2
aktuell 01-02/2014 pro care 28 © Springer-Verlag Im erapiezentrum Ybbs, einer Ein- richtung des Wiener Krankenanstalten- verbundes, sind erapieerfolge mess- bar. Mithilfe der SCL-R 90-Methode werden Patienten zu drei Terminen über ihr Wohlbefinden befragt. Die Ergeb- nisse dieser Befragung bestätigen die an- gewandte erapie Die Abteilung 2 ist auf Traumatherapie und stationäre Psychotherapie speziali- siert. Die Patienten werden am Anfang und am Ende ihrer erapie einer testpsy- chologischen Untersuchung unterzogen, um den erapieerfolg zu evaluieren. Dazu wird der Befindlichkeitsfragebogen SCL 90 verwendet, der sich in diesem Be- reich der erapie bewährt hat. Dieser Test fragt nach sehr konkreten Sympto- men in den vorangegangenen 14 Tagen wie: „Ich hatte in diesem Zeitraum Kopf- weh“, „fühlte mich antriebslos“ sowie de- ren Häufigkeiten. Diese Untersuchungen werden jähr- lich ausgewertet und zeigten immer ein positives Behandlungsbild. Alle Skalen zeigten eine Veränderung in eine positive Richtung, die meisten pathologischen Ausprägungen lagen nach der erapie im Durchschnitt. Berechtigte Kritik an dieser Art der Kontrolluntersuchung ist, dass sie nicht den wirklich schwierigen Teil umfasst, der für den Klienten erst nach der erapie beginnt. Nach der stationären erapie fällt die geschützte Atmosphäre weg und der Klient muss alleine sein Leben meis- tern. Manchmal kommt es vor, dass Klien- ten nach kurzer Zeit wieder bei uns oder in einer anderen Institution mit den frühe- ren oder ähnlichen Symptomen aufge- nommen werden. Es stellt sich also die Frage, ob der e- rapieerfolg außerhalb der Institution an- hält. Zu diesem Zweck wurde den Patien- ten drei Monate nach der erapie der SCL 90 zugeschickt. Sie wurden gebeten, wieder ihre Befindlichkeit zu dokumentie- ren. Um einen hohen Rücklauf zu errei- chen, wurden die Klienten nachhaltig an den Fragebogen erinnert. Welche Diagnosen wurden behandelt? Am häufigsten wurden die Hauptdiagnosen „Affektive Störungen“ (27 %), „Neurotische-, Belastungs- und Somatoforme Störungen“ (30 %) und „Persönlichkeits- und Verhal- tensstörungen“ (24 %) gestellt (Abb. 1). Diskussion der Ergebnisse Bei der Übersicht der Gesamtskala ergibt sich ein einheitliches Bild (Abb. 2). Bis auf die Skala „Aggression“ lagen alle Skalen zu Beginn der erapie über 65. Zur Erklä- rung, bei Werten über 60 spricht man von Tendenz, über 70 von einer klaren Ausprä- gung. Daran kann man die Bedürftigkeit der Klientel klar erkennen. Durch die stationäre Psychotherapie kommt es in allen Bereichen zu einer sig- nifikanten Verbesserung in den Normbe- reich. Es zeigt sich auch, dass sich diese positiven Veränderungen drei Monate nach erapieende wieder abschwächen. Dies ist nur verständlich, die Patienten haben nicht mehr ihre schützende Um- gebung. Sie werden wieder mit dem alten Umfeld – ihren alten Mustern konfron- tiert. Wir wollen uns aber die Frage stel- len, ist die erapie bei dieser Klientel eine Sisyphusarbeit oder kann diese Ar- beit auch auf lange Sicht effektiv sein? Auf Grund der Daten kann man erken- nen, dass die positiven Effekte zwar nach- lassen aber in fast allen Skalen die signifi- kante Verbesserung anhält. Nur in der Skala Somatisierung verliert sich dieser erapieeffekt. Zu bedenken ist aller- dings, dass der Ausgangswert niedrig war und somit der erapieeffekt auch nur geringer sein konnte. Betrachten wir einige Skalen im Einzelnen. Beginnen wir mit der Skala der höchsten Ausprägung. „Depression“ In der Skala Depression kommt es durch den therapeutischen Aufenthalt zu einer Signifikante Besserung Therapieerfolg im Psychiatrischen Krankenhaus ist messbar! G. Schenner 1 1 Dr. Gerfried Schenner, Psychologe im Therapie- zentrum Ybbs, Wiener Krankenanstaltenverbund Photo: © Autor Abb. 1: Hauptdiagnosen Abb. 2: Übersicht der Gesamtskala Photo: © Autor Neurotische Belastungs- u. Somatoforme Störungen Persönlichkeits- u. Verhaltens- störungen Affektive Störungen Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen Psychiatrische und Verhaltens- störungen durch psychotrope Substanzen

Signifikante Besserung

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Signifikante Besserung

aktuell

01-02/2014 pro care28 © Springer-Verlag

Im �erapiezentrum Ybbs, einer Ein-richtung des Wiener Krankenanstalten-verbundes, sind �erapieerfolge mess-bar. Mithilfe der SCL-R 90-Methode werden Patienten zu drei Terminen über ihr Wohlbe�nden befragt. Die Ergeb-nisse dieser Befragung bestätigen die an-gewandte �erapie

Die Abteilung 2 ist auf Traumatherapie und stationäre Psychotherapie speziali-siert. Die Patienten werden am Anfang und am Ende ihrer �erapie einer testpsy-chologischen Untersuchung unterzogen, um den �erapieerfolg zu evaluieren. Dazu wird der Be�ndlichkeitsfragebogen SCL 90 verwendet, der sich in diesem Be-reich der �erapie bewährt hat. Dieser Test fragt nach sehr konkreten Sympto-men in den vorangegangenen 14 Tagen wie: „Ich hatte in diesem Zeitraum Kopf-weh“, „fühlte mich antriebslos“ sowie de-ren Häu�gkeiten.

Diese Untersuchungen werden jähr-lich ausgewertet und zeigten immer ein positives Behandlungsbild. Alle Skalen zeigten eine Veränderung in eine positive Richtung, die meisten pathologischen Ausprägungen lagen nach der �erapie im Durchschnitt.

Berechtigte Kritik an dieser Art der Kontrolluntersuchung ist, dass sie nicht den wirklich schwierigen Teil umfasst, der für den Klienten erst nach der �erapie beginnt. Nach der stationären �erapie fällt die geschützte Atmosphäre weg und der Klient muss alleine sein Leben meis-tern. Manchmal kommt es vor, dass Klien-ten nach kurzer Zeit wieder bei uns oder in einer anderen Institution mit den frühe-ren oder ähnlichen Symptomen aufge-nommen werden.

Es stellt sich also die Frage, ob der �e-rapieerfolg außerhalb der Institution an-hält. Zu diesem Zweck wurde den Patien-ten drei Monate nach der �erapie der SCL 90 zugeschickt. Sie wurden gebeten, wieder ihre Be�ndlichkeit zu dokumentie-ren. Um einen hohen Rücklauf zu errei-chen, wurden die Klienten nachhaltig an den Fragebogen erinnert.

Welche Diagnosen wurden behandelt?

Am häu�gsten wurden die Hauptdiagnosen „A�ektive Störungen“ (27 %), „Neurotische-, Belastungs- und Somatoforme Störungen“ (30 %) und „Persönlichkeits- und Verhal-tensstörungen“ (24 %) gestellt (Abb. 1).

Diskussion der Ergebnisse

Bei der Übersicht der Gesamtskala ergibt sich ein einheitliches Bild (Abb. 2). Bis auf die Skala „Aggression“ lagen alle Skalen zu Beginn der �erapie über 65. Zur Erklä-rung, bei Werten über 60 spricht man von Tendenz, über 70 von einer klaren Ausprä-gung. Daran kann man die Bedürftigkeit der Klientel klar erkennen.

Durch die stationäre Psychotherapie kommt es in allen Bereichen zu einer sig-ni�kanten Verbesserung in den Normbe-reich. Es zeigt sich auch, dass sich diese positiven Veränderungen drei Monate nach �erapieende wieder abschwächen. Dies ist nur verständlich, die Patienten haben nicht mehr ihre schützende Um-gebung. Sie werden wieder mit dem alten Umfeld – ihren alten Mustern konfron-tiert. Wir wollen uns aber die Frage stel-len, ist die �erapie bei dieser Klientel eine Sisyphusarbeit oder kann diese Ar-beit auch auf lange Sicht e�ektiv sein? Auf Grund der Daten kann man erken-nen, dass die positiven E�ekte zwar nach-lassen aber in fast allen Skalen die signi�-

kante Verbesserung anhält. Nur in der Skala Somatisierung verliert sich dieser �erapiee�ekt. Zu bedenken ist aller-dings, dass der Ausgangswert niedrig war und somit der �erapiee�ekt auch nur geringer sein konnte.

Betrachten wir einige Skalen im Einzelnen. Beginnen wir mit der Skala der höchsten Ausprägung.

„Depression“

In der Skala Depression kommt es durch den therapeutischen Aufenthalt zu einer

Signifikante BesserungTherapieerfolg im Psychiatrischen Krankenhaus ist messbar!

G. Schenner1

1 Dr. Gerfried Schenner, Psychologe im Therapie-zentrum Ybbs, Wiener Krankenanstaltenverbund

Pho

to: ©

Aut

or

Abb. 1: Hauptdiagnosen

Abb. 2: Übersicht der Gesamtskala

Pho

to: ©

Aut

or

■ Neurotische Belastungs- u. Somatoforme Störungen

■ Persönlichkeits- u. Verhaltens-störungen

■ Affektive Störungen■ Schizophrenie, schizotype und

wahnhafte Störungen■ Psychiatrische und Verhaltens-

störungen durch psychotrope Substanzen

Page 2: Signifikante Besserung

aktuell

01-02/2014pro care 29© Springer-Verlag

tungen oder Psychotherapie aufgesucht hatten. Die Ergebnisse zeigen eine klare Verbesserung für Patienten, die eine Nachbetreuungseinrichtung oder Psycho-therapie besuchten. Auf Grund der gerin-

Verbesserung von 71 auf 57 (Abb. 3). Ein signi�kantes Ergebnis. Dieser Wert ver-schlechtert sich zwar nach der �erapie, die Verbesserung bleibt aber signi�kant und der Wert bleibt fast im Normbereich.

„Angst“

Wie bei der Depression kommt es auch beim Messwert Angst zu einer deutlichen Verbesserung von 70 auf 59, in den Norm-bereich (Abb. 4). Die Verbesserung ist sig-ni�kant. Es kommt zwar nach dem Auf-enthalt zu einem leichten Nachlassen des �erapiee�ektes, der �erapiegewinn seit der Aufnahme bleibt aber deutlich und ist signi�kant.

„Phobische Angst“

Auch in der Skala „Phobische Angst“ kommt es durch die �erapie zu einer Ver-besserung um 10 Punkte in den Normbe-reich (Abb. 5). Nach der Entlassung kommt es zwar zu einer kleinen Veränderung um 4 Punkte, die Verbesserung bleibt aber signi-�kant und im Normbereich.

Nachbetreuung

Weiters wurde der Unterschied zu Patien-ten erhoben, die Nachbetreuungseinrich-

Pho

to: ©

Aut

or

Pho

to: ©

Aut

or

Abb. 6: Wirkung der psychotherapeutischen Nachbetreuung

Abb. 3: Detailergebniss Depressivität

Pho

to: ©

Aut

or

Abb. 5: Detailergebniss phobische Angst

Abb. 4: Detailergebniss Ängstlichkeit

gen Stichprobenzahl kommt es zu keiner statistischen Signifikanz; die Graphik spricht für sich (Abb. 6).

Zusammenfassung

Durch die übergreifende �erapie kommt es in allen Messbereichen/Skalen zu einer Verbesserung der Werte. Dieser �erapie-e�ekt nimmt nach der �erapie wieder leicht ab, bleibt aber insgesamt in fast al-len Bereichen signi�kant erhalten. Der große Nutzen der Nachbetreuung wird deutlich sichtbar. n

KorrespondenzDr. Gerfried Schenner Therapiezentrum YbbsPersenbeuger Straße 1-33370 Ybbs/DonauTel: 07412 / 55100-0www.wienkav.at/tzy

Pho

to: ©

Aut

or