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Ausgabe Mai 2/2011 Das Magazin von THEMA Globalisierung der Solidarität CHINA Ausbeutung in der Schmuckstein-Industrie

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china Ausbeutung in der Schmuckstein-Industrie Das Magazin von Ausgabe Mai 2/2011

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Ausgabe Mai 2/2011

Das Magazin von

theMaGlobalisierung der Solidarität

chinaAusbeutung in derSchmuckstein-Industrie

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2 EDITORIAL

Die Arbeit von Solidar Suisse

Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse. In den ärmsten Ländern Afrikas und La-teinamerikas sowie in Schwellenländern wie China und Südafrika (siehe S. 4 und 18) setzen wir uns ein für faire Arbeits-bedingungen, für ausreichende Einkom-men, für Demokratie und für die Einhal-tung von Menschenrechten. Bei Kata- strophen leisten wir zudem humanitäre Hilfe.

Auch in Südosteuropa streben wir mit unseren Programmen bessere Arbeits-bedingungen an. Hier steht der Aufbau von sozialpartnerschaftlichen Strukturen im Vordergrund.

Damit die Armut weltweit überwunden werden kann, braucht es ein Umdenken

Damit eine nachhaltige Entwick-lung weg von Armut, Ausbeutung und Ausgrenzung stattfinden kann, müssen anständig bezahlte Ar-beitsstellen zur Verfügung stehen, die Grundrechte respektiert und die demokratische Mitbestimmung garantiert werden.

Die historische Erfahrung lehrt, dass prekäre Lebensverhältnisse nur von den betroffenen Menschen selbst beseitigt werden können. Wir können sie aber da-bei unterstützen. In diesem Sinn versteht sich Solidar als Entwicklungspartnerin. Wir engagieren uns an der Seite von Ar-beitern und Bäuerinnen, von Arbeitslo-sen und Landlosen, von Gewerkschaf-ten und Basisorganisationen für die

in den reichen Industrienationen, auch in der Schweiz. Solidar setzt sich deshalb mit Kampagnen dafür ein, dass die Schweizer Wirtschafts- und Aussenpoli-tik zur Respektierung der Menschen-rechte beiträgt. Aktuell zum Beispiel mit dem «Solidar-Gemeinderating» (siehe S. 13). Mit die-sem Rating geben wir Gemeinden ein Instrument in die Hand, um globales Denken mit lokalem Handeln zu ver-knüpfen: Sie sollen sich entwicklungs-politisch engagieren und nur fair pro du-zierte Waren einkaufen. Damit unter- stützen wir wirkungsvoll den Kampf um grundlegende Arbeitsrechte in den Ent-wicklungs- und Schwellenländern.www.solidar.ch

Liebe Leserin, lieber Leser, ABB, Nestlé, Swatch und an-dere Schweizer Firmen produzieren in China. Sie verdienen dort gut. Wenn Menschenrechtsorganisationen wie unsere Partnerorganisation Labour Action China (LAC) nach den Ar-beitsbedingungen in ihren Betrieben vor Ort fragen, ist die Antwort häufig: «No comment – darüber sprechen wir nicht.»

Solidar Suisse unterstützt LAC darin, ArbeiterInnen in China zu organisieren und ihre Rechte zu verteidigen (siehe S. 4). Inter-nationale Solidarität will aber mehr: «Ihr müsst mithelfen, dass Schweizer Firmen in China nicht nur Profite machen, sondern

den Menschen nützen», meint LAC-Geschäftsleiterin Suki Chung. Konkret heisst das: Wir setzen uns auch dafür ein, dass im Freihandelsabkommen, das aktuell zwischen der Schweiz und China verhandelt wird, Arbeits- und Menschenrechte ver-ankert werden.

Das Beispiel China steht für unser Entwicklungsverständnis, das sich seit der Gründungszeit des SAH verändert hat. Nicht mehr Hilfe steht im Zentrum sondern solidarische Zusammen-arbeit mit Partnern in Entwicklungs- und Schwellenländern. Wir unterstützen Projekte vor Ort und fordern in der Schweiz eine Politik ein, die soziale Gerechtigkeit fördert.

Dafür steht der neue Name Solidar Suisse (siehe S. 14), den wir uns zum 75. Geburtstag schenken. Zur Jubiläumsveran-staltung mit Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey und Odi-le Bonkougou, Bildungsministerin von Burkina Faso, am 27. Mai in Zürich laden wir Sie herzlich ein (siehe S. 12).

Die Solidarität erscheint ebenfalls im neuen Kleid. Neu ist nicht nur das Layout, sondern auch das Konzept der Schwerpunkt-nummern. Dieses Heft hat die Globalisierung der Solidarität zum Thema, die Solidar mit seiner Arbeit umsetzen möchte. Ich wünsche Ihnen viel Spass beim Lesen!

Ruth Daellenbach, Geschäftsleiterin Solidar Suisse

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Herausgeber: Solidar Suisse, Quellenstrasse 31, Postfach 2228, 8031 Zürich, Tel. 044 444 19 19, E-Mail: [email protected], www.solidar.ch, Postkonto 80-188-1 Mitglied des europäischen Netzwerks SolidarRedaktion: Katja Schurter (verantwortliche Redaktorin), Rosanna Clarelli, Christian Engeli, Alexandre Mariéthoz, Cyrill Rogger

Layout: Spinas Civil Voices und Atelier BinkertÜbersetzungen: Irene Bisang, Ursula Gaillard, Milena Hrdina, Walter RoselliKorrektorat: Marianne Enckell, Jeannine HorniDruck und Versand: Unionsdruckerei/subito AG, Platz 8, 8201 SchaffhausenErscheint vierteljährlich, Auflage: 37 000

Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen (Einzelmitglieder mindestens Fr. 50.–,Organisationen mindestens Fr. 250.– pro Jahr).Gedruckt auf umweltfreundlichem Recycling-Papier.

Titelbild: Unsere Schmucksteine werden in China unter prekären Arbeitsbedingungen hergestellt.Rückseite: Xueying Jiang mit dem Bild ihres an Silikose gestor-benen Mannes (siehe auch Artikel S. 4). Fotos: Ming Pao

AKTUELLSolidar engagiert sich gegen miserable Arbeitsbedingungen in China 4 THEMA Eine wirtschaftlich globalisierte Welt braucht die Globalisierung der Solidarität 6

Was trägt Solidar zur Globalisierung von unten bei? 8

Partnerschaften für Solidarität: Stimmen aus dem Süden, Osten, Norden 10

Solidar-Gemeinderating für globale Gerechtigkeit 13 KOLUMnE 5 nOTIZEn 12

PInGPOnG 14 KULTURELLES Der 1. Mai von Nicaragua bis Burkina Faso 15 nETZWERK Neue Projekte und Entwicklungen im Netzwerk der SAH-Vereine 16 EInBLICK Eddie Cottle hat als Koordinator der WM-Kampagne in Südafrika neue Massstäbe gesetzt 18

AKTUELL Solidar unterstützt die Arbeite- rInnen in der chinesischen Schmuckstein-Industrie im Kampf um ihre Arbeitsrechte. 4

KULTURELLES Wie wird der 1. Mai in Solidar-Schwerpunktländern begangen? 15

EInBLICK Eddie Cottle sorgt dafür, dass die Erfahrungen der Kampagne für würdige Arbeitsbedingungen rund um die WM in Südafrika weiter wirken.

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THEMASo könnte eine Partnerschaft für die Globalisierung der Solidarität aussehen: in den Ländern des Südens und Ostens – und in der Schweiz. 6

IMPRESSUM

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4 AKTUELL

Keine MasKen, Keine Verträge, Keine entschädigungViele Steine, die Schmuck in Schweizer Geschäften zieren, werden unter miserablen Arbeitsbedingungen in China hergestellt. Labour Action China unterstützt den Kampf der ArbeiterInnen um ihre Rechte.Interview: Katja Schurter, Fotos: Ming Pao

Obwohl China weltweit das grösste Wirt-schaftswachstum hat, gibt es in absolu-ten Zahlen am meisten Arme: 150 Millio-nen Menschen oder 12 Prozent der Bevölkerung leben mit weniger als ei-nem Dollar pro Tag. Besonders auf dem Land ist die Armut gross, weshalb viele in den boomenden Städten nach Arbeit su-chen. Dort finden sie schlechte Arbeits-bedingungen vor. Zum Beispiel in der Schmuckstein-Industrie in der Provinz Guangdong. Unsere Partnerorganisation Labour Action China (LAC) unterstützt die ArbeitsmigrantInnen seit 2004 im Kampf um ihre Arbeitsrechte. Ende März besuchten Suki Chung und Hang Tung Chow auf Einladung von Solidar, Unia und Solifonds die Schweiz. Wir haben ih-nen ein paar Fragen gestellt.

Was sind die Hauptprobleme der ArbeiterInnen in der Schmuckstein-Industrie?Die gefährlichen Arbeitsbedingungen. Die ArbeiterInnen erhalten nur einmal im Monat eine Papiermaske gegen den Staub. Diese waschen sie, um sie mehr-mals verwenden zu können. In den Fabri-ken gibt es keine Lüftungen. Nach zwei Stunden sind die ArbeiterInnen von Kopf bis Fuss mit Staub bedeckt. Sie müssen die Steine mit blossen Händen in sehr

kleine Stücke schneiden und färben. Die Folge sind Krankheiten wie Silikose (Staub lunge), abgeschnittene Finger, Er-tauben wegen des Maschinenlärms. Laut WHO müssen alle Fabriken von staatli-chen Gesundheitsinspektionen überprüft werden. Die offiziellen Statistiken zeigen aber, dass dies bei weniger als einem Prozent der Fabriken geschieht. Die Ar-beitgebenden müssen also keine Konse-quenzen befürchten, wenn sie die Sicher-heitsbestimmungen nicht einhalten. Die Arbeitszeit beträgt 12 Stunden, dazu kommen meist Überstunden. Mehr als 80 Prozent der ArbeiterInnen haben kei-ne Verträge, und die Löhne sind tief.

Was geschieht, wenn die ArbeiterIn-nen an Silikose erkranken?Meist sind sie dann schon entlassen – oder ihnen wird gekündigt, weil sich die ersten Symptome zeigen. Sie wissen nicht, dass sie das Recht auf Kompensa-tion haben und gehen zurück in ihren Herkunftsort. Ohne Arbeitsvertrag kön-nen sie auch kaum beweisen, dass sie für die Firma gearbeitet haben, ge-schweige denn vor Gericht gehen. Die ArbeiterInnen erzählen uns, dass ihnen die Spitäler vor Ort eine offizielle Diagno-se verweigern, weil diese von den Arbeit-gebenden bestochen werden. Eine

Dia gnose aus Spitälern ihrer Herkunftsregio-nen wird jedoch vor Gericht nicht anerkannt.

Was braucht es, um die Arbeitsbedin-gungen zu verbessern? Das Problem ist die extrem ungleiche Machtverteilung zwischen Arbeitgeben-den und Angestellten. Die Regierung ist immer auf der Seite der ArbeitgeberIn-nen, denn sie will die Wirtschaft ankur-beln – und dafür braucht es ausländische Investitionen. In China gibt es keine Ge-werkschaftsfreiheit. Zugelassen ist ein-zig die All-China Federation of Trade Unions (ACFTU), die Teil der Regierung ist und zur Kontrolle der ArbeiterInnen eingesetzt wird und nicht, um ihre Inte-ressen zu vertreten. Die legalen und in-stitutionellen Hindernisse für ArbeiterIn-nen, ihre Rechte einzufordern, müssen beseitigt werden. Und es braucht einen effektiven Schutz. Das würde nicht mal so viel kosten – die Kompensationszah-lungen sind viel teurer!

Welche Strategie verfolgt LAC?Wir organisieren die ArbeiterInnen, un-terstützen sie, wenn sie gerichtlich gegen

Hang Tung Chow und Suki Chung von

Labour Action China kämpfen gegen

gesundheitsschädi-gende Arbeitsbedin-

gungen in der chinesischen

Schmuckindustrie.

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Hans-Jürg FehrPräsident Solidar Suisse und SP-Nationalrat

Solidar setzt sich seit Jahren dafür ein, dass die Entwicklungszusam-menarbeit unterstützt wird durch eine Aussenwirtschaftspolitik, die der Nachhaltigkeit verpflichtet ist. Unsere Trägerorganisation SP pocht im Par-lament immer wieder mit Nachdruck auf die Integration von sozialen, öko-logischen und menschenrechtlichen Mindeststandards in die Wirtschafts-abkommen der Schweiz mit Entwick-lungs- und Schwellenländern. Nun gibt es erste Erfolge für diese politi-sche Arbeit zu melden: In das interna-tionale Kakaoabkommen ist erstmals ein Kapitel «Nachhaltige Entwick-lung» eingefügt worden. Die Unter-zeichnerstaaten verpflichten sich zur «Verbesserung der Arbeitsbedingun-gen der im Kakaobereich tätigen Be-völkerung» und haben dabei insbe-sondere die Kernarbeits normen der Internationalen Arbeitsorganisation zu beachten. Das Abkommen enthält sogar Verfahrensregeln zur effekti-ven Durchsetzung dieser Normen und macht damit den entscheidenden Schritt von der Proklamation schöner Grundsätze zu deren Anwendung. Das Kakaoabkommen widerlegt die bisher vom Bundesrat vertretene Po-sition, die Entwicklungsländer selbst lehnten solche Nachhaltigkeitskapitel ab. Es setzt den Massstab, hinter den kein Handelsabkommen mehr zu-rückfallen darf. Schon gar nicht das mit China angestrebte Freihandels-abkommen. Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates hat den Bundesrat beauftragt, ein Nach-haltigkeitskapitel zu verhandeln. Noch ein kleiner Durchbruch.

KOLUMNE

Durchbruch

ihre ArbeitgeberInnen vorgehen, und führen eine internationale Kampagne. Der gerichtliche Weg ist eine effektive Strategie, um Rechte einzufordern. Es braucht aber auch sozialen Druck, damit sich etwas verändert. China ist das Pro-duktionsland, viele Hongkonger Firmen sind in der Schmuckstein-Industrie tätig, und die Schweiz ist eine grosse Abneh-merin. Wir üben Druck auf Hongkonger Firmen aus, indem wir vor ihrem Haupt-sitz protestieren. Eine davon war Lucky Gems, die in China Tausende von Arbei-terInnen beschäftigt und zu den grössten Exporteurinnen von Halbedelsteinen Asi-ens gehört.

Mit eurer Kampagne habt ihr erreicht, dass Lucky Gems dieses und letztes Jahr von der Uhren- und Schmuck-messe Baselworld ausgeschlossen wurde. Wie ist euch das gelungen?Der Durchbruch gelang uns nach fünf Jahren Kampagne gegen Lucky Gems aufgrund von sechs Gerichtsprozessen wegen Verletzung des Gesetzes für Ar-

beitsgesundheit (siehe S. 20). Es ist das erste Mal, dass ein Hongkonger Unter-nehmen wegen Verletzung der Arbeits-rechte von einer internationalen Messe ausgeschlossen wird. Wir haben damit aber auch eine Verbes-serung der Arbeitsbedingungen bei Lu-cky Gems erreicht: eine Lüftung, industri-elle Masken und Handschuhe für die ArbeiterInnen. Den Maschinen wird nun beim Schneiden der Steine Wasser zu-geführt, damit es weniger Staubentwick-lung gibt. Dies ist ein bedeutender Erfolg, denn Prävention ist wichtiger als Kom-pensation.

Was können wir in der Schweiz tun?Ihr könnt Druck machen auf die 300 in China tätigen Schweizer Firmen, die im Jahr 2009 300 Millionen Franken inves-tierten. Wenn die Arbeitsstandards in China höher sind, fällt die Konkurrenz zwischen billiger Arbeit in China und teu-ren Jobs in der Schweiz weg. www.lac.org.hk

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PaKistanalles ist KaPutt

Wenn Bäuerinnen in Moçambique angemessene Preise für ihre Produkte erhalten, können sie sich aus der Armut befreien.

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globalisierung der solidaritätIn einer wirtschaftlich globalisierten Welt braucht es auch eine Globalisierung der Solidarität, um die Ausbeutung zu stoppen und einen sozialen Ausgleich zu erreichen. Dies ist nur möglich, wenn Organisationen, die für eine gerechtere Gesellschaft einstehen, international zusammenarbeiten. Wie eine solche weltumspannende Partnerschaft für nachhaltige Ent-wicklung aussehen könnte, ist Gegenstand der folgenden Texte. Text: Zoltan Doka, Fotos: Jürg Gasser (o.), Alberto Vargas (S. 8), Joachim Merz und Svetlana Dingarac (S. 9)

THEMA

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Das Wort Globalisierung ist seit der neoliberalen Wen-de Anfang der 1980er Jah-re in aller Munde. Es meint die Globalisierung der Märkte, des Handels, der Kapitalströme und der Ar-beitskräfte. Diese Art der Globalisierung hat vor allem in den Entwicklungslän-dern, aber auch in den Industrienationen negative Auswirkungen.Die Globalisierung hat die Ausgrenzung und Prekarisierung von Millionen von Menschen beschleunigt. Die fortgesetz-ten Deregulierungen führten zur gröss-ten Finanzkrise seit 80 Jahren, deren Preis nicht die VerursacherInnen zahlen.

Der spekulative Handel mit Lebensmit-teln hat Hunger und Armut zur Folge. Und die Umwelt wird unter dem Primat der Rendite nach wie vor schamlos aus-gebeutet. Diese Kehrseite der Globali-sierung lässt heute über eine Milliarde Menschen in Armut zurück. Die Finanzin-dustrie im Norden unterstützt die Kapital-flucht der Mächtigen aus dem Süden weiterhin tatkräftig. Und entzieht damit

den Ländern des Südens Milliarden an dringend benötigten Steuermitteln, die sie für die Entwicklung ihres Landes brau-chen würden.

Globalisierung von untenEs gibt aber auch eine Globalisierung von unten, die nicht von Macht- und Ka-pitalinteressen angetrieben wird. Zum Beispiel, wenn Bäuerinnen und Gewerk-schafter sich zu Aktionsbündnissen zu- sammenschliessen, wenn Menschen-rechtsorganisationen politische Trans-parenz einfordern, wenn ArbeiterInnen Widerstand gegen ihre Ausbeutung leis-ten. Diese Beispiele sind global, weil sie sich über die Grenzen hinweg vernetzen.

Ore velit ipsustrud dolobortie et praesecte mincidunt irit praesedIpit ulla amet venim

Die wirtschaftliche Globalisierung lässt über eine Milliarde Menschen in Armut zurück

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THEMA 9

Sie stellen die Menschen und ihre Grund-rechte, die soziale Gerechtigkeit ins Zent rum und nicht die Rendite.

Kooperation auf gleicher AugenhöheSolidar Suisse ist Teil dieser Globalisie-rung von unten. In langfristiger Zusam-menarbeit mit Partnerorganisationen im Süden und im Osten unterstützen wir diese in ihrem täglichen Engagement für eine solidarische und gerechtere Welt. Dabei geht es um weit mehr als die Fi-nanzierung ihrer Projekte. Es ist eine Partnerschaft, die von Solidarität und ge-genseitigem Respekt geprägt ist. Sie hat immer das konkrete Ziel vor Augen, die

Lebensumstände der Men-schen zu verbessern. Die Tätigkeit unserer Part-nerorganisationen besteht oft in beharrlicher Bildungs-,

Informations- und Kampagnenarbeit, de-ren Erfolg sich manchmal erst nach Jah-ren zeigt – wie bei uns in der Schweiz, wo viele soziale Errungenschaften oft erst nach Jahrzehnten der politischen Ausei-nandersetzung erreicht worden sind und nach wie vor verteidigt und erkämpft werden müssen.

Verantwortung im nordenIn der Schweiz und in Europa weist Soli-dar Suisse mit seinen Kampagnen auf unsere Mitverantwortung für eine solida-rische und gerechtere Welt hin und zeigt konkrete Handlungsmöglichkeiten auf. Dabei spielt die Trägerschaft von Solidar – die Gewerkschaften und die SP – eine

wichtige Rolle. Gemeinsam können wir die Anliegen und Forderungen breit ab-gestützt in die Gesellschaft und in die Politik tragen. Und auf europäischer Ebe-ne wirken wir in unserem Netzwerk Soli-dar aktiv an einer progressiven und men-schenwürdigen Politikgestaltung mit.Auf den folgenden Seiten beleuchten PartnerInnen von Solidar Suisse aus ih-rer Perspektive, warum es eine Globali-sierung der Solidarität braucht und wie die Kooperation mit Solidar dazu beiträgt.

Ob in Nicaragua, Moçambique oder Serbien: Solidar engagiert sich in

Zusammenarbeit mit seinen Partnerorganisationen für eine Welt

ohne Gewalt und Ausbeutung.

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10 THEMA

Khalid Mahmood Mit den Program-men des Internationalen Währungsfonds IWF ab den 1980er Jahren wurden in Pakistan Subventionen gestrichen und Staatsbetriebe privatisiert. Dies kostete zwei bis drei Millionen ArbeiterInnen die Stelle: Immer mehr Menschen mussten informell unter schlechten Bedingungen arbeiten, und die Löhne sanken. Da de-mokratische Institutionen fehlen, können Arbeitsrechte kaum eingefordert werden. So verdienen Frauen für die gleiche Ar-beit die Hälfte und sind wegen der allge-genwärtigen männlichen Dominanz nicht frei, zu arbeiten. Sie müssen selbst über ihr Leben entscheiden und sich organi-sieren können. Deshalb ist die demokra-tische Entwicklung der Gesellschaft ein

Ziel der Labour Education Foundation. Wie wichtig die Vernetzung mit Basisor-ganisationen ist, hat auch die Zusam-menarbeit mit Solidar Suisse nach den Überschwemmungen in Pakistan ge-zeigt: NGOs, Parteien und Gewerkschaf-ten kamen zusammen, um den Men-schen zu helfen. Unsere Freiwilligen vor Ort trugen viel zu dieser Hilfsaktion bei. Wenn die KapitalistInnen die Welt nach ihren Interessen globalisieren, sollten die ArbeiterInnen ihre eigene Globalisierung organisieren. Ihre Situation ist in vielen Ländern des Südens ähnlich: Im Zuge der Deregulierungspolitik wurden ihre Rechte beschnitten. Im Norden haben sie ihre Jobs verloren, weil die Unterneh-men die billigsten Arbeitskräfte im Süden

suchen. Wir können viel voneinander ler-nen: auch der Norden vom Süden. Wenn wir gemeinsam für gleiche Rechte kämp-fen, überlegen es sich Firmen zweimal, ihre Produktion nach Pakistan auszula-gern, und so verlieren die ArbeiterInnen in der Schweiz ihre Jobs nicht.

Ruth Genner Ich lege es gerne offen: Die Kampagne von Solidar hat mitgehol-fen, dass Zürich die faire Beschaffung vorantrieb. Zum einen fühlten wir uns di-rekt angesprochen, zum anderen löste die Kampagne Fragen in der Bevölke-rung, im Parlament und in den Medien aus. Dies hat durchaus den Druck erhöht, vorwärts zu machen. 2007 beschloss die Stadt Zürich ein Be-schaffungsleitbild. Es enthielt jedoch Lücken in sozialen Belangen. Deshalb ergänzte der Stadtrat das Leitbild ver-gangenes Jahr mit sozialen Richtlinien. Umgesetzt werden diese unter anderem mit einem Verhaltenskodex für Vertrags-partnerInnen der Stadt Zürich, die zum Beispiel bei Steinen von ausserhalb Eu-ropas ein international anerkanntes Zer-tifikat einreichen müssen.

Martin Dahinden, Deza-Direktor

Zivilgesellschaft – treibende Kraft für Wandel

Jelena Mijovic, Vertreterin von Solidar Suisse in Serbien

Warum es Sozial part- nerschaften braucht Ruth Genner,

Vorsteherin Tiefbau- und Entsorgungs-departement der Stadt Zürich

Die Solidar- Kampagne hat gewirkt

Khalid Mahmood, Labour Education Foundation, Pakistan

Die ArbeiterInnen brauchen weltweit gleiche Rechte

Stimmen aus dem Süden, Osten, Norden zur Frage, wie Partnerschaften für eine Globali-sierung der Solidarität aussehen könnten.

Von gleichen rechten Profitieren alle

Globalisieren wir die Hoffnung

Yolanda Areas Blass und José Angel Bermúdez, nicaraguanische GewerkschafterInnnen

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THEMA 11

Zürich hat sich der Nachhaltigkeit ver-schrieben. Dazu gehören auch faire Ar-beitsbedingungen, denn das Konzept der Nachhaltigkeit hat neben der ökologi-schen und der ökonomischen eine sozia-le Dimension. Diesbezüglich hat die öf-fentliche Hand als bedeutende Kundin einen beträchtlichen Einfluss, der keines-wegs lokal begrenzt ist. Ich bin froh, wenn Solidar diese Botschaft weiterträgt.

Martin Dahinden Die Überwindung der Armut ist das zentrale Anliegen der Entwicklungszusammenarbeit. Um es zu erreichen, müssen die betroffenen Men-schen konsequent im Mittelpunkt aller Anstrengungen stehen. Dafür braucht es eine funktionierende Zivilgesellschaft.In vielen Ländern des Südens ist die Re-gierung nicht demokratisch legitimiert. Korruption und Misswirtschaft sind an der Tagesordnung. Eliten bereichern sich zuweilen schamlos an den Reichtümern des Landes. Arme, marginalisierte Bevöl-kerungsgruppen, oft sogar die Bevölke-rungsmehrheit, gehen dabei leer aus.Unter diesen Voraussetzungen spielt die Zivilgesellschaft eine entscheidende Rol-le: Sie ist der wichtige öffentliche Raum,

in dem sich Menschen organisieren und für ihre Anliegen eintreten. Vielerorts ist sie die treibende Kraft für gesellschaftli-chen und politischen Wandel – wie auch die jüngsten Ereignisse im arabischen Raum belegen und bestätigen.Sowohl private NGOs wie Solidar Suisse als auch die Deza messen deshalb der Zivilgesellschaft eine grosse Bedeutung bei. Sie gründet nicht zuletzt in unserer eigenen geschichtlichen Erfahrung und der Art, wie wir eine partizipative Demo-kratie verwirklicht haben.

Jelena Mijovic Die Zahl der Armen in Serbien steigt zusehends und droht, jeg-lichen Optimismus im Land zu ersticken. Um die wachsende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die schwere ökonomi-sche Krise zu lindern, die nun fast zwan-zig Jahre andauert, steht uns zurzeit nur ein Werkzeug zur Verfügung: der Sozial-dialog mit dem Ziel sozialer Partner-schaften. Sozialdialog heisst, die gegne-rischen Parteien in einen Dialog ein- zubinden und Arbeitgebende, Gewerk- schaften und die Regierung an einen Tisch zu bringen. Vereinbarungen zur sozialen Partnerschaft, die zur Lösung

alltäglicher Probleme der Arbeitswelt beitragen, können ein nachhaltiges Wirt-schaftswachstum bewirken. Die Programme von Solidar erhöhen das Bewusstsein der PartnerInnen für die Wichtigkeit des Sozialdialogs in Serbien. Weiterbildungen stärken ihre Verhand-lungsfähigkeit, so dass sie ihre Anliegen an den Treffen mit ihren GegenspielerIn-nen in der Arbeitswelt einbringen können. Denn nur in einer gemeinsamen Anstrengung können die Arbeitslosig-keits- und Armutsraten in Serbien ge-senkt werden.Jüngst hat die Unterstützung von Solidar ein konkretes Ergebnis gebracht: Im De-zember 2010 wurde die erste Branchen-vereinbarung im Baugewerbe, im Febru-ar 2011 in der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie unterzeichnet.

Yolanda Areas Blass und José Angel Bermúdez Weil wir in einer globalisier-ten Welt mit einem globalisierten Wirt-schaftssystem leben, müssen wir auch unsere Rechte, die Solidarität, unsere Hoffnungen, das Leben in Würde globali-sieren. Es geht um die Globalisierung des Kampfs der Mehrheit für eine andere Welt, in der wir ohne Gewalt und Unter-drückung leben können. Die Gewerkschaften sind dabei wichtige PartnerInnen. Solidar unterstützt uns bei der gewerkschaftlichen Organisierung der ArbeiterInnen in Nicaragua. Dies hat dazu beigetragen, dass die Schere zwi-schen Arm und Reich ein bisschen klei-ner geworden ist. Unser Interesse ist es, grössere soziale Gleichheit durchzuset-zen, eine Gesellschaft, in der das Wohl-befinden der Menschen im Zentrum steht. Hier treffen wir uns, denn dies ist ebenso das Ziel der schweizerischen Ge-werkschaften. Die solidarische internati-onale Zusammenarbeit ist für uns kein karitativer Akt. Wir sind gleichberechtigte PartnerInnen, die sich in der Konfrontati-on mit ihren Problemen und bei der Errei-chung ihrer gemeinsamen Ziele beglei-ten. Denn angesichts der globalen Krise des Kapitalismus bleibt uns ArbeiterIn-nen nur die Solidarität.

Warum es Sozial part- nerschaften braucht

CARTOOn

von Anna Sommer

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Fair Games – Fair Play: von Südafrika nach BrasilienAnfang April 2011 hat die Internationale Bau- und Holz-Gewerkschaft (BHI) ihre Kampagne für faire Arbeitsbedingungen bei der Fussball-WM 2014 in Brasilien lanciert. In Rio de Janeiro forderten Ver-treterInnen von Gewerkschaften und NGOs von der Fifa und der brasiliani-schen Regierung einen Dialog darüber, wie würdige Arbeitsbedingungen im Vor-feld der Weltmeisterschaft sichergestellt werden können. Die brasilianischen Mit-gliedsgewerkschaften der BHI kämpfen für die Ausweitung der Gesamtarbeits-verträge auf Subunternehmen, für faire Löhne, gewerkschaftliche Organisations-freiheit, die 40-Stunden-Woche auf dem Bau, die Schaffung neuer, dauerhafter Arbeitsplätze und für Weiterbildung.Die Kampagne in Brasilien kann auf der Erfolgsgeschichte in Südafrika aufbauen (siehe S. 18). In den nächsten Jahren werden in Brasilien knapp 100 Milliarden Franken in Infrastrukturbauten investiert (Verkehr, Tourismus, Stadien). Das 20-fa-che des Bauvolumens in Südafrika. Wie in Südafrika wird es Aus dauer und eine enge Zusammenarbeit zwischen Ge-werkschaften, NGOs und Kampagnenor-ganisationen brauchen, um faire Arbeits-bedingungen durchzusetzen und die Chancen für Entwicklung und Armutsbe-kämpfung zu nutzen. Der Anfang ist ge-macht.www.solidar.ch/news

Silver Rose für Partner-organisation von Solidar SuisseDie diesjährige Silver Rose, die Aus-zeichnung des europäischen Netzwerks Solidar für herausragende Solidaritäts-arbeit, ging an drei PreisträgerInnen.Mit der Labour Education Foundation (LEF), mit der Solidar Suisse seit den Überschwemmungen in Pakistan zu-sammenarbeitet (siehe S. 10), wurde eine Organisation geehrt, die sich seit Jahren für gerechte und faire Arbeits-

bedingungen einsetzt. Mit Kampagnen- und Bildungsarbeit sowie der Organi-sierung Tausender von Arbeite- rInnen in Gewerkschaften trägt LEF dazu bei, dass die Decent-Work-Agen-da in Pakistan durchgesetzt wird. Neben LEF wurden die Latvian Trade Union of Health and Social Care Em-ployers (Litauische Gewerkschaft) und Robert Badinter, der sich für die Ab-schaffung der Todesstrafe in Frank-reich eingesetzt hat, ausgezeichnet. www.solidar.org

nothilfe in West Sumatra abgeschlossenNach dem Erdbeben, das West Sumat-ra im September 2009 erschütterte und über 1000 Menschen tötete, hat Solidar Suisse Nothilfe geleistet (siehe Solidarität 1/10). In temporären Notun-terkünften fanden mehr als 3000 Men-schen Schutz, bis ihre Häuser wieder aufgebaut waren. Um den Wiederauf-bau von insgesamt 200 000 zerstörten Häusern zu unterstützen, haben wir 113 Handwerker in erdbebensicheren Baumethoden ausgebildet. Ausserdem bauten wir in Kooperation mit dem Schweizerischen Roten Kreuz für 992 Haushalte Gemeinschaftstoiletten, wel-che die Gesundheitssituation der Be-völkerung nachhaltig verbessern. Kurz-

fristig konnte Solidar im Oktober 2010 auch die Opfer des Tsunamis auf den Mentawai-Inseln mit Lebensmitteln, Decken und Kochutensilien unterstüt-zen (siehe Solidarität 1/11). Mit dem Abschluss des Wiederaufbaus schliesst Solidar Suisse im Mai sein Büro in Padang und beendet seine Ak-tivitäten in Indonesien.

Ein Grund zum Feiern?An der Jubiläumsveranstaltung von Soli-dar werden sich Bundespräsidentin Mi-cheline Calmy-Rey und Odile Bonk-oungou, Bildungsministerin von Burkina

Faso, über Erfolge und Grenzen der Ent-wicklungszusammenarbeit unterhalten. Anschliessend überbringen SP-Präsi-dent Christian Levrat, SGB-Präsident Paul Rechsteiner und Joe Weidenholzer, Präsident des europäischen Netzwerks Solidar, Grussbotschaften zum Jubiläum. In einer Ausstellung wird die Arbeit von Solidar Suisse präsentiert und die Gele-genheit geboten, mit den VertreterInnen unserer Auslandbüros ins Gespräch zu kommen. Ein Apéro mit Musik von Tre-mozioni lässt den Abend ausklingen. Freitag, 27. Mai, ab 17.30 Uhr im Volks-haus Zürich. www.solidar.ch/agenda

nOTIZEn

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rating für globale gerechtigKeitMit einem Rating will Solidar Suisse das globale Verant-wortungsbewusstsein in Schweizer Gemeinden stärken. Text: Cédric Wermuth

THEMA

Solidar Suisse arbeitet in elf Ländern und 50 Projekten mit lokalen PartnerIn-nen an der Verbesserung der Lebensbe-dingungen der Menschen. Die konkrete Zusammenarbeit vor Ort ist aber nur eine Seite der Medaille. Damit sich an der Si-tuation der Menschen in den Entwick-lungsländern nachhaltig etwas ändert, braucht es auch eine Verhaltensände-rung aller AkteurInnen aus Staat, Gesell-schaft und Wirtschaft in den Ländern des Nordens. Unser Verhalten hat direkte Auswirkungen auf die Lebensbedingun-gen anderer Menschen: So etwa, wenn wir uns entscheiden, Fair-Trade-Kaffee zu kaufen, oder wenn eine Gemeinde für den neuen Schulhausplatz auf Pflaster-steine aus Kinderarbeit verzichtet.

Global denken – lokal handelnSolidar sensibilisiert mit seiner Kampag-nenarbeit die AkteurInnen in der Schweiz für ihre globale Verantwortung. Eine zen-trale Rolle kommt dabei der öffentlichen Hand zu – sprich dem Bund, den Kanto-

nen und den Gemeinden. Sie haben eine Vorbildfunktion für die KonsumentInnen und für Unternehmen. Diese soll mit dem «Solidar-Gemeinderating – global den-ken, lokal handeln» gestärkt werden.

Handlungsmöglichkeiten aufzeigenDas Solidar-Gemeinderating untersucht über 70 Gemeinden in der ganzen Schweiz darauf, wie Behörden und Ver-waltung ihre globale Verantwortung wahrnehmen. Konkret prüfen wir, ob die Gemeinden sozial nachhaltig einkaufen und inwiefern sie sich in der Entwick-lungszusammenarbeit engagieren. Ge-genwärtig werden die ersten Resultate publiziert. Klar ist: Die Unterschiede zwi-schen den Gemeinden sind enorm. Auch dann, wenn Gemeinden ähnlicher Grös-se miteinander verglichen werden. Viele Gemeinden, die eine tiefe Punktzahl er-reichen, sind überrascht: Oftmals sind ih-nen die direkten Auswirkungen ihres Verhaltens auf die Menschen auf einem

ganz anderen Punkt des Globus gar nicht bewusst. Hier setzt das Solidar-Gemein-derating an. Mit den gesammelten Infor-mationen bewerten wir die Gemeinden nicht nur, sondern zeigen konkret auf, wo sie in ihrer täglichen Arbeit verantwor-tungsbewusster handeln können. So werden die Schweizer Gemeinden zu ge-wichtigen Partnerinnen für die Globali-sierung der Solidarität.

Wie schneidet ihre Gemeinde ab? Welche ist die verantwortungsbe-wussteste Gemeinde in der Schweiz? Schauen Sie jetzt nach unter: www.solidar.ch/gemeinderating

Fairste Gemeinde

Ausgaben für Entwicklungs-zusammenarbeitAusgewählte Städte, in Franken pro EinwohnerIn und Jahr (Zahlen 2009):

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19.50 Genf9.70 Basel6.80 Zürich2.50 Bern0.30 Chur

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14 PInGPOnG

Schicken Sie das Lösungswort an Solidar – mit dem beiliegenden vorfrankierten Service-Talon, einer Postkarte oder per E-Mail an [email protected], Betreff «Rätsel». Jede richtige Lösung nimmt an der Verlosung teil.

1. Preis Ein Einkaufsgutschein der gebana im Wert von Fr. 100.–2. und 3. Preis Einkaufsgutscheine von gebana im Wert von je Fr. 50.–

Die Preise wurden uns freundlicherweise von der gebana zur Verfügung gestellt.

Einsendeschluss ist der 4. Juli 2011. Die Namen der GewinnerInnen werden in der Solidarität 3/2011 veröffentlicht. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechts - weg ist ausgeschlossen. Von der Teilnahme ausgeschlossen sind Mitarbeitende von Solidar.

Das Lösungswort des Rätsels in Solidarität 1/2011 lautete «Solidar Suisse». Die GewinnerIn-nen sind ausgelost: Christian Steiner aus Seltisberg hat eine Umhängetasche, Barbara Wyss Flück aus Solothurn ein Seidentäschchen und Christoph Meier aus Bern ein Etui gewonnen, alles Produkte des Werkstücks des SAH Basel. Wir danken den MitspielerInnen für ihre Teilnahme und dem Werkstück für die gestifteten Preise.

SAH-REBUS

Die nächste Solidarität widmet sich dem Schwerpunktthema «Menschenwürdige Arbeit als Armutsbekämpfungsstrate-gie». In diesem Zusammenhang möchten wir gerne von Ihnen wissen, was menschenwürdige Arbeit für Sie bedeutet. Was ist Ihrer Ansicht nach der minimale Standard, der für alle Menschen weltweit gelten sollte?

Würdige Arbeitsbedingungen beinhalten für mich: Existenz sichernder Lohn Keine Diskriminierung Sicherheit am Arbeitsplatz Kranken- und Unfallversicherung Kündigungsschutz Altersversorgung Keine Zwangs- und Kinderarbeit Bezahlter Mutterschaftsurlaub Arbeitslosenversicherung Fünf Wochen Ferien Lohngleichheit für Frauen und Männer Freie gewerkschaftliche Organisierung Gesundheitsförderung Gesamtarbeitsverträge Einhaltung der Menschenrechte

Solidaritäts-Barometer Spielregeln

Wenn Sie die Bilder benennen und die neben den Bildern angegebenen Buchstaben streichen oder austauschen, ergibt sich das Lösungs-wort.

AUSWERTUnG BAROMETER

Bringt der neue Name unsere Werte und Ziele zum Ausdruck?

Die Zustimmenden fanden, der Name Schweize-risches Arbeiterhilfswerk SAH sei nicht mehr zeitgemäss, Solidar Suisse hingegen modern, aussagekräftiger und grenzüberschreitend. Ausserdem würden die Frauen nicht mehr ausgeschlossen. Schlecht fanden LeserInnen den Namenswechsel, weil der Bezug zur Arbeiterbewegung verloren gehe und der Name nichts sagend sei. Es wurde auch die Sorge geäussert, das SAH könnte dadurch an Bekanntheit verlieren.

Befürworten Sie den Namenswechsel von Schweizerisches Arbeiterhilfswerk SAH zu Solidar Suisse?

37 ja 36 nein 3 keine eindeutige Antwort

Kommentar von Christian Engeli, Leiter Kommunikation Nach 75 Jahren haben wir uns einen neuen Namen gegeben. Er vermittelt kurz, prägnant und unmissverständlich, was der Grundwert unserer Arbeit ist: Solidarität. Solidar verdeutlicht auch unseren partner-schaftlichen Ansatz. Der Begriff «Hilfswerk» ist aus der Entwicklungszusammenarbeit längst verschwunden, weil er ein paternalistisches Verständnis ausdrückt. Wir verstehen uns als Entwicklungspartnerin, die vor Ort mit Basisorganisationen der Zivilgesellschaft zusammenarbeitet, um sie in ihrem Kampf um fundamentale Rechte und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu unterstützen.Der bisherige Name Schweizerisches Arbeiterhilfswerk wurde häufig nicht mit unserer internationalen Entwicklungszusam-menarbeit assoziiert. Der neue Name schafft hier mehr Klarheit. Der Name ist neu, unser Engagement bleibt gleich: Wir setzen uns mit unseren Projekten und Kampagnen dafür ein, dass die Welt etwas gerechter wird. Unsere Solidarität zählt!

33 Solidarität19 Partnerschaftliche Entwicklungs- zusammenarbeit16 Gerechtigkeit16 Würdige Arbeitsbedingungen14 Überwindung von Armut und Ausbeutung11 Demokratie

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KULTURELLES 15

der 1. Mai da und dortWie wird eigentlich der Mai in unseren Schwerpunktländern gefeiert und welche Bedeutung hat er? Ein Streifzug.Text: Katja Schurter, Fotos: FNT, Nicolás Quinteros, Abdoul Karim Sawadogo

nicaragua: Tag der ArbeiterInnen

«Der 1. Mai ist der Tag der ArbeiterInnen, nicht der Tag der Arbeit», meint José An-gel Bermúdez, Generalsekretär der FNT (Frente Nacional de los Trabajadores), dem grössten Gewerkschaftsbund Nica-raguas und Partner von Solidar Suisse. Als 1889 in Paris der 1. Mai zum Tag der ArbeiterInnen erkoren wurde, geschah dies im Gedenken an zehn Jahre Kampf um menschenwürdigere Arbeitsbedin-gungen und humanere Arbeitszeiten, in dessen Verlauf zu viele KämpferInnen ihr Leben lassen mussten. «Zum 1. Mai or-ganisiert die FNT deshalb landesweit Versammlungen, in denen wir uns Ge-danken machen über erreichte und ver-fehlte Ziele sowie über neue Heraus-forderungen.» Zu den wichtigsten Er- rungenschaften der letzten Jahre zählen die Erhöhung der Mindestlöhne und die Unterzeichnung eines Kollektivarbeits-vertrages mit den «Maquilas». Neben ge-regelten Löhnen und gesetzlich vorgege-benen Leistungen schliesst dieser Vertrag auch medizinische Behandlung und sozialen Wohnungsbau ein.

Kosovo: Sozialer DialogFriedliche Proteste der Gewerkschaften, begleitet von ehemaligen Angestellten aus dem öffentlichen Dienst und Rentne-rInnen, markieren die 1.-Mai-Feierlichkei-ten im Kosovo. Die Menschen versam-meln sich auf dem zentralen Platz in Pristina und äussern ihre Forderungen zur Verbesserung der Arbeitsrechte wie zum Beispiel «Anständige Löhne für An-gestellte» oder «Wir wollen sozialen Dia-log». In anderen Städten im Kosovo gibt es keine öffentlichen 1.-Mai-Feierlichkei-ten, weshalb die Leute mit FreundInnen und Familie für ein Picknick aufs Land fahren, Essen gehen oder eines der Kon-zerte besuchen, die landesweit zum 1. Mai organisiert werden.

Bolivien: 105 Jahre 1. Mai

Bolivien feiert den 1. Mai seit 1906. Seit Jahrzehnten organisiert die Gewerk-schaft Central Obrera Bolivia (COB) die 1.-Mai-Demonstrationen – sowohl in La Paz, wo 2010 zwischen 15 000 und 20 000 Personen teilnahmen, als auch in den Departementshauptstädten. Dort werden Arbeitsrechte eingefordert, die-ses Jahr zum Beispiel eine Erhöhung des Mindestlohns auf 8300 Bolivianos (1190 Franken) – gegenüber dem von der Re-

gierung vorgeschlagenen Mindestlohn von 815 Bolivianos (117 Franken). Denn obwohl die Regierung die geplante Erhö-hung des Benzinpreises Ende 2010 auf-grund von Protesten wieder zurück- nehmen musste, steigen die Preise weiter. Und da Bolivien nach der Sanie-rung seiner Finanzen über historisch ein-malige 10 Milliarden Franken internatio-nale Reserven verfügt, fordert die COB, diese für die Finanzierung des Mindest-lohns zu verwenden.

Burkina Faso: Teures Leben auf der Tagesordnung

Burkina Faso hat eine lange gewerk-schaftliche Tradition. So wurde zum Bei-spiel sechs Jahre nach der Unabhängig-keit der damalige Präsident Maurice Yaméogo am 3. Januar 1966 mit einem Generalstreik abgesetzt. Seither ist der 3. Januar ein bezahlter Feiertag. Auch der 1. Mai wird gebührend gefeiert: Je-des Jahr gehen die ArbeiterInnen in der Hauptstadt und im Landesinnern auf die Strasse, um der Regierung ihre Forde-rungen zu präsentieren. Ungerechte Ge-bühren, Gewerkschaftsfreiheit und stei-gende Preise für Alltagsgüter, die das Leben verteuern, sind Themen des dies-jährigen 1. Mai.

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Einsenden an: gebana, Hafnerstrasse 7, 8005 Zürich www.gebana.ch

«Die Abnahmegarantie für unsere Ernte gibt uns Sicherheit» sagt Hasan Kharashah über die Zusammenarbeit mit der gebana und der Kampagne Olivenöl. Kharashah lebt mit seiner Familie im Westjordanland vom Erlös seiner rund 300 Olivenbäume. Neben der garantierten Abnahme der Ernte profi -

tieren er und hunderte weiterer Kleinbauern von Vorfi nanzierungen und erhalten für ihr Öl Preise, die rund 25% über den Marktprei-sen liegen. Ausserdem fl iessen pro Kanister verkauftem Olivenöl 6.– Franken in medizinische und soziale Projekte in Palästina.

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Olivenöl ausPalästina

Olivenöl aus dem SAH-Projekt in Palästina.

stärKere stellungDas Netzwerk der SAH-Vereine in der Schweiz entwickelt sich weiter.Text: Yves Ecoeur, Nationaler Sekretär der SAH-Regional-vereine

Während das SAH neu unter dem Namen Solidar Suisse auf-tritt, hat sich auch bei den regionalen SAH-Vereinen einiges getan. Das im Oktober 2008 geschaffene Nationale Sekreta-riat, das die zehn Vereine koordiniert, Lobbying betreibt und neue Programme entwickelt, wurde im Juli 2010 wie geplant verstärkt. Wir befinden uns nun in der Konsolidierungsphase: Zum einen muss das Lobbying für die Interessen von Benach-teiligten wie Arbeitslose und MigrantInnen sowie für Integra-tionsmassnahmen weiterentwickelt werden. Wegen Überlas-tung war dies bisher etwas stiefmütterlich behandelt worden. In der politischen Arbeit und der Vernetzung mit unseren Part-nerInnen der Linken liegt noch einiges Potenzial brach. Eine unverzichtbare Akteurin Das nationale Netzwerk der regionalen SAH-Vereine darf stolz darauf sein, sich als unverzichtbare Akteurin im Bereich der beruflichen Integration positioniert zu haben. Eines von vielen Beispielen dafür ist das Programm CT2, das junge Menschen unterstützt, die nach Abschluss von Lehre oder Studium eine Stelle suchen. Es wird von allen zehn SAH-Regionalvereinen angeboten. Weitere Projekte befinden sich in der Pipeline. Al-lerdings müssen solch grosse Projekte auf einer rechtlich soli-deren Basis stehen. Deshalb wollen wir unser Netzwerk als nationalen Verein konstituieren. Parallel dazu stärken wir die Kommunikation, damit die Stimme der Solidarität in der Schweiz besser gehört wird. Denn es ver-geht kaum eine Woche, ohne dass mir jemand sagt, er oder sie habe gar nicht gewusst, wie vielseitig das SAH aktiv ist. Es reicht nicht, eine wirkungsvolle Arbeit zu machen, wir müssen sie auch bekannt machen. Die neue Struktur und die zusätzli-chen Mittel sollen es uns ermöglichen, die Lücke im Bereich der Kommunikation zu schliessen und uns stärker zu positio-nieren. Indem wir Solidarität sichtbar machen und zeigen, dass alle Menschen über Ressourcen verfügen und etwas zum Ge-meinwohl beitragen können, wird offenbar, dass eine mensch-lichere und gerechtere Gesellschaft möglich ist. Das ist der Kern unserer Arbeit.www.sah.ch/schweiz

Anz

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Klassische Assessments richten sich an bildungsgewohnte, sprachlich kompetente Personen. Diese Form der Potenzial- und Perspektivenabklärung eignet sich für eine grosse Ziel-gruppe des SAH Zürich nicht: die (Langzeit-)Erwerbslosen ab 16 Jahren ohne qualifizierten Berufsabschluss. Deshalb haben wir ein auf diese Zielgruppe zugeschnittenes Assessment mit standardisierten, erprobten Testverfahren und handlungsori-entierter Kompetenzerhebung entwickelt. Dabei halten wir den Abklärungsprozess mit maximal acht Stunden bewusst kurz. AssesSAH bietet konkrete Empfehlungen zur beruflichen Re-integration. Es kann einzeln gebucht oder in bestehende Pro-gramme integriert werden. www.sah-zh.ch

SAH Zentralschweiz: Frauenpalaver 2011Das Frauenpalaver des Programms Migration Co-Opera bringt einmal im Monat Frauen zusammen, die an einem interkulturel-len Austausch interessiert sind. Gemeinsam von Schweizerin-nen und Migrantinnen organisiert, steht es dieses Jahr unter dem Motto «Andere Länder – andere Sitten». Interessierte Frauen treffen sich um 19 Uhr im Luzerner Senti treff zur Dis-kussion über folgende Themen: Das Matriarchat in Indonesien (24.5.); Rituale der tamilischen Frau – Welche Rituale sind in der Schweiz noch möglich? (28.6.); Mutter und Tochter aus der Türkei: zwei verschiedene Integrationsgeschichten (6.9.); So-malische Frauenrollen – vor und nach der Migration (25.10.); Rechte/Unrechte der Frauen in Kurdistan/Iran (25.11.). www.sah-zs.ch

SAH Zürich: VivA-Arbeitsvermittlung Die VivA-Arbeitsvermittlung des SAH Zürich organisiert Fest-stellen für Personen, die bei der IV angemeldet sind. In enger Koordination mit den zukünftigen Arbeitgebenden werden den KandidatInnen ihrem Profil angepasste Stellen angeboten. Probetage bieten Gelegenheit, die jeweiligen Stellen näher kennen zu lernen. Bis ein halbes Jahr nach Stellenantritt wer-den die Teilnehmenden der VivA-Arbeitsvermittlung begleitet, um sicherzustellen, dass sie im Erwerbsprozess bleiben. Die Vermittlungsphase ist auf sechs Monate befristet. Kann eine Person in diesem Zeitraum nicht platziert werden, wird das Dossier an die IV zurückgegeben. www.sah-zh.ch

SAH Zürich: Potenzial- und Perspektiven-check AssesSAH

17nETZWERK

Wettbewerb des SAH ZürichDas SAH Zürich führt im Rahmen des SAH-Jubiläums einen Wettbewerb durch. Es gibt 75 tolle Preise zu gewinnen. Teilneh-men können alle ausser den MitarbeiterInnen des SAH Zürich. Teilnahmeschluss ist der 30. November 2011. www.sah-zh.ch

Das SAH Waadt hat Anfang Jahr in Vevey das Projekt Inizio lanciert, das sich speziell an Jugendliche richtet, die vom Ju-gendschutz betreut werden. Ziel ist ihre nachhaltige soziale In-tegration. Die Tagesstruktur für zehn Jugendliche wird von ei-nem interdisziplinären Team aus den Bereichen Berufs- soziologie, Pädagogik und Kunsttherapie geleitet. Das Wochenprogramm beinhaltet interne wie externe Arbeitsein-sätze, soziokulturelle Aktivitäten und Hilfe bei der Arbeits-suche. Es berücksichtigt die Realität der Jugend-lichen, die eine schwierige Situation haben, im aktuel-len sozialen Kontext. www.oseo-vd.ch

SAH Waadt: neue Bildungsmassnahme Inizio

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KaMPagnesetZt Massstäbe Eddie Cottle hat die Kampagne für würdige Arbeitsbedin-gungen rund um die WM in Südafrika koordiniert. Nun setzt er sich dafür ein, dass aus den Erfahrungen gelernt wird – sowohl in Brasilien als auch im südlichen Afrika. Text: Katja Schurter, Foto: Joachim Merz

18 Eddie Cottle bei der feierlichen Übergabe der

WM-Kampagne an die brasilianischen Gewerk-

schaften in Johannesburg im Mai 2010.

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19

Eddie Cottle liebt seine Arbeit: «Das En-gagement für die Emanzipation der Ar-beiterInnen ist Teil meiner Identität.» Als Jüngster von acht Kindern einer Familie aus der Arbeiterklasse, die während der Apartheid gezwungen wurde, in ein Town-ship zu ziehen, entwickelte er früh ein po-litisches Bewusstsein. Dies hat seine Laufbahn geprägt. Eddie Cottle war Ko-ordinator der Kampagne «Fair Games – Fair Play» im Vorfeld der Fussball-WM in Südafrika (siehe Kasten). Nun setzt er für die Interna tionale Bau- und Holz-Ge-werkschaft (BHI) die Er fahrungen der Kampagne im südlichen Afrika um.

neue UferFür Eddie Cottle hat die Kampagne neue Massstäbe gesetzt: Einerseits war die

WM mit ihren Rieseninvestitionen eine neue Dimension, andererseits war es die erste globale Kampagne der Gewerk-schaften aus Anlass eines solchen Gross ereignisses. «Wir mussten eine ganz neue Kampagnenform entwickeln, es gab dafür kein Modell. Wir konnten von Erfahrungen aus anderen Ländern profitieren und erhielten über das Finan-zielle hinaus Unterstützung», erzählt der ausgebildete Pädagoge, den es jedoch nie in die Schule zog. Es musste zum Beispiel eine Antwort auf die Frage ge-funden werden, wie ArbeiterInnen orga-nisiert werden können, wenn 70 Prozent von ihnen auf drei Monate befristete Ver-träge haben. In der Zusammenarbeit mit der Unia kamen die zwei Ebenen interna-tionaler Austausch und konkreter Ar-beitskampf zusammen. «Wir erfuhren, wie die Unia illegalisierte ArbeiterInnen in der Schweiz organisiert. Obwohl die Probleme nicht die gleichen sind wie in Südafrika, gibt es doch viele Ähnlichkei-ten: Auch auf den WM-Baustellen gab es viele schlecht gestellte ArbeiterInnen, die kaum Wahlmöglichkeiten haben.»

Weitreichende WirkungDie Kampagne entfaltete denn auch über die WM hinaus Wirkung: «Vor der WM konzentrierten sich die Gewerk-schaften in Südafrika auf festangestellte ArbeiterInnen, obwohl es schon länger eine Entwicklung in Richtung Temporär-arbeit gab – mit massiven Entlassungen und einem dramatischen Wandel in den Arbeitsbedingungen und sozialen Bezie-hungen. Die Kampagne hat dazu geführt, dass Arbeit anders angeschaut wird.» Dazu gehört der Einbezug der Lebens-bedingungen der ArbeiterInnen und die Zusammenarbeit mit Community-Orga- nisationen – was Cottle, der sich neben der Lohnarbeit im Kampf um BürgerIn-nenrechte und würdige Unterkünfte en-gagiert, besonders am Herzen liegt. Die Kampagne förderte auch die Zusam-menarbeit unter verschiedenen Gewerk-schaften und mit Organisationen wie dem Labour Research Service (LRS). «Dank der Studien von LRS – zum Bei-

spiel zum Wirkungsradius der involvier-ten Firmen oder der Wirtschaftsmacht der Fifa – entwickelten wir uns zur einzi-gen Stimme, die einen Kontrapunkt zum Chor der WM-Begeisterten setzen konn-te», bilanziert Eddie Cottle. Keine einfa-che Aufgabe, Profite zu kritisieren, die mit Fussball erzielt werden. Denn die Leute in Südafrika lieben Fussball.

Mega-Events als SchlüsselereignisInternationale Solidarität ist für Eddie Cottle bei der Globalisierung von sportli-chen Mega-Events entscheidend: «Die Fifa ist eine globale Wirtschaftsakteurin: Fernsehrechte, Kleidung, Fanartikel sind darin involviert – und darüber hinaus Banken und Baufirmen. Deshalb hat die BHI globale Sportkampagnen als Schlüsselelement in ihre Arbeit integ-riert.» Die Erfahrungen werden einerseits an Brasilien weitergegeben, wo die WM 2014 stattfinden wird (siehe S. 12). An-dererseits sollen sie bei Grossprojekten im südafrikanischen Energiesektor und im Baugewerbe in Zimbabwe, Zambia und Moçambique angewandt werden. «Der internationale Charakter von BHI ist toll», schwärmt Eddie Cottle. «Ich erfahre, wie Gewerkschaften an verschiedenen Orten der Welt arbeiten. Das empfinde ich als Chance und als Privileg.»

EInBLICK

Die internationale Kampagne «Fair Games – Fair Play» wurde gemein-sam von Solidar, Unia und BHI durchgeführt. Sie forderte faire Ar-beitsbedingungen auf den Baustel-len der WM 2010 und appellierte an die soziale Verantwortung der Fifa. Mit Erfolg: Sie erreichte eine Lohn-steigerung, verhinderte Lohndum-ping durch Subunternehmen und stärkte die Gewerkschaften. Die Fifa sah sich veranlasst, öffentlich ihre Unterstützung für faire Arbeitsbe-dingungen zu erklären – ein Novum.www.solidar.ch/fairgames

Fair Games – Fair Play

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anKlage gegen lucKy geMs Xueying Jiang kündigte im Februar 2002 ihre Arbeitsstelle, um ihren Ehemann zu pflegen,

der bei seiner Arbeit für Lucky Gems an Silikose erkrankt war. Er starb im September 2004

an den Folgen der Krankheit. Bei Xueying Jiang wurde im Januar 2006 ebenfalls Silikose

diagnostiziert. Sie musste ein Jahr um ein Zertifikat kämpfen, das ihre Berufskrankheit be-

stätigt. Im Januar 2008 gelangte sie vor das Schiedsgericht in Huizhou. Dieses verneinte

seine Zuständigkeit, weil Lucky Gems inzwischen ihren Sitz nach Haifeng verschoben hatte.

Jiang legte Berufung ein. Im April 2009 verurteilte das Bezirksgericht von Huizhou Lucky

Gems zu 320 000 Yuan (40 000 Franken) Entschädigung und Versicherungsleistungen.

Sowohl Jiang als auch Lucky Gems legten Berufung ein. Im Februar 2010 verurteilte das

Gericht Lucky Gems zu einer Entschädigung von 466 000 Yuan (65 000 Franken). Lucky

Gems Antrag um ein Wiederaufnahmeverfahren wurde im August 2010 definitiv abgelehnt.