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politik wirtschaft gesellschaft Machtwechsel in der PSD „Lieber der junge Schlaukopf als der Tölpel!“ Generalstaatsanwältin Laura Codru]a Kövesi im Interview Umstrittenes Projekt Ro[ia Montana: Goldrausch in den Westkarpaten Nr. 1/03. 2010 Foto: Octav Ganea

Punkto - nummer eins

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Punkto.ro ist das neue deutschsprachige Magazin mit Nachrichten aus und über Rumänien. Punkto.ro erscheint monatlich in Bukarest. Aktuelle Meldungen, Berichte und Kommentare finden Sie auf unserer Homepage www.punkto.ro, wo Sie auch erfahren, wie Sie die Printausgabe abonnieren können.

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Page 1: Punkto  - nummer eins

politik • wirtschaft • gesellschaft

Machtwechsel in der PSD

„Lieber der jungeSchlaukopfals der Tölpel!“

GeneralstaatsanwältinLaura Codru]a Kövesiim Interview

Umstrittenes ProjektRo[ia Montana: Goldrauschin den Westkarpaten

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edien, wird unsvon überall (ein-schließlich vonihnen selbst) regel-mäßig eingetrich-

tert, stecken in der Krise. Wo manhinguckt, schließt eine Zeitung, entläßtein Radiosender Mitarbeiter, geht eineNachrichtenagentur auf Sparkurs, gehenWerbeeinnahmen zurück. Experten such-en fieberhaft nach Lösungen, setzen aufZusammenschlüsse und Partnerschaften.Geht es nach den Marketing-Experten,so ist alles eine Vertriebs- und Wettbe-werbsfrage: Das Internet frisst uns alle,weil wir Inhalte kostenlos ins Netzstellen. Wir müssen uns im Zeitalter voni-Pad und Netbooks, von Smartphonesund e-Readers eben wiedererfinden, den-ken Inhaltsgestalter – frei nach McLuhansBonmot „the medium IS the message“.Manager glauben, dass ihre Redaktionenüberbesetzt seien, drücken auf Journal-istengehälter. Kollegen klagen, sie seienüberlastet. Mag alles stimmen − ich kannes nicht beurteilen. Ich bin kein Fach-mann für Logistik oder Betriebs-wirtschaft. Und ich bin auch keinMedienguru, von denen es heute (wie

stets in Krisenzeiten) überall wimmelt.Ich kann aber − will ich annehmen −noch lesen. Und was ich lese, gefällt mirnicht. Wir sind als Presseleute faulgeworden. Wir haben vergessen,Geschichten zu entdecken und zuerzählen, obwohl das, meiner bescheide-nen Meinung nach, eigentlich unsereHauptaufgabe war, ist und bleibt. Damüssen wir, denke ich, ansetzen.

Wie dem auch sei − mitten in diesenKrisenkontext platzt punkto.ro auf denMarkt, ein deutschsprachiges Nachrich-tenmagazin, das zudem auf einen täg-lich aktualisierten Online-Auftritt setzt,der die Leser zwischen zwei Ausgabenauf dem Laufenden halten soll. Wiesound weshalb eigentlich? Weil wir den-ken, dass Leute, die Deutsch lesen undsprechen und an Rumänien interessiertsind, ein gutes Recht auf Information inihrer eigenen Sprache haben. Weil wirglauben, dass Rumänien ein noch unbe-schriebenes Blatt ist und zu solchenBlättern gute Stories − also Geschichten− passen. Geschichten aus und über Ru-mänien als Land im europäischen Staa-tengefüge: Politik, Wirtschaft, Gesellschaft,Kultur, Zeitgeschehen − was tatsächlichrelevant ist, darf und wird in punkto.ronicht fehlen. Können wir es besser machenals andere, die deutschsprachige Inhalteüber Rumänien vermitteln − sprich dieKonkurrenz?

Vielleicht. Und eben das wollen wirzusammen mit Lesern und Freundenergründen.

editorial

3Nr. 1 | MÄRZ 2010

Auf den Punkt gebracht

Mvon alexgröblacher

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Auf den Punkt gebracht

Verteidigungsrat stimmtUS-Raketenabwehrschild zu

Einsichten„Sind der EU beigetreten, haben uns aber nochnicht integriert“

Legislative PrioritätenMinisterpräsident Boc erklärt „Modernisierung des Staates“zum obersten Gebot

Der KommentarDie Boc-Regierung vor dem Belastungstest

Geoan`s Hang zum Esoterischen belustigt die Welt

Machtwechsel in der PSD„Lieber der junge Schlaukopf als der Tölpel!“

EklatNach Bespitzelungsaffäre: Diaconescu kehrtPSD den Rücken

Kämpfen auf verlorenem PostenEuropaabgeordnete Macovei und Preda fordernReformierung der PDL

Parteitag und -wahlenDie Kardinalfrage der Liberalen: Für oder wider die PDL?

Analyse2. Amtszeit: Der Präsident und seine Ziele

„Unsere einzige Antwort auf Unterstellungen bezüglichpolitisch gesteuerter Verfahren ist gute Ermittlungsarbeit“

Start für Europas neue Kommission

Erste Anzeichen einer Regierungsumbildung

Fitch, S&P und Moody’s sehen Grund zur Hoffnung

Statistikamt: Weiterhin kein Rezessionsende in Sicht

Regierung hebt staatliche Energiekolosse aus der Taufe

Der KommentarHaushaltsgesetz 2010: Nüchterner Pragmatismus

UnternehmenTAROM: Take-off für die Privatisierung

BusinessLidl übernimmt Plus-Filialen und setzt auf Großexpansion

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Machtwechsel in der PSD

„Lieber der junge Schlaukopfals der Tölpel!“Nach endlosenMachtkämpfen und 15-stündigem Parteitag-Marathon kam MitteFebruar der Paukenschlag:Victor Ponta ist der neuePartei-Chef der Sozis. seite 11

„Unsere einzige Antwortauf Unterstellungenbezüglich politisch ge-steuerter Verfahren istgute Ermittlungsarbeit“Generalstaatsanwältin LauraCodru]a Kövesi überKorruptionsbekämpfung,verschleppte Gerichtsverfahrenund die Akte der „rumänischenRevolution“ seite 16

Statistikamt: Weiterhin keinRezessionsende in Sicht

Mit einem Schlag machtedas Statistikamt die zag-haften Hoffnungen derBehörden auf eine leichteWirtschaftserholungzunichte: Die rumänischeWirtschaft ist auch im 4.Quartal 2009 überra-schend auf Quartalssichtgeschrumpft.

seite 23

Page 5: Punkto  - nummer eins

VIP&Premium-TourismusFerien ’mal anders: Rumänien, wie Sie es (noch)nicht kennen

„Wer das Prinzip Kundenzufriedenheit nicht auf dieleichte Tour kapiert, kriegt es vom Markt mitleidsloseingehämmert“

EnergiemarktRumänien liebäugelt mit South Stream Gas-Pipeline

KMU„Wie zu Opas Zeiten“: Der lange Weg zur modernen Imkerei

SteuerlastTrauerspiel: Mikrounternehmen siechen dahin

Goldrausch in den Westkarpaten

EU-Topf: Regierungschef Boc will heuer 4,3 Mrd. Euro abrufen

EU-Agrarpolitik: Ciolo[ sieht schweren Zeiten entgegen

Euro-TräumeEuro-Münzen „made in Bra[ov“?

Erzbischof Robu im VatikanPapst Benedikt XVI. auf Pastoralreise nach Rumänieneingeladen

Rumänische MdEP halten EU-Parlament auf Trab:„Whopper-Tax“...

.... und Straßenköter auf der Strassburger Tagesordnung

Ceau[escu-Erben klagen gegen Odeon-Theater

Schlaglöcher: „Wir tun ’mal eine Woche so, als ob wirsie stopfen würden!“

Ion }iriac: Spitzel und Bespitzelter

Herta Müllers Schatten in Nitzkydorf

LesekulturReiselektüre für Fahrgäste der Bukarester U-Bahn

Im Unterricht die Schere angesetzt

Behörden wollen Energie-Effizienz der Plattenbautenverbessern

Brauchtum„Hirräi!“: Urzellauf in Agnetheln

Zahl des Monats

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Ion }iriac:Spitzel und BespitzelterDer CNSAS bestätigtejüngst, dass Ion Țiriac,ehemaliger Tennisstarund später erfolgreicherManager von BorisBecker, in seiner Jugendder Securitate als IM(inoffizieller Mitarbeiter)gedient hat.

Herta Müllers Schatten inNitzkydorfSeit es im Fernsehen hieß,dass Literatur-Nobelpreis-trägerin Herta Müller inRumänien geboren ist,stellen sich die Menschenin ihrem Heimatort Fragen:Was ist denn ein Nobel-preis? Und wer ist über-haupt diese Herta Müller?

VIP&Premium-Tourismus

Ferien ’mal anders: Rumänien,wie Sie es (noch) nicht kennen

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Besser spät als nie: Langsambeginnen auch Tourismus-Manager und Investoreneinzusehen, dass Rumänien

selbst anspruchsvollenReisenden etwas zu bieten

hat – und man sich damitim Wettbewerb oft durchaussehen lassen kann.

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Page 6: Punkto  - nummer eins

umänien be-teiligt sich amRaketenab-

wehrsystem der USA inOsteuropa. Der ObersteVerteidigungsrat habeeinem Antrag von US-Präsident Barack Obamastattgegeben und denPlänen zur Stationierungvon „Komponenten“ desUS-Abwehrsystems hier-zulande zugestimmt,teilte Staatschef TraianB`sescu Anfang Februarmit. Der Präsident unter-strich zudem, dass dasSystem nicht gegen Russ-land gerichtet sei. DieKomponenten sollen ab2015 in Rumänien sta-tioniert werden. DemSprecher des US-Außen-amts, Philip Crowley, zu-folge handelt es sich dabeium SM-3-Abwehrraketen. Die Zustim-mung des Parlaments steht zwar nochaus, ist aber laut Teodor Mele[canu,dem Vorsitzenden des Verteidigungs-ausschusses im Senat, eine reine Form-sache.

Der Antrag der US-Behörden warvon Ellen Tauscher, US-Unterstaatsse-kretärin für Rüstungskontrolle, übermitteltworden. Davor hatte US-VizepräsidentJoe Biden bereits im Oktober Polen,Tschechien und Rumänien besucht, umdie US-Pläne zu erläutern. Diese sehenin Osteuropa nun mit Rücksicht aufRussland keinen Schild gegen Land-streckenraketen mehr vor, sondern ein

mobiles System aus Raketen von kürze-rer und mittlerer Reichweite, das vorallem gegen Angriffe aus dem Iranschützen soll.

Dennoch sorgte die rumänischeBeteiligung am US-Schutzschild inMoskau für Irritationen. Der russischeAußenminister Sergej Lawrow forderteeine „Erklärung Washingtons“, zudemstellte Moskau eine Aufrüstung seinerSchwarzmeerflotte in Aussicht. Der rus-sische Nato-Botschafter Dmitri Rogosinwarnte davor, durch die Stationierungeiner „gegnerischen militärischen Infra-struktur“ vor den Grenzen Russlandsdessen Sicherheitsinteressen zu verletzen.

6 Nr. 1 | MÄRZ 2010

in punkto politik

Der Ehrenvorsitzende der Sozis,Altpräsident Ion Iliescu, zeigte sichin einer ersten Reaktion äußerst re-serviert gegenüber der BeteiligungRumäniens am US-Raketenabwehr-system. „Ich persönlich wäre dagegengewesen“, sagte Iliescu vor Journalis-ten. Der Beschluss der Verteidigungs-rates müsse schleunigst im Parlamentdebattiert werden, das seinerseits

eine Volksbefragung zu diesem Themaerwägen sollte. „Die Konsequenzender Installierung von Komponentendes US-Abwehrschutzschirms aufrumänischen Territorium müssenwohl überlegt werden“, so Iliescu.„Man sollte genau kalkulieren:Brauchen wir das Abwehrsystemoder brauchen wir es nicht? WelcheBedingungen stellen die USA? Undwelche Bedingungen stellen wir?“

Aus Sicht des Altpräsidenten sindRaketenabwehrsysteme sowieso über-holt, derlei Projekte seien schließlichein Überbleibsel der Reagan/Bresch-new-Ära. „Wie aktuell ist ein derar-tiges Projekt heute noch? Ist es zuBeginn des XXI. Jahrhunderts nochzeitgemäß?“, fragte Iliescu rhetorischin die Journalistenrunde.

Volksbefragung wegenUS-Schutzschild? Verteidigungsrat stimmt

US-Raketenabwehrschild zu

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SM-3-Abwehrrakete

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„Wir sind der EU zwar beigetreten,haben uns aber noch nicht integriert“ −diesbezüglich müsse Rumänien auchdrei Jahre nach dem EU-Beitritt nochjede Menge Bemühungen unternehmen,erklärte B`sescu vor Studenten der Uni-versität von Cahul. Während seinesMoldawien-Besuches machte der Staats-chef auch ein zweites Eingeständnis:Schuld an den schlechten bilateralenBeziehungen der letzten Jahre sei seineeigene „Naivität“ gewesen. „Ich hattetatsächlich geglaubt, dass (der ehema-lige) Präsident Woronin meint, was erspricht − hatte ihn mit anderen Worteneingangs als Proeuropäer eingeschätzt“,sagte B`sescu dem Sender ProTV Chi-[in`u. Nun aber sei die Ära der „Miss-verständnisse“ zwischen den beidenLändern beendet.

Für Moldawien sei fortan ausschlag-gebend, die „graue Zone“ zwischen EUeinerseits und dem ex-sowjetischen Raumandererseits zu verlassen und den Wegzur EU zu suchen. Rumänien respek-tiere die Unabhängigkeit und territori-

ale Integrität des Nachbarn und seigewillt, mit der neuen bürgerlichenRegierung ein Partnerschaftsabkommenzur europäischen Integration des Lan-des einzugehen.

Dessen EU-Integration gehörtschon seit geraumer Zeit zu den priori-tären außenpolitischen Projekten desrumänischen Präsidenten − es sei dieseben „eine Herzensangelegenheit“, er-läuterte B`sescu beim Jahrestreffen mitden in Bukarest akkreditierten Bot-schaftern. Auch anläßlich der Mitte Januarerfolgten Bukarest-Visite des EU-Rats-vorsitzenden Herman van Rompuyhatte sich der Staatschef für eine klareEU-Perspektive des Nachbarlandeseingesetzt: „Moldawien braucht posi-tive Signale und sowohl finanzielle alsauch politische Unterstützung“, erklär-te B`sescu, der − offenbar mit gutemBeispiel vorangehend − trotz der deso-laten Haushaltslage Rumäniens Chi[i-n`u immerhin eine Hilfe über 100 Mio.Euro zwecks Modernisierung der mol-dawischen Infrastruktur versprach.

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politik

Einsichten

„Sind der EU beigetreten, habenuns aber noch nicht integriert“

aut Staatspräsident Traian B`sescu hat Rumänien noch viel Aufholar-beit zu leisten, bevor von einer tatsächlichen Integration des Landesin die europäische Gemeinschaft gesprochen werden kann. Obwohl

inzwischen drei Jahre seit dessen EU-Beitritt vergangen sind, sei Rumäniennoch keineswegs integriert, sagte B`sescu anläßlich seines Ende Januar absol-vierten Staatsbesuchs in der Republik Moldawien − im Übrigen der erste Aus-landsbesuch des rumänischen Staatschefs seit dessen Wiederwahl.

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Warmer Empfang für Traian Băsescu in der Universitätsstat Cahul

impressum

herausgeber:Punkto Press Service S.R.L.

geschäftsführender gesellschafter:Alex Gröblacher

verlag und abo-service:[email protected]

redaktion:

Sabina [email protected]

Sorin [email protected]

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Alex [email protected]

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Ada Com`nescuHeiner KremsCamelia Popa

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Hans Butmaloiu (kronstadt)Alecs Dina (temeswar)

Ruxandra St`nescu (hermannstadt)

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politik • wirtschaft • gesellschaft

Page 8: Punkto  - nummer eins

ie neue Legislaturpe-riode ist eröffnet,demzufolge knöpftesich Rumäniens alterund neuer Minister-

präsident Emil Boc (PDL) Anfang Feb-ruar dann auch sofort Senatoren undAbgeordnete vor. In separaten Ansprachenvor den beiden Parlamentskammernstellte der Regierungschef die legisla-tiven Prioritäten seines Mandats vor. DiePläne erwiesen sich jedoch nicht nur alsdiffus, sondern auch als abgekupfert −teils bei Staatschef Traian B`sescu, teilsbeim IWF bzw. dessen Auflagen.

Zum obersten Gebot seines Mandatserklärte Emil Boc die „Modernisierung“des Staates − ein Vorhaben, das Präsi-dent B`sescu schon während des Wahl-kampfes vom letzten Spätherbst zurChefsache gemacht hatte. „Modernisie-rung“ scheint im Übrigen das neue Mo-dewort in der rumänischen Politik zusein: An allen Ecken und Enden wird„modernisiert“ und gefeilt − ob nun in-nerhalb der Parteien selbst an den eigenen,verknöcherten Strukturen oder, allgemein-er, an Väterchen Staat −, allerdings nurauf rhetorischer Ebene.

Dementsprechend sah der Regie-rungschef davon ab, die von ihm ange-strebte „Modernisierung“ genauer zuerläutern, und begnügte sich damit, dieVolksvertreter zu einer zügigen Verfas-sungsänderung mit Hinblick auf dieEinführung des Einkammerparlaments

aufzufordern − bekanntlich eine weitereInitiative des Staatspräsidenten, die dieWählerschaft im letzten November perReferendum gutgeheißen hatte. Weiterelegislative Vorhaben, die die Regierungheuer durchboxen will, sind die Verab-schiedung des Zivil- und Strafrechtbu-ches, die ab 2011 in Kraft treten sollen,des Rentengesetzes und der Entwürfezur Steuerverantwortung sowie zumUnterricht − allerdings handelt es sichdabei zumeist um Pläne, die noch imletzten Jahr durchgezogen werden soll-ten. Zu den Regierungsprioritärengehört, last but not least, auch ein dras-tisches Sparpaket, um das Budgetdefizitfür 2010 von 7,3 auf 5,9% des Bruttoin-landsproduktes zu drücken.

Die Opposition kritisierte Bocs Prio-ritätenliste heftig. Sie beinhalte keineeinzige Maßnahme zur Ankurbelungder Wirtschaft oder zum Schutz derJobs in der Privatwirtschaft, monierteder Vize-Parteichef der Liberalen (PNL),Ludovic Orban.

8 Nr. 1 | MÄRZ 2010

politik

egierungschef Emil Boc(PDL) und seinem libe-ralem Vorgänger C`lin

Popescu T`riceanu ist ein Wiederse-hen garantiert − und zwar vorGericht. Die Richter des 5. haupt-städtischen Bezirksgerichts beschlos-sen, im Rahmen der von T`riceanugegen Boc eingeleiteten Klage wegenVerleumdung beide Politiker per-sönlich vorzuladen.

Boc hatte Anfang 2009 seinenVorgänger wiederholt bezichtigt,durch die Konzessionierung derFörder- und Prospektionsrechte fürdie Schwarzmeer-Areale Pelikan XIIIund Midia XV an die kanadische Fir-ma Sterling „die Gesetze des Landesverletzt und dessen Interessen schwergeschädigt“ zu haben. Nachdem derWeltgerichtshof Rumänien im Disputmit der Ukraine rund 80% des Schelf-gebiets zugesprochen hatte, stelltesich nämlich heraus, dass ein guterTeil der Areale, in dem die Behördenerhebliche Gas- und Erdölvorkom-men vermuten, bereits konzessioniertwar. Die neuen Machtinhaber laste-ten T`riceanu daraufhin an, kurz vorMandatsende seinem ParteifreundDinu Patriciu noch schnell ein lukra-tives Geschäft zugeschoben zu ha-ben, da dessen Rompetrol-KonzernVerbindungen mit der rumänischenTocherfirma der Kanadier nachge-wiesen werden konnten.

T`riceanu verklagte seinen Nach-folger schließlich wegen Verleumdung;auch fordert er eine Entschädigungüber 100.000 Lei sowie eine öffent-liche Bekanntmachung des Richter-spruchs in den Medien.

Legislative Prioritäten

Ministerpräsident Boc erklärt„Modernisierung des Staates“ zumobersten Gebot

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Wiedersehenvor Gericht

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ie neue RegierungRumäniens steht aufwackeligen Beinen.Ihre Stabilität wirdnicht nur durch die

Wirtschaftskrise − der das Team umMinisterpräsident Boc offenkundig kaumHerr wird − oder die hauchdünne Stim-menmehrheit im Parlament gefährdet,sondern auch durch die Einflussnahmenund Ränkespiele der verschiedenen In-teressensgruppen, die die Staatsmachtsowohl intern als auch extern schwächen.Zu diesen Belastungen gesellt sich dasRisiko der eigenen Trägheit, da die apa-thische Boc-Regierung bislang außerden Lösungen (sprich Auflagen) desIWF mit keinerlei eigenen politischenoder wirtschaftlichen Projekten aufwar-tete. Das Regierungsprogramm 2010entbehrt jeglicher Maßnahmen zurAnkurbelung der krisengebeuteltenrumänischen Wirtschaft, die Exekutivescheint sich offenbar mit der Kürzungder öffentlichen Ausgaben voll und ganzzufriedenzugeben. Doch lassen die erstenpositiven Effekte im Staatshaushalt nochauf sich warten, während bei den Gewerk-schaften aufgrund der angekündigtenEntlassungswelle sowie der eingefrore-

nen Löhne das Barometer bereits aufSturm steht.

Die Regierung baut augenscheinlichnur auf den internationalen Kontext. Siehofft auf ein Abflauen der Weltwirtschafts-krise, noch bevor sie sich mit lästigenFragen über potenzielle Wirtschaftsstra-tegien den Kopf zerbrechen müsste. Diewenigen angekündigten Einzelprojekteund Reformvorhaben betreffen zumeistdie Infrastruktur − Er-ziehung und Gesund-heitswesen bleibenweiterhin vernachläßigt.Allerdings könnte dieExekutive, selbst wennsie es wollte, organischeGesetze zur Reformetlicher Schlüsselbereichewohl kaum durchs Par-lament bringen − siestützt sich nämlich aufeine klägliche Mehrheitvon nur 6 Stimmen. Und auch die kamlediglich dank der 25 Abtrünnigen zu-stande, die von den Liberaldemokratenin allerletzter Minute zum Überlauf be-wegt werden konnten.

Die Fragilität der derzeitigen Regie-rungskoalition bestehend aus Liberalde-mokraten (PDL), Ungarnverband(UDMR) und der „Gruppe der Unab-hängigen“ ist jedoch nicht nur quantita-tiver, sondern auch qualitativer Natur −denn bei den einheimischen Abgeord-neten hängen Stimmung und Stimmebekanntlich größtenteils von den eige-nen Interessen ab. Die Prinzipien derguten Regierungsführung werden hier-

zulande weder erörtert noch angewendet,während die okkulten Interessenskreiseunabhängig der jeweiligen Machtinha-ber business as usual betreiben. DasNetz parteiübergreifender Beziehun-gen, Einflüsse und Interessen ist bereitsso eng gewebt, dass es inzwischen weitbesser funktioniert als der gesamte Rechts-staat hierzulande. Aus eben diesemGrund sind öffentliche Ausschreibun-

gen längst zur Farcegeworden, bedientwird letzten Endesdoch nur die Klientelder jeweiligen Regie-rungsparteien. Selbst inKrisenzeiten schaut derExekutive niemandgenauer auf die Finger− mit dem öffentlichenGeldern kann sie folg-lich weiterhin nach Be-lieben schalten und

walten, ohne befürchten zu müssen,dass sie irgendwann zur Rechenschaftgezogen würde.

2010 birgt erhebliche Gefahren fürdie Boc-Regierung: erstens soziale Un-ruhen, bedingt durch die wirtschaftlichenUngleichgewichte und die steigendeArbeitslosigkeit, und zweitens eineneuerliche politische Instabilität, da dieoppositionellen Parteichefs dem der PDLnahestehenden Staatspräsidenten längstunverblümt zu verstehen gaben, ihn ihreNiederlage bei der Präsidialwahl bitterbezahlen lassen zu wollen. Und mitStaatschef B`sescu steht und fällt auchdie Macht der PDL.

9Nr. 1 | MÄRZ 2010

politik

Der Kommentar

Die Boc-Regierung vor dem Belastungstest

Dvon sabina fati

Die Regierung bautaugenscheinlich nur auf deninternationalen Kontext. Siehofft auf ein Abflauen derWeltwirtschaftskrise, nochbevor sie sich mit lästigenFragen über potenzielleWirtschaftsstrategien denKopf zerbrechen müsste.

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10 Nr. 1 | MÄRZ 2010

enator Mircea Geoan`erweist sich nicht nur alsschlechter Wahlverlierer,sondern für einen Ver-treter der Linken auch

als erstaunlich abergläubig. Dass er sei-ne Wahlniederlage im Präsidentschafts-rennen letzten Endes esoterischen Kräftenbzw. „energetischen Angriffen“ zuge-schrieb, denen er angeblich ausgesetztworden war, amüsiert seit Wochen nichtnur die einheimische Polit- und Medien-welt, sondern auch das Ausland.

So berichtete der US-Nachrichten-sender CNN, dass „im Land des GrafenDracula“ der „unterlegene Präsident-schaftkandidat mittlerweile einem Eso-teriker vorwirft, ihn mit einem Fluchbelegt und somit um den Wahlsieg ge-bracht zu haben. Der Unterlegene hättewohl mehr Knoblauch essen sollen“,spöttelte CNN.

Köstlich amüsiert dürften sich un-längst auch die Europaabgeordnetenhaben: Während einer Tagung des Aus-schusses für Auswärtige Angelegenheitender Fraktion der Progressiven Allianzder Sozialisten und Demokraten im Eu-ropäischen Parlament, dessen Vize-Vor-

sitzender Geoan`s Parteikollege AdrianSeverin ist, streckte der spanische Sozia-list Miguel Angel Martinez urplötzlichseine Arme in Richtung Severin aus,fuchtelte in dieser Pose sodann mit denHänden herum, als ob er einen Zauber-stab handhabe, und forderte den rumä-nischen Tagungsvorsitzenden lautstarkauf, ihm das Wort zu erteilen. Ihm seizu Ohren gekommen, dass in Rumäni-en „energetische Angriffe“ an derTagesordnung seien, erläuterte Mar-tinez − der sich davor minutenlang be-müht hatte, das Wort zu ergreifen, vonSeverin aber unbeabsichtigt übersehenworden war −, deshalb greife er nunauf Zauberei zurück, um von seinemrumänischen Kollegen beachtet zuwerden.

Als „not amused“ über Geoan`sHang zum Esoterischen erwies sichhingegen Sozi-Ehrenvorsitzender undAltkommunist Ion Iliescu. Von derPresse mit Fragen über die potenziellenAuswirkungen „energetischer Angriffe“auf Wahlkampfergebnisse bestürmt,grantelte der Altpräsident: „Kehren wiretwa zurück zu Nostradamus? Wir sinddoch im 21. Jahrhundert!“

Die Antikor-ruptionsstaatsan-waltschaft (DNA)hat unlängst dieeinstweilige Sicher-stellung einer Im-mobilie des wie-

derholt der Großkorruption bezich-tigten Ex-Ministerpräsidenten AdrianN`stase verfügt. Kaum besser erginges dem zweiten Mann im Staat: Se-natsvorsitzendem Mircea Geoan`warf die Nationale Integritätsbehörde(ANI) Falschangaben in seiner Ver-mögenserklärung vor − er habe esunterlassen, einen Bauvertrag überein 700.000 Euro-Appartementanzuführen, die „Akte Geoan`“ seibereits an die DNA-Ermittler weiter-geleitet worden. Der Ex-Sozi-Chefbezeichnete das Vorgehen als „politi-sche Vendetta“. Es habe sich ledig-lich um einen Vorvertrag gehandelt,die Fertigstellung der Luxuswohnung,für die er allerdings einen Bankkreditbeantragt hatte, sei wegen der Wirt-schaftskrise ins Wasser gefallen. Essei augenscheinlich, dass man es an-gesichts der Neuwahl der PSD-Par-teispitze auf seine Diskreditierungangelegt habe.

Einen ähnlichen Tenor stimmtendie Verteidiger des früheren Regie-rungschefs Adrian N`stase an: DieVerfügung zur Sicherstellung der„Zambaccian“-Immobilie sei „reineAugenwischerei“, man werde sie an-fechten. Im „Zambaccian-Fall“, so be-nannt nach dem Namen der Straße, inder die umstrittene Immobilie liegt,werden N`stase Bestechung undAmtsmissbrauch zur Last gelegt.

Dunkle Wolken amSozi-Himmel

Geoan`s Hang zum Esoterischenbelustigt die Welt

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politik

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11Nr. 1 | MÄRZ 2010

ach endlosen selbst-zerfleischendenMachtkämpfen und15-stündigem Par-teitag-Marathon kam

Mitte Februar der Paukenschlag: VictorPonta ist der neue Partei-Chef der Sozis.856 der 1.700 Parteitags-Delegiertenstimmten für den 38-Jährigen; der bis-herige PSD-Vorsitzende und unterlegenePräsidentschaftskandidat Mircea Geoan`ging als ewiger Loser in die Parteige-schichte ein − auf ihn entfielen trotz derverzweifelten Strippenziehereien seinesFlügels letztendlich nur 781 Stimmen.

9 Kandidaten waren für das Amt desParteichefs angetreten − vor der Abstim-mung waren es schließlich nur noch zwei.Der Reihe nach hatten sich PSD-Schwer-gewichte wie Adrian N`stase, MironMitrea und Constan]as bürgermeister-licher „Lokalbaron“ Radu Maz`re zu-rückgezogen, um dem blutjungen undpolitisch unerfahrenen Ponta den Wegzu ebnen. „Wir setzen lieber auf den jun-gen Schlaukopf als auf den «Tölpel»“,brachte es ein oltenischer Delegiertermit direkter Anspielung auf den von IonIliescu geprägten Spottnamen Geoan`sauf den Punkt.

Pontas Sieg ist ein deutlicher Sieg deralten Garde über Mircea Geoan`, der2005 überraschend die Gallionsfigurder Sozis, Altpräsident Ion Iliescu, sowieden herrischen N`stase von der Partei-spitze verdrängt hatte. Der Machtwech-sel sei die „Rache“ für die „Mauscheleien“

von 2005, die jetzigen Verlierer hätten„ihr Schicksal allesamt verdient“, froh-lockte daher „Micky Bakschisch“ Mih`i-lescu, eine andere Ikone der alten Garde.

Nun steckt Victor Ponta in den Schu-hen seines Vorgängers. Seine Wahl ver-dankt er einzig dem Einfluss und den

Machenschaften Iliescus, N`stases, Mit-reas und Maz`res − genauso wie Geoan`2005 seinen Aufstieg der Unterstützungdes Klausenburger Flügels sowie derStrippenzieherei Viorel Hrebenciucs, dergrauen Eminenz der Partei, zu verdan-ken hatte. Dass Ponta seinen Förderernkünftig die Stirn bieten bzw. versuchenwürde, deren Einfluss abzuschütteln,bleibt ebenso undenkbar wie zu Geoan`sZeiten. Die Macht in der PSD ist längstgesplittet, sie liegt hauptsächlich in Hän-den der Lokalbarone, ohne deren kon-krete Mobilisierung kein Parteichef wie-dergewählt und keine Allgemein- oderLokalwahlen mehr gewonnen werden

können. Ponta wird sich folglich hüten,einen Lokalbonzen vor den Kopf zustoßen oder auf die Rückendeckungund den unerlässlichen Einfluss deralten Garde zu verzichten.

Es bleibt abzuwarten, ob unter derneuen Führung die Spaltung der PSDnoch vermieden werden kann. DieChancen dafür stehen eher schlecht:Seit Monaten brütet der Reformer-Flügelaus Klausenburg über dem Projekt einerneuen Mitte-Links-Partei; nach PontasWahl hagelte es Rücktritte aus der PSD.Die meisten Abtrünnigen liefen zur„Gruppe der Unabhängigen“ über, umgemeinsam mit Gabriel Oprea, ihremehemaligen Parteikollegen und derzeiti-gen Fraktionschef der „Unabhängigen“,eine ebenfalls linksorientierte Partei zugründen. Last but not least wackelt auchMircea Geoan`s Stuhl als Senatsvorsit-zender gewaltig: Die regierenden Libe-raldemokraten spitzen zunehmend aufdas Amt des zweiten Mannes im Staat,das sie noch zu Zeiten der Großen Ko-alition an den damaligen PSD-Chefabgetreten hatten. Dass die PSD-Fraktionden unglückseligen Geoan` zumindestim Senat noch geschlossen unterstützenwürde, scheint eher utopisch, zu sehrhaben sich die Flügelkämpfe bereits inder Partei eingebürgert.

Von seinem Mentor Adrian N`stasehat Victor Ponta Einiges geerbt − dessenArroganz, aber nicht auch dessen feineIronie, dessen Aggresivität, aber nichtauch dessen Entschlossenheit und festeHand. Zwar gilt er als kalkülierter undkaltschnäuziger als sein Vorgänger, wes-wegen manche Politbeobachter dem„Schlaukopf“ mehr Führungsstärke zu-trauen. Doch wird er die Partei ebensowenig wie Mircea Geoan` reformieren −dafür werden seine Gönner unweigerlichsorgen.

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coverstory

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Machtwechsel in der PSD

„Lieber der junge Schlaukopfals der Tölpel!“

Glücksvogel Ponta und Pechvogel Geoană

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politik

Wenige Tage vor Diaconescus Par-teiaustritt hatte die Journalistin FlorianaJucan, Herausgeberin des Magazins „Q“,eröffnet, im Besitz eines 36-seitigenSpitzelberichts zu sein, der Aufschlussüber den gesamten Tagesablauf Diaco-nescus in den ersten 10 Februartagenbiete. Jucan zufolge war Diaconescu Tagund Nacht ausspioniert worden, derBericht sei mit Videoaufnahmen belegt.Einige der Videos würden „recht kom-promittierende“ Einblicke in das Privat-leben des Spitzenpolitikers gewähren,fügte Jucan hinzu. „Zu mir kam einePerson − ich wähnte sie damals demFlügel Mircea Geoan`s nahestehend −,die mir den Bericht samt Videos zwecksVeröffentlichung überließ. Angesichtsdes bevorstehenden PSD-Parteitages undder Vorstandswahl, bei der ja auch Dia-conescu für das Amt des Parteichefs an-treten wollte, beschloss ich, mich ausdiesem schmutzigen Spiel herauszuhalten“,sagte die Journalistin dem TV-SenderAntena 3. Mit oder ohne Druckausübungzog der PSD-Senator es jedenfalls zu gu-

ter Letzt vor, seine Kandidatur zurück-zuziehen.

Nachdem der rumänische Nachrich-tendienst erste Unterstellungen der Op-position mit Bezug auf eine Beteiligungan der Spitzelaffäre zurückwies, erstatte-te Diaconescu bei der StaatsanwaltschaftAnzeige gegen Unbekannt. „Ich möchteklären, ob eine solche Aktion wahrhaftigstattgefunden hat, ob und wieviel davonwahr ist. Meines Wissens nach hat sichkeine Behörde an dieser Aktion beteiligt.Deshalb ist es nötig zu wissen, worumes hier überhaupt geht“, erklärte der Be-spitzelte. Von dem Befund der Ermitt-

lungen werde er seine Zukunft in derPSD abhängig machen, er könne nurhoffen, dass keiner seiner jahrelangenKollegen ihn bespitzelt habe, sagte Dia-conescu im Fernsehen. Tags darauf er-folgte bereits sein Parteiaustritt.

Der neue PSD-Chef Victor Pontabedauerte Diaconescus Abgang. „Solltesich die Bespitzelung bewahrheiten undtatsächlich von einem Mitglied der PSDangeordnet worden sein, so kann sichdiese Person auf die allerdrastischstenSanktionen gefasst machen“, so Ponta.Er bitte Diaconescu um Aufschluss so-wohl mit Bezug auf dessen Kandidatur-rückzug vor der PSD-Vorstandswahl alsauch mit Hinblick auf die Gründe, dieihn zu seinem Parteiaustritt bewogenhätten. PSD-Guru Ion Iliescu äußertesich hingegen ungerührter: DiaconescusAbgang sei zwar bedauerlich, doch han-dele es sich wohl eher um einen Fall von„Enttäuschung“ darüber, es nicht in dieParteileitung geschafft zu haben.

Diaconescu gehört nunmehr dermitregierenden „Gruppe der Unabhän-gigen“ um Verteidigungsminister Gabri-el Oprea an, die noch in diesem Frühjahrin eine Partei umgewandelt werden soll.Pressespekulationen zufolge könnte Dia-conescu deren Parteivorsitz angebotenwerden; auch der Botschafterposten inParis und selbst eine Rückkehr an dieSpitze des Auswärtigen Amtes sind an-geblich im Gespräch.

heiner krems

Eklat

Nach Bespitzelungsaffäre: Diaconescukehrt PSD den Rücken

rdbeben in der PSD: „Ja, ich bin eben aus der Sozialdemokrati-schen Partei (PSD) ausgetreten undwerde mich der «Gruppe derUnabhängigen» anschließen. Zu weiteren Erklärungen bin ichnicht bereit“, verlautbarte Ex-Außen- und Ex-JustizministerCristian Diaconescu (51) Ende Februar. Grund für seinen Rück-

tritt dürften eine Bespitzelungsaktion und möglicherweise sogar Erpressungsver-suche im Vorfeld des PSD-Parteitages und der dabei anstehenden Vorstandswahlgewesen sein.

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ls die Liberaldemokra-tische Partei (PDL)vor gut 5 Jahren erst-mals an die Macht kam,glaubten die meisten

Rumänen noch, dass sie es anders als ihrsozialistischer Vorgänger mache wolle −schließlich hatte der wichtigste Exponentder Partei, Staatspräsident B`sescu, dasWahlrennen aufgrund seiner Kampfan-sage an die weitverbreitete Korruptiongewonnen. Seither sind Jahre vergangen,eine neue Ära in der einheimischen Poli-tik ist durch PDL allerdings nicht ange-brochen. Ihre Parteistrukturen erweisensich als ebenso verknöchert wie jene derSozialisten, Filz und Klungelei florierenwie eh und je. Jüngst mahnten die libe-raldemokratischen EuropaabgeordnetenMonica Macovei, ehemalige Justizminis-terin und Bürgerrechtlerin, und CristianPreda, Politikwissenschaftler und ehema-liger Berater des Staatschefs, eine tiefgrei-fende Reformierung ihrer Partei an ...und stießen dabei auf breite Ablehnung.

In einer Vielzahl von Stellungnahmenforderten Macovei und Preda seit Jahres-beginn einen Satz grundlegender Prin-zipien und Normen für die PDL − teils,um sich doktrinär klarer festzulegen, teils,um die Oligarchisierung der Partei sowiederen zunehmenden Klientelismus zuunterbinden. Vor dem Leitungsausschussbestanden beide Europarlamentarier auf

der Notwendigkeit einer neuen Richtli-nie sowie einer Neugestaltung der Bezie-hungen zwischen Parteispitze, Lokalleitungund Basis. Macovei rügte die Kriterien,aufgrund derer Parteimitglieder heutzu-tage befördert werden − es sei nichthinnehmbar, dass Ernennungen „perTelefon verordnet“ würden und dabeieinzig die Cliquenwirtschaft zähle. Dieehemalige Justizministerin regte in die-sem Sinne die Klärung der überaus ver-quickten Beziehungen zwischen derPolit- und Wirtschaftswelt an.

Bei der Parteispitze stießen die For-derungen der beiden Reformer erst aufverhaltene Ablehnung und schließlichauf offenen Groll. Regierungs- undPDL-Chef Emil Boc erklärte zunächst,dass „Herr Preda noch neu in der Partei“

sei und demzufolge den Sachverhaltnicht genau kenne. Wenige Tage spätermonierten Hardliner wie InnenministerVasile Blaga und Partei-Vize Cezar Predabereits, dass derartige Angelegenheitenausschließlich innerhalb der Partei, nichtaber in der Presse oder auf Blogs erörtertwerden sollten. Man werde einen Ausschusszur Novellierung des Parteiprogrammseinberufen, doch sei die Erneuerung derPartei keineswegs ein neues, sondernein ständiges Anliegen ihrer Mitglieder.Auf Distanz gingen letzten Endes sogardie restlichen liberaldemokratischen Eu-ropaabgeordneten. Er könne die Kritikseiner beiden Kollegen nicht nachvoll-ziehen, sagte MdEP Marian Jean Mari-nescu, beide seien der PDL „über Nachtbeigetreten und wissen gar nicht, wasbislang alles getan worden ist.“ DiePartei sei eine höchst offene, Macoveiund Preda hätten „von dieser Offenheitprofitiert“ und „nun meckern sie, die Par-tei sei nicht offen genug“, so Marinescugegenüber der Presse.

Wie allein die beiden Reformer inihren Bemühungen um einen Wandel inder PDL tatsächlich sind, wurde AnfangFebruar ersichtlich, als PräsidialberaterSebastian L`z`roiu in einem Zeitungs-interview verlautbarte, dass „hinter denreformistischen Äußerungen MonicaMacoveis und Cristian Predas einzig derWunsch nach einem Parteiamt steckt“.Beide verzichteten daraufhin, ihr 10-Punkte-Reformprogramm noch öffent-lich zu machen, es soll nun hinter ge-schlossenen Parteitüren erörtert werden.Deutlicher hätte es die Präsidentschaftallerdings auch kaum signalisieren kön-nen − in ihrem Reformkampf bleibenMacovei und Preda auf sich selbst ge-stellt. Der Präsident strebt wohl die Re-formierung des Staates, nicht aber auchseiner eigenen Partei an.

anne warga

Kämpfen auf verlorenem Posten

Europaabgeordnete Macoveiund Preda fordernReformierung der PDL

A„Korruption bringt Armut“ −mit diesem Wahlslogan war Monica Macoveiin die Europawahlen gezogen

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Ginge es nach Parteichef Crin Anto-nescu, der für ein weiteres Mandat antritt,so wäre die PDL schon längst von derBühne. Vor wenigen Wochen hatte Anto-nescu verkündet, beim Parteitag ein Pro-gramm vorlegen zu wollen, das auf die„politische Vernichtung“ der PDL abzie-le. „Entweder sie oder wir“, so Antonescu,demzufolge im politischen Leben derLandes nur Platz für eine einzige Mitte-Rechts-Partei ist. „Dem Land reichenzwei große Parteien. Eine davon wärenwir − als Vertreter der Rechten, die an-dere wäre wohl die PSD als Vertreter derLinken. Das ist die Strategie, zu der ichstehe“, erläuterte der Liberalen-Chef.

Seine radikalen Ansichten und auchsein autoritärer Führungsstil, der vielean das gebieterische Gehabe des ehema-ligen sozialischen Regierungschefs Adri-an N`stase erinnert, ecken jedoch beiimmer mehr Liberalen an. So fiel der demmoderaten Flügel angehörende Vize-Vor-sitzende der PNL, Varujan Vosganian,aus allen Wolken, als Journalisten ihnüber diese Kriegsansage unterrichteten:„Das kann ich einfach nicht glauben!Soll das ein Witz sein? So etws kann er(Antonescu – Anm. d. Red.) nicht gesagthaben“, lautete Vosganians Reaktion.Auch der Ehrenvorsitzende der Libera-len, Mircea Ionescu Quintus, monierte:„Wir sollten keine Partei anfeinden, son-dern uns auf unser eigenes politischesProgramm und die Festigung unsererParteistrukturen konzentrieren.“

Ex-Parteichef Popescu T`riceanubeanstandete seinerseits die frühzeitigeEinberufung des Parteitages. „Ich sehekeinen Grund dafür. Wir sollten lieber

landesweite Debatten zu unseren Projek-ten und Vorschlägen einleiten, die eineAlternative zur Regierungspolitik dar-stellen könnten.“ Doch kommt der früheParteitag nicht von ungefähr: Antonescuführt seine Partei derzeit mit eisernerHand, wer aufmuckt, lokale Koalitionenmit dem liberaldemokratischen Erzfeindins Auge fasst oder gar dem ausgeschlage-nen Angebot einer Regierungskoalitionmit demselben nachtrauert, riskiert inBausch und Bogen aus der Partei zu flie-gen. Bis zum Herbst hätte der allgemeineUnmut in der Partei zugenommen, An-fang März hingegen dürfte AntonescusWiederwahl mehr oder minder in trocke-nen Tüchern sein. ErnstzunehmendeRivalen hat er bislang nicht − denn derliberale Geschäftsmann Viorel Cataram`,bis Ende Februar einziger offizieller Her-ausforderer, stellt für den derzeitigenParteichef keine Gefahr dar. Falls jedochLudovic Orban, Erster Vizevorsitzenderder PNL, oder gar Ex-MinisterpräsidentPopescu T`riceanu im letzten Momentantreten, so könnte der Parteitag für An-tonescu durchaus zur Zitterpartie werden.

Seine Ressentiments gegen Traian B`-sescu und den liberalen Flügel der Demo-kraten scheinen der Liberalen-Chef derartzu blenden, dass er die Gefahr, in derseine eigene Partei schwebt, offenbarnicht einmal wahrnimmt: Denn solltensich PDL und PSD tatsächlich auf einekünftig authentische Direktwahl einigen,wofür sich beide Parteien aussprechen,so hätte die PNL das große Nachsehen− sie könnte nämlich schon ab 2012 zuraußenparlamentarischen Partei werden.

heiner krems

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Parteitag und -wahlen

Die Kardinalfrage der Liberalen: Für oder wider die PDL?

uf den ersten Blick magdie Atmosphäre in der Li-beralen Partei (PNL) zwar

harmonischer wirken als in der zer-rissenen PSD, doch trügt der Schein:Die unterschwelligen Animositätenan der liberalen Parteispitze könntenim Verlauf des vom 5. bis 7. Märzgeplanten Parteitags durchaus ex-plodieren. 1.400 Partei-Delegiertewerden nämlich nicht nur über dieneue Führungsriege, sondern auchüber die Zielsetzungen der Parteientscheiden. Im Kern geht es darum,ob die PNL tatsächlich das Kriegs-beil gegen die regierenden Liberalde-mokraten ausgraben will oder nicht.

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Für viele zu autoritär: Crin Antonescu

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Traian B`sescu weiß, dass er in seiner2. Amtszeit auf sein ewiges Säbelrasselnverzichten muss: keine Scharmützel mitdem Parlament, keine überraschendenBeschuldigungen, kein Frontalangriffauf die politische Klasse. Er weiß, dasser sich mit der Fortsetzung des Dauer-krieges ein weiteres Amtsenthebungsver-fahren einhandeln würde − das diesmalangesichts seiner schwindenden Popula-rität durchaus Erfolg haben könnte. B`-sescu weiß, dass er viel diskreter auftretenmuss: gefragt sind diesmal weniger Worteund mehr Taten. Seine Prioritäten visie-ren dementsprechend drei Bereiche: Än-derung des Grundgesetzes, Reformierungder eigenen Partei, Stärkung des geostra-tegischen Einflusses Rumäniens in derRegion.

Seine Vision über die Wege zur Neu-gestaltung der einheimischen Politik hatder Präsident schon 2005 verkündet:Direktwahlen und Einkammerparlament.2007 hatte er die Novellierung des Wahl-gesetzes für die Parlamentswahlen an-hand einer Volksbefragung mehr oderminder erzwungen, doch obwohl sich

über 70% der Beteiligten für die Ein-führung der Direktwahl ausgesprochenhatten, konnte das Ergebnis des Referen-dums letzten Endes nicht validiert wer-den, da sich unter 50% der Wählerschaftan der Volksbefragung beteiligt hatten.Das Gesetz wurde abgeändert und tratschließlich in einer äußerst komplizier-ten Form in Kraft − Wirkung zeigte esdennoch, da die Legislative aufgrund derAllgemeinwahlen von 2008 um etwa50% erneuert wurde. Das gleiche Rezeptder Volksbefragung wendete B`sescu so-dann mit Bezug auf das Einkammern-parlament an − wohlwissend, dass er indiesem Punkt auf keinerlei Unterstüt-zung der Parteien bauen kann. Bislangkonnte der Präsident nicht einmal seineeigene Partei von der Notwendigkeitdieses Schrittes überzeugen − die Liberal-demokraten (PDL) gehen das Vorhabeneher lustlos und schleppend an. Zudemhat der mitregierende Ungarnverbanddas Projekt bereits beanstandet und dar-auf hingewiesen, dass im Zuge der Re-gionalisierung und Dezentralisierung desStaates beide Parlamentskammern not-

wendig seien. Tatsächlich will der Staats-chef aber gar keine neue Verfassung,obwohl die gegenwärtige vor 20 Jahrenverabschiedet wurde und längst über-holt ist. Wie den meisten anderen Spit-zenpolitikern schwebt auch ihm bloß ein„Facelifting“ des derzeitigen Grundgeset-zes vor − eine Rundum-Novellierungkönnte schließlich die Gefahr einer au-thentischen parlamentarischen Republikund damit die Einschränkung der präsi-dentschaftlichen Prärogative in sichbergen.

Auch mit Bezug auf seine Partei hatTraian B`sescu keine klare Strategie, janicht einmal einen klaren Nachfolger.Ministerpräsident Boc, der der PDL seit 5Jahren vorsteht, besitzt weder die notwen-dige Autorität noch die Führungsquali-täten, um sich gegen die einflußreichenund finanzkräftigen „Barone“ seinerPartei durchzusetzen. Letztere wollteB`sescu zwar zumindest teilweise ausder Regierung fernhalten, setzte dabeiaber auf ein falsches Pferd: Zu den vonihm geförderten jungen PDL-Politikerngehörte auch Ex-Jugend- und Sportmi-nisterin Monica Jacob Ridzi, gegen diedie Staatsanwaltschaft mittlerweile wegenKorruption ermittelt. Dieser Fehlgriffhat einerseits B`sescu vorsichtig gemachtund andererseits die Position der altein-gesessenen Schwergewichte gestärkt.

Einzig seine dritte und letzte, geo-strategische, Priorität scheint beschei-dene Aussichten auf Erfolg zu haben,zumal die USA nun Rumänien in ihrneues Konzept für ein Raketen-Schutz-schild eingebunden haben. Auch trittder Präsident zunehmend aktiver in derSchwarzmeer-Region auf, um die Bezie-hungen zur Republik Moldau neu zugestalten und die Eisschollen, die sichzwischen Bukarest und Moskau auftür-men, einigermaßen zu umschiffen.

sabina fati

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Analyse

2. Amtszeit: Der Präsidentund seine Ziele

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Justizminister Predoiu erklärte un-längst, keinen günstigen Zwischenbe-richt der EU über die Lage der rumänischenJustiz zu erwarten. Sie haben sich dies-bezüglich optimistischer geäußert.Wieso eigentlich?

Ich hoffe, dass auch im jüngstenZwischenbericht der EU zum Stand derrumänischen Justiz sowohl General-staatsanwaltschaft als auch die NationaleAntikorruptionsdirektion DNA positiverwähnt werden. Die EU hat bislangder Arbeit der Staatsanwaltschaft „kon-stante Fortschritte“ bescheinigt – auchmit Bezug auf die Korruptionsbekämp-fung, einem Bereich, in dem wir strenggemonitort werden. In Rumänien wirdje nachdem, wie hoch die Korruptions-summe ist und wer der Bestechlichkeitverdächtigt wird, wegen Klein- oderGroßkorruption ermittelt. Ermittlungenin Fällen von Großkorruption führt eineSonderstaatsanwaltschaft, die DNA.Diese Behörde hat bislang gegen eineReihe ehemaliger und amtierender Minis-ter oder Parlamentsmitglieder ermitteltund Anzeige erhoben…

Im Übrigen hat die DNA eben ihrenJahresbericht für 2009 vorgelegt…

…genau − und der führt insgesamt168 Anklageschriften gegen 552 Ange-

klagte an. 244 Angeklagte waren früherhohe Würdenträger, Führungsbeamteoder hatten wichtige Ämter inne. Kon-kret: 1 Minister, 1 Ex-Minister, 1 Ex-Pre-mierminister, 2 Abgeordnete, 1 Geheim-dienstdirektor, 2 Subpräfekten, 2 Staats-anwälte, 1 Richter, 7 Rechtsanwälte u. a.Die positiven Ergebnisse sind zu einemguten Teil darauf zurückzuführen, dassdie DNA mit spezialisierten Staatsanwäl-ten, einer eigenen Kripotruppe und eige-nen Gutachtern arbeitet und Prioritätensetzt. Nun heißt es für uns alle, Staats-anwaltschaft und Öffentlichkeit, die Ur-teile abzuwarten.

Das Monitoringverfahren der EUbetrifft aber auch andere Aspekte: dieeinheitliche Rechtspraxis, Personalmaß-nahmen, die Optimierung der Arbeit imAllgemeinen. Klar ist: Es wird nur danneingestellt werden, wenn alle geprüftenEinrichtungen der rumänischen Justizgenügend Fortschritte vorweisen kön-nen, um die von der EU-Kommissionangestrebten Ziele zu erreichen.

Allerdings ist z. B. der Oberste Rat derRichter und Staatsanwälte (CSM) in sämt-lichen Berichten Brüssels gerügt worden.Meinen Sie, das Gremium hätte sich in-zwischen derart modernisiert, dass esnun den EU-Ansprüchen gerecht würde?

Diese Frage muss ich Ihnen alsCSM-Mitglied beantworten, nicht alsGeneralstaatsanwältin. Optimierungs-maßnahmen wurden auch beim CSMergriffen, doch gibt es hier etliche Alt-lasten, die noch abgebaut werden müssen.Ein Problem ist beispielsweise das Ge-richtskontrollamt des CSM. Obwohldas Gesetz vorsieht, dass die Kontrol-leure aufgrund von Wettbewerbenoder Prüfungen eingestellt werden, gabes in einigen Fällen nur einfache Vor-stellungsgespräche. Deshalb habe ichgegen die Plenumsbeschlüsse bei derletzten Einstellung Rechtsmittel ein-gelegt – ein Vorstellungsgespräch istschließlich subjektiv, es fehlen transpa-rente Bewertungskriterien. Diese Kon-trolleure sind nämlich sehr wichtig –sie prüfen die Arbeit an Gerichten undStaatsanwaltschaften, die Führung derAnfangsermittlungen, sie entscheidenüber Disziplinarverfahren und könnendie Absetzung leitender Staatsanwälteoder Generalstaatsanwälte beantragen.Deshalb müssen sie einfach die Bestendes Systems sein. Ein Vorstellungsge-spräch ohne Standardfragen, ohnetransparente Kriterien für alle Bewer-ber bietet keinerlei Garantie, dassauch tatsächlich die Besten genommenwürden.

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„Unsere einzige Antwort auf Unterstellungenbezüglich politisch gesteuerter Verfahrenist gute Ermittlungsarbeit“Generalstaatsanwältin Laura Codru]a Kövesi über Korruptionsbekämpfung,verschleppte Gerichtsverfahren und die Akte der „rumänischen Revolution“

interview

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Weitere Probleme wären das Perso-naldefizit und die veraltete Strafprozess-ordnung …

Das Defizit ist über die Jahre kon-stant geblieben – landesweit gibt es über500 unbesetzte Stellen. Doch gehört dieLaufbahn der Staatsanwälte nicht zumeinen Aufgaben: Einstellung, Beurtei-lung, Versetzung oder Bestrafung fallenin den Zuständigkeitsbereich des CSM.

Mit Bezug auf Strafgesetzbuch undStrafprozessordnung ist und bleibt un-ser größtes Problem die derzeitige Ver-fahrensdauer. Wer zur Polizei oderStaatsanwaltschaft geht, möchte natür-lich, dass die Ermittlungen möglichstzügig vorangehen. Wir aber arbeitennach völlig veralteten Gesetzbüchern −so etwa stammt das Strafgesetzbuch ausdem Jahr 1968, es wurde nie an die neueWirklichkeit angepasst. Zudem legenviele Sondergesetze Straftatbeständefest, wobei sich durch die Koppelungdieser Sondergesetze mit dem Strafge-setzbuch Auslegungsprobleme unddamit eine uneinheitliche Rechtspraxisergeben. Die neuen Gesetzbücher undProzessordnungen können sowohl dasProblem der Verfahrensdauer als auchjenes der Überbelastung des Personalseinigermaßen lösen.

Politiker, die unter Korruptionsver-dacht stehen, behaupten im Falle vonVerzögerungen oder langen Verhand-lungspausen stets, dass die Staatsan-wälte schlampig ermittelt hätten. Wiestehen Sie dazu?

In jenen Fällen, in denen PolitikerBeschuldigte sind, wurden die Ermitt-lungen größtenteils längst abgeschlossen,es wurde Anklage vor Gericht erhoben.Dass es in einigen Fällen jedoch auchnach 3−4 Jahren nicht einmal zur Haupt-verhandlung kam, kann keineswegs derStaatsanwaltschaft zur Last gelegt

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interview

werden. Denn sind die Ermittlun-gen einmal abgeschlossen, ist der Staats-anwalt zwar auch im Gericht dabei,doch ist ab dem Zeitpunkt einzig derRichter Herr des Verfahrens.

Und wenn Strafakten der Staatsan-waltschaft zurückerstattet werden?

In einigen Fällen haben wir selbstüber die üblichen Rechtswege Verfah-rensfehler gerügt und die Akten überar-beitet, diese Fällesind aber wieder vorGericht anhängig. Inanderen Fällen – be-sonders bei Großkor-ruption – wurdejedoch von den Ver-teidigern Verfassungs-klage erhoben; dasVerfassungsgericht hatdiesen Klagen stattge-geben, was der ermit-telnde Staatsanwaltnatürlich unmöglichhätte voraussehenkönnen – diese Aktenwurden uns ebenfallszurückgeschickt. DasProblem ist, dass das Verfahren an sichruht, bis die Verfassungsklage entschiedenist. Wir haben eine Novellierung derGesetze angeregt, damit das ordentlicheGerichtsverfahren weiterlaufen kann,während das Verfassungsgericht ent-scheidet, aber der Vorschlag ist im Par-lament durchgefallen − leider.

Oppositionspolitiker im Visier derDNA beklagen ausnahmslos, dass sieOpfer politisch gesteuerter Verfahrenseien. Mit anderen Worten wird unter-stellt, dass die Staatsanwaltschaft ei-gentlich auf Befehl der jeweiligenMachtinhaber handelt. Wie stehen Sie zuderlei Äußerungen?

Ich weise die Behauptung, wir wür-den auf Befehl arbeiten oder aufgrundder politischen Couleur eines Verdächti-gen ermitteln, mit aller Entschiedenheitzurück. Seit Oktober 2006, als ich diesesmein Mandat antrat, hat es keinerlei Er-mittlungen gegeben, die auf politischesKommando hin angeregt worden wären.Dafür verbürge ich mich. Ich sehe aberselbstverständlich genau wie meine Kol-legen, wie Beschuldigte gleich nach ihrer

Vernehmung durchden Staatsanwaltschnurstracks insnächste TV-Studiorennen und sich dannzur Akte und denBeweisen äußern.Wir dürfen das na-türlich nicht. Unsereeinzige Antwort aufderlei Unterstellun-gen ist gute Ermitt-lungsarbeit. Habenwir ausreichend Be-weise, müssen wir sievor Gericht bringenund ein Urteil ab-warten. Ich kom-

mentiere ungern, was Politiker sagen,doch habe ich diese „Verteidigungsstra-tegie“ nur allzu oft gesehen. Dagegenkönnen wir nichts unternehmen. Ichkann nur immer wieder hervorheben,dass Anklageerhebungen oder Verfah-renseinstellungen Politiker aller Parteienbetreffen.

Wie ist es derzeit um die ermitteln-den Staatsanwälte bestellt? Stehen sienoch unter Druck?

Die Lage hat sich in den letztenJahren stark geändert – und zwar zumGuten. 2004 wurde das Gerichtsverfas-sungsgesetz abgeändert, die Staatsan-wälte sind in ihrer Arbeit weitgehend

weisungsfrei und unabhängig. Inzwi-schen sind Staatsanwälte, die gegen„große Fische“ ermitteln, zunehmendstressfester, sie geben keinem Drucknach. Heutzutage stehen sie eher unterindirektem Druck – durch Medien,durch enge Termine. Laut Gesetz kannsich ein Staatsanwalt beim CSM be-schweren, falls sich sein Vorgesetzteroder sonstwer in seine Arbeit einmischensollte. Derlei Fälle gab es. Doch hat sichin letzter Zeit auch der Habitus in derPolitik geändert – ich selbst erhielt nochnie einen Anruf, in dessen Verlauf mirein Politiker sagen würde, stellen SieVerfahren X ein oder eröffnen Sie Ver-fahren Y. Ich bin zuversichtlich, dassmeine Kollegen – sollten sie denn einemsolchen Druck ausgesetzt sein – sofortan die Öffentlichkeit gehen würden.

Die von Ihnen angesprocheneUnabhängigkeit hat aber auch zu eineruneinheitlichen Praxis geführt, ein-schließlich in Ihren Behörden. Gibt esdenn keinen goldenen Mittelweg zwi-schen Weisungsfreiheit und Rechts-sicherheit für den Bürger?

Dies ist tatsächlich ein Grundprob-lem unseres Rechtssystems – unter-schiedliche Lösungen in eigentlichidentischen Fällen. Das verstört denBürger und schadet unserem Ansehen.Es ist sehr schwer, einem Menschen be-greiflich zu machen, weshalb er einenProzess verloren hat, wo doch in einemidentischen Fall ein anderer gewonnenhatte. Dass es dabei ausschließlich umunterschiedliche Auslegungen geht …Und das betrifft leider nicht nur dieUrteilssprüche, sondern auch die Praxisder Staatsanwälte. Wir selbst konntenbislang etliche Maßnahmen identifizie-ren, um eine Vereinheitlichung herbei-zuführen. So werden unrechtmäßigeEntscheidungen widerrufen, auch legen

In jenen Fällen, in denen PolitikerBeschuldigte sind, wurden dieErmittlungen größtenteils längstabgeschlossen, es wurde Anklagevor Gericht erhoben. Dass es ineinigen Fällen jedoch auch nach3−4 Jahren nicht einmal zurHauptverhandlung kam, kannkeineswegs der Staatsanwalt-schaft zur Last gelegt werden.Denn sind die Ermittlungen einmalabgeschlossen, ist der Staatsan-walt zwar auch im Gericht dabei,doch ist ab dem Zeitpunkt einzigder Richter Herr des Verfahrens.

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interview

wir derzeit in unserem Intranet eine vir-tuelle Bibliothek mit Fachaufsätzen an,die Orientierung bieten sollen.

Im Dezember 1989 verfolgten Aber-millionen von Fernsehzuschauern ausaller Welt die Berichte über die blutigenWendeereignisse in Rumänien. Wie ist esderzeit um die Akte „Revolution“ bestellt?Weiß man mittlerweile, was in jenenTagen tatsächlich geschah? Kennt mandie genaue Zahl der Opfer? Weiß man,wer geschossen hat und auf wessen Be-fehl? Und wie können die Schuldigenüberhaupt noch zur Verantwortunggezogen werden, wenn die Taten in vie-len Fällen bereits verjährt sind? Altpräsi-dent Ion Iliescu etwa, immerhin eineZentralfigur jener Tage, hatte sich bis-lang noch vor keinem Gericht zu verant-worten ...

Die Staatsanwaltschaft hat seit 1989in insgesamt 4.500 Strafakten ermittelt– davon sind zurzeit nur noch zwei inArbeit. In 112 Fällen wurde Anklageerhoben, die Angeklagten wurden zumTeil verurteilt, einige haben ihre Strafebereits abgesessen, andere sind noch imGefängnis.

Doch will ich offen gestehen – in der„Revolutionsakte“ haben wir als Behördeversagt. Dass wir nach 20 Jahren nichtalles ermitteln, nicht feststellen konnten,wer geschossen hat und auf wessen Be-fehl, ist ein gewaltiges Armutszeichenfür unsere Behörde. Dazu müssen nunsämtliche Staatsanwälte und deren Vor-gesetzte stehen, die mit dieser Akte zutun hatten. Wir wissen zwar im Großenund Ganzen, was geschehen ist – in den112 Fällen ging es u.a. um 6 Armeege-nerale und 12 Generale des Innenminis-teriums, die für ihre Befehle vor Gerichtkamen. Doch gehen wir Staatsanwältenicht als Historiker an die Ereignisse her-an, sondern als Juristen. Nach 17, 18,

19 Jahren ist es extrem schwer, eindeu-tige Beweise zu erbringen, die die jewei-ligen Taten belegen. Wir kämpfen damit wesentlichen strafprozessualen Pro-blemen − etwa: Es gab keine Obduktionder Opfer. Woher nun wissen, ob einOpfer erschossen oder totgeprügelt wur-de? Auch gab es keine Tatortermittlun-gen. Wie können wir nun feststellen, mitwelcher Waffe geschossen wurde, auswelcher Richtung usw.?

Was Ion Iliescu betrifft, so kann ich

Ihnen eröffnen, dass gegen ihn am 7.Dezember 2004 eine erste Strafverfol-gung einsetzte. Jedoch wurde er bis2009 davon weder offiziell in Kenntnisgesetzt, noch wurden ihm die Anschul-digungen mitgeteilt. Mit anderen Wortenwurde er trotz 2004 eingeleiteter Straf-verfolgung bis zu dem Zeitpunkt, zudem uns die Akte von der Militärstaats-anwaltschaft zugestellt wurde, kein ein-ziges Mal vernommen.

das interview führte anne warga

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Die Kommission Barroso II:

Präsident: José Manuel Barroso (53)Vizepräsidentin & Außenkommissarin:

Baroness Catherine Ashton (53)Wettbewerb: Joaquin Almunia (61)

Arbeit und Soziales: Laszlo Andor (43)Binnenmarkt & Dienstleistungen:

Michel Barnier (59)Agrarressort: Dacian Cioloș (40)

Verbraucherschutz & Gesundheit:John Dalli (61)

Fischerei & Maritime Angelegenheiten:Maria Damanaki (57)

Handel: Karel de Gucht (55)Erweiterung: Stefan Füle (47)Forschung & Wissenschaft:

Maire Geoghegan-Quinn (59)Regionale Entwicklung: Johannes Hahn (52)

Klimaschutz: Connie Hedegaard (49)Verkehr: Sim Kallas (61)

Digitale Wirtschaft, Telekommunikation &Medien: Neelie Kroes (68)

Budget- und Finanzplanung:Janusz Lewandowski (58)

Inneres: Cecilia Malmström (41)Energie: Günther Oettinger (56)

Entwicklung: Andris Piebalgs (52)Umwelt: Janez Potocnik (51)

Justiz & Bürgerrechte: Viviane Reding (58)Wirtschaft undWährungsfragen: Olli Rehn (47)

Verwaltung: Maros Sefcovic (43)Steuer- & Zollangelegenheiten:

Algirdas Semeta (47)Industrie: Antonio Tajani (56)

Bildung, Kultur & Mehrsprachigkeit:Androulla Vassiliou (66)

Humanitäre Koordination und Krisenhilfe:Kristalina Georgiewa (56)

ach einer langen Hän-gepartie hat Kommis-sionspräsident JoseManuel Barroso end-lich offiziell ein Füh-

rungsteam. Das EU-Parlament bestätigtedie neue Mannschaft Anfang Februarmit klarer Mehrheit: 488 Abgeordnetestimmten in Straßburg für die neue EU-Kommission, 137 votierten dagegen, 72enthielten sich. Für Rumänien sitzt derehemalige Landwirtschaftsminister Da-cian Ciolo[ imGremium − ihmgehört nunmehrdas Agrarressort.

Die Kommis-sion Barroso IIbesteht aus insge-samt 27 Mit-gliedern, darunter9 Frauen, ihr Man-dat reicht bis zum31. Oktober 2014.

Kommissions-präsident Barroso bedankte sich bei denEuropaabgeordneten für die „demokra-tische Legitimierung“ seines Teams. Erwolle das EU-Parlament zukünftig mehreinbinden und sich für einen größerenEinfluss Europas in der internationalenPolitik einsetzen, unterstrich Barrosokurz vor der Abstimmung. Gemeinsamkönne man nun beginnen, die Visioneines effizienten Europas mit einer sozia-len Marktwirtschaft umzusetzen.

Der frischgebackene AgrarkommissarDacian Ciolo[ erklärte sich über die brei-te Zustimmung des EU-Parlaments er-freut: „Mit dieser Mehrheit können wirunser Mandat guten Mutes angehen, ob-

wohl es zu einem äußerst schwierigen Zeit-punkt startet.“ Er sei bereit, die Reformder Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)kontinuierlich weiterzuführen, sagteCiolo[ dem Radiosender RFI. Mit ihmfreuten sich in Brüssel auch rund 200Milchbauern, die das Ende der Amtszeitvon Agrarkommissarin Mariann Fischer-Boel feierten.

Der parteilose Ciolo[ studierte Gar-tenbau an der Klausenburger Universitätfür Bodenkultur und Veterinärmedizin,

seinen agrarwirt-schaftlichen Dok-tor machte er inFrankreich. FürBrüssel war der 40-Jährige bereits alsTask-Manager fürLandwirtschaftund Ländliche Ent-wicklung in der ru-mänischen Delega-tion bei der EU-Kommission tätig,

ab 2005 arbeitete er sodann im rumäni-schen Ministerium für Landwirtschaft,dem er zwischen 2007 und 2008 sodannals Ressortminister vorstand.

Gegen seine Ernennung als Agrar-Kommissar hatte es eingangs erheblicheVorbehalte gegeben, da Ciolo[ mitrund 50 Milliarden Euro im Jahr dengrößten Posten im EU-Haushalt kon-trolliert, dafür aber aus einem als hoch-korrupt geltenden Land kommt, demdie EU-Kommission im Jahr 2008wegen Unregelmäßigkeiten beim Vor-beitrittsprogramm SAPARD vorüberge-hend den Geldhahn zugedreht hatte.

a. w.

Start für Europas neue Kommission

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Die neue Mannschaft um Kommisionspräsi-dent Barroso

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Nachdem sich Finanzminister Sebas-tian Vl`descu und Arbeitsminister Mihai{eitan − beide parteilos − die Gunst desMinisterpräsidenten und seiner Regie-rungspartei durch umstrittene Äußerun-gen offenbar verspielt haben, schließendie Medien eine baldige „kleine“ Regie-rungsumbildung nicht aus − zumal im-mer mehr gewichtige sozialdemokratischeAbgeordnete ihrer Partei den Rückenkehren und sich der mitregierenden„Gruppe der Unabhängigen“ anschließen.Laut Presse könnte Arbeitsminister {ei-tan durch seinen sozialdemokratischenVorgänger Marian Sârbu ersetzt werden,der nach seinem Abgang aus der PSDangeblich seine Rückkehr an den Regie-rungstisch vorbereitet.

Arbeitsminister {eitan war mit seinenÜberlegungen über eine künftige Staffe-lung des Kindergeldes nach Elternein-kommen in die Kritik geraten. Das Kin-dergeld sei von der Verfassung für alleverbrieft − es sei schließlich ein Recht derKinder, nicht der Eltern, monierten diezahlreichen Elternverbände. Finanzmi-

nister Vl`descu trat wiederum mit Äu-ßerungen über eine mögliche Besteue-rung der Renten ins Fettnäpfchen − beiden erschrockenen Rentnerverbändenstand das Barometer ebenfalls sofort aufSturm. Regierungschef Emil Boc sah sichletzten Endes genötigt, sich angesichtsder öffentlichen Entrüstung von den Äu-ßerungen seiner beiden Minister zu dis-tanzieren; die Regierungskoalition halteam gegenwärtigen Stand der Dinge fest.

Während der darauffolgenden Regie-rungssitzung platzte dem Ministerpräsi-denten dann der Kragen − allerdings nurim engsten Kreis, nachdem Staatssekre-täre und Berater vor die Tür gebetenworden waren. Laut NachrichtenagenturMediafax redete Boc mit seinen Minis-tern Tacheles: Die beiden hätten „dasAnsehen des Kabinetts schwer beschä-digt“, sie seien eben „um Haaresbreite“einer Entlassung entkommen, meldetedie Nachrichtenagentur mit Bezug aufnicht näher genannte Regierungskreise.

Erbost ist jedoch nicht nur der Pre-mierminister, sondern auch die gesamteRegierungspartei PDL. Gegen Finanz-minister Vl`descu mehren sich Klagenliberaldemokratischer Lokalgrößen,Bürgermeister und Kreisratsvorsitzender,er würde die für die Lokalverwaltungenbestimmten Gelder zurückhalten. Un-zufrieden scheint die PDL-Führungsrie-ge auch mit Agrarminister Mihai Dumitruzu sein, da er − laut Presse − zu selbst-ständig agieren und sich über die Be-schlüsse der Regierungspartei schon desÖfteren hinweggesetzt haben soll.

heiner krems

21Nr. 1 | MÄRZ 2010

politik

Erste Anzeichen einerRegierungsumbildung

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22 Nr. 1 | MÄRZ 2010

in punkto wirtschaft

n der EU27 ist die Inflationim Januar wie von Ökonomenerwartet gestiegen, die jähr-

liche Teuerungsrate kletterte von1,5% im Vormonat auf 1,7%, teiltedie Europäische StatistikbehördeEurostat Ende Februar in ihrer zwei-ten Schätzung mit. Allerdings wurdein Rumänien mit 5,2% die zweit-höchste Rate in der gesamten Euro-päischen Union gemessen, lediglichUngarn wies mit 6,2% eine nochstärkere Teuerung auf.

Davor hatte bereits das NationaleStatistikamt bekanntgegeben, dasshierzulande die jährliche Inflations-rate im Januar auf 5,2 gegenüber denim Dezember gemessenen 4,74%hochgeschnellt sei − eine Steigerung,die selbst Analysten überraschte. LautEurostat sollen sich die Treibstoffe imJanuar am stärksten auf den Preisauf-trieb ausgewirkt haben.

Die niedrigsten Jahresraten wur-den in Lettland (-3,3%), Irland (-2,4%)und Estland (-1,0%) gemessen. In derEurozone kletterte die jährliche Teue-rungsrate im Januar auf 1,0% gegen-über 0,9 % im Vormonat.

ZweithöchsteInflationsrate in der EU

I

ie internationalen Ratingagen-turen sehen im laufenden Jahreinigen Grund zur Hoffnung

in Rumänien: Hier hätten sich die allge-meinen Voraussetzungen gebessert, sodie Ratingagentur Fitch, deshalb habeman beschlossen, den Ausblick Rumäni-ens von „negativ“ auf „stabil“ anzuheben,meldete Bloomberg. Fitch hatte den ver-besserten Ausblick damit begründet, dassder IWF und die EU nach Verabschie-dung des Budgets 2010 durch das ru-mänische Parlament die auf Eis gelegtenTeilzahlungen ihres Beistandskreditswieder frei gegeben hatten. Als „positivesZeichen“ sei bei Fitch wohl auch die„Reformbereitschaft derneuen Regierung“ er-achtet worden, zitierteBloomberg die Chef-ökonomin des BrokersWoods & Co, RaffaellaTenconi. Sollten sich dieBehörden in Bukarestweiterhin an die Vor-gaben des IWF und derEU-Kommission halten,dann könne Rumänien

Ende 2010/Anfang 2011 durchaus miteiner Anhebung seines Ratings rechnen,so Tenconi.

Auch die Ratingagentur Standard &Poor’s hält eine Ratinganhebung fürmöglich. S&P bewertet Rumäniens Bo-nität derzeit mit „BB+“ (die beste Bewer-tung in der Kategorie Ramschanleihen)mit negativem Ausblick. Dafür lautetdie Einstufung der RatingagenturMoody’s Baa3 mit stabilem Ausblick.Moody’s rechnet zudem 2010 hierzu-lande mit einem Wirtschaftswachstumvon 2,3%, erste Wachstumsanzeichenerwartet die Agentur bereits in diesemFrühjahr –nämlich ab April.

Fitch, S&P und Moody’s sehenGrund zur Hoffnung

Mehr Zeit für Defizitabbau

D

Die EU-Kommission hat beschlossen,Defizitsünder Rumänien bis 2012 Zeitzu gewähren, um sein ausgeufertes Defi-zit wieder in den Griff zu bekommen. Dassei ein Jahr mehr als bislang im Defizit-strafverfahren vorgesehen war, ließ dieEU-Kommission im letzten Monat wissen.

Die Rezession sei hierzulande imvergangenen Jahr härter als eingangs er-

wartet ausgefallen, teilte die Kommis-sion noch mit. Laut Schätzungen des In-ternationalen Währungsfonds (IWF) kamRumänien 2009 auf 7,2% Defizit vomBruttoinlandsprodukt, erlaubt sind hin-gegen maximal 3%. Demzufolge lobteBrüssel das drastische Sparpaket, dass dieKoalitionsregierung unter Emil Boc ange-sichts der Auflagen des IWF verordnet hat.

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Mit einem Schlag machte das Na-tionale Statistikamt Mitte Februar diezaghaften Hoffnungen der Behördenund Analysten auf eine leichte Wirt-schaftserholung zunichte: Die rumäni-sche Wirtschaft ist auch im 4. Quartaldes vergangenen Jahres überraschendauf Quartalssicht geschrumpft. LautStatistikamt fiel das Bruttoinlandspro-dukt (BIP) zwischen Oktober und De-zember 2009 saisonbereinigt um 1,5%zum Vorquartal. Damit verzeichnet Ru-mänien − auf Quartalssicht − das zweit-größte Negativwachstum in der EU.

Noch vor kurzem hatte Finanzminis-ter Sebastian Vl`descu verhalten opti-mistisch erklärt, dass „der Frühling inder rumänischen Wirtschaft“ zwar nochnicht so richtig Einzug halten wolle, je-doch ihr „Winter beileibe nicht so schwer“sei wie viele unken würden. Die nacktenZahlen der Statistikbehörde besagen je-doch, dass die Rezession hierzulandenoch keineswegs überwunden ist − dazuhätte es nämlich im letzten Quartal desVorjahres eines hauchdünnen Wirtschafts-wachstums bedurft.

Obwohl sämtliche Volkswirte undAnalysten zum Jahresende mit einerleichten Erholung gerechnet hatten (die

Schätzungen lagen bei 0,1% bis 0,6%Wachstum), fiel die Wirtschaft auch im4. Quartal 2009 weiter − um 1,5% ge-genüber dem Vorquartal und sogar um6,6% gegenüber dem 4. Quartal 2008.Somit erweist sich der Konjunkturein-bruch in 2009 als besonders dramatisch− von einem Rekordwachstum von 7,1BIP-Prozent im Jahr 2008 fiel die Wirt-schaft Rumäniens binnen 12 Monaten aufein Negativwachstum von 7,2%.

Dennoch verweisen die Volkswirteder Großbanken weiterhin darauf, dasses in der Wirtschaft auch etliche positiveSignale gibt. So hatte die einheimische

Autoindustrie im Dezember 2009 dasgrößte Monatswachstum innerhalb derEU verzeichnet − 6,9% gegenüber De-zember 2008. Ökonomen sind deshalbder Meinung, dass die Industrie im lau-fenden Jahr zum Hoffnungsträger derWirtschaft wird und erachten die Prog-nosen des IWF, der UE und des Finanz-ministeriums, die allesamt von einem1,3%igen Wirtschaftswachstum ausge-hen, als weiterhin realistisch. „EineWirtschaftserholung kann hierzulandedurchaus schneller eintreten, als manderzeit erwarten würde. Man sollte dieAusgangsbasis nicht vergessen − da dieVergleiche mit der kränkelnden Wirt-schaft vom letzten Jahr gezogen werden,fällt natürlich jeder einzelne Schritt zurGenesung besonders gut auf. Was aller-dings nicht heißen will, dass noch Wachs-tumsraten wie in 2006 oder 2007 zuerwarten wären. Doch kann das Wachs-tum die erwarteten 1,3%, von denen dasHaushaltsgesetz 2010 ausgeht, durchausüberflügeln. 2010 wird wohl ein Jahrdes vorsichtigen Taktierens − sowohl inder Privatwirtschaft als auch bei den Be-hörden“, meinte ING-ChefvolkswirtNicolae Chidesciuc gegenüber der Presse.

anne warga

23Nr. 1 | MÄRZ 2010

wirtschaft

Statistikamt: Weiterhin keinRezessionsende in SichtEinziger Hoffnungsträger ist derzeit die Industrie

- Lettland -3,2%- Rumänien -1,5%- Griechenland -0,8%- Tschechien -0,6%- Ungarn -0,4%- Zypern -0,3%- Italien -0,2%- Spanien -0,1%

EU-RankingNegativwachstum(4. Quartal 2009 gegenüber

der Vorjahresperiode)

Quelle: EUROSTAT

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24 Nr. 1 | MÄRZ 2010

Die Energieträume des Ex-Regie-rungschefs T`riceanu werden wahr – ihmschwebte schon vor 2 Jahren ein Ener-gieriese vor, wie er bereits in Tschechienoder Italien existiert. Die heute regieren-den Liberaldemokraten sprachen sichdamals strikt gegen das Projekt aus.

Nun aber hat sich der Wind gedreht:Die neue Regierung will gleich zweisolcher Kolosse aus der Taufe heben −aus Wettbewerbsgründen, wie es heißt.Beide Energiekonzerne bestehen aus ei-nem Mix von maroden Kohlekraftwerken,profitablen Atomstrom- und Wasser-kraftwerken sowie stark verschuldetenKohleförderungsunternehmen. Geradediese Mischung werten Brancheninsiderals hoch explosiv und wenig sinnvoll –sie vermuten nämlich, dass damit ehereine verkappte Rettungsaktion der Wär-mekraftwerke und Förderindustrie ge-plant ist. Die noch aus der Ceau[escu-Ärastammenden, technologisch völlig über-holten Kohlekraftwerke stehen größten-teils längst vor dem wirtschaftlichen Aus,nachdem in zahlreichen Städten die Kund-schaft von der Fernwärmeversorgung ab-gesprungen und in der rezessionsgebeu-telten Wirtschaft die Nachfrage nach In-dustriedampf stark zurückgegangen war.Zudem wird die Schließung der Kohle-kraftwerke von der EU aus Umweltschutz-gründen gefordert. Energieexpertenglauben deshalb, dass die profitablen Was-

serkraftwerke zukünftig für die Verlusteder teuren und weniger effizienten Er-zeuger sowie der Kohlebranche gerade-stehen müssen.

Die Initiative der Regierung, für diesich besonders Wirtschaftsminister Vi-deanu (PDL) stark gemacht hatte, mussallerdings noch einige Stationen durch-laufen – so etwa steht die Zustimmungdes Kartellamts noch aus, das sich ein-gangs recht zurückhaltend geäußert hatteund den Antrag auf Zulassung besonderseingehend prüfen will. Für die Wettbe-werbsschützer ist z. B. problematisch,dass beide Konzerne von Anfang an Quo-ten von 48% bzw. 44% am rumänischenStrommarkt haben sollen − selbst wenndie Strategie des Wirtschaftsministeriumsvorsieht, dass diese Marktanteile dann inden Folgejahren schrittweise reduziertwerden (bis 2017 auf 29% bzw. 27%).Gerade diese Vorgangsweise des Staates,zuerst zwei Energiekolosse zu schaffen,um sie danach programmiert schrumpfenzu lassen und andere Player auf den Marktzu bitten, erscheint Analysten absurd.

Und auch Brüssel muss dem Vorha-ben zustimmen − denn allein das staat-liche Steinkohleunternehmen CNH stehtmit rund einer Milliarde Euro tief in derKreide, wobei ein Schuldenerlass von derEU-Kommission leicht als Staatshilfeausgelegt werden könnte.

alex gröblacher

wirtschaft

Die neuen staatlichen Energieriesen

Electra:• Wärmekraftwerke in Oltenien(Turceni, Rovinari und Craiova)• AKW Cernavoda• Braunkohleunternehmen Oltenia(SNLO)• Wasserkraftwerke Vâlcea, Târgu Jiuund Sibiu

Hidroenergetica:• Wärmekraftwerke in Bukarest, Devaund Paroșeni• Wasserkraftwerke Eisernes Tor, Sebeș,Buzău, Târgu Jiu, Caransebeș, Hațeg,Argeș, Cluj, Bistrița• Steinkohleunternehmen CNH Petroșani

Regierung hebt staatliche Energiekolosse aus der TaufeExperten skeptisch gegenüber dem Projekt

ie Karten am rumänischen Energiemarkt werden neu gemischt:Die Regierung hat unlängst die Gründung zweier staatlicherEnergieriesen beschlossen. Den beiden Kolossen sollen sowohlWärme- als auch Wasserkraftwerke angehören. Bei Expertenstößt die Idee auf jede Menge Kritik.D

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wirtschaft

ie Verabschiedung desHaushalts 2010 durchdas rumänische Parla-ment war zweifelsfreider entscheidende Fak-

tor für die Weiterführung der Abkommenmit dem Internationalen Währungsfonds(IWF) und der Europäischen Kommis-sion. Nach sechs Monaten Dauerkrise inder heimischen Politik mutet inzwischenselbst ein Haushalt, der von 5,9% Defi-zit ausgeht, als weit kleineres Übel an.Ein Glück für Rumänien, dass das ge-genwärtige Haushaltsrezept nicht ausder Doktrinküche einer Partei oder Ko-alition stammt. Das eher technisch-nüch-terne Dokument wurde, wie schon immerin den letzten 20 Jahren, von unscheinba-ren mittleren Beamten des Finanzministe-riums aufgrund von zahllosen Beratungenund Verhandlungen mit den beidengrößten Geldgebern Rumäniens, demIWF und der EU, erstellt. Und das istnur die erste der guten Nachrichten.Denn unter internationalem Druck ge-deiht auch die einheimische Kreativität:Hüben wird nun plötzlich gespart, drü-ben gekürzt, daneben geknapst. Weil dasDefizit unbedingt unter 6% liegen muss,wurde es eben auf 5,9% angesetzt – doch

basiert diese Zahl auf der optimistischenPrognose von 1,3% Wachstum im laufen-den Jahr.

In einigen Punkten hat die Politikimmerhin das letzte Wort behalten. Ander Umsatzsteuer von 19% und derFlat-Tax von 16% wurde nicht gerüttelt.Das sichert einerseits eine einigermaßenkohärente Steuerpolitik und signalisiertandererseits, dass die Regierung einenAusweg aus der Krise sucht, ohne sichallzu sehr beim Steuerzahler zu bedienen.Diese eher liberale Vision könnte dasKrisenende letztendlich um bis zu sechsMonate früher einläuten. Doch ist dieBeibehaltung der Steuersätze keineswegsmit einer Entspannung der Steuerpolitikgleichzusetzen, sonderneher mit einem Festhal-ten am bisherigen Kurs.Immerhin ist der Be-schluss, der Wirtschaftkeine neuen Daumen-schrauben anzulegen,auf jeden Fall lobens-wert.

Schwachstellen imHaushaltsgesetz gibt esallerdings auch − undsie sind nicht zu dünngesät. Denn Investitions-programme im Infra-strukturbereich, wo besonders hoherNachholbedarf besteht, wurden auf Eisgelegt. Auch führen die mit IWF undder EU abgesprochenen Maßnahmenim Endeffekt zu weniger Ausgaben imSozialwesen. In der Tat musste dieRegierung einen goldenen Mittelweg

finden zwischen Investitionskürzungenund Stellenabbau im öffentlichen Dienstund gleichzeitig auch die Renten aufeinem erträglichen Niveau halten. DieExekutive baut, mit anderen Worten,auf ein waghalsig-optimistisches Sze-nario: massive Entlassungen im Staats-sektor und Absorption der somit freigewordenen Arbeitskraft durch die Pri-vatwirtschaft. Zumindest in diesemPunkt muten die Regierungspläne wieFiktion an: Die meisten bisher beimStaat beschäftigten Arbeiter und Ange-stellten können nicht schlagartig umge-schult werden und auch im Privatsektorentstehen neue Jobs nicht über Nacht –selbst dann nicht, wenn die Krise tatsäch-

lich bis Mitte des Jahresüberwunden werdensollte. Das Fehlen einesKrisenprogramms undeine selbst nur um einenDeut höhere Steuerbe-lastung fegen immernoch täglich DutzendeFirmen vom Markt.

Darüber hinaus wer-den Gewerkschaften,Rentner- und sonstigeInteressensverbändenicht tatenlos zusehen,wie ihre Felle davon-

schwimmen – Proteste und Streiks sindvorprogrammiert. Gibt die Regierungjedoch im Sozialbereich nach, so gerätauch die „Reform des Staates“ alsbaldins Stocken: Übrig bliebe ihr dann nurnoch ein einziges Spar-Ventil: die In-vestitionen noch mehr zurückzufahren.

Der Kommentar

Haushaltsgesetz 2010: Nüchterner Pragmatismus

Dvon adacom`nescu

Die Exekutive baut auf einwaghalsig-optimistischesSzenario: massiveEntlassungen im Staatssektorund Absorption der somit freigewordenen Arbeitskraftdurch die Privatwirtschaft.Zumindest in diesem Punktmuten die Regierungsplänewie Fiktion an.

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Davor muss die Fluggesellschaft aller-dings erst auf Profitabilität getrimmt wer-den, nachdem sie 2009 zum zweitenJahr in Folge Verlust geschrieben hatte− operativ lag das Minus bei knapp 22Mio. Euro, die Zahl der Fluggäste wartrotz Einführung von insgesamt 11 neu-en Destinationen gegenüber 2008 um12% gesunken. „Aus diesem Grund ver-

kaufen wir derzeit auch nicht − es wärenämlich keineswegs rentabel. Nachdemdas Flugunternehmen wieder schwarzeZahlen schreibt, werden wir ein Aktien-paket an die Börse bringen“, erklärteder Staatssekretär.

Mehr Details bot Tarom-Generaldirek-torin Ruxandra Brumaru. An die Börsewerde eingangs wohl lediglich ein Min-

derheitspaket von rund 15 Prozent ge-bracht, sagte Brumaru gegenüber derPresse. Mittels eines IPO (Initial PublicOffering − erstmaliges öffentliches An-bieten von Aktien an der Börse) könnteLiquidität beschafft werden, ein Börsen-listing würde dem Unternehmen nichtnur eine Kapitalspritze verpassen, sondernauch für höhere Transparenz sorgen.

Im laufenden Jahr sollen als erstes diePersonal- und Kerosinkosten zurückge-fahren sowie unprofitable Routen ge-strichen werden. „Zwar geht unserBudget für 2010 noch von 2.450 Mit-arbeitern aus, nichtsdestotrotz wollenwir bis Jahresende unsere Beschäftigten-zahl auf unter 2.400 zurückschrauben“,so die Tarom-Generaldirektorin. Bis Ende2011 stehen weitere Entlassungen an,das Flugunternehmen will sich letztenEndes personalmäßig bei etwa 1.000 Be-schäftigten einpendeln. Manche Dienst-leistungen könnten dabei auf Dritte ex-ternalisiert werden, wie es bei ausländi-schen Fluggesellschaften gang und gebeist − da bei Tarom zurzeit sogar die War-tungsarbeiten noch mit eigenem Perso-nal durchgeführt werden.

Die Preispolitik wird wohl auch 2010vom Markt diktiert, sagt Brumaru, Pro-motions wie etwa der „Wintermarathon“,mit günstigen Auslandsflügen zu 50 Europlus 9 Euro Flughafengebühren, seiengut gelaufen. Der Tarom-Chefin zufolgeist die Lage des staatlichen Unternehmenstrotz der Verluste der letzten beidenJahre längst nicht mit jener bei Alitalia,Malev oder Austrian Airlines, die Milli-ardenverluste verbuchten und dabei hef-tig ins Trudeln gerieten, zu vergleichen.Tarom sei keineswegs in einer verzwei-felten Lage, deshalb würden auch diePrivatisierungsüberlegungen beileibekeine Notlösung darstellen, hob Bru-maru hervor.

heiner krems

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wirtschaft

Unternehmen

TAROM: Take-off für diePrivatisierung

aum eine Regierung, die früher oder später nicht auch die Privatisie-rung der staatlichen Fluggesellschaft Tarom überlegt hätte. So auchdas Kabinett Boc. Laut Marin Anton, Staatssekretär im Transportmi-

nisterium, ist diese Initiative bereits im aktuellen Regierungsprogramm verbrieftworden − die Privatisierung des Unternehmens könnte schon 2011 anlaufen.

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Zudem hat der Discounter jüngstvon Konkurrent Tengelmann dessenPlus-Filialnetz in Rumänien und Bulga-rien übernommen. „Nach intensiverPrüfung aller Optionen haben wir unsfür einen Verkauf an die internationaleUnternehmensgruppe Lidl entschieden“,teilte Karl-Erivan Haub, geschäftsfüh-render Gesellschafter der Unternehmens-gruppe Tengelmann, Mitte Februar ineinem Pressrelease mit.

Plus ist hierzulande seit 2005 mitknapp 100 Filialen und über 2.000 Mit-arbeitern tätig, die, laut Tengelmann,alle übernommen werden. Lidl war bis-lang in Rumänien nicht operativ tätig,nun aber soll offenbar eine zügige Ex-pasion stattfinden. Bereits zu Jahresbe-ginn hatte der Discounter verlautbart,50 Läden in insgesamt 20 rumänischenStädten eröffnen zu wollen. Mit derÜbernahme des Plus-Filialnetzes steigtLidl nun mit einem Schlag zum unbe-strittenen Marktführer auf. Der Verkaufbedarf allerdings noch der kartellrecht-lichen Genehmigung.

Zurzeit lassen die Schwaben vor denToren Bukarests ein Logistikcenter hoch-ziehen, des Weiteren wurde im 5. haupt-städtischen Bezirk ein 11.000 m2 großesGrundstück von PepsiAmericas erwor-ben, das sich der Einzelhändler − denrumänischen Medien zufolge − 3,2 Mio.

Euro kosten liess. Weitere Grundstückewurden in etlichen anderen Landestei-len akquiriert, erste Lidl-Einheiten sindin Ia[i, Pa[cani, Boto[ani, Gala]i, Foc[ani,Temeswar, Klausenburg, Bistri]a undMediasch geplant.

Krisengewinner DiscounterLidls Expansion erfolgt zu einem für

Discounter durchaus günstigen Zeit-punkt − 2009 waren sie hierzulandenämlich die großen Krisengewinnergewesen. Laut einer GFK Romania-Stu-die stieg die Zahl der Discounter-Kun-den im letzten Jahr erheblich − zumNachteil der üblichen Großkaufläden.Hatten 2008 noch 17% der von GFKBefragten angegeben, ihre Einkäufevornehmlich beim Discounter zu täti-gen, so waren es im Krisenjahr 2009bereits 22%. Kundenliebling bliebenaber auch im letzten Jahr die Hyper-märkte − 46% der in Großstädten leben-den Verbraucher führten an, diesesEinzelhandelsformat vorzuziehen, hältdie GFK-Studie fest.

Die unbestrittenen Krisenverliererwaren im letzten Jahr die Supermärkte− deren Marktanteil fiel von 18% auf 12%.Weitere Leidtragende waren die Tante-Emma-Läden, die wegen der allgemei-nen Liquiditätsknappheit und der stetigsinkenden Kauflust/Kaufkraft der Rumä-nen reihenweisen schließen mussten.

Laut GFK sind Qualität und Frischeder Produkte das Hauptkriterium dereinheimischen Kunden bei der Wahlihres Einzelhändlers, es folgen das Preis–Leistungsverhältnis, die Preiswahrheitsowie eine gut sichtbare Preisangabe undschließlich die Ordnung und Sauberkeitim Laden. Zusätzliche Dienstleistungenwie etwa kostenlose Einkaufstüten, Ver-packungsservice oder Indoor-Spielplätzefür Kinder fallen hingegen eher wenig indie Waagschale.

27Nr. 1 | MÄRZ 2010

wirtschaft

Business

Lidl übernimmtPlus-Filialen und setztauf Großexpansion

er deutsche Dis-counterbetreiberLidl, Teil derEinzelhandels-gruppe Schwarz,

hat hierzulande offenbar Großes vor:50 neue Läden will Lidl im laufen-den Jahr in insgesamt 20 rumänischenStädten eröffnen.

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schwerpunkt

VIP&Premium-Tourismus

Ferien ’mal anders: Rumänien,wie Sie es (noch) nicht kennen

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von camelia popa

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Die Frage, ob es in Rumänien dennso etwas wie VIP-Tourismus gibt, ist nichtleicht zu beantworten. Wie Traian B`du-lescu, Sprecher des Branchenverbandesrumänischer Reiseveranstalter ANATerläutert, kann die Tourismusindustriediesbezüglich eigentlich mit wenig Nen-nenswertem aufwarten: „Tatsächlichliegen sämtliche Luxusziele, die auf demeinheimischen Markt angeboten werden,im Ausland − zumeist handelt es sich umexotische Reiseziele. Derzeit können wirmit Bezug auf den rumänischen Marktzwar Premium-Reiseziele, jedoch noch

keinen Luxus-Tourismus anbieten, daletzterer ganz andere Voraussetzungenbeinhaltet. Rumänien kann bereits vieler-orts mit Premium-Tourismus aufwarten− etwa über die 5-Sterne-Hotels in et-lichen Großstädten, des weiteren überdie Boutique-Hotels, aber auch im Be-reich des Ökotourismus, da mittlerweilein vielen Teilen des Landes hochwertigeGästehäuser hochgezogen worden sind.Luxusziele gibt es zwar hierzulande nochkeine, was aber nicht heißen will, dass eskein Potenzial gäbe. Aus meiner Sichthaben zumindest einige Landesteile

durchaus das Zeug, sich mittelfristig zuLuxuszielen zu entwickeln − z. B. dasDonaudelta mit seiner europaweit einzi-gartigen Landschaft.“

Schade eigentlich, denn paradoxer-weise hat der Luxustourismus trotzWeltwirtschaftskrise weiterhinzugenommen, weiß B`dulescu. DieseTendenz hat sich auch am rumänischenMarkt klar bemerkbar gemacht, daselbst im Krisenjahr 2009 die Zahl derLuxuskunden dennoch gestiegen ist.Dafür gibt es im Übrigen laut B`dules-cu eine einfache Erklärung: Es gab jedeMenge großzügiger Preisrabatte – wohlmehr als in allen anderen Segmentender Tourismusindustrie −, von oftmalsbis zu 70 Prozent, so dass sich viel mehrKunden exotische Reiseziele leistenkonnten. Die Reiseanbieter, die im letz-ten Jahr Luxusziele angeboten hatten,waren zumindest hierzulande zweifels-frei die großen Gewinner.

29Nr. 1 | MÄRZ 2010

schwerpunkt

Jahre sind eine lange Zeit. Doch manchmal dauert es eben,bis einem die Schuppen vor den Augen fallen. So langewaren rumänische Tourismusmanager nämlich von Blind-heit geschlagen, so lange, bis ihnen dämmerte, dass sie miteiner obsoleten Infrastruktur am Schwarzen Meer und in

den Karpaten internationalen Traumzielen wie der Karibik oder den Alpenkaum das Wasser reichen können. Das Blatt wendet sich jetzt langsam, da im-mer mehr Investoren verstehen, dass Rumänien selbst reichen und anspruchs-vollen Reisenden tatsächlich etwas zu bieten hat – und man sich damit auch imWettbewerb oft durchaus sehen lassen kann.

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Das heimische Premium-Seg-ment ist dafür erheblich besser bestückt.Allein in der Hauptstadt Bukarest gibtes beispielsweise bereits zehn Fünf-Sterne-Hotels, die den Premium-Stan-dards voll und ganz entsprechen. Somitwäre in Bukarest eine Art „aristokrati-scher“ bzw. städtischer Tourismus durch-aus möglich, dem die Beendung der Sa-nierungsarbeiten eines Teils des Altstadt-kerns, der Lipscani („Leipziger“) Straße,natürlich nur entgegenkommen kann.Weitere Fünf-Sterne-Hotels entstanden inden letzten Jahren auch an der Schwarz-meerküste und im Donaudelta − bei denmeisten davon handelt es sich um ein-heimische Investitionen, die nach Fertig-stellung dann von einem ausländischenManagement verwaltet werden, sagt derANAT-Sprecher.

Markt-TrendsDie Industrie fährt in Sachen VIP-

Tourismus einen Mehrfachkurs – dabeigeht es ihr besonders um die zahlungs-kräftigen Ausländer. Denn von den rund1,2 Millionen Rumänen, die ihren Ur-laub inzwischen hauptsächlich im Aus-land verbringen, ziehen derzeit nur rund20.000 Luxusziele vor, 5.000 davonentscheiden sich dabei für Kreuzfahrten.

Wie viele davon sich mit dem eigenenLand zufrieden geben würden, ist frag-lich, für einheimische Touristen einhei-mische Luxusziele anzubieten wärefolglich weniger produktiv.

Jagen ist ein teurer Sport; Rumänienködert deshalb Ausländer mit einer –noch – ansehnlichen Natur, vergleichs-weise niedrigen Preisen und extravagan-ten Jagdhütten, in denen früher DiktatorNicolae Ceau[escu und dessen Gefolgeübernachteten. Luxuriöse Pensionen inKultur- und Traditionsgebieten wieSiebenbürgen, der Maramuresch undder Bukowina sind für den gehobenenÖko-Tourismus der Renner. Und auchim Donaudelta, in das es früher fast nurCamper zog, sprießen kleine Hotels derLuxusklasse neuerdings wie Pilze ausdem Boden. Zum anderen werden inRumänien auch Exzentriker nur zu gernebedient: Eishotels, mongolische Yurtenoder Kasernenunterkünfte sind gleich-falls gefragt.

Jagen − die Leidenschaftfür Gutbetuchte„Der Jagdsport ist eine Sonderform

des Tourismus mit wahrhaftig vielenLiebhabern. In Rumänien gibt es bereitseine Reihe von Anbietern, die sich aufdiese Marktnische spezialisiert haben.Der gegenwärtige Jagdbestand ermög-licht zudem eine rasante Entwicklungdieses Segments − zumal nicht nur eintatsächlich breitgefächertes Angebot,sondern auch eine entsprechende Nach-frage existieren“, freut sich Traian B`du-lescu, Sprecher des BranchenverbandesANAT. Rumänien hat europaweit diegrößten Waldflächen, die rund 30.000Tier- und Vogelarten beherbergen –Hasen, Bären, Wölfe, Füchse, Wild-schweine, Widder, Luchse und andereWildkatzen, Auerhähne, Bergziegen,Hirsche, Wildgänse und Enten .... keintreffsicherer Jäger geht hier leer aus.Die üppige und abwechslungsreicheLandschaft mit Bergen, Wäldern, Seen

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ANAT-Sprecher Bădulescu:Premium-Reiseziele gibt’s auch hierzulande

Das Eis-Hotel am Bulea-See

schwerpunkt

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und Flüssen tröstet die meisten Jägerüber Infrastrukturprobleme hinweg,zudem sind die Waidmänner bekannt-lich sowieso hart im Nehmen. Müssensie auch, denn nach Gemsen zu jagen,die in Rumänien besonders schön sind,erfordert stahlharte Nerven und perfekteFitness. Italiener, Deutsche, Österreicher,Kanadier und US-Amerikaner sind ammeisten von Rumänien begeistert.

Rumänien habe das Zeug zum Jäger-paradies, schwärmen die Beamten ver-schiedenster Branchenverbände, umsomehr faktisch rund ums Jahr gejagt wer-den kann. Bislang konnte dieses Poten-zial kaum erschöpft werden; nur wenigeMillionen Euro im Jahr werden zurzeitaus dem Jagdtourismus eingenommen:eine Bagatelle im Vergleich zu Ungarnoder gar Spanien, wo die Einkünfte bisin die neunstelligen Millionenbeträgereichen. Das hat aber auch etwas mitden Jagdgebühren zu tun, die in Rumä-nien unter den international üblichenSätzen liegen. Vielleicht dachten die Be-hörden ja eingangs, dadurch letzten Endesmehr Jäger anzulocken − auf jeden Fallging diese Rechnung nicht auf, was be-sonders am Beispiel der Bären ersicht-lich wird. Denn während in andereneuropäischen Ländern die Zahl der Bärenso stark zurückgegangen ist, dass ausAngst vor dem Aussterben der Tiere sai-

sonweise Jagdstopps verhängt werdenmussten, hat Rumänien regelrecht miteinem Bärenproblem zu kämpfen. Aufrund 6.000 bis 7.000 Exemplare wirddie Bärenbevölkerung derzeit geschätzt,das sind 60 Prozent mehr als die opti-male Zahl von 4.000. Damit liegt Ru-mänien in Europa auf Platz zwei direkthinter Russland (36.000). Weil die Jagd-quote nie voll realisiert wird, stieg dieBärenbevölkerung innerhalb der letztenJahre so stark, dass viele Tiere aus denWäldern regelrecht in die Städte migrie-ren, wo sie Müllhalden plündern. Bra[ov/Kronstadt und andere Gebirgsstädte desPrahova-Tals können ein Lied davon sin-

gen − hier ziehen die herumstreunendenBärenfamilien inzwischen sogar Wochen-endtouristen an, die es natürlich beson-ders auf die drolligen Bärenbabies abge-sehen haben ... und nicht wissen, wiegefährlich so ein Spass sein kann. AuchWanderer laufen immer wieder Bärenüber den Weg, nicht immer gehen der-artige Begegnungen harmlos aus.

Die Jagdbestände selbst sind Staats-eigentum. Auf Jagdgebiete einteilt, ge-hört das Gelände selbst entweder demStaat oder Privatpersonen. Die Jagdge-lände summieren sich auf 5.000 HektarTiefebene; 7.000 Hektar Hügelgeländeund 10.000 Hektar Gebirge. Der Staatvergiebt sie zumeist zur Verwaltung aneine breite Masse von Betreibern – Forst-oder Jägervereine, Rathäuser oder Eigen-tümer von Privatwäldern. Die meistenGebiete sind allerdings der staatlichenForstwirtschaftsgesellschaft Romsilvaanvertraut worden.

Es hängt also mehr oder minder di-rekt vom Betreiber ab, wieviel Profit eraus seinem Gelände nach Abzug derGebühren herausschlägt. Weshalb mehroder minder? Weil vieles auch von demStandort selbst abhängt. So räumte derfrühere Direktor der Forstverwaltung vonSuceava ein, dass besonders deutscheund österreichische Jäger seinen ansons-ten ansehnlichen Bezirk meiden würden,weil die Straßen eben schlecht seien unddie Anfahrt dementsprechend viel län-ger als nötig dauert. Wer mit dem Autoaus Österreich oder Deutschland anreist,kann direkt nach der westrumänischenGrenze Halt machen – in den GebietenBihor, Arad oder Timi[. Standortnach-teile können jedoch ihrerseits abgefan-gen werden − wer Beziehungen hat, läßtsie spielen und bringt gegenwärtige oderehemalige Würdenträger, Topmanager,Banker und sonstige steinreiche Waid-männer nach Rumänien.

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Wenige Jagdpartien ziehen hierzu-lande so viel Aufmerksamkeit auf sichwie jene des international bekanntenGeschäftsmannes Ion }iriac, der alljähr-lich im Januar bei Balc (Verwaltungsbe-zirk Bihor) sein Waidmannsheil sucht.Doch der Medienrummel ist verständ-lich. Allein die geladenen Gäste würdenwohl spielend einen nicht unwesentlichenTeil des rumänischen Bruttoinlandspro-dukts aus der eigenen Tasche bestreitenkönnen, wenn es darauf ankäme. So ent-spannten sich Anfang 2010 in Balc Wirt-schaftsbosse wie Wolfgang Porsche,„Fruchtsaftkönig“ Franz Rauch, der ehe-malige Präsident von DaimlerChrysler,Klaus Mangold, Cartier-Juwelier AlfredBaumhauer und der Markenguru vonVW und Daimler, Wolfgang Bernhard.Auch wichtige Politiker und VIPs ausdem Sportgewerbe waren mit von derPartie, so etwa der österreichische SVP-Chef Rudolf Streicher, der Bürgermeis-ter von Monte Carlo, Marsan GeorgeInigo Herrera, oder die früheren Tennis-stars Boris Becker und Goran Ivanisevic.Insgesamt wurden binnen zwei Tagen130 Wildschweine erlegt − die Presse

tobte, wie stets, über das „Wildschwein-gemetzel“.

Doch muss der Jagdliebhaber, dersein Waidmannsheil einmal in Rumäni-en ausprobieren möchte, nun keineswegszwingend im Besitz einer VIP-Einladungsein. Auf Jagdtourismus spezialisierteReisebüros sind Rundumversorger. Siebuchen die Hotels und die Jagdhütten,erledigen den lästigen Behörden-Papier-

kram und sorgen für Ausflüge zu Sehens-würdigkeiten in die benachbarten Gebiete.

Der Spaß ist allerdings nichts fürSparerseelen: Für drei Tage sind 1.500Euro allein für die als in Rechnung ge-stellten Kosten des Veranstalters eherdie Regel als die Ausnahme, denn esmuss für Unterkunft, Essen, Transportins Jagdgebiet, Dolmetscher usw. gesorgtwerden. Und danach geht es erst richtigan die Kredikarte: Denn der Staat kassiertTrophäengebühren, die sich sehen lassen.Für einen Bären sind bis zu 7.000 Eurofällig, für einen Wolf bis zu 500 Euro,am teuersten sind die Hirsche, die mitbis zu 8.800 Euro aufs Konto schlagenkönnen. Wegen der in ganz Europa gras-sierenden Wirtschafts- und Finanzkrisehat die Zahl der ausländischen Jagd-sportler trotz inzwischen erheblicherPreisrabatte abgenommen – in manchenJagdgebieten sogar dramatisch. Im Jahr2007 ließen sich in Suceava 12 JägerBraunbärpässe ausstellen – ein Jahrspäter war es ein einziger. Wen die Jagd-lust dennoch nach Rumänien verschlägt,schießt zurzeit nur billigeres Wild, ver-raten Brancheninsider.

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Ion Țiriac und seine Gäste im Jagdrevier Balc

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Profit aus der JägermarkeCeau[escu

Aus welchen Gründen auch immer,stehen viele ausländische Jäger auf eineoffenbar exotischere Attraktion als dasJagen selbst – sie tragen sich auf ellen-langen Wartelisten ein, um zu einem derbegehrten Übernachtungsplätze in denJagdhütten des früheren kommunistischenDiktators Nicolae Ceau[escu zu kommen.25 solche zum Teil extrem luxuriöseJagdhütten in der Mitte der schönstenWälder Rumäniens standen dem „erstenJäger des Landes“, wie sich Ceau[escugerne feiern ließ, jederzeit zur Verfügung.Stolz führte er den Ostblock-Promisseine Schätze vor. Vor dem Kaminfeuerlassen sich heute prominente Ausländerwie König Juan Carlos von Spanien, derScheich von Qatar oder die Hollywood-Diva Nicole Kidman berichten, wie dasWild damals gedopt werden musste, damitdas Karpatengenie ja nicht danebenschoss.Das Problem solcher Jagdhütten liegtallerdings darin, dass sie in der Regelnur über vier bis fünf Zimmer verfügenund für größere Jagdpartien demzufolgeeher ungeeignet sind. Auf jeden Fall aberschlägt die staatliche Forstwirtschaftsge-sellschaft Romsilva, die die Jagdhüttenbetreibt, aus der Marke Ceau[escu schö-ne Gewinne heraus. Allein 2006 kam übereine halbe Million Euro Einnahmen zu-sammen, in den nächsten Jahren pendel-te sich die Summe bei etwa 700.000Euro ein.

Das Donaudelta: Juwel ja,aber ungeschliffenEinzigartig und dennoch weitgehend

unbeachtet – dass das Donaudelta alsReiseziel bislang vernachlässigt wurde,sehen nicht wenige Repräsentanten derTourismusindustrie als eine Riesenschandean. Das Delta ist derzeit bereits ein „hottopic“, aber ein sehr empfindsames. Denn

hier muss zweifelsfrei ein goldener Mit-telweg gefunden werden zwischen Na-turschutz und Tourismus, um das delikateGleichgewicht der vielen zusammenhän-genden Ökosysteme nicht zu stören odergar zu zerstören. Gerade der VIP- oderPremiumtourismus würde deshalb bes-tens zum Gebiet passen – wenige Tou-risten, dafür aber zahlungskräftig. FürWerbung ist gesorgt, das Delta gehörtlängst zu den Geheimtipps für Naturfre-unde aus aller Welt. Und dass im letz-ten Jahr der Naturpark im Delta den„Golden Apple“ zugesprochen bekam –eine Art Oskar des Tourismus, vergebenvon der Fédération Internationale desJournalistes et Ecrivains du Tourisme(FIJET) – mag auch nicht schaden, ganzim Gegenteil. Das Problem ist aber auchin diesem Fall, wie fast überall im Land,die Infrastruktur. Unterkünfte sind dürf-tig und anspruchslos, da die Dörfer undResorts jedoch nur über enge Wasser-straßen zu erreichen sind, kostet auchdie Versorgung mehr, daher steigen dieÜbernachtungspreise zum Teil ins Un-ermessliche. Eine Flasche einheimischesTafelwasser kann so viel kosten wie einPerrier oder Evian in einem Vier-Sterne-Hotel in Paris.

Die Landschaft selbst kann man nurin Kleinbooten und mit einem gutenFührer richtig genießen, das wissen dieEinheimischen und zocken Touristennicht selten ab. Sollte aber mehr investiertwerden − in Innenstraßen, in kleine Mari-nas bei Gheorghe, Murighiol und Enisa-la, in Beobachtungstürme für Naturkenner− könnte der ungeschliffene Diamant invollem Glanz erstrahlen. Denn Kundengibt es – dass im Jahr 2009 allein an Bordvon 115 Kreuzfahrtschiffen fast eineViertel Million Touristen das Donaudel-ta besuchten, kommt nicht von ungefähr.

Die ersten Großinvestoren haben dasgroße Geld längst gerochen und sind

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bereits da. Das britische UnternehmenSagharchi & Associates ließ für 7 Millio-nen Euro das Delta Nature Resort mit30 Luxusvillen am Ufer des Somova-Seesbauen. Nahe des Fischerdorfs Murighiol,im Übrigen ein Wasserdorf zum Delta,entsteht mit EU-Finanzierung ein an-deres Feriendorf der Oberklasse. „DieOrtschaft hat ein hohes Potenzial fürdie Reiseindustrie und das soll nun mit-tels Großinvestitionen erschlossen wer-den“, versprechen die Bezirksbehörden.

Das Konzept ist vielversprechend,die Privatwirtschaft baut Hotels undPensionen nach dem Motto „Luxus in-mitten der Natur“. Im Dorf Parche[ amUfer des Somova-Sees haben britischeInvestoren vor vier Jahren unter Beauf-sichtigung des Architekten des König-lichen Hauses Großbritanniens einFischerdorf nachgebaut.

Dem Beispiel folgen inzwischen ru-mänische Investoren bei Victoria am Uferdes Zag`n-Sees. „Es ist kein Dorf an sich,sondern eher ein Feriencamp, das einemDorf nachgestellt ist. Hier werden typi-sche Fischerhäuser naturgemäß nachge-baut, mit dem kleinen Bootshaus direkthinter dem Garten, den Fischernetzenund dem restlichen Bedarf. Reisebüros

können dann in Absprache mit den Mu-seumsleuten Ferien organisieren“, soGeorge Blejan, Vizebürgermeister derBezirkshauptstadt Tulcea.

Ferien für Hobby-Anthropologenund ExotenNicht nur die Natur zieht Touristen

an, sondern auch die seltsam anmuten-den orthodoxen Oster- und Weihnachts-bräuche, die von Ort zu Ort leicht un-terschiedlich sind und oft noch aus vor-christlichen Urzeiten stammen. Wer sich

das nicht entgehen lassen will, muss je-doch keinswegs genauso prähistorischeUnterkünfte in Kauf nehmen. Die Zahlder Luxuspensionen nimmt rapide zu,da immer mehr Unternehmer auf EU-Fonds zurückgreifen und der Staat dieInfrastruktur zumindest zu verbessernsucht. Wer es hingegen ganz exotischhaben möchte, darf sich auf beinharteErlebnisse einstellen. In Or`[tie in der Nä-he von Sibiu kommen Armee-Fanatikerderzeit voll auf ihre Kosten. Eine alteRüstungsfabrik ist zum Vier-Sterne-Ho-tel umgebaut worden. Touristen amüsie-ren sich zwischen Panzerfahrzeugen undFlak-Geschützen, wohnen in Kasernen-unterkünften, schlafen sich in Panzernaus oder fassen Essrationen direkt ausMetallschüsseln in der Soldatenkantine.

Noch ungewöhnlicher geht es ab die-sem Frühling in Câmpul Cet`]ii (BezirkMure[) zu − die Mongolei selbst ist zwarweit entfernt von Europa, aber ein mon-golisches Dorf gibt es mitten in Rumä-nien. Touristen können in Yurten – dieZeltwohnungen der zentralsiatischen No-maden – übernachten und sich mongoli-sche Kost einverleiben, ganz wie zu ZeitenDschingis Khans oder Tamerlans.

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Meine Herren − der Branchenverbandder Reiseveranstalter Rumäniens, ANAT,hofft, dass die einheimische Touristikin-dustrie sich in diesem Jahr allmählich zuerholen beginnt und dementsprechendum mindestens 5% wachsen wird. Wierealistisch erscheinen Ihnen als Branchen-insider solche Erwartungen? Schließlichist die Krise in Rumänien noch keines-wegs bewältigt, während der Staat bis-lang einen recht miesen Job tut ...

Mihai Voicu, Transilvania Travel (TT):Das Wachstum, von dem der Branchen-verband ANAT spricht, geht in ersterLinie von den Frühbuchungsprogram-men aus, die ein Plus von 5% gegenüber

2009 bringen dürften. Das ist bereits eingutes Zeichen, doch gilt es abzuwarten,ob die erwartete Entwicklung auch tat-sächlich eintritt. Die Prognose ist in demMaße realistisch, in dem sie sich auf Markt-studien im Kontext der Rezession stützt– aber das können Ihnen nur die Planerbestätigen, die an der Strategie für diese5% gearbeitet haben. Und ja, die spezifi-schen Probleme einer schwierigen Zeit sum-mieren sich zu den Altlasten im Tourismus.

Ion Antonescu, Marshal Turism (MT):Die Auswirkungen der Weltwirtschafts-krise werden aus meiner Sicht in diesemJahr sogar stärker zu spüren sein als 2009– aber dennoch erachten wir die ANAT-Prognose als realistisch. Wir selbst rech-nen mit einem Umsatzplus von 10% indiesem Jahr.

Wie sehen Sie denn die allgemeineEvolution der einheimischen Touris-musindustrie im Verlauf der letztenJahre? Wo hapert’s derzeit immer noch?

Ion Antonescu, MT: Wenn wir unter„Entwicklung“ auch den Umgang derReiseveranstalter mit ihrem eigenenGeschäft oder die Ansprüche der Kun-den gegenüber den Touristikdienstleis-tungen einbeziehen wollen, dann kannauf jeden Fall von einer positiven Ent-wicklung gesprochen werden. Die breite

Mehrheit der Reisebüros und Dienst-leister stehen längst für fairen Serviceam Kunden. Das ist eventuell auch eineFolge der Tatsache, dass die rumänischenKunden immer besser informiert sindund servicebewusster werden.

Mihai Voicu, TT: Es hat bis letztes Jahreinen positiven Trend gegeben, dochgehört die Reiseindustrie nun einmal zuden Branchen, die am stärksten von denAuswirkungen der Krise getroffen wor-den sind. Versuchen wir es ’mal mit etwasGalgenhumor: Unser „Glück“ in derweltweiten Rezession lag einzig darin,dass der rumänische Tourismus eher einInsidergeschäft ist – die Zahl der Aus-länder, die Rumänien besuchen, ist kei-neswegs umwerfend, selbst wenn sie vorder Krise im Steigen begriffen war. Wirmüssen also mehr Rumänen überzeugen,ihre Ferien im eigenen Land zu verbrin-gen. Ohne eine entsprechende Zahl vonAuslandsbesuchern wird der Weg zueiner richtigen Industrie allerdings einlanger sein − selbst wenn das Potenzialda ist. Dass die TUI wieder in Rumä-nien arbeitet, ist eine Bestätigung undein positives Signal für die nächsteZukunft. Aber wie man es auch drehtund wendet, das Problem unserer In-frastruktur ist und bleibt akut. Und ichmeine damit nicht nur die Straßen, son-

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„Wer das Prinzip Kundenzufriedenheit nicht auf dieleichte Tour kapiert, kriegt es vom Markt mitleidsloseingehämmert“Rundtisch-Gespräch mit Mihai Voicu, Generaldirektor der Reiseagentur TransilvaniaTravel, und Ion Antonescu, Präsident der Reiseagentur Marshal Turism, über dieLeiden und Aussichten der Industrie sowie über das Rumänien-Angebot 2010

Mihai Voicu, Generaldirektor der ReiseagenturTransilvania Travel

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dern die touristische Infrastruktur ins-gesamt. Wenn ein Kunde mit seinemHotel in punkto Unterkunft und Küchezwar zufrieden ist, er sich aber dafür aufseinem Zimmer langweilt, weil das Frei-zeit- oder Ausflugsangebot unzureichendist, wird er es sich bei der Urlaubsplanungim nächsten Jahr zweimal überlegen, ober wiederkommt.

Vor dem Krisenjahr 2009 hatte es inder Branche doch eine gute Dynamikgegeben, wobei tendenziell jedoch dieGeschäftsreisenden gegenüber Ferien-reisenden immer überwogen haben.Wäre in diesem Sinne mit einer baldigenTrendwende zu rechnen – eventuellsogar in diesem Jahr?

Ion Antonescu, MT: Wir sind bei Mar-shal Turism schon immer auf Geschäfts-reisen orientiert gewesen – dieses Touris-mus-Segment macht derzeit rund 70%unseres Geschäfts aus. Im laufendenJahr können wir allerdings nur hoffen,diese Gewichtung halten zu können −mehr scheint zurzeit noch nicht drin.

Mihai Voicu, TT: Die Gewichtung desGeschäftstourismus widerspiegelt ebendas Profitpotenzial des Landes, das istklar. Bietet Rumänien wieder gute In-vestitionsmöglichkeiten, kommen auchdie Business-Touristen wieder. Aus Sichtder Auslandsgäste betrachtet, gilt aufjeden Fall: Ist es interessanter, nach Ru-mänien geschäftlich zu reisen als zu Fe-rienzwecken? Dies entspricht dem Trendvon vor 2009. Ich denke aber, dass eineTrendwende durchaus eintreten kann,weil der Geschäftstourismus abnimmtund die Zahl der eigentlichen Touristenzunimmt – zum Beispiel durch das Mit-wirken der TUI. Was uns bei Transilva-nia Travel angeht, setzen wir mehr alsbisher auf das Business-Segment. Wirwünschen uns neue Kunden für die mo-dernisierten Konferenz-Center in den

Hotels, die wir in Ferienorten wie Pre-deal, Buzia[ und Bad Felix oder in Groß-städten wie Bra[ov/Kronstadt oderPloie[ti betreiben – es ist ja im Momentso, dass die Fahrtdauer vom BukaresterFlughafen Henri Coand` nach Ploie[tioder Bra[ov zuweilen kürzer ist als bisin die kilometermäßig weit näher gele-gene Bukarester Stadtmitte − ganz ein-fach, weil man sich bis dahin durchendlose Staus wälzen muss.

Wie hat die Branche, wie hat IhrUnternehmen das verheerende Jahr2009 überstanden?

Mihai Voicu, TT: Wir waren 2008noch aus guten Gründen optimistisch,doch begriffen wir dann relativ schnell,dass die Ausläufer der Krise im WestenRumänien nicht verschonen wird. Alsohaben wir unsere Ziele neu gesetzt. Un-term Strich sind wir nicht härter getroffen,als wir es erwartet hatten. Die Einbrüchewaren nicht unwesentlich, lagen aber inden Margen, mit denen wir gerechnethatten (15–20 %). Die Dynamik warunterschiedlich in den verschiedenenBereichen, in denen wir arbeiten. Soetwa mussten wir die größten Verlusteim Schwarzmeertourismus hinnehmen,am besten lief hingegen das Kurgeschäft.Reagiert haben wir mit Rabatten von10% bei einem verbesserten Basisange-bot, einer effizienteren Werbepolitiküber Online und selbstverständlichdurch Kosteneinsparungen.

Ion Antonescu, MT: Wir haben ver-mehrt auf Kosteneinsparungen gesetzt –und damit meine ich leider auch Per-sonalkosten. Aber dadurch konnten wiruns im schwarzen Bereich halten. Aller-dings ist auch bei uns, bei Marshal Turism,der Umsatz im Jahr 2009 zurückgegan-gen. Das hängt aber nicht ausschließlichmit dem Rückgang der Touristenanzahloder der abgeflauten Reiselust zusammen.

Auch die Reisepreise fielen im letztenJahr deutlich, vor allem die Ticketpreiseim Flugreisegeschäft. Das hat natürlichbei fast gleichbleibender Kundenzahl zuweniger Einnahmen geführt.

Wie sieht Ihr Angebot für 2010 aus?Womit können deutschsprachige Touris-ten rechnen?

Mihai Voicu, TT: Transilvania Travelist der Reiseveranstalter der SIF Transil-vania, einer großen Treuhandholding.Mit 20.000 Plätzen in 60 Hotels sindwir eigentlich der größte Investor imrumänischen Tourismus. Unsere Hotelssind über die ganze Schwarmeerküsteverteilt – Eforie Nord, Eforie Sud, Nep-tun, Venus und Saturn, andere liegen inGebirgs- und Luftkurorten wie Bad Felix,Tu[nad, Covasna, Buzia[, Predeal oderOglinzi sowie in den Großstädten Bra[ovund Ploie[ti. Aber wir bieten sekundärauch Auslandsreisen an. Wenn wir unsden deutschsprachigen Raum ansehen,zählen deutsche Touristen zu den stärks-ten Abnehmern. Deutsche Touristen in-teressieren sich in erster Linie für BadFelix, ein seit 30 Jahren sehr nachge-fragtes Traditionsziel. Wir können dort

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Ion Antonescu, Präsident der ReiseagenturMarshal Turism

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insgesamt acht Hotels anbieten, wobeiwir in letzter Zeit die Vier-Sterne-Häuserkomplett saniert haben.

Ion Antonescu, MT: Für unsere rumä-nischen Kunden haben wir sehr vieleAngebote vorbereitet – Ferienziele imInland (zu dieserJahreszeit noch imGebirge, aber auchin Luftkurorten, jaselbst an derSchwarzmeerküste)und im Ausland(Stadttouren, exoti-sche Ziele, Kreuz-fahrten, Charter-Pakete). Ausländi-schen Touristen bie-ten wir sowohlAufenthalte alsauch Rundreisenan, die die wichtig-sten Reiseziele inRumänien umfassen:das Donaudelta, dieSchwarzmeerküse,die Moldauklöster, die Kirchenburgen inSiebenbürgen und noch vieles mehr.

Deutsche Medien signalisiertenjüngst ein leicht steigendes Interesse anRumänien, insbesondere für das VIP-Segment. Wie reagieren Sie darauf? IstIhr Angebot auch auf solche Touristengetrimmt?

Ion Antonescu, MT: Marshal Turismist VIP-Kunden gewohnt. Wir sind ge-rüstet, auch dem anspruchvollsten Kun-den etwas zu bieten, von erstklassigenHotels (wir sind Partner von LeadingHotels of the World), über Hubschrau-bertransporte bis hin zur Vermietungvon Yachten. Ganz allgemein gesagtsind wir auf maßgeschneiderten Touris-mus spezialisiert − wir richten uns ganznach den Kundenwünschen und stellen

gemeinsam mit ihm ein Programm zu-sammen. Das ist für VIP-Kunden eineSelbstverständlichkeit.

Mihai Voicu, TT: Die Signale deutentatsächlich auf ein steigendes Interesseder deutschen Touristen an Rumänien

hin. Das freut unsbesonders, da diedeutsche Kund-schaft eine sehrgute ist – selbstdann, wenn wirnicht vom VIP-Segment sprechen.Streng auf VIP-Kun-den getrimmt sindfast alle unsererHigh-Class-Ange-bote: Das HotelInternational inBad Felix hattenach dessen Kom-plettsanierung ausdem Jahr 2007 alserstes Hotel inganz Rumänien das

Privileg, das Logo der EUROPESPA-Med zu tragen, das für die Qualität derTherapie, Hygiene und Sicherheit steht.In der deutsch geprägten Stadt Bra[ovbetreiben wir das Fünf-Sterne-HotelARO Palace, eine Traditionsadresse, diefür Ferien- sowie Geschäftsreisende glei-chermaßen geeignet ist. Und in Predealöffnet im Mai nach einem Komplettum-bau das Orizont-Hotel, das mit Vier-Sterne-Qualität ebenfalls Geschäft undErholung perfekt verbinden kann.

Rumänien wird von den meistenReisenden als bildschönes Land beschrie-ben, in dem aber die Dienstleistungennoch gewaltig zu wünschen übriglassen. Als Insider wissen Sie am besten,ob sich mittlerweile etwas an der Men-talität der Branche geändert hat?

Ion Antonescu, MT: Nicht alle Anbie-ter haben hierzulande verstanden, wieman mit Kunden umgehen muss…

Mihai Voicu, TT: ... richtig, die Dienst-leistungen sind leider die Achillesferseunserer Branche und haben tatsächlichsehr viel mit der Mentalität der ein-heimischen Mitarbeiter zu tun. Ausmeiner Sicht ist die Personalpolitik inder Gastfreundschaftsindustrie noch inkeinster Weise marktgerecht. Ich per-sönlich finde, dass das Potenzial derBranche, ihre Chancen oft gar nichtrichtig wahrgenommen werden. Jedochändern sich die Dinge bereits einiger-maßen, da viele das einfache Prinzipder Kundenzufriedenheit zu verstehenbeginnen. Entweder kapieren sie es aufdie leichte Tour, oder der Markt häm-mert ihnen das mitleidlos ein.

Um es auf den Punkt zu bringen:Woran fehlt es eigentlich noch?

Mihai Voicu, TT: Das Stichwortlautet „Professionalisierung“. Wir kön-nen es uns nicht mehr leisten, Markt-anteile an unsere Nachbarn zu verlieren– zumal man auf einem globalen Marktkeineswegs nur von „Nachbarn“ wieUngarn oder Bulgarien reden kann.Dort wurde allerdings schnell verstan-den, dass professionelles AuftretenGewinn bringt. Wir benötigen deshalbganz schnell adäquate Marketing- undPR-Strategien, die in Rumänien indieser „Industrie der Träume“ nochvollkommen unterentwickelt sind.

Ion Antonescu, MT: Es fehlt an ko-härentem Denken, an durchdachtenund gut strukturierten Handlungs- sowieWerbeplänen, an kraftvollem Manage-ment, an gut geschultem Personal, anentsprechendem Willen, an der Diszi-plin ... und auch an der Arbeitswut.

das gespräch führteheiner krems

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ie rumänischen Behördenhaben dem russischenEnergiekonzern Gazpromdie notwendige Dokumen-

tation für die Erstellung der Machbar-keitsstudie des Gasprojekts South Streamvorgelegt, berichtete die russische Nach-richtenagentur RIA Novosti mit Bezugauf eine Pressemitteilung des Gasriesen.In den Dokumenten gehe es vornehm-lich um den Verlauf der künftigen SouthStream-Route durch rumänisches Terri-torium, erläuterte Gazprom.

Rumäniens liberaldemokratischerWirtschaftsminister Adriean Videanuund Gazprom-Vizevorstandschef Alexan-der Medwedew hatten Mitte Februar inBukarest „Aspekte der bilateralen Koope-ration im Energiebereich“ erörtert, dar-unter die Perspektiven der Gasimporteaus Russland sowie die potenzielle Zu-sammenarbeit des einheimischen Versor-gers Romgaz und des PipelinebetreibersTransgaz mit dem russischen Gasmono-polisten. Laut RIA Novosti sollen zudemauch Kooperationsmöglichkeiten imElektrizitätsbereich erörtert worden sein.Der rumänischen Presse zufolge ist auchüber den geplanten Bau von Erdgasspei-chern hierzulande verhandelt worden −in diesem Sinne waren Rumänien undRussland bereits im letzten Mai ein Me-morandum eingegangen.

Die South Stream-Pipeline gilt be-kanntlich als Konkurrenzprojekt des eu-ropäischen Vorzeige-Projekts Nabucco,

an dem Rumänien bereits beteiligt istund dessen Pipeline Erdgas vom Kaspi-schen Meer sowie dem Nahen und Mitt-leren Osten nach Europa pumpen soll −gerade um die Importabhängigkeit vonRussland zu reduzieren. Nun aber habendie rumänischen Behörden offenbar be-schlossen, ihre Strategie auf „doppeltmoppeln“ abzuändern. Erst unlängsthatte Wirtschaftsminister Videanu eupho-risch eröffnet, dass Rumänien schon inwenigen Jahren von einer ganzen Füllevon Pipelines durchzogen werden könnte:„Nabucco, South Stream, White Streamund Blue Stream − alle werden hier vor-beiführen“, so Videanu wörtlich.

Ein erster Schritt in diese Richtunghatte Bukarest bereits im letzten Jahrunternommen, als die rumänischen Be-hörden „technische Hilfe“ beim Baudes South-Stream-Abschnitts, der durchdas Schwarze Meer führt, angebotenhatten. Damals hatte der russische Gas-monopolist auf das Angebot Rumänienserst gar nicht reagiert.

Nun aber ist es Mitte Februar zu einemweiteren, ausschlaggebenden, Schritt ge-kommen, der bezeigt, dass Rumänienaugenscheinlich eine Beteiligung amSouth Stream-Gasprojekt anstrebt. Dierussisch-italienische Gaspipeline sollSüdeuropa mit Erdgas versorgen, dieersten Lieferungen des auf rund 25 Mil-liarden Euro geschätzten Projekts sindfür 2013 geplant.

anne warga

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wirtschaft

South Stream

Die voraussichtlich etwa 25 MilliardenEuro teure Pipeline soll 63 MilliardenKubikmeter russisches Erdgas ohneTransit durch die Ukraine nach Europapumpen. Das Projekt wird vom russischenGasriesen Gazprom und dem italienischenEnergieversorger ENI durchgezogen, erstunlängst stieg auch der französischeEnergiekonzern Electricité de France indas Projekt ein.

Die ersten Lieferungen sollen ab 2013anlaufen. Angesichts des 900 Kilometerlangen Untersee-Abschnitts der Gasleitung,der auf dem Meeresgrund des SchwarzenMeeres in einer Tiefe von bis zu 2000Meter verlegt werden soll, wird Gazpromnun bald entscheiden müssen, ob dieserAbschnitt durch rumänisches oderbulgarisches Gebiet verlaufen soll.

Energiemarkt

Rumänien liebäugelt mitSouth Stream Gas-Pipeline

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piprod, das Unternehmenin Schellenberg/{elimb`rbei Hermannstadt, erzeugtseit 1997 Bienenkästen. Es

ist einer der wenigen Produzenten in diesemBereich in Rumänien − hier wird zurzeithauptsächlich für die Mutterfirma Imker-technik Wagner in Deutschland gearbeitet.

Die Mutterfirma in Deutschland istein Familienbetrieb; Apiprod ist desseneinziges Tochterunternehmen. „Angefan-gen hat die Herstellung von Bienenkästenund der dazugehörenden Rähmchen 1997in einer Garage, mit etwa 5 Mitarbeitern,zur Zeit sind es bereits zwischen 55 und60 und wir konnten uns zudem einen Um-zug leisten“, weiß die Juristin der rumä-nischen Firma, Alexandra Gheorghi]`, zuberichten. 20 der Beschäftigten sindFrauen, die in einer Schicht die Rähmchenzusammenstellen, der Rest sind Männer,die in zwei Schichten arbeiten: „Einige un-serer Mitarbeiter sind von aller Anfangan bei uns, einige verließen uns sogarund kamen danach wieder zurück. Seit-dem mehrere Unternehmen schlossen,

ist es für uns nun etwas einfacher, quali-fizierte Arbeitskräfte zu finden“, sagtGheorghi]`. „Die Männer stellen sowohlBienenkästen als auch Teile für die Rähm-chen her – so dass auch die Frauen ar-beiten können.“

Hauptsächlich mit Holz wird hiergearbeitet, das in Rumänien akquiriertwird. „Wir haben unsere eigene Trocken-anlage“, erklärt Direktor Marius Ferdela,der auch für die Kundenpflege zuständigist. „So können wir für beste Qualität un-serer Bienenkästen sorgen, damit unsereKunden zufrieden sind.“

Durch Imkertechnik Wagner wirddie Ware vertrieben − etwa die Hälfte

davon in Deutschland, der Rest in weite-ren europäischen Ländern wie Österreich,Frankreich, Luxemburg und Belgien. „Wirhaben recht wenige rumänische Kunden,doch an Bestellungen mangelt es unszum Glück nie“, sagt Alexandra Gheor-ghi]`. „Von Februar bis Anfang Juni istHöchstbetrieb, aber auch in den anderenMonaten sind wir voll ausgelastet. Wirmüssen unsere Mitarbeiter folglich kei-neswegs beurlauben.“

Mehrmals im Monat ist auch derSiebenbürger Sachse Ernst Wagner imLand. Der ausgebildete Lehrer ist beur-laubter Beamte, denn trotz aller Hilfeseitens Ehefrau und Sohn ist er vollaufbeschäftigt: „Ich war zuerst Imker, zumHersteller wurde ich erst später“, sagtWagner, der insbesondere in Deutsch-land Vorführungen und Besichtigungenin der eigenen Imkerei mit Königinnen-zucht anbietet. „Nur wer selbst Imkerist, versteht etwas von Bienenkästenund Zubehör.“ Imkerkurse hat Wagnerauch in Rumänien angeboten, hatteallerdings nur wenig Erfolg: „In Rumä-nien arbeitet man noch wie zu OpasZeiten. Richtige Imker werden nie Fußfassen, wenn sie nur auf Subventionenwarten, wenn sie ihre Arbeit nicht mo-dernisieren. Da ist ein Imker mit 50−60Bienenfamilien zufrieden, in Frankreichhat ein richtiger Imker zwischen 800 und1.200 Völker”, sagt der Lehrer. „Dabeiliegt unsere Stärke in den Neuerungenin diesem Bereich. Natürlich wird alleskopiert, doch bis das passiert, haben wirunsere Produkte bereits verbessert.“

Apiprod bleibt erstmals die einzigeTochterfirma: „Es ist wichtig, unseren Be-trieb in Rumänien zu modernisieren, da-mit wir gute Qualiät zu normalen Preisenanbieten“, so Ernst Wagner, dessen Fir-ma sich sowohl an die Märkte als auchan die Imker als Endverbraucher wendet.

ruxandra st`nescu

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KMU

„Noch wie zu Opas Zeiten“: Derlange Weg zur modernen Imkerei

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Über mangelnde Aufträge kann Apiprod derzeit nicht klagen

Imker Ernst Wagner: „Unsere Stärke liegtin den Neuerungen unseres Bereichs“

wirtschaft

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u den ersten Beschlüssender neuen Regierunggehörte bekanntlich dieAbschaffung der 3%-Ein-

kommenssteuer für Mikrounternehmen,die nun gleichfalls die Einheitssteuervon 16% zu entrichten haben. Die Fol-gen der Maßnahme machen sich tagtäg-lich bemerkbar: Das Trauerspiel derMikrounternehmen geht unvermindertweiter, Entlassungen und Firmenschlie-ßungen stehen weiterhin auf der Tages-ordnung.

Knapp die Hälfte der Mikrounter-nehmen erwägt zurzeit, Mitarbeiter zuentlassen – angesichts der durch die16%ige Einkommenssteuer entstande-nen deutlich höheren Kosten bliebe denKleinunternehmen eben keine andereWahl übrig, lautet das Fazit des Landes-rates für Kleine und Mittlere Unterneh-men. Im Rahmen einer Anfang letztenMonats durchgeführten Umfrage unterrund 500 Mikrounternehmen hätten 47%der Befragten angeführt, in allernächsterZeit Personal- kürzungen vornehmenzu wollen. Davon wollten etwa 53% derArbeitgeber auf ein bis zwei Mitarbeiterverzichten, 37% auf drei bis vier, wäh-rend etwa 10% beschlossen hatten, aufbis zu 9 Beschäftige zu verzichten.

Ein Drittel der betroffenen Firmenüberlegt mittlerweile auch, so der Lan-desrat für KMU, ihre derzeitige Gesell-schaftsform einer GmbH zugunsteneiner Ich-AG aufzugeben. Einige, eherwenige, Mikrounternehmen würdensogar offshore-Sitze in Betracht ziehen,während die restlichen derart besorgt

seien, dass sie außer einer Firmen-schließung keinerlei Lösung für ihreNot sehen.

Laut Florea Pîrvu, Vizepräsident desLandesrates für KMU, trägt ausschließ-lich der Staat bzw. dessen neue Besteu-erung die Schuld an der bevorstehendenEntlassungswelle in der Privatwirtschaft.„Es liegt auf der Hand, dass jene Un-ternehmen, die im letzten Jahr noch die3%-Einkommenssteuer entrichteten, sichalle Mühe gegeben haben, ihre Beleg-schaft unvermindert zu behalten. Heuerhat sich das Blatt allerdings gewendet −nun kann keiner mehr umhin, an Per-sonal zu sparen“, erläutert Pârvu, der alsweitere direkte Konsequenz die Zunah-me von Schattenwirtschaft und Steuer-hinterziehung prophezeit. Man könneruhig davon ausgehen, dass bis zu 95%der übrig gebliebenen GmbH im laufen-den Jahr keinerlei Gewinn verzeichnenwerden, so Pârvu, da sie jede MengeBeträge − buchhalterisch als Kosten undBeiträge gedeckt – von der Steuer abset-zen lassen werden. Auch sei es zumeistso, dass aufgelöste Firmen dennoch ihreTätigkeit weiter ausüben − allerdingsschwarz. Beunruhigend ist laut Pârvuauch, dass die Mikrounternehmen ver-mehrt zu unlauteren Wettbewerbsprak-tiken greifen.

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wirtschaft

Die Arbeitslosenquote steigt be-ängstigend: Derzeit liegt sie bei 8,1%,im Januar seien insgesamt 740.000Personen arbeitslos gemeldet gewe-sen, teilte das Nationale Beschäfti-gungsamt Mitte Februar mit. Damitnähert sich die Arbeitslosigkeit hier-zulande dem Rekordstand von 2003,als sie bei 8,6% gelegen hatte. Dieüberwältigende Mehrheit der Ent-lassungen erfolgte in der Privatwirt-schaft. Von den 740.000 Arbeitslosenwaren 605.371 in Privatunternehmenbeschäftigt gewesen − folglich entließdie Privatwirtschaft im Vergleich zuden staatlichen Unternehmen 4,5 malmehr Beschäftigte.

Die höchsten Arbeitslosenquotenwurden in den Landeskreisen Mehe-din]i (14,5%), Vaslui (13,5%) undAlba (13,4%) verzeichnet, die nied-rigsten in der Hauptstadt (2,4%) so-wie im Kreis Timi[/Temesch (4,4%).

Den Schätzungen des Arbeitsamtszufolge wird die Arbeitslosigkeit bisMitte des Jahres stetig steigen undwohl die vom IWF in Aussicht ge-stellte 10%-Marke erreichen, für dieletzten beiden Quartale 2010 rech-net die Behörde sodann mit einerleichten Trendwende.

Arbeitslosigkeit auf8,1% hochgeschnellt

Steuerlast

Trauerspiel: Mikrounternehmensiechen dahin

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Es hört sich schön an − Rumäniensitzt auf nicht unbedeutenden Gold- undSilberreserven in seinen Westkarpaten.Daran ist nichts Neues, das wusstenschon die alten Römer, die bei Ro[iaMontana bereits vor 2.000 Jahren Berg-bau betrieben. Doch ist es nun einmalheutzutage deutlich schwerer als damals,an das wertvolle Metall zu kommen –denn niemand hat Zeit oder Geduld, perHand nach Gold zu schürfen und Milli-onen Tonnen von Gestein manuell rein-zuwaschen.

Von der Romantik des kalifornischen„Goldrush“ ist im 21. Jahrhundert nichtsmehr zu spüren. Weil Gold und Silberwegen der bisherigen Förderung in-zwischen im Erz nur noch als mikrosko-pisch kleine Spuren vorkommen (rund1,46 Gramm Gold pro Tonne Erz), mussschwereres Geschütz aufgefahren wer-den – ganze Berge werden weggesprengt,

die Abermillionen Tonnen Erz werdensodann durch hochgiftige Blausäureausgelaugt. Nach der Zyanwäsche wirdder Giftstoff in riesigen Stauseen aufmehreren Hektar Fläche gesammelt.Laut eigenen Angaben der Ro[ia Mon-tana Gold Corporation (RMGC), diedas Projekt betreibt, sollen jährlich übereine Zeitspanne von 16 Jahren jeweils13 Millionen Tonnen Erz verarbeitetwerden − das Ergebnis wäre eine Rein-ernte von durchschnittlich 16 TonnenGold und 58 Tonnen Silber pro Jahr.Anschließend, so verbrieft sich dieRMGC, soll die Umwelt im gesamtenGebiet aufgrund einer Nachbehand-lungsstrategie komplett saniert werden.Zudem würden eine Menge Jobs indem ansonsten beschäftigungsmäßigtrostlosen Gebiet entstehen. In einerkostspieligen Medienkampagne ließ dieRMGC die magische Zahl von 4 Mil-

liarden Dollar kursieren – in dieser Stel-lenhöhe würde Rumänien angeblichvom Projekt profitieren. Darin enthal-ten seien die 2% Goldgebühren nachdem bestehenden Bergbaugesetz sowiedie ausgeschütteten Dividende für die19,31%ige Beteiligung, die der Staatdurch das eigene Unternehmen MinvestDeva an der Ro[ia Montana Gold Corpo-ration hält (80% des Konzerns gehörender kanadischen Firma Gabriel Resour-ces, der Rest von 0,69% ist im Streube-sitz mehrerer rumänischer Investoren).

Krieg der ArgumenteSchon seit Beginn der Planungsphase

steht das Projekt unter Dauerbeschussder Medien und der Zivilgesellschaft.Die Rumänische Akademie der Wissen-schaften kritisierte das Vorhaben ineiner Resolution. Umweltschutzvereineprotestieren vehement gegen den Gold-tagebau, weil sie aufgrund des Einsatzesvon Zyanid eine Umweltkatastrophebefürchten – vor 10 Jahren kam es inBaia Mare schon einmal zum Damm-bruch bei einem Bergbauunternehmen:Die Blausäure tötete damals alles Lebenin einem Nebenfluss der Theiß, die Um-weltkatastrophe nahm zu guter Letztinternationale Ausmaße an.

Die RMGC kontert indes und be-hauptet, dass Ro[ia Montana nicht etwaeine Bilderbuch-Landschaft sei, sondernvielmehr ein Notstandsgebiet, in demdie Umwelt nach 2.000 Jahren Bergbau

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wirtschaft

Goldrausch in den Westkarpaten

em rumänischen Staat wird es angesichts der steigenden De-fizite in allen öffentlichen Etats langsam zu eng. Die imDezember eingesetzte neue Regierung will deshalb nun dasumstrittene Projekt des Goldtagebaus bei Ro[ia Montanafördern. Die Goldkonjunktur könnte kaum besser sein,

schließlich ist der Preis für die Feinunze Gold in letzter Zeit stark gestiegen.Doch in der Praxis erweist sich das Vorhaben als langwieriges Tauziehen zwi-schen dem Projektbetreiber Ro[ia Montana Gold Corporation (RMGC), Um-weltschützern und Kulturverbänden. Mitten in diesem Trubel steht – im weitestenSinne des Wortes – der Staat: Unternehmen, Ministerien, Kommunalverwal-tungen, Parteien, Politiker. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob es sichlohnt, für 4 Milliarden Dollar binnen 16 Jahren ein ganzes Gebiet zu zerstören.

Dvon alex gröblacher

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sowieso längst verpestet ist. Auch ver-spricht das Unternehmen, bei der Be-handlung des Gold- und Silbererzesausschließlich neueste, EU-konformeMethoden einzusetzen. An der Förde-rungsmethode sei nichts auszusetzen,sie werde schließlich auch in andereneuropäischen Ländern angewendet.

Kulturschutzvereine warten hingegenmit anderen Einwänden auf: Die Regionsei ein noch nicht er-schlossenes, einzigartigesarchäologisches Juwel, dieantiken römischen Stollenmüssten erhalten werden.Dem widersprichtwiederum die RMGC: vonwegen einzigartig. Solcher-lei Bergewerke seien über-all in der breiteren Gegendanzutreffen. Außerdem seider Konzern bereit, abseitsvom Tagebau ein Museumzu errichten. Das Hauptar-gument der RMGC lautetnach wie vor, dass in undum Ro[ia Montana die Ar-beitslosigkeit grassiert unddie Einwohner keine Zukunftschancenhaben. Rund 2.000 Jobs werde das Pro-jekt für die Menschen in den Gemein-den um Ro[ia Montana schaffen. Völligunwahr, wenden die Projektgegner ein:Erstens biete der Lokaltourismus eineausgezeichnete Alternative, außerdemsei die Zahl der in Aussicht gestelltenJobs weit übertrieben.

Eine weitere, große Schwierigkeitbesteht laut Projektgegnern darin, dassdie gesamte Lokalbevölkerung umge-siedelt werden muss. Aus RMGC-Sichtist das Problem jedoch relativ leicht zulösen, da der Konzern im letzten Jahr-zehnt bereits eine Vielzahl von Häuserngekauft hat (nach Medienberichten ge-hören der RMGC inzwischen rund 70%

aller Grundstücke und Immobilien imGebiet). Darüber hinaus sei der bisheri-ge Lebensstandard der Bewohner so-wieso kein hoher gewesen − wie es invielen Dörfern Rumäniens eben nochder Fall ist. Die RMGC biete hingegenals Gegenleistung moderne Siedlungen.

Im betroffenen Areal hat die PR-Kampagne der RMGC die Gemüternatürlich besonders erhitzt. Manche der

in Ro[ia Montana Ansäßigen wartennur auf bessere Zeiten, um ihre Häuserzu verkaufen. Unbetroffene sind hinge-gen oft der Meinung, dass das Projekt ansich gar nicht so schlecht sei, der Staataber seine Gebühren neu verhandelnmüsse, um mehr Geld einzuheimsen –bei 4 Milliarden Dollar lohne sich dasTauschgeschäft Umwelt gegen Goldeher nicht. Auch fürchten viele, dass dieRMGC nach getaner Arbeit dann ein-fach weiterzieht und die Umweltlast demStaat hinterlässt.

Die Politik hält sich bedecktFür Parteien und Politiker ist das

Thema Ro[ia Montana zurzeit eineheiße Kartoffel, die niemand so richtig

anfassen will. Während sämtlicher Wahl-kämpfe vom letzten Jahr wurde es ent-weder diplomatisch totgeschwiegenoder bis zur Unkenntnis zerredet. DiePolitiker wissen, wie empfindlich dieZivilgesellschaft auf das Goldprojektreagiert, und vermeiden aus taktischenGründen klare Antworten auf eindeutigeFragen. Doch bei den im Dezemberstattgefundenen Anhörungen der künf-

tigen Minister vor den Fach-ausschüssen des Parlamentsließ WirtschaftsministerAdriean Videanu (PDL)plötzlich das magischeWort Ro[ia Montana fallenund stieß damit in ein Wes-pennest. Die Gegner, diedas Projekt als weitgehendvom Tisch glaubten, warenbestürzt. Selbst der Ungarn-verband, Koalitionspartnerder Liberaldemokraten undverantwortlich für die Res-sorts Umwelt und Kultur− Schlüsselbereiche für dasVorhaben in Ro[ia Mon-tana, da ohne die ein-

schlägigen Genehmigungen rein garnichts passiert –, ging auf Distanz. Um-weltminister Laszlo Borbely erklärte, erwürde das Projekt nur dann absegnen,wenn er zu 101% sicher sei, dass es zukeinerlei Umweltkatastrophe kommenkönne.

Auch bei den opositionellen Libera-len sorgte Ro[ia Montana jüngst füreinen Eklat, nachdem die Europaabge-ordnete Adina V`lean ein Seminar imEuropäischen Parlament zu besagtemThema organisierte, jedoch die Projekt-gegner – darunter ihre ParteikolleginRenate Weber – kaum oder gar nicht zuWort kommen ließ. V`lean wurdedanach vorgeworfen, allzu offen für dasProjekt zu werben.

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inisterpräsident Emil Bocscheint mittlerweile begrif-fen zu haben, dass die eu-

ropäischen Geldmittel tatsächlich einoptimales Förderpaket für die krisenge-beutelte einheimische Wirtschaft darstel-len könnten. Nur hapert’s bekanntlichnoch mit dem Abrufen der EU-Gelder.Demzufolge hat der Regierungschefjüngst sämtlichen Beamten, die sich alsunfähig erweisen würden EU-Gelderabzurufen, mit Rausschmiss gedroht.Rumänien wolle heuer sage und schreibe4,3 Mrd. Euro aus dem EU-Topf ab-schöpfen, hob Boc hervor. Na dann ...„bon chance“!

Die EU-Gelder würden den „Schlüs-sel“ zur Krisenbewältigung hierzulandedarstellen, sagte Boc anläßlich einer Vi-deokonferenz mit den Lokalbehörden.„Die EU-Fonds können das Krisenendebeschleunigen. Die 4,3 Mrd. Euro, diewir im laufenden Jahr abrufen wollen,

sowie die 1,3% Wirtschaftswachstum,mit denen wir rechnen, ermöglichennicht nur eine schnellere Bewältigungdes Konjunkturtiefs, sondern auch eineFestigung des Wirtschaftswachstumsund des allgemeinen Aufschwungs in Ru-mänien“, erläuterte der Regierungschef,der auch die heimische Unternehmer-schaft aufforderte, vermehrt Förderpro-jekte zu erarbeiten, um somit nicht nurwettbewerbsfähig zu bleiben, sondernauch die internationalen Märkte in An-griff nehmen zu können.

Laut Angaben der Behörde zur Ko-ordinierung der strukturellen Instrumente(ACIS) hat Rumänien seit dessen EU-Beitritt durchschnittlich knapp über 60Mio. Euro pro Jahr ausgegeben. Bis EndeJanuar waren insgesamt 3.190 Förder-projekte gebilligt worden, deren Um-setzung teilweise schon begonnen hat −für den Anfang auf Kosten der Antrag-steller. Sieht man von den Kofinanzie-

rungen des Staates und aus privater Handab, so sind letzten Endes etwas mehr als180 Mio. Euro ausgegeben worden;zählt man die staatliche Kofinanzierungund die Kostenbeteiligung der Antrag-steller hinzu, so beläuft sich die Ge-samtsumme der mithilfe von EU-Fondsumgesetzten Projekte auf rund 635Mio. Euro, teilte ACIS des Weiterenmit. Der Gesamtwert der bereits zurFörderung gebilligten Projekte beläuftsich derzeit auf 8,43 Mrd. Euro.

Dem neuen Agrar-Kommisar DacianCiolo[ stehen schwierige Zeiten bevor:Die meisten neuen Mitgliedsstaatenfordern nämlicheine Neuvertei-lung der EU-Di-rektzahlungen −womit harteDebatten überdie Agrarpolitiknach 2013 vor-programmiertsein dürften.Rumänien, Bul-garien, Estland, Lettland und Litauen,Ungarn, Polen, die Slowakei und Zypern

fordern von Brüssel den Verzicht aufdie derzeitigen „nicht gerechtfertigten“Verteilungskriterien. Aus ihrer Sicht

sollen die Di-rektzahlungeneinerseits beibe-halten, anderer-seits vereinfachtwerden undzudem nacheinem einheit-lichen Schlüsselerfolgen, umeinen fairen

Wettbewerb und eine nachhaltige EU-Landwirtschaft zu gewährleisten.

Agrar-Kommissar Ciolo[ hatte sichgleich zu Mandatsbeginn für eine Fort-führung der GAP-Direktzahlungennach 2013 ausgesprochen. Doch kanner aufgrund des Lissabon-Vertrags, derzum 1. Dezember 2009 in Kraft trat,keineswegs schalten und walten wie erwill, da das EU-Parlament nun − alseinzige direkt von den EU-Bürgern ge-wählte Institution − volles Mitentschei-dungsrecht in fast allen politischenBereichen der Union, einschließlich derAgrarpolitik, hat. Und die Interessender 27 Mitgliedsländer erweisen sichderzeit (auch) in punkto Agrarpolitik alshöchst unterschiedlich.

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wirtschaft

EU-Topf: Regierungschef Boc will heuer 4,3 Mrd. Euro abrufen

EU-Agrarpolitik: Ciolo[ sieht schweren Zeiten entgegen

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räume sind zwar be-kanntlich nur Schäume,doch halten die rumä-nischen Behörden ver-bissen an den ihrigen

fest. Da das Land die Einführung desEuro für 2014 anstrebt und dem Europä-ischen Wechselkursmechanismus ERM-IIsogar ab 2012 beitreten will, beschäftigtdie einheimischen Politiker derzeit dieFrage eines eigenen Ausgabeprogramms.

So stellte der sozialistische SenatorTitus Corl`]ean unlängst erste Prägun-gen von Euro-Münzen in Kronstadt inAussicht, die Produktion könne bereitsab 2011 anlaufen − schließlich müssesich ein Euro-Anwärterland rechtzeitigmit entsprechenden „Geldmassen“ ein-decken. Die Firma Metrom aus seinemWahlkreis Bra[ov führe in diesem Sinnebereits Gespräche mit der Notenbankund der staatlichen Gelddruckerei, dieVerhandlungen seien „in fortgeschrit-tenem“ Stadium. „Weshalb denn auf aus-ländische Unternehmen zurückgreifen,wenn wir selbst Münzen prägen können?“,fragte sich Corl`]ean rhetorisch. Dass in

sämtlichen Konvergenzberichten derEU-Kommission und der EuropäischenZentralbank (EZB) Rumänien bislangstets für nicht „euroreif“ befundenwurde, übersah Corl`]ean geflissentlich.

Vor wenigen Wochen redete EZB-Chef Jean-Claude Trichet schließlichTacheles: Ein Euro-Beitritt Rumänienssei zwar denkbar, allerdings „erst, wenndie Zeit reif ist“. Trichet verwies darauf,dass die strengen Beitrittskriterien zumEuro-Raum auf Dauer und nicht etwanur zu einem gewissen Zeitpunkt erfülltwerden müssen. Derzeit sorgt sich Brüs-sel nämlich um den Fortbestand der Wäh-rungsunion. Angesichts der Schuldenkrisein Griechenland ist die EZB entschlossen,potenzielle Euro-Anwärter weitausstärker unter die Lupe zu nehmen. Dasbetrifft insbesondere die osteuropäischenBewerber Rumänien, Bulgarien undUngarn, die nunmehr mit einerseitsüberaus scharfen Kontrollen ihrer Staats-finanzen und Inflationsraten und anderer-seits mit erheblichen Verzögerungen beider Euro-Einführung rechnen müssen.

a. w.

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wirtschaft

Euro-Träume

Euro-Münzen„made in Bra[ov“?

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ie rumänische Notenbankhat Anfang Februar denLeitzins erwartungsgemäß

verringert − der Satz wurde um 50Basispunkte auf 7,00% gesenkt undliegt nunmehr auf dem niedrigstenStand seit November 2007, infor-mierte die Nationalbank in einemPressrelease. Die Mindestreservean-forderung wurde unverändert belassen.

Die Zinssenkung war von deneinheimischen Analysten und Volks-wirten sowohl mit Hinblick auf densinkenden Inflationsdruck als auchauf die Bemühungen der National-bank, die Kreditvergabe der Bankenwieder anzukurbeln, erwartet wor-

den − bis Jahresende rechnen siemit einer weiteren Lockerung derGeldpolitik auf 6,25%. Die Noten-bank hatte den Leitzins bereits An-fang Januar um gleichfalls 50 Basis-punkte auf 7,50% gesenkt. Im letz-ten Jahr war er insgesamt fünf Malverringert worden.

Notenbanksenkt Leitzins

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Der Bukarester Erzbischof IoanRobu hat Papst Benedikt XVI. nachRumänien eingeladen. Anläßlich einesMitte Februar erfolgten ad-limina-Be-suchs katholischer Bischöfe aus Rumä-nien im Vatikan habe Erzbischof Robuden Heiligen Vater zu einer Pastoral-reise eingeladen, um so „dem gesamtenrumänischen Volk“begegnen zu können,berichtete Radio Vatikan.Die vom katholischenErzbischof von Bukarestunterbreitete Einladungdürfte zweifelsfrei mit derZustimmung des Ober-hauptes der RumänischenOrthodoxen Kirche, Patri-arch Daniel, erfolgt sein.

Papst Benedikt XVI.rief aus diesem Anlass diein Rumänien lebendenKatholiken und Ortho-doxe zu Dialog und Zusammenarbeitauf – trotz aller Schwierigkeiten sei ein„Dialog der Liebe und der Wahrheit“ebenso notwendig wie der gemeinsameEinsatz für christliche Werte in derGesellschaft. Katholische und ortho-doxe Christen sollten die christlichenWurzeln Europas verteidigen undgemeinsam für den Schutz der Familie,für Menschenrechte, Umweltschutzsowie in bioethischen Fragen auftreten,hob der Papst hervor. Benedikt XVI.erinnerte zudem an den historischenBesuch seines Vorgängers JohannesPaul II. in Bukarest, der 1999 als ersterPapst überhaupt einer mehrheitlich or-

thodoxen Nation einen Besuch abgestat-tet hatte. Der Rumänien-Besuch Jo-hannes Paul II. hatte hierzulande eineBegeisterungswelle ohnegleichen ausgelöst.

Erzbischof Robu betonte gegenüberPapst Benedikt XVI. auch eine Reihevon Schwierigkeiten, mit denen die hie-sige katholische Gemeinde selbst im der-

zeitigen „Kontext der wie-dergewonnenen Freiheit“zu kämpfen hat. Der Dia-log mit der Orthodoxiegehe nur schleppend vor-an, sagte Robu, währendin der Angelegenheit derRückgabe der vom kom-munistischen Regime kon-fiszierten Kirchengebäudenoch immer keine end-gültige Lösung in Sichtsei. Der Erzbischof klagtezudem über den Bau deshochumstrittenen „Cathe-

dral Plazza“-Hochhauses unmittelbarneben der hauptstädtischen St. Josefs-Kathedrale, das durch seine Ausmaße(20 Stockwerke) die Statik des Gottes-hauses gefährde.

Bekanntlich sind bislang sämtlicheeinschlägigen Proteste der BukaresterBevölkerung und auch die Beschwerdender katholischen Würdenträger bei derRegierung stets auf taube Ohren ge-stoßen, der britische Immobilienent-wickler Willbrook ist derzeit weiterhinin Besitz einer gültigen Bauerlaubnisund kann sein Projekt folglich unbehel-ligt fortsetzen.

heiner krems

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in punkto gesellschaft

Erzbischof Robu im Vatikan

Papst Benedikt XVI. auf Pastoralreisenach Rumänien eingeladen

Nach jahrelangem Hickhacksollen die Bauarbeiten an dergrößten rumänisch-orthodoxenKathedrale des Landes nun trotzWirtschaftskrise im Herbst begin-nen. Laut Patriarchalverwaltung istder Baustart der „Kathedrale zurLäuterung des Volkes“ für Augustgeplant. Die Bauarbeiten sollen vierJahre lang dauern, die Einweihungdes Gotteshauses, für dessen Errich-tung sich schon der 2007 verstor-bene Patriarch Teoctist eingesetzthatte, ist für 2015 vorgesehen. DieKosten des Mammutgebäudes wer-den auf mindestens 400. Mio. Eurogeschätzt.

Die „Läuterungskathedrale“wird auf dem Bukarester „Arsenal“-Hügel hochgezogen, sie soll 5.000Gläubigen Platz bieten. „Das Bau-projekt geht von unseren Forderun-gen und dementsprechend vonfolgenden Dimensionen aus: Länge−120 m, Breite − 70 m, Höhe −120 m“, gab die Patriarchie in einerPressemitteilung bekannt. Der Kir-cheneingang wird, Patriarch Danielzufolge, kelchförmig gestaltet, wäh-rend die Wandmalereien auf die be-rühmtesten Heiligen und Kirchen ausallen Landesteilen hinweisen sollen.

Baustart fürMammutkathedrale

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gesellschaft

ie liberaldemokratische Eu-ropaabgeordnete Oana An-tonescu hat Mitte Februar

die europaweite Einführung einer soge-nannten „Fast Food“-Steuer gefordert.Es handele sich dabei um eine „Erzie-hungsmaßnahme“, da ungesundes Essenzu Fettleibigkeit sowie zu einer Vielfaltdaraus resultierender Krankheiten führe,die wiederum die europäischen Gesund-heitssysteme belasten würden, erläuterteAntonescu, die im EU-Ausschuss fürUmweltfragen, Volksgesundheit undLebensmittelsicherheit sitzt.

Allerdings ist die Idee der „Whop-per-Tax“ nicht auf liberaldemokratischemMist gewachsen. GesundheitsministerCseke Attila seitens des Ungarnverbandshatte bereits im Januar mit der Einfüh-rung einer „Junk Food-Steuer“ zum 1.März gedroht, um die „heimischen Ge-sundheitsprogramme“ zu fördern. Csekes

Vorstellungen zufolge sollten die Her-steller von Fast Food-Burgern, Chips,Snacks, Süßigkeiten und Erfrischungs-getränken künftig eine Steuer auf jeneLebensmittel entrichten, die besondersviel Fett, Salz oder Zucker enthalten.

Die Nahrungsmittelverbände liefengegen Csekes Vorhaben natürlich Sturm.Damit werde der gesundheitliche Zu-stand der Bevölkerung keineswegs ver-

bessert, wetterte Sorin Minea, Präsidentdes Branchenverbandes Romalimenta,ganz im Gegenteil − der Großteil derRumänen werde zum Hungern ver-dammt, da die Menschen sich eine ge-sündere und damit auch teurere Nahrunggar nicht leisten könnten. Angesichtsdes Trubels sah sich Finanzminister Se-bastian Vl`descu schließlich genötigt,gegenüber der Strafsteuer auf Distanzzu gehen. Es gäbe zurzeit keinen Be-schluss bezüglich der Einführung einerderartigen Abgabe, sie sei lediglich eineIdee des Gesundheitsministers gewesen,die es noch zu analysieren gelte.

Nun hat die in Strassburg sitzendeAntonescu offenbar Csekes Vorstellungvon „Wenn schon futtern, dann für denFiskus!“ einfach abgekupfert. Daheimmag der Plan zwar nichts gefruchtethaben, aber vielleicht klappt’s ja beimNachbarn ....

dEP Corneliu Vadim Tudorist nicht nur ein lautstarkerPopulist und Rechtsextremist,

sondern auch ein großer Hundeliebhaber.Davon können die Insassen des haupt-städtischen Pressehauses ein Lied singen,da Vadim allabendlich beliebt, dort kilo-weise Trockenfutter an Dutzende herum-lungernder Straßenköter zu verfüttern.

Des Schicksals der herrenlosen Hun-de soll sich nunmehr sogar das EU-Par-lament annehmen: Er werde einen Re-solutionsentwurf zum Schutz der her-renlosen Vierbeiner erarbeiten und demEuropäischen Parlament unterbreiten,erklärte MdEP Vadim als Gegenreaktionauf die Überlegungen des Präfekten vonBukarest, Mihai Atanasoaie, das derzei-

tige Sterilisierungsprogramm der Stra-ßenköter mit einem Euthanasierungs-programm zu ersetzen.

„Ich sitze Gott sei Dank in zweiAusschüssen. Folglich werde ich einenResolutionsentwurf erarbeiten, die not-wendigen Unterschriften sammeln unddann im Plenum das Wort ergreifen.Ich baue dabei besonders auf die engli-schen Lords und Baronessen, die sindschließlich alle Hundebesitzer und dem-entsprechend zartbesaitet“, erläuterteVadim seine Strategie.

Eines steht fest: Für Abwechslungauf der Tagesordnung des EU-Parla-ments dürften die rumänischen Euro-paabgeordneten allemal gesorgt haben.

Rumänische MdEP halten EU-Parlament auf Trab: „Whopper-Tax“...

.... und Straßenköter auf der Strassburger Tagesordnung

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gesellschaft

er’s noch nicht wusste,wurde jüngst eines Bes-seren belehrt: Der NameCeau[escu ist schon seit

Jahren eine eingetragene Marke und ent-sprechend beim Patentamt angemeldet.Wer folglich den Namen „unrechtmäßig“benutzt, muss blechen.

So haben Valentin, ältester Sohn desDiktators und einzig noch lebenderNachkomme, und dessen Ex-SchwagerMircea Oprean das hauptstädtischeTheater Odeonwegen des Doku-Dramas „Die letztenTage der Ceau[escus“des Schweizer Thea-termachers Milo Rauverklagt. Das Stück,das den Schauprozessdes Diktatorenpaarsnachzeichnet, lief inBukarest aus Anlassder Begehung von 20Jahren seit der bluti-gen Wendeereignissean, weitere Auf-führungen erfolgtenin der Schweiz und inDeutschland. Nunforderten die Ceau-[escu-Erben Anfang Februar ein Auf-führungsverbot des Stücks sowie eineEntschädigung wegen der „unrecht-mäßigen“ Nutzung des Begriffs „Ceau-[escu“ − allerdings nur von dem BukaresterTheaterhaus. „Mit Ausnahme von Ge-schichtsbüchern und rein historischen

Werken hat bei jedem Buch, Film, The-aterstück oder sonstigen Aktivitäten, dievon dem Begriff „Ceau[escu“ Gebrauchmachen, hierzu das Nutzungsrecht vonden rechtmäßigen Erben Nicolae undElena Ceau[escus erwirkt zu werden“,erklärte Rechtsanwalt HaralambieVoicilas, der Valentin Ceau[escu undMircea Oprean, den ehemaligen GattenZoe Ceau[escus, vor Gericht vertritt. Esgehe dem Ceau[escu-Sprößling aller-dings nicht um Geld, beeilte sich der

Anwalt hinzuzufü-gen, Valentin wollebloß verhindern,dass sein Vater „lä-cherlich gemacht“werde.

Presse und Kul-turszene reagiertenempört: Schauspie-ler Constantin Dr`-g`nescu, der imStück die Rolle desGenerals St`ncules-cu inne hat, verwiesdarauf, dass es dasLand selbst sei, daslächerlich gemachtwerde. „Patentamt?!Etwas Dämlicheres

ist mir noch nie zu Ohren gekommen.Damit machen wir uns zum Gespött derWelt.“ Dem Vorsitzenden des rumäni-schen Schriftstellerverbands, NicolaeManolescu, zufolge ist dies der Beweis,dass „Unverschämtheit kein Verfallsda-tum hat“.

Ceau[escu-Erben klagengegen Odeon-Theater

Wohl mehr nach Valentin Ceau-[escus Geschmack dürfte der „Schoko-Lenin“ gewesen sein, der just am26. Januar, dem Geburtstag des vä-terlichen Diktators, auf den Sockelder alten, längst entfernten, Lenin-Statue vor dem Bukarester Presse-haus gehievt wurde. Das ätzendgeschmacklose Oeuvre der jungenKünstlerin Ioana Ciocan bestandaus einer 3 Meter hohen Polystyrol-Nachbildung der alten Lenin’schenBronze-Statue; das Oeuvre war überund über mit Schokolade-Glasurund rosaroten Bonbons bezogenworden. Die Ingredienzien hättenSymbolwert, so Ciocan, da sie auf„Verderblich- und Vergänglichkeit“hindeuten würden.

Diese verkappte Botschaft kambei den Bukarestern allerdings nichtan − die meisten Gaffer äußerstensich höchst unwirsch: „VerflixteBolschewikin! Lern’ lieber etwasGeschichte“, entrüstete sich ein be-tagter Passant. Dabei war die Ab-sicht der Künstlerin offenbar einedurchaus lautere gewesen – sie habegegen die Vertuschung der jünge-ren Geschichte protestieren wollen,erklärte die verstörte junge Frau derherbeigeeilten Presse. Nun ja − halbvorbei ist auch daneben ...

Schoko-Leninempört Bukarester

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ach heftigen Schneefällenund tonnenweise einge-setzten Streumitteln siehtdie marode Straßeninfra-

struktur inzwischen wie ein einziger, rie-siger Schweizer Käse aus. Wohin man sichdreht und wendet, stößt man auf Schlag-löcher − ob Fahr- oder Fußgängerwegeist dabei egal.

Die Behörden zucken derweil mit denSchultern. Schlaglöcher habe er auch inÖsterreich gesehen, erklärte Transportmi-nister Radu Berceanu ungerührt, zudemkönne bis zum Frühjahr sowieso nichtsunternommen werden. Schuld am Mal-heur sei die schlechte Qualität des Bitums,das die durchtriebenen Straßenbauunter-nehmen einsetzen würden, lautet derTenor der Stadtverwaltungen.

Um den Schein emsigen Tuns undStrebens zu wahren, wurde erst einmal eineGeneralinventur der Schlaglöcher be-schlossen. Den Ton gab Bukarests Ober-bürgermeister Sorin Oprescu an – dieverflixten Löcher müssten bis zum letz-ten gezählt werden, basta! Den ganzenMonat Februar über zählten Lokalbehör-den und Nationale Straßenverwaltungfolglich fleißig Schlaglöcher. Überraschen-derweise liegt inzwischen sogar eineerste, provisorische Bilanz vor − 2,6 Mio.Quadratmeter (260 Hektar) Asphaltlü-cken sind allein auf den Nationalstraßendes Landes, die insgesamt 16.000 kmausmachen, anzutreffen. Und auch eineerste Kostenveranschlagung gibt es: 12

Euro (50 Lei) kostet die Flickarbeit proQuadratmeter Schlagloch, folglich wä-ren für die 16.000 km Nationalstraßenrund 31 Millionen Euro fällig. „Notfallswerden wir das Geld über Anleihen be-schaffen“, so ein Vertreter der Straßenver-waltung.

Wie wenig ernst die Behörden es je-doch tatsächlich mit der Sanierung derStraßeninfrastruktur meinen, wird am Bei-spiel des Bukarester Stadtvaters bestensersichtlich. Vor laufenden Kameras mar-kierte Oprescu während einer Pressekon-ferenz im Rathaus zunächst den starkenMann: Sollten die für Wartungsarbeitenunter Vertrag stehenden Straßenbauun-ternehmen die Schlaglöcher nicht binnen5 Tagen stopfen, werde er eben die Armeeheranziehen. Nachdem die Fernsehteams

abgezogen waren, erläuterte Oprescuden eben zusammengestauchten Un-ternehmensvertretern sodann seinenPlan − zu seinem Pech war jedoch einAufnahmegerät liegen geblieben, dasseine Aussagen mitschnitt: Das ganze„Getue“ müsse nur wenige Tage dauern− „wir tun ’mal eine Woche so, als obwir sie stopfen würden“, danach könnesich „jeder wieder um den eigenen Kramkümmern“. Er müsse halt eine Liste vonStandorten haben, wo „Tag und Nachtund möglichst im Scheinwerferlicht“eifrig Straßen geflickt würden, denn„nichts beeindruckt mehr als das“. Erhabe das ewige Gemeckere über die ta-tenlose Stadtverwaltung satt, demzufolge„brauche ich Ihre Hilfe, meine Herren.Wir legen eben mit einer «Schlagloch-Kampagne» los, Sie werden sehen, wiemucksmäuschenstill es dann wird. ImSommer setzen wir uns dann zusammenund erörtern, ob die Flickarbeit zu etwasgetaugt hat oder nicht, ob das Asphalt-material entsprochen hat usw. Alles, wasich jetzt brauche, ist ein Arbeitsboomüber mindestens 4−5 Tage, im Verlaufdessen von morgens bis abends muntergeflickt wird ...“

Die Aussagen des Oberbürgermeis-ters gingen durch sämtliche Medien. EinKommentar dazu erübrigt sich. Ein Nach-spiel hatten sie allerdings auch nicht − For-derungen nach seinem Rücktritt bliebenbislang aus.

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gesellschaft

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Schlaglöcher: „Wir tun ’mal eine Wocheso, als ob wir sie stopfen würden!“Wie Oberbürgermeister Oprescu die Hauptstadtbewohner veräppelt

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eit 2007 sorgt derNationale Rat für dieUntersuchung derSecuritate-Archive(CNSAS) immer

wieder für Überraschungen. Promi-nente Namen aus Politik und Wirt-schaft, aber auch aus dem Akademiker-und Künstlermilieu tauchen imZusammenhang mit der berühmt-berüchigten Securitate, der Geheim-polizei des Ceau[escu-Regimes, teilsals Täter, teils als Opfer auf. Undmanchmal sogar in einer Doppelrolle.

So wurde vor wenigen Wochen be-kannt, dass auch Ion }iriac, ehemaligerTennisstar und später höchst erfolgreicherManager von Boris Becker und andererSportprofis, in seiner Jugend der Secu-ritate als IM (inoffizieller Mitarbeiter)gedient hatte. Die Tageszeitung Eveni-mentul Zilei brachte den Bericht desCNSAS, demzufolge }iriac 1963 rekru-tiert worden war, um Informationen ausdem Sportlerumfeld zu liefern. Den An-trag auf eine Durchleuchtung seiner Ver-gangenheit hatte die Zeitung selbst mitder Begründung gestellt, dass }iriacs Amtals Vorsitzender des Rumänischen Olym-pischen Komitees (COR) ein öffentlichesInteresse an seiner Person rechtfertige.

Mal „Titi Ionescu“, mal „T`nase“Als eines der Aushängeschilder des

kommunistischen Regimes durfte }iriac

(wie andere Leistungssportler auch) oftins Ausland, da die Machthaber in Buka-rest darauf spitzten, einerseits ein gutesImage im Westen zu haben und anderer-seits potenzielle Feinde auszuspionieren.So ist kaum verwunderlich, dass }iriaczumeist auf ausländische Sportler oderim Ausland lebende Rumänen angesetztwurde. Von 1963 bis 1966 soll der ehe-malige Spitzensportler und gegenwärtigeGeschäftsmann unter dem Decknamen„Titi Ionescu“ seine Spitzelberichte ge-liefert haben, informierten die Mediennun mit Bezug auf die vom CNSAS zurVerfügung gestellten „Informationsnoti-zen“. Mal hatte er für englische Tennis-spieler als Dolmetscher einspringenmüssen, wobei sich die Gespräche lautseinen Anmerkungen auf „Grußformelnund andere Höflichkeiten“ beschränkten,mal durfte er im Ausland mit Prominen-ten oder Mitgliedern der rumänischenEmigration Tennis spielen. Letztere wür-den sich in keiner Weise negativ oder dif-famierend über ihre alte Heimat äußern,so }iriac in seinen Berichten. Besondersskurril muten jene Spitzelnotizen an, indenen }iriac über kleine Gefälligkeitenberichtet, die er im Ausland lebenden Ru-mänen erwies. So etwa, als er der Muttereines in Paris lebenden Rumänen einigeFläschchen Nagellack überbrachte. Die inBukarest verbliebene Frau habe die ganzeZeit geweint und sich erkundigt, wie esihrem Sohn gehe, hielt }iriac fest.

Die Securitate gab sich allerdingsmit derartigen Belanglosigkeiten nicht

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Ion }iriac: Spitzel und BespitzelterCNSAS bestätigt IM-Tätigkeit des Unternehmersvon sorin georgescu

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}iriac wurde von der Securitatezumeist auf ausländische Sportleroder im Ausland lebende Rumänenangesetzt. Von 1963 bis 1966 hatte

der ehemalige Tennisstarund derzeitige Geschäftsmann

unter dem Decknamen„Titi Ionescu“ Spitzelberichtegeliefert, teilte der CNSAS mit.

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zufrieden, so dass }iriac schließlich imJahr 1966 aus dem „operativen Infor-mantennetz“ entlassen wurde. In derAkte heißt es zur Begründung, dass derTennisstar „trotz aller Gelegenheiten“stets „schlechten Willen“ bewiesen habeund daher für die Aktivität eines Infor-manten untauglich sei. Mehr noch: VomSpitzel wurde er alsbald zum Bespitzelten,da die Securitate ihn als „T`nase“ bis1969 zwecks „Aufklärung der Beziehun-gen zu den in der BRD lebenden Ver-wandten seiner (damaligen) Ehefrau“überwachen liess.

Teilwahrheiten und„Gute-Führung-Zeugnis“Die Irrungen und Wirrungen der Se-

curitate-Verstrickungen werfen die hoch-brisante Frage der nuancierten Schuldzu-weisungen und komplizierten Täter-Opfer-Beziehung erneut auf. }iriacsSpitzelberichte wirken im Vergleich zuweitaus detallierteren Beschreibungen,wie sie etwa der Medizinforscher undliberale Politiker Constantin B`l`ceanu-Stolnici über Regimekritiker lieferte undsich dafür auch noch fett belohnen ließ,eher harmlos. Doch war selbst Stolnicizugleich auch Opfer des Regimes − vorseiner Rekrutierung hatte das heutigeMitglied der Rumänischen Akademieund Nachkomme einer adeligen Familiejahrelang in kommunistischen Gefäng-nissen gesessen.

Zudem drängt sich inzwischen ver-mehrt die Frage auf, weshalb seit 20Jahren eigentlich immer nur Wahrheits-fetzen an die Öffentlichkeit gelangen −zumeist handelt es sich um einzelne Fa-cetten, die politisch bestens ausgeschlach-tet werden können. Der Fall }iriac warnämlich schon 2007 in den Blickpunktder Öffentlichkeit gerückt, als Spekula-tionen über seine mögliche Ernennungzum Ministerpräsidenten kursierten.

Damals war jedoch lediglich seine Eigen-schaft als Bespitzelter bekannt geworden,über seine Tätigkeit als IM schwiegensich sowohl Behörden als auch der Mul-timillionär aus. Gegenüber Radio Rumä-nien International sagte }iriac im April2007: „Wir hatten alle Bespitzelungskar-teien − ich meine natürlich uns Sportler.Man darf auch nicht davon ausgehen,dass jemand, der 20 Jahre lang ins Aus-land durfte, nicht bespitzelt worden ist.Trotzdem bin ich recht fassungslos fest-stellen zu müssen, dass so viele Spitzelauf einen Menschen angesetzt wurden,um letztendlich belangloses Zeug überihn in Erfahrung zu bringen.“

Zur allgemeinen Intransparenz geselltsich hierzulande auch noch die fragwür-dige Praxis, sich trotz erwiesener IM-Ak-tivität eine Art „Gute-Führung-Zeugnis“vom CNSAS ausstellen zu lassen. Dieoffizielle Formulierung eines derartigen,

von den CNSAS-Mitgliedern verabschie-deten Beschlusses ist zweifelsfrei der besteBeweis für die vorherrschende Doppel-moral: „Die Zusammenarbeit von HerrnX oder Frau Y mit der Securitate lässtsich jedoch nicht im Sinne einer politi-schen Polizei auslegen.“ Im Klartext hatman es folglich mit „guten“ und „bösen“Spitzeln zu tun − als ob sich im Nach-hinein noch genauestens feststellen ließe,ob und wie die Securitate von den gelie-ferten Informationen Gebrauch machteund welche Folgen die Spitzelberichtefür die Opfer hatten. Nach diesem Re-zept legt zurzeit so mancher einheimis-che Journalist nun auch die Untüchtigkeitdes ehemaligen Securitate-Spitzels }iriacals Tugend aus.

Der Unternehmer selbst bewahrtebislang eisernes Schweigen − bis dato hat}iriac keinerlei Stellungnahme zu denEnthüllungen des CNSAS abgegeben.

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eit es im Fernsehen hieß,dass Literatur-Nobel-preisträgerin Herta Mül-ler in Rumänien geborenund aufgewachsen ist,

stellen sich die Menschen in ihremHeimatort Fragen: Was ist denn einNobelpreis? Und wer ist überhauptdiese Herta Müller? Und wenn sie schonaus dem gleichen Dorf kommt und übereine Million Euro verfügt, was springtdabei für die Dorfbewohner heraus?Herta Müller ist ein unbeschriebenesBlatt in diesem Nitzkydorf, dem sie überNacht zu Berühmtheit verholfen hat.

Auf den gepflasterten Straßen − brei-ter als die breitesten Boulevards der fer-nen Hauptstadt – lauern Frauen Fremdenauf; jeder wird verhört: Kommt er dennvon diesem Nobel? Hat er etwas mitge-bracht − Geld, irgend etwas, egal was,vielleicht Kleider oder Nahrungsmittel?!Die Fremden sind aber nur Journalisten.Sie wollen das Dorf mit eigenen Augensehen, dieses Kaff, das nur auf Detail-karten erscheint und doch auf der Land-karte der Weltliteratur aufgeflackert ist.Nein, Herta hat ihnen nichts mitgege-ben, die Frauen greifen missmutig zurSchnapsflasche.

Emilia Hornea ist 60 und trinkt seitTagen mit den Nachbarinnen. Sie stehenamDorfbrunnen und preisen die Deutschen− wie die noch gebaut haben, was fürHäuser, Straßen, Brunnen, Schulen undKirchen. Und jetzt haben sie eine Frauhervorgebracht, die eine Million Euroeinheimst. Eine Frau aus ihrem Nitzky-dorf im Landkreis Temesch. Eine Mil-lion. Herta und-was-weiß-ich-wie-noch,

steht alles in den Zeitungen. Und außer-dem haben sie’s im Fernsehen gesagt.

„Guck’, das Haus hab ich von denDeutschen“, prahlt Emilia Hornea undschlägt mit der Faust auf die festungsar-tigen, dicken Mauern. „Es gibt keineMenschen auf dieser Welt wie die Deut-schen.“ Sie hat Tränen in den Augen,

wenn sie von den Deutschen in Nitzky-dorf spricht − die Deutschen, die nunurplötzlich alle lieb haben, sie selbst,Emilia Hornea, am meisten. Sie zog um1980 aus einem Dorf in der Moldau her,die Armut hatte sie verjagt. Sie zog inein Haus von Schwaben ein, die längstnach Deutschland ausgesiedelt waren.Seitdem wohnt sie dort in Miete, 7 Leizahlt sie dem Rathaus monatlich. 7,50Lei, stellt sie ihr ältester Sohn richtig.Die Klinke am Tor, das Bild der Dorf-kirche, die Fensterläden, die Holzdielen,der Kachelofen – alles ist noch so, wiees die Aussiedler verließen, Emilia undihr Mann haben nichts angerührt, keinenNagel. Nur im Garten ist keine Blume

mehr zu sehen, kein Gemüse, nur trocke-nes Gras und Gestrüpp.

Wie die Horneas haben HunderteFamilien aus 32 Landkreisen die nachdem Exodus der Deutschen leer stehen-den Häuser besetzen dürfen. Viele sahenzum ersten Mal einen Parkettboden, sieheizten damit im Winter. In dem früherfast rein deutschen Dorf leben heute nurnoch neun Schwaben.

Anders als die zugezogenen Rumä-nen wissen diese alle, wer Herta Müllerist. Doch fallen über sie kaum gute Worte,niemand erwartet etwas von ihr. Vonallen Deutschen versucht nur AntonKraus, hartnäckig und indirekt, Gewinnaus Herta Müllers Nobelpreis heraus-zuschlagen. Der ehemalige Uhrmacherlebt heute im Dauersuff von der kargenkommunalen Sozialhilfe. Hertas Nobel-preis sorgt für seine Tagesration Bier –etwas anderes fasst er nicht an. „Ich warmit Herta Müller auf der Schule“, wis-pert er Fremden zu. Dann lässt er sichdurch das Dorf chauffieren, er gibt vielauf die Gesellschaft von richtigen Her-ren. Dann nach Hause bitte, und wennsie ihm doch helfen könnten, Wasser zuschleppen. Nach dem ersten Bier das Ge-ständnis: Also, richtige Kollegen warensie eigentlich nicht, schließlich sei er vierJahre älter gewesen und am Flur habeman sich eher selten getroffen. Sie warclever, sie mochte Literatur, sagt er noch.Für ein weiteres Bier oder auch zweikann er noch hinzufügen, dass sieschrullig war, wie alle Künstler, und dasssie sich den Nobel verdient hat. Das istalles, doch wissen andere noch weniger.Gelesen hat er keines von Müllers Bü-

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Herta Müllers Schatten in Nitzkydorf

Svon viorel ili[oi

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chern. Und gesehen hat er sie seit 40Jahren nicht mehr, seit sie in die Groß-stadt zog, aufs Gymnasium. Sie lebte inTemeswar und kaum jemand erinnertsich mehr, sie im Dorf gesehen zu haben.Was nicht weiter schlimm ist, denn Her-ta ist eben nicht besonders populär, zu-mindest nicht bei ihren Deutschen.

Niederungen, ihr erstes Buch, mar-kiert den endgültigen Bruch der Auto-rin mit ihrem Heimatdorf. „Nur Lügenhat sie über uns erzählt“, sagt HildegardAnghela[, Müllers Cousine zweitenGrades. Dass die Schwaben Hitlers Na-tionalsozialismus enthusiastisch be-grüßt hätten und so ... wo sie dochgezwungenermaßen in der Wehrmachtmitgekämpft hätten. Dass sie Feiglingegewesen seien. Dass ihr Vater ein Säuferwar, wo er doch nicht mehr als anderegetrunken habe − eben ein Vater, wie erim Buche steht. Soll sie doch mit ihremPreis glücklich werden, vielleicht verdientsie ihn ja, aber sie soll gefälligst weg blei-ben. „Ich glaube nicht, dass sie jemalswiederkommt, nach all dem, was sie überuns, die Schwaben in Nitzkydorf, ge-schrieben hat.“

Ein Exemplar der Niederungen, wahr-scheinlich das einzige im Dorf, liegt ir-gendwo im Haus herum. Hildegard hatkeine Ahnung, wo. Ein anderes Buch ih-rer Cousine hat sie nicht gelesen. Wedersie, noch die anderen Deutschen im Dorf.Herta Müller sehen sie auf deutschenFernsehkanälen über Satellit, sie hörenihre Worte und können ihr nicht verzei-hen. Nur der Rumänisch-Lehrer TiberiuBuhn` besitzt Müllers Bücher, er hatsie zudem in Temeswar bei einer Lesungbesucht und auch einige Schüler mitge-nommen. Er bewundert ihren raffiniert-scharfen Stil.

Nur wenige erinnern sich an HertaMüller. Und dennoch will sie jemand inNitzkydorf gesehen haben − und zwar

in 2008. Sie kam mit dem Zug aus Te-meswar, stieg mutterseelenallein amBahnhof aus, kam jedoch nicht ins Dorf,sondern wanderte auf Seitenwegen bis zumFriedhof, wo ihre Großeltern und ihrVater begraben sind. Dort sah sie JosefKrady, mehr sagt er aber nicht dazu. Esreicht, dass die Schwaben in Nitzkydorfwissen, dass es in Hertas Herz doch nochein Plätzchen gibt für dieses verschrieeneDorf, sonst wäre sie ja nicht zurückge-kehrt.

Josef Krady wohnt direkt neben demHaus, in dem Herta Müller aufwuchs,heute lebt dort eine Lehrerin. Er ist 79und es scheint, als ob jeder ausgesiedelteSchwabe etwas in ihm zurückgelassenhat, so stark verkörpert er alles Bewun-dernswerte an den Deutschen. Er betreutden Friedhof, er vergibt die Grabstellen.Die Kreuze poliert er derart, dass selbstdie ältesten wie neu aussehen, obwohlsie über 200 Jahre alt sind, aus der Grün-dungszeit von Nitzkydorf − das bedeutetim Übrigen Nitzkys Dorf, wobei unterNitzky der Graf Cristoph von Nitzky zuverstehen ist. „Ich würde ganz auf denFriedhof umziehen“, sagt der Alte, dergeistig und körperlich fit wie ein blutjun-ger Armeerekrut ist, „ich halte die Ein-

samkeit kaum noch aus.“ Er wollte nichtmit, als sein Sohn nach Deutschlandging, ein anderes Land habe er nicht,hier wolle er auch sterben.

„Mo[“ Josef trägt Herta Müller we-nig nach. Auch er redet, wie ihm derSchnabel gewachsen ist − er hat sogarmit den Rumänen und Ukrainern, diein die Häuser der Schwaben zogen,Tacheles geredet. Trunkenbolde seiensie und faul, primitive Geschöpfe, dieihn fast zusammengeschlagen hätten,weil es eben niemand mag, die Wahr-heit ins Gesicht gesagt zu kriegen. FürJosef, der nur vier Jahre auf der Schulewar, aber auf einer deutschen, kann derLiteratur-Nobel nur etwas äußerstWichtiges sein. Er hat gehört, dass ihnnur die großen Schriftsteller erhalten.Und er ist stolz, auch wenn es ihm dieanderen Schwaben übel nehmen, stolz,dass aus seinem Dorf eine solche Auto-rin stammt. Allzu schnell passiert dasschließlich nicht wieder, weil die Deut-schen weg sind aus Nitzkydorf − wonun nichts mehr so ist wie früher, alsdie Siedler einen Lehrer mitbrachtenund als Erstes eine Schule errichteten.

(mit freundlicher genehmigungder tz „jurnalul na]ional“)

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arf man einem chinesi-schen Sprichwort Glaubenschenken, stehen alleguten Worte dieser Welt

in Büchern. Und manchmal denkt man,alle guten Bürger der rumänischenHauptstadt stünden zur gleichen Zeit inder U-Bahn. Damit Mensch und Buchauch unter der Erde zueinander finden,hat eine Bürgerinitiative ein originellesProjekt ins Leben gerufen. Seit letztenSommer sorgt CIVIKA dafür, dassimmer mehr Menschen in der MetroLust auf Lesen bekommen.

Das Konzept ist recht simpel:Volontäre folgen als erstes denregelmäßigen Aufrufen auf derInternetseite der Initiative(www.civika.ro) und kommenin einer Bukarester U-Bahn-Sta-tion zusammen. Bei der erstenAusgabe des Projekts „UrbaneLektüren“ (lecturi urbane) imMai 2009 waren es 60 Freiwillige.Zuletzt versammelten sich An-fang Februar mehr als doppeltso viele.

Am Treffpunkt bekommen die Vo-lontäre von den Projektleitern eineTasche voller Bücher mit auf den Wegin die nächstbeste U-Bahn. Hier wirdmit taktischem Geschick die Aufmerk-samkeit der Fahrgäste geweckt: Einigeder Teilnehmer kramen einfach ein Buchhervor und beginnen zu lesen, währenddie restlichen Volontäre den überrasch-

ten Metro-Reisenden ausgewählte Bücherschenken. Die Bücher sind zum Teil ge-braucht − zumindest jene, die von denVolontären selbst gespendet wurden.Inzwischen konnten für das Projekt aucheinige Sponsoren gewonnen werden,die Neuartikel beisteuern. So konntenbeim letzten Treffen etwa 400 Bändeverteilt werden.

Bislang hätten die Menschen sehrunterschiedlich auf die Bücher-Kara-wane in der Metro reagiert, berichteteAdrian Ciubotaru, einer der Projekt-

gründer, in einem Interview mit demKulturmagazin Dilemateca. „Es gab Fälle,in denen Menschen unsere Bücher mitder Begründung ablehnten, sie hättenbei der Arbeit die ganze Zeit auf ihrenPC-Schirm gestarrt und davon Augen-schmerzen bekommen. Die meisten wa-ren allerdings erstaunt, dass eine Hand-voll Jugendlicher in der U-Bahn Bücherverschenkt. Und die große Mehrheit re-

agierte mit Bewunderung auf unsereAktion, ich bin sehr zufrieden, dass unsdie Leute ermutigt haben, die urbanenLektüren fortzusetzen“, freute sich Ciu-botaru.

Ziele der Aktion seien die Ermuti-gung der Lektüre an öffentlichen Plätzen

und generell die Förderung desLesens als Mittel der Freizeit-gestaltung – informieren die Ve-ranstalter auf der Homepage desProjekts (orasulciteste.ro).Außerdem wolle man langfristignach westlichem Vorbild einemobile „Underground-Biblio-thek“ einrichten. Diese würdeaus Bücherregalen in den U-Bahn-Wagen bestehen, ausdenen sich die Fahrgäste kosten-los Bände ausleihen könnten.

Ein solches Projekt könnte für Ru-mänien wichtig sein. Denn hierzulandewurde die Lesekultur nach der Wendevernachlässigt, wie die Ergebnisse einerStudie des MarktforschungsunternehmensGFK belegen. Demnach würden 30%der Rumänen gar nicht lesen, währendein weiteres Drittel nur einige Bücherim Jahr oder weniger liest.

alex sterescu

Lesekultur

Reiselektüre für Fahrgästeder Bukarester U-Bahn

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Auch flächendeckend schneiden dieDeutschen gut ab. Allerdings dürfte dieendgültige Entscheidung zu diesem The-ma erst dieser Tage erfolgen, doch kanngrundsätzlich davon ausgegangen werden,dass im Kreis Temesch nur die Simultan-klassen in den Gemeinden Schag undBakowa aufgelöst werden, die anderenSchulen bleiben in ihrer derzeitigenForm bestehen.

Dementsprechend wird es kaum zuStreichungen von Klassen am NikolausLenau-Gymnasium, am Banater Kolleg,in Lugosch, Großsanktnikolaus, Perja-mosch und Hatzfeld kommen. Allein

beim William Shakespeare-Lyzeum(ehemalige Allgemeinschule Nr. 3) wirddie in diesem Jahr absolvierende 8. Klassedie letzte an dieser traditionsreichenBildungseinrichtung gewesen sein, dasie sowieso bereits als einzige funktio-nierte. In Lugosch, Großsanktnikolausund Perjamosch versprachen die Bürger-meister sogar, im Extremfall Geld ausder Gemeindekasse für den Erhalt desdeutschsprachigen Unterrichts locker zumachen. In ihren Ortschaften hat nämlichDeutsch-Muttersprache lange Tradition.Ein Regierungserlass vom Jahresende,der aus Spargründen eine Pro-Schüler-Bezahlung des Personals vorsieht, hatlängst so manche Schule in Rumänienin helle Aufregung versetzt − vor allemin kleinen Ortschaften und an Klassen-zügen der Minderheiten, wo durch dieoft geringe Schülerzahl das Geld, trotzeiner sogenannten „Minderheiten-Zu-lage”, nicht reicht. Der Hinweis, dassdas Grundgesetz den Unterricht in denSprachen der Minderheiten gewährt undsichert, war dann vielerorts das schlagen-de Argument. Wie es mit der Finanzie-rung jedoch letzten Endes aussehen wird,ist derzeit noch schleierhaft.

So auch im Adam-Müller-Gutten-brunn-Gymnasium in Neuarad, wo an-geblich nur 85% der Lehrerfinanzierunggesichert sind, obwohl durch die Ab-sorbtion der Allgemeinschule Nr.20durch das AMG-Gymnasium letzteremmehr Schüler für die Klassen 1−8 zukom-men und daher auch mehr Geld zuste-hen müsste. Doch wird durch den Zu-sammenschluss der beiden deutschenSchulen in Neuarad einerseits deren Jahrelanges Raumproblem gelöst, anderer-seits wäre deren sinnlose Konkurrenzum eine immer geringere Schüleranzahlendlich aus der Welt geschafft. Unklarist des Weiteren, ob es auch im kom-menden Schuljahr noch eine 9. Bilingual-klasse an der AMG-Schule geben wird.Die Schulbehörde will diese auflösen,die Schulleitung hat Berufung beim Mi-nisterium eingelegt.

Aber nicht nur der Unterricht in denSprachen der Minderheiten ist zu einerheiklen Angelegenheit geworden. Zwi-schen 400–600 Stellen werden laut Ge-werkschaften in den Unterrichtseinheitendes Verwaltungskreises Temesch abkommendem Jahr wegfallen. Betroffenwäre dadurch vor allem Personal anDorfschulen, die entweder gänzlich auf-gelöst werden oder zumindest ihrenStatus als eigenständige Schule verlieren− 42 Schulen wären allein im Kreis Te-mesch in einer der beiden Lagen. DerSinn solcher Initiativen – über das Finan-zielle hinaus – wirft reichlich Fragen auf.Meist geht es bei den aufzulösendenSchulen um solche mit Simultanunter-richt und da seien die Leistungen erheb-lich gesunken, argumentieren die einen.Andere wiederum befürchten, dass ge-rade wegen des anstehenden Pendelnsviele Familien vom Land zukünftig aufSchule und Bildung ihrer Kinder verzich-ten würden.

alecs dina

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rundsätzlich bleibensie erhalten – diedeutschen Schulen imBanat, egal, ob es da-

bei um Grundschulen, Gymnasien,um ganze Schulen oder Abteilun-gen mit Deutsch als Muttersprachegeht. Der Regierungserlass, der ausSpargründen eine Pro-Schüler-Be-zahlung des Personals vorsieht, hatmittlerweile so manche Schule in Ru-mänien in helle Aufregung versetzt.

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Im Unterricht die Schereangesetzt

Eine der traditionsreichsten Temeswarer Lehrstätten: das Nikolaus Lenau-Gymnasium

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Laut Hochrechnungen von „Habi-tat“, der Dachorganisation aller Eigen-tümerverbände in Rumänien, lebt einDrittel der Bevölkerung derzeit in Plat-tenbauten. Das sind rund 7 Mio. Men-schen, deren Wohnungen während derWintermonate größtenteils fernbeheiztwerden. Doch geht in den meisten Wohn-blocks, die zwischen 1950 und 1990 ausBetonfertigteilen gebaut wurden, viel Wär-me verloren, erklärt „Habitat“-Vorsitzen-der Mihai Mereu]`, demzufolge dieBukarester Haushalte fast doppelt so vielEnergie pro Quadratmeter verbrauchenwie etwa jene in Berlin.

Statistiken zufolge verbrauchen Eu-ropäer pro Quadratmeter durchschnitt-liche 220 kWh im Jahr. RumänischeWohnblocks verschlingen hingegen nachAngaben des heimischen Energiegutach-

terverbandes satte 390 kWh pro Quadrat-meter und Jahr − hauptsächlich wegender schlechten Wärmedämmung an Fas-saden, Fenstern, Dächern und in den Un-tergeschoßen. Weil das Effizienz-Problemmittlerweile erkannt wurde, verabschie-deten die Behörden 2002 ein Gesetz überdie thermische Sanierung der Plattenbauten.Doch kam es erst 2005 zu einer umfas-senden Bestandsaufnahme. Die gewonne-nen Erkenntnisse waren ernüchternd:Zwischen 80.000−85.000 Wohnblocksin 100 rumänischen Städten bedürfeneiner dringenden Sanierung. Im Schnittentstehen pro Wohnung eines saniertenPlattenbaus etwa 3.200 Euro Kosten fürdie Wärmeisolierung, zeigen die Berech-nungen des Ministeriums für RegionaleEntwicklung und Wohnungswesen auf.Die Investition lohnt sich auf jeden Fall,

sagt Mereu]` von „Habitat“, denn da-durch könne erheblich mehr Energie ge-spart werden. Wären alle Wohnblocks inRumänien saniert, so wäre das Landkaum noch auf Erdgas-Importe ange-wiesen, behauptet Mereu]`.

An den Kosten der Sanierung solltensich, laut ursprünglichen Beschlüssen,Staat, Lokalverwaltungen und Eigentü-mer gleichermaßen beteiligen. Um dasProgramm voranzutreiben, beschlossRegierungschef Boc im letzten Jahr je-doch die Erhöhung der staatlichen För-derung auf 50% der Gesamtkosten. Damitentfallen nun 30% auf die Gemeindenund nur noch ein Fünftel der Kostenauf die Eigentümer.

Die Ergebnisse seien bislang zufrie-denstellend, erklärt Gheorghe Popescu,Leiter des Referats Wohnungsbau undthermische Rehabilitierung im Ministe-rium für Regionale Entwicklung undWohnungswesen. 2009 hätten landesweitSanierungsarbeiten eingesetzt, so Popescu,Geld sei für insgesamt 1249 Wohnblocksda gewesen. Davon waren Ende letztenJahres bereits 642 fertig saniert, was inetwa 25.000 Wohnungen entspricht.

Mit anderen Worten wäre zurzeitknapp ein Prozent aller Plattenbautensaniert. Wird das Schneckentempo bei-behalten, so dürfte deren energetischeSanierung in über einem halben Jahr-hundert beendet sein. Das ist natürlichnicht hinnehmbar, sagt VerbandschefMereu]`. Um diese Sachlage zu ändern,sollten z. B. per Gesetz auch jene Fällegeregelt werden, in denen die Eigentü-mer die Kosten der Sanierung vollstän-dig tragen wollen. Die Behörden stimmenderweil ein wohlbekanntes Lied an: Manwolle zukünftig bei Sanierungsprojektenvermehrt Fördermittel aus dem EU-Topfabschöpfen. Dann soll’s angeblich auchmit der zügigeren Sanierung klappen.

alex sterescu

gesellschaft

m kommunistischen Rumänien wurden ab den 50er Jahren im Zuge derZwangs-Industrialisierung massenweise Plattenbau-Siedlungen hochge-zogen. Darin sollte die neue Arbeiter-Klasse hausen, die vor allem aus

ländlichen Gebieten stammte. Die künstlich expandierten Städte haben heute,20 Jahre nach der Wende, mit großen Infrastrukturproblemen zu kämpfen.Dazu gehört auch die hohe Energieverschwendung in den nur unzureichendwärmegedämmten Wohnblocks. Ein landesweit umgesetztes Programm solldas Problem nun lösen.

Behörden wollen Energie-Effizienzder Plattenbauten verbessern

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eitschen und Kuhglockenhallten jüngst durch die beleb-ten Straßen des unweit von

Hermannstadt gelegenen StädtchensAgnetheln, um nur ja alle bösen Geisterzu vertreiben. In vielen Agnethlern wecktder inzwischen wieder traditionelle Ur-zellauf liebgewonnene Kindheitserinne-rungen, da nach der Massenauswanderungder Sachsen Anfang der 90er dieser Fas-nachtsbrauch viele Jahre lang nicht mehrgepflegt worden war. Wiederbelebt wurdedie Tradition 2007. Mit einem lauten„Hirräi!“ rennen nun wieder in schwarzgekleidete Zottelgestalten mit und ver-teilen dabei Hunderte leckerer Krapfen.

Auch wenn die KirchengemeindeAgnetheln nur noch rund 150 Sachsenzählt, verfügt der Verein „UrzelzunftAgnetheln“ nichtsdestotrotz über weitmehr Mitglieder – dieses Jahr ranntenetwa 160 Urzeln mit, da diese sieben-bürgisch-sächsische Tradition immer mehrAnhänger gewinnt. Bogdan P`tru istnicht nur Vereinsleiter, sondern auch

Lehrer an der deutschen Abteilung derAgnethler Allgemeinschule. 2006 stellteer seiner Klasse das Urzelkostüm vor,spontan liefen damals einige Kinderverkleidet durch die Straßen. Ein Jahrspäter wurde der erste richtige Urzellauforganisiert. Der Sage nach ist der Urzel-lauf eigentlich einer mutigen Frau namensUrsula zu verdanken, die zur Zeit derTürkenbelagerung diese aus Agnethelnvertrieb, indem sie, in lauter Fetzen ge-hüllt, wild gestikulierend den osmanischenBelagerern entgegenrannte.

Wie jedes Jahr begann der Urzellaufauch diesmal mit einer Parade − um denZuschauern eben einen ersten tüchtigenSchrecken einzujagen, der dann gleichmit einem köstlich dampfenden Krapfenwieder besiegt werden kann. Sodann wur-den sämtliche Gestalten vorgestellt: Para-dehauptmann und Engelchen, die Reifen-schwinger, das Mummerl und der Bären-treiber. Auch das Rad der Kürschnerdurfte natürlich nicht fehlen. Jede Ge-stalt repräsentiert dabei eine traditionel-

le Handwerkerzunft, wie etwa dieSchneider-, Schuster- und Fassbinder-zunft. „Mer wäntschen Gläck än desemHais,/Mer dreiwen mät Schall ochGaussel/De Sorj och den Arjer ais.“ Solautet der traditionelle Urzelspruch inAgnetheln und so erklang er auch beimdiesjährigen Urzellauf.

Der Bärentreiber brachte nach denFestreden seinen „Bären“ tüchtig zumTanzen und auch die anderen Gestaltenzeigten ihre Künste, danach liefen dieUrzeln wieder los, denn schließlich galtes ja Unmengen von Krapfen zu verteilen.Nach einer zweiten Vorstellung ihrerKünste zogen die Urzeln sodann inParten durch die Stadt – je nach Zunftund Freundschaft. Es wurde gesungen,gegessen und getrunken, die Krönungdes Festtages stellte schließlich derUrzelball dar.

Von Jahr zu Jahr blüht die Traditionwieder auf, denn glücklicherweise kom-men stets neue Urzeln hinzu. Zwar sinddie Blütezeiten dieses Fasnachtsbrauchswohl unwiederruflich vorbei, jedochhoffen die Agnethler, dass ihr ruhigesStädtchen mit jedem neuen Urzellaufeinen Teil ihrer Identität wieder zurück-gewinnt. Der Teilnehmerrekord von1980 mit 520 erwachsenen Urzeln und70 Urzelkindern ist allerdings nicht soleicht zu brechen ... andererseits aberauch kein Ding der Unmöglichkeit.

ruxandra st`nescu

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Brauchtum

„Hirräi!“: Urzellaufin Agnetheln

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hat der IWF Ende Februar an Rumänien überwiesen, nachdem der Verwaltungsratder internationalen Finanzinstitution die Freigabe der 3. und 4. Teilzahlung des knapp

20 Mrd. Euro schweren Hilfspakets für Rumänien abgesegnet hatte. Die Hälfteder Summe ist für die Reserven der Nationalbank bestimmt, die andere Hälfte kommt

dem Finanzministerium zugute, das damit Haushaltslöcher stopfen will.

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zahl des monats

2,3Milliarden Euro

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