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SS 2005, Karlhofer VO Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung Mi, 09.45–11.15 Uhr HS 1
S E M E S T E R T E R M I N E
Termin Thema Literatur
06.04. Planung und Ablauf von Forschung v. Alemann, 71-107
13.04. Methoden der Datenerhebung – Überblick Patzelt, 193-210
20.04. Befragung I Atteslander, 126-175
27.04. Befragung II Schumann, 51-79
04.05. Forschungsartefakte Auswahlverfahren f. Stichproben
Kriz, 264-268 Kromrey, 264-268
11.05. Auswertung von Daten Atteslander, 239-257
18.05. Inhalts- und Dokumentenanalyse Atteslander, 200-225
25.05. Hermeneutik und interpretative Verfahren Karlhofer, 52-61
01.06. Begriffe – Aussagen – Erklärungen Patzelt, 99-117
08.06. Theorie und Methode in der PW Bürklin/Welzel, 307-321
15.06. Politikwissenschaftliche Forschungsansätze Bürklin/Welzel, 321-345
22.06. R e p e t i t o r i u m ---
29.06. P r ü f u n g e n --- L i t e r a t u r :
Alemann, Ulrich v. (Hg.): Politikwissenschaftliche Methoden. Grundriss für Studium und Forschung, Opladen 1995 Atteslander, Peter: Methoden der empirischen Sozialforschung, 9. bearb. Aufl., Berlin 2000 Bürklin, Wilhelm / Welzel, Christian: Theoretische und methodische Grundlagen der Politikwissenschaft, in: Manfred Mols
u.a. (Hg.), Politikwissenschaft. Eine Einführung, 4. Aufl., Paderborn 2003 Karlhofer, Ferdinand: Skriptum „Theorien und Methoden der Politikwissenschaft“, Innsbruck o.J. Kriz, Jürgen: Methodenprobleme in der empirischen Sozialforschung, in: ders. / Dieter Nohlen / Rainer-Olaf Schultze (Hg.),
Lexikon der Politik. Bd.2: Politikwissenschaftliche Methoden, München 1994 Kromrey, Helmut: Auswahlverfahren, in: Jürgen Kriz. / Dieter Nohlen / Rainer-Olaf Schultze (Hg.), Lexikon der Politik. Bd.2:
Politikwissenschaftliche Methoden, München 1994 Patzelt, Werner J.: Einführung in die Politikwissenschaft. Grundriss des Faches und studiumbegleitende Orientierung, 5.
Aufl., Passau 2003 Schumann, Siegfried: Repräsentative Umfrage. Praxisorientierte Einführung in empirische Methoden und statistische
Analyseverfahren, München-Wien 1997 Ein Text-Korpus mit den vorlesungsrelevanten Kapiteln der oben aufgelisteten
Literatur ist im Sekretariat des Instituts zum Preis von € 9,-- erhältlich!
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Zusammenhang von alltäglicher und wissenschaftlicher Beobachtung
Alltägliche Beobachtung (spontan, ohne Reflexion der Vorannahmen und Vorurteile)
wissenschaftliche Beobachtung (reflektierte und methodische Einbeziehung und Kontrolle
des Wissens und Vorgehens)
1. Beobachten als Methode des kontrollierten Verstehens der Bedeutung von sozialen Verhaltensweisen
2. Beobachten als Methode der Beschreibung von sozialen Verhaltensweisen zum Zweck des Theorie- und Hopthesentests
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Beobachtung: Pro und Contra
Contra • Ethische Bedenken (verdeckte Beobachtung, insbesondere bei Experimenten)
• Grundgesamtheit, Stichprobe und Stichprobenziehung häufig unklar
• Reaktive Effekte
• Zugang zum sozialen Feld
• selektive Wahrnehmungen
• Interpretation des Beobachteten
• „going native“
Pro • Probleme können bei strukturierter Beobachtung und intensiver Schulung der
Beobachter abgemildert werden
• Beobachtung ist nicht auf Selbstauskünfte der Untersuchungsobjekte angewiesen, sondern erfasst soziales Verhalten direkt
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Relevanz der Befragung in der empirischen Sozialforschung
- Interview gilt als „Königsweg“ der Datenerhebung
- rein quantitativ wichtigste Form der Datenerhebung im Bereich Politikwissenschaft/Soziologie/politische Soziologie
- Steht wie keine andere Form der Datenerhebung im Zentrum der Methodenforschung
- Mit keiner anderen Erhebungsmethode wird soviel Missbrauch getrieben, nirgendwo sonst sind so viele Dilettanten am Werk
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Quantitative Forschung ist angebracht, wenn …
Qualitative Forschung ist angebracht, wenn …
a) über einen Gegenstand viel Vorwissen verfügbar ist
a) es aufgrund von wenig verfügbarem Vorwissen Unbekanntes zu entdecken gilt
b) es gilt, präzise Hypothesen zu prüfen b) sich die zu beantwortenden Fragen selbst erst schrittweise formulieren lassen
c) sich theoretische Begriffe mit valider Operationalisierung verwenden lassen
c) zunächst mit rein klassifikatorischen oder komparativen Beobachtungsbegriffen gearbeitet werden muss
d) ein standardisiertes, in Pretests bewährtes Erhebungsinstrument zur Verfügung steht
d) das Erhebungsinstrument nicht vorweg ausgearbeitet werden kann
e) ein detailliertes Forschungsprogramm erstellt werden kann
e) ein in einem Zug ablaufender Forschungsprozess nicht möglich ist
f) eine geplante Stichprobe analysiert werden kann
f) die Untersuchungseinheiten zunächst nur willkürlich ausgewählt werden können
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Das Leitfadengespräch – Regeln und Arbeitsschritte
• genaue Aufzeichnung: Protokollierung und Verschriftlichung des Gesprächstextes (besonders, wenn er auf Tonbandaufzeichnung vorliegt)
• ganzheitliche Betrachtung der Äußerungen der/des Befragten: persönliche Relevanzen, Deutungsmuster, „Weltbild“
• Satz-für-Satz-Interpretation: sorgfältig und detailliert für jede einzelne Äußerung (bei handschriftlichen Notizen nur begrenzt möglich)
• Analyse des Sprachgebrauchs: Begriffsverwendung, Redewendungen, „Schlüsselbegriffe“ und Äußerungsformen: beschreibend, bewertend, erklärend/deutend
• thematische Analyse: Äußerungen zu einzelnen Themen/Fragen des Leitfadens, zugeordnet zu einzelnen inhaltlichen Kategorien, um zwischen verschiedenen Protokollen vergleichen zu können
• Suche nach Auffälligkeiten, neuen Phänomenen, abweichenden Fällen
• Subjektivität des Interpreten beachten: seine eigenen Vorannahmen, Relevanzen, Theorien kritisch reflektieren und offenlegen; mehrmaliges Durchlaufen des hermeneutischen Zirkels
• Reduktion des Materials: in einem notwendigen „Prozess des Verlustes“ müssen überlegte Entscheidungen der thematischen Beschränkung und der Begrenzung der Fälle getroffen werden
• Entdeckung von Regelmäßigkeiten: unterscheiden zwischen sozialen (quasi-statistischen, Häufigkeits-) Typen und kulturell wirksamen „objektiven“ Regeln und Normen
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Interviewstile
Historisch bei sensiblen Fragen eingesetzt:
- „harter Stil“: setzt den Befragten unter Druck
- „weicher Stil“: kommt dem Befragten entgegen
Inzwischen etabliert: der neutrale Stil:
- Interviewer verhält sich möglichst neutral gegenüber dem Befragten (und dessen Antworten)
- Interviewer fungiert als „austauschbares Instrument“
Reduktion von Effekten des Interviewers bzw. des Interviewstils:
- Konstanthaltung (standardisierte Fragebögen, Interviewerschulung)
- Randomisierung (Einsatz möglichst viele Interviewer)
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Formen der Befragung
•Persönliches Interview •Telefonische Befragung
- Stichprobe aus Telefonbuch (CD)
- Random-Digit-Dial (RDD) vs. Random-Last-Digit (RLD)
- CATI •Schriftlich-Postalische Befragung
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Persönliches Interview (Face-to-Face-Befragung)
- Klassische Form der Befragung - Teuer
- Direkter Kontakt mit dem Interviewer ermöglicht Rückfragen
- Zeitaufwendig
- Bilder, Kärtchen etc. können eingesetzt werden
- Große Zahl von Fälschungen
- Interviewer kann Hintergrundinformationen über den Befragten und dessen Haushalt sammeln
- Starke reaktive Effekte
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Telefonisches Interview
- Niedrige Kosten - Keine visuellen Materialien
- Mit CATI perfekte Kontrolle des Interviewers möglich
- Nicht gelistete / nicht vergebene Telefonnummern
- Kurze Feldzeiten - Anrufbeantworter
- Bundesweite Befragungen einfach zu realisieren
- Verzerrung der Stichprobe
- Weniger reaktive Effekte als beim persönlichen Interview
-
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Schriftliche Befragung
- Sehr wenige reaktive Effekte (kein Interviewer, glaubwürdige Anonymitätszusage)
- Extrem verzerrte Stichproben durch Selbstselektion
- Überlegtere Antworten - Lange Feldzeiten
- Sehr niedrige Kosten - Kein Interviewer, falls es Rückfragen gibt
- Keine Interviewerfehler und -fälschungen
- Probleme der Stichprobenziehung
- Keine Kontrolle darüber, wer den Fragebogen ausfüllt
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Offene Konzepte – Arbeitsregeln
1. Abgrenzung des Problems
2. Abfolge der Fragen
3. Relevante Antwortkategorien
4. Reichweite der Antwortkategorien
5. Auffinden der richtigen Informanten
6. Sprachliche Besonderheiten
7. mögliche Hemmschwellen beachten
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Fragenformulierung und Fragebogenkonstruktion
F r a g e n z u r M e s s u n g v o n M e r k m a l e n
Skalen:
• Nominal-Skala
• Ordinal-Skala
• Intervall-Skala
• Ratio-Skala
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Erfassung von Merkmalen I:
• manifest (Bsp. Geschlecht)
• latent (Bsp. Ideologie)
Erfassung von Merkmalen II:
• Eigenschaften (z.B. Schulbildung)
• Überzeugungen (z.B. „welche Partei wird Stimmen gewinnen?“)
• Verhalten (z.B. „waren Sie heute schon wählen?“)
Erfassung von Merkmalen III:
• Rückerinnerungsfragen (z.B. „Welcher Partei haben sie bei der Wahl X Ihre Stimme gegeben?“)
• Hypothetische Fragen (z.B. Sonntagsfrage „Wen würden Sie wählen?“)
• Frage nach dem Grund (z.B. „Und warum haben Sie die Partei X gewählt?“)
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Filterfragen
• zur Herausfilterung bestimmter Gruppen (z.B. berufstätig/nicht berufstätig, Wähler/Nichtwähler)
Fragen aus „taktischen“ Gründen
• zur Vermeidung von Irritation, Frustration (z.B. Wohlstandsindikatoren)
Kontrollfragen für „willkürliches Ankreuzen“
• „unsinnige Fragen“ (z.B. Sympathiewerte nicht existenter Politiker)
• Antwortkombinationen
• Fragewiederholung an anderer Stelle
Kontrollfragen für „Zustimmungstendenz“
• Tendenz zu „Ja-Sager“
• Tendenz zu Extremkategorie
• Tendenz zu Mittelkategorie
Kontrollfragen für „sozial erwünschte“ Antworten
• kulturelle soziale Erwünschtheit (normgerechtes Verhalten)
• situationale soziale Erwünschtheit (etwa gegenüber dem Interviewer)
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Frageformulierung:
• offene vs. geschlossene Frage
- offen formuliert (Antwortkategorien nicht vorgegeben)
- geschlossen formuliert (Antwortkategorien vorgegeben)
- halboffene Fragen (geschlossene Frage gefolgt von offener Frage)
• eindimensional
• keine mehrdeutigen Formulierungen
• einfach
• keine möglicherweise unbekannte Ausdrücke
• keine doppelte Negationen
• kurze Fragen stellen
• möglichst konkrete Frageformulierungen
• „Härte“ der Fragen berücksichtigen
• keine suggestiven Fragen
• stereotype Formulierungen vermeiden
• bei „heiklen“ Fragen auf Formulierung achten
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Antwortvorgaben
• „offene“ oder „ungleich breite“ Klassen vermeiden
• einseitig vs. zweiseitig?
• „weiß nicht“, „keine Meinung“?
• Mittelkategorie vorgeben?
• Symmetrie der Vorgaben einhalten
• Problem der „Interpretation“ durch Befragte
• Ranking vs. Rating?
• Mehrfachantworten zulassen?
• Anzahl der Antwortvorgaben (Faustregel: max. 7)
• Primacy- und Recencyeffekte vermeiden
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Regeln für die Fragebogenkonstruktion
• Einleitungsfragen
• „Trichterung“
• demographische Angaben am Ende des Interviews
• Halo-Effekte vermeiden
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Trendanalyse und Panel-Untersuchung Informationsgehalt im Vergleich
Trendanalyse
Juli August
gehe zur Wahl 870 900
gehe nicht zur Wahl 130 100
Summe 1.000 1.000 Panel-Untersuchung
August
Summe
gehe zur Wahl gehe nicht zur Wahl
Juli
Juli
gehe zur Wahl
850
(20)
870
gehe nicht zur Wahl
(50)
80
130
Quelle: Roth 1987, S. 293.
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Grundbegriffe der Stichprobenziehung
• Grundgesamtheit (Population) = alle Einheiten, auf die sich die Untersuchungshypothesen beziehen
• Auswahlgesamtheit = alle Einheiten, aus denen die Stichprobe tatsächlich ausgewählt wird Fehlerquellen: Untererfassung (undercoverage) Übererfassung (overcoverage)
• Stichprobe = Auswahl einer Teilmenge von Untersuchungseinheiten aus der Auswahlgesamtheit
• Ausschöpfungsquote = Anteil realisierter Interviews („bereinigte Bruttostichprobe“)
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Forschungsartefakte Erhebungsartefakte
- Halo-Effekt - Response sets - Social desirability - Versuchsleiter-Effekt - Protokollfehler - Sozial-demographische Effekte - Self-destroying bzw. self-fulfilling prophecy Auswertungsartefakte
- unvollständige Information - Korrelations-Interpretation - Signifikanztests Ebenen
- konkrete empirische Forschungsarbeiten - methodische Ebene - methodologische Ebene
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Häufigkeitsauszählungen
• Einfachste Form der Datenauswertung
• Fragestellung: Wie häufig kommen die Ausprägungen einer einzigen kategorialen Variablen in der Stichprobe oder in der Population vor?
• Vorgehensweise: Die Rohdatenmatrix wird nach den Kategorien der betreffenden Variablen sortiert
• Anschließend werden die Häufigkeiten ausgezählt
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Prozente vs. Prozentpunkte
• Relative Häufigkeit: Häufigkeit bezogen auf Basis (16/28)
• Prozente: relative Häufigkeit x 100
• Prozentpunkte: Differenz zwischen zwei Prozentsätzen
• Beispiel ÖVP-Anteil: NRW 1999 27%, NRW 2002 43% der gültigen Stimmen
–Verbesserung um 16 Prozentpunkte –Entspricht einer Zunahme um (16/27)*100 = 59 Prozent
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Graphische Darstellungen
• dienen in erster Linie dazu, das Ergebnis von Tabellenanalysen zu veranschaulichen
• beziehen sich in ihrer gebräuchlichsten Form auf die Ausprägungen (Kategorien) einer einzigen Variablen
• können sich auf absolute oder relative (Prozentwerte) Häufigkeiten beziehen
• relative Häufigkeiten sind meist aussagekräftiger
• (Vermeiden Sie unter praktisch allen Umständen dreidimensionale Darstellungen)
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Balken- und Säulendiagramme
• sind äquivalent (Unterschied nur in der Leserichtung des Diagramms)
• können für nominal- und ordinalskalierte Daten verwendet werden
• bei ordinalen Variablen muss die Reihenfolge der Kategorien in der Grafik erhalten bleiben
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Missbrauch graphischer Darstellungen
• Grafiken sollen der Veranschaulichung, nicht der Manipulation dienen
• keine Histogramme/Polygonzüge für nominal- und ordinalskalierte Daten
• Maßstab so wählen, dass Unterschiede erkennbar sind, aber nicht übertrieben werden
• Unterbrechungen in Zeitreihen kennzeichnen
• bei vergleichbaren Grafiken identischen Maßstab wählen
• y-Achse muss bei Null beginnen. Ansonsten Unterbrechung der Achse markieren
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Kategoriensystem – Kriterien
• theoretische Ableitung aus den Untersuchungshypothesen
• Kategorien müssen voneinander unabhängig sein
• Ausprägungen müssen vollständig sein
• Ausprägungen müssen sich wechselseitig ausschließen
• einheitliches Klassifikationsprinzip
• eindeutige Definition von Kategorien und Ausprägungen
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Deduktiv-Nomologische (DN) Erklärungen (DN-Erklärungsschema nach Carl Gustav Hempel) Ein
• zu erklärender Sachverhalt (Explanandum)
• wird danach durch eine erklärende Prämissenmenge (Explanans) logisch begründet,
• wobei bestimmte Adäquatheitsbedingungen erfüllt sein müssen.
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Schema der DN-Erklärung
• Nomologische Hypothesen: Zumindest eine allgemeine Gesetzmäßigkeit (z.B. Wenn A, dann B) als Teil des Explanans.
• Antecedensbedingungen: Zumindest ein Satz, welche die Anfangs- oder Randbedingung(en) als Teil des Explanans beschreibt (z.B. Es gilt A).
• Explanandum:
Eine genaue Beschreibung des zu erklärenden Phänomens (z.B. Es gilt B).
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Beispiel der DN-Erklärung
• Gesetz/Quasi-Gesetz im Explanans: Wenn ein Gemeinwesen einen hohen Grad an direkter Demokratie aufweist, dann werden sich Regierungssysteme mit breiter parlamentarischer Mehrheit herausbilden (Wenn A, dann B).
• Anfangsbedingungen im Explanans:
Die Schweiz ist ein Gemeinwesen mit einem hohen Grad an direkter Demokratie (Es gilt A).
• Erklärungsbedürftig (Explanandum):
Die Schweiz hat ein Regierungssystem mit breiter parlamentarischer Mehrheit (Es gilt B).
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Beispiel einer Prognose Explanans
unterstelltes Gesetz
Wenn im Wahlkampf eine Naturkatastrophe passiert, dann begünstigt dies die regierenden Parteien.
Randbedingung Zwei Wochen vor der Tiroler LTW 1999
ereignete sich die Katastrophe von Galtür.
Explanandum
Prognose Bei der LTW 1999 ist die Tiroler Volkspartei begünstigt.
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Beispiel einer Planung Explanans
Gesetz Wenn Kandidaten den Eindruck erwecken, eine „heile Familie“ zu haben, dann werden sie von konservativen Wählern gewählt.
Maßnahme Kandidat K zeigt eine heile Familie.
Explanandum
Ziel Kandidat K wird von konservativen Wählern gewählt.
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Beispiel einer probabilistischen Erklärung
• Gesetz/Quasi-Gesetz im Explanans: Wenn ein Wähler ein Tiroler Landwirt ist, dann wählt er mit Wahrscheinlichkeit 0,9 die ÖVP. (Wenn A, dann mit Wahrscheinlichkeit p B).
• Anfangsbedingungen im Explanans:
Herr K. ist ein Tiroler Landwirt. (Es gilt A).
• Erklärungsbedürftig (Explanandum):
Herr K. wählt die ÖVP mit Wahrscheinlichkeit 0.9. (Es gilt mit Wahrscheinlichkeit p B).
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Der Anspruch der probabilistischen Erklärung Die Wahrscheinlichkeitsaussage bezieht sich auf alle zu erklärenden Ereignisse oder Sachverhalte, auf die die festgestellten Anfangsbedingungen zutreffen. Deshalb kann man in einem konkreten Fall nicht voraussagen, in welche Teilmenge (0.9 ÖVP; 0.1 andere Parteien) dieser fallen wird. Deshalb ist auch die Erklärung eingeschränkt: Das induktiv-probabilistische Schema
„erklärt in erster Linie, warum die Dinge, die sich ereignet haben, zu erwarten (bzw. nicht zu erwarten) waren, und nur in einem sekundären Sinn erklärt es, warum sich bestimmte Dinge ereignet haben, nämlich, ‚weil‘ sie in hohem Maße wahrscheinlich waren. Es scheint mir jedoch besser, wenn man nicht sagt, dass das induktiv-probabilistische Schema erklärt, was sich ereignet, sondern lediglich, dass es gewisse Erwartungen und Voraussagen rechtfertigt.“
Georg Henrik v. Wright (1974), Erklären und Verstehen, S. 26
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
THEORIEN sind Gefüge von Aussagen, die
(1) eine bestimmte Perspektive festlegen, in der ein Gegenstandsbereich betrachtet wird;
(2) eine Grundmenge an Begriffen zur Beschreibung dieses Gegenstands bereitstellen;
(3) eine Reihe von überprüften und anschließend als zutreffend angesehenen Aussagen über dessen Beschaffenheit beinhalten.
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Funktionen von Begriffen - Ordnungsfunktion
Begriffe ordnen die Wahrnehmung eines Gegenstandsbereichs
- Kommunikationsfunktion Person A kann Person B mit Begriffen mitteilen, auf welche Weise sie sich einen Gegenstandsbereich vorstellt
- Bewertungsfunktion Vielfach sind Begriffe mit einer Bewertung verbunden – Beispiel ‚Tyrannei‘
- Appellfunktion Sofern das Handeln nach Sollvorstellungen ausgerichtet, können Begriffe implizit auch beinhalten, was zu tun ist
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Empirische Aussagen - Aussagen über politische Strukturen und Prozesse
- Aussagen über politische Inhalte
- (Meta-)Aussagen über die Beschaffenheit, Inhalte und Merkmale von anderen Aussagen
- Erklärungsaussagen (= komplexe Gefüge mehrerer empirischer Aussagen
- Prognosen (mit in der Regel geringem Wahrheitsgehalt)
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Umfang des Geltungsbereichs von empirischen Aussagen
- reine Existenzaussagen z.B.: ‚Es gibt Gesellschaften ohne Machtausübung‘
- streng allgemeine Aussagen z.B.: ‚In allen Gesellschaften gibt es soziale Schichtung‘
- raum-zeitlich abgegrenzte Aussagen z.B.: ‚In der Sowjetunion der 70er Jahre bestand eine Gesellschaft ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen‘
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Korrelation – Kausalrelation
- korrelative Aussagen gemeinsames Auftreten zweier oder mehrerer Sachverhalte
- deterministische A. ‘Wenn X, dann immer Y‘
- probabilistische A. ‘Wenn X, dann mit p % Wahrscheinlichkeit Y‘
- stochastische A. Zusammenwirken mehrerer zufallsgesteuerter Prozesse
- kausale Aussagen informieren über das Bestehen eines Zusammenhanges und über die Gründe für das Bestehen dieses Zusammenhanges (Kausalzusammenhang)
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Die Rolle von Aussagen im Forschungsprozess
- häufig sind Aussagen der Untersuchungsgegenstand
- Aussagen bieten Informationen, die weiterverarbeitet werden müssen
- Aussagen sind der Werkstoff, der im Forschungsprozeß bearbeitet wird
- Aussagen sind der Zweck von Forschung
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Normative Aussagen Werturteile sind Aussagen, die beobachtete oder vorgestellte Inhalte, Prozesse und Strukturen bewerten.
Beispiele:
- ‚Politische Freiheit zu sichern ist ein gutes Ziel‘ - ‚Die Verhinderung freier Wahlen ist eine schlechte Handlung‘ - ‚Demokratie ist eine gute, Diktatur eine schlechte Regierungsweise‘ Handlungsanweisungen bauen auf Werturteile auf und verlangen die Setzung oder Nichtsetzung bestimmter Handlungen.
Beispiele:
- ‚Man soll im Staat X freie Wahlen garantieren‘ - ‚Man soll die Diktatur im Staat Y durch Demokratie ersetzen‘
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Logische Struktur eines Werturteils a) Das zu bewertende Objekt wird durch eine empirisch wahre Aussage beschrieben.
Beispiel: ‚Die Wirtschaftspolitik der Regierung führte im Staat X zu einer jährlichen Inflationsrate von 12%‘
b) Es wird auf einen Wertmaßstab verwiesen, welcher der vorgebrachten Bewertung zugrunde gelegt werden soll.
Beispiel: Es wird eine Theorie angeführt, welche argumentiert, die Folgen A, B und C einer erhöhten Inflationsrate seien aus den Gründen X, Y und Z schlecht.
c) Es wird in einer logisch stimmigen Argumentation gezeigt, zu welcher Bewertung des Objekts anhand dieses Wertmaßstabs zu gelangen ist.
Beispiel: Nachdem sowohl anhand eines herangezogenen Wertmaßstabes gezeigt wurde, dass Inflation im allgemeinen schädlich ist, als auch, daß im Staat X Inflation besteht und sie von der Regierung verursacht wird, folgt das Werturteil: ‘Die Stabilitäts- und Finanzpolitik dieser Regierung ist schlecht!‘
Quelle: Patzelt 1993, 79-80
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Logische Struktur einer Handlungsanweisung a) Folgende Wenn/Dann-Aussage habe sich als empirisch wahr herausgestellt:
‚Wenn man in einem Land das Privateigentum an Produktionsmitteln abschafft, dann endet in diesem Land die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen‘
b) Anhand eines begründeten Werturteils über die Schlechtigkeit der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen lasse sich folgende unpräzise Handlungsanweisung formulieren:
‚Im Land X soll die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft werden‘
c) Durch ‚normative Aufladung‘ der angeführten empirischen Wenn/Dann-Aussage entsteht sodann die folgende präzise Handlungsanweisung:
‚Im Land X soll das Privateigentum an Produktionsmitteln abgeschafft werden‘
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
‚Unvollkommene’ Erklärungen
- Ungenaue Erklärungen:
Begriffe sind schlecht oder gar nicht definiert
- Rudimentäre Erklärungen:
Teile der Erklärung werden als selbstverständlich vorausgesetzt
- Erklärungsskizzen:
Zusammenhänge werden tentativ (vermutungsweise) angegeben
- Partielle Erklärungen:
Explanans-Aussagen reichen für Erklärung des Explanans nicht aus
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Behavioralismus – Zielsetzungen und Annahmen 1. Theoriegeleitetheit der Forschung
2. Suche nach Regelmäßigkeiten
3. Streben nach Nachprüfbarkeit und Objektivität
4. Forschungstechniken
5. Trend zur Quantifizierung
6. Konzentration auf individuelles Verhalten
7. Induktivismus
8. Wertrelativismus
9. Grundlagenorientierung
10. Integration und Interdisziplinarität
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
11 Regeln der hermeneutischen Methode
1. Vorverständnis In jeder Fragestellung drückt sich ein bestimmtes Vorverständnis des zu untersuchenden Zusammenhanges aus. Die Fragestellung und das darin eingeschlossene Vorverständnis sind die Voraussetzung dafür, dass überhaupt interpretiert werden kann.
2. Überprüfung der Fragestellung Die ursprüngliche Fragestellung und das darin sich ausdrückende Vorverständnis müssen am Text (und am Kontext) immer wieder überprüft werden.
3. Text- und Quellenkritik Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Analyse (nicht nur) historischer Texte ist die Text- und Quellenkritik.
4. Semantik Notwendige Momente der interpretativen Erschließung sind die semantische Analyse einzelner Begriffe oder Textpassagen und die Berücksichtigung etymologischer Aspekte.
5. Kontext Politische (auch politikwissenschaftliche) Texte sind nicht nur textimmanent zu interpretieren, sondern stets auch in einem breiteren Kontext zu sehen.
6. Wechselseitige Erklärung Umgekehrt können auch textimmanente Informationen zur Klärung textübergreifender Zusammenhänge beitragen; daher kann man prinzipiell von einem Verhältnis wechselseitiger Erklärungen textimmanenter und textübergreifender Zusammenhänge sprechen.
7. Syntax Für die Ermittlung eines Argumentationszusammenhanges eines Textes haben die syntaktischen Mittel, die Sätze oder Satzteile miteinander verbinden, große Bedeutung.
8. Gliederungsschema Die gedankliche Gliederung muss übersichtlich herausgearbeitet werden: Hauptthesen, Begründungen, Erläuterungen, Beispiel, Nebengedanken, Exkurse usf. sind durch Interpretation voneinander abzuheben und nach Möglichkeit in einem differenzierten Gliederungsschema zusammenzufassen.
9. Wiederspruchsfreiheit Soweit es sich um einen Argumentationszusammenhang handelt, ist der Gesichtspunkt der inneren Widerspruchsfreiheit ein entscheidender
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung
Auslegungsaspekt. Der Interpret muss die Begründungen, Folgerungen, Herleitungen des Autors nicht nur mitvollziehen, sondern kritisch überprüfen.
10. Hermeneutischer Zirkel Interpretation bewegt sich ständig im hermeneutischen Zirkel: Die einzelne Aussage und ihre sprachlichen Elemente werden im Gang der Interpretation immer wieder im Zusammenhang größerer Aussagenzusammenhänge ausgelegt. Zugleich gilt aber auch: der jeweils umfassendere Zusammenhang kann nicht ohne seine einzelnen Elemente verstanden werden.
11. Ideologiekritik Eine konsequente Textinterpretation muss immer auch die ideologiekritische Frage stellen. Einzubeziehen ist dabei auch die Wirkung eines Textes – Aufnahme, Umdeutung oder Ablehnung durch bestimmte Rezipienten – oder auch Nachfolge- oder Gegenschriften. Positive oder negative Reaktionen können wiederum selbst ideologisch sein.
Ferdinand Karlhofer: Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung – Folien zur Vorlesung