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DOI: 10.1007/s00350-013-3524-z Karl Otto Bergmann und Carolin Wever I. Kommentierte Gerichtsentscheidungen Arzthaftungsrecht OLG Koblenz, Beschl. v. 12. 11. 2012 – 5 U 594/12 – Zur fehlenden Kausalität eines Diagnoseirrtums bzw. Befund- erhebungsmangels bei unterlassener körperlicher Untersuchung trotz stärkster Kopfschmerzen Das OLG Koblenz hat im Beschlusswege gemäß § 522 ZPO die Berufung gegen ein Urteil des LG Bad Kreuznach – 2 O 280/08 – zurückgewiesen und bestätigt, dass der be- klagte Arzt, der eine seinerzeit 44jährige Patientin an einem Sonntagnachmittag im ärztlichen Bereitschaftsdienst nur unvollständig untersucht hatte, nicht für die Folgen eines später im Universitätsklinikum Frankfurt operierten Aneu- rysmas der Carotis-Arterie haftet. Die mit der Klage geltend gemachten Regressansprüche der Kranken- und Pflegekas- se wurden zurückgewiesen, obwohl die Patientin dauerhaft erheblich beeinträchtigt und umfassend pflegebedürftig ist. Der Beschluss ist vor allem deshalb interessant, weil das LG unzweifelhaft einen – möglicherweise sogar groben – Fehler bei der Untersuchung im hausärztlichen Bereit- schaftsdienst festgestellt hatte, letztlich aber die Haftung des Arztes unter Kausalitätserwägungen – trotz möglicher Beweislastumkehr – ausschließt. Das Berufungsgericht bestätigt zunächst die durch das LG getroffene Würdigung, dass der Beklagte die von der Pati- entin geschilderten Beschwerden fehlinterpretiert habe. In diesem Zusammenhang betont das OLG – im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 21. 12. 2010 – VI ZR 284/09 –, MedR 2011, 645; OLG Hamm, Beschl. v. 2. 3. 2011 – 3 U 92/10 –, MedR 2012, 599) –, dass die Fehlinterpretation eines Befundes oft nicht Folge eines vor- werfbaren Versehens des Arztes ist und nur mit Zurückhal- tung als Behandlungsfehler gewertet werden kann. Das OLG Koblenz hätte aber in diesem Zusammenhang noch näher differenzieren sollen zwischen einem Diagnoseirrtum und der Rechtsfigur der unterlassenen Befunderhebung. Insoweit zieht sich das Gericht nämlich allein darauf zurück, dass an- gesichts der Schwierigkeit der Diagnosestellung zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Befunderhebung die Einschät- zung der medizinischen Gegebenheiten durch den Beklag- ten nicht als völlig unvertretbar angesehen werden konnte. Schließlich bestätigt das Gericht, dass die Befunderhebung in vorwerfbarer Weise unvollständig war, weil der Beklagte auf eine körperliche Untersuchung der Patientin verzichtet hat. Der Senat ließ die Fragen der Einordnung der Fehlbe- handlung als groben oder einfachen Fehler offen, weil eine Haftung unter Kausalitätserwägungen ausschied: Der Sach- verständige hatte bekundet, dass die Beeinträchtigungen der Patientin monokausal auf die außerordentlich schwie- rige und komplikationsbehaftete Operation des Aneurys- mas zurückzuführen sind. Den Einwand der Klägerseite, dass eine frühzeitigere Krisenintervention dazu geführt hätte, dass der Zustand der Patientin ein besserer gewesen wäre, konnte der Sachverständige nicht bestätigen. Selbst die Universitätsklinik hatte trotz des dramatisch schlechten Zustands, in dem die Patientin einen Tag nach der streit- gegenständlichen Untersuchung eingeliefert wurde, noch einen weiteren Tag zugewartet, bis die neurochirurgische Intervention eingeleitet wurde. Dies entkräftet die These, dass der weit weniger dramatische Befund in den Nach- mittagsstunden der streitgegenständlichen Untersuchung zur sofortigen operativen Krisenintervention geführt hätte. Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz die Gewäh- rung rechtlichen Gehörs rügte, weil ihr Antrag auf Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen zu den Ausführungen des Privatsachverständigen abgelehnt wurde, stellt der Senat he- raus, dass Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht nicht verpflichtet, seine Sachaufklärung so lange fortzusetzen, bis das gerichtli- che Beweisergebnis der Sicht eines von der Partei beauftrag- ten Privatgutachters entspricht. Der Sachverständige war in der mündlichen Verhandlung umfassend angehört worden. Der Beschluss ist im Ergebnis zutreffend, gestützt auf den seltenen Ausnahmefall, dass der Sachverständige sogar eine Kausalität der behaupteten Verzögerung für den Gesundheits- schaden ausschließen konnte. Gleichwohl erscheint es frag- lich, ob ein derart komplexer Sachverhalt und eine komplexe medizinische Frage für eine Entscheidung im Beschlusswege geeignet ist oder ob es nicht – auch im Interesse des Rechts- friedens – angemessener wäre, bei der Prüfung eines solchen Sachverhalts eine erneute Beweisaufnahme durchzuführen. Zivilprozessrecht OLG Köln, Beschl. v. 6. 2. 2012 – 5 W 3/12 – Zum Überprüfungsumfang einer beabsichtigten Schmerzensgeld- klage im Prozesskostenhilfeverfahren Die Klägerin begehrte Prozesskostenhilfe für eine Kla- ge auf ein Mindestschmerzensgeld in Höhe von 50.000 €. Das LG beschränkte die Prozesskostenhilfe auf einen we- sentlich geringeren Betrag und begründete dies damit, dass ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 50.000 € angesichts der von der Klägerin behaupteten Beeinträchti- gungen nur in Betracht komme, wenn tatsächlich Dauer- schäden vorlägen. Diese Entscheidung hat das OLG Köln auf die Beschwerde mit der Erwägung korrigiert, dass im Prozesskostenhilfeverfahren davon auszugehen sei, dass es zu Dauerschäden komme. Gerade aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes sei das Schmer- zensgeld umfassend und ohne Differenzierungen etwa nach Zeiträumen oder einzelnen Beschwerden zuzusprechen. Da es aber aufgrund der noch andauernden Behandlung bei der Klägerin nicht geklärt werden konnte, ob es sich um Dauer- schäden handelt oder nicht, muss die Entscheidung hierüber dem Klageverfahren vorbehalten werden. Die Antizipation des Beweisergebnisses im Hinblick auf die ärztlichen Unter- lagen sei nicht hinreichend zuverlässig möglich. Die Entscheidung des OLG Köln ist korrekt: Solange nicht aufgrund aussagekräftiger Unterlagen tatsächlich ge- klärt werden kann, ob ein Dauerschaden vorliegt oder nicht, darf die Prozesskostenhilfe nicht beschränkt werden. Dem Hauptsacheprozess darf insoweit nicht vorgegriffen werden. II. Gerichtsentscheidungen in Leitsätzen Haftung eines Physiotherapeuten OLG Koblenz, Beschl. v. 2. 1. 2013 – 5 U 693/12 – Sorgfaltsanforderungen bei physiotherapeutischer Übung, Beweislast nach Unfall 1. Ob der Patient den konkret geplanten Übungen ge- wachsen ist, muss ein Physiotherapeut vor Behandlungs- Bearbeitet von Rechtsanwalt Professor Dr. iur. Karl Otto Bergmann und Rechtsanwältin Dr. iur. Carolin Wever, Kanzlei Bergmann und Partner, Hafenstr. 14, 59067 Hamm, Deutschland 662 MedR (2013) 31: 662–663 RECHTSPRECHUNG AKTUELL

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DOI: 10.1007/s00350-013-3524-z

Karl Otto Bergmann und Carolin Wever

I. Kommentierte Gerichtsentscheidungen

Arzthaftungsrecht

OLG Koblenz, Beschl. v. 12. 11. 2012 – 5 U 594/12 –

Zur fehlenden Kausalität eines Diagnoseirrtums bzw. Befund­erhe bungs mangels bei unterlassener körperlicher Untersuchung trotz stärkster Kopfschmerzen

Das OLG Koblenz hat im Beschlusswege gemäß § 522 ZPO die Berufung gegen ein Urteil des LG Bad Kreuznach – 2 O 280/08 – zurückgewiesen und bestätigt, dass der be-klagte Arzt, der eine seinerzeit 44jährige Patientin an einem Sonntagnachmittag im ärztlichen Bereitschaftsdienst nur unvollständig untersucht hatte, nicht für die Folgen eines später im Universitätsklinikum Frankfurt operierten Aneu-rysmas der Carotis-Arterie haftet. Die mit der Klage geltend gemachten Regressansprüche der Kranken- und Pflegekas-se wurden zurückgewiesen, obwohl die Patientin dauerhaft erheblich beeinträchtigt und umfassend pflegebedürftig ist.

Der Beschluss ist vor allem deshalb interessant, weil das LG unzweifelhaft einen – möglicherweise sogar groben – Fehler bei der Untersuchung im hausärztlichen Bereit-schaftsdienst festgestellt hatte, letztlich aber die Haftung des Arztes unter Kausalitätserwägungen – trotz möglicher Beweislastumkehr – ausschließt.

Das Berufungsgericht bestätigt zunächst die durch das LG getroffene Würdigung, dass der Beklagte die von der Pati-entin geschilderten Beschwerden fehlinterpretiert habe. In diesem Zusammenhang betont das OLG – im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 21. 12. 2010 – VI ZR 284/09 –, MedR 2011, 645; OLG Hamm, Beschl. v. 2. 3. 2011 – 3 U 92/10 –, MedR 2012, 599)  –, dass die Fehlinterpretation eines Befundes oft nicht Folge eines vor-werfbaren Versehens des Arztes ist und nur mit Zurückhal-tung als Behandlungsfehler gewertet werden kann. Das OLG Koblenz hätte aber in diesem Zusammenhang noch näher differenzieren sollen zwischen einem Diagnoseirrtum und der Rechtsfigur der unterlassenen Befunderhebung. Insoweit zieht sich das Gericht nämlich allein darauf zurück, dass an-gesichts der Schwierigkeit der Diagnosestellung zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Befunderhebung die Einschät-zung der medizinischen Gegebenheiten durch den Beklag-ten nicht als völlig unvertretbar angesehen werden konnte. Schließlich bestätigt das Gericht, dass die Befunderhebung in vorwerfbarer Weise unvollständig war, weil der Beklagte auf eine körperliche Untersuchung der Patientin verzichtet hat.

Der Senat ließ die Fragen der Einordnung der Fehlbe-handlung als groben oder einfachen Fehler offen, weil eine Haftung unter Kausalitätserwägungen ausschied: Der Sach-verständige hatte bekundet, dass die Beeinträchtigungen der Patientin monokausal auf die außerordentlich schwie-rige und komplikationsbehaftete Operation des Aneurys-mas zurückzuführen sind. Den Einwand der Klägerseite, dass eine frühzeitigere Krisenintervention dazu geführt hätte, dass der Zustand der Patientin ein besserer gewesen wäre, konnte der Sachverständige nicht bestätigen. Selbst die Universitätsklinik hatte trotz des dramatisch schlechten

Zustands, in dem die Patientin einen Tag nach der streit-gegenständlichen Untersuchung eingeliefert wurde, noch einen weiteren Tag zugewartet, bis die neurochirurgische Intervention eingeleitet wurde. Dies entkräftet die These, dass der weit weniger dramatische Befund in den Nach-mittagsstunden der streitgegenständlichen Untersuchung zur sofortigen operativen Krisenintervention geführt hätte.

Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz die Gewäh-rung rechtlichen Gehörs rügte, weil ihr Antrag auf Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen zu den Ausführungen des Privatsachverständigen abgelehnt wurde, stellt der Senat he-raus, dass Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht nicht verpflichtet, seine Sachaufklärung so lange fortzusetzen, bis das gerichtli-che Beweisergebnis der Sicht eines von der Partei beauftrag-ten Privatgutachters entspricht. Der Sachverständige war in der mündlichen Verhandlung umfassend angehört worden.

Der Beschluss ist im Ergebnis zutreffend, gestützt auf den seltenen Ausnahmefall, dass der Sachverständige sogar eine Kausalität der behaupteten Verzögerung für den Gesundheits-schaden ausschließen konnte. Gleichwohl erscheint es frag-lich, ob ein derart komplexer Sachverhalt und eine komplexe medizinische Frage für eine Entscheidung im Beschlusswege geeignet ist oder ob es nicht – auch im Interesse des Rechts-friedens – angemessener wäre, bei der Prüfung eines solchen Sachverhalts eine erneute Beweisaufnahme durchzuführen.

Zivilprozessrecht

OLG Köln, Beschl. v. 6. 2. 2012 – 5 W 3/12 –

Zum Überprüfungsumfang einer beabsichtigten Schmerzensgeld­klage im Prozesskostenhilfeverfahren

Die Klägerin begehrte Prozesskostenhilfe für eine Kla-ge auf ein Mindestschmerzensgeld in Höhe von 50.000 €. Das LG beschränkte die Prozesskostenhilfe auf einen we-sentlich geringeren Betrag und begründete dies damit, dass ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 50.000 € angesichts der von der Klägerin behaupteten Beeinträchti-gungen nur in Betracht komme, wenn tatsächlich Dauer-schäden vorlägen. Diese Entscheidung hat das OLG Köln auf die Beschwerde mit der Erwägung korrigiert, dass im Prozesskostenhilfeverfahren davon auszugehen sei, dass es zu Dauerschäden komme. Gerade aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes sei das Schmer-zensgeld umfassend und ohne Differenzierungen etwa nach Zeiträumen oder einzelnen Beschwerden zuzusprechen. Da es aber aufgrund der noch andauernden Behandlung bei der Klägerin nicht geklärt werden konnte, ob es sich um Dauer-schäden handelt oder nicht, muss die Entscheidung hierüber dem Klageverfahren vorbehalten werden. Die Antizipation des Beweisergebnisses im Hinblick auf die ärztlichen Unter-lagen sei nicht hinreichend zuverlässig möglich.

Die Entscheidung des OLG Köln ist korrekt: Solange nicht aufgrund aussagekräftiger Unterlagen tatsächlich ge-klärt werden kann, ob ein Dauerschaden vorliegt oder nicht, darf die Prozesskostenhilfe nicht beschränkt werden. Dem Hauptsacheprozess darf insoweit nicht vorgegriffen werden.

II. Gerichtsentscheidungen in Leitsätzen

Haftung eines Physiotherapeuten

OLG Koblenz, Beschl. v. 2. 1. 2013 – 5 U 693/12 –

Sorg faltsanforderungen bei physiotherapeutischer Übung, Beweislast nach Unfall

1. Ob der Patient den konkret geplanten Übungen ge-wachsen ist, muss ein Physiotherapeut vor Behandlungs-

Bearbeitet von Rechtsanwalt Professor Dr. iur. Karl Otto Bergmann und Rechtsanwältin Dr. iur. Carolin Wever, Kanzlei Bergmann und Partner, Hafenstr. 14, 59067 Hamm, Deutschland

662 MedR (2013) 31: 662–663

R E C H T S P R E C H U N G A K T U E L L

beginn ebenso hinterfragen wie eine etwaige Beeinträch-tigung durch Medikamente. Ein Versäumnis in diesem Bereich ist allerdings nicht haftungsrelevant, wenn sich nicht feststellen lässt, dass die Befragung dazu geführt hätte, von der konkret schadensursächlichen Übung abzusehen.

2. Stürzt ein Patient bei einer physiotherapeutischen Übung auf einer 30 cm dicken Weichbodenmatte, greift keine Beweiserleichterung nach den Rechtsprechungs-grundsätzen zu den von der Behandlungsseite voll be-herrschbaren Risiken. Ursache und Hergang des Unfalls muss der Patient beweisen.

3. Macht der Patient sich hilfsweise die Prozessbehaup-tung der Behandlungsseite zu eigen, der Sturz sei nicht während der Übung, sondern danach beim Verlassen der 30 cm dicken Weichbodenmatte erfolgt, ist damit eine Pflichtverletzung nicht dargetan, weil einer 53-Jährigen ohne wahrnehmbare Beeinträchtigung dabei keine Hilfe-stellung geleistet werden muss.

Zivilprozessrecht

OLG Köln, Beschl. v. 14. 1. 2013 – 5 U 43/12 –

SachverständigenablehnungEin medizinischer Sachverständiger, der im Prozess um

die Fehlerhaftigkeit einer schönheitschirurgischen Maß-nahme (hier: Nähte im Gesicht) ein Gutachten zu erstatten hat, erweckt nicht schon dadurch den Eindruck der Vor-eingenommenheit, dass er in einem Internetauftritt darauf verweist, eine Facharztausbildung als plastischer Chirurg (die der Beklagte nicht aufweist) und eine langjährige prak-tische Erfahrung komme der Qualität der medizinischen Begutachtung zugute.

Arzneimittelrecht

OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 20. 6. 2012, Beschl. v. 18. 7. 2012 – 5 U 252/11 –

Anwendbarkeit des AMG; Kausalität zwischen Medikamenten­einnahme und Gesundheitsschaden

1. Behauptet der klagende Patient, gesundheitliche Fol-gen (hier: Herzinfarkt, Schlaganfall) wegen der Einnahme eines bestimmten Arzneimittels vor dem 1. 8. 2002 erlit-ten zu haben, ist das AMG in seiner vor diesem Zeitpunkt geltenden Fassung für diese Folgen auch dann ausschließ-lich anwendbar, wenn im Verlaufe des Rechtsstreits gel-tend gemacht wird, im Jahre 2008 habe sich ebenfalls als Folge der seinerzeitigen Einnahme ein weiterer Schlag-anfall ereignet.

2. Zum Nachweis der Kausalität zwischen Arzneimit-teleinnahme und Gesundheitsschaden nach der vor dem 1. 8. 2002 geltenden Rechtslage.

3. Einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen bedarf es nicht, wenn das Gericht auf den entsprechenden Antrag eine ergänzende schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen veranlasst, die die Fragen abschließend beantwortet, und der Kläger eine weitere Stellungnahme hierzu unterlässt.

4. Die während des Rechtsstreits erfolgende Behauptung, es sei zwischenzeitlich (mehr als sechs Jahre nach dem ei-gentlichen Schadensereignis) ein weiterer Schlaganfall ein-getreten, stellt sich als Klageänderung dar, die den Voraus-setzungen des § 263 ZPO unterliegt.

Zahnarztrecht

OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 23. 7. 2012, Beschl. v. 22. 8. 2012 – 5 U 66/12 –

Zahnarzthonorar, Beweis der medizinischen Notwendigkeit, Unbrauchbarkeit der Versorgung

1. An den im Streit um das Zahnarzthonorar vom Zahn-arzt zu führenden Beweis der medizinischen Notwendig-keit der von ihm durchgeführten Maßnahme (§ 1 Abs.  2 GOZ) sind keine besonders strengen Anforderungen zu stellen. Es genügt regelmäßig, wenn sich die Indikation für eine prothetische Neuversorgung aus einem in üblicher Form verfassten Heil- und Kostenplan ergibt und eine vor dem Eingriff durchgeführte OPG-Aufnahme für einen Sachverständigen keine Hinweise ergibt, die gegen die In-dikation sprechen.

2. Eine völlige Unbrauchbarkeit der zahnärztlichen (Oberkiefer-)Versorgung ergibt sich nicht aus dem Um-stand, dass vor der prothetischen Versorgung eine cranio-mandibuläre Dysfunktion zu behandeln wäre.

3. Die völlige Unbrauchbarkeit einer zahnärztlichen Ver-sorgung kann nicht auf eine unzureichende Risikoaufklä-rung gestützt werden.

OLG Köln, Urt. v. 19. 12. 2011 – 5 U 2/11 –

Zur Abtretung einer zahnärztlichen Honorarforderung; Beweiswert der elektronisch geführten Patientenkartei (Leitsätze der Bearbeiter)

1. Eine formularmäßig vorformulierte Einverständnis-erklärung über die Abtretung der Honorarforderung eines Zahnarztes ist als AGB weder wegen Intransparenz noch we-gen unangemessener Benachteiligung des Patienten unwirk-sam (§ 307 Abs. 1 BGB), wenn sich aus der Erklärung für ei-nen durchschnittlichen Patienten klar und eindeutig ergibt, dass er sich für die bevorstehende Behandlung und künftige Behandlungen mit der Weitergabe der Behandlungsdaten und der Abtretung der Honorarforderungen einverstanden erklärt und das Unternehmen die ärztlichen Leistungen in Rechnung stellt und für eigene Rechnung einzieht.

2. Hinweise für eine Manipulation einer zeitnah erstellten und inhaltlich angemessenen zahnärztlichen Dokumenta-tion ergeben sich nicht daraus, dass der Zahnarzt die Be-handlungsunterlagen auf die vorprozessuale Anforderung des Patienten nicht umgehend zur Verfügung gestellt hat.

Arzthaftungsrecht

OLG Köln, Urt. v. 21. 12. 2011 – 5 U 126/11 –

Diagnose und therapeutische Sicherungsaufklärung bei Herzkranzgefäßverengung (Leitsätze der Bearbeiter)

1. Es stellt keinen vorwerfbaren Diagnosefehler dar, wenn sich entwickelnde Sklerosierungen und Verengun-gen eines Herzkranzgefäßes bis zu einem Grad von 50 % als „Konturunregelmäßigkeit“ und nicht als Stenosierung bzw. Einengung eingeordnet werden.

2. Der behandelnde Arzt im Krankenhaus ist im Rahmen der therapeutischen Sicherungsaufklärung nicht gehalten, bei der Entlassung über diagnostische und therapeutische Maßnahmen aufzuklären, die nur bei einem bestimmten künftigen Krankheitsverlauf erforderlich werden können, sofern der Patient durch einen niedergelassenen Kardiolo-gen weiterbehandelt wird.

Rechtsprechung aktuell MedR (2013) 31: 662–663 663