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Zeitschrift für Politikwissenschaft 18. Jahrgang (2008) Heft 3, 291-324 291 Steffen Kailitz Ein Unterschied wie Tag und Nacht? Fraktionsgeschlossenheit in Parlamentarismus und Präsidentialismus Auf der Grundlage der bislang umfangreichsten Datensammlung zur Geschlossenheit des Abstimmungsverhaltens in Demokratien werden mit den Maßen von Charles Ragin zur Prüfung notwendiger und hinreichender Bedingungen sowie den Methoden der robusten Regression, der Praise-Winsten-Regression und der logistischen Regression gängige Hypo- thesen zur Fraktionsgeschlossenheit in Parlamentarismus und Präsidentialismus geprüft. Eine parlamentarische Regierungsform erweist sich dabei den theoretischen Erwartungen gemäß als eine (nahezu) hinreichende Bedingung für eine hohe Fraktionsgeschlossenheit. Eine präsidentielle Regierungsform ist wiederum eine notwendige Bedingung für das (weit- gehende) Fehlen von Fraktionsgeschlossenheit. Die Ansicht, dass in präsidentiellen Demo- kratien stets keine oder kaum Fraktionsgeschlossenheit zu finden ist, trifft dagegen nicht zu. Dafür dürfte verantwortlich sein, dass moderne Demokratien ohne (programmatisch einiger- maßen geschlossene) Parteien kaum vorstellbar sind und die Agendasetzungsmacht in bedeutendem Maße faktisch auf die Regierung übergegangen ist. Die Unterscheidung in präsidentielle und nicht-präsidentielle Demokratien hat aber noch immer die mit Abstand größte Erklärungskraft für die Unterschiede in der Fraktionsgeschlossenheit verschiedener Länder. Für die große Variation der Fraktionsgeschlossenheit unter den präsidentiellen Demokratien ist dabei in hohem Maße der Wettbewerb von Kandidaten einer Partei bei den nationalen Wahlen verantwortlich. In parlamentarischen Demokratien hat dieser Faktor dagegen nur geringe Auswirkungen, weil bereits eine nicht-präsidentielle Regierungsform eine hohe Fraktionsgeschlossenheit nahezu garantiert. Inhalt 1. Einleitung 292 2. Zur Auswahl der Fälle und der Unterscheidung der Regierungsformen 293 3. Theoretische Erwartungen 297 4. Datengrundlage der Untersuchung 301 5. Test der Hypothesen 309 6. Ergebnisse 317 Literatur 319 Ich danke der Fritz Thyssen Stiftung für die Föderung meines Habilitationsprojekts, aus dem die Daten- grundlage des Beitrags hervorgegangen ist. Manuel Becker, Benjamin Kahlert, der Redaktion der Zeit- schrift für Politikwissenschaft und einem anonymen Gutachter danke ich für hilfreiche Hinweise und/ oder stilistische Verbesserungen des Manuskripts.

Steffen Kailitz, Ein Unterschied wie Tag und Nacht? Fraktionsgeschlossenheit in Parlamentarismus und Präsidentialismus

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Auf der Grundlage der bislang umfangreichsten Datensammlung zur Geschlossenheit des Abstimmungsverhaltens in Demokratien werden mit den Maßen von Charles Ragin zur Prüfung notwendiger und hinreichender Bedingungen sowie den Methoden der robustenRegression, der Praise-Winsten-Regression und der logistischen Regression gängige Hypothesenzur Fraktionsgeschlossenheit in Parlamentarismus und Präsidentialismus geprüft. Eine parlamentarische Regierungsform erweist sich dabei den theoretischen Erwartungen gemäß als eine (nahezu) hinreichende Bedingung für eine hohe Fraktionsgeschlossenheit. Eine präsidentielle Regierungsform ist wiederum eine notwendige Bedingung für das (weitgehende)Fehlen von Fraktionsgeschlossenheit. Die Ansicht, dass in präsidentiellen Demokratien stets keine oder kaum Fraktionsgeschlossenheit zu finden ist, trifft dagegen nicht zu.Dafür dürfte verantwortlich sein, dass moderne Demokratien ohne (programmatisch einigermaßen geschlossene) Parteien kaum vorstellbar sind und die Agendasetzungsmacht inbedeutendem Maße faktisch auf die Regierung übergegangen ist. Die Unterscheidung in präsidentielle und nicht-präsidentielle Demokratien hat aber noch immer die mit Abstandgrößte Erklärungskraft für die Unterschiede in der Fraktionsgeschlossenheit verschiedener Länder. Für die große Variation der Fraktionsgeschlossenheit unter den präsidentiellenDemokratien ist dabei in hohem Maße der Wettbewerb von Kandidaten einer Partei bei den nationalen Wahlen verantwortlich. In parlamentarischen Demokratien hat dieser Faktordagegen nur geringe Auswirkungen, weil bereits eine nicht-präsidentielle Regierungsform eine hohe Fraktionsgeschlossenheit nahezu garantiert.

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Zeitschrift für Politikwissenschaft 18. Jahrgang (2008) Heft 3, 291-324 291

Steffen Kailitz

Ein Unterschied wie Tag und Nacht?Fraktionsgeschlossenheit in Parlamentarismus und Präsidentialismus∗

Auf der Grundlage der bislang umfangreichsten Datensammlung zur Geschlossenheit des Abstimmungsverhaltens in Demokratien werden mit den Maßen von Charles Ragin zur Prüfung notwendiger und hinreichender Bedingungen sowie den Methoden der robusten Regression, der Praise-Winsten-Regression und der logistischen Regression gängige Hypo-thesen zur Fraktionsgeschlossenheit in Parlamentarismus und Präsidentialismus geprüft.

Eine parlamentarische Regierungsform erweist sich dabei den theoretischen Erwartungen gemäß als eine (nahezu) hinreichende Bedingung für eine hohe Fraktionsgeschlossenheit. Eine präsidentielle Regierungsform ist wiederum eine notwendige Bedingung für das (weit-gehende) Fehlen von Fraktionsgeschlossenheit. Die Ansicht, dass in präsidentiellen Demo-kratien stets keine oder kaum Fraktionsgeschlossenheit zu finden ist, trifft dagegen nicht zu. Dafür dürfte verantwortlich sein, dass moderne Demokratien ohne (programmatisch einiger-maßen geschlossene) Parteien kaum vorstellbar sind und die Agendasetzungsmacht in bedeutendem Maße faktisch auf die Regierung übergegangen ist. Die Unterscheidung in präsidentielle und nicht-präsidentielle Demokratien hat aber noch immer die mit Abstand größte Erklärungskraft für die Unterschiede in der Fraktionsgeschlossenheit verschiedener Länder. Für die große Variation der Fraktionsgeschlossenheit unter den präsidentiellen Demokratien ist dabei in hohem Maße der Wettbewerb von Kandidaten einer Partei bei den nationalen Wahlen verantwortlich. In parlamentarischen Demokratien hat dieser Faktor dagegen nur geringe Auswirkungen, weil bereits eine nicht-präsidentielle Regierungsform eine hohe Fraktionsgeschlossenheit nahezu garantiert.

Inhalt

1. Einleitung 2922. Zur Auswahl der Fälle und der Unterscheidung der Regierungsformen 2933. Theoretische Erwartungen 2974. Datengrundlage der Untersuchung 3015. Test der Hypothesen 3096. Ergebnisse 317Literatur 319∗ Ich danke der Fritz Thyssen Stiftung für die Föderung meines Habilitationsprojekts, aus dem die Daten-

grundlage des Beitrags hervorgegangen ist. Manuel Becker, Benjamin Kahlert, der Redaktion der Zeit-schrift für Politikwissenschaft und einem anonymen Gutachter danke ich für hilfreiche Hinweise und/oder stilistische Verbesserungen des Manuskripts.

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1. Einleitung

Konzeptionell lässt sich zwischen der Geschlossenheit des Abstimmungsverhaltens, der Fraktionsdisziplin und der freiwilligen Übereinstimmung des Abstimmungsverhaltens der Parlamentsmitglieder aufgrund freiwilliger Kohäsion einer Partei unterscheiden.1 In dieser Untersuchung wird die zu erklärende Geschlossenheit des Abstimmungsverhaltens (party unity) als empirisch messbares Resultat des Zusammenwirkens von programmatischer Kohäsion der Fraktionsmitglieder und – durch Sanktionsmittel der Partei – erwirkte Fraktions-disziplin verstanden (zum Verhältnis der Begriffe Hazan 2003).

Folgende Ansicht ist bislang Allgemeingut der Forschung: Eine idealtypische parlamen-tarische Demokratie fordert und fördert eine sehr hohe Fraktionsgeschlossenheit. Mit Blick auf die präsidentiellen Demokratien heißt es dagegen, es gebe in ihnen keine oder eine nur geringe Fraktionsgeschlossenheit. Diese Regierungsform biete nämlich keine Anreize, Fraktionsgeschlossenheit auszubilden.2 Diese Ansicht wird erstens bis heute in Lehrbüchern vertreten (u. a. Schreyer/Schwarzmeier 2005) und – das ist noch wichtiger – sie prägt zwei-tens bedeutende Teile der Theoriebildung in der Vergleichenden Politikwissenschaft. So geht Georg Tsebelis (1995: 325, 2002: 13) mit Blick auf die präsidentiellen Demokratien aus-drücklich davon aus, dass die Parteien in präsidentiellen Demokratien undiszipliniert sind (und daher auch die Agendasetzung im Parlament von den Parlamentariern ausgeht). Neuer-dings stellen allerdings Forscher wie John Carey (2007) und vor allem José Antonio Cheibub (2007: 116-135) diese Ansicht nachdrücklich infrage. So legt Cheibub zumindest nahe, dass sich die Fraktionsgeschlossenheit in parlamentarischen und präsidentiellen Demokratien nicht grundlegend, sondern lediglich graduell voneinander unterscheide.

Bislang wurde in der Parlamentarismus-Präsidentialismus-Forschung nicht systematisch untersucht, ob die vorherrschenden Behauptungen zur Fraktionsgeschlossenheit in Parla-mentarismus und Präsidentialismus zutreffen. In der hervorragenden Studie von José Antonio Cheibub (2007), die dem Zusammenhang von Fraktionsgeschlossenheit und Regierungs-form ein ganzes Kapitel (116-135) widmet, fehlt ein empirischer Vergleich. Auch in der Forschung zur Fraktionsgeschlossenheit findet dieser Faktor nicht die notwendige Aufmerk-samkeit. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die meisten Untersuchungen Einzelfallstudien sind. Vergleichsstudien haben sich überwiegend entweder auf parlamentarische (Sieberer 2006) oder auf präsidentielle Demokratien (Morgenstern 2004) konzentriert. Den Zusammen-hang zwischen der Regierungsform und der Geschlossenheit des Abstimmungsverhaltens von Parlamentsparteien zu klären, erscheint aber angesichts der in der Literatur vertretenen starken Aussagen von großer Bedeutung. Eine Antwort auf die Fragen dieser Studie ist auch notwendig, um etwa entscheiden zu können, ob wir die gleichen Ansätze (z. B. den Veto-spieleransatz) auf Demokratien unabhängig von ihrer Regierungsform anwenden können.

Ich prüfe aufgrund der bisher umfangreichsten Sammlung von Daten zur Fraktionsge-schlossenheit in erster Linie die folgenden drei Hypothesen:

1 Özbudun 1970; Hazan 2003; Sieberer 2006.2 Unter anderem Fraenkel 1964; Laver/Shepsle 1996: 29; Linz 1994: 41 f.; Sartori 1997: 94; Schwarz/Shaw

1976: 149; Tsebelis 2002: 85.

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Fraktionsgeschlossenheit

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Hypothese 1: Eine parlamentarische Regierungsform ist eine hinreichende und notwendige Voraussetzung für eine hohe Fraktionsgeschlossenheit.

Hypothese 2: Eine präsidentielle Regierungsform ist eine hinreichende und notwendige Voraussetzung für das (weitgehende) Fehlen von Fraktionsgeschlossenheit.

Hypothese 3: Die Fraktionsgeschlossenheit ist in parlamentarischen Demokratien auf der Grundlage der institutionellen Anlage höher als in präsidentiellen Demokratien.

Geprüft wird zudem, wie es um die Fraktionsgeschlossenheit in den Staaten steht, die in der neueren Forschung überwiegend unter dem Etikett „Semipräsidentialismus“ zusammen-gefasst werden.

2. Zur Auswahl der Fälle und der Unterscheidung der Regierungsformen

Als demokratisch sehe ich bei der folgenden Untersuchung alle Staaten an, die drei Minimal-kriterien erfüllen: 1. das Volk wählt seine Repräsentanten in freien und fairen Wahlen3; 2. die Regierungsspitze ist direkt oder indirekt durch das Volk legitimiert; 3. es gibt ein Mindest-maß an bürgerlichen und politischen Freiheitsrechten, die einen politischen Wettbewerb ermöglichen (ähnlich u. a. auch O’Donnell 1999: 320 f.; Przeworski u. a. 1996; 2000: 28 f.,).4 Das bedeutet nicht, dass ein Staat ein so hohes Maß an Rechtsstaatlichkeit besitzen muss, um sich als demokratischer Verfassungsstaat zu qualifizieren. Demokratie setzt aber zumindest voraus, dass es ein Mindestmaß an Freiheit der Bürger und keine systematischen staatlichen Rechtsbrüche gibt. Nur dann ist nämlich ein demokratischer Wettbewerb mög-lich. Von zentraler Bedeutung ist bei diesen an der Konkurrenztheorie der Demokratie orien-tierten Kriterien in der Tradition von Joseph Schumpeters (1950: 428) Minimaldefinition der Demokratie, dass das Volk frei unter konkurrierenden politischen Alternativen auswählen kann. Berücksichtigt wurden alle Staaten, die sich vor 1994 demokratisierten. Gemäß der Minimaldefinition der Demokratie berücksichtigt die Studie dabei auch „defekte Demokra-tien“ (zu diesem Konzept Croissant/Merkel 2000) wie Kolumbien oder Nepal von 1991 bis zum Demokratiezusammenbruch 2002.

Bei der auf das Verhältnis von Regierung und Parlament zielenden Typologisierung in Parlamentarismus und Präsidentialismus lassen sich die beiden empirisch begründeten Grundtypen (vgl. zu dieser Form der Typologisierung Kluge 1999) folgendermaßen bilden:

3 Dieses fundamentale Abgrenzungskriterium zwischen Demokratien und Diktaturen ist in der Demokra-tieforschung unumstritten. Vgl. statt vieler Huntington 1993; Sartori 1992.

4 Die von Adam Przeworski u. a. (1996) angeführte Alternation der Regierung halte ich nicht für ein zwin-gendes Demokratiemerkmal. Bleibt in freien und kompetitiven Wahlen – und sei es über Jahrzehnte – stets die gleiche Partei an der Macht, ist dies als Wille des Volkes demokratisch. Eine Aufnahme des Kriteriums würde zu der absurden Konsequenz führen, Japan wegen der ununterbrochenen Alleinregie-rung der „Liberal-demokratischen Partei“ bis 1993 nicht als demokratisch einzustufen.

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Tabelle 1Empirisch begründete Grundtypen von Parlamentarismus und Präsidentialismus

Empirisch begründeter Grundtyp des Parlamentarismus

Empirisch begründeter Grundtyp des Präsidentialismus

1. Das Parlament kann die Regierung(sspitze) abberufen.

1. Das Parlament kann die Regierung(sspitze) nicht abberufen.

2. Der Premierminister kann dem Parlament eine Vertrauensfrage stellen.

2. Der Präsident kann dem Parlament keine Ver-trauensfrage stellen.

3. Die Parlamentswahl und die Bestellung der Regierung sind miteinander verflochten.Das Volk wählt nur das Parlament (eingleisige Legitimationsschiene).

3. Die Parlamentswahl und die Bestellung der Regierung sind strikt voneinander getrennt. Das Volk wählt Präsident und Parlament (zweigleisige Legitimationsschiene).

4. Die Regierungsspitze kann das Parlament auflösen.

4. Der Präsident kann das Parlament nicht auflösen.

Eigene Zusammenstellung. Für eine nähere Begründung siehe Kailitz 2007.

Bei dieser Typenbildung wurden sowohl die empirischen Korrelationen von Merkmalen berücksichtigt als auch die zentralen theoretischen Sinnzusammenhänge zwischen den Merkmalen, die das Verhältnis von Regierung und Parlament bestimmt (so die etwa von Bailey 1994 vorgetragenen Anforderungen an eine Typologie). Die frühen Unterscheidungen zwischen Parlamentarismus und Präsidentialismus waren dagegen in aller Regel empirische Merkmalskataloge der Regierungsformen (z. B. die elf erstmals 1959 von Verney genannten Unterscheidungsmerkmale [siehe Verney 1992]), bei denen nicht systematisch von dem theoretischen Sinnzusammenhang (Verhältnis von Regierung und Parlament) ausgegangen wurde. In beispielhafter Klarheit benannte in Abgrenzung zu solchen langen Merkmalslisten Winfried Steffani (1979: 39) ein Kernkriterium zur Unterscheidung von Parlamentarismus und Präsidentialismus: „Ist die Regierung vom Parlament absetzbar, so haben wir es mit der Grundform ‚parlamentarisches Regierungssystem‘ zu tun, ist eine derartige Abberufbarkeit verfassungsrechtlich nicht möglich, mit der Grundform ‚präsidentielles Regierungssystem‘“. Für die empirische Analyse ist eine Orientierung am Kernkriterium der Abberufbarkeit der Regierung bestens geeignet, weil alle Staaten klar zugeordnet werden können. Bei der Bil-dung der Grundtypen müssen aber auch die empirischen und theoretischen Zusammenhänge mit den drei anderen Merkmalen berücksichtigt werden. In der Realität von parlamenta-rischen Demokratien gehören etwa die Merkmale der Abberufung der Regierung und der Parlamentsauflösung zusammen wie Hand und Handschuh.5

5 Die Formulierung stammt von Karl Loewenstein 1959: 217. Vgl. sehr viel ausführlicher zum Wechsel-spiel der Merkmale Kailitz 2004.

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Die Frage ist zudem, ob die dargelegte Unterscheidung in präsidentielle und parlamenta-rische Regierungsform hinreichend ist. Der französische Politikwissenschaftler Maurice Duverger (1986) verneinte dies und wollte politische Systeme wie jenes Frankreichs, das sich sowohl vom Parlamentarismus britischen Typs als auch vom Präsidentialismus des US-Typs unterscheidet, als Vertreter der eigenständigen Regierungsform Semipräsidentialismus verstanden wissen. Steffani wehrte sich gegen die Etablierung der Begriffe „semipräsidentiell“ wie „parlamentarisch-präsidentiell“ (u. a. Steffani 1997). Gerade aus einer Fixierung auf das Schlüsselkriterium der Abberufbarkeit der Regierung durch das Parlament lässt sich aller-dings die Notwendigkeit einer eigenen Kategorie für politische Systeme vom Typ Frank-reichs ableiten. In einem parlamentarischen System ist die Regierung von der politischen Mehrheit im Parlament abhängig, in einem präsidentiellen System nicht. Das Charakteristische eines semipräsidentiellen Systems, das treffender als System mit dualer Exekutive beschrie-ben werden kann, ist die Verteilung der Regierungsmacht auf zwei Ämter, Präsident und Premierminister. In einem System mit dualer Exekutive ist demnach im Unterschied zur parlamentarischen Demokratie nur ein Teil der Regierung, nämlich der Premierminister, vom Parlament absetzbar, der andere Teil, der Präsident, nicht (so u. a. auch Sartori 1997: 122). Der empirisch begründete Grundtyp eines Systems mit dualer Exekutive würde nun im Unterschied zu den Grundtypen von Parlamentarismus und Präsidentialismus folgender-maßen aussehen:

Tabelle 2Empirisch begründeter Grundtyp einer dualen Exekutive

Verhältnis Parlament und Regierung Verhältnis Parlament und Präsident

1. Das Parlament kann die Regierung abberufen.

1. Das Parlament kann den Präsidenten nicht abberufen.

2. Der Premierminister kann dem Parlament eine Vertrauensfrage stellen.

2. Der Präsident kann dem Parlament keine Vertrauensfrage stellen.

3. Parlamentswahl und Bestellung der Regierung sind miteinander verflochten. Die Regierung ist in gewisser Weise der „Hauptausschuss“ des Parlaments, der auf der Grundlage der Kräfteverhältnisse im Parlament zusammengesetzt wird.

3. Parlamentswahl und Bestellung der Regierung sind strikt voneinander getrennt. Der Präsident wird völlig unabhängig von den Kräfteverhältnissen im Parlament bestellt. Wie in der präsidentiellen Regierungsform gibt es eine duale Legitimationsschiene.

4. Die Regierungsspitze kann das Parlament auflösen.

4. Der Präsident kann das Parlament nicht auflösen.

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Aufgrund meiner Überlegungen, die hier wegen der thematischen Ausrichtung des Beitrags nicht in aller Ausführlichkeit vorgestellt werden können, wurden bei der empiri-schen Betrachtung die demokratischen Staaten fünf Regierungsformen zugeordnet: parla-mentarisch, quasi-parlamentarisch, duale Exekutive, quasi-präsidentiell und präsidentiell. Die Regierungsformen wurden dabei entlang zweier Achsen getrennt. Auf der ersten Achse unterscheide ich nach dem Verhältnis von Regierung und Parlament zwischen Parlamenta-rismus und Präsidentialismus. Die beiden Hauptunterscheidungsmerkmale sind dabei:

1. In parlamentarischen Demokratien gibt es nur eine parlamentarische Legitimations-schiene.

2. Die Regierung lässt sich als Hauptausschuss des Parlaments interpretieren, den die Vollversammlung der Abgeordneten jederzeit abberufen kann.6

In präsidentiellen Demokratien gibt es dagegen erstens getrennte Legitimationsschienen von Parlament und Regierung und zweitens ist die Regierung nicht durch das Parlament abberufbar.

Auf der zweiten Achse7 ordne ich die Regierungsformen nach der Verteilung der Regie-rungsmacht. Ich unterscheide dabei zwischen den unipolaren Exekutivtypen Parlamentaris-mus und Präsidentialismus einerseits, dem bipolaren Exekutivtyp andererseits. Auf dieser Achse ist je nach der Verteilung der Regierungsmacht zwischen tatsächlichen bipolaren Exekutiven und solchen zu unterscheiden, in denen ein Pol klar dominiert. In quasi-parla-mentarischen Systemen wie Österreich konzentriert sich die politische Macht beim Premier-minister, der Staatspräsident hat faktisch (fast) nur repräsentative Aufgaben. In quasi-präsi-dentiellen Systemen wie Russland oder Peru konzentriert sich die politische Macht dagegen im Präsidentenamt. In Systemen mit dualer Exekutive sind die Regierungsbefugnisse tatsäch-lich auf die Ämter des Präsidenten und des Premierministers aufgeteilt. Der Präsident ist dabei zugleich Staatsoberhaupt. Die Machtbalance hängt in den Staaten dieses Typs von den parlamentarischen Mehrheitsverhältnissen ab. Solange Präsident und Premierminister der gleichen Partei oder zumindest dem gleichen politischen Lager angehören, gibt es ein Machtgefälle zugunsten des Präsidenten. Gehören der Premierminister und der Präsident unterschiedlichen Parteien an, verschiebt sich die Machtbalance deutlich in Richtung des von der Parlamentsmehrheit abhängigen Premierministers.

Warum erscheint diese Modifikation der Typologie der Regierungsformen gegenüber der geläufigeren Dreiteilung in Parlamentarismus, Semipräsidentialismus und Präsidentialismus notwendig? Die quasi-parlamentarischen Demokratien wie Island und Irland gleichen den parlamentarischen Demokratien, die quasi-präsidentiellen Demokratien wie Peru und Russland dagegen den präsidentiellen Demokratien. Die Modifikation der Klassifizierung

6 Bei der empirischen Betrachtung wurden also Abweichungen vom empirisch begründeten Grundtypus bei zwei der vier Kriterien zugelassen. So gibt es etwa in Lettland nicht das Instrument der Vertrauensfrage und das Land wurde dennoch den parlamentarischen Demokratien zugeordnet.

7 Die Vorstellung einer zweiten Achse zur Unterscheidung der Regierungsformen ist dabei wichtig. Bereits Matthew Shugart und John Carey (1992: 23) haben zu Recht darauf hingewiesen, Duvergers Begriffsbil-dung „Semipräsidentialismus“ suggeriere unzutreffenderweise, dass diese Regierungsform auf einem Kontinuum zwischen Parlamentarismus und Präsidentialismus angesiedelt ist. Auf der Grundlage dieses falschen Verständnisses erscheint diese Regierungsform dann häufig auch als Mischform.

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der Regierungsformen wurzelt also in der Erkenntnis, dass der Typ des Semipräsidentialismus zu grob ist.8

Die in Russland, Frankreich und Österreich praktizierten Regierungsformen sind derart unterschiedlich, dass sie nicht als Angehörige der gleichen Regierungsformenkategorie behandelt werden sollten.9 Meine Klassifikation ähnelt stark der vierstufigen Klassifizierung von Mathew Shugart und John Carey (1992).10 Auch wenn die Bildung der beiden Kategorien-achsen sich etwas unterscheidet, ist die Kategorie des Systems der dualen Exekutive doch weitgehend deckungsgleich mit der Definition der Kategorie des Premier-Präsidentialismus, und der Quasi-Präsidentialismus entspricht fast vollständig der Kategorie der präsidentiell-parlamentarischen Systeme. Der blinde Fleck sind bei Shugart und Carey die Fälle des Quasi-Parlamentarismus wie Österreich, Island und Irland. Sie werden schlicht keiner der vier Regierungsformen zugeordnet. In seiner jüngsten Publikation zum Thema schließt Shugart (2005) ein Regierungssystem wie jenes von Österreich sogar ausdrücklich aus der Analyse aus. Dies erscheint aber problematisch.11 Eine Typologie muss vollständig sein und alle Regierungsformen lückenlos erfassen. Daher erscheint eine gesonderte Kategorie für die bipolaren Systeme mit sehr schwachem Präsidenten notwendig. Weiterhin ist bei der Be-nennung meiner Kategorien die Modifikation der Terminologie kein Selbstzweck. Der Zusatz „Quasi-“ vor Parlamentarismus und Präsidentialismus soll darauf hinweisen, dass bei einer sehr starken einseitigen Dominanz eines Pols das Regierungssystem faktisch dem jeweiligen unipolaren Regierungssystem nahekommt.

Im Verlauf der Auswertungen wird dabei in dieser Studie auch mit einem Präsidentialis-mus/Nicht-Präsidentialismus-Dummy gearbeitet, der die parlamentarischen und quasi-parla-mentarischen Demokratien wie die Staaten mit dualer Exekutive zusammenfasst und sie den präsidentiellen und quasi-präsidentiellen Demokratien gegenüberstellt. Die Rechtfertigung für diese einfache Gegenüberstellung der Systeme lässt sich dabei aus den Überlegungen von Steffani (1979) ableiten. Der Untersuchungszeitraum der Studie umfasst im Kern die Jahre 1945 bis 2007, vom Beginn der „zweiten Welle“ der Demokratisierung bis zur Gegen-wart (Huntington 1993: 16).

3. Theoretische Erwartungen

Die theoretischen Fundamente von Präsidentialismus und Parlamentarismus lassen erwarten, dass sich die Bedeutung der Parteien in parlamentarischen und präsidentiellen Demokratien und damit auch die Einheitlichkeit des Abstimmungsverhaltens der Parlamentsparteien in den Regierungsformen grundsätzlich unterscheiden. Das von den „Federalists“ (Hamilton/Madison/Jay 1787) errichtete Gedankengebäude des Präsidentialismus ist gegen starke

8 Dies ergab sich im Rahmen der Arbeit an meiner Habilitationsschrift: vgl. Kailitz 2004.9 Dies spiegelt sich auch in den Arbeiten von Robert Elgie wieder, der aber am Oberbegriff des Semipräsi-

dentialismus festhält: Elgie/McMenamin 2006. 10 Die zwei Achsen bei Shugart und Carey (1992) sind: 1. Verhältnis von Regierung und Parlament; 2.

Autorität von Präsident und Parlament im Verhältnis zur Regierung.11 Dieses Problem hat Shugart (2005) zwar inzwischen erkannt, aber noch keine klare Konsequenz daraus

gezogen. Im vorliegenden Aufsatz wurden Fälle wie Österreich schlicht aus der Betrachtung ausgeschlossen.

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Parteien gerichtet.12 Die Logik der präsidentiellen Regierungsform steht in der Tradition der Gewaltenteilungslehre.13 Der reine Präsidentialismus ist auf eine separation of powers hin angelegt. Nach der Logik dieser Regierungsform soll die Regierung für die Ausführung und das Parlament für die Verabschiedung der Gesetze zuständig sein.

Die institutionelle Logik des Parlamentarismus erscheint dagegen als das evolutionäre Ergebnis des Wirkens einer Logik der Parteiendemokratie.14 Darunter ist zu verstehen, dass das politische Leben von einem Wettbewerb verschiedener Parteien und vor allem von einem Dualismus von Regierungs- und Oppositionsparteien geprägt ist. Die parlamentarische Regierungsform richtet sich an dieser Logik aus und setzt auf eine gemeinsame Staatsführung von Regierung und Parlamentsmehrheit. Als Scharnier zwischen Regierung und Parlaments-mehrheit sind dabei Parteien unabdingbar.15 Während für die „Federalists“ die größte poten-zielle Gefahr für die Balance der Gewalten vom Parlament ausging, droht aus der Perspektive der Logik des Parlamentarismus die Gefahr von der Regierung – und zwar dann, wenn sie nicht mehr den Interessen der sie stützenden Parteien folgt. Um Alleingänge der Regierung zu verhindern, hat die Parlamentsmehrheit jederzeit die Möglichkeit, sie durch ein Misstrauensvotum aus dem Sattel zu heben. Der Idealtyp des Präsidentialismus ist ein System der wechselseitigen Unabhängigkeit von Regierung und Parlament, der Idealtyp des Parlamentarismus dagegen ein System der wechselseitigen Abhängigkeit von Parlament und Regierung. Die parlamentarische Regierungsform ist auf ein Spiel zwischen den „Mann-schaften“ Regierung und Opposition angelegt. Dabei versuchen in erster Linie die Mann-schaften zu punkten. Die Anlage der präsidentiellen Regierungsform soll dagegen eine Mannschaftsbildung über die Institutionengrenzen hinweg verhindern. Eine institutionelle Teilung der Macht von Exekutive und Legislative ist idealtypisch nur möglich, wenn die Angehörigen von Regierung und Parlament nicht einer gemeinsamen Parteilinie folgen.

Bis hierhin spricht alles dafür, davon auszugehen, dass alle drei skizzierten Hypothesen sich bestätigen. Es gibt nun allerdings zwei Entwicklungen der modernen Demokratie, die mit dem Grundtyp des „separation of powers“-Präsidentialismus im Kern unvereinbar sind und dazu führen dürften, dass auch in präsidentiellen Demokratien die Parteien und damit auch die Fraktionsgeschlossenheit in Parlamenten an Bedeutung gewonnen haben: Zum ersten ist in den modernen Demokratien die Gesetzgebung durchweg von der Regierung dominiert. „Regieren“ bedeutet vor allem, allgemein verbindliche Entscheidungen für die politische Gemeinschaft zu treffen und dafür zu sorgen, dass diese auch umgesetzt werden. Eine Regie-rung, die nicht die Gesetzgebung, also die allgemein verbindlichen Entscheidungen prägt, regiert nur teilweise. Es erscheint letztlich kaum möglich, einen Staat kohärent zu führen, ohne die Gesetzgebung und die Gesetzesausführung miteinander zu verschränken.

Unter der Bedingung aber, dass auch in präsidentiellen Demokratien die Regierung (ge-meinsam mit der Führung der sie stützenden Parteien) Agendasetzungsmacht (zumindest

12 Siehe dazu u. a. Art. 10 der „Federalists“. 13 Vgl. zu dem Gedankengerüst der präsidentiellen Regierungsform Caroll/Shugart 2005.14 Vgl. zur Entstehung der Logik der Parteiendemokratie im England der 1860er-Jahre: Cox 1987. 15 Bereits 1867 hatte Walter Bagehot (1971) in seinem Werk „Die englische Verfassung“ mit guten Gründen

die Gewaltenteilung für die politische Praxis Großbritanniens als belanglose Idee abgetan. Die parlamenta-rische Regierungsform verschmelze nämlich die exekutive und legislative Gewalt nahezu völlig.

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teilweise) übernimmt, erscheint auch in ihnen ein einheitliches Stimmverhalten der Parla-mentsparteien notwendig. Je weniger einheitlich das Abstimmungsverhalten von Parlaments-parteien ist, desto umständlichere Verhandlungen sind nämlich für die Regierungsspitze notwendig, um eine parlamentarische Mehrheit für ihre Gesetzgebungsprojekte zu erreichen. Stimmen Fraktionen nicht einheitlich ab, muss die Regierung nicht nur mit einer kleinen Zahl von Fraktionsführern verhandeln, die für eine einheitliche Stimmabgabe ihrer Fraktions-mitglieder garantieren können, sondern mit jedem einzelnen Parlamentarier.

Ein Hauptfaktor, der in Richtung einer Fraktionsgeschlossenheit wirken dürfte, ist, dass auch in präsidentiellen Demokratien – entgegen der Annahmen von Tsebelis (1995) etc. – die Gesetzgebung zu einem bedeutenden Teil nicht mehr vom Parlament, sondern von der Regierung ausgeht. Die Regierung wirkt daher mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln darauf hin, dass die Anhänger der eigenen Partei im Parlament so verlässlich wie möglich für Gesetzgebungsprojekte der Regierung stimmen. Wenn dies erfolgreich sein sollte, begünstigt eine relativ einheitliche Stimmabgabe der Regierungsparteien eine ähnlich einheitliche Stimmabgabe bei den Nicht-Regierungsparteien. Ansonsten sind die Parteien, die nicht mitregieren, im politischen Wettbewerb gegenüber den homogen abstimmenden Regie-rungsparteien hoffnungslos unterlegen.

Zum zweiten sind moderne Demokratien ohne homogene Parteien kaum vorstellbar, die die Interessen der Bürger im Vergleich zu ungebundenen Personen zum einen weit effektiver und zum anderen auf eine demokratisch legitimere Weise (Stichwort innerparteiliche Demo-kratie) bündeln können (u. a. Huntington 1968: 91, 399; Lipset 2005).16 Eine Wurzel der Parteipolitisierung der Demokratien – auch derer mit präsidentieller Regierungsform – dürfte schlicht die Komplexität und Vielfalt der parlamentarischen Entscheidungsmaterien sein. Weil die Parlamentarier nicht über ein tieferes Wissen bei allen Entscheidungsmaterien ver-fügen können, ist eine Arbeitsteilung und Spezialisierung der Parlamentarier unvermeidlich. Wenn politische Entscheidungen zu treffen sind, bei denen ein Parlamentarier nur über geringe eigene Kenntnisse verfügt, ist es rational, wenn er sich auf den Rat von Parlamentariern mit Expertenwissen verlässt, die mit seiner eigenen politischen Grundlinie übereinstimmen. Wenn die Beziehungen gleichgesinnter Parlamentarier in Fraktionen formalisiert werden, kann der Parlamentarier dann erwarten, dass sein Expertenwissen bei Entscheidungen zugleich ein größeres Gewicht durch die Gefolgschaft der Fraktion erlangt.17 Das Spiel der Fraktions-mitglieder ist also geprägt von einem stetigen Prozess des wechselseitigen Gebens und Nehmens (dazu u. a. Cowley 2002: 180; Saalfeld 2005: 60). Weiterhin regt das Interesse am Erfolg im demokratischen Wettbewerb selbst dazu an, dass sich ein „Mannschaftsgeist“ herausbildet. Wer in diesem Wettbewerb punkten will, muss gegenüber anderen Mannschaften

16 Einen Überblick zur Diskussion über die Rolle der Parteien in den modernen Demokratien bietet Stokes 1999.

17 Diese Annahmen lassen sich am Beispiel des Deutschen Bundestags unterstreichen: Im Bundestag von 1994 war ein Drittel der Abgeordneten Vorsitzende von Arbeitsgruppen oder Arbeitskreisen ihrer Fraktion, deutlich über die Hälfte waren Sprecher ihrer Fraktion für einen bestimmten Politikbereich (Patzelt 1996).

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geschlossen auftreten.18 Aufgrund meiner theoretischen Vorannahmen nehme ich an, dass sich die Hypothese, in präsidentiellen Demokratien sei keine oder kaum Fraktionsgeschlossen-heit vorzufinden, nicht bestätigt.

Kann es aber in präsidentiellen Demokratien gelingen, ein ähnlich hohes Maß an Ab-stimmungsdisziplin zu erzeugen wie in parlamentarischen Demokratien, obgleich Instru-mente wie Misstrauensvotum, Vertrauensfrage und Parlamentsauflösung fehlen? In einem ersten Schritt ist nun zu fragen, welche Faktoren in den gegenwärtigen Demokratien über-haupt dazu beitragen können, eine hohe Fraktionsgeschlossenheit auszubilden. Giovanni Sartori (1997: 191) unterscheidet vier Ursachen für Fraktionsgeschlossenheit: 1) erzwungene Geschlossenheit durch die Parteispitze; 2) Geschlossenheit aufgrund des programmatischen Zusammenhalts der Partei; 3) rationale Geschlossenheit aufgrund des Interesses, dass die eigene Partei an der Regierung bleibt; 4) von außen erzwungene Fraktionsgeschlossenheit durch stetige einheitliche Stimmabgabe anderer Parteien. Diese Kriterien sind allerdings nicht trennscharf und im politischen Alltag vermengen sie sich stets. Für die folgende Argu-mentation genügt diese grobe Kategorisierung dennoch.

Wenn wir mit Blick auf den ersten Faktor nicht von „erzwingen“, sondern von begünstigen sprechen, lässt sich sagen, dass die institutionellen Eigenheiten der empirisch begründeten Grundtypen von Parlamentarismus und Präsidentialismus eine direkte starke Wirkung auf die Fraktionsgeschlossenheit erwarten lassen (siehe Tabelle 1).

Mit Blick auf die zu erwartenden Unterschiede hinsichtlich der Fraktionsgeschlossenheit in den Regierungsformen fällt auf, dass der Grund, die eigene Partei an der Regierung halten zu wollen, in präsidentiellen und quasi-präsidentiellen Demokratien keine Bedeutung haben kann, da das Überleben der Regierung nicht von der Parlamentsmehrheit abhängt. Als wichtigster Anreiz, eine starke Fraktionsgeschlossenheit in parlamentarischen (und quasi-parlamentarischen) Demokratien auszubilden, erscheint aber, dass Premierminister in parla-mentarischen Demokratien durch eine Parlamentsmehrheit abberufbar sind. Dieser Faktor müsste auch in Ländern mit dualer Exekutive ins Gewicht fallen. Kann sich die Regierung in einer parlamentarischen Demokratie nicht auf die Gefolgschaft der sie im Parlament stützen-den Parteien verlassen, dann ist ihr wahrscheinlich kein langes Leben beschieden (dazu u. a. Friesenhahn 1967: 178). Der Ausgangspunkt dieser Überlegung ist, dass erstens die Regie-rungsbeteiligung den Parlamentariern persönliche Karrierechance eröffnet (office seeking) und sie zweitens auch danach streben, ihre politischen Präferenzen mittels einer Regierungs-beteiligung (zumindest teilweise) durchzusetzen (policy seeking). Beim Vergleich wird deutlich, dass der Grundtypus des Parlamentarismus mit den Mitteln der Vertrauensfrage und der Parlamentsauflösung auch „Zwangsmittel“ zur Verfügung stellt, die dem Grundtypus des Präsidentialismus fremd sind. Für Daniel Diermeier und Timothy Feddersen (1998) ist das Recht des Regierungschefs, den Parlamentariern eine (mit einer Sachfrage verknüpfte) Ver-trauensfrage zu stellen, gar der entscheidende Faktor, der zu einer höheren Fraktionsge-schlossenheit in parlamentarischen Demokratien führt. Aus der Rational-Choice-Perspektive,

18 Dazu – allerdings ausdrücklich nur auf parlamentarische Demokratien bezogen – Patzelt 1998: 324. Siehe auch Lebo/McGlynn/Koger 2007: Die Autoren weisen nach, dass historisch die Wahlchancen der Demo-kraten in den USA bei steigender Geschlossenheit des Abstimmungsverhaltens wuchsen.

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Fraktionsgeschlossenheit

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die von Parlamentariern ausgeht, deren Hauptanliegen es ist, ihr Mandat zu wahren, erscheint auch das Recht auf Parlamentsauflösung von großer Bedeutung.

In Rechnung zu stellen ist allerdings, dass auch in einer präsidentiellen Demokratie die Parteispitze mit der Kontrolle über Zugangschancen zu Amt und Mandat Zwangsmittel in der Hand haben kann, um die Parlamentarier ihrer Partei zu disziplinieren. Wenn die Kandi-daten dagegen Möglichkeiten haben, ohne die Einwilligung der Parteispitze ins Parlament einzuziehen, ist die Wirkung von Zwangsmitteln sehr begrenzt (in dieser Studie wird diese Bedingung „innerparteilicher Wettbewerb“ genannt).

Die bisherige Rational-Choice-Perspektive (siehe z. B. Diermeier/Feddersen 1998) ist zu einseitig, wenn sie ausschließlich von den Zwangsmitteln (Parlamentsauflösung, Vertrauens-frage) ausgeht, die Parlamentarier dazu bringen können, auch gegen die eigene Präferenz für eine Parteiposition zu stimmen. Einen größeren Einfluss dürfte es haben, dass die Regierung in der parlamentarischen Demokratie aus der Parlamentsmehrheit hervorgeht und mit dieser eine untrennbare Schicksalsgemeinschaft bildet (Verflechtung der Bestellung von Parlament und Regierung). Durch ein Misstrauensvotum kann die Parlamentsmehrheit dabei jederzeit das Band kappen. Die Parlamentarier sind damit eben kein „Stimmvieh“, das von der Regie-rung zu bestimmten Entscheidungen getrieben wird. Vielmehr bestimmen die Fraktionsmit-glieder jeweils den Kurs ihrer Partei – auch auf Regierungsebene – in spezifischen Feldern mit. Die Regierung ist also keineswegs frei, Anträge unabhängig von der politischen Position ihrer Parlamentarier einzubringen, wenn sie ihre Anträge durchbringen möchte.

Als sehr bedeutsam für die Ausprägung einer höheren Fraktionsgeschlossenheit in parla-mentarischen und quasi-parlamentarischen Demokratien können also die folgenden vier Faktoren gelten: 1. Misstrauensvotum; 2. Verflochtenheit von Parlamentswahl und Bestellung der Regierung; 3. Vertrauensfrage und 4. Parlamentsauflösung. Es ist nun äußerst müßig, darüber zu streiten, ob eine höhere Fraktionsgeschlossenheit in parlamentarischen Demo-kratien stärker auf das Misstrauensvotum oder die Vertrauensfrage zurückzuführen ist. Gerade diese beiden Instrumente sind in parlamentarischen und quasi-parlamentarischen Demo-kratien nämlich ausgesprochen eng miteinander verknüpft und sie treten – mit Ausnahme Lettlands – stets zusammen auf (Kailitz 2004). Theoretisch gehören die Instrumente des Misstrauensvotums und der Parlamentsauflösung kaum weniger eng zusammen. Da die Ele-mente der empirisch und theoretisch begründeten Merkmale des Grundtyps des Parlamenta-rismus (siehe Tabelle 1) wie Misstrauensvotum und Parlamentsauflösung stark miteinander korrelieren (siehe Kailitz 2004), sind die Voraussetzungen für eine gleichzeitige Aufnahme der Faktoren in eine Regressionsanalyse nicht erfüllt und es lässt sich daher nicht empirisch prüfen, ob der eine oder andere Faktor stärker wirkt.

4. Datengrundlage der Untersuchung Für die folgende Untersuchung habe ich mittels einer Mischung aus Meta-Analyse19 und Sekundäranalyse zwei Datensammlungen erstellt. Bei Meta-Analysen werden die Ergebnisse

19 Siehe zu der Methodik Cook 1992. Die hier angewandte Form der Meta-Analyse zur Datenerhebung weicht dabei von der in der Forschung vorrangig genutzten Variante der Metaanalyse ab, die Ergebnisse vorliegender Studien zueinander in Beziehung setzt.

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vorliegender Studien systematisch zusammengefasst und ausgewertet, bei einer Sekundär-analyse wird vorliegendes Datenmaterial erneut ausgewertet. Bei dem Vorgehen geht es also um die Kumulation des in den vorliegenden Studien enthaltenen Wissens für vergleichende Zwecke. In der ersten Datensammlung habe ich Messungen der Geschlossenheit des Ab-stimmungsverhaltens von Parteien mittels des Rice-Indexes zu 433 Länderjahren aus 31 Ländern zusammengefasst. Es handelt sich damit um die bislang umfangreichste Zusammen-stellung empirischer Daten zur Fraktionsgeschlossenheit.20 In dieser Studie wurden dabei entsprechend des Erkenntnisinteresses der Studie Länder je Jahr und nicht Parlamentsfrak-tionen als Fälle behandelt.

Der Grad der Geschlossenheit des Abstimmungsverhaltens von Parteien ergibt sich beim Rice-Index aus der Differenz der Ja- und Neinstimmen einer Fraktion (Rice 1925). Ein Bei-spiel: Ein Wert von 60 % ergibt sich, wenn eine Mehrheit der Fraktion von 80 % für eine Gesetzesvorlage stimmt, aber eine bedeutsame Minderheit von 20 % dagegen. Die Fraktions-geschlossenheit erreicht den Wert 0, wenn genauso viele Fraktionsmitglieder mit Ja wie mit Nein stimmen.

Bei der Berechnung des Rice-Indikators ergeben sich eine Reihe von methodischen Problemen.21 Für die Auswertung sind nur namentliche Abstimmungen geeignet, weil einfache Abstimmungen keine Rückschlüsse auf den Grad der Übereinstimmung des Abstimmungs-verhaltens der Fraktionsmitglieder zulassen. Der Anteil der namentlichen Abstimmungen an allen Voten variiert unter den Demokratien allerdings beträchtlich. Weiterhin ist die Verläss-lichkeit der Daten sehr unterschiedlich.22 Eine Sichtung der Daten ergab, dass die methodi-schen Probleme zu keiner erkennbaren systematischen Verzerrung der Ergebnisse führen.

Eine weitere bedeutende methodische Schwierigkeit besteht in folgendem Punkt: Um Gesetze zu verabschieden, reichen in manchen Parlamenten die Stimmen einer Mehrheit der anwesenden Abgeordneten aus, in anderen Parlamenten (Nicaragua, Russland, Ukraine) ist die Mehrheit aller Abgeordneten notwendig. Einige Forscher wie John Carey (2007: 96) und Frank Thames (2007) werten, wenn eine Mehrheit aller Parlamentarier für ein Gesetz not-wendig ist, nicht abgegebene Stimmen als Stimmen gegen die eigene Partei. Obgleich die Argumentation durchaus nachvollziehbar ist, erscheint es problematisch, allein aufgrund der unterschiedlichen Mehrheitsanforderungen zur Gesetzesverabschiedung nicht abgegebene Stimmen im Staat A zu ignorieren, im Staat B aber als Neinstimme zu werten. Umgekehrt ist es aber kaum weniger heikel, wie Paul Chaisty (2005) im Falle Russlands schlicht die Ab-stimmungskohäsion für die anwesenden Abgeordneten zu berechnen und damit die Wirkung der Nichtteilnahme an der Abstimmung zu ignorieren.

20 Einen bedeutenden Grundstock bildete dabei eine Zusammenstellung der Daten zu 19 Staaten von John Carey (2007). Ihm kommt nicht zuletzt das Verdienst zu, alle Daten seines Projekts online zugänglich gemacht zu haben: http://www.dartmouth.edu/~jcarey/lvdatatable.htm (Stand: 10.01.08).

21 Vgl. zu den Problemen des Indikators u. a. Desposato 2005 und Greenstein/Jackson 1963. 22 Bei der Kalkulation des Rice-Indexes für Uruguay von 1985 bis 1995 und Ecuador 1998 bis 2003 basie-

ren die Werte für die Länderjahre etwa lediglich auf vier bzw. sechs Abstimmungen pro Jahr (Carey 2007), während der Kalkulation bei den dänischen Länderjahren von 1996 bis 1999 5625 Abstimmungen zugrunde lagen (Skjaevland 2001).

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Fraktionsgeschlossenheit

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Tabelle 3Werte für die mit dem Rice-Index gemessene Fraktionsgeschlossenheit in demokratischen Länderjahren

Land Voten Zeit Rice Quelle Land Voten Zeit Rice Quelle Parlamentarische Demokratien

Australien 457 96-98 99 Carey 2007 Kanada 735 94-97

87 Carey 2007

Dänemark 33751 90-96 93 Skjaeveland 1999, 2001

Neuseeland 777 90-94

96 Carey 2007

Deutschland 1142 49-90 95a Saalfeld 1995 Norwegen 11339 79-94

97 a Rasch 1999

Frankreich 45-59

889 46-58 88a MacRae 1967: 55-57

Schweden n.b. 94-95

97 Jensen 2000

Groß-britannien

n.b. 92-2001

97 Sieberer 2006 Tschechien A

9808 93-98

87 Carey 2007

Israel 2567 49-2002

93 Rahat 2007 Tschechien B

14000 98-2002

81 Noury/Mielcova 2005

Italien 630 96-2001

97 Landi/Pelizzo 2005

Quasi-parlamentarische DemokratienIsland n.b. 95-96 97 Jensen 2000 Österreich 76 94-

9799 Müller u.

a. 2001Duale Exekutive

Finnland A n.b. 45-66 87 Pesonen 1972 Frankreich 59-73

951 58-73

89 Wilson/Wiste 1976

Finnland B n.b. 95-96 88 Jensen 2000 Frankreich 73-2002

1062 73-2002

94 Messer-schmidt 2005

Finnland C 116 96-99 93 Karvonen 2004: 219

Polen 3045 97-99

93 Zielinski 2001; Kistner 2006

Litauen 159 90-2000

95 Lukošaitis 2004

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Quasi-präsidentielle DemokratienPeru 1124 00/01 79 Carey 2007 Russland n.b. 94-

200375 Chaisty

2005; Thames 2007

23

Ukraine n.b. 89-2003

80 Thames 200724

Präsidentielle DemokratienArgentinien 217 84-97 83 Jones 2002;

Carey 2007Mexiko A n.b 97-

200096 Knight

200725

Brasilien A 1328 46-64 5726 Amorim/Santos 1997

Mexiko B n.b. 2000-2003

82 Knight 2007

Brasilien B 675 89-98 75 Figueiredo/Limongi 2000

Nicaragua 693 2000 6627 Carey 2007

Chile 737 97-00 81 Carey 2007 Philippinen 147 95-97 66 Carey 2007

Costa Rica 17 67-00 81 Carey 200228 Uruguay 63 85-94 79 Morgen-stern 2004, Carey 2007

Ecuador 22 98-2002

92 Carey 2007 USA A n.b. 65-85 52 Morgen-stern 2004

Guatemala 59 94-00 84 Carey 2007 USA B n.b. 85-2001

69 Morgen-stern 2004

In der Spalte zum Rice-Index sind die Mittelwerte für die angegebenen Perioden angegeben. Zum Teil (z. B. im Falle Frankreichs) flossen in die folgenden Berechnungen die Mittelwerte der Fraktionsgeschlossenheit getrennt nach Legislaturperioden ein. Die Berechnung des Indexes durch Carey (2002, 2007) und Thames (2007) weicht leicht von der Berechnung in den anderen Studien ab. Dabei wird ein Votum bei der Berech-nung um so stärker gewichtet, je umstrittener es unter den Parteien war. Die Abweichungen der Berechnungs-ergebnisse sind allerdings sehr gering. Dies zeigt sich bei der Gegenüberstellung der herkömmlich berechneten Werte für Argentinien, Brasilien, Chile, Peru und Uruguay und der mit einer Gewichtung berechneten Werte (Carey 2000). Ein Vergleich der ungewichteten und gewichteten Rice-Werte erscheint daher möglich; a = Bei der Berechnung wurden die Werte für die abstimmenden Parteien addiert und durch die Zahl der Parteien dividiert. Es erfolgte also keine Gewichtung nach der Größe der Parteien. Siehe zu den verschiedenen Berech-nungsweisen des Rice-Indexes Fritzsche 2007.

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232425262728

Die Entscheidung in die eine oder andere Richtung hat grundlegende Konsequenzen für den Rice-Index. Dies gilt vor allem dann, wenn der Anteil der Abgeordneten, die den Ab-stimmungen fernblieben, sehr hoch ist.29 So weit in solchen Fällen beide Werte (1. Abwe-senheit = Wertung als Neinstimme; 2. Abwesenheit = Ausschluss aus der Kalkulation der Fraktionsgeschlossenheit) vorliegen, behelfe ich mir in dieser Studie mit einem methodi-schen Faustkeil und nutze den Mittelwert der beiden Berechnungsweisen für den Vergleich. Die Tabelle 3 gibt einen Überblick über die Daten der ersten Sammlung:

Für den Zweck der Kreuztabellierung habe ich die metrische Variable Fraktionsge-schlossenheit in eine kategoriale Variable umgewandelt. Bei der Kategorisierung der Ab-stimmungskohäsion wurde dabei mit folgenden Einteilungen gearbeitet: sehr hohe, eher hohe, eher geringe, sehr geringe und keine Fraktionsgeschlossenheit. Die Werte zum Rice-Index wurden dabei folgendermaßen umgewandelt:30

23 Der Wert wurde ermittelt, in dem der Mittelwert gebildet wurde, aus den Berechnungen bei einer Wertung von Abwesenheit als Neinstimmen (Thames 2007) und bei einer Ausklammerung der Abwesenden (Chai-sty 2005). Zum Vergleich wurden auch folgende Beiträge herangezogen: Carey 2007; Haspel/Remington/Steven 1998; Steinsdorff 2002.

24 Es handelt sich um einen künstlich erzeugten Wert auf der Basis der Berechnungen von Thames 2007, der Abwesenheit als Neinstimme gewertet hat. Die Differenz zwischen der Berechnung bei einer Wertung von Abwesenheit als Neinstimmen und bei einer Ausklammerung der Abwesenden wurde auf der Grund-lage des sehr ähnlichen Falls Russland geschätzt.

25 John Carey (2007) kam für die Periode 1998 bis 2000 auf der Grundlage der Auswertung von 299 Voten nur auf einen Wert von 84.

26 Amorim und Santos (1997) haben im Unterschied zu anderen Untersuchungen alle Voten als irrelevant ausgeschlossen, bei denen weniger als 10 % der Abgeordneten gegen einen Gesetzesvorschlag stimmten. Dies ist analytisch überzeugend. Es lässt sich aber darüber streiten, ob um die Vergleichbarkeit zu gewähr-leisten, nicht in vergleichenden Untersuchungen mit einem höheren Wert gerechnet werden müsste. Wenn die von den Autoren ausgeschlossenen 336 Voten in die Untersuchung eingeschlossen würden, bei denen es weniger als 10 % Gegenstimmen gab, würde sich der Wert für den Rice-Index deutlich erhöhen. Wenn für diese Voten ein Rice-Index von 95 angenommen wird, ergäbe sich ein Gesamtwert für den Rice-Index von 67.

27 Der Wert ist der Mittelwert des Rice-Indexes, wenn Abwesenheit a) als Neinstimmen gezählt wurde und b) aus der Kalkulation ausgeschlossen wurde.

28 Diesen Wert hat Carey – ohne Begründung – in seinen Veröffentlichungen nicht mehr berücksichtigt. Der Grund könnte die extrem dünne Grundlage von nur 17 Abstimmungen für einen Zeitraum von 23 Jahren sein. Der Wert erscheint aber realistisch und deckt sich mit Einschätzungen etwa von Coppedge (2001) zur Fraktionsgeschlossenheit in Costa Rica.

29 So rechnet John Carey (2007) bei seinen Kalkulationen zum Einfluss verschiedener Faktoren mit dem extrem niedrigen Wert für Nicaragua von 36. Nach seinen eigenen Angaben hätte aber der Wert für die Abstimmungskohäsion bei 96 gelegen, wenn er die Abwesenheit nicht als Neinstimme gewertet hätte (100).

30 Bei der Berechnung von Korrelationen wurde direkt mit den Werten des Rice-Indexes gearbeitet.

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Tabelle 4Kategorisierung der Fraktionsgeschlossenheit nach Werten für den Rice-Index

Rice-Index Grad der Fraktionsgeschlossenheit

100-91 Sehr hohe Fraktionsgeschlossenheit

90-81 Eher hohe Fraktionsgeschlossenheit

80-61 Eher geringe Fraktionsgeschlossenheit

60-41 Sehr geringe Fraktionsgeschlossenheit

unter 40 Keine Fraktionsgeschlossenheit

Die zweite für diese Studie erstellte Datensammlung umfasst 2802 Länderjahre aus 73 Ländern. Die Operationalisierung der Variable Geschlossenheit des Abstimmungsverhaltens erfolgte bei der Anlage des zweiten Datensatzes analog der Operationalisierung im ersten Datensatz. Der Orientierungsmaßstab ist auch hier der Rice-Index. Der Datensatz beruht dabei aber nicht nur auf gemessenen, sondern auch auf geschätzten Werten des Rice-Indexes. Da der endgültige Datensatz sogar zum Hauptteil auf Schätzwerten beruht, ist es ange-messener, das Skalenniveau lediglich auf der Ordinaldatenebene anzusiedeln. Dabei wird mit folgenden Kategorien gearbeitet: sehr hohe, eher hohe, eher geringe, sehr geringe und keine Fraktionsgeschlossenheit. Bei den Einschätzungen liegt dabei stets die Orientierung an der oben ausgeführten Einteilung der Werte des Rice-Indexes zugrunde.

Der zweite Datensatz wurde folgendermaßen konstruiert. Zunächst flossen alle gemessenen Werte zum Rice-Index in den Datensatz ein. In einem zweiten Schritt wurden Einschätzungen des Rice-Indexes zu zahlreichen Demokratien von Kenneth Janda (1980) und Michael Coppedge (2001) einbezogen. In einem dritten Schritt wurden auf der Grundlage einer Ex-trapolation der gemessenen Daten und einer Analyse von Einschätzungen der Parteiensystem-forschung zur Fraktionsgeschlossenheit in verschiedenen Ländern eigene Einschätzungen zu zahlreichen weiteren Länderjahren vorgenommen. Bei dieser Datensammlung wurden die Werte so ergänzt, dass sämtliche Länderjahre europäischer und nahezu aller amerikanischer Demokratien in die Untersuchung einflossen. Einbezogen habe ich – soweit ausreichend gesicherte Aussagen verfügbar waren – zudem eine Reihe von asiatischen und ozeanischen Demokratien. Sowohl die Validität als auch die Reliabilität des zweiten Datensatzes liegt wegen der Hinzunahme von Einschätzungen, die überwiegend auf unstandardisierten Ex-pertenaussagen über die Fraktionsgeschlossenheit in der Parteiensystemforschung basieren, unter jener des ersten Datensatzes. Die Konzentration auf den Einfluss des Faktors der Regierungsform in dieser Studie bedingt, dass generell die Unterschiede der Fraktions-geschlossenheit von Parteien in einem Land unberücksichtigt bleiben. Weiterhin ist diese

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Studie x-orientiert.31 Es geht primär um den Einfluss der Bedingung Regierungsform auf das Ergebnis Fraktionsgeschlossenheit. Die Studie strebt also nicht danach, das Ergebnis Frakti-onsgeschlossenheit restlos zu erklären. Um den Einfluss der Regierungsform zu bestimmen, werden aber die wichtigsten konkurrierenden Erklärungsfaktoren als Kontrollvariablen in die Analyse einbezogen.

Tabelle 5Kategorisierung der Fraktionsgeschlossenheit in den Regierungsformen (1945-2007) im zweiten Datensatz

Parlamentarische DemokratienSehr hoch Eher hoch Eher gering Sehr geringAustralien; Bahamas ab '77; Barbados ab '66; Belgien; Belize ab '81; Dänemark; Deutschland ab '49; Großbritannien; Indien ab '52; Israel ab '48; Italien; Jamaika ab '62; Japan ab '52; Luxemburg; Malta ab '64; Mauritius '68-'71, ab '76; Neuseeland; Niederlande; Norwegen; Schweden; Spanien ab '78; Trinidad & Tobago ab '62; Türkei '50-'60, '61-'71, '72-'80, ab '83

Estland ab '91; Kanada; Lettland ab '91; Tschechien ab '92; Ungarn ab '90

Nepal '91-2002, ab 2006; Papua-Neuguinea; Thailand ab '92-2006

Quasi-parlamentarische DemokratienSehr hoch Eher hoch Eher gering Sehr geringFinnland ab 2000; Griechenland ab '86; Irland; Österreich ab '46; Island; Litauen ab '91

Bulgarien ab '90; Mazedonien ab '91; Portugal ab '80; Slowakei ab '92; Slowenien ab '91

31 X-orientierte Untersuchungen zielen auf die Erklärung der Wirkung einer Bedingung (X), y-orientierte Untersuchungen wollen dagegen ergründen, welche Faktoren ein Ergebnis (Y) erklären können. Vgl. zu den unterschiedlichen Forschungsdesigns: Ganghof 2005.

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Duale ExekutiveSehr hoch Eher hoch Eher gering Sehr geringFinnland '96-2000; Polen ab '89 Finnland '45-'95;

Frankreich ab '59; Moldawien ab '91; Portugal '76-'80; Rumänien ab '90; Taiwan ab 2001; Ukraine ab 2006

Quasi-präsidentielle DemokratienSehr hoch Eher hoch Eher gering Sehr gering

Taiwan '92-2001; Russland ab 2001; Ukraine 2001-2006

Peru '80-'92; ab 2001; Russland '91-2000; Südkorea ab '88; Ukraine '91-2001

Präsidentielle DemokratienSehr hoch Eher hoch Eher gering Sehr geringMexiko '94-2000; Venezuela '45-'48; ab '58

Argentinien ab '83; Chile '55-'73, ab '90; Costa Rica ab '49; Ecuador ab '86a; El Salvador ab '84; Guatemala '66-'82, ab '86; Mexiko ab 2000; Zypern ab '74

Bolivien '79-'80; ab '82, Brasilien ab '85; Dom. Republik ab '78; Ecuador '46-'54; '58-'63; '66-'82; Honduras '57-'63, '71-'72, ab '81; Kolumbien '45-'53, ab '58; Nicaragua ab '90; Panama '49-'51, '52-'68, ab '94; Paraguay ab '93; Philippinen '46-'72; ab '87; Uruguay ab '85; USA ab '85

Brasilien '46-'64; USA '45-'85

Stützen für die Einordnungen waren 1. in allen Fällen, in denen diese vorlagen, die empirisch erhobenen Werte zum Rice-Index, 2. Einschätzungen des Rice-Indexes zu verschiedenen Staaten von Coppedge (2001) und Janda (1980) und 3. ansonsten am Rice-Index orientierte eigene Einschätzungen auf Grundlage einer Metaanalyse einschlägiger Literatur. Als Stützen des eigenen Urteils dienten vor allem: Ágh 1999; Boucek 2002; Borz 2006; Coppedge 2001; Cox/Masuyama/McCubbins 2000; Delury 1987; Depauw/Martin 2005; Dios 1999; Ferrara 2004; Heidar/Koole 2000; Helms 1999; Ismayr 1999; Ismayr 2002; Janda 1980; Kraatz/Steinsdorff 2002; Mainwaring/Scully 1995; Newell 2000; Rahaman 2006; Stjernquist/Bjurulf 1970. a = Ecuador wurde aufgrund der Aussagen der Parteiensystemforschung in die Kategorie „eher hoch“ einge-ordnet. Auf der sehr dünnen Grundlage von 22 Abstimmungen liegt der Rice-Index für 1998-2002 allerdings leicht über dem Grenzwert für eine sehr hohe Fraktionsgeschlossenheit.

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5. Test der Hypothesen

Zunächst geht es darum zu prüfen, ob 1. die parlamentarische Regierungsform eine hinrei-chende und notwendige Voraussetzung für eine hohe Fraktionsgeschlossenheit ist und 2. die präsidentielle Regierungsform eine hinreichende und notwendige Voraussetzung für keine oder kaum Fraktionsgeschlossenheit ist. Als keine oder kaum Fraktionsgeschlossenheit wird dabei ein Rice-Index von ≤ 60 gewertet. Bei dieser Untersuchung werden die parlamentari-schen und quasi-parlamentarischen Demokratien in eine Kategorie zusammengefasst.

Wenn wir den Blick auf unsere Kernfrage nach den Unterschieden zwischen Parlamen-tarismus und Präsidentialismus richten, zeigt sich Folgendes: Bei der Beschränkung auf die harten Daten zum Rice-Index bestätigt sich die Hypothese, dass die parlamentarische Regie-rungsform eine hinreichende Voraussetzung für eine hohe Fraktionsgeschlossenheit ist. In der weit umfangreicheren zweiten Datensammlung gibt es eine sehr kleine Minderheit von parlamentarischen Demokratien mit einer eher geringen Fraktionsgeschlossenheit (Nepal, Papua-Neuguinea, Thailand).

Wenn wir aber mit den (in der konfigurationellen Analyse wurzelnden) Maßen der Kohä-sion und Abdeckung von Charles Ragin (2006) zur Prüfung der Konsistenz hinreichender und notwendiger Bedingungen arbeiten, entspricht das Ergebnis des zweiten Datensatzes dem Ergebnis des ersten. Die Maße beruhen auf der Überlegung, dass eine Bedingung auch dann noch als quasi-notwendig oder quasi-hinreichend gelten kann, wenn nur sehr wenige Fälle einem deterministischen Zusammenhang nicht entsprechen.32

Die Prüfung wurde dabei für das Jahr 2007 vollzogen: Eine parlamentarische (oder quasi-parlamentarische) Regierungsform ist demnach mit einer Konsistenz von 0,96 eine hinrei-chende Bedingung für eine hohe Fraktionsgeschlossenheit. Das erscheint ausreichend, um die Bedingung getrost als hinreichend zu bewerten. Eine parlamentarische Regierungsform ist aber nicht notwendig (Konsistenz für notwendige Bedingung: 0,83) für eine hohe Fraktions-geschlossenheit. Es kann also auch ohne eine parlamentarische Regierungsform zu einer hohen Fraktionsgeschlossenheit kommen. Umgekehrt erfüllt eine präsidentielle Regierungs-form im ersten und zweiten Datensatz das Kriterium einer notwendigen Bedingung für eine sehr geringe Fraktionsgeschlossenheit. Immer wenn wir eine sehr geringe Fraktionsge-schlossenheit vorliegen hatten, handelte es sich demnach um einen Staat mit präsidentieller Regierungsform. Wenn wir also einen Staat mit sehr geringer Fraktionsgeschlossenheit (Ergebnis) vor uns haben, tun wir gut daran, hohe Einsätze darauf zu wetten, dass er eine präsidentielle Regierungsform hat. Wir verlieren unser Geld aber mit sehr hoher Wahr-scheinlichkeit, wenn wir mit Fraenkel (1964) darauf setzen, dass eine präsidentielle Demo-kratie tatsächlich keine oder eine nur sehr geringe Fraktionsgeschlossenheit (Rice-Index unter 60) aufweist. Im ersten Datensatz liegen wir mit dieser Vermutung in drei Viertel aller Fälle falsch, im zweiten Datensatz sogar in mehr als neun von zehn Fällen. Lediglich die USA und in der Vergangenheit Brasilien erfüllten die Erwartung. Es ist sogar riskant, darauf

32 Die Berechnungsformel lautet: Konsistenz hinreichende Bedingung (zugleich Abdeckung notwendiger Bedingungen) = Anzahl Fälle mit Bedingung (in dieser Studie nicht-präsidentielle Demokratie) und Ergebnis (hohe Fraktionsgeschlossenheit)/Fälle mit Bedingung.

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zu setzen, dass ein Staat mit präsidentieller Regierungsform keine hohe Fraktionsgeschlossen-heit aufweist.

Wie bei der ersten Hypothese bestätigt sich also auch bei der zweiten nur ein Teilsatz, während der andere Teil als widerlegt anzusehen ist. Damit ist auch die Behauptung, die präsidentielle Regierungsform könne keine Anreize bieten, Fraktionsgeschlossenheit auszu-bilden, nicht haltbar. Die Geschlossenheit des Abstimmungsverhaltens von Angehörigen einer Fraktion variiert in präsidentiellen Demokratien sehr stark. Die Anteile hoher und geringer Fraktionsgeschlossenheit sind in den präsidentiellen Demokratien nahezu ausgeglichen.

Tabelle 6Regierungsform und Fraktionsgeschlossenheit (gemessen durch kategorisierte Variable auf der Basis des ersten und zweiten Datensatzes)

Fraktionsgeschlossen-heit (erster Datensatz)

Regierungsform Gesamt

Parlamenta-risch und quasi-parlamentarisch

Duale Exekutive

Quasi-Präsidentiell

Präsidentiell

sehr gering 0% 0% 0% 25,3% 8,8%eher gering 0% 0% 66,7% 27,3% 12,2%eher hoch 12,8% 41,6% 33,3% 42% 28,8%sehr hoch 87,2% 58,4% 0% 5,3% 50,2%Anzahl 188 77 18 150 433Fraktionsgeschlossen-heit (zweiter Datensatz)

Parlamenta-risch und quasi-parlamentarisch

Duale Exekutive

Quasi-Präsidentiell

Präsidentiell Gesamt

sehr gering 0% 0% 0% 8% 2%eher gering 3,4% 17,5% 77% 50,2% 18,9%eher hoch 21,9% 70,5% 23% 33,9% 28,5%sehr hoch 74,7% 12% 0% 7,9% 50,6%Anzahl 1789 200 100 713 2802

Nachdem die ersten beiden Hypothesen geprüft sind, zeigen die Ergebnisse bereits in Richtung einer deutlichen Bestätigung der dritten Hypothese. Ich möchte aber deutlicher als bisher die Stärke des Einflusses bestimmen. Zunächst vergleiche ich dazu die Mittelwerte der Fraktionsgeschlossenheit in den Regierungsformen. Dabei ist zunächst der enorme Unterschied zwischen der durchschnittlichen Ausprägung der Fraktionsgeschlossenheit zwischen Staaten hervorzuheben, die in aller Regel gemeinsam unter die Kategorie des Semipräsidentialismus gefasst werden (u. a. Duverger 1986). So weisen Staaten wie Öster-reich, in denen der Premierminister dominiert (quasi-parlamentarische Demokratien) oder sich die Regierungsbefugnisse von Premierminister und Präsident die Waage halten wie Finnland und Frankreich (duale Exekutive), durchschnittlich eine weit höhere Fraktions-

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Fraktionsgeschlossenheit

ZPol 3/08 311

geschlossenheit auf als jene Staaten, in denen der Präsident dominiert, wie Russland und die Ukraine bis 2006 (quasi-präsidentielle Demokratien).

Abbildung 1Mittelwertvergleich der Fraktionsgeschlossenheit (gemessen durch metrische Variable auf der Basis des ersten Datensatzes) in den Regierungsformen und Standardabweichung

R e gie rungs form

präs identiellquas i-präs identiellduale E xekutivequas i-parlamentaris c h

parlamentaris c h

Mittelwert Empirische Werte zum Rice-Index (Skala 0-

100)

100,00

90,00

80,00

70,00

60,00

F ehlerbalken: +/- 1 S D

Da es theoretisch keinerlei Grund gibt, eine unterschiedliche Fraktionsgeschlossenheit in parlamentarischen und quasi-parlamentarischen Demokratien zu erwarten, wurden beide in dieser Studie bereits zuvor zusammengefasst. Mit Blick auf den Mittelwert liegen aber auch die Staaten mit dualer Exekutive nicht sehr weit hinter den Staaten mit parlamentarischer oder quasi-parlamentarischer Regierungsform. Sehr deutlich fällt im Vergleich zu diesen drei Regierungsformen die Fraktionsgeschlossenheit in den Staaten mit quasi-präsidentieller oder präsidentieller Regierungsform ab. Auf dieser Grundlage ist es bei der Fraktionsge-schlossenheit sowohl theoretisch wie empirisch angebracht, die Trennlinie zwischen den parlamentarischen und quasi-parlamentarischen Demokratien sowie den Staaten mit dualer Exekutive einerseits und den quasi-präsidentiellen und präsidentiellen Demokratien anderer-seits zu ziehen. Geboten ist dies nicht zuletzt, damit überhaupt eine lineare Beziehung zwischen Bedingung und Ergebnis angenommen werden kann. Bereits der einfache Mittel-wertvergleich zeigt, dass eine Zugehörigkeit zur Kategorie Präsidentialismus (in der die

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Steffen Kailitz

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Regierungsformen Präsidentialismus und Quasi-Präsidentialismus zusammengefasst wurden) eine um rund 20 Prozentpunkte niedrigere Fraktionsgeschlossenheit erwarten lässt als die Zugehörigkeit zu einer nicht-präsidentiellen Regierungsform.

Die Werte streuen dabei in den beiden präsidentiellen Regierungsformen weit stärker als in den nicht-präsidentiellen. Dies zeigt an, dass es vor allem innerhalb der präsidentiellen Regierungsformen weitere Faktoren geben muss, die Einfluss auf die Fraktionsgeschlossen-heit haben.

Ich möchte nun zeigen, dass der Faktor Präsidentialismus nicht nur einen sehr großen Einfluss hat, sondern auch ein größeres Gewicht als andere Faktoren, die Fraktionsge-schlossenheit beeinflussen. Zunächst ist dazu zu klären, welche alternativen Erklärungsfak-toren uns die Forschung zur Fraktionsgeschlossenheit präsentiert. Besonders häufig nennt sie die Frage, ob ein Kandidat unabhängig von einer Partei ins Parlament einziehen kann (u. a. Carey 2007; Karvonen 2004). Bei der in dieser Studie genutzten Variablen geht es um die Frage, ob die Wähler darüber entscheiden können, welcher Person der gleichen politischen Richtung sie ihre Stimme geben möchten. Diese Möglichkeit haben die Wähler etwa, wenn wie in den USA die Bevölkerung an der innerparteilichen Auswahl der Kandidaten teilnehmen kann. Die Wahlsysteme lassen sich anhand der Frage, ob der Wähler eine Auswahl zwischen Kandidaten einer Partei hat, grob folgendermaßen zuordnen (die Typologisierung orientiert sich an Carey/Shugart 1995):

Tabelle 7Wettbewerb zwischen Kandidaten einer Partei

Wähler hat Auswahl zwischen verschiedenen Kandidaten einer ParteiJa NeinOffene Vorwahlen (unabhängig vom Parlaments-wahlsystem), Verhältniswahl mit offener Liste, Single Transferable Vote, Single Non-Transferable Vote

Verhältniswahl mit geschlossener Liste, Alternative Vote, Mehrheits-wahl in Einerwahlkreisen

Mit Blick auf den Faktor Föderalismus wird in der Literatur häufiger unterstellt, dass eine föderale Staatsorganisation zu einer geringeren Fraktionsgeschlossenheit beiträgt, da die Konfliktlinie zwischen den Parteien durch föderale Konfliktlinien (etwa Nordoststaaten versus Südstaaten in den USA) überlagert wird.

Als weiterer Faktor, der einen Einfluss ausüben könnte, wird in der Forschung zur Frak-tionsgeschlossenheit die Zahl der effektiven Parteien genannt. Mit einer steigenden Zahl von Parlamentsparteien würden für „den einzelnen Abgeordneten die Kosten eines Fraktions-wechsels“ sinken. Es verringere sich daher die „individuell wahrgenommene Notwendigkeit, sich an die Fraktionslinie zu halten“ (Messerschmidt 2005: 47).

Als abhängige Variable fungiert in den Modellen die metrische Variable zur Fraktionsge-schlossenheit mit den Werten zum Rice-Index. Für die Zwecke der folgenden Regressions-analyse habe ich einen Dummy gebildet, der die Regierungsformen Präsidentialismus und

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Fraktionsgeschlossenheit

ZPol 3/08 313

Quasi-Präsidentialismus den anderen Regierungsformen gegenüberstellt.33 Auch die Variablen „innerparteilicher Wettbewerb“ und „Föderalismus“ sind Dummy-Variablen. Einzig die Zahl der effektiven Parteien ist eine metrische Variable.

Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine lineare Regressionsanalyse erfüllt sind, war festzustellen, dass der Datensatz Autokorrelation, Heteroskedazität und einflussreiche Datenpunkte aufweist. Auf der Grundlage dieses Wissens wurde das Verfahren der robusten Regression für die Analyse gewählt.34 Bei dem Modell, das sich als das beste erwiesen hat, wurde zudem zum Vergleich mit dem Ergebnis der robusten Regression eine robuste Prais-Winsten-Regression35 durchgeführt. Diese Regressionsvariante ist für autokorrelierte Daten bestimmt.

Bei der folgenden Analyse habe ich zunächst bivariate robuste Regressionen durchge-führt und dann den Schritt zu multivariaten robusten Regressionen vollzogen.

Tabelle 8Bivariate und multivariate robuste Regressionsmodelle zum Einfluss der Fraktionsgeschlossenheit

Bivariate robuste Regression R-QuadratKorrigiertes R-Quadrat RMSE

1. Präsidentialismus 0,667 0,666 4,812. Innerparteilicher Wettbewerb 0,562 0,561 8,753. Föderalismus 0,123 0,121 10,674. Effektive Parteienzahl 0,019 0,017 8,79

Multivariate robuste Regression1. Präsidentialismus und innerparteilicher Wettbewerb 0,837 0,836 3,592. Präsidentialismus, innerparteilicher Wettbewerb, Föderalismus und effektive Parteienzahl 0,844 0,842 3,53

Multivariate robuste Prais-Winsten-RegressionPräsidentialismus und innerparteilicher Wettbewerb 0,911 0,911 2,07

Der Modellname spezifiziert jeweils die Einflussvariable(n); RMSE = Wurzel aus dem mittleren quadra-tischen Fehler.

33 Die Ergebnisse ändern sich kaum, wenn sich der Blick nur auf den Präsidentialismus richtet und zur Prüfung des Einflusses drei Dummy-Variablen (Parlamentarismus/Quasi-Parlamentarismus, duale Exe-kutive und Quasi-Präsidentialismus) gebildet werden.

34 Konkret handelt es sich um die Variante der robusten Regression (rreg) des Programmpakets Stata. Da die wahre Lage der Regressionsgeraden bei Streuungsungleichheit falsch eingeschätzt wird, gewichtet dieses Verfahren die Fälle nach ihren absoluten Residuen.

35 Es wurde konkret mit Stata das Verfahren „prais, Variablennamen, robust“ durchgeführt.

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Tabelle 9Koeffizienten in den Regressionsmodellen

Bivariate robuste Modelle B Standardfehler T Signifikanz

1 (Konstante) 93,19 0,29 315,98 ,000 Präsidentialismus -13,95 0,47 -24,93 ,0002 (Konstante) 92,31 0,57 163,32 ,000 Innerparteilicher Wettbewerb -21,26 1,01 -21,16 ,0003 (Konstante) 89,89 0,62 143,04 ,000 Föderalismus -8,43 1,08 -7,78 ,0004 (Konstante) 93,32 1,38 67,55 ,000

Effektive Parteienzahl -0,98 0,34 -2,87 ,004Multivariate robuste Modelle ,0001 (Konstante) 94,26 0,25 376,41 ,000

Präsidentialismus -12,48 0,45 -27,54 ,000Innerparteilicher Wettbewerb -7,08 0,47 -15,08 ,000

2 (Konstante) 143,39 ,000Präsidentialismus 97,38 0,68 -23,69 ,000Innerparteilicher Wettbewerb -12,41 0,52 -12,68 ,000Föderalismus -0,93 0,47 -2,01 ,0045Effektive Parteienzahl -0,77 0,15 -5,05 ,000

Multivariates Prais-Winsten-Modell(Konstante) 95,25 0,96 99,59 ,000Präsidentialismus -16,08 1,91 -8,38 ,000Innerparteilicher Wettbewerb -10,32 2,15 -4,8 ,000

Abhängige Variable: Empirische Werte zum Rice-Index (Skala 0-100)

Die bivariaten robusten Modelle sind nur insofern interessant, als sie uns einmal mehr zeigen, dass es nicht genügt, sich auf den Zusammenhang zwischen zwei Faktoren zu kon-zentrieren. Der Nachteil der Messung von bivariaten Zusammenhängen ist nämlich, dass sich Einflüsse von Variablen überlagern können und es bei unserer Frage auch tun. Wir wen-den uns daher der multivariaten robusten Regression zu. Im ersten Modell werden dabei nur die beiden stärksten Faktoren berücksichtigt, im zweiten alle vier Faktoren.

Im ersten multivariaten Regressionsmodell zeigt sich, dass sowohl der Faktor Präsiden-tialismus als auch der Faktor innerparteilicher Wettbewerb einen beachtlichen eigenständi-gen Erklärungsbeitrag leisten. Ein Modell, das den Faktor Präsidentialismus wie den Faktor innerparteilicher Wettbewerb einbezieht, hat eine deutlich höhere Erklärungskraft als ein Modell, das nur einen der beiden Faktoren berücksichtigt. Werden die Faktoren in einem Modell zusammengefügt, erklärt dies bereits 83,6 % der Varianz. Das ist für ein sehr sparsa-mes Modell, das lediglich zwei Faktoren berücksichtigt, erstaunlich hoch. Wenn wir die Autokorrelation des Datensatzes bei der Analyse berücksichtigen und eine robuste Prais-

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Fraktionsgeschlossenheit

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Winsten-Regression rechnen, dann spricht dieses Verfahren unseren beiden Faktoren sogar zu, 91,1 % der Gesamtvarianz zu erklären.

Werden die Faktoren Föderalismus und effektive Zahl der Parlamentsparteien in das Modell der robusten Regression aufgenommen, erhöht sich die erklärte Varianz kaum.36 Gegenüber dem bivariaten Regressionsmodell Föderalismus schwindet dabei die Erklä-rungskraft des Faktors Föderalismus gänzlich.

Um die Ergebnisse der Regressionen auf der Grundlage des ersten Datensatzes zu über-prüfen, wurde auf der Grundlage des zweiten Datensatzes eine multivariate logistische Re-gression durchgeführt. Um die Ergebnisse miteinander in Beziehung setzen zu können, wurde dabei auch für den ersten Datensatz eine logistische Regression durchgeführt. Für die logistischen Regressionen wurde wegen der einfacheren Interpretationsmöglichkeiten eine Dummy-Variable (hohe versus geringe Fraktionsgeschlossenheit) gebildet. Ebenfalls wegen einer leichteren Interpretierbarkeit wurden die Dummy-Variablen in der Form eingebracht, dass die theoretischen Erwartungen in Richtung positiver Zusammenhänge gingen (Dum-mies Nicht-Präsidentialismus, kein innerparteilicher Wettbewerb, kein Föderalismus). Bei der logistischen Regression ist zu beachten, dass sich die Wettchancen (Odds Ratio) auf der folgenden schlichten Grundlage ergeben: Die Eintrittswahrscheinlichkeit des Ergebnisses für die Fälle mit dem Merkmal wird bei Dummy-Variablen geteilt durch die Eintrittswahr-scheinlichkeit der Fälle ohne das Merkmal.37 Die Nicht-Methodenspezialisten unter den Lesern können sich bei den beiden folgenden Tabellen getrost auf diesen leicht zu interpre-tierenden Punkt konzentrieren. Ohne die Nennung der Eintrittswahrscheinlichkeiten mit und ohne Chancen dient der Wert dabei lediglich als Indikator für Richtung und Stärke des Effekts.

Tabelle 10Multivariate logistische Regression mit den Faktoren nicht-präsidentiell, kein innerparteilicher Wettbewerb, kein Föderalismus (mit Daten zur Fraktionsgeschlossenheit aus dem zweiten Datensatz)

Regressions-koeffizient B

Standard-fehler

Wald df Sig. Verhältnisder Chancen (Exp [B])

Schritt 1

Nicht-präsidentiell 4,770 ,303 248,147 1 ,000 117,974Kein Innerparteilicher Wettbewerb

2,920 ,239 149,891 1 ,000 18,543

KeinFöderalismus -,158 ,254 ,388 1 ,533 ,854

Konstante -2,220 ,259 73,203 1 ,000 ,109

In Schritt 1 eingegebene Variablen: nicht-präsidentiell, kein innerparteilicher Wettbewerb, kein Föderalismus.

36 Bei der robusten Prais-Winsten-Regression sieht es genauso aus.37 Wenn z. B. die Eintrittswahrscheinlichkeit für ein Ereignis mit Merkmal bei 1:3,5 und ohne Merkmal nur

bei 1:0,43 liegt, dann beträgt die Odds Ratio 8,1.

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Auch bei der multivariaten logistischen Regression erweist sich der Faktor Präsidentialis-mus/Nicht-Präsidentialismus als stärkster Einflussfaktor auf die Fraktionsgeschlossenheit. Großes Gewicht hat zudem der Faktor innerparteilicher Wettbewerb. Mit Blick auf den Faktor Föderalismus ist bei der logistischen Regression dagegen auf der Grundlage des zweiten Datensatzes endgültig die Nullhypothese anzunehmen. Der stark erscheinende Einfluss in der bivariaten Regression erweist sich als ein Scheinzusammenhang.

In unser endgültiges Modell zur Erklärung der Fraktionsgeschlossenheit sind demnach nur die Faktoren „Nicht-Präsidentialismus“ und „kein innerparteilicher Wettbewerb“ aufzu-nehmen.38 Nagelkerkes R-Quadrat beträgt für dieses Modell mit zwei Komponenten auf der Grundlage des umfangreicheren zweiten Datensatzes 0,746. Wenn wir die logistische Re-gression analog auf der Grundlage des – mit einer höheren Reliabilität und Validität ausge-statteten – ersten Datensatzes durchführen, erhalten wir einen deutlich höheren Wert von 0,867. Dieser Wert liegt zwischen den Werten, die wir für die robuste Regression und die Praise-Winsten-Regression erhalten haben.

Wir können, nachdem wir unsere Daten nach allen Seiten gedreht und gewendet haben, sicher sein, dass uns die Kenntnis der beiden Komponenten sehr dabei hilft, Wetten auf die Fraktionsgeschlossenheit abzuschließen. Auf der Grundlage des zweiten Datensatzes lassen sich nun die von unserem Modell vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten für die Merkmals-konfigurationen der beiden Bedingungen folgendermaßen näher bestimmen:

Tabelle 11Vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten hoher Fraktionsgeschlossenheit für verschiedene Merkmalskombinationen

Merkmalskombination Vorhergesagte Wahrschein-lichkeit für hohe Fraktions-geschlossenheit (in %)

Mittel-wert

N Standard-abweichung

Präsidentialismus und innerparteilicher Wettbewerb

8,9 ,0402 249 ,19673

Präsidentialismus und kein innerparteilicher Wettbewerb

64,1 ,6940 232 ,46184

Kein Präsidentialismus und innerparteilicher Wettbewerb

91,7 1,0000 149 ,00000

Kein Präsidentialismus und kein innerparteilicher Wettbewerb

99,5 ,9823 962 ,13182

Insgesamt ,7946 1592 ,40412

38 Wenn wir die Entscheidung an SPSS delegieren, wird der Faktor Föderalismus bei der Eingabe der drei Faktoren und der Auswahl der Methode Einschluss vorwärts (konditional) ebenfalls nicht in das endgül-tige Modell aufgenommen.

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Fraktionsgeschlossenheit

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Für Staaten mit nicht-präsidentiellem System und keinem innerparteilichen Wettbewerb liegt die von unserem Modell vorhergesagte Wahrscheinlichkeit, dass der Staat eine hohe Fraktionsgeschlossenheit hat, nahezu bei 100 %. Umgekehrt können wir mit sehr hoher Sicherheit davon ausgehen, dass wir keine hohe Fraktionsgeschlossenheit vorfinden, wenn wir ein präsidentielles System mit innerparteilichem Wettbewerb vor uns haben. Da die Unterschiede in der Vorhersagewahrscheinlichkeit zwischen präsidentiellen Demokratien mit und ohne innerparteilichem Wettbewerb enorm sind, ist dieser Faktor für einen großen Teil der Streuung der Fraktionsgeschlossenheit in präsidentiellen Demokratien verantwort-lich. Der Einfluss ist aber eindeutig pfadabhängig. In parlamentarischen Demokratien macht das Vorhandensein innerparteilichen Wettbewerbs eine hohe Fraktionsgeschlossenheit näm-lich nur geringfügig unwahrscheinlicher. Es handelt sich also um einen Interaktionseffekt. In nicht-präsidentiellen Demokratien wirkt der Faktor innerparteilicher Wettbewerb nur schwach, aber in präsidentiellen Demokratien sehr stark. Insgesamt erscheint der Faktor Nicht-Präsidentialismus deutlich stärker als der Faktor innerparteilicher Wettbewerb. Wenn wir parlamentarische und nicht-präsidentielle Demokratien mit innerparteilichem Wettbe-werb gegenüberstellen, dann steigert nämlich allein der Faktor Nicht-Präsidentialismus die Wahrscheinlichkeit einer hohen Fraktionsgeschlossenheit um fast 83 Prozentpunkte.39 Ein Hosmer-Lemeshow-Test der Modellgüte (siehe zu der Anlage des Tests Hosmer/Lemeshow 2000: 147 f.) bestätigt uns mit einer sehr geringen Diskrepanz zwischen beobachteten Werten und prognostizierten Wahrscheinlichkeiten die Gültigkeit unseres Modells.

6. Ergebnisse

Als – mit nur sehr kleinen Abstrichen – bestätigt, kann die Aussage gelten, dass die parla-mentarische Regierungsform eine hinreichende Voraussetzung für eine hohe Geschlossen-heit des Abstimmungsverhaltens der Parlamentsparteien ist. Nur in Sonderfällen wie Papua-Neuguinea findet sich trotz parlamentarischer Regierungsform keine hohe Geschlossenheit des Abstimmungsverhaltens der Parlamentsparteien. Eine notwendige Voraussetzung für eine hohe Fraktionsgeschlossenheit ist die parlamentarische Regierungsform aber nicht. Auch mit einer anderen Regierungsform ist eine hohe Fraktionsgeschlossenheit also erreichbar.

Präsidentialismus ist wiederum eine notwendige Voraussetzung für keine oder kaum Fraktionsgeschlossenheit. Klar widerlegt die Studie dagegen die Ansicht, dass der Präsiden-tialismus stets mit keiner oder nur einer sehr geringen Fraktionsgeschlossenheit einhergeht. Der Präsidentialismus ist auch keineswegs mit einer hohen Fraktionsgeschlossenheit unver-einbar. Damit widerlegt die Untersuchung zugleich die in Lehrbüchern noch bis heute wieder-holte Auffassung, in präsidentiellen Demokratien lasse sich im Unterschied zu parlamentari-schen Demokratien nicht zwischen einer Regierungsmehrheit und einer Opposition unterscheiden (so etwa Schreyer/Schwarzmeier 2005: 162). Sie trifft auf die präsidentiellen Demokratien so nicht (mehr) zu (ausführlicher: Kailitz 2007).

Cheibub (2007: 116-135) argumentierte jüngst, dass die Regierungsform einen eher geringen Unterschied machen würde, da Präsidenten auf andere – von ihm nicht näher

39 Bei den tatsächlich beobachteten Werten liegt der Mittelwert für die Gruppe „Nicht-Präsidentialismus und innerparteilicher Wettbewerb“ sogar leicht über der Gruppe „Nicht-Präsidentialismus und kein inner-parteilicher Wettbewerb“.

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genannte – Mechanismen setzen könnten, um eine analoge Fraktionsgeschlossenheit wie in parlamentarischen Demokratien zu erreichen. Damit schüttet Cheibub aber das Kind mit dem Bade aus. Tatsächlich sind die Unterschiede der Fraktionsgeschlossenheit zwischen prä-sidentiellen und nicht-präsidentiellen Demokratien noch immer sehr groß. Die Regierungs-form erscheint als der bedeutendste Faktor, um Unterschiede in der Fraktionsgeschlossenheit von Ländern zu erklären.

Die Geschlossenheit des Abstimmungsverhaltens von Parlamentariern in präsidentiellen Demokratien ist durchschnittlich sehr viel geringer als die Geschlossenheit des Abstimmungs-verhaltens von Parlamentariern in nicht-präsidentiellen Demokratien. Dieser Umstand ließe sich mit Blick auf die Absichten der Schöpfer der präsidentiellen Regierungsform nicht nur kausal, sondern sogar intentional interpretieren. Allerdings ist dabei Vorsicht geboten. Die angewandten statistischen Verfahren können im engeren Sinne nämlich nur einen sehr starken statistischen Zusammenhang belegen. Zumindest lässt sich aber sagen, dass die Vorausset-zungen für eine kausale Interpretation gegeben sind, da erstens die Regierungsform als Bedin-gung der Fraktionsgeschlossenheit (in der Regel) als Ergebnis vorausgeht und zweitens theoretische Gründe für eine kausale (Mit-)Wirkung an der Fraktionsgeschlossenheit spre-chen. In der Historie demokratischer Staaten dürfte aber durchaus auch eine Wechselwir-kung Bedeutung gehabt haben. So dürften Länder, die in vordemokratischen Zeiten bereits ein funktionierendes Parteiensystem entwickelt hatten, eher eine parlamentarische Regie-rungsform gewählt haben. Wenn es keine funktionierenden Parteien gab, dürfte wiederum eher der Präsidentialismus das Regierungssystem der Wahl gewesen sein.40

Die Fraktionsgeschlossenheit in präsidentiellen Demokratien variiert sehr stark. Der bedeutendste Faktor, der die Unterschiede erklären hilft, ist die Frage der Monopolisierung der Kandidatenauswahl bei der Parteispitze. In präsidentiellen Demokratien mit innerpartei-lichem Wettbewerb wie etwa den USA ist die Fraktionsgeschlossenheit außerordentlich niedrig, während präsidentielle Demokratien ohne innerparteilichen Wettbewerb überwie-gend eine hohe Fraktionsgeschlossenheit erreichen. Parlamentarische Demokratien errei-chen dagegen eine hohe Fraktionsgeschlossenheit unabhängig davon, ob das Wahlsystem die Kandidatenauswahl bei der Parteispitze konzentriert.

Blicken wir auf die unter die Kategorie „Semipräsidentialismus“ zusammengefassten Staaten: Bei der Fraktionsgeschlossenheit ähneln quasi-parlamentarische Staaten (z. B. Österreich) den parlamentarischen Staaten und quasi-präsidentielle Staaten (z. B. Russland) den präsidentiellen Staaten. Staaten mit dualer Exekutive (z. B. Frankreich) siedeln – bei dieser Frage – deutlich näher bei den parlamentarischen Demokratien. Die primäre Trennlinie verläuft also bei den Regierungsformen zwischen präsidentiellen und nicht-präsidentiellen Demokratien. Allerdings ist die Grenzlinie zwischen parlamentarischen und quasi-parlamen-tarischen Demokratien einerseits sowie Systemen mit dualer Exekutive andererseits keines-wegs bedeutungslos. Wenn das Feld der untersuchten Demokratien lediglich aus Fällen mit diesen drei Regierungsformen besteht, dann wird die duale Exekutive zu einem wesentlichen Erklärungsfaktor für die Unterschiede in der Fraktionsgeschlossenheit (zu den Auswirkungen des Systems der dualen Exekutive auf das Parteiensystem vgl. Pütz 2004).

40 Ich danke einem anonymen Gutachter der Zeitschrift für Politikwissenschaft für diesen bedeutsamen Hinweis.

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Fraktionsgeschlossenheit

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Korrespondenzanschrift:

PD Dr. Steffen KailitzHannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e. V.Helmholtzstrasse 601069 DresdenE-Mail: [email protected]