in that

direction: «there down»)“.

Reinhard rief durch die hohle Hand (Reinhard shouted through

hollowed/cupped hand; hohl — hollow). „Kommt hierher (come here)!“ —

„Hierher (here)!“ rief es zurück (was echoed: «called» back; rufen — to call).

„Sie antworten (they answer)!“ sagte Elisabeth und klatschte in die Hände (and

clapped her hands).

„Nein, es war nichts, es war nur der Widerhall (no, that was nothing; it was

only the echo; der Widerhall — echo; reverberation; wider — against; der

Hall — sound; echo)“.

Elisabeth fasste Reinhards Hand (Elisabeth seized Reinhard's hand). „Mir graut

(I'm frightened; sich grauen — to fear; to be afraid: mir/mich graut davor — I

dread it; I am afraid of it; I fear it; it makes me terrified)!“ sagte sie.

„Nein“, sagte Reinhard, „das muss es nicht (no, you must not be frightened: «it

should not /terrify/»). Hier ist es prächtig (it is lovely here; die Pracht —

luxury; magnificence). Setz dich dort in den Schatten zwischen die Kräuter (sit

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down there in the shade among the herbs = long grass). Lass und eine Weile

ausruhen (let us rest awhile); wir finden die anderen schon (we will find the

others soon enough; schon — already; now; anyway).“

„Still“, sagte Elisabeth, „mich dünkt, ich hörte sie sprechen. Rufe einmal

dahinunter“.

Reinhard rief durch die hohle Hand: „Kommt hierher!“ — „Hierher!“ rief es

zurück.

„Sie antworten!“ sagte Elisabeth und klatschte in die Hände.

„Nein, es war nichts, es war nur der Widerhall.“

Elisabeth fasste Reinhards Hand. „Mir graut!“ sagte sie.

„Nein“, sagte Reinhard, „das muss es nicht. Hier ist es prächtig. Setz dich dort

in den Schatten zwischen die Kräuter. Lass und eine Weile ausruhen; wir

finden die anderen schon.“

Elisabeth setzte sich unter eine überhängende Buche (Elisabeth sat down under

the overhanging branch of a beech) und lauschte aufmerksam nach allen Seiten

(and listened intently in every direction: «on all sides»; die Seite — side);

Reinhard saß einige Schritte davon auf einem Baumstumpf (Reinhard sat a few

paces off on a tree stump; sitzen — to sit; der Schritt; schreiten — to step; der

Stumpf — stump) und sah schweigend nach ihr hinüber (and gazed over at her

in silence; schweigen — to keep/be silent; hinüber — over: «there-over»). Die

Sonne stand gerade über ihnen (the sun was just above them = their heads;

stehen); es war glühende Mittagshitze (it was a glowing midday heat; glühen

— to glow; die Hitze — heat); kleine goldglänzende, stahlblaue Fliegen

standen flügelschwingend in der Luft (tiny, gold-coloured/flecked, steel-blue

flies poised in the air with vibrating wings; das Gold — gold; glänzen — to

glitter; der Stahl — steel; die Fliege — fly); rings um sie her ein feines

Schwirren und Summen (rings around them a fine buzz and hum = their ears

caught a gentle humming and buzzing all round them; schwirren — to hum;

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summen — to buzz: die Bienen summen — the bees buzz), und manchmal hörte

man tief im Walde das Hämmern der Spechte und das Kreischen der anderen

Waldvögel (and far away in the wood were heard now and again the tap-tap of

the woodpecker and the screech of other birds; der Specht — woodpecker; der

Hammer — hammer; hämmern — to hammer; kreischen — to screech; der

Vogel, die Vögel).

„Horch (listen)“, sagte Elisabeth, „es läutet (it rings = I hear a bell; läuten — to

ring: es läutet Mittag — the bell strikes noon; der Laut — sound; laut —

loudly).“

„Wo (where)?“ fragte Reinhard (asked Reinhard).

„Hinter uns (behind us). Hörst du (do you hear /it/)? Es ist Mittag (/it's/ midday

= it is striking twelve o'clock).“

„Dann liegt hinter uns die Stadt (then the town lies behind us); und wenn wir in

dieser Richtung gerade durchgehen (and if we go straight through in this

direction; durchgehen — to go through; durch — through), so müssen wir die

anderen treffen (we are bound to fall in with/meet the others).“

Elisabeth setzte sich unter eine überhängende Buche und lauschte aufmerksam

nach allen Seiten; Reinhard saß einige Schritte davon auf einem Baumstumpf

und sah schweigend nach ihr hinüber. Die Sonne stand gerade über ihnen; es

war glühende Mittagshitze; kleine goldglänzende, stahlblaue Fliegen standen

flügelschwingend in der Luft; rings um sie her ein feines Schwirren und

Summen, und manchmal hörte man tief im Walde das Hämmern der Spechte

und das Kreischen der anderen Waldvögel.

„Horch“, sagte Elisabeth, „es läutet.“

„Wo?“ fragte Reinhard.

„Hinter uns. Hörst du? Es ist Mittag.“

„Dann liegt hinter uns die Stadt; und wenn wir in dieser Richtung gerade

durchgehen, so müssen wir die anderen treffen.“

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So traten sie ihren Rückweg an (so they started on their homeward way: «way

back»; etwas antreten — to start/begin smth /including movement/; treten — to

tread; to step); das Erdbeerensuchen hatten sie aufgegeben (they had given up

looking for strawberries; suchen — to search for; to seek for/after; to look for;

das Suchen — search), denn Elisabeth war müde geworden (for Elisabeth had

become tired; werden — to become). Endlich klang zwischen den Bäumen

hindurch das Lachen der Gesellschaft (finally the laughter of the picnic party

rang out through the trees; hindurch — through); dann sahen sie auch ein

weißes Tuch am Boden schimmern (then they saw a white cloth shimmering

on the ground; der Boden; schimmern — to shimmer), das war die Tafel (it was

a /festive/ table), und darauf standen Erdbeeren in Hülle und Fülle (and there

were strawberries on it in abundance; die Hülle — shroud; veil; die Fülle —

fullness; plentitude; hüllen — to enshroud; füllen — to fill; in Hülle und Fülle

— in abundance; in plenty). Der alte Herr hatte eine Serviette im Knopfloch

(the old gentleman had a table-napkin /tucked/ in his buttonhole; das

Knopfloch — buttonhole; der Knopf — button; das Loch — hole) und hielt den

Jungen die Fortsetzung seiner moralischen Reden (and /he/ was continuing his

moral sermon to the young folks: «held… the continuation of his moral

speeches»; halten — to hold; fortsetzen — to continue; die Rede — speech),

während er eifrig an einem Braten herumtranchierte (while he was vigorously:

«zealously/diligently» cutting/slicing /a joint of/ roast meat; der Eifer — zeal;

diligence; der Braten; braten — to roast; tranchieren — to carve: einen Braten

tranchieren — to cut roast; herumtranchieren — to cut it here and there,

randomly; herum — round; around).

So traten sie ihren Rückweg an; das Erdbeerensuchen hatten sie aufgegeben,

denn Elisabeth war müde geworden. Endlich klang zwischen den Bäumen

hindurch das Lachen der Gesellschaft; dann sahen sie auch ein weißes Tuch am

Boden schimmern, das war die Tafel, und darauf standen Erdbeeren in Hülle

und Fülle. Der alte Herr hatte eine Serviette im Knopfloch und hielt den

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Jungen die Fortsetzung seiner moralischen Reden, während er eifrig an einem

Braten herumtranchierte.

„Da sind die Nachzügler (here are the stragglers/latecomers; der Nachzügler —

straggler; latecomer; nachziehen — to drag)“, riefen die Jungen, als sie

Reinhard und Elisabeth durch die Bäume kommen sahen (cried the young

people when they saw Reinhard and Elisabeth coming/advancing among the

trees).

„Hierher (here/this way)!“ rief der alte Herr (shouted the old gentleman),

„Tücher ausgeleert, Hüte umgekehrt (empty your handkerchiefs, upside down

your hats; ausgeleert — emptied; ausleeren — to empty; leer — empty;

umgekehrt — reversed; inside out; umkehren — to reverse)! Nun zeigt her,

was ihr gefunden habt (now show us: «show here», what you have found;

finden).“

„Hunger und Durst (hunger and thirst; der Hunger; der Durst)!“ sagte

Reinhard.

„Wenn das alles ist (if that's all)“, erwiderte der Alte und hob ihnen die volle

Schüssel entgegen (replied the old man, lifting up and showing them the bowl

full of fruit: «…and lifted a full bowl»; erwidern — to reply; to answer; wider

— against; heben), „so müsst ihr es auch behalten (you must keep what you've

got; behalten — to keep; halten — to hold). Ihr kennt die Abrede (you know =

remember the agreement); hier werden keine Müßiggänger gefüttert (nothing

here for lazybones to eat: «here idlers are not fed»).“ Endlich ließ er sich aber

doch erbitten (/but/ in the end he was prevailed on to relent; erbitten — to

solicit; bitten — to ask; to request), und nun wurde Tafel gehalten (and the

banquet was held; halten); dazu schlug die Drossel aus den Wacholderbüschen

(and a thrush warbled in juniper bushes; schlagen — to beat; to sing; der

Wacholder — juniper; der Busch, die Büsche — bush).

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„Da sind die Nachzügler“, riefen die Jungen, als sie Reinhard und Elisabeth

durch die Bäume kommen sahen.

„Hierher!“ rief der alte Herr, „Tücher ausgeleert, Hüte umgekehrt! Nun zeigt

her, was ihr gefunden habt.“

„Hunger und Durst!“ sagte Reinhard.

„Wenn das alles ist“, erwiderte der Alte und hob ihnen die volle Schüssel

entgegen, „so müsst ihr es auch behalten. Ihr kennt die Abrede; hier werden

keine Müßiggänger gefüttert.“ Endlich ließ er sich aber doch erbitten, und nun

wurde Tafel gehalten; dazu schlug die Drossel aus den Wacholderbüschen.

So ging der Tag hin (so the day passed; hingehen — to go /there/; to pass

/about time/). — Reinhard hatte aber doch etwas gefunden (but Reinhard had,

after all, found something; finden); waren es keine Erdbeeren (/though/ it was

not strawberries), so war es doch auch im Walde gewachsen (yet it /was

something that/ had grown in the wood; wachsen — to grow). Als er nach

Hause gekommen war (when he got home), schrieb er in seinen alten

Pergamentband (he wrote in his old parchment-bound volume; schreiben; der

Band — volume; binding; cover; binden — to bind):

Hier an der Bergeshalde (here on the flank of the hill) Verstummet ganz der

Wind (the wind silences entirely),

Die Zweige hängen nieder (the branches hang down),

Darunter sitzt das Kind (underneath: «below under them» the child sits; unter

— under; darunter — underneath /under it; under him; under them/).

Sie sitzt in Thymiane (she sits among the thyme),

Sie sitzt in lauter Duft (she sits in nothing but the fragrance = fragrant air; der

Duft — fragrance; aroma),

Die blauen Fliegen summen (the blue flies hum; die Fliege — fly)

Und blitzen durch die Luft (and flash in the air: «through the air»).

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Es steht der Wald so schweigend (the forest stands so silent),

Sie schaut so klug darein (she peers with so wisely there into; darein — there

into; /there/ inwards);

Um ihre braunen Locken (her hazel/brown curls)

Hinfließt der Sonnenschein (the sunshine flows down).

Der Kuckuck lacht von ferne (the cuckoo laughs from afar),

Es geht mir durch den Sinn (it goes through my mind):

Sie hat die goldenen Augen (she has golden eyes)

Der Waldeskönigin (of the woodland queen).

So war sie nicht allein sein Schützling (so/thus she was not only his protege =

his little sweetheart; der Schützling — ward; protégé; schützen — to defend; to

protect); sie war ihm der Ausdruck für alles Liebliche und Wunderbare seines

aufgehenden Lebens (/but/ was also the expression of all that was lovely and

wonderful in his opening: life: « of his rising/ascending life»).

So ging der Tag hin. — Reinhard hatte aber doch etwas gefunden; waren es

keine Erdbeeren, so war es doch auch im Walde gewachsen. Als er nach Hause

gekommen war, schrieb er in seinen alten Pergamentband:

Hier an der Bergeshalde

Verstummet ganz der Wind,

Die Zweige hängen nieder,

Darunter sitzt das Kind.

Sie sitzt in Thymiane,

Sie sitzt in lauter Duft,

Die blauen Fliegen summen

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Und blitzen durch die Luft.

Es steht der Wald so schweigend,

Sie schaut so klug darein;

Um ihre braunen Locken

Hinfließt der Sonnenschein.

Der Kuckuck lacht von ferne,

Es geht mir durch den Sinn:

Sie hat die goldenen Augen

Der Waldeskönigin.

So war sie nicht allein sein Schützling; sie war ihm der Ausdruck für alles

Liebliche und Wunderbare seines aufgehenden Lebens.

Da stand ein Kind am Wege

(By the Roadside the Child Stood:

«there stood a child by the road»)

Weihnachtabend kam heran (Christmas evening came nearer; herankommen —

to come up /nearer/). — Es war noch nachmittags (it was still afternoon), als

Reinhard mit andern Studenten im Ratskeller am alten Eichentisch

zusammensaß (when Reinhard and some other students were sitting together at

an old oak table in the Ratskeller; der Ratskeller — wineshop /the basement of

the Rathaus or Town Hall; this, in almost every German town of importance,

has become a restaurant and place of refreshment/; der Rat — council/town

council; das Rathaus — town hall; der Keller — cellar; die Eiche — oak). Die

Lampen an den Wänden waren angezündet (the lamps on the walls were

lighted; die Wand, die Wände), denn hier unten dämmerte es schon (for down

here in the basement it was already growing dark); aber die Gäste waren

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sparsam versammelt (but there were few guests: «the guests were gathered

sparsely»; versammeln — to gather; sparsam — sparse; sparen — to spare),

die Kellner lehnten müßig an den Mauerpfeilern (and the waiters were leaning

idly up against the pillars; die Muße — leisure; idleness; die Mauer — /stony/

wall; der Pfeiler — pillar). In einem Winkel des Gewölbes saßen ein

Geigenspieler und ein Zithermädchen (in a corner of the vaulted room: «vault»

sat a fiddler and a girl with a zither; der Winkel — corner; das Gewölbe —

vault; wölben — to vault; die Geige — violin) mit feinen zigeunerhaften Zügen

(with fine gipsy features; der Zigeuner — Gipsy; der Zug, die Züge — feature;

ziehen — to pull; to draw); sie hatten ihre Instrumente auf dem Schoße liegen

(they had their instruments lying in their laps; das Instrumént; der Schoß —

lap) und schienen teilnahmslos vor sich hin zu sehen (they seemed to be

looking about them with an air of indifference: «seemed indifferently look in

front of them»; scheinen — to seem; die Teilnahme — participation; an etwas

/Dat./ teilnehmen — to participate in smth).

Weihnachtabend kam heran. — Es war noch nachmittags, als Reinhard mit

andern Studenten im Ratskeller am alten Eichentisch zusammensaß. Die

Lampen an den Wänden waren angezündet, denn hier unten dämmerte es

schon; aber die Gäste waren sparsam versammelt, die Kellner lehnten müßig

an den Mauerpfeilern. In einem Winkel des Gewölbes saßen ein Geigenspieler

und ein Zithermädchen mit feinen zigeunerhaften Zügen; sie hatten ihre

Instrumente auf dem Schoße liegen und schienen teilnahmslos vor sich hin zu

sehen.

Am Studententische knallte ein Champagnerpfropfen (a champagne cork

popped off at one of the tables occupied by the students; der Pfropfen — cork;

plug; pfropfen — to cork /up/). „Trinke, mein böhmisch Liebchen (drink, my

Bohemian darling; böhmisch — Bohemian; Böhmen — Bohemia)!“ rief ein

junger Mann von junkerhaften Äußern (cried a young man of the exemplary

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appearance of the /Prussian/ Junker /noble landowner/; der Junker — junker /a

young German, especially Prussian, nobleman; a military officer to be/; das

Äußern — appearance), indem er ein volles Glas zu dem Mädchen

hinüberreichte (as he handed over a full glass /of wine/ to the girl = holding out

to the girl a full glass /of wine/; reichen — to hold out; hinüber — over:

«there-over).

„Ich mag nicht (I don't care about it: «I don’t want it»; mögen)“, sagte sie, ohne

ihre Stellung zu verändern (without altering her position).

„So singe (then sing = then, give us a song)!“ rief der Junker und warf ihr eine

Silbermünze in den Schoß (cried the young nobleman, and threw a silver coin

into her lap; werfen). Das Mädchen strich sich langsam mit den Fingern durch

ihr schwarzes Haar (the girl slowly ran her fingers through her black hair;

streichen — to touch; to stroke; der Finger, die Finger), während der

Geigenspieler ihr ins Ohr flüsterte (while the fiddler whispered in her ear); aber

sie warf den Kopf zurück und stützte das Kinn auf ihre Zither (but she threw

back her head, and rested her chin on her zither; werfen — to throw;

zurückwerfen — to throw back). „Für den spiel ich nicht“ (for him I'm not

going to play), sagte sie.

Am Studententische knallte ein Champagnerpfropfen. „Trinke, mein böhmisch

Liebchen!“

Rief ein junger Mann von junkerhaften Äußern, indem er ein volles Glas zu

dem Mädchen hinüberreichte.

„Ich mag nicht“, sagte sie, ohne ihre Stellung zu verändern.

„So singe!“ rief der Junker und warf ihr eine Silbermünze in den Schoß. Das

Mädchen strich sich langsam mit den Fingern durch ihr schwarzes Haar,

während der Geigenspieler ihr ins Ohr flüsterte; aber sie warf den Kopf zurück

und stützte das Kinn auf ihre Zither. „Für den spiel ich nicht“, sagte sie.

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Reinhard sprang mit dem Glase in der Hand auf und stellte sich vor sie

(Reinhard leapt up with his glass in his hand and stood: «himself» in front of

her; springen — to spring; aufspringen — to leap up).

„Was willst du (what do you want)?“ fragte sie trotzig (she asked defiantly; der

Trotz — obstinacy).

„Deine Augen sehen (to have a look at your eyes: «to see your eyes»).“

„Was gehen dich meine Augen an (what have my eyes to do with you)?“

Reinhard sah funkelnd auf sie nieder (Reinhard's glance flashed down on her:

«Reinhard looked down at her sparkling»; funkeln — to sparkle; der Funke —

sparkle). „Ich weiß wohl, sie sind falsch (I do know: «I know well» they are

false)!“ — Sie legte ihre Wange in die flache Hand und sah ihn lauernd an (she

laid her cheek in the palm of her hand and gave him a searching look; die

flache Hand — palm: «flat hand»; lauern — to lurk; to lie in wait; jemanden

ansehen — to look at smb). Reinhard hob sein Glas an den Mund (Reinhard

raised his glass to his mouth; heben — to raise; to lift). „Auf deine schönen,

sündhaften Augen (here's to your beautiful, sinful = wicked eyes; die Sünde —

sin)!“ sagte er und trank (he said, and drank; trinken).

Reinhard sprang mit dem Glase in der Hand auf und stellte sich vor sie.

„Was willst du?“ fragte sie trotzig.

„Deine Augen sehen.“

„Was gehen dich meine Augen an?“

Reinhard sah funkelnd auf sie nieder. „Ich weiß wohl, sie sind falsch!“ — Sie

legte ihre Wange in die flache Hand und sah ihn lauernd an. Reinhard hob sein

Glas an den Mund. „Auf deine schönen, sündhaften Augen!“ sagte er und

trank.

Sie lachte und warf den Kopf herum (she laughed and tossed her head /to him/;

herumwerfen — to toss/throw around; herum — round; around). „Gib (give

/it/)!“ sagte sie, und indem sie ihre schwarzen Augen in die seinen heftete (and

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fastening her black eyes on his; heften — to fasten), trank sie langsam den Rest

(she slowly drank what was left in the glass; der Rest — remainder, rest). Dann

griff sie einen Dreiklang und sang mit tiefer, leidenschaftlicher Stimme (then

she struck a chord: «reached a triad» and sang in a deep, passionate voice;

greifen — to grab; der Klang — sound; klingen — to sound; singen — to sing;

tief — deep; die Leidenschaft — passion; leiden — to suffer):

Heute, nur heute (today, only today)

Bin ich so schön (I am so beautiful);

Morgen, ach morgen (tomorrow, ah tomorrow)

Muss alles vergehn (all must pass away)!

Nur diese Stunde (only /in/ this hour)

Bist du noch mein (you are mine yet);

Sterben, ach sterben (to die, ah to die)

Soll ich allein (must I alone).

Sie lachte und warf den Kopf herum. „Gib!“ sagte sie, und indem sie ihre

schwarzen Augen in die seinen heftete, trank sie langsam den Rest. Dann griff

sie einen Dreiklang und sang mit tiefer, leidenschaftlicher Stimme:

Heute, nur heute

Bin ich so schön;

Morgen, ach morgen

Muss alles vergehn!

Nur diese Stunde

Bist du noch mein;

Sterben, ach sterben

Soll ich allein.

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Während der Geigenspieler in raschem Tempo das Nachspiel einsetzte (while

the fiddler struck up a finale in a fast tempo; das Tempo), gesellte sich ein

neuer Ankömmling zu der Gruppe (a new arrival joined the group; sich

gesellen — to join /smb/; der Geselle — apprentice; fellow; der Ankömmling

— arrival; newcomer; ankommen — to arrive).

„Ich wollte dich abholen, Reinhard (I went to call for you, Reinhard; jemanden

abholen — to call for smb; holen — to fetch)“, sagte er. „Du warst schon fort

(you had already gone out; fort — out: er ist fort — he‘s gone); aber das

Christkind war bei dir eingekehrt (but Christ infant/child had paid you a visit;

bei jemandem einkehren — to call on smb).“

„Das Christkind?“ sagte Reinhard, „das kommt nicht mehr zu mir (he no

longer comes to me).“

„Ei was (eh, what)! Dein ganzes Zimmer roch nach Tannenbaum und braunen

Kuchen (the whole of your room smelt of Christmas tree and ginger cakes;

riechen — to smell; die Tanne, der Tannenbaum — fir; fir tree; der Kuchen)“.

Während der Geigenspieler in raschem Tempo das Nachspiel einsetzte, gesellte

sich ein neuer Ankömmling zu der Gruppe.

„Ich wollte dich abholen, Reinhard“, sagte er. „Du warst schon fort; aber das

Christkind war bei dir eingekehrt.“

„Das Christkind?“ sagte Reinhard, „das kommt nicht mehr zu mir.“

„Ei was! Dein ganzes Zimmer roch nach Tannenbaum und braunen Kuchen.“

Reinhard setzte das Glas aus der Hand und griff nach seiner Mütze (Reinhard

set the glass /from his hand/ and seized his cap; greifen — to seize; to grab).

„Was willst du (what do you want = what are you going to do now)?“ fragte

das Mädchen (asked the girl).

„Ich komme schon wieder (I’ll be back soon; wiederkommen — to come back:

«to come again»; schon — already; indeed).“

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Sie runzelte die Stirn (she frowned /her forehead/). „Bleib (stay)!“ rief sie leise

(she called softly/quetly) und sah ihn vertraulich an (and looked at him

confidentially; vertrauen — to trust).

Reinhard zögerte (Reinhard hesitated; zögern — to hesitate). „Ich kann nicht (I

can't)“, sagte er.

Sie stieß ihn lachend mit der Fußspitze (she laughingly pushed him with her

toe; stoßen — to push). „Geh (go)!“ sagte sie. „Du taugst nichts; ihr taugt alle

miteinander nichts (you are worth nothing, you are all together good for

nothing; taugen — to be suitable/good for; miteinander — with one another;

together).“ Und während sie sich abwandte, stieg Reinhard langsam die

Kellertreppe hinauf (and as she turned away from him, Reinhard went slowly

up the steps of the Ratskeller; hinaufsteigen — to go up; hinauf — up; upward:

«there-up»).

Reinhard setzte das Glas aus der Hand und griff nach seiner Mütze.

„Was willst du?“ fragte des Mädchen.

„Ich komme schon wieder.“

Sie runzelte die Stirn. „Bleib!“ rief sie leise und sah ihn vertraulich an.

Reinhard zögerte. „Ich kann nicht“, sagte er.

Sie stieß ihn lachend mit der Fußspitze. „Geh!“ sagte sie. „Du taugst nichts; ihr

taugt alle miteinander nichts.“ Und während sie sich abwandte, stieg Reinhard

langsam die Kellertreppe hinauf.

Draußen auf der Straße war es tiefe Dämmerung (outside in the street deep

twilight had set in: «outside in the street was deep twilight»); er fühlte die

frische Winterluft an seiner heißen Stirn (he felt the cool winter air blowing on

his heated/hot forehead). Hie und da fiel der helle Schein eines brennenden

Tannenbaums aus den Fenstern (from some window every here and there fell

the bright gleam of a Christmas tree all lighted up; fallen; das Fenster, die

Fenster; brennen — to burn), dann und wann hörte man von drinnen das

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Geräusch von kleinen Pfeifen und Blechtrompeten (now and then: «then and

when» was heard from within some room: «from inside» the sound of little

pipes and tin trumpets; die Pfeife — pipe; das Blech — tin; die Trompéte —

trumpet) und dazwischen jubelnde Kinderstimmen (mingled with the merry din

of children's voices: «and in between rejoicing voices of children»; jubeln — to

rejoice). Scharen von Bettelkindern gingen von Haus zu Haus oder stiegen die

Treppengeländer (сrowds of beggar children were going from house to house

or climbing up the stair railings; betteln — to beg; steigen; das

Treppengeländer — rail/ing/; die Treppe — stairs) und suchten durch die

Fenster einen Blick in die versagte Herrlichkeit zu gewinnen (trying to catch a

glimpse through the window of a splendour that was denied to them; suchen —

to seek; einen Blick gewinnen — to peek in /somewhere/ and see: «to get/win a

glance»; versagen — to deny). Mitunter wurde auch eine Tür plötzlich

aufgerissen (sometimes, too, a door would suddenly be flung open; aufreißen

— to tear open; to fling open; reißen — to tear; to rip), und scheltende

Stimmen trieben einen ganzen Schwarm solcher kleinen Gäste aus dem hellen

Hause auf die dunkle Gasse hinaus (and scolding voices would drive a whole

swarm of these little visitors away out into the dark street; schelten — to scold;

hinaustreiben — to drive out; hinaus — outside; out: «there-out»; die Gasse —

side street, lane); anderswo wurde auf dem Hausflur ein altes Weihnachtslied

gesungen (in the vestibule of yet another house they were singing an old

Christmas carol: «was sung»; anderswo — someplace else; elsewhere); es

waren klare Mädchenstimmen darunter (and little girls' clear voices were heard

among the rest; darunter — thereunder; among them; unter — under; among).

Draußen auf der Straße war es tiefe Dämmerung; er fühlte die frische

Winterluft an seiner heißen Stirn. Hie und da fiel der helle Schein eines

brennenden Tannenbaums aus den Fenstern, dann und wann hörte man von

drinnen das Geräusch von kleinen Pfeifen und Blechtrompeten und dazwischen

jubelnde Kinderstimmen. Scharen von Bettelkindern gingen von Haus zu Haus

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oder stiegen die Treppengeländer und suchten durch die Fenster einen Blick in

die versagte Herrlichkeit zu gewinnen. Mitunter wurde auch eine Tür plötzlich

aufgerissen, und scheltende Stimmen trieben einen ganzen Schwarm solcher

kleinen Gäste aus dem hellen Hause auf die dunkle Gasse hinaus; anderswo

wurde auf dem Hausflur ein altes Weihnachtslied gesungen; es waren klare

Mädchenstimmen darunter.

Reinhard hörte sie nicht (Reinhard heard /them/ not), er ging rasch an allem

vorüber (he passed quickly by them all; an etwas vorübergehen — to pass by

something), aus einer Straße in die andere (out of one street into another). Als

er an seine Wohnung gekommen (when he reached his lodging), war es fast

völlig dunkel geworden (it had grown almost quite dark); er stolperte die

Treppe hinauf und trat in seine Stube (he stumbled up the stairs and walked:

«stepped» into his room; stolpern — to stumble /over/; treten). Ein süßer Duft

schlug ihm entgegen (a sweet fragrance greeted him; entgegenschlagen — to

throw oneself on/upon); das heimelte ihn an (this caused a feeling of comfort:

«home»; das Heim — house; jemanden anheimeln — to cause in someone a

feeling of comfort), das roch wie zu Haus der Mutter Weihnachtsstube (it was

the smell of the parlour in his mother's house at Christmas time; riechen — to

smell). Mit zitternder Hand zündete er Licht an (with a trembling hand he

turned on the light; zittern — to tremble; anzünden — to turn/switch on; das

Licht); da lag ein mächtiges Paket auf dem Tisch (there lay a mighty parcel on

the table; liegen; das Pakét), und als er es öffnete (and when he opened it),

fielen die wohlbekannten braunen Festkuchen heraus (out fell the well-known

brown festive cakes; herausfallen — to fell out; das Fest — feast; der Kuchen);

auf einigen waren die Anfangsbuchstaben seines Namens in Zucker

ausgestreut (on some /of them/ were the initial letters of his name written in

sprinkles of sugar; der Anfang — beginning; der Buchstabe — letter; der

Name; der Zucker; ausstreuen — to powder; to sprinkle); das konnte niemand

anders als Elisabeth getan haben (no one but Elisabeth could have done that;

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tun — to do). Dann kam ein Päckchen mit feiner, gestickter Wäsche zum

Vorschein, Tücher und Manschetten (next came to view a little parcel

containing neatly embroidered linen, handkerchiefs and cuffs; zum Vorschein

kommen — to turn out; to be found; das Tuch), zuletzt Briefe von der Mutter

und von Elisabeth (and finally letters from his mother and Elisabeth).

Reinhard hörte sie nicht, er ging rasch an allem vorüber, aus einer Straße in die

andere. Als er an seine Wohnung gekommen, war es fast völlig dunkel

geworden; er stolperte die Treppe hinauf und trat in seine Stube. Ein süßer

Duft schlug ihm entgegen; das heimelte ihn an, das roch wie zu Haus der

Mutter Weihnachtsstube. Mit zitternder Hand zündete er Licht an; da lag ein

mächtiges Paket auf dem Tisch, und als er es öffnete, fielen die wohlbekannten

braunen Festkuchen heraus; auf einigen waren die Anfangsbuchstaben seines

Namens in Zucker ausgestreut; das konnte niemand anders als Elisabeth getan

haben. Dann kam ein Päckchen mit feiner, gestickter Wäsche zum Vorschein,

Tücher und Manschetten, zuletzt Briefe von der Mutter und von Elisabeth.

Reinhard öffnete zuerst den letzteren (Reinhard first opened the latter);

Elisabeth schrieb (Elisabeth wrote): „Die schönen Zuckerbuchstaben können

Dir wohl erzählen (the pretty sugared letters will probably tell you), wer bei

den Kuchen mitgeholfen hat (who helped with the cakes: «by cakes helped»;

mithelfen); dieselbe Person hat die Manschetten für Dich gestickt (the same

person also embroidered the cuffs for you). Bei uns wird es nun

Weihnachtabend sehr still werden (we shall have a very quiet time at home this

Christmas Eve); meine Mutter stellt immer schon um halb zehn ihr Spinnrad in

die Ecke (/my/ mother always puts her spinning-wheel away in the corner as

early as half-past nine; spinnen — to spin; das Rad — wheel); es ist gar so

einsam diesen Winter (it is so very lonely this winter; gar — quite; very), wo

Du nicht hier bist (when you are not here).

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Reinhard öffnete zuerst den letzteren; Elisabeth schrieb: „Die schönen

Zuckerbuchstaben können Dir wohl erzählen, wer bei den Kuchen mitgeholfen

hat; dieselbe Person hat die Manschetten für Dich gestickt. Bei uns wird es nun

Weihnachtabend sehr still werden; meine Mutter stellt immer schon um halb

zehn ihr Spinnrad in die Ecke; es ist gar so einsam diesen Winter, wo Du nicht

hier bist.

Nun ist auch vorigen Sonntag der Hänfling gestorben (and now, too, the linnet

died last Sunday; sterben), den Du mir geschenkt hattest (/the linnet/ which

you had presented to me); ich habe sehr geweint (I cried a lot), aber ich hab ihn

doch immer gut gewartet (but I have always looked after it well; jemanden

warten — to look after smb; auf jemanden warten — to wait for smb). Der sang

sonst immer nachmittags (it always used to sing in the afternoon; singen),

wenn die Sonne auf sein Bauer schien (when the sun shone on its cage;

scheinen — to shine; to seem); Du weißt, die Mutter hing oft ein Tuch über

(you know, mother would often hang a piece of cloth on top /the cage/;

hängen), um ihn zu geschweigen (in order to keep it quiet; geschweigen — to

shush; schweigen — to be silent), wenn er so recht aus Kräften sang (when it

sang so lustily; recht — quite; die Kraft, die Kräfte — force). Da ist es nun

noch stiller der Kammer (thus our room is now quieter than ever), nur dass

Dein alter Freund Erich uns jetzt mitunter besucht (only your old friend Eric

now drops in to see us occasionally). Du sagtest einmal (you told us once), er

sähe seinem braunen Überrock ähnlich (/that/ he was just like his brown top-

coat; ähnlich sehen — to look like; er sieht — he looks, er sah — he looked; er

sähe — he would have looked; /that/ he looks; der Überrock). Daran muss ich

nun immer denken (I can't help thinking of it every time: «so must I now

always think»), wenn er zur Tür hereinkommt (when he comes in at the door;

herein — here: «here-in»), und es ist gar zu komisch (and it is really too

funny); sag es aber nicht zur Mutter (but don't tell /this to/ mother), sie wird

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dann leicht verdrießlich (it might easily make her angry: «get annoyed»;

verdrießen — to make angry; to anger; to annoy).

Nun ist auch vorigen Sonntag der Hänfling gestorben, den Du mir geschenkt

hattest; ich habe sehr geweint, aber ich hab ihn doch immer gut gewartet. Der

sang sonst immer nachmittags, wenn die Sonne auf sein Bauer schien; Du

weißt, die Mutter hing oft ein Tuch über, um ihn zu geschweigen, wenn er so

recht aus Kräften sang. Da ist es nun noch stiller der Kammer, nur dass Dein

alter Freund Erich uns jetzt mitunter besucht. Du sagtest einmal, er sähe

seinem braunen Überrock ähnlich. Daran muss ich nun immer denken, wenn er

zur Tür hereinkommt, und es ist gar zu komisch; sag es aber nicht zur Mutter,

sie wird dann leicht verdrießlich.

— Rat, was ich Deiner Mutter zu Weihnachten schenke (guess what I will give

your mother for Christmas)! Du rätst es nicht (you can't guess)? Mich selber

(/it is/ myself)! Der Erich zeichnet mich in schwarzer Kreide (Eric draws me in

black chalk); ich habe ihm schon dreimal sitzen müssen, jedesmal eine ganze

Stunde (I have had to give him three sittings: «to sit three times», each time for

a whole hour). Es war mir recht zuwider (it was really unpleasant for me), dass

der fremde Mensch mein Gesicht so auswendig lernte (that the stranger got to

know my face so well: «by heart»). Ich wollte auch nicht (nor did I wish it),

aber die Mutter redete mir zu (but mother persuaded me; jemandem zureden —

to persuade somebody); sie sagte (she said): es würde der guten Frau Werner

eine große Freude machen (it would very much please dear Frau Werner; die

Freude — joy).

Aber Du hältst nicht Wort, Reinhard (but you are not keeping /your/ word,

Reinhard). Du hast keine Märchen geschickt (you haven't sent me any fairy-

tales; das Märchen). Ich habe Dich oft bei Deiner Mutter verklagt (I have often

complained to your mother about you); sie sagt dann immer, Du habest jetzt

mehr zu tun als solche Kindereien (/but/ she always says you now have more to

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do than to attend to such childish things; die Kinderei — childishness;

boyishness). Ich glaub’ es aber nicht; es ist wohl anders (but I don't believe it;

it's probably something else: «differently»; wohl — well).“

— Rat, was ich Deiner Mutter zu Weihnachten schenke! Du rätst es nicht?

Mich selber! Der Erich zeichnet mich in schwarzer Kreide; ich habe ihm schon

dreimal sitzen müssen, jedesmal eine ganze Stunde. Es war mir recht zuwider,

dass der fremde Mensch mein Gesicht so auswendig lernte. Ich wollte auch

nicht, aber die Mutter redete mir zu; sie sagte: es würde der guten Frau Werner

eine große Freude machen.

Aber Du hältst nicht Wort, Reinhard. Du hast keine Märchen geschickt. Ich

habe Dich oft bei Deiner Mutter verklagt; sie sagt dann immer, Du habest jetzt

mehr zu tun als solche Kindereien. Ich glaub’ es aber nicht; es ist wohl

anders.“

Nun las Reinhard auch den Brief seiner Mutter (then: «here» Reinhard read his

mother's letter; lesen), und als er beide Briefe gelesen und langsam wieder

zusammengefaltet und weggelegt hatte (and when he had read them both and

slowly folded them up again and put them away; legen — to put; weglegen —

to put/set aside: «put away/off»), überfiel ihn unerbitterliches Heimweh (he

was overcome with an irresistible feeling of home-sickness; überfallen — to

come /over/). Er ging eine Zeitlang in seinem Zimmer auf und nieder (for some

time he walked up and down his room; eine Zeitlang — some time; lange —

long; for a long time; auf und nieder — up and down; to and fro; back and

forth); er sprach leise und dann halbverständlich zu sich selbst (he talked

quietly and indistinctly: «half-understandable» to himself; sprechen;

verständlich — understandably; der Verstand — mind; verstehen — to

understand):

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Er wäre fast verirret (he almost/nearly got lost; fast — almost/nearly; /sich/

verirren — to lose one's way, to get lost; irren — to roam; to wander)

Und wusste nicht hinaus (and did not know how to find a way out; wissen — to

know; hinaus — outside; out: «there-out»);

Da stand das Kind am Wege (by the roadside the child stood; stehen; der Weg)

Und winkte ihm nach Haus (and waved/beckoned him home; winken — to

wave; to beckon)!

Nun las Reinhard auch den Brief seiner Mutter, und als er beide Briefe gelesen

und langsam wieder zusammengefaltet und weggelegt hatte, überfiel ihn

unerbitterliches Heimweh. Er ging eine Zeitlang in seinem Zimmer auf und

nieder; er sprach leise und dann halbverständlich zu sich selbst:

Er wäre fast verirret

Und wusste nicht hinaus;

Da stand das Kind am Wege

und winkte ihm nach Haus!

Dann trat er an sein Pult (then he went to his writing desk), nahm einiges Geld

heraus (took out some money; herausnehmen — to take out) und ging wieder

auf die Straße hinab (and stepped down/went out into the street again; hinab —

down; downwards: «there-down»). — Hier war es mittlerweile stiller

geworden (meanwhile it had become quieter); die Weihnachtsbäume waren

ausgebrannt (the lights on the Christmas trees had burnt out; ausbrennen — to

burn down/out; brennen — to burn), die Umzüge der Kinder hatten aufgehört

(the processions of children had come to an end; der Umzug — procession;

parade; relocation; umziehen — to walk /as in procession/; to move /to a new

place/). Der Wind fegte durch die einsamen Straßen (the wind was sweeping

through the deserted streets; einsam — lonely; lonesome; solitary); Alte und

Junge saßen in ihren Häusern familienweise zusammen (old and young alike

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were sitting together at home in family /parties/; das Haus, die Häuser;

familienweise — ~ in families; ~ family-wise; die Familie — family; die Weise

— way; manner; mode); der zweite Abschnitt des Weihnachtsabends hatte

begonnen (the second period of Christmas Eve /celebrations/ had begun; der

Abschnitt — piece, section, segment; abschneiden — to cut /off/; schneiden —

to cut; beginnen).

Dann trat er an sein Pult, nahm einiges Geld heraus und ging wieder auf die

Straße hinab. — Hier war es mittlerweile stiller geworden; die

Weihnachtsbäume waren ausgebrannt, die Umzüge der Kinder hatten

aufgehört. Der Wind fegte durch die einsamen Straßen; Alte und Junge saßen

in ihren Häusern familienweise zusammen; der zweite Abschnitt des

Weihnachtsabends hatte begonnen.

— Als Reinhard in die Nähe des Ratkellers kam (as/when Reinhard drew near

the Ratskeller; die Nähe — nearness), hörte er aus der Tiefe herauf

Geigenstrich und den Gesang des Zithermädchens (he heard from below the

scraping of the fiddle and the singing of the zither girl; der Strich — stroke;

touch of the bow/fiddlestick to the strings; streichen — to strike; to stroke; to

play /perform/ on stringed instruments); nun klingelte unten die Kellertüre (the

wineshop/restaurant door bell tinkled), und eine dunkle Gestalt schwankte die

breite, matt erleuchtete Treppe hinauf (and a dark figure staggered up the broad

dimly-lighted stair; schwanken — to stagger; erleuchten — to light /up/;

leuchten — to shine). Reinhard trat in den Häuserschatten und ging dann rasch

vorüber (Reinhard drew aside into the shadow of the houses and then passed

swiftly by; der Schatten — shadow). Nach einer Weile erreichte er den

erleuchteten Laden eines Juweliers (after a while he reached the well-lighted

shop of a jeweller; eine Weile — some time; etwas erreichen — to reach

something; der Juwelíer); und nachdem er hier ein kleines Kreuz von roten

Korallen eingehandelt hatte (and after buying a little cross of red corals; die

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Koralle — coral; einhandeln — to buy /up/; handeln — to trade; der Handel —

trade), ging er auf demselben Wege, den er gekommen war, wieder zurück (he

returned: «went back» by the same way he had come; der Weg).

— Als Reinhard in die Nähe des Ratkellers kam, hörte er aus der Tiefe herauf

Geigenstrich und den Gesang des Zithermädchens; nun klingelte unten die

Kellertüre, und eine dunkle Gestalt schwankte die breite, matt erleuchtete

Treppe hinauf. Reinhard trat in den Häuserschatten und ging dann rasch

vorüber. Nach einer Weile erreichte er den erleuchteten Laden eines Juweliers;

und nachdem er hier ein kleines Kreuz von roten Korallen eingehandelt hatte,

ging er auf demselben Wege, den er gekommen war, wieder zurück.

Nicht weit von seiner Wohnung bemerkte er ein kleines, in kläglichen Lumpen

gehülltes Mädchen an einer hohen Haustür stehen (not far from his lodgings he

caught sight of a little girl, dressed in miserable rags, standing before a tall

door; jemanden bemerken — to notice smb, to catch sight of smb; der Lumpen

— rag; die Lumpen — rags; kläglich — miserable; klagen — to complain), in

vergeblicher Bemühung, sie zu öffnen (in a vain attempt to open it; sich

bemühen — to try; to endevour; die Mühe — effort; endevour). „Soll ich dir

helfen (shall I help you)?“ sagte er. Das Kind erwiderte nichts (the child gave

no answer), ließ aber die schwere Türklinke fahren (but let go the massive

door-handle; fahren lassen — to let go/off). Reinhard hatte schon die Tür

geöffnet (Reinhard had already opened the door). „Nein“, sagte er, „sie können

dich nicht hinausjagen; komm mit mir (they can’t drive you out; come along

with me; hinaus — outside; out: «there-out»; jagen — to drive/turn out)! Ich

will dir Weihnachtskuchen geben (I'll give you some Christmas cake).“ Dann

machte er die Tür wieder zu und fasste das kleine Mädchen an der Hand (he

then closed the door again and took the little girl by hand; zumachen — to

close; fassen — to grasp; to grip), das stillschweigend mit ihm in seine

Wohnung ging (who walked along with him in silence to his room/lodgings).

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Nicht weit von seiner Wohnung bemerkte er ein kleines, in kläglichen Lumpen

gehülltes Mädchen an einer hohen Haustür stehen, in vergeblicher Bemühung,

sie zu öffnen. „Soll ich dir helfen?“ sagte er. Das Kind erwiderte nichts, ließ

aber die schwere Türklinke fahren. Reinhard hatte schon die Tür geöffnet.

„Nein“, sagte er, „sie können dich nicht hinausjagen; komm mit mir! Ich will

dir Weihnachtskuchen geben.“Dann machte er die Tür wieder zu und fasste das

kleine Mädchen an der Hand, das stillschweigend mit ihm in seine Wohnung

ging.

Er hatte das Licht beim Weggehen brennen lassen (on going out he had left the

light burning; weggehen — to go out/away; das Weggehen — going away/out;

beim Weggehen — on: «when» going out). „Hier hast du Kuchen (here are

some cakes for you)“, sagte er und gab ihr die Hälfte seines ganzen Schatzes in

ihre Schürze (he said, and gave her half of his treasure/riches/whole stock into

her apron; der Schatz), nur keine mit den Zuckerbuchstaben (though none with

the sugar letters). „Nun geh nach Hause und gib deiner Mutter auch davon

(now, off you go home, and give your mother some of them too).“ Das Kind

sah mit einem scheuen Blick zu ihm hinauf (the child cast a shy look up at him:

«to him up»; der Blick); es schien solcher Freundlichkeit ungewohnt und nichts

darauf erwidern zu können (she seemed unaccustomed to such kindness and

unable to say anything in reply; scheinen — to seem; freundlich — friendly;

darauf = auf das — thereon; thereupon). Reinhard machte die Tür auf und

leuchtete ihr (Reinhard opened the door, and lighted her /way/; aufmachen =

öffnen — to open), und nun flog die Kleine wie ein Vogel mit ihren Kuchen die

Treppe hinab und zum Hause hinaus (and then the little thing like a bird flew

downstairs with her cakes and out of the house; fliegen; der Vogel — bird).

Er hatte das Licht beim Weggehen brennen lassen. „Hier hast du Kuchen“,

sagte er und gab ihr die Hälfte seines ganzen Schatzes in ihre Schürze, nur

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keine mit den Zuckerbuchstaben. „Nun geh nach Hause und gib deiner Mutter

auch davon.“ Das Kind sah mit einem scheuen Blick zu ihm hinauf; es schien

solcher Freundlichkeit ungewohnt und nichts darauf erwidern zu können.

Reinhard machte die Tür auf und leuchtete ihr, und nun flog die Kleine wie ein

Vogel mit ihren Kuchen die Treppe hinab und zum Hause hinaus.

Reinhard schürte das Feuer in seinem Ofen an (Reinhard poked the fire in the

stove; schüren — to poke; der Ofen) und stellte das bestaubte Tintenfass auf

seinen Tisch (set the dusty ink-stand on the table; der Staub — dust); dann

setzte er sich hin und schrieb und schrieb die ganze Nacht Briefe an seine

Mutter, an Elisabeth (and then sat down and wrote and wrote letters the whole

night long to his mother and Elisabeth; sich hinsetzen — to sit down;

schreiben; der Brief). Der Rest der Weihnachtskuchen lag unberührt nеbеn

ihm (the remainder of the Christmas cakes lay untouched by his side; der Rest

— remainder; rest; liegen — to lie; etwas berühren — to touch something);

aber die Manschetten von Elisabeth hatte er angeknüpft (but he had buttoned

on Elisabeth's cuffs; anknüpfen — to tie on), was sich gar wunderlich zu

seinem weißen Flausrock ausnahm (and odd they looked on his shaggy coat of

undyed wool; sich ausnehmen — to look /against the background/; der Flaus

— baize; flock; home coat/jacket; der Rock — coat; frock-coat; petticoat). So

saß er noch (and there he was still sitting; sitzen), als die Wintersonne auf die

gefrorenen Fensterscheiben fiel (when the winter sun cast its light on the

frosted window-panes; frieren — to freeze; die Scheibe — /window/ glass) und

ihm gegenüber im Spiegel ein blasses, ernstes Antlitz zeigte (and showed him

a pale, grave face reflected in the looking-glass opposite; der Spiegel; der

Antlitz — face).

Reinhard schürte das Feuer in seinem Ofen an und stellte das bestaubte

Tintenfass auf seinen Tisch; dann setzte er sich hin und schrieb und schrieb die

ganze Nacht Briefe an seine Mutter, an Elisabeth. Der Rest des

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Weihnachtskuchen lag unberührt nеbеn ihm; aber die Manschetten von

Elisabeth hatte er angeknüpft, was sich gar wunderlich zu seinem weißen

Flausrock ausnahm. So saß er noch, als die Wintersonne auf die gefrorenen

Fensterscheiben fiel und ihm gegenüber im Spiegel ein blasses, ernstes Antlitz

zeigte.

Daheim

(Home: «at home»)

Als es Ostern geworden war (when Easter came: «became»; werden — to

become), reiste Reinhard in die Heimat (Reinhard journeyed home; die Heimat

— homeland, motherland). Am Morgen nach seiner Ankunft ging er zu

Elisabeth (on the morning after his arrival he went to /see/ Elisabeth). „Wie

groß du geworden bist“ (how tall you've grown: «how big you have become»),

sagte er, als das schöne schmächtige Mädchen ihm lächelnd entgegenkam (he

said, as the pretty, slender girl advanced with a smile to meet him; lächeln —

to smile; entgegen — in the opposite direction; towards). Sie errötete, aber sie

erwiderte nichts (she blushed, but made no reply); ihre Hand, die er beim

Willkommen in die seine genommen (her hand, which he had taken in his own

in greeting; nehmen — to take), suchte sie ihm sanft zu entziehen (she tried to

draw gently away from him; suchen — to seek; to try). Er sah sie zweifelnd an

(he looked at her doubtingly; zweifeln — to doubt; der Zweifel — doubt;

zweifelnd — doubtingly; dubiously: «doubting»); das hatte sie früher nicht

getan (for never had she done that before; tun); nun war es, als trete etwas

Fremdes zwischen sie (/but/ now it was as if some strange thing was coming

between them; treten — to step). — Das blieb auch (the same feeling: «this»

remained too; bleiben — to remain), als er schon länger dagewesen (after he

had been here longer = after he had been at home for some time; lange — long;

for a long time) und als er Tag für Tag immer wiedergekommen war (and

/when/ came to see her constantly day after day). Wenn sie allein zusammen

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saßen (when they sat alone together; sitzen — to sit), entstanden Pausen (there

ensued pauses; entstehen — to arise, to spring up; to come into existence), die

ihm peinlich waren (which were distressful/painful for him; peinlich —

painful; die Pein — torture; pain) und denen er dann ängstlich

zuvorzukommen suchte (and which he timidly/anxiously did his best to

prevent; zuvorkommen — to prevent, to avert; zuvor — before).

Als es Ostern geworden war, reiste Reinhard in die Heimat. Am Morgen nach

seiner Ankunft ging er zu Elisabeth. „Wie groß du geworden bist“, sagte er, als

das schöne schmächtige Mädchen ihm lächelnd entgegenkam. Sie errötete,

aber sie erwiderte nichts; ihre Hand, die er beim Willkommen in die seine

genommen, suchte sie ihm sanft zu entziehen. Er sah sie zweifelnd an; das

hatte sie früher nicht getan; nun war es, als trete etwas Fremdes zwischen sie.

— Das blieb auch, als er schon länger dagewesen und als er Tag für Tag immer

wiedergekommen war. Wenn sie allein zusammen saßen, entstanden Pausen,

die ihm peinlich waren und denen er dann ängstlich zuvorzukommen suchte.

Um während der Ferienzeit eine bestimmte Unterhaltung zu haben (in order to

have a definite occupation/entertainment during the holidays; die Ferien —

holidays; die Unterhaltung — conversation; entertainment; unterhalten — to

keep up /the conversation/; to entertain; halten — to hold), fing er an (he

began; anfangen), Elisabeth in der Botanik zu unterrichten (to teach botany to

Elisabeth), womit er sich in den ersten Monaten seines Universitätslebens

angelegentlich beschäftigt hatte (in which he himself had been keenly:

«earnestly» interested during the early months of his university life;

angelegentlich — insistent; persistent). Elisabeth, die ihm in allem zu folgen

gewohnt (Elisabeth, who was wont to follow him in all things) und überdies

lehrhaft war (and was moreover very quick to learn; lehren — to teach), ging

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bereitwillig darauf ein (willingly agreed = willingly entered into the proposal;

bereitwillig — willingly; readily; eagerly; bereit — willing; ready; der Wille

— will; auf etwas eingehen — to agree to smth). Nun wurden mehrere Male in

der Woche Exkursionen ins Feld oder in die Heiden gemacht (so now several

times in the week they made excursions into the fields or the meadows; das

Mal — time; die Heide — meadow); und hatten sie dann mittags die grüne

Botanisierkapsel voll Kraut und Blumen nach Hause gebracht (and if by

midday they brought home their green field-box full of plants and flowers;

botanisieren — to gather plants; die Kapsel — box; das Kraut — herbage;

grass /motley grass/; bringen — to bring), so kam Reinhard einige Stunden

später wieder (then Reinhard would come again later in the day: «a few hours

later»; später — later; spät — late), um mit Elisabeth den gemeinschaftlichen

Fund zu teilen (to share with Elisabeth what they had collected together:

«common findings»; die Gemeinschaft — community; company; society;

gemein — common).

Um während der Ferienzeit eine bestimmte Unterhaltung zu haben, fing er an,

Elisabeth in der Botanik zu unterrichten, womit er sich in den ersten Monaten

seines Universitätslebens angelegentlich beschäftigt hatte. Elisabeth, die ihm in

allem zu folgen gewohnt und überdies lehrhaft war, ging bereitwillig darauf

ein. Nun wurden mehrere Male in der Woche Exkursionen ins Feld oder in die

Heiden gemacht; und hatten sie dann mittags die grüne Botanisierkapsel voll

Kraut und Blumen nach Hause gebracht, so kam Reinhard einige Stunden

später wieder, um mit Elisabeth den gemeinschaftlichen Fund zu teilen.

In solcher Absicht trat er eines Nachmittags ins Zimmer (with such intention

he stepped into the room one afternoon; treten), als Elisabeth am Fenster stand

(while Elisabeth was standing by the window; das Fenster; stehen) und ein

vergoldetes Vogelbauer, das er sonst nicht dort gesehen, mit frischem

Hühnerschwarm besteckte (and sticking some fresh chick-weed in a gilded

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birdcage which he had not seen in the place before: «and /in/ a gilded birdcage

which he had not seen there before with fresh chick-weed /she/ stuffed»;

/chick-weed is much used for feeding cage-birds/). Im Bauer saß ein

Kanarienvogel (in the cage was a canary; der Kanárienvogel), der mit den

Flügeln schlug und kreischend nach Elisabeths Finger pickte (which was

flapping its wings and shrilly chirruping as it pecked at Elisabeth's fingers; der

Flügel, die Flügel — wing; schlagen). Sonst hatte Reinhards Vogel an dieser

Stelle gehangen (previously to this Reinhard's bird had hung in that place/spot;

sonst — otherwise; commonly; hängen). „Hat mein armer Hänfling sich nach

seinem Tode in einen Goldfinken verwandelt (has my poor linnet changed into

a goldfinch after its death; der Tod)?“ fragte er heiter (he asked jovially).

In solcher Absicht trat er eines Nachmittags ins Zimmer, als Elisabeth am

Fenster stand und ein vergoldetes Vogelbauer, das er sonst nicht dort gesehen,

mit frischem Hühnerschwarm besteckte. Im Bauer saß ein Kanarienvogel, der

mit den Flügeln schlug und kreischend nach Elisabeths Finger pickte. Sonst

hatte Reinhards Vogel an dieser Stelle gehangen. „Hat mein armer Hänfling

sich nach seinem Tode in einen Goldfinken verwandelt?“ fragte er heiter.

„Das pflegen die Hänflinge nicht (linnets are not accustomed to do any such

thing; pflegen /etwas zu tun/ — to have the habit /to do smth/)“, sagte die

Mutter, welche spinnend im Lehnstuhle saß (who sat spinning in her arm-chair;

spinnen — to spin). „Ihr Freund Erich hat ihn heut Mittag für Elisabeth von

seinem Hofe hereingeschickt (your friend Eric sent it this noon from his estate

/as a present/ for Elisabeth; der Hof — court; yard; /country/ estate; farm)”.

„Von welchem Hofe (what estate)?“

„Das wissen Sie nicht (don't you know)?“

„Was denn (know what: «what then»)?“

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„Dass Erich seit einem Monat den zweiten Hof seines Vater am Immensee

angetreten hat (that a month ago Eric took over his father's second estate by the

Immensee)?“

„Aber Sie haben mir kein Wort davon gesagt (but you have never said a word

to me about it).“

„Ei (eh)“, sagte die Mutter, „Sie haben sich auch noch mit keinem Worte nach

Ihrem Freunde erkundigt (but you haven't yet made a single word of inquiry

after your friend; sich nach jemandem erkundigen — to inquire about smb). Er

ist ein gar lieber, verständiger junger Mann (he is a very nice, sensible young

man; der Verstand — sense; mind; verstehen — to understand).“

„Das pflegen die Hänflinge nicht“, sagte die Mutter, welche spinnend im

Lehnstuhle saß. „Ihr Freund Erich hat ihn heut Mittag für Elisabeth von seinem

Hofe hereingeschickt.“

„Von welchem Hofe?“

„Das wissen Sie nicht?“

„Was denn?“

„Dass Erich seit einem Monat den zweiten Hof seines Vater am Immensee

angetreten hat?“

„Aber Sie haben mir kein Wort davon gesagt.“

„Ei“, sagte die Mutter, „Sie haben sich auch noch mit keinem Worte nach

Ihrem Freunde erkundigt. Er ist ein gar lieber, verständiger junger Mann.“

Die Mutter ging hinaus, um den Kaffee zu besorgen (the mother went out of

the room to get = make the coffee; besorgen — to get; sorgen — to take care;

to look after); Elisabeth hatte Reinhard den Rücken zugewandt (Elisabeth had

her back turned to Reinhard: «turned to Reinhard /her/ back»; zuwenden) und

war noch mit dem Bau ihrer kleinen Laube beschäftigt (and was still busy

building her small bower; der Bau — building; construction; bauen — to

build). „Bitte, nur ein kleines Weilchen (please, just a little while; eine Weile

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— some time; awhile)“, sagte sie; „gleich bin ich fertig (I'll be done in a

minute; fertig — to be ready; to be done with).“ — Da Reinhard wider seine

Gewohnheit nicht antwortete (as Reinhard did not answer, contrary to his

wont; die Gewohnheit — habit; wont; sich an etwas gewöhnen — to get used to

something), so wandte sie sich um (so she turned /around/; sich umwenden). In

seinen Augen lag ein plötzlicher Ausdruck von Kummer (in his eyes there was

a sudden expression of trouble; ausdrücken — to express; der Kummer —

sorrow; grief), den sie nie darin gewahrt hatte (she had never observed before

in them; darin — inside this; inside them). „Was fehlt dir, Reinhard (what is

the matter with you: «what do you lack», Reinhard; fehlen — to lack)?“ fragte

sie, indem sie nahe zu ihm trat (she said, drawing nearer to him; fragen — to

ask, to inquire; treten — to step).

„Mir (with me: «me»)?“ sagte er gedankenlos (he said, his thoughts far

away/absent-mindedly: «thoughtlessly»; der Gedanke — thought; denken — to

think) und ließ seine Augen träumerisch in den ihren ruhen (and let his eyes

dreamily rest on her eyes; der Traum — dream; der Träumer — dreamer).

„Du siehst so traurig aus (you look so sad; die Trauer — sorrow; grief;

sadness).“

„Elisabeth“, sagte er, „ich kann den gelben Vogel nicht leiden (I cannot bear

that yellow bird; leiden — to suffer).“

Sie sah ihn staunend an; sie verstand ihn nicht (she looked at him in

astonishment, she did not understand him; staunen — to be amazed). „Du bist

so sonderbar“ (you are so strange), sagte sie.

Er nahm ihre beiden Hände, die sie ruhig in den seinen ließ (he took both her

hands in his, and she let him keep them there quietly; nehmen; lassen). Bald

trat die Mutter wieder herein (shortly after her mother came back into the

room; hereintreten — to come in).

Die Mutter ging hinaus, um den Kaffee zu besorgen; Elisabeth hatte Reinhard

den Rücken zugewandt und war noch mit dem Bau ihrer kleinen Laube

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beschäftigt. „Bitte, nur ein kleines Weilchen“, sagte sie; „gleich bin ich fertig.“

— Da Reinhard wider seine Gewohnheit nicht antwortete, so wandte sie sich

um. In seinen Augen lag ein plötzlicher Ausdruck von Kummer, den sie nie

darin gewahrt hatte. „Was fehlt dir, Reinhard?“ fragte sie, indem sie nahe zu

ihm trat.

„Mir?“ sagte er gedankenlos und ließ seine Augen träumerisch in den ihren

ruhen.

„Du siehst so traurig aus.“

„Elisabeth“, sagte er, „ich kann den gelben Vogel nicht leiden.“

Sie sah ihn staunend an; sie verstand ihn nicht. „Du bist so sonderbar“, sagte

sie.

Er nahm ihre beiden Hände, die sie ruhig in den seinen ließ. Bald trat die

Mutter wieder herein.

Nach dem Kaffee setzte diese sich an ihr Spinnrad (after coffee she /mother/

sat down at her spinning-wheel); Reinhard und Elisabeth gingen ins

Nebenzimmer (Reinhard and Elisabeth went off into the next room; neben —

near; by возле), um ihre Pflanzen zu ordnen (to arrange their plants). Nun

wurden Staubfäden gezählt (now stamens were counted; der Staub — dust; /=

der Blütenstaub/ pollen; die Blüte — blossom; der Faden — thread), Blätter

und Blüten sorgfältig ausgebreitet (leaves and blossoms carefully opened out;

das Blatt; die Blüte — blossom; blühen — to bloom; to be in blossom;

ausbreiten — to widen; to broaden; to stretch; to smooth out; breit — broad;

wide) und von jeder Art zwei Exemplare zum Trocknen zwischen die Blätter

eines großen Folianten gelegt (and two specimens of each sort were laid to dry

between the pages of a large folio volume; das Exemplár; trocknen — to dry;

trocken — dry; der Foliánt). Es war sonnige Nachmittagsstille (all was calm

and still that sunny afternoon: «it was sunny afternoon stillness»; die Stille —

stillness; calm); nur nebenan schnurrte der Mutter Spinnrad (only mother's

spinning-wheel hummed in the next room; schnurren — to hum), und von Zeit

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zu Zeit wurde Reinhards gedämpfte Stimme gehört (and now and then the

subdued voice of Reinhard was heard; dämpfen — to damp; der Dampf —

steam; vapor), wenn er die Ordnung der Klassen der Pflanzen nannte (as he

named the orders of the families of the plants; nennen) oder Elisabeths

ungeschickte Aussprache der lateinischen Namen korrigierte (or corrected

Elisabeth's awkward pronunciation of the Latin names).

Nach dem Kaffee setzte diese sich an ihr Spinnrad; Reinhard und Elisabeth

gingen ins Nebenzimmer, um ihre Pflanzen zu ordnen. Nun wurden Staubfäden

gezählt, Blätter und Blüten sorgfältig ausgebreitet und von jeder Art zwei

Exemplare zum Trocknen zwischen die Blätter eines großen Folianten gelegt.

Es war sonnige Nachmittagsstille; nur nebenan schnurrte der Mutter Spinnrad,

und von Zeit zu Zeit wurde Reinhards gedämpfte Stimme gehört, wenn er die

Ordnung der Klassen der Pflanzen nannte oder Elisabeths ungeschickte

Aussprache der lateinischen Namen korrigierte.

„Mir fehlt noch von neulich die Maiblume“ (I am still short of that lily of the

valley: «may flower of the other day»), sagte sie jetzt, als der ganze Fund

bestimmt und geordnet war (she said: «she said now», after the whole

collection had been classified and arranged; ordnen — to put in order; to

order; to sort).

Reinhard zog einen kleinen weißen Pergament aus der Tasche (Reinhard pulled

a little white vellum volume from his pocket; ziehen — to draw; to pull). „Hier

ist ein Maiblumenstengel für dich“ (here is a spray of the lily of the valley for

you; der Stengel — stem; stalk), sagte er, indem er die halbgetrocknete Pflanze

herausnahm (he said, taking out a half-pressed bloom; trocknen — to dry up; to

press /flowers/).

Als Elisabeth die beschriebenen Blätter sah, fragte sie (when Elisabeth saw the

pages all covered with writing, she asked): „Hast du wieder Märchen gedichtet

(have you written fairy-tales again; das Märchen)?“

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„Es sind keine Märchen“ (these aren't fairy-tales), antwortete er und reichte ihr

das Buch (he answered, handing her the book).

„Mir fehlt noch von neulich die Maiblume“, sagte sie jetzt, als der ganze Fund

bestimmt und geordnet war.

Reinhard zog einen kleinen weißen Pergament aus der Tasche. „Hier ist ein

Maiblumenstengel für dich“, sagte er, indem er die halbgetrocknete Pflanze

herausnahm.

Als Elisabeth die beschriebenen Blätter sah, fragte sie: „Hast du wieder

Märchen gedichtet?“

„Es sind keine Märchen“, antwortete er und reichte ihr das Buch.

Es waren lauter Verse (they were all verses; lauter — nothing but; der Vers —

verse), die meisten füllten höchstens eine Seite (the majority of them at most

filled one page; füllen — to fill). Elisabeth wandte ein Blatt nach dem anderen

um (Elisabeth turned over the leaves one after another; umwenden — to turn

over); sie schien nur die Überschriften zu lesen (she appeared to be reading the

titles only). „Als sie vom Schulmeiter gescholten war (when she was scolded

by the teacher; schelten — to scold).“ — „Als sie sich im Walde verirrt hatten

(when they lost their way in the woods).“ — „Mit dem Ostermärchen (with an

Easter fairy-tale).“ — „Als sie mir zum erstenmal geschrieben hatte (on her

writing to me for the first time: «when she first wrote to me»)“, in der Weise

lauteten fast alle (thus ran most of the titles: «in this manner sounded almost

all»; die Weise — way; manner). Reinhard blickte forschend zu ihr hin

(Reinhard fixed his eyes on her with a searching look: «looked searchingly at

her»; forschen — to search; zu jemandem hinblicken — to look at smb), und

indem sie immer weiterblätterte, sah er (and as she kept turning over the leaves

he saw), wie zuletzt auf ihrem klaren Antlitz ein zartes Rot hervorbrach (that a

gentle blush arose eventually on her sweet: «clear» face; das Antlitz;

hervorbrechen — to break out/forth; brechen — to break) und es allmählich

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ganz überzog (and gradually mantled over the whole /face/; überziehen — to

cover; ziehen — to draw; to pull). Er wollte ihre Augen sehen (he wanted to

see her eyes); aber Elisabeth sah nicht auf (but Elisabeth did not look up;

aufsehen — to look up) und legte das Buch am Ende schweigend vor ihm hin

(and finally laid the book down before him without a word; hinlegen — to lay

/somewhere/; das Ende — end).

„Gib es mir nicht so zurück (don't give it back /to me/ like that; geben — to

give; zurückgeben — to give back)!“ sagte er.

Sie nahm ein braunes Reis aus der Blechkapsel (she took a brown spray out of

the tin case; das Reis — spray). „Ich will dein Lieblingskraut hineinlegen (I

will put your favourite flower inside; hinein — inside; in: «there-in»)“, sagte

sie und gab ihm das Buch in seine Hände (she said and gave the book back into

his hands). —

Es waren lauter Verse, die meisten füllten höchstens eine Seite. Elisabeth

wandte ein Blatt nach dem anderen um; sie schien nur die Überschriften zu

lesen. „Als sie vom Schulmeiter gescholten war.“ — „Als sie sich im Walde

verirrt hatten.“ — „Mit dem Ostermärchen.“ — „Als sie mir zum erstenmal

geschrieben hatte“, in der Weise lauteten fast alle. Reinhard blickte forschend

zu ihr hin, und indem sie immer weiterblätterte, sah er, wie zuletzt auf ihrem

klaren Antlitz ein zartes Rot hervorbrach und es allmählich ganz überzog. Er

wollte ihre Augen sehen; aber Elisabeth sah nicht auf und legte das Buch am

Ende schweigend vor ihm hin.

„Gib es mir nicht so zurück!“ sagte er.

Sie nahm ein braunes Reis aus der Blechkapsel. „Ich will dein Lieblingskraut

hineinlegen“, sagte sie und gab ihm das Buch in seine Hände. —

Endlich kam der letzte Tag der Ferienzeit und der Morgen der Abreise (at

length/at last came the last day of the vacation and the morning of /his/

departure). Auf ihre Bitte erhielt Elisabeth von der Mutter die Erlaubnis (at her

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own request Elisabeth received permission from her mother; erhalten — to

receive; to get; erlauben — to permit; to allow), ihren Freund an den

Postwagen zu begleiten (to accompany her friend to the stage-coach), der

einige Straßen von ihrer Wohnung seine Station hatte (which had its station a

few streets from their house). Als sie vor die Haustür traten, gab Reinhard ihr

den Arm (when they passed out of the front door Reinhard gave her /his/ arm;

treten — to tread; to step); so ging er schweigend neben dem schlanken

Mädchen her (thus he walked in silence side by side with the slender maiden;

neben jemandem hergehen — to walk alongside of someone). Je näher sie

ihrem Ziele kamen (the nearer they came to their destination: «objective/goal»;

nah — close; near; das Ziel), desto mehr war es ihm (the more he felt/it

seemed to him: «was it to him»), er habe ihr, ehe er auf so lange Abschied

nehme, etwas Notwendiges mitzuteilen (/as if/ he had something he must say

to her before he bade her a long farewell; notwendig — necessary;

indispensable; hat mitzuteilen — has to inform/tell; Abschied nehmen — to say

good-bye; der Abschied — farewell) — etwas, wovon aller Wert und alle

Lieblichkeit seines künftigen Lebens abhänge (something on which all that was

worthy and all that was lovely = sweet in his future life depended; der Wert —

value; lieblich — lovely), und doch konnte er sich des erlösenden Wortes nicht

bewusst werden (and yet he could not formulate/realize the saving word;

erlösen — to save; bewusst — aware; conscious). Das ängstigte ihn; er ging

immer langsamer (it scared him; he walked slower and slower; die Angst —

fear; anxiety).

Endlich kam der letzte Tag der Ferienzeit und der Morgen der Abreise. Auf

ihre Bitte erhielt Elisabeth von der Mutter die Erlaubnis, ihren Freund an den

Postwagen zu begleiten, der einige Straßen von ihrer Wohnung seine Station

hatte. Als sie vor die Haustür traten, gab Reinhard ihr den Arm; so ging er

schweigend neben dem schlanken Mädchen her. Je näher sie ihrem Ziele

kamen, desto mehr war es ihm, er habe ihr, ehe er auf so lange Abschied

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Ilya Frank’s Reading Method www.franklang.ru 65

nehme, etwas Notwendiges mitzuteilen — etwas, wovon aller Wert und alle

Lieblichkeit seines künftigen Lebens abhänge, und doch konnte er sich des

erlösenden Wortes nicht bewusst werden. Das ängstigte ihn; er ging immer

langsamer.

„Du kommst zu spät (you'll come too late)“, sagte sie, „es ist schon zehn

geschlagen auf St.Marien (it has already struck ten by St.Mary's clock;

schlagen).“

Er ging aber darum nicht schneller (but he did not quicken his pace for all

that). Endlich sagte er stammelnd (at last he stammered): „Elisabeth, du wirst

mich nun in zwei Jahren gar nicht sehen (Elisabeth, you will not see me again

for two /whole/ years; gar — at all) — wirst du mich wohl noch ebenso

liebhaben wie jetzt, wenn ich wieder da bin (shall I be as dear to you as ever

when I come back: «will you probably still love me just like now, when…»;

ebenso — /exactly/ the same)?“

Sie nickte und sah ihm freundlich ins Gesicht (she nodded, and looked

affectionately into his face). — „Ich habe dich auch verteidigt (I stood up for

you too; verteidigen — to defend)“, sagte sie nach einer Pause (she said, after a

pause).

„Mich (me)? Gegen wen hattest du das nötig (against whom was it necessary

/to stand up for me/; gegen — against)?“

„Gegen meine Mutter (against my mother). Wir sprachen gestern Abend, als

du weggegangen warst, noch lange über dich (we were talking about you a

long time yesterday evening after you left). Sie meinte, du seiest nicht mehr so

gut, wie du gewesen (she thought you were not so nice now as you once were;

sein — to be; du seiest — this construction is used to introduce

reported/indirect speech: «/that/ you are»).“

„Du kommst zu spät“, sagte sie, „es ist schon zehn geschlagen auf St.Marien.“

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Er ging aber darum nicht schneller. Endlich sagte er stammelnd: „Elisabeth, du

wirst mich nun in zwei Jahren gar nicht sehen — wirst du mich wohl noch

ebenso liebhaben wie jetzt, wenn ich wieder da bin?“

Sie nickte und sah ihm freundlich ins Gesicht. — „Ich habe dich auch

verteidigt“, sagte sie nach einer Pause.

„Mich? Gegen wen hattest du das nötig?“

„Gegen meine Mutter. Wir sprachen gestern Abend, als du weggegangen

warst, noch lange über dich. Sie meinte, du seiest nicht mehr so gut, wie du

gewesen.“

Reinhard schwieg einen Augenblick (Reinhard held his peace for a moment:

«paused a moment»; schweigen — to keep silent); dann aber nahm er ihre

Hand in die seine (then he took her hand in his) und indem er ihr ernst in ihre

Kinderaugen blickte, sagte er (and looking gravely into her childish eyes, he

said): „Ich bin noch eben so gut, wie ich gewesen bin (I am still just as nice as

I ever was); glaube du das nur fest (just firmly believe that)! Glaubst du es,

Elisabeth (do you believe it, Elisabeth)?“

„Ja“, sagte sie. Er ließ ihre Hand los und ging rasch mit ihr durch die letzte

Straße (he freed her hand and quickly walked with her through the last street;

loslassen — to let go; to let off). Je näher ihm der Abschied kam (the nearer the

time of parting came/approached), desto freudiger ward sein Gesicht (the

happier became the look on his face; ward = wurde; werden — to become); er

ging ihr fast zu schnell (he went almost too quickly for her).

„Was hast du (what is the matter with you: «what have you»), Reinhard?“

fragte sie.

Reinhard schwieg einen Augenblick; dann aber nahm er ihre Hand in die

seine,und indem er ihr ernst in ihre Kinderaugen blickte, sagte er: „Ich bin

noch eben so gut, wie ich gewesen bin; glaube du das nur fest! Glaubst du es,

Elisabeth?“

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„Ja“, sagte sie. Er ließ ihre Hand los und ging rasch mit ihr durch die letzte

Straße. Je näher ihm der Abschied kam, desto freudiger ward sein Gesicht; er

ging ihr fast zu schnell.

„Was hast du, Reinhard?“ fragte sie.

„Ich habe ein Geheimnis, ein schönes (I have a secret, a beautiful secret)!“

sagte er und sah sie wieder mit leuchtenden Augen an (and looked at her with

shining eyes; das Auge, die Augen). „Wenn ich nach zwei Jahren wieder da

bin, dann sollst du es erfahren (when I come back again in two years' time,

then you shall know it).“

Mittlerweile hatten sie den Postwagen erreicht (meanwhile they had reached

the stage-coach); es war noch eben Zeit genug (they were only just in time: «it

was still just enough time»). Noch einmal nahm Reinhard ihre Hand (once

more Reinhard took her hand). „Leb wohl (goodbye/farewell: «fare well»)!“

sagte er, „Leb wohl, Elisabeth. Vergiss es nicht (do not forget about it;

vergessen)!“

Sie schüttelte mit dem Kopf (she shook her head; der Kopf). „Leb wohl!“ sagte

sie. Reinhard stieg hinein und die Pferde zogen an (Reinhard climbed up /into

the coach/ and the horses started; steigen — to go up /or down/; /hin/einsteigen

— to get on; to get into: «go up there-into»; das Pferd; anziehen — to start; to

be off).

Als der Wagen um die Straßenecke rollte, sah er noch einmal ihre liebe Gestalt

(as the coach rumbled round the corner of the street he saw her dear form once

more; die Ecke — corner; rollen — to roll), wie sie langsam den Weg

zurückging (as she slowly wended her way home: «walked the way back»).

„Ich habe ein Geheimnis, ein schönes!“ sagte er und sah sie wieder mit

leuchtenden Augen an. „Wenn ich nach zwei Jahren wieder da bin, dann sollst

du es erfahren.“

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Ilya Frank’s Reading Method www.franklang.ru 68

Mittlerweile hatten sie den Postwagen erreicht; es war noch eben Zeit genug.

Noch einmal nahm Reinhard ihre Hand. „Leb wohl!“ sagte er, „Leb wohl,

Elisabeth. Vergiss es nicht!“

Sie schüttelte mit dem Kopf. „Leb wohl!“ sagte sie. Reinhard stieg hinein und

die Pferde zogen an.

Als der Wagen um die Straßenecke rollte, sah er noch einmal ihre liebe Gestalt,

wie sie langsam den Weg zurückging.

Ein Brief

(A Letter)

Fast zwei Jahre nachher saß Reinhard vor seiner Lampe zwischen Büchern und

Papieren in Erwartung eines Freundes (nearly two years later Reinhard was

sitting by lamplight with his books and papers around him, expecting a friend;

das Buch, die Bücher; das Papíer, die Papiere; erwarten — to expect), mit

welchem er gemeinschaftliche Studien übte (with whom he practised

collaborative studies; üben — to practice). Man kam die Treppe herauf (some

one came upstairs). „Herein (come in: «here-in»)!“ — Es war die Wirtin (it

was the landlady). „Ein Brief für sie, Herr Werner (a letter for you, Herr

Werner)!“ Dann entfernte sie sich wieder (then she went away again; fern —

far).

Reinhard hatte seit seinem Besuch in der Heimat nicht an Elisabeth

geschrieben (Reinhard had never written to Elisabeth since his visit home; der

Besuch; besuchen — to visit) und von ihr keinen Brief mehr erhalten (and he

had received no letter from her; erhalten — to receive; to get). Auch dieser war

nicht von ihr (nor was this one from her: «also this was not of her»), es war die

Hand seiner Mutter (it was his mother's hand = handwriting). Reinhard brach

und las, und bald las er folgendes (Reinhard broke down /the seal/ and read it,

and soon he was reading the following; brechen — to break; lesen — to read;

folgen — to follow):

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Ilya Frank’s Reading Method www.franklang.ru 69

„In Deinem Alter, mein liebes Kind, hat noch fast jedes Jahr sein eigenes

Gesicht (at your age, my dear boy, nearly every year still brings its own

peculiar experience: «every year has its own face»; das Alter): denn die Jugend

lässt sich nicht ärmer machen (because the youth does not let make it poorer;

arm — poor). Hier ist auch manches anders geworden (at home, too, things

have changed: «here too some things have become different»; manch — some),

was Dir wohl erstan weh tun wird (that, very likely, at first will cause you pain:

«make hurt»), wenn ich Dich sonst recht verstanden habe (if I have usually

understood you correctly; recht — right, rightly; verstehen). Erich hat sich

gestern endlich das Jawort von Elisabeth geholt (Erich yesterday finally

received consent: «yes-word» from Elizabeth), nachdem er in dem letzten

Vierteljahr zweimal vergebens angefragt hatte (after having twice proposed in

vain during the last three months: «last quarter»). Sie hat sich immer nicht dazu

entschließen können (she had never been able to make up her mind/decide to

it); nun hat sie es endlich doch getan (now in the end/finally she has done so);

sie ist auch noch gar so jung (she is still far too young). Die Hochzeit soll bald

sein, und die Mutter wird dann mit ihnen fortgehen (the wedding is to take

place soon, and her mother means to go away with them).“

Fast zwei Jahre nachher saß Reinhard vor seiner Lampe zwischen Büchern und

Papieren in Erwartung eines Freundes, mit welchem er gemeinschaftliche

Studien übte. Man kam die Treppe herauf. „Herein!“ — Es war die Wirtin.

„Ein Brief für sie, Herr Werner!“ Dann entfernte sie sich wieder.

Reinhard hatte seit seinem Besuch in der Heimat nicht an Elisabeth

geschrieben und von ihr keinen Brief mehr erhalten. Auch dieser war nicht von

ihr, es war die Hand seiner Mutter. Reinhard brach und las, und bald las er

folgendes:

„In Deinem Alter, mein liebes Kind, hat noch fast jedes Jahr sein eigenes

Gesicht: denn die Jugend lässt sich nicht ärmer machen. Hier ist auch manches

anders geworden, was Dir wohl erstan weh tun wird, wenn ich Dich sonst recht

Page 70: Storm Immensee M English

Ilya Frank’s Reading Method www.franklang.ru 70

verstanden habe. Erich hat sich gestern endlich das Jawort von Elisabeth

geholt, nachdem er in dem letzten Vierteljahr zweimal vergebens angefragt

hatte. Sie hat sich immer nicht dazu entschließen können; nun hat sie es

endlich doch getan; sie ist auch noch gar so jung. Die Hochzeit soll bald sein,

und die Mutter wird dann mit ihnen fortgehen.“

Immensee

(Immensee)

Wiederum waren Jahre vorüber (again years have passed). — Auf einem

abwärtsführenden schattigen Waldwege (along a shady road through the wood

leading down /to the valley below/: «on a downward shady forest path»;

abwärts — down; downwards; führen — to lead) wanderte an einem warmen

Frühlingsnachmittage ein junger Mann mit kräftigem, gebräuntem Antlitz (one

warm afternoon in spring a young man with a powerful: «strong» sunburnt face

was walking). Mit seinen ernsten graunen Augen sah er gespannt in die Ferne

(/with/ his grave dark eyes /he/ looked intently into the distance), als erwarte er

endlich eine Veränderung des einförmigen Weges (as though he was expecting

to find at last every moment some change in the monotony of the road;

verändern — to change; der Weg), die jedoch immer nicht eintreten wollte

(which /a change/ however seemed reluctant to come about). Endlich kam ein

Karrenfuhrwerk langsam von unten herauf (at length he saw a cart slowly

coming up from below). „Holla! Guter Freund (hello! my: «good/dear»

friend)“, rief der Wanderer dem nebengehenden Bauer zu (shouted the traveller

to the farmer, who was walking by the side of the cart; rufen), „geht´s hier

recht nach Immensee (is this the right road to Immensee)?“

„Immer geradeaus (yes, straight on: «always straight»; immer — always)“,

antwortete der Mann und rückte an seinem Rundhute (answered the man

touching his round hat; rücken — to move; rund — round; der Hut — hat).

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„Hat´s denn noch weit bis dahin (is it still far off: «far to there»; dahin —

there, thither)?“

„Der Herr ist dicht davor (you are close to the place, sir: «the gentleman is in

front of it»; dicht — dense; davor — in front of this /that, him, her, them/).

Keine halbe Pfeif’ Tobak, so haben´s den See; das Herrenhaus liegt hart daran

(in less time than it takes to smoke half a pipe of tobacco: «less than half a pipe

of tobacco» and you'll be at the lake side, and the manor is hard by; liegen — to

lie; to be situated; hart — hard; hard by; daran — by; hard by this /that, him,

her, them/).“

Wiederum waren Jahre vorüber. — Auf einem abwärtsführenden schattigen

Waldwege wanderte an einem warmen Frühlingsnachmittage ein junger Mann

mit kräftigem, gebräuntem Antlitz. Mit seinen ernsten graunen Augen sah er

gespannt in die Ferne, als erwarte er endlich eine Veränderung des einförmigen

Weges, die jedoch immer nicht eintreten wollte. Endlich kam ein

Karrenfuhrwerk langsam von unten herauf. „Holla! Guter Freund“, rief der

Wanderer dem nebengehenden Bauer zu, „geht´s hier recht nach Immensee?“

„Immer geradeaus“, antwortete der Mann und rückte an seinem Rundhute.

„Hat´s denn noch weit bis dahin?“

„Der Herr ist dicht davor. Keine halbe Pfeif’ Tobak, so haben´s den See; das

Herrenhaus liegt hart daran.“

Der Bauer fuhr vorüber (the farmer passed on; fahren — to go; to drive;

vorüber — by, past; vorüberfahren); der andere ging eiliger unter den Bäumen

entlang (/while/ the other quickened his pace as he went along under the trees;

eilig — hastily; hurriedly; die Eile — haste; der Baum, die Bäume; entlang —

along). Nach einer Viertelstunde hörte ihm zur Linken plötzlich der Schatten

auf (after a quarter of an hour the shade to the left of him suddenly came to an

end; aufhören — to stop; to cease; to end); der Weg führte an einem Abhang,

aus dem die Gipfel hundertjähriger Eichen nur kaum hervorragten (the road led

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along a /steep/ slope from which the centennial oaks hardly reared:

«protruded» /their topmost branches/; der Abhang — slope). Über sie hinweg

öffnete sich eine weite, sonnige Landschaft (over/above them opened out a

wide, sunny landscape; hinweg — away; off). Tief unten lag der See (far below

lay the lake; liegen), ruhig, dunkelblau (peaceful, dark-blue), fast ringsum von

grünen, sonnbeschienenen Wäldern umgeben (almost entirely surrounded by

green sun-lit woods; der Wald, die Wälder); nur an einer Stelle traten sie

auseinander (only in one place they came apart/asunder; auseinander —

asunder; auseinandertreten — to part; treten — to tread; to step) und

gewährten eine tiefe Fernsicht (and granted a profound distant view; die

Fernsicht — view; fern — far, distant; die Sicht — visibility), bis auch diese

durch blaue Berge geschlossen wurde (until it was closed: «it became closed»

by blue mountains; der Berg; schließen).

Der Bauer fuhr vorüber; der andere ging eiliger unter den Bäumen entlang.

Nach einer Viertelstunde hörte ihm zur Linken plötzlich der Schatten auf; der

Weg führte an einem Abhang, aus dem die Gipfel hundertjähriger Eichen nur

kaum hervorragten. Über sie hinweg öffnete sich eine weite, sonnige

Landschaft. Tief unten lag der See, ruhig, dunkelblau, fast ringsum von grünen,

sonnbeschienenen Wäldern umgeben; nur an einer Stelle traten sie auseinander

und gewährten eine tiefe Fernsicht, bis auch diese durch blaue Berge

geschlossen wurde.

Quer gegenüber, mitten in dem grünen Laub der Wälder (opposite and a little

obliquely, in the middle of the green foliage of the woods/forest vendure; quer

— athwart, crosswise; das Laub — foliage), lag es wie Schnee darüberher

(there lay something like snow; liegen; der Schnee; darüber — above this;

darüberher — over this); das waren blühende Obstbäume (these were

blossoming fruit-trees; das Obst — fruit/s/), und daraus hervor auf dem hohen

Ufer erhob sich das Herrenhaus, weiß mit roten Ziegeln (and out of them, up

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on the high lake shore, rose the manor-house, white, with red tiles; daraus —

from this; from them; therefrom; hervor — out; forward: «here-in front of»;

das Ufer — bank; sich erheben — to rise; der Ziegel, die Ziegel — brick; tile).

Ein Storch flog vom Schornstein auf (a stork flew up from the chimney; der

Storch; auffliegen — to fly up; fliegen — to fly; der Schornstein — chimney)

und kreiste langsam über dem Wasser (and circled slowly above the waters;

der Kreis — circle; das Wasser). — „Immensee!“ rief der Wanderer

(exclaimed the traveler; rufen; wandern — to wander /about/around/). Es war

fast, als hätte er jetzt das Ziel seiner Reise erreicht (it almost seemed as if he

had now reached the end of his journey; das Ziel — target, mark; aim, goal,

end), denn er stand unbeweglich (for he stood motionless; sich bewegen — to

move) und sah über die Gipfel der Bäume zu seinen Füßen hinüber ans andere

Ufer (looking out over the tops of the trees at his feet, and gazing at the farther

shore; der Gipfel — top; der Fuß, die Füße), wo das Spiegelbild des

Herrenhauses leise schaukelnd auf dem Wasser schwamm (where the reflection

of the manor-house floated, rocking silently/gently, on /the bosom of/ the

water; schaukeln — to rock; schwimmen — to swim). Dann setzte er plötzlich

seinen Weg fort (then he suddenly started on his way again; fortsetzen — to

continue).

Quer gegenüber, mitten in dem grünen Laub der Wälder, lag es wie Schnee

darüberher; das waren blühende Obstbäume, und daraus hervor auf dem hohen

Ufer erhob sich das Herrenhaus, weiß mit roten Ziegeln. Ein Storch flog vom

Schornstein auf und kreiste langsam über dem Wasser. — „Immensee!“ rief

der Wanderer. Es war fast, als hätte er jetzt das Ziel seiner Reise erreicht, denn

er stand unbeweglich und sah über die Gipfel der Bäume zu seinen Füßen

hinüber ans andere Ufer, wo das Spiegelbild des Herrenhauses leise

schaukelnd auf dem Wasser schwamm. Dann setzte er plötzlich seinen Weg

fort.

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Er ging jetzt fast steil den Berg hinab (he went now almost steeply down the

mountain), so dass die unten stehenden Bäume wieder Schatten gewährten (so

that the trees, that had once stood below him, again granted /him/ their shade;

der Schatten), zugleich aber die Aussicht auf den See verdeckten (but at the

same time cut off from him the view of the lake), der nur zuweilen zwischen

den Lücken der Zweige hindurchblitzte (which only now and then peeped out

between the gaps in the branches; die Lücke — gap; der Zweig — branch;

hindurch — through). Bald ging es wieder sanft empor (soon the way: «it»

went gently upwards again; sanft — gently; empór — up; upwards), und nun

verschwand rechts und links die Holzung (and to left and right the woods

disappeared; verschwinden; die Holzung — woods; grove); statt dessen

streckten sich dichtbelaubte Obstbäume voll summender, wühlender Bienen

(instead leafy fruit-trees stretched /along the pathway/ filled with the bees

buzzing and burrowing /into the blossoms/; dicht — dense; das Laub —

foliage; das Obst — fruit/s/; die Biene — bee).

Er ging jetzt fast steil den Berg hinab, so dass die unten stehenden Bäume

wieder Schatten gewährten, zugleich aber die Aussicht auf den See verdeckten,

der nur zuweilen zwischen den Lücken der Zweige hindurchblitzte. Bald ging

es wieder sanft empor, und nun verschwand rechts und links die Holzung; statt

dessen streckten sich dichtbelaubte Obstbäume voll summender, wühlender

Bienen.

Ein stattlicher Mann in braunem Überrock kam dem Wanderer entgegen (a tall

man wearing a brown overcoat advanced to meet the wanderer/traveler;

entgegenkommen; entgegen — towards; in the opposite direction). Als er ihn

fast erreicht hatte (when he had almost come up to him; erreichen — to reach),

schwenkte er seine Mütze und rief mit heller Stimme (he waved his cap and

cried out in a clear/ringing voice; hell — clear): „Willkommen, willkommen,

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Bruder Reinhard (welcome, brother Reinhard)! Willkommen auf Gut

Immensee (welcome to /my/ Immensee estate; das Gut — estate)!“

„Gott grüß dich, Erich, und Dank für dein Willkommen (God's greeting to you,

Eric, and thank you for your welcome; /this form of salutation is especially

common in the south of Germany/)!“ rief ihm der andere entgegen (shouted the

other: «~coming from the opposite direction»).

Ein stattlicher Mann in braunem Überrock kam dem Wanderer entgegen. Als

er ihn fast erreicht hatte, schwenkte er seine Mütze und rief mit heller Stimme:

„Willkommen, willkommen, Bruder Reinhard! Willkommen auf Gut

Immensee!“

„Gott grüß dich, Erich, und Dank für dein Willkommen!“ rief ihm der andere

entgegen.

Dann waren sie zueinander gekommen und reichten sich die Hände (then they

had come to each other and shook hands). „Bist du es denn aber auch (/and/ is

it really you; denn aber auch — really?: denn — really?; aber — however;

though; auch — also, as well, too)?“ sagte Erich, als er so nahe in das ernste

Gesicht seines alten Schulkameraden sah (when he at last got a near sight of

the grave face of his old school-fellow; der Kamerád — comrade; friend).

„Freilich bin ich’s, Erich, und du bist es auch (of course it's me, Eric, and it's

you /also/), nur siehst du noch fast heiterer aus, als du schon sonst immer getan

hast (only you almost look cheerier than you ever did before: «yet almost

cheerier»).“

Ein frohes Lächeln machte Erichs einfache Züge bei diesen Worten noch um

vieles heiterer (at these words a happy/glad smile made Eric's simple features

all the more cheerful; einfach — simple; common; plain; ordinary; das Wort,

die Wörter — word; die Worte — word/s/; speech). „Ja, Bruder Reinhard“,

sagte er, diesem noch einmal Hand reichend (as he once more held out his

hand to him: «this one»), „ich habe aber auch seitdem das Große Los gezogen,

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du weißt es ja (but since those days, you see, I have won: «drawn» the first

prize; but you know that well enough; das Los — lottery ticket; das Große Los

— first prize; ziehen — to draw; ja — as you know; after all).“ Dann rieb er

sich die Hände und rief vergnügt (then he rubbed his hands and cried cheerily;

reiben — to rub): „Das wird eine Überraschung (this will be a surprise;

überraschen — to surprise)! Den erwartet sie nicht, in alle Ewigkeit nicht (him

she does not expect to see at all: «in all eternity»; ewig — eternal; die Ewigkeit

— eternity)!“

„Eine Überraschung?“ fragte Reinhard. „Für wen denn (for whom /pray/)?“

„Für Elisabeth.“

„Elisabeth! Du hast ihr nicht von meinem Besuch gesagt (you haven't told her

a word about my visit; der Besuch — visit)?“

„Kein Wort, Bruder Reinhard; sie denkt nicht an dich, die Mutter auch nicht

(not a word, brother Reinhard; she has no thought of you, nor her mother

either; an jemanden denken — to think about smb). Ich hab dich ganz im

geheim verschrieben, damit die Freude desto größer sei (I invited you: «sent

for you» entirely on the quiet, in order that the pleasure might be all the

greater; jemanden verschreiben — to send for smb, to have smb come: «to

write out»). Du weißt, ich hatte immer so meine stillen Plänchen (you know I

always had quiet schemes: «little plans» of my own: das Plänchen —

diminutive of der Plan).“

Dann waren sie zueinander gekommen und reichten sich die Hände. „Bist du

es denn aber auch?“ sagte Erich, als er so nahe in das ernste Gesicht seines

alten Schulkameraden sah.

„Freilich bin ich´s, Erich, und du bist es auch, nur siehst du noch fast heiterer

aus, als du schon sonst immer getan hast.“

Ein frohes Lächeln machte Erichs einfache Züge bei diesen Worten noch um

vieles heiterer. „Ja, Bruder Reinhard“, sagte er, diesem noch einmal Hand

reichend, „ich habe aber auch seitdem das Große Los gezogen, du weißt es ja.“

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Dann rieb er sich die Hände und rief vergnügt: „Das wird eine Überraschung!

Den erwartet sie nicht, in alle Ewigkeit nicht!“

„Eine Überraschung?“ fragte Reinhard. „Für wen denn?“

„Für Elisabeth.“

„Elisabeth! Du hast ihr nicht von meinem Besuch gesagt?“

„Kein Wort, Bruder Reinhard; sie denkt nicht an dich, die Mutter auch nicht.

Ich hab dich ganz im geheim verschrieben, damit die Freude desto größer sei.

Du weißt, ich hatte immer so meine stillen Plänchen.“

Reinhard wurde nachdenklich (Reinhard turned thoughtful; über etwas

nachdenken — to think about smth); der Atem schien ihm schwer zu werden

(he seemed to breathe more heavily: «/his/ breath seemed to become him

difficult»; der Atem — breath; atmen — to breathe), je näher sie dem Hofe

kamen (the nearer they approached the house: «yard/farm»; der Hof). An der

linken Seite des Weges hörten nun auch die Weingärten auf (on the left side of

the road the vineyards came to an end; aufhören — to cease; to finish; der

Weingarten) und machten einem weitläufigen Küchengarten Platz (and gave

place to an extensive kitchen-garden; die Küche — kitchen; der Garten —

garden), der sich bis fast an das Ufer des Sees hinabzog (which reached almost

as far as the lake-shore; der See; hinab — down; downwards: «there-down»;

ziehen — to draw; to stretch). Der Storch hatte sich mittlerweile niedergelassen

und spazierte gravitätisch zwischen den Gemüsebeeten umher (the stork had

meanwhile come to earth and was striding solemnly between the vegetable

beds; das Gemüse — vegetables; das Beet — /vegetable/ bed). „Holla (hey)!“

rief Erich, in die Hände klatschend (cried Eric, clapping his hands together),

„stiehlt mir der hochbeinige Ägypter schon wieder meine kurzen

Erbsenstangen (/that/ long-legged Egyptian is stealing my short pea-sticks

again; stehlen — to steal; die Erbse — pea; die Stange — pole)!“ Der Vogel

erhob sich langsam und flog auf das Dach eines neuen Gebäudes (the bird

slowly rose and flew on to the roof of a new building; sich erheben; fliegen;

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Ilya Frank’s Reading Method www.franklang.ru 78

das Gebäude), das am Ende des Küchengartens lag (which ran along the end of

the kitchen-garden: «lay at the end…»; das Ende; liegen) und dessen Mauern

mit aufgebundenen Pfirsich- und Aprikosenbäumen überzweigt waren (and

whose walls were covered with the branches of the peach and apricot trees that

were trained over them: «tied up»; die Mauer — /stone/ wall; aufbinden — to

tie up; der Pfirsich — peach; die Aprikóse — apricot; der Zweig — branch).

„Das ist die Spritfabrik“ (that's the distillery; der Sprit — alcohol, spirits; die

Fabrík — factory, mill), sagte Erich; „ich habe sie erst vor zwei Jahren

angelegt (I built it only two years ago; das Jahr, die Jahre; anlegen — to put;

to set up; to build; to create). Die Wirtschaftsgebäude hat mein Vater selig neu

aufsetzen lassen (my late father had the farm buildings rebuilt; selig — blessed;

late); das Wohnhaus ist schon von meinem Großvater gebaut worden (the

dwelling-house/family house was built by my grandfather). So kommt man

immer ein bisschen weiter (so you go forward a little bit at a time;

weiterkommen — to move further, to advance).“

Reinhard wurde nachdenklich; der Atem schien ihm schwer zu werden, je

näher sie dem Hofe kamen. An der linken Seite des Weges hörten nun auch die

Weingärten auf und machten einem weitläufigen Küchengarten Platz, der sich

bis fast an das Ufer des Sees hinabzog. Der Storch hatte sich mittlerweile

niedergelassen und spazierte gravitätisch zwischen den Gemüsebeeten umher.

„Holla!“ rief Erich, in die Hände klatschend, „stiehlt mir der hochbeinige

Ägypter schon wieder meine kurzen Erbsenstangen!“ Der Vogel erhob sich

langsam und flog auf das Dach eines neuen Gebäudes, das am Ende des

Küchengartens lag und dessen Mauern mit aufgebundenen Pfirsich- und

Aprikosenbäumen überzweigt waren. „Das ist die Spritfabrik“, sagte Erich;

„ich habe sie erst vor zwei Jahren angelegt. Die Wirtschaftsgebäude hat mein

Vater selig neu aufsetzen lassen; das Wohnhaus ist schon von meinem

Großvater gebaut worden. So kommt man immer ein bisschen weiter.“

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Sie waren bei diesen Worten auf einen geräumigen Platz gekommen (talking

thus: «with these words» they came to a spacious place; geräumig — spacious;

der Raum — space; room), der an den Seiten durch die ländlichen

Wirtschaftsgebäude (which at the sides by farm/rural-buildings; die Wirtschaft

— economy; business; der Wirt — owner), im Hintergrunde durch das

Herrenhaus begrenzt wurde (and in the rear/background by the manor-house

was enclosed/limited/bounded; der Hintergrund; die Grenze — border), an

dessen beide Flügel sich eine hohe Gartenmauer anschloss (the two wings of

which /of the manor-house/ were connected: «joined» by a high garden wall;

der Flügel — wing; sich anschließen); hinter dieser sah man die Züge dunkler

Taxuswände (behind this wall ran: «one could see» dark hedges/rows of yew

trees; dunkel; der Zug — file, line; succession; ziehen — to pull, to draw; der

Taxus — yew /tree/; die Wand, die Wände — wall), und hin und wieder ließen

Syringenbäume ihre blühenden Zweige an den Hofraum hinunterhängen

(/while/ here and there/now and then syringa trees trailed their blossoming

branches over into the courtyard: «into the courtyard space»; hin und wieder —

from time to time; sometimes: «there and again»; die Syringe — syringa; lilac;

mock orange; der Zweig; hinunter — down; downwards: «there-down»).

Männer mit sonnen- und arbeitsheißen Gesichtern gingen über den Platz (men

with faces scorched by the sun and heated with toil: «with sunny- and work-

heated faces» were walking over the open space; heiß — hot; das Gesicht, die

Gesichter) und grüßten die Freunde (and gave a greeting to the /two/ friends),

während Erich dem einen und dem andern einen Auftrag oder eine Frage über

ihr Tagewerk entgegenrief (while Eric called out to one or another of them

some order or question about their day's work; der Auftrag — task; assignment,

commission, mission). —

Sie waren bei diesen Worten auf einen geräumigen Platz gekommen, der an

den Seiten durch die ländlichen Wirtschaftsgebäude, im Hintergrunde durch

das Herrenhaus begrenzt wurde, an dessen beide Flügel sich eine hohe

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Gartenmauer anschloss; hinter dieser sah man die Züge dunkler Taxuswände,

und hin und wieder ließen Syringenbäume ihre blühenden Zweige an den

Hofraum hinunterhängen. Männer mit sonnen- und arbeitsheißen Gesichtern

gingen über den Platz und grüßten die Freunde, während Erich dem einen und

dem andern einen Auftrag oder eine Frage über ihr Tagewerk entgegenrief. —

Dann hatten sie das Haus erreicht (then they reached the house; erreichen — to

reach). Ein hoher, kühler Hausflur nahm sie auf (they entered a high, cool

vestibule: «a high, cool vestibule took them»; aufnehmen), an dessen Ende sie

links in einen etwas dunkleren Seitengang einbogen (at the end of which they

turned to the left into a somewhat darker side passage/corridor; einbiegen).

Hier öffnete Erich eine Tür (here Eric opened a door), und sie traten in einen

geräumigen Gartensaal (and they entered into a spacious garden hall = and they

passed into a spacious room that opened into a garden), der durch das

Laubgedränge (which because of the heavy mass of leaves/leafage: «of the

tightness of leaves»; das Laub — leaves; foliage; das Gedränge — crush;

drängen —to crowd; to press), welches die gegenüberliegenden Fenster

bedeckte (that covered the opposite windows; gegenüber — /on the/ opposite;

liegen — to lie; to be situated), zu beiden Seiten mit grüner Dämmerung erfüllt

war (was filled at either end with a green twilight); zwischen diesen aber ließen

zwei hohe, weit geöffnete Flügeltüren den vollen Glanz der Frühlingssonne

hereinfallen (while between the windows: «but between them» two lofty wide-

open double-wing doors let in the full glow of spring sunshine; lassen — to let;

öffnen — to open) und gewährten die Aussicht in einen Garten mit gezirkelten

Blumenbeeten und hohen, steilen Laubwänden (and afforded: «granted» a view

into a garden with circular flower-beds and steep hedgerows: «walls of

foliage»; gewähren — to grant; die Aussicht — view; das Blumenbeet), geteilt

durch einen graden breiten Weg (/and/ divided by a straight, broad path/way;

gerade — straight), durch welchen man auf den See und weiter auf die

gegenüberliegenden Wälder hinaussah (along which one could see the lake and

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away over the woods growing on the opposite shore). Als die Freunde

hineintraten (as the friends entered), trug die Zugluft ihnen einen Strom von

Duft entgegen (the draught brought them a stream of fragrance; tragen — to

bring; der Duft — fragrance; es zieht hier — there is a draught; die Zugluft —

draught; die Luft — air).

Dann hatten sie das Haus erreicht. Ein hoher, kühler Hausflur nahm sie auf, an

dessen Ende sie links in einen etwas dunkleren Seitengang einbogen. Hier

öffnete Erich eine Tür, und sie traten in einen geräumigen Gartensaal, der

durch das Laubgedränge, welches die gegenüberliegenden Fenster bedeckte, zu

beiden Seiten mit grüner Dämmerung erfüllt war; zwischen diesen aber ließen

zwei hohe, weit geöffnete Flügeltüren den vollen Glanz der Frühlingssonne

hereinfallen und gewährten die Aussicht in einen Garten mit gezirkelten

Blumenbeeten und hohen, steilen Laubwänden, geteilt durch einen graden

breiten Weg, durch welchen man auf den See und weiter auf die

gegenüberliegenden Wälder hinaussah. Als die Freunde hineintraten, trug die

Zugluft ihnen einen Strom von Duft entgegen.

Auf einer Terrasse vor der Gartentür saß eine weiße, mädchenhafte

Frauengestalt (on a terrace in front of the door leading to the garden sat a

girlish figure dressed in white: «a white, girlish figure of a woman»; die

Terrásse; die Gestalt — figure). Sie stand auf und ging den Eintretenden

entgegen (she got up/rose and went to meet the new comers; eintreten — to

enter); aber auf halbem Wege blieb sie wie angewurzelt stehen (but half-way

she stood stock-still: «rooted to the ground/spot»; anwurzeln — to root; die

Wurzel — root) und starrte den Fremden unbeweglich an (and stared at the

stranger immobile/motionless; starren — to stare; der Fremde; sich bewegen

— to move). Er streckte ihr lächelnd die Hand entgegen (with a smile he held

out his hand to her; entgegenstrecken; strecken — to stretch; to extend).

„Reinhard!“ rief sie. „Reinhard! Mein Gott, du bist es (my God, it's you)! —

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Wir haben uns lange nicht gesehen (we have not seen each other for a long

time).“

„Lange nicht (for a long time)“, sagte er und konnte nichts weiter sagen (and

could say no more; weiter — further); denn als er ihre Stimmer hörte (for on

hearing her voice: «when he her voice heard»), fühlte er einen feinen

körperlichen Schmerz am Herzen (he felt a subtle: «fine» physical pain at his

heart; körperlich — corporal; der Körper — body; das Herz), und wie er zu ihr

aufblickte (and as he looked at her), stand sie vor ihm (/there/ she stood before

him), dieselbe leichte, zärtliche Gestalt (the same slight, graceful figure), der er

vor Jahren in seiner Vaterstadt Lebewohl gesagt hatte (to whom he had said

farewell years ago in his home town; das Jahr, die Jahre).

Auf einer Terrasse vor der Gartentür saß eine weiße, mädchenhafte

Frauengestalt. Sie stand auf und ging den Eintretenden entgegen; aber auf

halbem Wege blieb sie wie angewurzelt stehen und starrte den Fremden

unbeweglich an. Er streckte ihr lächelnd die Hand entgegen. „Reinhard!“ rief

sie. „Reinhard! Mein Gott, du bist es! — Wir haben uns lange nicht gesehen.“

Lange nicht“, sagte er und konnte nichts weiter sagen; denn als er ihre Stimmer

hörte, fühlte er einen feinen körperlichen Schmerz am Herzen, und wie er zu

ihr aufblickte, stand sie vor ihm, dieselbe leichte, zärtliche Gestalt, der er vor

Jahren in seiner Vaterstadt Lebewohl gesagt hatte.

Erich war mit freudestrahlendem Antlitz an der Тür zurückgeblieben (Eric had

stood back by the door with the face beaming with joy = with joy beaming

from his eyes; die Freude — joy; strahlen — to beam; der Strahl — beam; das

Antlitz). „Nun, Elisabeth“, sagte er, „gelt den hättest du nicht erwartet (you

haven’t expected him, right/have you; gelt /coll./ — is that true?; really?;

right?), den in alle Ewigkeit nicht (him ever and ever: «in all eternity» not =

isn't he really the very last person in the world you would have expected to

see)!“

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Ilya Frank’s Reading Method www.franklang.ru 83

Elisabeth sah ihn mit schwesterlichen Augen an (Elisabeth looked at him with

the eyes of a sister; die Schwester — sister). „Du bist so gut, Erich (you are so

kind, Eric)!“ sagte sie.

Er nahm ihre schmale Hand liebkosend in die seinen (he took her slender hand

caressingly in his; liebkosen — to caress). „Und nun wir ihn haben (and now

that we have him)“, sagte er, „nun lassen wir ihn so bald nicht wieder los (we

shall not be in a hurry to let him go; loslassen — to let go). Er ist so lange

draußen gewesen (he had long been outside/out there = far away from us); wir

wollen ihn wieder heimisch machen (we want to make him native again = we

will try to make him feel at home again; das Heim — /native/ home). Schau

nur, wie fremd und vornehm er aussehen worden ist (look how alien/strange

and distinguished/noble he is looking: «has become»).“

Ein scheuer Blick Elisabeths streifte Reinhards Antlitz (Elisabeth shyly

scanned Reinhard's face: «Elisabeth’s timid glance touched Reinhard's face»).

„Es ist nur die Zeit (it is just the time), die wir nicht beisammen waren (/which/

we were not together)“, sagte er.

Erich war mit freudestrahlendem Antlitz an der Тür zurückgeblieben. „Nun,

Elisabeth“, sagte er, „gelt den hättest du nicht erwartet, den in alle Ewigkeit

nicht!“

Elisabeth sah ihn mit schwesterlichen Augen an. „Du bist so gut, Erich!“ sagte

sie.

Er nahm ihre schmale Hand liebkosend in die seinen. „Und nun wir ihn

haben“, sagte er, „nun lassen wir ihn so bald nicht wieder los. Er ist so lange

draußen gewesen; wir wollen ihn wieder heimisch machen. Schau nur, wie

fremd und vornehm er aussehen worden ist.“

Ein scheuer Blick Elisabeths streifte Reinhards Antlitz. „Es ist nur die Zeit, die

wir nicht beisammen waren“, sagte er.

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In diesem Augenblick kam die Mutter (at this moment came in /her/ mother;

der Augenblick), mit einem Schlüsselkörbchen am Arm (with a key-basket on

her arm; der Schlüssel — key; das Körbchen — box /diminutive/; der Korb —

box; der Arm), zur Tür herein (in at the door: «toward the door here-inside»).

„Herr Werner!“ sagte sie, als sie Reinhard erblickte (when she caught sight of

Reinhard; blicken — to look, to give a glance; der Blicl — glance); „ei, ein

ebenso lieber als unerwarteter Gast (ah, you are as dearly welcome as you are

unexpected; erwarten — to expect).“ — Und nun ging die Unterhaltung in

Fragen und Antworten ihren ebenen Tritt (and so the conversation went

smoothly on with questions and answers; die Frage; die Antwort; eben — flat,

even; smooth; der Tritt — step; treten — to tread; to step). Die Frauen setzten

sich zu ihrer Arbeit (the ladies sat over their work), und während Reinhard die

für ihn bereiteten Erfrischungen genoss (and while Reinhard enjoyed the

refreshment that had been prepared for him; die Erfrischung — refreshment;

erfrischen — to refresh; frisch — fresh; etwas genießen — to enjoy smth), hatte

Erich seinen soliden Meerschaumkopf angebrannt (Eric had lighted his huge

meerschaum pipe; der Meerschaum; anbrennen — to light; brennen — to

burn) und saß dampfend und diskurrierend an seiner Seite (and sat smoking

and conversing by his side; sitzen; der Dampf — steam).

In diesem Augenblick kam die Mutter, mit einem Schlüsselkörbchen am Arm,

zur Tür herein. „Herr Werner!“ sagte sie, als sie Reinhard erblickte; „ei, ein

ebenso lieber als unerwarteter Gast.“ — Und nun ging die Unterhaltung in

Fragen und Antworten ihren ebenen Tritt. Die Frauen setzten sich zu ihrer

Arbeit, und während Reinhard die für ihn bereiteten Erfrischungen genoss,

hatte Erich seinen soliden Meerschaumkopf angebrannt und saß dampfend und

diskurrierend an seiner Seite.

Am anderen Tag musste Reinhard mit ihm hinaus (next day Reinhard had to

/go/ out with him); auf die Äcker (to /see/ the fields; der Acker — field), in die

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Weinberge (the vineyards; der Weinberg), in den Hopfengarten (the hop-

garden; der Hopfen — hop), in die Spritfabrik (the distillery). Es war alles

wohlbestellt (it was all well appointed): die Leute, welche auf dem Felde und

bei den Kesseln arbeiteten (the people who were working on the land or at the

vats; das Feld; der Kessel, die Kessel), hatten alle ein gesundes und

zufriedenes Aussehen (all had a healthy and contented look). Zu Mittag kam

die Familie im Gartensaal zusammen (at noon = for dinner the family

assembled in the room that opened into the garden; der Saal), und der Tag

wurde dann, je nach der Muße der Wirte, mehr oder minder gemeinschaftlich

verlebt (and the day was spent more or less in company just according to the

leisure of the host and hostess; die Muße — leisure /time/; je nach — according

to; depending on).

Am anderen Tag musste Reinhard mit ihm hinaus; auf die Äcker, in die

Weinberge, in den Hopfengarten, in die Spritfabrik. Es war alles wohlbestellt:

die Leute, welche auf dem Felde und bei den Kesseln arbeiteten, hatten alle ein

gesundes und zufriedenes Aussehen. Zu Mittag kam die Familie im Gartensaal

zusammen, und der Tag wurde dann, je nach der Muße der Wirte, mehr oder

minder gemeinschaftlich verlebt.

Nur die Stunde vor dem Abendessen (only an hour before the evening meal;

das Abendessen), wie die ersten des Vormittags (as also during the early hours

of the forenoon), blieb Reinhard arbeitend auf seinem Zimmer (Reinhard

stayed working in his own room; bleiben). Er hatte seit Jahren (for some years

past; seit — since; das Jahr, die Jahre), wo er deren habhaft werden konnte

(whenever he could come across them; habhaft werden + Genitiv — to possess

smth; to seize smth), die im Volke lebenden Reime und Lieder gesammelt (he

had been collecting the rhymes and songs that form part of the life of the

people; das Volk; der Reim — rhyme; das Lied; sammeln — to collect) und

ging nun daran, seinen Schatz zu ordnen (and now set about arranging his

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treasure; an etwas gehen — to set about; to start doing smth) und womöglich

mit neuen Aufzeichnungen aus der Umgegend zu vermehren (and wherever

possible increasing it by means of fresh records from the immediate

neighbourhood; aufzeichnen — to record; die Umgegend — neighbourhood;

surrounding area; die Gegend — area; country). — Elisabeth war zu allen

Zeiten sanft und freundlich (Elisabeth was at all times gentle and kind); Erichs

immer gleichbleibende Aufmerksamkeit nahm sie mit einer fast demütigen

Dankbarkeit auf (Eric's constant attentions she received with an almost humble

gratitude; aufnehmen — to take, to accept; demütig — humble; die Demut —

humility) und Reinhard dachte mitunter (Reinhard thought at whiles; denken),

das heitere Kind von ehedem habe wohl eine weniger stille Frau versprochen

(/that/ the gay, cheerful child of bygone days had given promise of a somewhat

less sedate woman; versprechen — to promise; wohl — very likely; wenig —

little; still — still).

Nur die Stunde vor dem Abendessen, wie die ersten des Vormittags, blieb

Reinhard arbeitend auf seinem Zimmer. Er hatte seit Jahren, wo er deren

habhaft werden konnte, die im Volke lebenden Reime und Lieder gesammelt

und ging nun daran, seinen Schatz zu ordnen und womöglich mit neuen

Aufzeichnungen aus der Umgegend zu vermehren. — Elisabeth war zu allen

Zeiten sanft und freundlich; Erichs immer gleichbleibende Aufmerksamkeit

nahm sie mit einer fast demütigen Dankbarkeit auf und Reinhard dachte

mitunter, das heitere Kind von ehedem habe wohl eine weniger stille Frau

versprochen.

Seit dem zweiten Tage seines Hierseins (ever since the second day of his visit:

«stay here») pflegte er abends einen Spaziergang an dem Ufer des Sees zu

machen (he had been wont of taking evening walks along the shore of the lake;

pflegen /etwas zu tun/ — to be used to; to be in the habit of; das Ufer; der See).

Der Weg führte hart unter dem Garten vorbei (the road led along close under

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the garden). Am Ende desselben (at the end of the latter), auf einer

vorspringenden Bastei (on a projecting mound: «bastion»; vorspringen — to

project; die Bastéi), stand eine Bank unter hohen Birken (there was a bench

under some tall birch trees; stehen — to stand; hoch — high, tall; die Birke);

die Mutter hatte sie die Abendbank getauft (/Elisabeth's/ mother had christened

it the Evening Bench; taufen — to christen), weil der Platz gegen Abend lag

(because the spot faced westward: «lay against evening») und des

Sonnenuntergangs halber um diese Zeit am meisten benutzt wurde (and was

mostly used at that time of the day in order to enjoy a view of the sunset: «for

the sake of…»; der Sonnenuntergang; die Sonne geht unter — the sun goes

down/sets; halber — /postposition/ for; for the sake of; in view /of/). — Von

einem Spaziergange auf diesem Wege kehrte Reinhard eines Abends zurück

(from /his/ walk along this road Reinhard was returning one evening; der

Spaziergang; spazieren gehen — to walk; to go for a walk; zurückkehren — to

return), als er vom Regen überrascht wurde (when he was overtaken by the

rain; der Regen; überraschen — to surprise). — Er suchte Schutz unter einer

am Wasser stehenden Linde (he sought shelter under one of the linden trees

/that grew/ by the water-side; der Schutz — protection; cover; das Wasser);

aber die schweren Tropfen schlugen bald durch die Blätter (but the heavy

drops were soon pelting through the leaves; der Tropfen; schlagen — to beat,

to strike, to hit; das Blatt). Durchnässt, wie er war (wet through as he was;

durchnässen — to wet; nass — wet), ergab er sich darein und setzte langsam

seinen Rückweg fort (he resigned himself to his fate: «to this» and slowly

continued his return = homeward way; sich ergeben — to resign; fortsetzen —

to continue). Es war fast dunkel (it was almost dark); der Regen fiel immer

dichter (the rain fell faster and faster: «increasingly dense»).

Seit dem zweiten Tage seines Hierseins pflegte er abends einen Spaziergang an

dem Ufer des Sees zu machen. Der Weg führte hart unter dem Garten vorbei.

Am Ende desselben, auf einer vorspringenden Bastei, stand eine Bank unter

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hohen Birken; die Mutter hatte sie die Abendbank getauft, weil der Platz gegen

Abend lag und des Sonnenuntergangs halber um diese Zeit am meisten benutzt

wurde. — Von einem Spaziergange auf diesem Wege kehrte Reinhard eines

Abends zurück, als er vom Regen überrascht wurde. — Er suchte Schutz unter

einer am Wasser stehenden Linde; aber die schweren Tropfen schlugen bald

durch die Blätter. Durchnässt, wie er war, ergab er sich darein und setzte

langsam seinen Rückweg fort. Es war fast dunkel; der Regen fiel immer

dichter.

Als er sich der Abendbank näherte (as he drew near to the Evening Bench),

glaubte er (he fancied; glauben — to believe; to think; to fancy) zwischen den

schimmernden Birkenstämmen eine weiße Frauengestalt zu unterscheiden (he

could make out the figure of a woman dressed in white standing among the

gleaming birch tree trunks; der Stamm, die Stämme — trunk). Sie stand

unbeweglich und (she stood motionless, and), wie er beim Näherkommen zu

erkennen meinte (as far as he could make out on approaching nearer; erkennen

— to recognize; to identify), zu ihm hingewandt (with her face turned in his

direction: «turned toward him»; wenden — to turn), als wenn sie jemanden

erwarte (as if she was expecting some one). Er glaubte, es sei Elisabeth (he

thought it was Elisabeth). Als er aber rascher zuschritt (but when he quickened

his pace; rasch — quickly; rapidly; zuschreiten — to proceed; to head; to

approach smth/smb; schreiten — to stride), um sie zu erreichen (in order that

he might catch up to her; erreichen — to reach) und dann mit ihr zusammen

durch den Garten ins Haus zurückzukehren (and then return together with her

through the garden into the house), wandte sie sich langsam ab (she turned

slowly away; sich abwenden) und verschwand in die dunkeln Seitengänge (and

disappeared among the dark side-paths: «side-passages»; verschwinden; die

Seite — side; der Gang, die Gänge — passage). Er konnte das nicht reimen (he

could not understand it; reimen — to rhyme; der Reim — rhyme); er war aber

fast zornig aus Elisabeth (he was almost angry with Elisabeth; der Zorn —

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anger); und dennoch zweifelte er (and yet he doubted; zweifeln; der Zweifel —

doubt), ob sie es gewesen sei (whether it had really been she); aber er scheute

sich, sie danach zu fragen (he was, however, shy of questioning her about it);

ja, er ging bei seiner Rückkehr nicht in den Gartensaal (he even avoided going

into the garden-room on his return to the house), nur um Elisabeth nicht etwa

durch die Gartentür hereintreten zu sehen (for fear he should happen to see

Elisabeth enter through the garden-door; etwa — approximately; in case).

Als er sich der Abendbank näherte, glaubte er zwischen den schimmernden

Birkenstämmen eine weiße Frauengestalt zu unterscheiden. Sie stand

unbeweglich und, wie er beim Näherkommen zu erkennen meinte, zu ihm

hingewandt, als wenn sie jemanden erwarte. Er glaubte, es sei Elisabeth. Als er

aber rascher zuschritt, um sie zu erreichen und dann mit ihr zusammen durch

den Garten ins Haus zurückzukehren, wandte sie sich langsam ab und

verschwand in die dunkeln Seitengänge. Er konnte das nicht reimen; er war

aber fast zornig aus Elisabeth; und dennoch zweifelte er, ob sie es gewesen sei;

aber er scheute sich, sie danach zu fragen; ja, er ging bei seiner Rückkehr nicht

in den Gartensaal, nur um Elisabeth nicht etwa durch die Gartentür hereintreten

zu sehen.

Meine Mutter hat’s gewollt

(By My Mother's Hard Decree:

«my mother /has/ wanted this»)

Einige Tage nachher (some days later: «afterwards»; nachher — afterwards),

es ging schon gegen Abend (it went towards evening = as evening was already

closing in), saß die Familie, wie gewöhnlich um diese Zeit (the family was

sitting, as usual at this time), im Gartensaal zusammen (in the garden-room,

together). Die Türen standen offen (the doors stood open); die Sonne war

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schon hinter den Wäldern jenseits des Sees (the sun was already behind the

woods across the lake; der Wald, die Wälder).

Reinhard wurde um die Mitteilung einiger Volkslieder gebeten (Reinhard was

asked/invited to read some folk-songs; bitten — to ask, wurde gebeten — was

asked; mitteilen — to inform), welche er am Nachmittage von einem auf dem

Lande wohnenden Freunde geschickt bekommen hatte (which had been sent to

him that afternoon by a friend who lived away in the country: «he got/received

sent»; das Land; schicken — to send; bekommen — to receive). Er ging auf

sein Zimmer (he went /up/ to his room) und kam gleich darauf mit einer

Papierrolle zurück (and soon returned with a roll of papers; gleich darauf —

immediately afterwards), welche aus einzelnen sauber geschriebenen Blättern

zu bestehen schien (which seemed to consist of detached neatly written pages;

aus etwas bestehen — to consist of smth; scheinen — to seem).

Man setzte sich an den Tisch (/they/ sat down at the table), Elisabeth an

Reinhards Seite (Elisabeth beside Reinhard: «Elisabeth at Reinhard's side»).

„Wir lesen auf gut Glück (we shall read them at random: «on good luck»; das

Glück — luck)“, sagte er, „ich habe sie selber noch nicht durchgesehen (I have

not yet looked through them myself).“

Elisabeth rollte das Manuskript auf (Elisabeth unrolled the manuscript;

aufrollen). „Hier sind Noten (here's some music: «here are notes»)“, sagte sie,

„das musst du singen, Reinhard (you must sing it, Reinhard).“

Einige Tage nachher, es ging schon gegen Abend, saß die Familie, wie

gewöhnlich um diese Zeit, im Gartensaal zusammen. Die Türen standen offen;

die Sonne war schon hinter den Wäldern jenseits des Sees.

Reinhard wurde um die Mitteilung einiger Volkslieder gebeten, welche er am

Nachmittage von einem auf dem Lande wohnenden Freunde geschickt

bekommen hatte. Er ging auf sein Zimmer und kam gleich darauf mit einer

Papierrolle zurück, welche aus einzelnen sauber geschriebenen Blättern zu

bestehen schien.

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Man setzte sich an den Tisch, Elisabeth an Reinhards Seite. „Wir lesen auf gut

Glück“, sagte er, „ich habe sie selber noch nicht durchgesehen.“

Elisabeth rollte das Manuskript auf. „Hier sind Noten“, sagte sie, „das musst

du singen, Reinhard.“

Und dieser las nun zuerst einige Tiroler Schnaderhüpferl (to begin with he read

some Tyrolese ditties; das Schnaderhüpferl — /Bavarian, Austrian/ 'reapers'

dances' sung especially in the Tyrol and in Bavaria; humorous rhyme), indem

er beim Lesen je zuweilen die lustige Melodie mit halber Stimme anklingen

ließ (and as he read on he would now and then hum one or other of the lively

melodies; lustig — cheerful, merry, lively; die Melodíe; mit halber Stimme —

in an undertone, in a low voice; halb — half; die Stimme — voice; anklingen

— to sound; to ring; to be heard). Eine allgemeine Heiterkeit bemächtigte sich

der kleinen Gesellschaft (a general feeling of cheeriness pervaded the little

party; die Macht — power). „Wer hat doch aber die schönen Lieder gemacht

(and who, however, made all these pretty songs)?“ fragte Elisabeth.

„Ei“, sagte Erich, „das hört man den Dingern schon an (one can tell that by

listening to these useless songs: «it is /clearly/ heard from these very

pieces/things»; das Ding, die Dinge — things; goods; belongings; die Dinger

— /Coll./ pieces; things); Schneidergesellen und Friseure und derlei luftiges

Gesindel (tailors' apprentices and barbers and such-like merry folk: «rabble»;

der Geselle — apprentice).“

Reinhard sagte: „Sie werden gar nicht gemacht (they are not made /at all/), sie

wachsen (they grow), sie fallen aus der Luft (they drop from the air), sie

fliegen über Land wie Mariengarn (they float over the land like gossamer;

fliegen — to fly; das Garn — yarn), hierhin und dorthin (hither and thither),

und werden an tausend Stellen zugleich gesungen (and are sung in a thousand

places at the same time; die Stelle). Unser eigenstes Tun und Leiden finden wir

in diesen Liedern (we discover in these songs our very inmost activities and

sufferings; leiden — to suffer; das Lied, die Lieder); es ist, als ob wir alle an

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ihnen mitgeholfen hätten (it is as if we all had helped to write them: «had

helped in them»; helfen — to help).“

Und dieser las nun zuerst einige Tiroler Schnaderhüpferl, indem er beim Lesen

je zuweilen die lustige Melodie mit halber Stimme anklingen ließ. Eine

allgemeine Heiterkeit bemächtigte sich der kleinen Gesellschaft. „Wer hat

doch aber die schönen Lieder gemacht?“ fragte Elisabeth.

„Ei“, sagte Erich, „das hört man den Dingern schon an; Schneidergesellen und

Friseure und derlei luftiges Gesindel.“

Reinhard sagte: „Sie werden gar nicht gemacht, sie wachsen, sie fallen aus der

Luft, sie fliegen über Land wie Mariengarn, hierhin und dorthin, und werden

an tausend Stellen zugleich gesungen. Unser eigenstes Tun und Leiden finden

wir in diesen Liedern; es ist, als ob wir alle an ihnen mitgeholfen hätten.“

Er nahm ein anderes Blatt (he took up another sheet); „Ich stand auf hohen

Bergen... (I stood upon high mountains …; der Berg, die Berge; /an ancient

folk-song which treats of a beautiful but poor maiden, who, being unable to

marry 'the young count,' retired to a convent/)“

„Das kenne ich (I know that one)!“ rief Elisabeth (cried Elisabeth). „Stimme

nur an, Reinhard, ich will dir helfen (begin it, Reinhard, and I will help you

out; anstimmen).“ Und nun sangen sie jene Melodie (so they sang that very

melody), die so rätselhaft ist (which is so mysterious; das Rätsel — riddle),

dass man nicht glauben kann (that one cannot believe), sie sei von Menschen

erdacht worden (that it was ever conceived/thought of by people; der Mensch

— /human/ being; man; etwas erdenken — to think of smth); Elisabeth mit

ihrer etwas verdeckten Altstimme dem Tenor sekundierend (Elisabeth with her

slightly concealed alto sang/took the second part to the young man's tenor;

verdeckt — concealed; deep; die Stimme — voice).

Er nahm ein anderes Blatt; „Ich stand auf hohen Bergen...“

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„Das kenne ich!“ rief Elisabeth. „Stimme nur an, Reinhard, ich will dir helfen.“

Und nun sangen sie jene Melodie, die so rätselhaft ist, dass man nicht glauben

kann, sie sei von Menschen erdacht worden; Elisabeth mit ihrer etwas

verdeckten Altstimme dem Tenor sekundierend.

Die Mutter saß inzwischen emsig an ihrer Näherei (the mother meanwhile sat

busy with her needlework; nähen — to sew), Erich hatte die Hände ineinander

gelegt und hörte andächtig zu (Erich had put his hands together and listened

reverently = attentively; die Andacht — reverence). Als das Lied zu Ende war

(when the song finished; zu Ende sein — to end; to come to an end: «to be to

an end»), legte Reinhard das Blatt schweigend beiseite (Reinhard laid the sheet

on one side in silence). Vom Ufer des Sees herauf kam durch die Abendstille

das Geläute der Herdenglocken (up from the lake-shore came through the

evening calm the tinkle of the cattle: «herd» bells; läuten — to ring; die Herde

— herd; die Glocke — bell); sie horchten unwillkürlich (they listened

involuntarily); da hörten sie eine klare Knabenstimme singen (when they heard

a boy's clear voice singing; der Knabe — boy):

Ich stand auf hohen Bergen (I stood upon high mountains; der Berg, die

Berge),

Und sah ins tiefe Tal (and saw/looked at the deep valley)...

Reinhard lächelte (Reinhard smiled): „Hört ihr es wohl (do you hear that

/now/)? So geht’s von Mund zu Mund (so it passes from mouth to mouth; der

Mund).“

„Es wird oft in der Gegend gesungen (It is often sung in these parts/in this

area)“, sagte Elisabeth.

„Ja“, sagte Erich, „es ist der Hirtenkaspar (it is the herdsman; der Hirt —

herdsman); er treibt die Starken heim (he is driving the heifers/young cows:

«strong cows» home).“

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Die Mutter saß inzwischen emsig an ihrer Näherei, Erich hatte die Hände

ineinander gelegt und hörte andächtig zu. Als das Lied zu Ende war, legte

Reinhard das Blatt schweigend beiseite. Vom Ufer des Sees herauf kam durch

die Abendstille das Geläute der Herdenglocken; sie horchten unwillkürlich; da

hörten sie eine klare Knabenstimme singen:

Ich stand auf hohen Bergen,

Und sah ins tiefe Tal...

Reinhard lächelte: „Hört ihr es wohl? So geht’s von Mund zu Mund.“

„Es wird oft in der Gegend gesungen“, sagte Elisabeth.

„Ja“, sagte Erich, „es ist der Hirtenkaspar; er treibt die Starken heim.“

Sie horchten noch eine Weile (they listened a while longer), bis das Geläute

oben hinter den Wirtschaftsgebäuden verschwunden war (until the tinkle of the

bells disappeared behind the farm buildings; verschwinden — to disappear; to

vanish). Das sind Urtöne (these are primal sounds; ur- — great- /inducates

antiquity, primacy/; der Ton)“, sagte Reinhard; „sie schlafen in Waldesgründen

(they sleep in the forest grounds; der Grund, die Gründe); Gott weiß, wer sie

gefunden hat (God knows who discovered: «found» them; wissen — to know).“

Er zog ein neues Blatt heraus (he drew forth a fresh sheet; herausziehen — to

draw; to pull; heraus — outside; out).

Es war schon dunkler geworden (it had now grown darker; dunkel); ein roter

Abendschein lag wie Schaum auf den Wäldern jenseits des Sees (a red evening

glow lay like foam over the woods beyond the lake; der Schaum). Reinhard

rollte das Blatt auf (Reinhard unrolled the sheet), Elisabeth legte an der einen

Seite ihre Hand darauf (Elisabeth lay her hand on one side of it) und sah mit

hinein (and looked into it = examined it with Reinhard). Dann las Reinhard

(then Reinhard read; lesen):

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Meine Mutter hat’s gewollt (my mother wanted it),

Den andern ich nehmen sollt (I had/was supposed to take the other);

Was ich zuvor besessen (what I previously owned; besitzen — to own; to

possess),

Mein Herz sollt es vergessen (my heart had to forget);

Das hat es nicht gewollt (that it did not want).

Meine Mutter klag ich an (my mother I accuse; jemanden anklagen — to

accuse smb; klagen — to complain),

Sie hat nicht wohl getan (she has not done well; tun);

Was sonst in Ehren stünde (what otherwise would have been: «stood» in

honor),

Nun ist es worden Sünde (now has become = has turned to sin; die Sünde);

Was fang ich an (what shall I do: «what shall I begin/start to do»; anfangen)?

Für all mein Stolz und Freud (for all my pride and joy; der Stolz; die Freude)

Gewonnen hab ich Leid (I gained suffering; gewinnen — to gain; das Leid).

Ach, wär das nicht geschehen (ah, if it hadn’t happened; geschehen — to

happen),

Ach, könnt ich betteln gehen (ah, if I could have gone begging)

Über die braune Heid (over the brown moor; die Heide — /heather/ moor;

heathland; meadow)!

Sie horchten noch eine Weile, bis das Geläute oben hinter den

Wirtschaftsgebäuden verschwunden war. Das sind Urtöne“, sagte Reinhard;

„sie schlafen in Waldesgründen; Gott weiß, wer sie gefunden hat.“

Er zog ein neues Blatt heraus.

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Ilya Frank’s Reading Method www.franklang.ru 96

Es war schon dunkler geworden; ein roter Abendschein lag wie Schaum auf

den Wäldern jenseits des Sees. Reinhard rollte das Blatt auf, Elisabeth legte an

der einen Seite ihre Hand darauf und sah mit hinein. Dann las Reinhard:

Meine Mutter hat’s gewollt,

Den andern ich nehmen sollt;

Was ich zuvor besessen,

Mein Herz sollt es vergessen;

Das hat es nicht gewollt.

Meine Mutter klag ich an,

Sie hat nicht wohl getan;

Was sonst in Ehren stünde,

Nun ist es worden Sünde;

Was fang ich an?

Für all mein Stolz und Freud

Gewonnen hab ich Leid.

Ach, wär das nicht geschehen,

Ach, könnt ich betteln gehen

Über die braune Heid!

Während des Lesens hatte Reinhard ein unmerkliches Zittern des Papiers

empfunden (during the reading of this Reinhard had felt an imperceptible

quivering of the paper; empfinden — to feel; merken — to notice; zittern — to

quiver; das Papíer); als er zu Ende war (and when he came to an end), schob

Elisabeth leise ihren Stuhl zurück (Elisabeth gently pushed her chair back;

zurückschieben — to move aside/back; schieben — to move, to push) und ging

schweigend in den Garten hinab (and went silently out into the garden; hinab

— down; downwards: «there-down»). Ein Blick der Mutter folgte ihr (her

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mother followed her with a look: «a look of the mother followed her»). Erich

wollte nachgehen (Eric wanted to follow her), doch die Mutter sagte (but the

mother said): „Elisabeth hat draußen zu tun (Elizabeth has something to do

outside)“. So unterblieb es (so it remained as it was; unterbleiben — not to take

place; ~ to remain).

Während des Lesens hatte Reinhard ein unmerkliches Zittern des Papiers

empfunden; als er zu Ende war, schob Elisabeth leise ihren Stuhl zurück und

ging schweigend in den Garten hinab. Ein Blick der Mutter folgte ihr. Erich

wollte nachgehen, doch die Mutter sagte: „Elisabeth hat draußen zu tun“. So

unterblieb es.

Draußen aber legte sich der Abend mehr und mehr über Garten und See (but

outside, the evening lay more and more over the garden and lake), die

Nachtschmetterlinge schossen surrend an den offenen Türen vorüber

(moths/night butterflies, whirring, shoot past the open doors; der Schmetterling

— butterfly; vorüberschießen — to shoot past; schießen — to shoot), durch

welche der Duft der Blumen und Gesträuche immer stärker hereindrang

(through which the fragrance of flower and bush floated in increasingly;

hereindringen — to penetrate /in/; herein — in; inside; inwards: «here-in»;

dringen — to penetrate); vom Wasser herauf kam das Geschrei der Frösche (up

from the water came the croak: «cries» of the frogs; herauf — up; upward:

«here-up»; schreien — to cry; der Frosch), unter den Fenstern schlug eine

Nachtigall (under the windows trilled/warbled: «struck» a nightingale;

schlagen), tiefer im Garten eine andere (deeper in the garden another one); der

Mond sah über die Bäume (the moon appeared over the tree-tops: «looked over

the trees»). Reinhard blickte noch eine Weile auf die Stelle (Reinhard looked

for a little while longer at the spot), wo Elisabeths feine Gestalt zwischen den

Laubgängen verschwunden war (where Elizabeth's fine form/figure had

disappeared in garden-paths: «in the leaves/foliage passages»; verschwinden);

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dann rollte er sein Manuskript zusammen (then he rolled up his manuscript),

grüßte die Anwesenden (greeted those present = bade good-night) und ging

durchs Haus an das Wasser hinab (and passed through the house down to the

water).

Draußen aber legte sich der Abend mehr und mehr über Garten und See, die

Nachtschmetterlinge schossen surrend an den offenen Türen vorüber, durch

welche der Duft der Blumen und Gesträuche immer stärker hereindrang; vom

Wasser herauf kam das Geschrei der Frösche, unter den Fenstern schlug eine

Nachtigall, tiefer im Garten eine andere; der Mond sah über die Bäume.

Reinhard blickte noch eine Weile auf die Stelle, wo Elisabeths feine Gestalt

zwischen den Laubgängen verschwunden war; dann rollte er sein Manuskript

zusammen, grüßte die Anwesenden und ging durchs Haus an das Wasser

hinab.

Die Wälder standen schweigend (the woods stood silent) und warfen ihr

Dunkel weit auf den See hinaus (and cast their dark shadow far out over the

lake; hinauswerfen), während die Mitte desselben in schwüler

Mondesdämmerung lag (while the middle of the lake was: «lay» in the sultry

moon twilight). Mitunter schauerte ein leises Säuseln durch die Bäume (now

and then a gentle rustle trembled through the trees; säuseln — to rustle); aber

es war kein Wind (though wind there was none; der Wind), es war nur das

Atmen der Sommernacht (it was but the breath of summer night; atmen — to

breathe).

Die Wälder standen schweigend und warfen ihr Dunkel weit auf den See

hinaus, während die Mitte desselben in schwüler Mondesdämmerung lag.

Mitunter schauerte ein leises Säuseln durch die Bäume; aber es war kein Wind,

es war nur das Atmen der Sommernacht.

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Reinhard ging immer am Ufer entlang (Reinhard walked all the time along the

coast = Reinhard continued along the shore; das Ufer). Einen Steinwurf vom

Lande konnte er eine weiße Wasserlilie erkennen (a stone's throw from the

land he could discern a white water-lily; der Stein — stone; werfen — to throw;

der Wurf — throw; erkennen — to recognize; to discern). Auf einmal wandelte

ihn die Lust an (all at once he was seized with the desire), sie in der Nähe zu

sehen (to see it quite close); er warf seine Kleider ab (he threw off his clothes;

abwerfen) und stieg ins Wasser (and walked into the water; steigen — to move

in an upward/downward direction /vertically/). Es war flach (it was quite

shallow; flach — flat; shallow), scharfe Pflanzen und Steine schnitten ihn an

den Füßen (sharp water plants and stones cut his feet; die Pflanze; schneiden

— to cut; der Fuß, die Füße — foot) und er kam immer nicht in die zum

Schwimmen nötige Tiefe (and yet he could not reach water deep enough for

him to swim in; das Schwimmen — swimming; nötig — necessary; die Tiefe —

depth).

Reinhard ging immer am Ufer entlang. Einen Steinwurf vom Lande konnte er

eine weiße Wasserlilie erkennen. Auf einmal wandelte ihn die Lust an, sie in

der Nähe zu sehen; er warf seine Kleider ab und stieg ins Wasser. Es war flach,

scharfe Pflanzen und Steine schnitten ihn an den Füßen, und er kam immer

nicht in die zum Schwimmen nötige Tiefe.

Dann war es plötzlich unter ihm weg (then suddenly there was no soil beneath

him), die Wasser quirlten über ihm zusammen (the waters swirled above him;

quirlen — to swirl; to whirl; to shake), und es dauerte eine Zeitlang (and it was

some time; eine Zeitlang — some time; not long), ehe er wieder auf die

Oberfläche kam (before he rose to the surface again; die Fläche — flatness;

plane; flach — flat; ober- — upper). Nun regte er Hand und Fuß und

schwamm im Kreise umher (he struck out with hands and feet and swam about

in a circle; schwimmen; der Kreis — circle; umher — round; around;

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everywhere) bis er sich bewusst geworden (until he became aware of; bewusst

werden — to be aware: «to become aware»), von wo er hineingegangen war

(from what point: «where» he had entered /the water/). Bald sah er auch die

Lilie wieder (and soon too he saw the lily again); sie lag einsam zwischen den

großen blanken Blättern (floating lonely among the large, gleaming leaves). —

Dann war es plötzlich unter ihm weg, die Wasser quirlten über ihm zusammen,

und es dauerte eine Zeitlang, ehe er wieder auf die Oberfläche kam. Nun regte

er Hand und Fuß und schwamm im Kreise umher, bis er sich bewusst

geworden, von wo er hineingegangen war. Bald sah er auch die Lilie wieder;

sie lag einsam zwischen den großen blanken Blättern. —

Er schwamm langsam hinaus (he swam slowly out; hinaus — outside; out:

«there-out») und hob mitunter die Arme aus dem Wasser (lifting every now

and then his arms out of the water; der Arm; heben — to lift), dass die

herabrieselnden Tropfen im Mondlicht blitzten (so that the trickling drops

sparkled in the moonlight; der Tropfen; der Mond; das Licht); aber es war (yet

it was = it seemed), als ob die Entfernung zwischen ihm und der Blume

dieselbe bliebe (the distance between him and the flower showed no signs of

diminishing: «remained the same»; entfernen — to remove); nur das Ufer lag

(only the shore lay), wenn er sich umblickte (as he glanced back at it), in

immer ungewisserem Dufte hinter ihm (in an increasingly uncertain haze

behind). Er gab indes sein Unternehmen nicht auf (but he refused to give up

the venture; etwas aufgeben — to refuse from; to give up; to stop doing smth;

unternehmen — to venture), sondern schwamm rüstig in derselben Richtung

fort (and vigorously continued swimming in the same direction).

Er schwamm langsam hinaus und hob mitunter die Arme aus dem Wasser, dass

die herabrieselnden Tropfen im Mondlicht blitzten; aber es war, als ob die

Entfernung zwischen ihm und der Blume dieselbe bliebe; nur das Ufer lag,

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wenn er sich umblickte, in immer ungewisserem Dufte hinter ihm. Er gab indes

sein Unternehmen nicht auf, sondern schwamm rüstig in derselben Richtung

fort.

Endlich war er der Blume so nahe gekommen (at length he had come so near

the flower), dass er die silbernen Blätter deutlich im Mondlicht unterscheiden

konnte (that he was able clearly to distinguish the silvery leaves in the

moonlight); zugleich aber fühlte er sich wie in einem Netze verstrickt (but at

the same time he felt himself entangled in a net; sich fühlen — to feel; das

Netz; verstricken — to entangle; der Strick — rope; string); die glatten Stengel

langten vom Grunde herauf (smooth stems stretched up from the bottom; der

Stengel; der Grund) und rankten sich an seine nackten Glieder (and

twined/wound themselves round his naked limbs; das Glied). Das unbekannte

Wasser lag so schwarz um ihn her (the unfamiliar water was black: «lay so

black» all round about him), hinter sich hörte er das Springen eines Fisches

(and behind him he heard the sound of a fish leaping: «heard the leaping of a

fish»; der Fisch); es wurde ihm plötzlich so unheimlich in dem fremden

Elemente (suddenly such an uncanny feeling overpowered him in the midst of

this strange element; das Elemént — element), dass er mit Gewalt das Gestrick

der Pflanzen zerriss (that he tore /asunder/ the network of plants with might;

die Gewalt — violence; force; power; zerreißen — to tear; reißen — to tear)

und in atemloser Hast dem Lande zuschwamm (and swam back to land in

breathless haste; die Hast — haste; atemlos — breathless; der Atem — breath;

breathing; das Land — land). Als er von hier auf den See zurückblickte (when

he looked back from here to the lake), lag die Lilie wie zuvor fern und einsam

über der dunklen Tiefe (there floated: «lay» the lily on the bosom of the

darkling water: «dark depths» as far away and as lonely as before). —

Endlich war er der Blume so nahe gekommen, dass er die silbernen Blätter

deutlich im Mondlicht unterscheiden konnte; zugleich aber fühlte er sich wie in

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einem Netze verstrickt; die glatten Stengel langten vom Grunde herauf und

rankten sich an seine nackten Glieder. Das unbekannte Wasser lag so schwarz

um ihn her, hinter sich hörte er das Springen eines Fisches; es wurde ihm

plötzlich so unheimlich in dem fremden Elemente, dass er mit Gewalt das

Gestrick der Pflanzen zerriss und in atemloser Hast dem Lande zuschwamm.

Als er von hier auf den See zurückblickte, lag die Lilie wie zuvor fern und

einsam über der dunklen Tiefe. —

Er kleidete sich an (he dressed; sich ankleiden) und ging langsam nach Hause

zurück (and slowly wended his way home). Als er aus dem Garten in den Saal

trat (as he passed out of the garden into the room), fand er Erich und die Mutter

in den Vorbereitungen einer kleinen Geschäftsreise (he discovered Eric and the

mother busied with preparations for a short journey: «small business»;

vorbereiten — to prepare; das Geschäft — business), welche am andern Tage

vor sich gehen sollte (which had to be undertaken the following day; vor sich

gehen — to take place).

„Wo sind denn Sie so spät in der Nacht gewesen (where ever have you been so

late in the dark)?“ rief ihm die Mutter entgegen (the mother called out to him;

entgegenrufen).

„Ich?“ erwiderte er (he answered); „ich wollte die Wasserlilie besuchen (I

wanted to pay a call on the water-lily); es ist aber nichts daraus geworden (but

nothing came of it = but I failed).“

„Das versteht wieder einmal kein Mensch (that's again beyond the

comprehension of any man)! “ sagte Erich. „Was tausend hattest du denn mit

der Wasserlilie zu tun (what on earth had you to do with the water-lily; mit

etwas zu tun haben — to do with; tausend — thousand; /obsolete exclamation,

expresses surprise/)?“

„Ich habe sie früher einmal gekannt (I've known her once; kennen — to

know)“, sagte Reinhard;“es ist aber schon lange her (but that was long ago).“

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Er kleidete sich an und ging langsam nach Hause zurück. Als er aus dem

Garten in den Saal trat, fand er Erich und die Mutter in den Vorbereitungen

einer kleinen Geschäftsreise, welche am andern Tage vor sich gehen sollte.

„Wo sind denn Sie so spät in der Nacht gewesen?“ rief ihm die Mutter

entgegen.

„Ich?“ erwiderte er; „ich wollte die Wasserlilie besuchen; es ist aber nichts

daraus geworden.“

„Das versteht wieder einmal kein Mensch!“ sagte Erich. „Was tausend hattest

du denn mit der Wasserlilie zu tun?“

„Ich habe sie früher einmal gekannt“, sagte Reinhard;“es ist aber schon lange

her.“

Elisabeth

(Elisabeth)

Am folgenden Nachmittag wanderten Reinhard und Elisabeth jenseits des Sees

(the following afternoon Reinhard and Elisabeth went for a walk on the

farther/other side of the lake), bald durch die Holzung (/strolling/ at times

through the woodland), bald auf dem hohen vorspringenden Uferrande (at

other times along the shore where it jutted out into the water: «along the high

shore of the projecting edges»; der Rand — edge; welt). Elisabeth hatte von

Erich den Auftrag erhalten (Elisabeth had received injunctions from Eric;

erhalten — to receive), während seiner und der Mutter Abwesenheit (during

the absence of himself and /her/ mother) Reinhard mit den schönsten

Umgegenden (Reinhard with the prettiest views in the immediate

neighbourhood), namentlich von der andern Uferseite auf den Hof selber

(particularly the view toward the farm itself from the other side of the lake),

bekannt zu machen (to familiarize/acquaint: «to make acquainted»). Nun

gingen sie von einem Punkt zum andern (so now they proceeded from one

point to another; der Punkt — point). Endlich wurde Elisabeth müde (at last

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Elisabeth got/became tired; müde werden) und setzte sich in den Schatten

überhängender Zweige (and sat down in the shade of some overhanging

branches; der Zweig), Reinhard stand ihr gegenüber (Reinhard stood opposite

to her) an einen Baumstamm gelehnt (leaning against a tree trunk; an etwas

/Akk/ lehnen — to lean against smth); da hörte er tiefer im Walde den Kuckuck

rufen (/here/ he heard the cuckoo calling farther back in the woods), und es

kam ihm plötzlich (and it suddenly struck him), dies alles sei schon einmal

ebenso gewesen (that all this had happened once before /exactly the same

way/; ebenso — exactly the same).

Am folgenden Nachmittag wanderten Reinhard und Elisabeth jenseits des

Sees, bald durch die Holzung, bald auf dem hohen vorspringenden Uferrande.

Elisabeth hatte von Erich den Auftrag erhalten, während seiner und der Mutter

Abwesenheit Reinhard mit den schönsten Umgegenden, namentlich von der

andern Uferseite auf den Hof selber, bekannt zu machen. Nun gingen sie von

einem Punkt zum andern. Endlich wurde Elisabeth müde und setzte sich in den

Schatten überhängender Zweige, Reinhard stand ihr gegenüber an einen

Baumstamm gelehnt; da hörte er tiefer im Walde den Kuckuck rufen, und es

kam ihm plötzlich, dies alles sei schon einmal ebenso gewesen.

Er sah sie seltsam lächelnd an (he looked at her with an odd smile; jemanden

anlächeln — to to smile at smb). „Wollen wir Erdbeeren suchen (shall we look

for strawberries)?“ fragte er.

„Es ist keine Erdbeerenzeit (it isn't strawberry time)“, sagte sie.

„Sie wird bald kommen (it will soon be here: «it will soon come»).“

Elisabeth schüttelte schweigend den Kopf (Elisabeth shook her head in

silence); dann stand sie auf (then she rose; aufstehen), und beide setzten ihre

Wanderung fort (and both continued their walk = and the two strolled on

together); und wie sie so an seiner Seite ging (and how she went so by his side

= and as they wandered side by side), wandte sein Blick sich immer wieder

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nach ihr hin (he turned his gaze again and again towards her: «his eyes ever

and again were bent toward her»; sich wenden; der Blick); denn sie ging schön

(for she walked gracefully), als wenn sie von ihren Kleidern getragen würde

(as if she were carried by her clothes; das Kleid — dress; die Kleider —

clothes; tragen — to carry). Er blieb oft unwillkürlich einen Schritt zurück (he

often unconsciously fell back a pace/stepped back; zurückbleiben — to

fall/drop behind: «to stay behind»), um sie ganz voll ins Auge fassen zu

können (so that he could see/embrace the full view of her; das Auge — eye;

fassen — to seize; to grasp; to catch). So kamen sie an einen freien,

heidenbewachsenen Platz (so they came to an open space overgrown with

heather) mit einer weit ins Land reichenden Aussicht (where the view extended

far over the country-side; reichen — to extend; to stretch). Reinhard bückte

sich (Reinhard bent down) und pflückte etwas von den am Boden wachsenden

Kräutern (and plucked a bloom from one of the little plants that grew on the

ground; der Boden — ground; soil; das Kraut, die Kräuter — herbage; grass;

/motley/ grass). Als er wieder aufsah (when he looked up again; aufsehen — to

look up), trug sein Gesicht den Ausdruck leidenschaftlichen Schmerzes (his

face wore the expression of deep pain; das Gesicht; leidenschaftlich —

passionate, ardent; die Leidenschaft — passion; leiden — to suffer; der

Schmerz).

Er sah sie seltsam lächelnd an. „Wollen wir Erdbeeren suchen?“ fragte er.

„Es ist keine Erdbeerenzeit“, sagte sie.

„Sie wird bald kommen.“

Elisabeth schüttelte schweigend den Kopf; dann stand sie auf, und beide

setzten ihre Wanderung fort; und wie sie so an seiner Seite ging, wandte sein

Blick sich immer wieder nach ihr hin; denn sie ging schön, als wenn sie von

ihren Kleidern getragen würde. Er blieb oft unwillkürlich einen Schritt zurück,

um sie ganz voll ins Auge fassen zu können. So kamen sie an einen freien,

heidenbewachsenen Platz mit einer weit ins Land reichenden Aussicht.

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Reinhard bückte sich und pflückte etwas von den am Boden wachsenden

Kräutern. Als er wieder aufsah, trug sein Gesicht den Ausdruck

leidenschaftlichen Schmerzes.

„Kennst du diese Blume (do you know this flower)?“ sagte er.

Sie sah ihn fragend an (she gave him a questioning look; fragen — to ask). „Es

ist eine Erika (it is an erica). Ich habe sie oft im Walde gepflückt (I have often

gathered them in the woods; pflücken — to pick, to pluck).“

„Ich habe zu Hause ein altes Buch (I have an old book at home)“, sagte er, „ich

pflege sonst allerlei Lieder und Reime hineinzuschreiben (I /once used to/

write in it all sorts of songs and rhymes); es ist aber lange nicht mehr

geschehen (but that is all over and done with long since). Zwischen den

Blättern liegt auch eine Erika (between its leaves also there is an erica); aber es

ist nur eine verwelkte (but it is only a faded one; verwelken — to fade). Weißt

du, wer sie mir gegeben hat (do you know who gave it me)?“

Sie nickte stumm (she nodded without saying a word; stumm — dumb; silent;

still); aber sie schlug die Augen nieder (but she cast down her eyes; die Augen

niederschlagen) und sah nur auf das Kraut (and fixed them on the bloom/herb),

das er in der Hand hielt (which he held in his hand; halten). So standen sie

lange (for a long time they stood thus). Als sie die Augen gegen ihn aufschlug

(when she raised her eyes on him again; aufschlagen), sah er (he saw), dass sie

voll Tränen waren (that they were full of tears; die Träne).

„Elisabeth“, sagte er, „hinter jenen blauen Bergen liegt unsere Jugend (behind

yonder blue hills lies our youth; der Berg, die Berge). Wo ist sie geblieben

(where has it gone = what has become of it; bleiben)?“

„Kennst du diese Blume?“ sagte er.

Sie sah ihn fragend an. „Es ist eine Erika. Ich habe sie oft im Walde

gepflückt.“

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„Ich habe zu Hause ein altes Buch“, sagte er, „ich pflege sonst allerlei Lieder

und Reime hineinzuschreiben; es ist aber lange nicht mehr geschehen.

Zwischen den Blättern liegt auch eine Erika; aber es ist nur eine verwelkte.

Weißt du, wer sie mir gegeben hat?“

Sie nickte stumm; aber sie schlug die Augen nieder und sah nur auf das Kraut,

das er in der Hand hielt. So standen sie lange. Als sie die Augen gegen ihn

aufschlug, sah er, dass sie voll Tränen waren.

„Elisabeth“, sagte er, „hinter jenen blauen Bergen liegt unsere Jugend. Wo ist

sie geblieben?“

Sie sprachen nichts mehr (they said nothing more = nothing more was spoken;

sprechen); sie gingen stumm nebeneinander zum See hinab (they walked

dumbly by each other's side down to the lake). Die Luft war schwül (the air

was sultry), im Westen stieg schwarzes Gewölk auf (to westward dark clouds

were rising). „Es wird Gewitter (there's going to be a storm; das Gewitter)“,

sagte Elisabeth, indem sie ihren Schritt beeilte (said Elisabeth, hastening her

steps). Reinhard nickte schweigend (Reinhard nodded in silence), und beide

gingen rasch am Ufer entlang (and together they rapidly sped along the shore),

bis sie ihren Kahn erreicht hatten (till they reached their boat).

Sie sprachen nichts mehr; sie gingen stumm nebeneinander zum See hinab. Die

Luft war schwül, im Westen stieg schwarzes Gewölk auf. „Es wird Gewitter“,

sagte Elisabeth, indem sie ihren Schritt beeilte. Reinhard nickte schweigend,

und beide gingen rasch am Ufer entlang, bis sie ihren Kahn erreicht hatten.

Während der Überfahrt ließ Elisabeth ihre Hand auf dem Rande des Kahnes

ruhen (on the way across Elisabeth rested her hand on the gunwale of the boat;

ruhen — to rest; der Rand — border, edge; brim). Er blickte beim Rudern zu

ihr hinüber (as he rowed Reinhard glanced along at her; rudern — to row); sie

aber sah an ihm vorbei in die Ferne (but she gazed past him into the distance).

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So glitt sein Blick herunter und blieb auf ihrer Hand (and so his glance fell

downward/glided and rested on her hand; gleiten — to glide); und diese blasse

Hand verriet ihm (and the pale/white hand betrayed to him/told him; verraten

— to betray; to confide), was ihr Antlitz ihm verschwiegen hatte (what her face

had failed to reveal/had concealed; das Antlitz; verschweigen). Er sah auf ihr

jenen feinen Zug geheimen Schmerzes (it revealed those fine traces of secret

pain; der Schmerz), der sich so gern schöner Frauenhände bemächtigt (that so

readily mark a woman's fair hands; sich /Gen/ bemächtigen — to take

possession/hold of smth, smb; to seize), die nachts auf krankem Herz liegen

(when they lie at nights across an aching heart; das Herz). — Als Elisabeth

sein Auge auf ihrer Hand ruhen fühlte (and as Elisabeth felt his glance resting:

«to rest» on her hand; das Auge — eye; look, glance), ließ sie sie langsam über

Bord ins Wasser gleiten (she let it slip gently over the gunwale into the water).

Während der Überfahrt ließ Elisabeth ihre Hand auf dem Rande des Kahnes

ruhen. Er blickte beim Rudern zu ihr hinüber; sie aber sah an ihm vorbei in die

Ferne. So glitt sein Blick herunter und blieb auf ihrer Hand; und diese blasse

Hand verriet ihm, was ihr Antlitz ihm verschwiegen hatte. Er sah auf ihr jenen

feinen Zug geheimen Schmerzes, der sich so gern schöner Frauenhände

bemächtigt, die nachts auf krankem Herz liegen. — Als Elisabeth sein Auge

auf ihrer Hand ruhen fühlte, ließ sie sie langsam über Bord ins Wasser gleiten.

Auf dem Hofe angekommen (on arriving at the farm: «yard/estate»), trafen sie

einen Scherenschleiferkarren vor dem Herrenhause (they fell in with a scissors

grinder's cart /standing/ in front of the manor-house; treffen — to meet; die

Schere — scissors; der Schleifer — grinder; schleifen — to grind; der Karren

— cart); ein Mann mit schwarzen, niederhängenden Locken trat emsig das Rad

(a man with black, loosely-flowing curls/locks was busily plying/turning his

wheel: «stepped/trod on the wheel»; treten) und summte eine Zigeunermelodie

zwischen den Zähnen (and humming a gipsy melody between his teeth; der

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Zahn, die Zähne), während ein eingeschirrter Hund schnaufend daneben lag

(while a dog that was harnessed to the cart lay panting hard by; einschirren —

to harness; schnaufen — to pant). Auf dem Hausflur stand (on the threshold/in

the vestibule /of the house/ stood; der Flur — outer entrance hall, vestibule,

corridor) in Lumpen gehüllt ein Mädchen (a girl dressed in rags: «in rags

wrapped») mit verstörten, schönen Zügen (with embarrassed/troubled,

handsome features; der Zug, die Züge) und streckte bettelnd die Hand gegen

Elisabeth aus (and outstretched her hand to Elisabeth asking/begging alms;

ausstrecken; betteln — to beg; to ask/beg alms).

Auf dem Hofe angekommen, trafen sie einen Scherenschleiferkarren vor dem

Herrenhause; ein Mann mit schwarzen, niederhängenden Locken trat emsig das

Rad und summte eine Zigeunermelodie zwischen den Zähnen, während ein

eingeschirrter Hund schnaufend daneben lag. Auf dem Hausflur stand in

Lumpen gehüllt ein Mädchen mit verstörten, schönen Zügen und streckte

bettelnd die Hand gegen Elisabeth aus.

Reinhard griff in seine Tasche (Reinhard thrust his hand into his pocket;

greifen — to grab; to grip); aber Elisabeth kam ihm zuvor (but Elisabeth was

before him: «got before him»; zuvorkommen — to go before; zuvor — before;

earlier) und schüttelte hastig den ganzen Inhalt ihrer Börse in die offene Hand

der Bettlerin (and hastily emptied the entire contents of her purse into the

beggar's open palm). Dann wandte sie sich eilig ab (then she turned quickly

away; sich abwenden), und Reinhard hörte (and Reinhard heard), wie sie

schluchzend die Treppe hinaufging (her go sobbing up the stairs; schluchzen —

to sob).

Reinhard griff in seine Tasche; aber Elisabeth kam ihm zuvor und schüttelte

hastig den ganzen Inhalt ihrer Börse in die offene Hand der Bettlerin. Dann

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wandte sie sich eilig ab, und Reinhard hörte, wie sie schluchzend die Treppe

hinaufging.

Er wollte sie aufhalten (he wanted to detain her; aufhalten — to detain; halten

— to hold), aber er besann sich (but he changed his mind; sich besinnen — to

bethink; to come to one's senses) und blieb an der Treppe zurück (and

remained at /the foot of/ the stairs). Das Mädchen stand noch immer auf dem

Flur (the /beggar/ girl was still standing at the doorway), unbeweglich, das

empfangene Almosen in der Hand (motionless, and holding in her hand the

money: «alms» she had received; empfangen — to receive; sich bewegen — to

move). „Was willst du noch (what more do you want)?“ fragte Reinhard.

Er wollte sie aufhalten, aber er besann sich und blieb an der Treppe zurück.

Das Mädchen stand noch immer auf dem Flur, unbeweglich, das empfangene

Almosen in der Hand. „Was willst du noch?“ fragte Reinhard.

Sie fuhr zusammen (she gave a sudden start; zusammenfahren — to start; to

give a start). „Ich will nichts mehr (I want nothing more)“, sagte sie; dann den

Kopf nach ihm zurückwendend (then, turning her head toward him), ihn

anstarrend mit den verirrten Augen (and staring at him with wandering/roving

look: «eyes»; sich verirren — to go astray; to get lost), ging sie langsam gegen

die Tür (she passed slowly towards the door). Er rief einen Namen aus (he

uttered/shouted a name; der Name), aber sie hörte nicht mehr (but she heard

him not); mit gesenktem Haupte (with drooping head; das Haupt; senken — to

sink; to droop), mit über der Brust gekreuzten Armen (with arms folded over

her breast; das Kreuz — cross) schritt sie über den Hof hinab (she walked

down across the farmyard; schreiten).

Sterben, ach sterben (to die, ah, to die)

Soll ich allein (must I alone)!

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Sie fuhr zusammen. „Ich will nichts mehr“, sagte sie; dann den Kopf nach ihm

zurückwendend, ihn anstarrend mit den verirrten Augen, ging sie langsam

gegen die Tür. Er rief einen Namen aus, aber sie hörte nicht mehr; mit

gesenktem Haupte, mit über der Brust gekreuzten Armen schritt sie über den

Hof hinab.

Sterben, ach sterben

Soll ich allein!

Ein altes Lied brauste ihm ins Ohr (an old song roared past: «him» in his ear =

surged in Reinhard's ears; brausen — to rage; to roar), der Atem stand ihm

still (his breath stood him still = he gasped for breath); eine kurze Weile (a

little while only), dann wandte er sich ab (then he turned away) und ging auf

sein Zimmer (and went /up/ to his chamber).

Er setzte sich hin, um zu arbeiten (he sat down to work), aber er hatte keine

Gedanken (but he had no thoughts = he couldn’t think; der Gedanke).

Nachdem er es eine Stunde lang vergebens versucht hatte (after an hour's vain

attempt), ging er ins Familienzimmer hinab (he descended to the parlour:

«family room»; hinabgehen — to descend; to go down). Es war niemand da

(nobody was in it), nur kühle, grüne Dämmerung (only cool, green twilight);

auf Elisabeths Nähtisch lag ein rotes Band (on Elisabeth's sewing-table lay a

red ribbon; nähen — to sew), das sie am Nachmittag um den Hals getragen

hatte (which she had worn round her neck during the afternoon; tragen). Er

nahm es in die Hand (he took it up in his hand), aber es tat ihm weh (but it hurt

him; wehtun — to hurt: «to do hurt»), und er legte es wieder hin (and he laid it

down again).

Ein altes Lied brauste ihm ins Ohr, der Atem stand ihm still; eine kurze Weile,

dann wandte er sich ab und ging auf sein Zimmer.

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Er setzte sich hin, um zu arbeiten, aber er hatte keine Gedanken. Nachdem er

es eine Stunde lang vergebens versucht hatte, ging er ins Familienzimmer

hinab. Es war niemand da, nur kühle, grüne Dämmerung; auf Elisabeths

Nähtisch lag ein rotes Band, das sie am Nachmittag um den Hals getragen

hatte. Er nahm es in die Hand, aber es tat ihm weh, und er legte es wieder hin.

Er hatte keine Ruhe (he could find no rest: «he had no rest»), er ging an den

See hinab (he walked down to the lake) und band den Kahn los (and untied the

boat; losbinden — to inbind; to untie; los — loose; binden — to bind; to tie); er

ruderte hinüber (he rowed across = over the water; hinüber — there; to the

other side: «there-over») und ging noch einmal alle Wege (and trod once again

all the paths; der Weg), die er kurz vorher mit Elisabeth zusammen gegangen

war (which he and Elisabeth had paced together but a short hour ago: «that he

had recently gone together with Elisabeth»). Als er wieder nach Hause kam

(when he got back home /again/), war es dunkel (it was dark); auf dem Hofe

begegnete ihm der Kutscher (at the yard/farm he met the coachman), der die

Wagenpferde ins Gras bringen wollte (who was about to turn the carriage

horses out into the pasture; das Gras — grass); die Reisenden waren eben

zurückgekehrt (the travelers had just returned; reisen — to travel).

Er hatte keine Ruhe, er ging an den See hinab und band den Kahn los; er

ruderte hinüber und ging noch einmal alle Wege, die er kurz vorher mit

Elisabeth zusammen gegangen war. Als er wieder nach Hause kam, war es

dunkel; auf dem Hofe begegnete ihm der Kutscher, der die Wagenpferde ins

Gras bringen wollte; die Reisenden waren eben zurückgekehrt.

Bei seinem Eintritt in den Hausflur (as he came into/on entering the entrance

hall; eintreten — to enter), hörte er Erich im Gartensaal auf und ab schreiten

(he heard Eric pacing up and down the garden-room; auf und ab — back and

forth: «up and down»). Er ging nicht zu ihm hinein (he did not go in to him); er

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stand einen Augenblick still (he stood still for a moment) und stieg dann leise

die Treppe hinauf nach seinem Zimmer (and then softly climbed the stairs to

his room; steigen — to ascend; to go upstairs; to climb). Hier setzte er sich in

den Lehnstuhl ans Fenster (here he sat in the arm-chair by the window), er tat

vor sich selbst (he made himself believe: «he did before himself»), als wolle er

die Nachtigall hören (as if he wanted to listen to the nightingale), die unten in

den Taxuswänden schlug (who was singing in the yew hedges below); aber er

hörte nur den Schlag seines eigenen Herzens (but he heard only the

beating/throbbing of his own heart; schlagen — to beat). Unter ihm im Hause

ging alles zur Ruhe (below him in the house all went to rest = downstairs in the

house every one went to bed), die Nacht verrann, er fühlte es nicht (the night-

hours passed by, but he did not feel it = paid no heed; verrinnen — to trickle;

to pass /by/).

Bei seinem Eintritt in den Hausflur hörte er Erich im Gartensaal auf und ab

schreiten. Er ging nicht zu ihm hinein; er stand einen Augenblick still und stieg

dann leise die Treppe hinauf nach seinem Zimmer. Hier setzte er sich in den

Lehnstuhl ans Fenster, er tat vor sich selbst, als wolle er die Nachtigall hören,

die unten in den Taxuswänden schlug; aber er hörte nur den Schlag seines

eigenen Herzens. Unter ihm im Hause ging alles zur Ruhe, die Nacht verrann,

er fühlte es nicht.

So saß er stundenlang (for hours he sat thus). Endlich stand er auf (at last he

rose) und legte sich ins offene Fenster (and leaned out of the open window:

«lay down in the open window»). Der Nachttau rieselte zwischen den Blättern

(the /night/ dew was dripping among the leaves; rieseln — to trickle; to

babble; to drip; to leak), die Nachtigall hatte aufgehört zu schlagen (the

nightingale had ceased to trill). Allmählich wurde auch das tiefe Blau des

Nachthimmels (gradually, even the deep blue of the night sky) von Osten her

durch einen blassgelben Schimmer verdrängt (was chased away/was displaced

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from the east by a pale/faint yellow glow/gleam); ein frischer Wind erhob sich

(a fresh wind rose; sich erheben) und streifte Reinhards heiße Stirn (and

brushed Reinhard's heated/hot forehead/brow); die erste Lerche stieg jauchzend

in die Luft (the early: «first» lark soared triumphant up into the sky: «air»;

steigen; jauchzen — to rejoice; to triumph). —

So saß er stundenlang. Endlich stand er auf und legte sich ins offene Fenster.

Der Nachttau rieselte zwischen den Blättern, die Nachtigall hatte aufgehört zu

schlagen. Allmählich wurde auch das tiefe Blau des Nachthimmels von Osten

her durch einen blassgelben Schimmer verdrängt; ein frischer Wind erhob sich

und streifte Reinhards heiße Stirn; die erste Lerche stieg jauchzend in die Luft.

Reinhard kehrte sich plötzlich um (Reinhard suddenly turned; sich umkehren)

und trat an den Tisch (and stepped up to the table); er tappte nach einem

Bleistift (he groped about for a pencil; nach etwas tappen — to grope

about/around; der Bleistift), und als er diesen gefunden (and when he had

found it = one; finden), setzte er sich und schrieb damit einige Zeilen auf einen

weißen Bogen Papier (he sat down and wrote a few lines on a sheet of white

paper; die Zeile — line; der Bogen — sheet /of paper/). Nachdem er hiermit

fertig war (after he was done with this = having finished his writing), nahm er

Hut und Stock (he took up /his/ hat and stick/cane; der Hut; der Stock), und das

Papier zurücklassend (and leaving the paper behind him), öffnete er behutsam

die Tür und stieg in den Flur hinab (he carefully opened the door and

descended to the vestibule).

Reinhard kehrte sich plötzlich um und trat an den Tisch; er tappte nach einem

Bleistift, und als er diesen gefunden, setzte er sich und schrieb damit einige

Zeilen auf einen weißen Bogen Papier. Nachdem er hiermit fertig war, nahm er

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Hut und Stock, und das Papier zurücklassend, öffnete er behutsam die Tür und

stieg in den Flur hinab.

Die Morgendämmerung ruhte in allen Winkeln (the morning twilight rested in

every corner; der Winkel — corner /of a room/); die große Hauskatze dehnte

sich auf der Strohmatte (the big house-cat stretched on the straw mat; das Stroh

— straw) und sträubte den Rücken gegen seine Hand (and arched its back

against his hand), die er ihr gedankenlos entgegenhielt (which he unthinkingly:

«thoughtlessly» held out to it; der Gedanke — thought). Draußen im Garten

aber priesterten schon die Sperlinge von den Zweigen und sagten es allen

(outside in the garden the sparrows sang out pompously, like priests:

«pattered» from among the branches and giving notice to all; der Priester —

priest; der Sperling), dass die Nacht vorbei sei (that the night was over/was

past; vorbei — past; by; vorbei sein — to be past; to be over). Da hörte er oben

im Hause eine Tür gehen (then within the house he heard a door open on the

upper floor/upstairs); es kam die Treppe herunter (it = some one came

downstairs), und als er aufsah (and when he looked up), stand Elisabeth vor

ihm (Elizabeth stood before him). Sie legte die Hand auf seinen Arm (she laid

her hand upon his arm), sie bewegte die Lippen (she moved her lips), aber er

hörte keine Worte (but not a word did he hear; die Worte — words /speech/).

„Du kommst nicht wieder (you will not come back)“, sagte sie endlich (she

said at last). „Ich weiß es, lüge nicht; du kommst nie wieder (I know it; do not

lie = deny; you will never come back).“

Die Morgendämmerung ruhte in allen Winkeln; die große Hauskatze dehnte

sich auf der Strohmatte und sträubte den Rücken gegen seine Hand, die er ihr

gedankenlos entgegenhielt. Draußen im Garten aber priesterten schon die

Sperlinge von den Zweigen und sagten es allen, dass die Nacht vorbei sei. Da

hörte er oben im Hause eine Tür gehen; es kam die Treppe herunter, und ais er

aufsah, stand Elisabeth vor ihm. Sie legte die Hand auf seinen Arm, sie

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bewegte die Lippen, aber er hörte keine Worte. „Du kommst nicht wieder“,

sagte sie endlich. „Ich weiß es, lüge nicht; du kommst nie wieder.“

„Nie (never)“, sagte er. Sie ließ die Hand sinken (she let her hand fall /from his

arm/) und sagte nichts mehr (and said no more). Er ging über den Flur der Tür

zu (he walked across the hallway to the door); dann wandte er sich noch einmal

(then turned once more). Sie stand bewegungslos an derselben Stelle (she was

standing motionless on the same spot) und sah ihn mit toten Augen an (and

looking at him with lifeless: «dead» eyes). Er tat einen Schritt vorwärts (he

advanced one step) und streckte die Arme nach ihr aus (and stretched his arms

out to her). Dann kehrte er sich gewaltsam ab (then he turned away by force =

with a violent effort; gewaltsam — by force; die Gewalt — force; violence) und

ging zur Tür hinaus (and passed out of the door). — Draußen lag die Welt im

frischen Morgenlichte (outside, the world was in the fresh morning light; das

Licht — light), die Tauperlen, die in den Spinngeweben hingen (the pearls of

dew that hung in cobwebs; der Tau — dew; die Perle — pearl; das

Spinngewebe — /spider's/ web; cobweb; spinnen — to spin /a web/; die Spinne

— spider; weben — to weave; das Gewebe — tissue; fabric), blitzten in den

ersten Sonnenstrahlen (flashed in the first sunbeams; der Strahl, die Strahle —

beam). Er sah nicht rückwärts (he did not look back); er wanderte rasch hinaus

(he walked rapidly onward: «outside/out»); und mehr und mehr versank hinter

ihm das stille Gehöft (the quiet/peaceful farmstead sank more and more behind

him = gradually disappeared from his view; versinken/sinken — to sink), und

vor ihm auf stieg die große, weite Welt (and in front of him rose the great wide

world; aufsteigen — to arise). —

„Nie“, sagte er. Sie ließ die Hand sinken und sagte nichts mehr. Er ging über

den Flur der Tür zu; dann wandte er sich noch einmal. Sie stand bewegungslos

an derselben Stelle und sah ihn mit toten Augen an. Er tat einen Schritt

vorwärts und streckte die Arme nach ihr aus. Dann kehrte er sich gewaltsam ab

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und ging zur Tür hinaus. — Draußen lag die Welt im frischen Morgenlichte,

die Tauperlen, die in den Spinngeweben hingen, blitzten in den ersten

Sonnenstrahlen. Er sah nicht rückwärts; er wanderte rasch hinaus; und mehr

und mehr versank hinter ihm das stille Gehöft und vor ihm auf stieg die große,

weite Welt. —

Der Alte

(The Old Man)

Der Mond schien nicht mehr in die Fensterscheiben (the moon no longer

shined in through the windows = appeared in the windows; die Fensterscheibe

— windowpane; die Scheibe — disc; pane; windowpane), es war dunkel

geworden (it had grown quite dark); der Alte aber saß noch immer mit

gefalteten Händen in seinem Lehnstuhl (the old man still sat in his arm-chair

with folded hands; die Hand, die Hände; der Lehnstuhl) und blickte vor sich

hin in den Raum des Zimmers (and gazed before him into the emptiness:

«space» of the room). Allmählich verzog sich vor seinen Augen die schwarze

Dämmerung um ihn her zu einem breiten, dunkeln See (gradually, the black

twilight around him dissolved away before his eyes and changed into a broad

dark lake); ein schwarzes Gewässer legte sich hinter das andere (a black /strip

of/ water lay behind the other; das Gewässer — water/s/), immer tiefer und

ferner (deeper and further; fern — far), und auf dem letzten (and on the last

one), so fern, dass die Augen des Alten sie kaum erreichten (so far away as to

be almost beyond the reach of the old man's vision: «that the eyes of the old

man hardly reached it»), schwamm einsam zwischen breiten Blättern eine

weiße Wasserlilie (floated: «swam» lonely among its broad leaves a white

water-lily; schwimmen).

Der Mond schien nicht mehr in die Fensterscheiben, es war dunkel geworden;

der Alte aber saß noch immer mit gefalteten Händen in seinem Lehnstuhl und

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blickte vor sich hin in den Raum des Zimmers. Allmählich verzog sich vor

seinen Augen die schwarze Dämmerung um ihn her zu einem breiten, dunkeln

See; ein schwarzes Gewässer legte sich hinter das andere, immer tiefer und

ferner, und auf dem letzten, so fern, dass die Augen des Alten sie kaum

erreichten, schwamm einsam zwischen breiten Blättern eine weiße Wasserlilie.

Die Stubentür ging auf (the /room/ door opened; die Stube — room; aufgehen

— to open), und ein heller Lichtsstrahl fiel ins Zimmer (and a bright beam of

light fell into the room; fallen). “Es ist gut, dass Sie kommen, Brigitte (it is

good that you have come, Bridget)“, sagte der Alte. „Stellen Sie das Licht nur

auf den Tisch (put the light /only/ on the table).“

Dann rückte er auch den Stuhl zum Tische (then he drew his chair up to the

table), nahm eins der aufgeschlagenen Bücher (took one of the open books;

nehmen; das Buch aufschlagen — to open a book) und vertiefte sich in Studien

(and immersed himself in studies), an denen er einst die Kraft seiner Jugend

geübt hatte (to which he had once practiced the strength of his youth).

Die Stubentür ging auf, und ein heller Lichtsstrahl fiel ins Zimmer. „Es ist gut,

dass Sie kommen, Brigitte“, sagte der Alte. „Stellen Sie das Licht nur auf den

Tisch.“

Dann rückte er auch den Stuhl zum Tische, nahm eins der aufgeschlagenen

Bücher und vertiefte sich in Studien, an denen er einst die Kraft seiner Jugend

geübt hatte.