Upload
alexander-unger
View
350
Download
0
Embed Size (px)
DESCRIPTION
Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung: Gemeinschaft und Gemeinschaften in einer individualisierten Gesellschaft (Universität Erfurt, Mai 2010)Vortragstitel: Sozialität im Netz? Virtuelle Gemeinschaften und die Transformation des Sozialen.
Citation preview
SOZIALITÄT IM NETZ? Virtuelle Gemeinschaften und die Transformation des Sozialen
Dr. Alexander Unger – Universität Magdeburg
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
INHALT
1. Technik und Sozialität2. Beispiel: „The Well“3. Technologien und Anwendungen4. Beispiel: Spin-Chat5. Virtuelle und reale Gemeinschaft6. Fazit: Gemeinschaft On-/Offline
1. TECHNIK UND SOZIALITÄT
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
TECHNIK UND SOZIALITÄT
Technikkritik (Anders, Adorno, Postman) Zersetzung von Humanität und Sozialität durch
zunehmende Technologisierung Medien als Substitut für echte Sozialität
Zwei Kritiklinien Industrietechnik: Mensch als „Rädchen im
System“ Massenmedien: Medien als Machtinstrumente
Scheinwirklichkeit kollektive Manipulation
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
KRITIK DER FLIEẞBANDARBEIT
Die Aufgabe des Arbeiters besteht darin: „[…] daß er sich selbst zum Organ des Geräts macht; daß er sich vom Gang der Maschine einverleiben lasse […].“ (Anders 1994 (1956): 89) Abstumpfung durch System stupider Routinen Unterordnung unter die eigene Schöpfung Aufgabe des Subjektstatus/Status als soziales
Wesen
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
KRITIK DER MASSENMEDIEN
Kulturindustrie (Adorno/Horkheimer 1998 (1969) Bedürfnisse werden erzeugt und über standardisierte
(Medien-)produkte befriedigt (Massenkultur) Verzerrung der Wirklichkeit (Manipulation) Aushebung des Bewusstseins
Fernsehen als Phantomlieferant Fernsehen bringt die fiktive Außenwelt ins Haus „Und in Millionen von Exemplaren sitzen sie nun, jeder
vom anderen abgeschnitten, dennoch jeder dem anderen gleich, einsiedlerisch im Gehäus […].“(Anders 1994 (1956): 102)
„Sofort rieselt das Gemäuer […] der Kitt zwischen den Familienmitgliedern zerbröselt, die gemeinsame Privatheit ist zerfallen.“ (Anders 1994 (1956): 105)
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
TECHNIKKRITIK
Technik- und Medienkritik sieht die Gefahr Manipulation durch mediale Botschaften Täuschung durch verzerrte Darstellung Falsche Nähe/Gemeinschaft Verfall von Kultur, Gemeinschaft und
Menschlichkeit Internet als Kultur- und Sozialraum?
Zersetzung reale Gemeinschaft? Gemeinschaft im Netz?
2. BEISPIEL: THE WELL
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
HOWARD RHEINGOLD: THE WELL
Howard Rheingold als „Forschungs-Pionier“ „The virtual Community“ (1993) Beschreibt u.a. die Online-Community „The
Well“ Intensive Teilnahme u.a. an Foren zum Thema
Kindererziehung Eltern suchen Rat + Unterstützung u.a. bei
Kinderkrankheiten
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
HOWARD RHEINGOLD: THE WELL Beispiel: Phil Catalfo
Diskussionsforum zum Thema Leukemie (Philcat): Ich möchte dieses “Topic” nutzen um die
Krankheit Leukemie zu diksutieren, wie sie meine Familie verändert und was man über sie weiß. Wir haben Anfang dieser Woche erfahren das unser sieben Jahre alter Sohn Leukemie hat.
(lapeche): Philcat, wir sind hier und wir hören dir zu. Wir teilen deine Hoffnungn und Ängste […] .Halte durch!
(onzie): Phil, ich habe Flash aus dem Gesundheitsforum geschrieben, damit er alle relvanten Diskussionen zu dem Thema verlinken kann (vgl. Rheingold 1993: 16f.)
Fühlte sich aufgehoben und unterstützt sozialer Rückhalt, Rat, Anteilnahme Vernetzung mit anderen Betroffenen/Experten Treffen mit Community-Mitgliedern im RL (Real Life)
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
GEMEINSCHAFT IM „NETZ“? Woher kommt die Rede von „Gemeinschaft“ im WWW
(World Wide Web) Einzelfall Technik/Medien können für unterschiedliche Zwecke
genutzt werden Neue Stufe der Medialisierung Veränderte Bedingungen
der Kommunikation + Interaktion Transformation von Sozialität Medialisierung als entscheidende Dynamik spätmoderner
Gesellschaften Virtuelle Gemeinschaften als Ausdruck spätmoderner
Gesellschaften Veränderte Bedingungen der Kommunikation + Interaktion
Neue Aneignungsformen und Nutzungsweisen Neue Machtverhältnisse
3. TECHNOLOGIEN UND ANWENDUNGEN
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
INTERAKTIONSMEDIUM COMPUTER Interaktivität
Software reagiert auf Input mit Output Von der Rezeption zur Interkation mit dem Medium Bietet spezifische (solipsistische) Handlungsoptionen an
Vernetzung Informationsübermittlung über Datennetze (TCP/IP) „Medialisierte Kommunikation“
Von der Interkation mit einer Software zur Kommunikation über bzw. in einem Medium
Digital-vernetzte Computertechnologie als „Raumtechnologie“ Eröffnet softwarebasierte Handlungsräume Interaktion, Kommunikation und Vernetzung mit anderen Nutzern Verschiedene Rahmungen
The Well, YouTube, Wikipedia, WoW
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
POPULÄRE „ORTE“ IM NETZ
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
Das Internet als “soziale Petrischale” (Rheingold) Nährboden für verschiedene “Microkulturen”
Jede ist ein ungeplantes soziales Experiment Zunehmende Integration in den Alltag/ Lebenswelt
Tendenz zur Kommerzialisierung Umkämpftes Territorium (Selbstorganisation vs.
Vermarktung) Diverses Medium: Allgemeine Bewertung undifferenziert
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
Technologie Angebot
E-MailMailinglistenNewsgroups
Foren
Chat
Instant Messaging
Wikis
Blogs
Social Network Sites
Content Plattformen
MMORPGS
Social Bookmarking
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
VOM WEB 1.0 ZUM WEB 2.0 Web 2.0 (Tim O`Reilly)
Neue Webtechnologien (Wikis, Blogs usw.) Stärken Kooperation, Vernetzung und Produktion
Niedrigschwelliger Zugang (Blogger.com) Erstellung und Verbreitung eigner Inhalte und Angebote Hohe Vernetzung und „Wisdom of the Mass“ Veränderung Mediensystem: Konsument als Produzent
Sender-Empfänger-Schema unterlaufen
Web 1.0 Fertige Angebote
Wenige Experten/Anbieter produzieren für viele Passive Nutzung und „Fremdbestimmung“ Statische Angebote Belanglose User-Aktivität: flüchtiges Chatten
4. BEISPIEL: SPIN-CHAT
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
CHAT-COMMUNITY
Basis des Web 1.0 – Chat/Foren
Kommunikation in virtuellen Räumen ist oft interessenvermittelt
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
CHAT-COMMUNITY
Nicknames - Rufen Assoziationen hervor- Spielraum für Identitätsentwürfe
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
Chatkommunikation- flüchtig- nicht authentisch- belanglos
(fast) synchrontextuell
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
Name des Raums
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
Anwesende Personen
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
Öffentliche Kommunikation
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
Eigene „Kommunikationskultur“- Umgangssprachlich- Abkürzungen (lol)- Emoticons
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
Chatkommunikation- Flüchtig- Nicht authentisch- belanglos
Nachhaltige Elemente
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
PROFIL - SELBSTREPRÄSENTATION
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
FORENDISKUSSION
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
FORENDISKUSSION
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
WIKIS - NEUE „WISSENSKULTUR“ Werkzeug um Texte/Artikel zu Verfassen
Jeder User kann sie editieren Änderungen nachvollziehbar
Vom Expertenwissen zum „Wisdom of the Mass“ Jeder weiß etwas zu einem Thema Zusammentragen der Wissenselemente Aushandlung des „richtigen“ Wissens Nicht abgeschlossen (editierbar)
Wikipedia „die freie Enzyklopädie“ Gemeinnütziger Verein: Weltwissen verfügbar
machen freier Zugriff und freier Zugang Mai 2001: 1.063.538 deutsche Artikel Wandlung des Mediensektors (Prosumenten)
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
SOCIAL NETWORK SITES (SNS) Selbstpräsentation (Eindrucksmanagement)
Private Öffentlichkeit Freundesnetzwerk
Basis: reale Kontakte (reale Rückbettung) „Freundes-Freunde“ Buddy-List
Verschiedene Kommunikationsmodi Kommentare die alle „Freunde“ sehen können
Interessenbasierte Gruppen
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
Technologien und Nutzungsformen verschmelzen
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
ONLINE ROLLENSPIELE
Gemeinsames Spielen in virtueller Spielewelt Regelsystem, Quests, Aufbau eines „Charakters“
Rahmung als Spiel Notwendigkeit sozialer Organisation (Multiplayer) Bis zu 20.000 Spieler gleichzeitig pro Server Millionen zahlende Kunden
Orgainsationsform: Gilde Feindliche Umwelt Oft rein „virtuell“ Hohes zeitliches und emotionales Involvement Verhaltenscodex
Sanktionen Aufgaben/Rollen Bewährungszeit Fan-Fiction
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
BEWERBUNG
Das können wir Euch bieten: traditionsreiche, erwachsene Gilde regelmäßig Raids (5-6 Tage pro Woche in Progresszeiten) großes, lebendiges Forum & Teamspeak jährliche "RL-Gildentreffen"
Das erwarten wir von Euch: Engagement und Aktivität in den Raids (mindestens dreimal
pro Woche dabei) Integration in die Gilde sowie "soziale Reife" sehr gute Charakterbeherrschung und Spielverständnis Headset & Teamspeak
Identifikation mit und Zustimmung zum Kodex Bei uns steht der gemeinsame Spaß am Spiel im
Vordergrund, ohne dabei unser Augenmerk auf erfolgreiches Raiden zu vernachlässigen.
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
CODEX Allgemeines §1.1
Die Lords of Heaven sind eine seriöse und sich legal verhaltende Gilde (keine Hacks)
§1.2 Es ist nicht gestattet, dass ein Mitglied einer anderen World of Warcraft-Gilde angehört.
§1.3 Alle Mitglieder verpflichten sich die Grundregeln der Netiquette einzuhalten
§1.5 Jedes Mitglied sollte regelmäßig einen Blick in den internen Bereich werfen […].Die vom Mitglied zu verwaltenden Daten sind aktuell zu halten.
§1.7 Vergehen werden - je nach Schwere und im Ermessen der Gildenleitung - geahndet.
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
CODEX 2 §3.1 Hoher Rat
Der Hohe Rat ist die Gildenleitung der Lords of Heaven. Er trifft alle wichtigen Entscheidungen und organisiert Ränge sowie Ämter. Das Amt setzt ein hohes Maß an Autorität und Wissen über die Strukturen unserer Gilde voraus.
§3.2 Kriegsrat Die Aufgabe des Kriegsrat ist das Organisieren, Verwalten und Leiten der Schlachtzüge.
§3.3 Berater Mitglieder der Gildenleitung, die sich aus verschiedenen Gründen nicht mehr aktiv an der Leitung der Gilde beteiligen können,
§3.4 Mentor Die Aufgabe eines Mentors ist es Anwärter aufzunehmen und diese zum Ritter auszubilden. (Bericht/ Max. 5 Anwärter)
§3.5 Schwertmeister Anlaufstelle bei allen Fragen und Probleme (erfahrene Mitglieder, Weisungsberechtigt
Ränge Großmeister, Ritter, Anwärter
5. VIRTUELLE UND REALE GEMEINSCHAFT
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
WAS IST EINE GEMEINSCHAFT?
Lange Diskussion über die Begriffe Gruppe, Gemeinschaft, Gesellschaft
Zentraler Bezugspunkt: Ferdinand Tönnies Gemeinschaft des Blutes (Verwandtschaft) Gemeinschaft des Ortes (Nachbarschaft) Gemeinschaft des Geistes (Freundschaft)
Verwandtschaft und Nachbarschaft Modernisierungsprozess
natürlich-determinierte Formen verlieren an Bedeutung Affirmative Formen gewinnen an Bedeutung
Posttraditionale Gemeinschaft Flüchtig, beliebig, unverbindlich, schwach Individualität vs. Gemeinschaft Fortsetzung im WWW?
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
WAS ZEICHNET EINE GEMEINSCHAFT AUS?
Direkte soziale Interaktion Dauerhafter und kontinuierliche Kontakt Gemeinsamer Ort Emotionale Bindung
Zusammengehörigkeitsgefühl Selbstwahrnehmung als Mitglied
Geteiltes Interesse Wissensbestände
Ausbildung einer Umgangskultur Verhaltenscodex
Hierachiche und funktionale Strukturen Rollen/Aufgaben
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
VERGLEICH OFFLINE/ONLINE
Offline Online
Direkte Interaktion ja Medial vermittelt
Dauerhafter Kontakt ja Eher flüchtig (Web 1.0)
Gemeinsamer Ort ja Kein materieller Ort (Netzknoten)
Emotionale Bindung ja ja (Stabilität?)
Selbstwahrnehmung als Mitglied
ja ja
Hierarchische Struktur
ja ja
Geteiltes Interesse/Wissen
ja ja
Umgangskultur ja ja
FAZIT: GEMEINSCHAFT ON-/OFFLINE
Sozialität im Netz? – Dr. Alexander Unger – OVGU Magdeburg
ZUSAMMENFASSUNG: VIRTUELLE SOZIALITÄT
Kritik: Flüchtigkeit, Beliebigkeit, zweifelhafter Charakter Posttraditonale Tendenz Schlechte Ausgangsbedingungen für soziale Bindungen Zersetzung reale Gemeinschaft
Tendenz zur Wahrhaftigkeit und realen Rückbindung Relativierung der Identitätsbeliebigkeit Komplexe und verbindliche Organisationsformen
Trotz virtueller Kommunikation (reale Rückbindung) Web 2.0: stabilere und nachhaltigere Bindungen
Gemeinsames kooperieren + produzieren + vernetzen „Spill-over Effekte“: Verbindung On-/Offline-Sozialität
FAZIT: GEMEINSCHAFT ON-/OFFLINE Lebensweltliche Perspektive:
Virtuelle Angebote werden nachhaltigintegriert
Drei Formen der „Virtualisierung“ Anreicherung Off-Line-Sozialität
Neue Kommunikationsmöglichkeiten (IM) Erweiterung Off-Line Sozialität (SNS)
Basis in realer Sozialität Ausbaumöglichkeiten
„Reine“ virtuelle Sozialität (Gilden) Eher selten
Von der „Zersetzung“ zur „Ergänzung und Anreicherung“ Strikte Trennung nicht sinnvoll
Verknüpfungen, Übergänge, Verschmelzung Chancen und Risiken
Virtuelle Netzwerke als Ressourcen Transformation von Sozialität: Off- und Online
Zusammenspiel: Hybridisierung