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14 Taijiquan & Qigong Journal 3-2002 Herr Professor Yu, bitte beschreiben Sie ihre ers- te Begegnung mit Zhanzhuang und Ihrem Leh- rer Wang Xiangzhai. Zunächst hatte ich Taijiquan gelernt und wur- de dabei auf die Übung des Zhanzhuang auf- merksam gemacht.1944 begann meine Ausbil- dung bei Wang Xiangzhai in Beijing. Zu dieser Zeit stellte ich viele Fragen und hatte kein Ver- ständnis dafür, dass ich einen Monat nur eine Übung, das Stehen, durchführen sollte. Ich war ungeduldig und wollte etwas Neues ler- nen. Nachdem ich einen Sportlehrer um seine Meinung zu dieser Methode befragte, sagte dieser, dass es sich hierbei um keinen Sport handele, weil die Bewegung fehlte. Ich hatte die »Nicht-Bewegung« im Vergleich zur allgemeinen körperlichen Bewegung nicht Stehen wie ein Baum – Zhanzhuang Interview mit Professor Yu Yong Nian (Beijing) Professor Yu Yong Nian ist einer der letzten noch lebenden Schüler des namhaften Begründers der inneren Kampfkunst des Yi Quan, Wang Xiangzhai. Martin Pendzialek befragte ihn bei einem Besuch in Beijing danach, was es mit dieser Kunst, die weitgehend ohne äußere Bewegungen auskommt, auf sich hat. Im Zentrum steht dabei die Übung des Zhanzhuang, das »Stehen wie ein Baum« in verschiedenen Positionen. Professor Yu Yong Nian setzt diese Methode seit vielen Jahren auch therapeutisch ein und hat die Erfahrung gemacht, dass sie gerade bei Schwerkranken gute Erfolge aufweist. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist das tägliche Üben, das in seiner Dauer der Belastbarkeit der PatientInnen angepasst wird. Abstract: Standing Like a Tree – Zhanzhuang Interview with Professor Yu Yong Nian (Beijing) Professor Yu Yong Nian is one of the last living pupil of the renowned founder of the internal martial art of Yi Quan, Wang Xiangzhai. Martin Pendzialek visited him in Beijing and asked him about the essence of this art, which mostly does without external move- ments. A core element is formed by the practice of Zhanzhuang, the »Stand Like a Tree« exercise, in various positions. For many years Professor Yu Yong Nian has also been using this method for therapeutic purposes and has found that this exercise is particularly beneficial to the seriously ill. Daily practice is an important condition for treatment, with the duration adjusted to the abilities of the patient. Das Interview wurde gedolmetscht von Teng Jian. Zhan Zhuang Yi Quan

Stehen wie ein Baum – Zhanzhuang...Zhan Zhuang Yi Quan Qigong 3-2002 Taijiquan & Qigong Journal 15 verstanden und unterbrach das Training für längere Zeit. Erst mit der Fortsetzung

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  • 14 Taijiquan & Qigong Journal 3-2002

    H e rr Professor Yu, bitte beschreiben Sie ihre ers-te Begegnung mit Zhanzhuang und Ihrem Leh-rer Wang Xiangzhai.

    Zunächst hatte ich Taijiquan gelernt und wur-de dabei auf die Übung des Zhanzhuang auf-merksam gemacht.1944 begann meine Ausbil-dung bei Wang Xiangzhai in Beijing. Zu dieserZeit stellte ich viele Fragen und hatte kein Ver-

    ständnis dafür, dass ich einen Monat nur eineÜbung, das Stehen, durc h f ü h ren sollte. Ichwar ungeduldig und wollte etwas Neues ler-nen. Nachdem ich einen Sportlehrer um seineMeinung zu dieser Methode befragte, sagtedieser, dass es sich hierbei um keinen Sporthandele, weil die Bewegung fehlte.Ich hatte die »Nicht-Bewegung« im Vergleichzur allgemeinen körperlichen Bewegung nicht

    Stehen wie ein Baum– Zhanzhuang

    Interview mit Professor Yu Yong Nian (Beijing)

    Professor Yu Yong Nian ist einer der letzten noch lebenden Schüler des namhaften Begründers der inneren Kampfkunst des Yi Quan, Wang Xiangzhai.

    Martin Pendzialek befragte ihn bei einem Besuch in Beijing danach, was esmit dieser Kunst, die weitgehend ohne äußere Bewegungen auskommt, auf

    sich hat. Im Zentrum steht dabei die Übung des Zhanzhuang, das »Stehen wieein Baum« in verschiedenen Positionen. Professor Yu Yong Nian setzt diese

    Methode seit vielen Jahren auch therapeutisch ein und hat die Erfahrunggemacht, dass sie gerade bei Schwerkranken gute Erfolge aufweist. Eine

    wichtige Voraussetzung dafür ist das tägliche Üben, das in seiner Dauer derBelastbarkeit der PatientInnen angepasst wird.

    Abstract:

    Standing Like a Tree – ZhanzhuangInterview with Professor Yu Yong Nian (Beijing)Professor Yu Yong Nian is one of the last living pupil of the renowned founder of theinternal martial art of Yi Quan, Wang Xiangzhai. Martin Pendzialek visited him in Beijingand asked him about the essence of this art, which mostly does without external move-ments. A core element is formed by the practice of Zhanzhuang, the »Stand Like a Tree«exercise, in various positions. For many years Professor Yu Yong Nian has also been usingthis method for therapeutic purposes and has found that this exercise is particularlybeneficial to the seriously ill. Daily practice is an important condition for treatment, withthe duration adjusted to the abilities of the patient.

    Das Interview wurdegedolmetscht von

    Teng Jian.

    Zhan Zhuang

    Yi Quan

  • Qigong

    153-2002 Taijiquan & Qigong Journal

    verstanden und unterbrach das Training fürlängere Zeit. Erst mit der Fortsetzung des Un-terrichts sowie dem regelmäßigen Üben desZhanzhuang begriff ich Schritt für Schritt,dass diese Methode ohne äußere Bewegunga u ß e rgewöhnliche Effekte auf die innere nphysiologischen Strukturen hat.Wang Xiangzhai hatte Xingyiquan und Zhan-zhuang von Guo Yunshen gelernt. Auch da-mals überwiegte bei vielen Meistern die Ver-mittlung von bewegten Formen im Vergleichzum Stehen; Wang Xiangzhai intere s s i e rte sichjedoch mehr für die Methode des Zhanzhuangund fand heraus, dass sich durch das Stehendie innere Kraft, das Gongfu, schneller ent-wickelte. In dieser Zeit entstand der Name fürdie von Wang Xiangzhai begründete innereKampfkunst: »Yi Quan«. Der Name »Xingyi« be-deutet die Kombination von »Form«, Xing, und»Bewusstsein/Geist«, Yi. In ähnlicher We i s ek o m b i n i e rt der Name des »Xinyi« als Be-schreibung für die geistigen Disziplinen im al-ten China »Herz«, Xin, und Yi miteinander.Wang Xiangzhai dachte, dass der Begriff»Xing« zu stark den Formaspekt der Bewegun-gen betonte und benannte seine Methode mit»Yi« und »Quan« (Faust/Boxen). Die Methodedes Zhanzhuang besteht somit als typischeForm ohne Form und verbindet sich mit derPhilosophie des Daoismus als eine Übung, inder alles in einem enthalten ist. Die chinesi-schen Bewegungs- und Kampfkünste erf o r-d e rn die Übung der inneren Kraft, Neigong;somit erforschte Wang Xiangzhai vorwiegenddie Kunst der inneren Bewegung und ent-wickelte auf der Grundlage des Zhanzhuangseine eigene Kampfkunst des Yi Quan. Ichlernte von Wang Xiangzhai bis zum Jahr 1960.

    Das Stehen ist eine grundlegende Übung für dieEntwicklung im Qigong und im Taijiquan. Wel-ches sind die besonderen Merkmale des Zhan-zhuang und wie wird diese Übung aufgebaut?

    Die Methode des Zhanzhuang sieht von außensehr einfach aus, die inneren Bewegungen je-doch sind sehr umfangreich und wichtig. DasBewusstsein verändert sich, indem die Funk-tionen des Körpers durch das Nervensystemverändert werden können. Zhanzhuang beginnt mit dem Stehen in dereinfachen Grundstellung. Hier steht die Ent-spannung im Vordergrund, um den Körper aufdie weiteren Übungsstufen vorzubereiten. Be-reits die zweite Übung ist sehr wichtig, um inder Position »Den Ballon halten« den Qi-Flussdurch den ganzen Körper zu entwickeln. Überdie dritte Position »Den Bauch halten« wird die

    Sammlung von Qi zum untere nDantian gefördert. In den weite-ren Positionen wird mit ver-schiedenen Haltungen der Armeund Stellungen des Körpers deroptimale Qi-Fluss im Körper auf-gebaut. Gleichzeitig nehmen in-n e re Kraft und Leistungsfähig-keit der Übenden zu. Schließlichumfasst diese Methode alle An-teile des Körpers, der Qi-Flussd u rch die Leitbahnen steigertsich, das Herz-Kreislauf- und dasNervensystem werden gestärkt.Zhanzhuang wird besondersd u rch eine zunehmende Übungs-zeit aufgebaut. Zu Beginn k ö n-nen bereits fünf Minuten Übungs-dauer sehr lang sein, wenn dasNervensystem und die Muskula-tur angespannt sind. Die einzel-nen Positionen sollen je nach Be-lastbarkeit stufenweise aufge-baut werden. Wenn Sie in einerPosition 20 Minuten entspanntstehen können, wechseln Sie zur nächstenÜbung.Ist der äußere Körper mit der beanspruchtenMuskulatur kräftig genug, kann man »innen«verändern. Während des Stehens mit den all -gemeinen Empfindungen wie Ta u b h e i t ,Schmerzen, Müdigkeit oder Wärmegefühl istdie Aufmerksamkeit beständig dabei, Span-nung und Entspannung des Körpers zu regu-l i e ren. Bedingt durch zunehmend längere sStehen und die entsprechenden Inform a t i o-nen an das Nervensystem werden die Berei-che des Körpers mit der erhöhten Aufmerk-samkeit bewusst entspannt und damit verän-dert.

    In einem Buch Ihres Schülers Lam Kam Chuenw i rd beschrieben, dass Sie in jungen Jahren vonihrem Lehrer Wang aufgefordert wurden, ihreFähigkeiten ohne vorherige Kampferf a h ru n gmit einem anderen Schüler zu messen. Sie wa-ren damals überrascht, dass Sie diesen erfahre-nen Kampfkünstler recht schnell kontrollierenkonnten. Können Sie bitte erklären, wie sich dieAnwendbarkeit des Zhanzhuang in der Kampf-kunst, etwa beim Taijiquan, aus den »unbeweg-ten« Übungspositionen entwickelt und welcheRolle Yi dabei übernimmt?

    Bewegung besteht aus äußerlich sichtbare rBewegung und der »Nicht-Bewegung« inner-halb des Körpers. Allgemein werden Sportund Wushu – Donggong – mehr erforscht als

    Professor Yu Yong Nianwurde 1920 in Dalianin der Provinz Liao-ning im NordostenChinas geboren. Erstudierte Zahnheil-kunde in Japan undunterrichtet seit sei-ner Ausbildung beiWang Xiangzhai dieMethode des Zhan-zhuang. Mit der Unter-stützung seines Leh-rers entwickelte Pro-fessor Yu erstmals diekonkrete Anwendungdes Zhanzhuang beiverschiedenen Erkran-kungen und stellte da-mit gleichzeitig dieKunst des Yi Chuan alsgesundheitsförderndeMethode heraus. Pro-fessor Yu lebt heutemit seiner Frau in Bei-jing, wo er noch regel-mäßig Schüler aus vie-len Ländern der Weltunterrichtet. ProfessorYu ist Ehrenmitglieddes »Council of theAssociation of QigongScience« der VR China.

  • 16 Taijiquan & Qigong Journal 3-2002

    die inneren Bewegungen des Körpers – dasJinggong. Bereits vor 2700 Jahren wurde über»Xinshu«, »geistige Kunst«, geschrieben. DerB e g r i ff »Xin« im alten China korre s p o n d i e rtmit dem Begriff »Großhirn« in unserer moder-nen Sprache.Auch Laozi hat über diese Methoden geschrie-ben, die mit Kopf, Nervensystem, Geist undH e rz verbunden waren. Wushu als Kampfkunstw i rd im Unterschied zu Xinshu durch die äuße-re bewegte Form ausgedrückt. Wushu ist somitdas Ergebnis, Xinshu die Ursache. Wushu wie-d e rum die Form, Xinshu das Bewusstsein.Mit »Wu« können wir also die Außenwelt be-schreiben, die wir außerhalb unseres Körperssehen können: die Natur mit Sonne, Mond,Bergen und Flüssen sowie die von Menschenentwickelten Produkte. Im Vergleich dazu gibtes Wa h rnehmungen, Empfindungen in unse-rem Körper; etwas, was wir nicht mit der Ge-burt bekommen haben. Diese Empfindungenkönnen nur durch Übung entwickelt und dannnach außen ausgedrückt werden; auch Qi zuspüren ist eine solche Empfindung.Ein wichtiges Element der inneren Bewe-gungs- und Kampfkünste ist der Wechsel zwi-schen Entspannung und Anspannung. Dieserzeigt sich zum Beispiel bei ziehenden,drückenden, öffnenden oder stoßenden Be-wegungen. Die Anwendung im Kampf setzt einGefühl, ein »Spüren« voraus, also Empfindun-gen, um die verschiedenen Kräfte in den ent-sprechenden Bewegungen nach außen zu zei-gen. Die Methode des Zhanzhuang entwickeltdiese Voraussetzungen, indem wir durch denzunehmenden Informationsaustausch mitdem Nervensystem lernen, Empfindungen

    und Belastungen zu steuern sowie Gesundheitund Fitness zu verbessern. Eine besondereRolle spielt dabei die Entspannung der Kör-permuskulatur, um die Elastizität und damitdie Qualität der Muskelarbeit zu fördern. So-mit kann dieses gewonnene Kraftpotential ge-zielt in den Kampfkünsten eingesetzt werden.

    Sie haben über viele Jahre Forschungen mitZhanzhuang betrieben. Diese Methode wurde inzahlreichen Krankenhäusern gezielt gegen Er-krankungen wie Bluthochdruck, Arthritis undchronische Beschwerden von Atmungs-, Kreis-lauf- und Nervensystem eingesetzt. Wie sind Ih-re Erfahrungen und Ergebnisse aus der medizi-nischen Anwendung?

    Ich arbeitete im Krankenhaus der BeijingerUniversität und später in weiteren Kranken-häusern als Zahnarzt. Ich begann 1960 Zhan-zhuang für Patienten anzubieten, nachdemich inzwischen 16 Jahre Erfahrung damit ge-sammelt hatte. Ich schlug diese Methode fürdie klinische Behandlung vor, um sie beson-ders bei Patienten mit chronischen Erkran-kungen einzusetzen.Hauptsächlich bei schweren Erkrankungenzeigen sich immer gute Ergebnisse. Ein wich-tiger Grund dafür ist die Selbstbeteiligung derMenschen bei der Behandlung ihrer Krank-heiten. Patienten mit Bluthochdruck könnennach einem Monat der Übung von Zhan-zhuang die Tablettendosis re d u z i e ren; derB l u t d ru c k w e rt wird stabilisiert. Bei Men-schen, die unter Schlaflosigkeit leiden, beru-higt sich das Nervensystem. Bei Störu n g e ndes Atmungssystems verbessert sich die Lun-

    Zur Geschichte von Zhanzhuang in neuerer Zeit

    aus Yu Yong Nian: I-Chuan – Les bases scientifiques, La Posture de l’Arbre: Zhanzhuang, Übersetzung von Martin Pendzialek

    Zhanzhuang wurde als grundlegende Methode für die inneren Kampfkünste des Xinyiquan (Xing-yiquan, Yi Quan bzw. Dachengquan) verwendet. Es wird beschrieben, dass Xinyiquan von Yue Fei,einem bekannten General aus der Song-Dynastie (1103 – 1142) und Yue Wu entwickelt wurde.Weiterhin wird von einem Mann mit dem Namen Long Feng aus der Provinz Shanxi berichtet, der dortzwischen 1600 und 1680 lebte und im Alter von mehr als 80 Jahren verstarb. Er verbrachte zehn Jah-re im Shaolin Kloster, studierte dort und entwickelte seine eigene Kampfkunst, die im Kloster sehrangesehen war. Anschließend verteilten sich die inneren Künste des Xinyiquan in die zwei verschie-denen Provinzen Henan und Shanxi.Die dritte Generation des Xingyiquan wurde von Li Luoneng angeführt, der von 1840 bis 1850 in derP rovinz Shanxi lebte. Seine Schüler verteilten sich wiederum in zwei Schulen mit Chen Yizhai und SongShirong in Shanxi sowie Guo Yunshen und Liu Qilan in der Provinz Hebei.Die vierte Generation wurde nun Yi Quan oder auch Dachengquan genannt und von Wang Xiangzhai,dem Schüler von Guo Yunshen begründet. Das Wissen um die Methode des Zhanzhuang wurde bis da-hin nur in geschlossenen Kreisen durch mündliche Überlieferung weitergegeben. Erst als Meister Wa n gXiangzhai in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts nach Beijing kam, wurde diese Kunst einerbreiten Öffentlichkeit bekannt. (S. 150 f)

    Stehen wie ein Baum

    Lam Kam Chuen zitiertin seinem Buch

    »Energie und Lebens-kraft durch Chi Gong«

    einen Abschnitt ausdem »Huangdinei-

    jing«, dem Buch desGelben Kaisers, in dem

    der Kaiser seinemLeibarzt erzählt:

    »Ich habe gehört, dassin alten Zeiten es

    geistige Wesen gege-ben habe: Sie standenzwischen Himmel und

    Erde und verbandendas Universum; sieverstanden das Yin

    und Yang und lenktendie Prinzipien der

    Natur; sie atmetenden Stoff des Lebens;

    sie versenkten sichbewegungslos in denGeist des Lebens und

    Sehnen und Fleischwaren eins.

    Das ist Tao, der Weg,den du suchst.«

    (S.30)

    Neigong

    Xinshu

    Wushu

    Wuwei

    Qigong

    Xingyiquan

    Xinyiquan

  • Qigong

    173-2002 Taijiquan & Qigong Journal

    genfunktion. Ebenso können Entzündungenmit Wasserbildung beispielsweise im Kniege-lenk geheilt werden. Menschen mit Krebser-krankungen können ihren Zustand erheblichverbessern und Schmerzen reduzieren.

    Zu den Empfindungen während der Übung desZhanzhuang gehören Taubheitsgefühl, Schmer-zen, Schwanken, Asymmetrie sowie Wohlbefin-den und Entspannung. Was sollten speziellkranke Menschen beachten und welche Emp-fehlung geben Sie, um die Gedanken loszuwer-den und den Geist zu beruhigen?

    Die Patienten sind zur täglichen Übung aufge-fordert, dies ist die wichtigste Voraussetzungfür den Übungserfolg. Jedoch müssen dieÜbungsdauer und die Standhöhe der Belast-barkeit angepasst sein. Die einzelnen Übun-gen sollen langsam aufgebaut werden.Im Ve rgleich zu Qigong-Übungen mit gezielterAufmerksamkeit auf einen Punkt oder Bere i c hist es bei Zhanzhuang leichter, das Problem deraufkommenden Gedanken zu lösen. Wenn manZhanzhuang übt, richtet man seine Aufmerk-samkeit auf die Empfindungen des Körpers wieS c h m e rz oder Müdigkeit in den Armen, Schul-t e rn oder Beinen. Diese Empfindungen werd e nbei regelmäßiger Übung durch die Entspan-nung abgebaut und die Gedanken dabei re d u-z i e rt. Die Aufmerksamkeit orientiert sich somitan der entsprechenden Belastung des Körpers.

    Welche persönliche Definition geben Sie »Qi«und haben Sie aufgrund Ihrer reichen ErfahrungErkenntnisse darüber, wie »Qi« im menschli-chen Körper wirken kann?

    Es ist eine schwierige Frage, viele Menschenfragen: »Was ist Qi?« oder »Wie funktioniertQi?« Ich meine, es gibt noch etwas hinter Qi.Über dem Qi gibt es ein »Wu«, also Materie wieEisen, Holz oder Wasser in der Außenwelt.Durch die Übung von Qigong kann man Qi ver-stehen. Die Wahrnehmung von Qi bedeutet Qizu spüren, es ist eine subjektive Empfindungdes Menschen im Körper unter Beteiligung al-ler Funktionseinheiten wie Gefäße oder Zellendes Herz-Kreislauf- und des Nervensystems.Eine höhere Stufe des Qi bezeichne ich als»sachliches Qi«, wenn es sich bei bestimmtenBewegungen der Kampfkunst wie Ziehen,Drücken oder Stoßen zeigt. Diese bewusst ge-s t e u e rten Bewegungen sind anders als einerein subjektive Wa h rnehmung, das Kraftpoten-tial ist dabei ebenso verändert wie die Empfin-dung. Schließlich können wir mit zunehmenderÜbungsqualität die unterschiedlichen Kräfte in

    u n s e rem eigenen Körper spüren. Über den In-f o rmationsaustausch mit dem Nerv e n s y s t e mw e rden Empfindungen und Belastungen immerbesser gesteuert. Hiermit entwickelt sich dieFähigkeit, Funktionen des Körpers zur Gesund-e rhaltung zu verändern oder von außen ein-wirkende Kräfte bei der Anwendung im Kampfzu verstehen und zu kontro l l i e re n .

    In Ihrem Buch »I-Chuan – Wi s s e n s c h a f t l i c h eG rundlagen« beschreiben Sie unter anderem dieBegriffe »Qi«, »Kraft« und »Dao«. In welcher Be-ziehung steht die Methode des Zhanzhuang zu»Dao«?

    Mit zunehmender Übungsqualität auf einerhöheren Übungsstufe werden die inneren unddie äußeren Bewegungen »natürlicher«, dieE m p findungen verändern sich im Sinne derEinheit von Körper und Geist. An dieser Stellev e rweise ich auf das Prinzip »Wuwei«, welchesder Philosophie des Daoismus entstammt undvon Laozi beschrieben wurde. Zhanzhuang zuverstehen bedeutet das Dao zu verstehen;später gibt es keine Empfindungen mehr: »DasDao ist ohne«.Auf dieser hohen Übungsstufe stehen uns sehrviel Energie und sehr viel Kraft zur Ve rf ü g u n g .Wir verstehen diese Kraft, können Sie verändernund verstehen sie anzuwenden. Somit erg i b tsich in einer Kampfsituation eine Überlegenheitgegenüber einer Person, die nicht diese Fähig-keiten erworben hat und anders »empfin d e t « .

    Welche Bedeutung hat der Baum als Namens-geber für die Methode des Zhanzhuang?

    Als ich begann bei Wang Xiangzhai zu lern e n ,übte ich im Park immer zwischen großen undkleinen Bäumen. Eines Tages fragte ich ihn,w a rum wir wie die Bäume stehen. Mein Lehre rsagte zu mir: »Schaue dir die großen und diekleinen, die dicken und die dünnen Bäume an.Die großen Bäume stehen lange, die kleinenBäume stehen eine kürz e re Zeit. Wenn man lan-ge steht, wächst alles und die Kraft verm e h rts i c h . «Pflanzen und Bäume können im Vergleich zuden Menschen sehr alt werden. Wenn wir ste-hen wie ein Baum in der Natur umgeben vonguter Luft und Ruhe, dann können wir wie einBaum natürlich wachsen, indem wir das Daoverstehen.

    Herr Professor Yu, vielen Dank für die Zeit, dieSie uns geschenkt haben.

    Martin Pendzialek, g e b. 1964, Ausbildung inDaoyin Yangsheng Gong undTaijiquan seit 1993 bei TengJian (Köln/Beijing). Studi-um des Daoyin Ya n g s h e n gGong und Lehrerausbildungan der Sportuniversität Bei-jing von 1998 bis 2000,Ausbildung im Chen-Stil Ta i-jiquan bei Yi Xianjun (Bei-jing). Er unterrichtet Qigongund Taijiquan, ist Begründervon »Dra c h e nwo l ke« undLeiter der Daoyin Ya n g s h e n gGong Ausbildung am Ze n t-rum für Präventive Chinesi-sche Medizin e. V. Walluf.

    Stehen wie ein Baum

    Literatur:

    Yu Yong Nian: I-Chuan - Les basesscientifiques,La Posture de l’Arbre:Zhanzhuang.Editions Charles AntoniL’Originel, 1999

    Lam Kam Chuen: Energie und Lebenskraftdurch Chi Gong. Mosaik Verlag, 1993