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Referentin: Dr. med. Brigitte Bosse Mainz Ritualisierte Gewalt: Folgen für Betroffene und HelferInnen Bocholt, den 14.Mai 2014

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Referentin: Dr. med. Brigitte BosseReferentin: Dr. med. Brigitte BosseMainzMainz

Ritualisierte Gewalt:Ritualisierte Gewalt:Folgen für Betroffene Folgen für Betroffene

und HelferInnenund HelferInnen

Bocholt, den 14.Mai Bocholt, den 14.Mai 20142014

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GliederungGliederung

1.1. Entwicklung einer Entwicklung einer

dissoziativen dissoziativen

Identitätsstörung (DID)Identitätsstörung (DID)

2.2. Soziale ImplikationenSoziale Implikationen

3.3. Medizinische ImplikationenMedizinische Implikationen

4.4. Juristische ImplikationenJuristische Implikationen

5.5. TherapieTherapie

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Entwicklung einer DIDEntwicklung einer DID

•• Häufigkeit:Häufigkeit:•• bis zu 1% der Bevölkerungbis zu 1% der Bevölkerung•• bis zu 5% bei stationären bis zu 5% bei stationären

psychiatrischen Patientenpsychiatrischen Patienten•• bis zu 7% der Borderline-bis zu 7% der Borderline-

PatientenPatienten

•• Ätiologie:Ätiologie:•• schwere frühkindliche schwere frühkindliche

GewalterfahrungenGewalterfahrungen•• extreme sadistische Gewaltextreme sadistische Gewalt•• „„verraten und verkauft“ – verraten und verkauft“ –

Betrayal-TraumaBetrayal-Trauma• Fehlen einer guten Fehlen einer guten

BindungspersonBindungsperson

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Entwicklung einer DIDEntwicklung einer DID

Patho-Physiologie während einer Patho-Physiologie während einer Traumatisierung: Traumatisierung:

• • Ein Trauma ist ein extrem stressreiches Ein Trauma ist ein extrem stressreiches äußeres Ereignis, das den Betroffenen äußeres Ereignis, das den Betroffenen überwältigt.überwältigt.• • normale Abwehmechanismen normale Abwehmechanismen funktionieren in der Regel nicht mehrfunktionieren in der Regel nicht mehr•• no fightno fight•• no flightno flight

freeze or fragmentfreeze or fragment

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Entwicklung einer DIDEntwicklung einer DID

Typische Symptomatik nach Typische Symptomatik nach Traumatisierung:Traumatisierung:

1. 1. WiedererlebenWiedererleben•• Intrusionen: sich aufdrängende Intrusionen: sich aufdrängende Erinnerungen Erinnerungen •• Gedanken und Bildern Gedanken und Bildern •• GeräuschenGeräuschen•• GerüchenGerüchen•• Haptischem ErlebenHaptischem Erleben•• Flashback: Wiedererleben; „wie im Flashback: Wiedererleben; „wie im falschen Film“falschen Film“•• AlbträumeAlbträume

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Entwicklung einer DIDEntwicklung einer DID

Typische Symptomatik nach Typische Symptomatik nach Traumatisierung:Traumatisierung:

2. Vermeiden und emotionales Abstumpfen2. Vermeiden und emotionales Abstumpfen•• Vermeidungsverhalten in Bezug auf Vermeidungsverhalten in Bezug auf Orte, Situationen und Orte, Situationen und Gedanken, die an Gedanken, die an das traumatische Ereignis erinnerndas traumatische Ereignis erinnern•• GedächtnisschwierigkeitenGedächtnisschwierigkeiten•• EntfremdungsgefühlEntfremdungsgefühl•• InteressensverlustInteressensverlust

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Entwicklung einer DIDEntwicklung einer DID

Typische Symptomatik nach Typische Symptomatik nach Traumatisierung:Traumatisierung:

3. Erhöhte Anspannung3. Erhöhte Anspannung•• Hypervigilanz (= Zustand einer Hypervigilanz (= Zustand einer überhöhten Wachsamkeit und dauernder überhöhten Wachsamkeit und dauernder Anspannung)Anspannung)•• SchlafstörungenSchlafstörungen•• Reizbarkeit und WutausbrücheReizbarkeit und Wutausbrüche•• KonzentrationsschwierigkeitenKonzentrationsschwierigkeiten

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Entwicklung einer DIDEntwicklung einer DID

Freeze or Fragment – Handlung ist Freeze or Fragment – Handlung ist unmöglich:unmöglich: •• Der Organismus distanziert sich vom Der Organismus distanziert sich vom äußeren Geschehen (= Dissoziation)äußeren Geschehen (= Dissoziation)•• Endorphinausschüttung führt zu einer Endorphinausschüttung führt zu einer „Betäubung“„Betäubung“•• Die Erinnerung wird fragmentiertDie Erinnerung wird fragmentiert•• Geordnete Gedächtnisverarbeitung ist Geordnete Gedächtnisverarbeitung ist nicht möglichnicht möglich

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Entwicklung einer DIDEntwicklung einer DID

Gedächtnissystem der Gedächtnissystem der StressverarbeitungStressverarbeitung

• HippocampusHippocampus - Archiv des Gedächtnisses - Archiv des Gedächtnisses• BiografischBiografisch• EpisodischEpisodisch• narrativnarrativ• AmygdalaAmygdala - „Feuerwehr“ und Notsystem - „Feuerwehr“ und Notsystem• extreme Reize sind der normalen extreme Reize sind der normalen

Verarbeitung entzogenVerarbeitung entzogen• Erinnerung ist fragmentiert, leicht zu Erinnerung ist fragmentiert, leicht zu

„triggern“„triggern“• gestörte Überleitung zur Großhirnrinde - gestörte Überleitung zur Großhirnrinde -

Sprachzentren blockiert Sprachzentren blockiert

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Entwicklung einer DIDEntwicklung einer DID

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Entwicklung einer DIDEntwicklung einer DID

Strukturelle Dissoziation nach Nijenhuis

Primäre strukturelle Dissoziation äre strukturelle Dissoziation 1ANP, 1 EP PTSD1ANP, 1 EP PTSD Sekundäre strukturelle Dissoziation1 ANP, mehrere Eps → komplexe

PTSD, DDNos Tertiäre strukturelle Dissoziation mehrere ANPs, mehrere Eps → DID

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Entwicklung einer DIDEntwicklung einer DID

Negative Symptome der Dissoziation Psychisch

Amnesie Depersionalisation Emotionale Betäubung

Somatisch Schmerzlosigkeit Sensorische Wahrnehmungsverluste Motorischer Funktionsausfall

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Entwicklung einer DIDEntwicklung einer DID

Positive Symptome der Dissoziation Psychisch

Stimmen hören Plötzlich auftretende Emotionen Intrusionen, Flashbacks

Somatisch „Körpererinnerungen“ mit plötzlich

auftretenden Körperempfindungen und Schmerzen; körperliches Wiedererleben des Traumas

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Entwicklung einer DIDEntwicklung einer DID

Nach dissoziativen Symptomen muss gefragt werden!

Insbesondere nach: Zeitverlusten Wechselnden Fähigkeiten Wechselnde Vorlieben

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Entwicklung einer DIDEntwicklung einer DID

Erkennen von DID: SDQ 5

Schmerzen beim Urinieren Der Körper oder Teile davon sind

schmerzunempfindlich Verändertes Sehvermögen (Tunnelblick) Gefühl als sei der Körper oder ein Teil

davon verschwunden Kann nicht mehr sprechen/nur flüstern

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Soziale ImplikationenSoziale Implikationen

Für die Betroffenen: Das Leben in zwei „Welten“

Brüche in der Schul- und Berufslaufbahn

Schwierigkeiten, Vertrauen zu fassen Einschränkungen in der

Lebensperspektive Unfähigkeit/Verbot, Hilfe

anzunehmen

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Soziale ImplikationenSoziale Implikationen

Für die Helfenden:

Veränderung des Weltbildes Gefühl der eigenen Bedrohung

Gefühl der Überforderung Gefühl der Hilflosigkeit Burn-Out

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Medizinische ImplikationenMedizinische Implikationen

Bei Betroffenen Somatische Erkrankungen werden

sowohl über- als auch unterschätzt Unterschiedliche Innenpersonen

können unterschiedliche Krankheiten aufweisen

Störungen der Stressachse führen zu Störungen im Immunsystem

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Medizinische ImplikationenMedizinische Implikationen

Für die Behandelnden „Launenhaftigkeit“ der PatientIn Unzuverlässigkeit der Aussage Widersprechende

Untersuchungsergebnisse und Laborwerte

Unerwartete Reaktionen auf körperliche Berührung und Untersuchung

Überforderung bei vollständiger Dissoziation

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Juristische ImplikationenJuristische Implikationen

In der Regel hängt die Entstehung einer DID mit kriminellen Handlungen zusammen

Juristische Verfolgung solcher Straftaten ist kaum möglich

Langjährige Therapie ist die Voraussetzung für eine hinreichende Stabilität; die Glaubwürdigkeit der Opfer wird nach langjähriger Therapie aber meist angezweifelt

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TherapieTherapie

• Keine erfolgreiche Therapie ohne eine sorgfältige Diagnose und eine traumaspezifische Ausbildung

Therapiedauer im Umfang einer analytischen Behandlung

Die therapeutische Beziehung als Beispiel einer guten Bindungserfahrung

Erstes Therapieziel ist die Stabilität im Alltag – lange Phase der Psychoedukation, Stabilisierung und Traumadistanzierung; Ggf. Intermitierende stationäre Behandlung

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TherapieTherapie

BASK-Modell

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TherapieTherapie

• Therapieziel: gelungene Innenkommunikation oder Fusion

→ gute Alltagsstruktur, Genussfähigkeit, Liebesfähigkeit, Arbeitsfähigkeit