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Ambulante Diagnostik
in der Kinder- und Jugendpsychiatrie:
Möglichkeiten und Grenzen
Dr. med. Susanne Krauß,
c/o Praxis Dr. med. Elke Marx-Ottmüller
Ärztlichen Kollegen:
KJPP = „black box“ !
? • Lange Wartezeiten
• Rückmeldungen
spät oder nie
• Keine (schnellen)
Veränderungen
Ambulante Diagnostik
und Beratung
• Erstgespräch beim (Fach-)Arzt
• Psychodiagnostik
• Diagnosestellung/Behandlungsoptionen
• Befundbesprechung u.Beratung (Pat., Familie, ggf. soz. Umfeld)
• Behandlungsempfehlung
Theoretische Grundlagen
Was unterscheidet psychometrische
Tests von Kaffesatzleserei?
• Standardisierung
• Vergleich des Patienten mit Normstichprobe
• Gütekriterien:
Objektivität, Reliabilität, Validität
Psychometrische
Diagnostik
• Fragebögen/ Skalen zur Erfassung von
Symptomatik und Schweregrad
• Entwicklungsdiagnostik
• Leistungsdiagnostik
• Störungsspezifische Diagnostik
• Persönlichkeitsdiagnostik
• Projektive Tests
Fragebögen/ Skalen zur Erfassung des
Schweregrads der Symptomatik
z.B.
Achenbachskalen:
Ähnliche Fragebögen für Eltern, den Lehrer und den Jugendliche
- Vergleich der verschiedenen Perspektiven und
- Vergleich der Symptomatik mit der Normstichprobe
Entwicklungsdiagnostik Leistungsdiagnostik
• Ermittelt kognitive
Leistungsgrenze
• Ansteigender
Schwierigkeitsgrad
der Aufgaben
• Ab ca. 4. Lebensjahr
• Erhebt allgemeinen
Entwicklungsstand
• Basiskompetenzen in
mehreren Funktions-
bereichen
• Ab Säuglingsalter
Störungsspezifische
Tests / Fragebögen / Interviews
• Gezielte Prüfung, ob Kriterien für ein spezifisches Störungsbild erfüllt sind
z.B. Depressive Erkrankungen, Phobien, Teilleistungsstörungen, autistische Störungen, ADHS, Störung des Sozialverhaltens, Angst-/ Zwangs-/Ticstörungen
Störungsspezifische
Diagnostik
mit DISYPS II • Standardisiert
– Vorgegebene Fragebögen für verschiedene
Störungsbilder (ADHS, SSV, ANZ, DES, TES etc.)
• Berücksichtigung versch. Perspektiven
– Eltern, Klassenlehrer, ggf. Erzieher und Diagnostiker
füllen FBB aus
– Patient (ab 11 Jahren) füllt SBB aus
• Quantitative Auswertung
anhand klinisch/ wissenschaftlicher Kriterien
Entscheidungsbaum
Beispiel: Diagnostik ADHS
mit DISYPS II
(Mindest-)Voraussetzungen:
Exploration Hauptbezugsperson/en
Exploration Patient/in
Klinische Beobachtung Patient/in
Fragebögen SBB/FBB Patient, Eltern,
Schule gezielte Symptomabfrage
FBB-ADHS
Gezielte Abfrage
der Symptomatik:
• Aufmerksamkeitsstörung
• Überaktivität
• Impulsivität
Vorhanden ?
Schweregrad ?
• Bei V.a. „akzentuierte Persönlichkeitszüge, wie z.B. Impulsivität, Insuffizienzerleben, emotionale Instabilität
• Bietet Erklärungsansätze, warum einem Jugendlichen bestimmte sozial-emotionale Anforderungen schwer fallen
• Beispiele:
Hanes-KJ (8-16J), HAPEF-K (9-13J),
FPI-R (ab 16J)
Persönlichkeits-
diagnostik
Projektive Tests
• Ziel: Einblicke in die Gedankenwelt des
Kindes
- zur familiären Situation (FIT)
- zu Wünschen und Sehnsüchten (WP)
- individuelle Themen (Szeno)
• Vorteil: Oft unmittelbar verständlich, sehr
spezifisch für den Patienten
• Nachteil: Subjektive Interpretation
Psychometrische
Diagnostik
Grenzen und Möglichkeiten
• Kein Test ist für sich alleine gültig,
immer im Kontext von Exploration und
klinischer Beobachtung
• Aber: gute Eingrenzung und
Differenzierung des klinischen
Befundes möglich
Diagnose und
Behandlungsoptionen
• Zusammenschau aller bisherigen Befunde
• Erwägen und Durchführen von
Interventionen unter Berücksichtigung der
Lebenssituation des Kindes
• Verlaufskontrolle
Steven, 10 Jahre
• Vorstellungsgründe:
- Soziale Ängstlichkeit und Rückzug (Einkaufen, Busfahren schwierig, keine gleichaltrigen Freunde)
- „Flattern“ der Hände vor der Körpermitte
- Aggressiv gegenüber kleinerer Schwester
- In der Lage, „alle Hebel in Bewegung zu setzen“, wenn er für ihn Unangenehmes vermeiden will
Erstgespräch
• Anamnese:
- Zwei jüngere Geschwister, Eltern zeitweilig Trennungsabsichten, Mutter dzt. neue Berufsausbildung
- 34.SSW, postnatale Anpassungs- störungen in Form von exzessivem Schreien
- Meilensteine der Entwicklung leicht verspätet, Ergotherapie, Logopädie
- Einschulung mit 7 Jahren in Regelgrundschule
- Aktuell Besuch der 3. GS-Klasse mit guten schulischen Leistungen
Steven, 10 Jahre Erstgespräch
Verdachtsmomente…
Mutter/ Ergotherapie Autistische Störung?
Großmutter ADS?
Untersucherin Soziale Ängstlichkeit?
SSV/ Emotionen ? Anpassungsstörung?
Ursachen?!
Steven, 10 Jahre Diagnostik
Ängstlich,
gehemmt,
aggressiv,
dramatisierend..
• Psychopathologischer Befund:
- Bewusstseinsklar, allseits orientiert,
kein Anhalt für psychotisches Erleben
- Im Antrieb ausgeglichen, gesteuerte Handlungsimpulse, im Affekt reduziert
- Adäquate Reaktion auf Kontaktaufnahme, gegenüber der Mutter gehemmt wirkend
- Mimik, Gestik reduziert, Haltung versunken, Sprache leise, leichtes Stottern (=psychomotorisch reduziert)
Steven, 10 Jahre Erstgespräch
• Verhaltensbeobachtung:
kooperativ, bemüht, etwas angespannt,
bei Anforderungen Anspannung ,
dramatisierend („Oh Gott!“),
eingeschränktes Instruktionsverständnis,
konzentriert, aber leicht ermüdbar,
gut positiv zu verstärken
Steven, 10 Jahre Diagnostik
Steven, 10 Jahre Diagnostik
• Verwendete Fragebögen und Tests:
- Symptomatik beschreiben:
CBCL, TRF
- Schulsituation:
Fragebogen zu emotionalen und sozialen Schulerfahrungen (FEESS 3-4)
Leistungsdiagnostik (WISC IV)
- Störungsspezifisch:
DISYPS II FBB-ADHS, SRS
- Persönlichkeitsdiagnostik:
HANES-KJ
- Projektive Tests:
FIT, Wunschprobe
Steven, 10 Jahre Diagnostik-
ergebnisse
• Symptomatik (CBCL, TRF)
Nur von Mutter beschrieben, nicht von der
Lehrerin (TRF unauffällig)
• Schulsituation (FEESS)
Steven schätzt seine soziale Integration
und sein schulisches Leistungsvermögen
als weit überdurchschnittlich gut ein
(PR> 96)
• Störungsspezifische Diagnostik
Ausschluss ADHS,
SRS unauffällig, keine autistische Störung
• Persönlichkeitsdiagnostik (HANES KJ)
Weit überdurchschnittlich empfindlich, starke Stimmungsschwankungen, Sorgen+Ängste, innerlich unruhig, leicht erregbar
Überdurchschnittliches Geselligkeitsbedürfnis
Unterdurchschnittliche eigene Aktivität
Steven, 10 Jahre
Diagnostik-
ergebnisse
• Projektive Tests
Steven, 10 Jahre
Diagnostik-
ergebnisse
Wunschprobe:
1. Dass ich mich in Mathe
verbessere
2. Dass ich mich in Englisch
verbessere
3. Dass ich mich in Nieder-
deutsch verbessere
• Achse I:
Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen
• Achse II:
Z.n. expressiver Sprachstörung
• Achse III:
Unterdurchschnittliche Intelligenz
• Achse IV: Keine somatischen Diagnosen
• Achse V: Psychosoziale Risikofaktoren in Form von
zeitweilig belasteten intrafamiliären Beziehungen
• Achse VI: Mäßige soziale Beeinträchtigung in mehreren Bereichen (3)
Steven, 10 Jahre
Multiaxiale
Diagnose
• Erklären des Befundes
- Was hat Steven? Was nicht?
- Welche Ursachen könnte es geben?
- Welche Konsequenzen hat das?
• Empfehlungen
die sich aus dem Befund unter Berücksichtigung der Lebenssituation ergeben (Weiterbehandlung, Schule, JH u.ä.)
• Ggf. weitere Beratungsgespräche
(z.B. Familie, Schule, Eltern)
Steven, 10 Jahre
Beratung
Zusammenfassung
Diagnostik
und Beratung
Ggf.
Th-Intervention
Befund
bericht
Therapie
bericht
1 2
Mit ÜW-Schein
u. Einverständnis
der Eltern
anforderbar…